FÜNF JAHRE UND EINE NACHT
(Originaltitel: Five years and one
night)
by Shalimar ( shalimar@earthling.net )
editiert
von: BeckyD
Besonderen
Dank an TallyHo, die Singapore Infodiva
Rating:
NC-17; Die Story enthält Erwachsenensprache und sexuelle Situationen, die nicht
für Leser unter 17 Jahren bestimmt sind und vielleicht für einige Erwachsene
auch nicht.
Disclaimer:
Die Charaktere gehören Chris Carter, 1013, FOX und an dieser Stelle
möglicherweise Mr. Rupert Murdoch. Und einer Menge Autoren, Vince Gilligan,
Frank Spotnitz, Tim Minear, John Shiban... und möglicherweise ein paar anderen.
Eine Verletzung ihrer Rechte ist nicht beabsichtigt.
Die
Story hätte ohne die Hilfe einiger anderer nicht fertig gestellt werden können.
BeckyD, Alanna B., MS, MD1016, Deb P. und GPA. Und natürlich Madame C. selbst.
Und ein paar andere, die ich sicherlich vergessen habe.
Danke.
Die
Story beginnt nach Kitsunegari und ist voll von Spoilern, einschließlich der 5.
Staffel.
Anmerkung
der Übersetzerin: Tausend Dank an Petra für die Hilfe bei der Überarbeitung und
das Betalesen. Ohne sie wäre die Story nur halb so schön. und ebenfalls tausend Dank an dana d., daß
sie die Übersetzung auf ihrer Seite postet. Und tausend Dank an die Autorin,
ohne sie hätten wir diese Story nicht.
Fünf Jahre Und
Eine Nacht
Teil
1
Washington
D.C.
4.
Januar 1998
"Ich
wollte Ihnen das persönlich geben, Sir."
Sie
legte den Brief vorsichtig vor ihn auf den Schreibtisch. Ihre Hände zitterten
jetzt kaum. Gut so.
"Agent
Scully? Ich dachte, ich hätte Ihnen und Mulder vor Stunden gesagt, daß Sie nach
Hause gehen und sich ausruhen sollen."
Skinner
starrte auf ihre Hände und sie versteckte sie schnell hinter ihrem Rücken, so
daß er sie nicht mehr sehen konnte. Er sah auf das Stück Papier, ohne es zu
berühren.
"Was
ist das?"
"Es
ist ein Versetzungsgesuch, Sir."
Skinner
lehnte sich in seinem Stuhl zurück und betrachtete sie ruhig. Er rieb sich das
Kinn.
"Machen
Sie sich Vorwürfe wegen dem, was heute mit Linda Bowman geschehen ist?"
Sie
sah ihm direkt in die Augen.
"Ja,
Sir. Ich habe das Gefühl, daß ich meinen Partner mit meinem eigenen Handlungen
in Gefahr gebracht habe."
"Welche
Handlungen waren das, Agent Scully?"
"Daß
ich selbst an dem Fall beteiligt war."
Er
sah sie einen Moment lang an. "Weiß Agent Mulder davon?" Er deutete
auf den Brief, den sie hingelegt hatte.
"Ja,
Sir. Er verlangte um meine Versetzung."
"Was!?"
Er beugte sich ruckartig nach vorn und drückte auf den Knopf der
Gegensprechanlage. "Kimberly! Holen Sie Agent Mulder her."
"NEIN!"
Skinner
zog seine Augenbrauen hoch.
"Ich
meine: nein, Sir. Er ist für heute gegangen."
"Rufen
Sie ihn zu Hause an, Kimberly."
Er
lehnte sich zurück und sah sie wieder unverwandt an.
"Agent
Scully, in keiner Weise und zu keiner Zeit sah ich Sie Mulder, mich selbst oder
irgend ein anderes Mitglied des Untersuchungsteams gefährden."
"Ich
hatte Sie nicht darüber informiert, in welchem Ausmaß Modell in der Lage war,
Agent Mulders Gehirn - beim letzten Mal - zu beeinflussen."
Skinner
lehnte sich zurück, legte seine Finger aneinander und drückte die Fingerspitzen
gegen seine Unterlippe.
"Ich
verstehe."
"Linda
Bowman war in der Lage, Agent Mulders... Drang, mich zu beschützen, zu
manipulieren."
"Es
ist nicht unnormal für Partner, sich gegenseitig zu beschützen."
"Nein,
Sir. Aber in diesem Fall hätten Agent Mulder und ich nicht dabei sein
dürfen."
"Scully,
ich habe Robert Modells besondere Art der Überzeugungskraft aus erster Hand
erlebt. Es ist schwer für mich zu glauben, daß Mulders Wissen um diese
Fähigkeit etwas anderes bewirkt hat, als ihm zu helfen die Fakten in diesem
Fall zu ermitteln - besser als es irgend jemand sonst gekonnt hätte."
Sie
blickte auf ihre Hände.
"Ungeachtet
dessen bleibe ich bei meinem Gesuch, Sir."
Die
Gegensprechanlage summte. Skinner drückte auf den Knopf.
"Agent
Mulder antwortet weder auf seinem Handy noch auf seinem Telefon zu Hause,"
erklang Kimberlys geisterhafte Stimme.
"Versuchen
Sie es weiter," fauchte er.
Er
lehnte sich in seinem Stuhl zurück und sah sie lange an.
"Agent
Scully, wir wissen beide, was Sie mir einmal erzählt haben, um mir zu
versichern, daß Agent Mulder und Sie mehr als nur eine normale Partnerschaft
haben. Wenn diese Entscheidung das Ergebnis dessen ist..."
"Nein,
Sir. Unsere Beziehung ist rein beruflich."
Plötzlich
sah A. D. Skinner sehr müde aus. Er setzte seine Brille ab und rieb sich den
Nasenrücken. "Es ist eine Untertreibung zu sagen, daß Sie in den letzten
achtzehn Monaten eine Menge erlebt haben."
Sie
nickte.
"Ich
glaube, ich hätte es kommen sehen müssen. Es tut mir sehr leid, Sie zu
verlieren. Sie sind eine meiner besten Agenten - wenn nicht die beste."
"Danke,
Sir."
Er
setzte seine Brille wieder auf, nahm den Brief und las ihn.
"Ich
kann Sie von den X-Akten abziehen. Sie müssen D.C. nicht verlassen."
"Nein."
Er
seufzte. "Haben Sie sich Gedanken darüber gemacht, wohin Sie versetzt
werden möchten?"
"Ich
würde mich deswegen gern wieder bei Ihnen melden. In der Zwischenzeit würde ich
gern zwei Wochen frei nehmen - aus persönlichen Gründen."
Skinner
stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Er hielt ihr seine Hand hin. Sie
stand auf und nahm sie.
"Sind
Sie sicher, daß es keine andere Lösung gibt, Scully?"
Sie
konnte ihrer Stimme nicht trauen. Deshalb schüttelte sie lediglich den Kopf.
"Lassen
Sie mich mit einigen Leuten sprechen, die ich kenne. Ich will sehen, was ich
für Sie finden kann."
Sie
nickte erneut und schluckte schwer.
Er
drückte kurz ihre Hand, dann ließ er sie gehen.
Sie
schaffte es bis zu ihrem Wagen, bevor sie in Tränen ausbrach.
zwei
Stunden vorher...
Scully
ließ sich in ihren Schreibtischsessel fallen und barg ihr Gesicht in ihren
Händen.
Sie
hätte ihre Waffe in dem Lagerhaus nicht auf ihn richten dürfen.
Es
passierte so schnell, aber sie hätte vorbereitet sein müssen. Sie hätte einen
Plan haben müssen. Sie hätten ein Codewort haben müssen. Einen geheimen Code.
Afghanistan,
Bananastan, Mulder.
Ich
bin's.
Irgend
etwas besseres als ‚Der Name Deiner Mutter ist Teena!'
Gott.
Sie
kannte tausend intimere Dinge von ihm als den Namen seiner Mutter oder den
seiner Schwester.
Sie
hätte stärker als Modell und Bowman und klüger sein müssen. Sie hätte gewinnen
müssen. Zusammen hätten sie gewinnen müssen. Sie hätte in der Lage sein müssen,
zu ihm durchzudringen.
Teile
und herrsche. Sie hätte ihre Lektion lernen müssen in diesem Sumpf.
Was
hatte sie vorgehabt, als sie ihre Waffe auf ihn gerichtet hatte? Ihn erschießen,
um sich selbst zu retten? Richtig.
Wenn
sie nur ihre Waffe heruntergenommen hätte... Dann hätte er ihr glauben können
und sie hätte zu ihm durchdringen können. Sie hätte auf Linda Bowman schießen
können. Und er würde sich nicht so beschissen fühlen - und sie müßte sich nicht
so fühlen, als hätte sie ihn irgendwie belogen.
Sie
stöhnte laut.
Was
für ein Schlamassel.
Die
Tür ihres Büros machte ein kleines Geräusch, als er sie aufstieß und sie hob
ihren Kopf, gespannt zu hören, warum Skinner ihn zu sich gerufen hatte.
Er
schüttelte seinen Kopf wage in ihre Richtung, ging zu seinem Schreibtisch und
warf sich in seinen Sessel. Er ignorierte ihren fragenden Blick, nahm eine Akte
von seinem Schreibtisch und begann sie genau zu studieren.
Beunruhigt
wandte sie sich wieder den Papieren auf ihrem eigenen Schreibtisch zu.
Zehn
Minuten später war sie immer noch nicht in der Lage gewesen, auch nur
ein
Wort des Berichtes vor ihr zu verarbeiten. Sie sah zu ihm herüber. Er
war
über seinem Schreibtisch zusammengesackt, die Schultern hochgezogen,
sein
Kopf in seinen Armen verborgen. Totale Verzweiflung stand in jeder
Linie
seines Körpers geschrieben
"Mulder?"
fragte sie leise.
Sie
war sich nicht sicher, ob er sie gehört hatte. Wenn ja, dann ignorierte er sie.
Sie
sah zurück auf ihren Bericht und versuchte, ihn nicht anzusehen. Fünf Minuten
später hob er seinen Kopf und rieb seine Stirn mit den Fingerspitzen. Dann
sprang er auf seine Füße und begann, die Dinge auf seinem Schreibtisch hin und
her zu schieben. Er drehte sich abrupt um und griff nach seinem Mantel.
"Ich gehe nach Hause," sagte er. Er hatte sie noch nicht direkt
angesehen.
"Ich
auch, in einer Minute. Möchtest Du auf mich warten?"
Er
sah sie von der Seite an.
"Äh...
sicher." Er senkte den Blick und sah auf seine Füße. Er rieb sich wieder
seinen Kopf.
"Kopfschmerzen?"
"Nein."
Sie
sah ihn beunruhigt an. Die Verwirrung und die Nachwirkungen, die das
Manipuliertwerden mit sich brachte, schienen stets ein bißchen gefährlich zu sein.
Sie
stand auf und schob die Papiere in einen Hefter, dann steckte sie sie in ihre
Aktentasche und sah ihn an. Er sah blaß aus. Sie wollte sicher gehen, daß er in
Ordnung war.
Er
nickte fragend in Richtung ihrer Aktentasche.
"Oh,
äh... nur einige..." Sie hatte keine Ahnung, was sie da gerade eingepackt
hatte. "...Papiere. Die ich brauche für das Wochenende," schloß sie,
sie wußte, daß ihr rationaler Ton ihn täuschen würde. So war es immer.
Sie
nahm ihren Schlüssel und ihren Mantel.
"Fertig."
Schweigend
hielt er die Tür für sie auf.
"Fährst
Du nach Hause, Mulder?"
Er
zuckte mit den Schultern.
"Dann
laß uns rausgehen, irgendwo zu Abend essen und uns betrinken."
Er
lächelte nicht einmal.
Auf
einmal drehte er sich um und versperrte ihr den Weg.
"Das
funktioniert nicht," sagte er. Er sah ihr das erste Mal direkt in die
Augen.
Sie
sah zu ihm auf.
"Was?"
"Das."
Sein Achselzucken schloß das gesamte Kellerbüro ein.
"Das?
Was?"
"Wir."
Sie
erstarrte.
"Wir...?
Was meinst Du damit, Mulder?"
"Ich
meine... Ich denke, wir sollten uns einige Zeit trennen."
Sie
sah ihn mißtrauisch an. Er sah mißtrauisch zurück.
"Wieviel
Zeit, Mulder?"
Er
antwortete nicht.
"Ferien?
Urlaub? Worüber redest Du hier?"
Sie
zuckte zusammen, als er sich plötzlich vorwärts lehnte und sich ärgerlich vor
ihr aufbaute.
"Was
zur Hölle machst Du hier mit mir, Scully? Wie um alles in der Welt schaffst Du
es, aus all dem rauszukommen?"
"Was!?
Mulder, Du mußt wohl noch unter Schock stehen wegen heute. Du brauchst..."
"Hör
auf, Scully. ‚Du brauchst, Du brauchst.' Oh, armer Mulder, ich werde ihn wieder
bemuttern, ich werde seinen Kopf tätscheln und seinen Fehler richten und alles
wieder gutmachen. Kannst Du aufhören, mich zu bemuttern. Du bist verdammt noch mal nicht meine Mutter,
Scully. Nicht einmal annähernd."
Ihre
Augen weiteten sich entsetzt.
"Und
es macht mich krank und ich bin es leid, zu versuchen, Dich vor all dem zu
beschützen, was Dir passiert, wenn Du mit mir zusammen bist. Ich kann Dich
nicht einmal vor mir beschützen, Scully!"
Ihr
Erstaunen wandelte sich in Bestürzung.
"Ich
habe Dich niemals gebeten, mich vor irgend etwas zu beschützen, Mulder,"
sagte sie, ihr Kopf schwirrte in dem Versuch zu erfassen, was hinter seinen
bitteren Worten steckte.
"Was
erwartest Du von mir, daß ich tue? Mich zurücklehnen und zusehen, wie Dir eine
lausige Sache nach der anderen passiert? Warum bist Du noch hier, Scully?"
"Hast
Du jemals daran gedacht, daß ich vielleicht auch ein Interesse daran habe?
Wegen der Dinge, die mir passiert sind?"
Er
schlug mit einer Hand gegen den Türpfosten nahe über ihrem Kopf. Dann senkte er
seinen Kopf und lehnte ihn - die Augen geschlossen - gegen seinen Arm.
Schließlich hob er ihn wieder und sah sie an. Seine Augen blickten finster.
"Ich
sah Dich heute sterben, Scully."
"Mulder..."
"Und
dann habe ich beinahe selbst eine Kugel auf Dich abgefeuert."
Sie
starrte ihn an und schüttelte stumm ihren Kopf.
"Ich
will, daß das vorbei ist, Scully. Jetzt."
Gott.
Sie
hob ihr Kinn und kniff ihre Augen zusammen. "Vorbei? Forderst Du formal,
daß ich die X-Akten abgebe?"
Seine
Augen... seine Augen brachen ihr das Herz. Der Ausdruck darin... halb
verteidigend, halb erschrocken über das, was er tat.
"Agent
Mulder?"
Sie
erwartete, daß er ‚Nein, natürlich nicht' sagen und ihren Namen aussprechen mit
diesem kleinen Stocken in der Stimme und sie vielleicht sogar umarmen würde.
"Ja,"
sagte er leise, der Ärger war plötzlich aus seiner Stimme verschwunden.
"Fein,"
sagte sie mit wütendem Unterton.
Er
senkte den Blick. Ohne sie noch einmal anzusehen, ging er hinaus und schloß
leise die Tür.
Sie
stand da und starrte die Tür eine ganze Minute lang an.
Ihr
Herz schlug, als wäre sie gerade die Treppen des FBI-Gebäudes herauf gelaufen.
Was zur Hölle war eben passiert? Mulder hatte ihr ein Ultimatum gestellt und -
der Himmel hilf ihnen beiden - sie hatte den Köder geschluckt.
Langsam
ging sie zu ihrem Schreibtisch hinüber und öffnete ihre Aktentasche. Sie nahm
die Papiere heraus, die sie einen Moment vorher eingepackt hatte und legte sie
ordentlich auf ihren Schreibtisch. Das obere Papier war der Polizeibericht über
Modell. Sie sah ihn gelassen an.
Sie
drehte sich herum und ließ ihren Blick über ihrer beider Büro gleiten.
Sein
Büro.
Ihre
Fingerspitzen berührten leicht ihren Schreibtisch. Bis Montag würde er
verschwunden sein und wenn sie es selbst machen mußte.
Teil
2
Venice
Beach, CA
sechs
Monate später
29.
Mai 1998
Ein
Rendezvous mit jemandem zu haben, war sonderbar.
Er
wollte mit ihr schlafen. Sie wußte, daß er hinter der Tür ihres Apartments
stand und nicht ganz glauben konnte, daß sie ihn nicht hereingelassen hatte.
Sie
hatte sich von ihm küssen lassen.
Das
war auch sonderbar. Nett, aber mehr Lippen und Nasen und der Geschmack
unbekannter Haut als Anziehung. Alles, woran sie denken konnte war, ob dieses
kleine Schniefen, das er während des Films von sich gegeben hatte bedeutete,
daß er eine Erkältung hatte.
Und
daß sie sich vielleicht anstecken würde.
Er
war richtig nett. Er war nur nicht... der Richtige.
Und
so bedankte sie sich höflich für das Abendessen und den neuen
Kurt-Russell-Film. Sie sah ihn einen Moment kritisch an. Vielleicht, wenn sie
die Augen schloß und sich vorstellte, er wäre Kurt... es würde ihr gut tun...
Nein.
Sie
sagte Gute Nacht und schloß ihm sanft die Tür vor der Nase.
Dann
ging sie duschen. Sie lehnte sich gegen die kühlen Fliesen und schloß ihre
Augen, die Handbrause zwischen ihren Beinen.
Es
klopfte an der Tür, gerade als sie aus der Dusche kam.
Mulder.
Nein.
Mulder
ist in Washington, wo er sein will. Du bist hier in L.A., wo Du sein willst. Es
wird der Tag kommen - ermahnte sie sich zum hundertsten Mal selbst - an dem
Deine Gedanken nicht mehr bei jedem Klingeln des Telefons und jedem Klopfen an
der Tür zu ihm fliegen werden.
Es
war bloß noch nicht passiert.
Sie
rubbelte sich mit dem knotigen Handtuch über den Körper, bis ihre Haut rot
wurde.
Es
klopfte wieder.
Es
mußte beinahe Mitternacht sein, aber vielleicht war es einer ihrer Nachbarn,
der Lust auf ein Schwätzchen hatte. Die Leute in ihrem Haus hatten ein lockeres
Verhältnis zur Zeit. Es hatte eine Weile gedauert, aber jetzt mochte sie es. Es
funktionierte in beide Richtungen. Es war immer jemand zum reden da, wenn sie
sich zu allein fühlte.
Sie
zog sich ihren weißen Bademantel über und schlang ein Handtuch um ihr nasses
Haar.
"Wer
ist da?" fragte sie durch die Tür.
Es
war still.
Dann,
leise, "Scully, ich bin's."
Oh.
Gott.
Langsam
bewegte sie den Türknauf und öffnete die Tür.
Er
hatte eine Rasur nötig. Sein Anzug war ein wenig zerknittert. Sein Haar war zu
lang über den Ohren.
Er
sah wundervoll aus... und zu Tode erschrocken.
Sie
fühlte, wie sich ihre Kehle mit Tränen füllte.
"Hi,"
sagte er leise.
Sie
vertraute ihrer Stimme nicht.
Als
sie nichts sagte, sprach er weiter. "Ich war auf dem Flughafen von L.A.,
Zwischenstation zwischen zwei Flügen..."
Verdammt.
"...
und Venice ist so dicht am Flughafen, nur zehn Minuten bis hier, um Dich zu
sehen, also..." Er hielt inne und schluckte schwer. "Und da bin
ich."
Sein
Blick glitt über sie und blieb an ihrem feuchten Bademantel hängen.
"Ich...
ich hätte anrufen sollen."
Sie
widerstand dem Verlangen, ihre Arme vor der Brust zu kreuzen. Verlegen wandte
er seinen Blick ab - als hätte er ihre Gedanken gelesen - und sah auf einen Punkt
irgendwo nahe über ihrem linken Ohr. "Aber ich hatte Angst, daß Du mich
zum Teufel schicken würdest."
Sie
sah ihn einfach nur an.
"Und
ähm, ich glaube, es ist wirklich zu spät. In mehrfacher Hinsicht, richtig
Scully?" Er sah auf seine Uhr und zog seine Stirn kraus. "Wie spät
ist es hier eigentlich?"
Sie
war nicht bereit, ihm zu helfen.
"Ich...
das war keine gute Idee. Ich gehe besser wieder."
Einer
ihrer Nachbarn, manchmal Bodybuilder, manchmal Elvis-Imitator, steckte seinen
Kopf aus seiner Apartmenttür.
Er
starrte Mulder an. "Alles in Ordnung, Dana?"
Sie
räusperte sich. "Mir geht es gut. Das ist... nur..." Ihre Augen
trafen Mulders für einen angespannten Moment. "... ein alter Freund."
Mulder
löste seinen Blick von ihr und sah in die Richtung des anderen Mannes. Er und
ihr Nachbar tauschten einen zusammenfassenden Blick. Augenscheinlich befriedigt ging Elvis zurück
in sein Apartment.
Mulder
sah verwirrt zu ihr zurück. "Und Du konntest mich nicht anrufen und mir
sagen, daß der King lebt?"
Sie
verbarg ein kleines Lächeln und trat zurück, die Tür offenhaltend.
Er
sah tatsächlich überrascht aus.
Als
er hinter ihr herkam, konnte sie ihn schmecken. Sie schloß die Augen.
Nein.
In
ihrem Apartment hielt er inne und sah sich um. Sie beobachtete ihn, als sein
Blick über die weißen Baumwollschonbezüge der Möbel, die sandigen Turnschuhe an
der Wohnungstür, das Treibholz am Kamin wanderte.
Sie
hatte sich einfach eingerichtet. Sie mochte es so.
"Es
ist nett. Es ist wie Du."
"Danke."
Sie räusperte sich erneut. "Möchtest Du etwas trinken? Bier? Wein?
Kaffee?"
Er
drehte sich zu ihr um, in seinen Augen war ein nachdenklicher Ausdruck.
"Bin
ich ein alter Freund?"
Sie
nickte leicht.
Er
nickte leicht zurück. "Kaffee."
"Ich
mache welchen."
Sie
ließ ihn im Wohnzimmer zurück und ging den Kaffee kochen, dann verschwand sie
im Badezimmer, um das Handtuch von ihrem Kopf zu nehmen und ihr feuchtes Haar
auszuschütteln.
Sie
betrachtete ihr Bild im Spiegel des Badezimmers. Sie würde kein Make-up
auflegen. Sie würde nichts tun, um ihn zu beeindrucken.
Sie
besah sich kritisch. Gut, vielleicht ein bißchen Eyeliner.
Und
ein bißchen Lippenstift.
Sie
könnte sich auch etwas anziehen. Sie wußte jedoch nicht, wieviel Zeit er
zwischen den Flügen hatte.
Sie
steckte ihren Kopf in das Wohnzimmer. "Mul..."
Er
war gegangen.
Ihr
Atem stockte ihr im Hals. Dann entdeckte sie seine Tasche, die über der Lehne
eines ihrer Sessel hing. Die französischen Türen zu ihrem Balkon standen offen.
Er mußte draußen in der Dunkelheit sein. Sie fühlte Erleichterung mit einer
Intensität, die sie erschreckte, und ihre Hände zitterten, als sie den Gürtel
ihres Bademantels enger zog.
Vergiß
die Sachen.
Mulder
lehnte an der Brüstung und sah in die Nacht.
Ihre
Hand griff nach dem Schalter für das Außenlicht, dann ließ sie sie sinken.
Die
Dunkelheit würde einfacher sein.
Es
war ein lauer Maiabend. Ein Gischtschleier hing über den Wellenbrechern, der
matt im trüben Licht des Mondes leuchtete. Der Geschmack von Salz und feuchtem
Sand war um sie herum. Sie atmete tief ein und füllte ihre Lungen. Sie liebte das alles hier.
Und
als wenn er ihre Augen auf seinem Rücken gespürt hätte, drehte er sich um. Er
trat rasch auf sie zu, um ihr das Tablett abzunehmen und sie sah ihm zu, als er
es auf den schmalen Eisentisch stellte.
Es
war verblüffend, ihn auf ihrem Balkon zu haben.
"Das
ist großartig." Er wandte sich wieder dem Ausblick zu. "Ich habe,
wenn ich an Dich dachte, nicht an den Strand gedacht."
Sie
stellte sich zu ihm an die Brüstung, ein wenig von ihm weg, gerade außerhalb
seiner Sphäre. Er kam ein wenig näher und damit in ihre.
Seine
Anwesenheit füllte ihre Nase. Sein Geruch, seine Wärme... seine Aura...
Wenn
sie an die Aura glauben würde.
Was
hatte er gerade gesagt? Daß er überrascht war, daß sie am Meer lebte?
War
sie überrascht, daß er an sie gedacht hatte?
"Warum?"
Er
drehte sich um, um sie anzusehen. "Ich weiß nicht." Er hob seine
Hand. Sie wich ein wenig zurück und
seine Hand hielt inne. Dann griff er langsam nach ihr, bis seine Fingerspitzen
gerade ihr Haar berührten.
"Es
ist so lang," sagte er, seine Augen wanderten zu ihren und hielten sie für
einen qualvollen Moment fest. Er versuchte, ihr etwas mit seinen Augen zu
sagen, aber sie konnte nicht sagen was.
Und
sie konnte nicht wegsehen.
"Ja.
Das ist es. Ich meine..." Sie schluckte. "Für eine Sekunde habe ich
gedacht, Du würdest sagen ‚Es ist so lange her.'"
"Es
ist so lange her." Er beobachtete sie, als er sanft ihr Haar nahm und
durch seine Finger gleiten ließ. Er ließ seine Hand sinken und seine Augen
wanderten zurück zu ihren.
"Zu
lange, Scully," flüsterte er.
Sie
riß ihren Blick von seinem los und bewegte sich abrupt, um Kaffee einzugießen.
"Wie
laufen die Dinge in Washington?"
"Gut."
"Zucker?"
"Nein,
danke."
"Skinner?"
Er
gab ein kurzes trockenes Lachen von sich. "Ich bin nicht gerade sein
Lieblingsagent."
Oh...
"Fälle?"
"In
Ordnung."
Sie
sah zu ihm zurück. Er rieb träge einen Finger entlang der Holzbrüstung. Plötzlich wußte sie mit Bestimmtheit, daß
diese Dinge nicht in Ordnung waren, so wenig wie sie es waren, als sie es
hunderte Male zu ihm gesagt hatte.
Aber
er wollte nicht bemuttert werden. Und so würde sie es nicht tun.
"Du
wirst Dir noch einen Splitter einreißen, wenn Du so weitermachst."
Seine
Finger hielt inne.
"Milch?"
Er
drehte sich zu ihr um und nagelte sie mit einem weiteren von diesen intensiven
Blicken fest.
"Scully?
Weißt Du wirklich nicht mehr, wie ich meinen Kaffee mag?"
Sie
sah ihn an.
Ja.
Natürlich.
Sie
drehte sich um und bereitete seinen Kaffee so, wie er in mochte, reichte ihm
die Tasse und hielt ihm einen Teller mit Keksen hin.
"Hast
Du die gemacht?"
"Ja."
Er
nahm einen und biß hinein.
"Die
sind gut."
"Du
klingst überrascht."
Er
antwortete nicht, er aß nur schweigend den Keks.
"Wie
ist L. A.?"
"Gut.
Ich kann in Shorts zur Arbeit gehen."
"Du?
In Shorts zur Arbeit?"
Sie
zuckte mit den Schultern.
"Wow,"
sagte er leise. "Die Dinge haben sich geändert."
"Yeah,
Mulder, so ist es."
Einige
Momente waren sie beide still.
"Fälle?"
fragte er.
Sie
zuckte mit den Schultern. "Das Übliche. Ich mag es auf diese Weise."
Er
nickte.
Tatsächlich
waren die Fälle total langweilig. Ständig hielt sie bei allem nach Paranormalem
Ausschau... mit einem traurigen Stich von Nostalgie.
"Du
solltest in die Hauptabteilung zurückkehren, Scully. Du würdest es gut
machen."
"Mmmnn."
Ihre Antwort war unverbindlich.
Ein
unangenehmes Schweigen hüllte sie ein, nur unterbrochen vom Geräusch der
Wellen, die vor ihnen an den Strand liefen. Disharmonische Klänge kamen aus
einem Radio in einem der Apartments nebenan, dann das plötzliche Gelächter aus
der Kaffeestube eine Tür weiter. Eine leichte Brise wehte über sie hinweg und
brachte den schweren Geruch von Jasmin vom Nachbarbalkon mit. Sie bewirkte, daß
sich ihre Haare im Nacken aufrichteten.
Sie
zitterte und schloß ihren Bademantel fester um sich.
"Wann
geht Dein Flug?"
"Oh!"
Er verschüttete seinen Kaffee, als er sich umdrehte, um auf seine Uhr zu sehen.
"In fünfundzwanzig Minuten. Tut mir leid!" Er stellte seine Tasse ab,
kniete sich hin und begann, den Kaffee, den er auf der Grasmatte verschüttet
hatte, mit seiner Serviette wegzuwischen.
Sie
kniete sich ebenfalls hin und wischte daran herum. Es war nicht wichtig.
Er
sah plötzlich auf, sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt.
Seine Augen waren dunkel in dem matten Licht.
"Es
tut mir leid, Scully." Seine Stimme war sehr leise.
"Mach
Dir keine Gedanken darüber. Ich werde es morgen mit dem Schlauch
wegspritzen."
"Nicht
wegen dem Teppich." Er hob seine Hand wieder zu ihr, diesmal hielt sie
still, aber er berührte sie nicht. Ihr Verstand registrierte ungläubig, daß
seine Hand zitterte. Er zog sie zurück.
"Es
tut mir leid," sagte er wieder. "Alles. Ich mußte es Dir persönlich
sagen."
Sie
fühlte die Tränen wieder, die ihr in die Kehle stiegen und in ihrer Nase
brannten, und sie biß sich hart auf die Lippe, um sie zurückzuhalten. Sie würde nicht vor ihm weinen. Das würde sie
nicht.
Sie
nickte.
"Danke,"
brachte sie heraus. "Ich war... ich bin..." Sie schüttelte ihren Kopf
und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Er
sah sie schmerzerfüllt an, als er es bemerkte.
"Es
war keine gute Idee von mir, herzukommen. Ich gehe besser."
Aber
er machte keine Anstalten, um aufzustehen.
Er
kniete einfach da und sah sie an.
"Scuh-lee..."
begann er.
Sie
schluckte schwer.
"Was...?"
Ihre Stimme war kaum ein Flüstern.
Er
antwortete nicht, er wollte sie nur ansehen. Einfach ansehen. Sie hatte das
eigenartige Gefühl, daß er sich ihr Gesicht einprägte.
Seine
Augen wanderten zu ihrem Mund...
Es
klopfte wieder an der Eingangstür.
Verdammt.
Er
machte eine Bewegung, um aufzustehen. Sie streckte ihre Hand aus, stoppte aber
kurz bevor sie ihn berührte.
"Erzähl
es mir," sagte sie.
"...
nichts," sagte er schließlich und senkte seinen Kopf. Er rieb sich müde
die Augen.
Ein
gemurmeltes "Mach auf! Ich weiß, daß Du da bist!" drangt durch die
Tür.
Es
war Adrianna, ihre andere Nachbarin.
Der
Zauber war gebrochen.
"Du
solltest besser aufmachen."
"Yeah,"
nickte sie. "Und Du. Du wirst Dein Flugzeug verpassen."
"Yeah."
In
den alten Zeiten hätte er ihr aufgeholfen. Nun, als sie aufstanden, bemerkte
sie, daß er darauf bedacht war, sie nicht zu berühren.
Irreparabel,
dachte sie traurig.
Vielleicht
war der Schaden irreparabel.
Sie
biß sich auf die Lippen und ging, um die Tür zu öffnen.
Teil
3
Ihre
Nachbarin, Adrianna, war eine ziemlich hochgewachsene Frau, manchmal
Stripperin, manchmal Schauspielerin, mit offen gestanden unglaublichen
Ausmaßen. Sie hatte außerdem die merkwürdige Angewohnheit, nur Bikinis zu
tragen, egal bei welchem Wetter oder zu welcher Tageszeit.
Heute
Nacht trug sie einen Leopardenfell imitierenden Bikini und darüber einen grünen
Fischnetz-Mini.
Er
zeigte all ihre Tattoos perfekt.
"Hey,
Dane. Wie war die Verabredung?"
Scully
zuckte mit den Schultern.
Adrianna
grinste sympathisch und stieß mit einer Hüfte gegen den Türrahmen. "Bum-mer. Oh... ich wollte dir nur
sagen, daß hier vorhin so ein Typ herumgehangen und dir zugesehen hat."
"Was?
Wann?"
"Als
du draußen gestanden hast mit deiner Verabredung. Er hat sich in den Schatten
zurückgezogen, als du diesen Typen geküßt hast. Er saß auf einem Sessel am Pool
im Innenhof und hat auf dich gewartet, glaube ich. Die Art, wie er dich
angesehen hat, war... gruselig. Er hatte einen Anzug an. Du hast ihn nicht
gesehen..."
Sie
hielt plötzlich inne und schaute über Scullys Schulter. "Er."
Scully
drehte sich um. Mulder kam gerade aus dem Badezimmer. Er hatte seine Anzugjacke
ausgezogen, seine Krawatte gelöst und sich Wasser ins Gesicht gespritzt. Er
trug keine Waffe. Seine Haare standen ein wenig ab.
Der
Anblick Adriannas ließ ihn innehalten.
"Oh,
er?" Scully mußte ein Lächeln unterdrücken beim Blick in sein Gesicht.
"Er
ist in Ordnung."
Adriannas
Blick wanderte von Mulders leicht unordentlichem Anblick zu Scullys Bademantel.
"Ich verstehe."
"Er
muß sein Flugzeug kriegen."
Er
zeigte ihnen ein angespanntes Lächeln, nahm seine Krawatte ab und begann in
seiner Reisetasche herumzuwühlen. Sie drehte sich zurück zu Adrianna, ihre
Stimme gesenkt, "Wie lange war er hier?"
Adrianna
zuckte mit den Schultern. "Ein paar Stunden."
Verdammt.
Adrianna
betrachtete ihr Gesicht genau. "Er ist es also," sagte sie. Ihre
Augen flatterten über Scullys Schulter und maßen ihn von Kopf bis Fuß.
Scully
schnitt eine kleine Grimasse.
Sie
sahen beide zu, als er ihnen den Rücken zudrehte und sein Hemd auszog.
Ihre
Augen ruhten auf seinem Rückgrat. Er sieht mager aus, dachte sie mit einem
Stich von... irgend etwas.
"Freundin,"
sagte Adrianna leise, ihre Augen immer noch auf Mulders Rücken.
"Flugzeuge
kann man verpassen."
Er
zog sich ein schwarzes T-Shirt und dann einen dunkelgrünen Baumwollsweater über
den Kopf.
Adrianna
lehnte sich vor bis ihr Mund beinahe Scullys Ohr berührte. "Ich werde ihn
für Dich fesseln."
"Shhh!"
Mulder
drehte sich zu ihnen um.
"Adrianna. Fox Mulder."
"Fox?? Hi."
"Hi,"
sagte er und nickte Adrianna zu. "Scully, kann ich hier unten irgendwo ein
Taxi bekommen oder muß ich die Taxizentrale anrufen?"
"Scully?"
fragte Adrianna.
"Das
ist mein Nachname."
"Oh."
Das eine Wort ließ keinen Zweifel daran, was sie genau darüber dachte.
"Es
ist nicht so einfach, zu dieser Nachtzeit ein Taxi zu bekommen," sagte
Scully. "Ich würde dich fahren, aber..." Sie deutete auf ihren
Bademantel. "Ich glaube nicht, daß
die Zeit reicht."
Adrianna
schenkte ihm ein unschuldiges kleines Lächeln. "Und ich würde dich liebend
gern fahren, Süßer, aber meine Harley hat einen Platten."
"Äh...
danke," sagte er und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Er sah
plötzlich erschöpft aus. "Scully, kann ich dein Telefon benutzen?"
"In
der Küche."
In
dem Moment, als er sich wegdrehte, verpaßte Adrianna ihr einen heftigen Stoß in
die Rippen. "Sprich mir nach," sagte sie mit gesenkter Stimme.
"'Du kannst auf meiner Couch übernachten, Fox.' Fox," wiederholte sie
seinen Namen und lachte leise. "Tu du es, Dane, oder ich fessele ihn. Ich
meine es ernst."
Er
sprach mit der Information. Sie atmete tief ein. "Mulder?" Er legte
seine Hand über die Sprechmuschel und sah zu ihr herüber. "Es gibt keine
Möglichkeit mehr, dein Flugzeug zu bekommen. Mußt du unbedingt heute Nacht noch
da hin, wo du hinwolltest?"
Er
schüttelte den Kopf.
"Dann
kannst du... äh... auf meiner Couch übernachten."
Bist-du-dir-sicher?
fragten seine Augen.
Sie
nickte.
Mulder
legte den Hörer wieder auf. "Danke, Scully."
Adrianna
sah von einem zum anderen. "Sie nennen sich ‚Mulder' und ‚Scully'.
Oh
mein Gott." Sie schüttelte den Kopf und schlüpfte durch die
Eingangstür. "Wenn Du irgendwie
Hilfe brauchst..." sagte sie mit einem weithin hörbaren Flüstern, zwinkerte
Scully zu und verschwand in der Nacht.
Scully
schloß energisch die Tür hinter ihr und drehte sich um.
Er
stand noch da, eine Hand am Telefon und sah sie an. Er bewegte sich
unbehaglich, als ihr Blick über ihn wanderte.
"Du
siehst totmüde aus, Mulder. Bist Du fertig fürs Bett? Ich hole ein paar
Decken."
Er
fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar und rollte seinen Kopf, um seinen Hals
zu strecken.
"Vielleicht
könnten wir noch ein bißchen sitzen, ausruhen. Ich hatte eine Menge Kaffee...
und das Flugzeug... Wie wär's mit Deinem Balkon. Die frische Luft tut
gut."
"Okay.
Vielleicht ein Glas Wein?"
Er
nickte. "Hört sich gut an."
"Ich
bin gleich draußen."
Küchenschublade.
Korkenzieher. Zwei Gläser. Eine Flasche Rotwein. Eine Minute später war sie auf
dem Balkon.
Er
blickte in den kleinen freistehenden Terracottakamin, den sie in Mexiko gekauft
hatte.
"Funktioniert
er?"
Sie
nickte. "Wir können ihn anzünden."
"Streichhölzer?"
"In
diesem Topf."
"Setz
Dich, Scully. Ich mach das."
Also
setzte sie sich hin und machte sich daran, die Flasche zu öffnen.
In
kurzer Zeit hatte er ein kleines Feuer entfacht. Er setzte sich auf die Ecke
ihrer Liege und sie reichte ihm sein Weinglas zu. Er schwenkte es und starrte
in die kreisende Flüssigkeit.
"Warum
sah sie so vertraut aus?" fragte er schließlich und sah zu ihr herüber.
Sie
zog nur ihre Augenbrauen hoch.
"Oh,"
Mulder sah verblüfft drein. "Sie ist größer... wenn sie aufsteht. Ist sie
eine Freundin von Dir?"
"Sie
ist meine Nachbarin."
"Scully,
Du bist in einem Fellinifilm gelandet. Dein anderer Nachbar hat mich angesehen,
als hätte er tatsächlich noch nie vorher jemanden in einem Anzug ohne
Goldmünzen gesehen. Welche Rolle spielst Du in alle dem?"
"Wenn
Du sagst den Zwerg, Mulder, hole ich meine Waffe und erschieße Dich."
Plötzlich
grinsten sie sich beide an. Es tat gut. Sie konnte sich nicht daran erinnern,
wann sie ihn das letzte Mal an- und er zurückgelächelt hatte.
Aber
dann machte es sie scheu und ihn offenbar auch. Sie drehten sich beide zur
selben Zeit weg.
Vielleicht
nicht irreparabel. Aber... schwer zerstört.
Sie
tranken schweigend ihren Wein und blickten ins Feuer. Das Terracotta des Kamins
mußte feucht geworden sein, es gab kleine zischende Geräusche von sich, als es
sich erwärmte und ausdehnte. Das Holz krachte, als es verbrannte und verströmte
einen scharfen Harzgeruch in die Luft gemixt mit den schwereren Düften der
Blumen und des Ozeans.
Hin
und wieder riskierte sie einen Blick zu ihm.
Er
beobachtete ebenfalls die Flammen. Dabei rieb er sich seine Unterlippe.
Ihre
Augen ruhten auf seiner Lippe.
"Wohin
wolltest Du?" fragte sie schließlich.
"Was?"
"Der
Flug, den Du verpaßt hast."
"Oh,
Ich war auf dem Rückweg. Von Singapore."
"Singapore!?
Warum warst Du da?"
Er
hielt inne, als wollte er etwas sagen, dann seufzte er.
"Eine
lange Geschichte."
"Warst
Du lange dort?"
"Fünf
Tage. Ich hätte Dich fast angerufen. Ich war auf dem Hinflug auf dem Flughafen
von L. A."
"Wann?"
"Sonntag."
Vielleicht
war es ihr deshalb die ganze Woche nicht gelungen, ihn aus ihrem Kopf zu bekommen.
"In
welcher Zeitzone bist Du?"
Er
sah auf seine Uhr. "Ich weiß nicht. Morgen."
"Du
mußt erschöpft sein."
Er
nickte langsam.
"Scully?"
"Mmm?"
"Danke,
daß ich bleiben kann."
Sie
nickte und sie starrten beide wieder ins Feuer.
Es
wurde kühler. Die Feuchtigkeit legte sich auf ihre Haut.
Er
beugte sich nach vorn und legte Holz nach. Für einen Augenblick beleuchtete das
Feuer sein Gesicht und sein Haar und zeichnete seinen Umriß nach. Seine
Wangenlinie... seinen Mund...
Ihr
Mund wurde plötzlich trocken. Sie nahm einen Schluck Wein, löste ihren Blick
von ihm und sah zum Mond hinauf. Ein fahler Halbmond. Zu schade, daß nicht
Vollmond war. Der Meerblick von ihrem Balkon bei Vollmond war atemberaubend.
Sie sah hinaus auf den Ozean. In einer Nacht wie dieser könnte man das Wasser
sehen, aber es war dunkel. Dunkel und geheimnisvoll. Sie liebte auch dies. Der Geruch der See war
nun kräftiger, die Gezeiten wechselten, die Ebbe würde kommen und die Sandbänke
freilegen...
Die
Liege knackte, als er sich wieder neben sie setzte, ein bißchen näher diesmal,
und sie konnte seine Augen auf ihrem Gesicht fühlen.
Sie
war sich nicht sicher, ob sie schon bereit war zurückzublicken. Die Sache mit
der Aura passierte wieder...
Schließlich
konnte sie nicht anders, sie drehte ihren Kopf. Völlig sicher, daß er sie
ansah. Seine Augen waren dunkel in dem matten Licht. Der Ausdruck darin
angespannt...
Er
hob seine Hand und berührte schließlich leicht mit den Fingerspitzen ihre
Wangenknochen.
"Sommersprossen,"
flüsterte er, ein Lächeln in seiner Stimme.
Sie
lächelte ein wenig schüchtern zurück.
Er
ließ seine Finger über die Sommersprossen auf beiden Wangen gleiten, dann glitt
seine Hand in ihr Haar und legte sich um ihren Nacken. Sein Daumen streichelte
sanft ihr Ohrläppchen.
Sie
hob ihre Hand, legte sie über seine und lehnte ihren Kopf in seine Handfläche.
"Ich
hätte Dich das gleich als erstes fragen müssen," flüsterte er und drückte
sanft gegen ihre Wange. "Wie geht es Dir, Scully?"
Ihr
Krebs, natürlich.
"Gesund.
Ich bin gesund."
Er
nickte leicht, aber sie konnte in seinen Augen sehen, daß er nicht genau wußte,
was sie meinte.
"Es
gibt keine Anzeichen dafür, Mulder," flüsterte sie. "Es ist
vorbei."
Sie
sah Erleichterung in seinen Augen aufblitzen. Dann schloß er sie - nur für
einen Augenblick - und sie hatte das deutliche Gefühl, daß er Dankgebete an
einen unbekannten Gott schickte. Dann öffnete er sie wieder und sie sahen
einander an. Der Moment zog sich dahin. Seine Augen waren so dunkel, so
unergründlich...
So
vertraut.
Mit
einem ganz leichten Druck auf ihren Nacken zog er sie an sich heran.
Sie
wehrte sich nicht, sie gab mit einem Seufzer nach. Seine Finger spreizten sich
auf ihrer Kopfhaut und er legte ihren Kopf unter sein Kinn. Sein anderer Arm legte sich um sie und
drückte sie an seine Brust.
Sie
legte ihre Arme um ihn und ihre Hände ruhten auf seinem Rücken. Sie rieb ihre
Wange an dem rauhen Baumwollstoff seines Sweaters. Sein unrasierter Hals war
stachelig an ihrer Stirn. Sie drückte ihre Nase gegen ihn und atmete tief ein.
Gott.
Plötzlich
legte er seine Arme um sie und umarmte sie fest. Sie umarmte ihn auch - ebenso
fest. Seine Arme waren so eng um sie, daß sie kaum atmen konnte, aber das war
ihr egal.
Sie
fühlte, wie er sein Gesicht an ihren Haaren rieb.
"Ich
vermisse Dich," sagte er sehr leise.
"Ich
vermisse Dich auch," flüsterte sie zurück.
Sie
vergrub sich enger in ihm, öffnete ihren Mund an seinem Sweater und atmete
seine Wärme ein.
Er
lehnte sich zurück in die Kissen und zog sie mit sich. Er drückte sie an seine
Brust und hielt sie fest.
Sie
lag still, ihre Wange an seinem Herzen, schloß ihre Augen und entspannte sich
in seiner Wärme. Ihren Atem paßte sie dem Rhythmus an, in dem sich seine Brust
hob und senkte. Und sie verdrängte alles aus ihrem Empfinden außer seinem
Herzschlag und das sanfte Reiben seiner Finger auf ihrer Kopfhaut.
Alle
ihre ungeklärten Empfindungen... Versagen... Schmerzen... Ärger...
Verlust...
begannen dahinzuschmelzen, als sich ihre Sinne mit ihm füllten. Die Spannung wich aus ihren Schultern und aus
ihrem Rücken und ihre Knochen verschmolzen mit seinen.
Sie
wollte nicht über morgen nachdenken, oder die nächste Woche oder... wann auch immer. Sie wollte einfach nur
dasitzen, um den Rhythmus seines Körpers in sich aufzunehmen.
Nach
einer Weile hörten die Finger auf, ihren Hinterkopf sanft zu liebkosen. Sie lag
still und fragte sich, ob er eingeschlafen war. Er mußte erschöpft sein. Es war
zu feucht für ihn, um hier draußen zu schlafen, sie mußte ihn aufwecken. Aber
sie wollte sich nicht wirklich bewegen, wollte liegenbleiben und ihn halten.
Sie
hob ihren Kopf, um in sein Gesicht zu sehen. Seine Augen waren noch offen, er
schaute herunter, an ihrem Gesicht vorbei, mit einem Ausdruck von Wunder.
Sie
folgte seinem Blick.
Der
Ausschnitt ihres Bademantels war verrutscht und zeigte die Wölbung einer ihrer
samtenen Brüste bis herab zu ihrer rosigen Spitze, die gegen den weißen Stoff
des Bademantels drückte.
Sie
bewegte sich, um den Mantel zu schließen, aber er griff nach ihrer Hand und
hielt sie fest. Seine Augen ruhten auf ihrer Brust.
Sie
sog den Atem ein und hielt ihn an.
Während
sie hinsahen, wurde die Brustwarze hart.
Mit
einem winzigen Stoß atmete sie aus und sah hoch, um in seine Augen zu sehen.
Der Ausdruck darin war unsicher.
"Mulder...
Ich..."
Sein
Ausdruck wurde ernst, seine Augen dunkel.
"Scully,"
flüsterte er. "Als ich Dich heute abend zum ersten Mal sah. Vorhin. Du warst so schön. Ich habe Dich
schon..." er lächelte. "...auf so verschiedene Weise gesehen. Aber
heute abend... ich habe Dich niemals so schön gesehen."
Wortlos
sah sie ihn an.
Sein
Blick hielt ihren für einen weiteren langen Moment, dann glitt er herab zu
ihrem Mund. Sie konnte nichts dagegen tun, ihre Lippen öffneten sich.
Er
lehnte sich näher heran. Ihre Augen folgten seinem Mund, als er näher kam. Den
Bruchteil eines Zentimeters von ihrem entfernt stoppte er.
Oh
Gott.
Er
drückte einen sanften Kuß auf ihre Lippen. Seine waren warm und weich.
Beinahe...
brüderlich.
Beinahe.
Dann
küßte er sie wieder, seine Lippen immer noch weich, aber nicht mehr so
brüderlich.
Sie
gab ihm einen sanften Kuß zurück.
Dann
ein dritter, und dieser war gar nicht mehr brüderlich.
Die
Wärme seines Mundes auf ihrem sagte ihr mehr darüber, was er in den letzten
sechs Monaten empfunden hatte, als alles, was er gesagt - oder nicht gesagt -
hatte, seit er vor ihrer Tür aufgetaucht war.
Sie
küßte ihn wieder. Und es hatte nichts mit Nasen oder unbekannter Haut zu tun,
es hatte mit dem zu tun, was zwischen ihnen gewesen war - was immer noch zwischen
ihnen war. Die Zärtlichkeit und Süße... die Sehnsucht und die Spannung, die sie
niemals in Worte gefaßt hatten.
Als
seine Lippen ihre erforschten, zart, sanft, liebevoll, spürte sie, wie etwas,
das sie fest in ihrem Innern gehalten hatte, zu schmelzen begann und dann
zerbrach.
Ihre
Hände glitten in seine Haare und sie küßte ihn wieder. Ich habe Dich auch
vermißt. Und ich weiß, warum Du es getan hast. Ich verstehe es, aber es tut
höllisch weh... ich habe Dich vermißt und jetzt... alles was ich will, ist an
Deiner Zunge saugen... Mulder...
Durch
ihre Reaktion explodierte seine kontrollierte Sanftheit und er begann sie
überall mit stillem Verlangen zu küssen. Er rollte sie auf die Seite, drückte
sie gegen die Kissen und preßte seinen Körper an ihren. Er hielt ihren Kopf mit
beiden Händen und stieß seine Zunge in ihren Mund, ließ sie über die Innenseite
ihrer Lippen und über ihre Zähne gleiten und strich über ihre Zunge. Sie küßten
sich, bis sie beide nach Luft schnappen mußten.
Und dann verließ sein Mund ihren und wanderte über ihr Gesicht, küßte
ihre Wangen, ihre Lider, ihre Wimpern. Er gab ihr einen zarten Kuß auf den
Nasenrücken, dann blickte er auf sie herab, sein Herz in seinen Augen.
Sie
nahm seinen Kopf und zog seinen Mund wieder zu ihrem herunter.
Nun
war es eine glühende Hitze, die in ihren Zehenspitzen begann und dann durch
ihren ganzen Körper lief. Erregend und neu, weil sie ihn noch nie geküßt hatte
und warm und vertraut, weil sie ihn schon immer kannte und... oh Gott...
Seine
Hände glitten über ihre Schultern und ihren Rücken. Sie streichelte seinen
Rücken und ließ ihre Hände zu seinem Hosenbund heruntergleiten, sie glitten
unter seinen Sweater und sein T-Shirt und an der warmen Haut seines Rückens
herauf und herunter.
Und
dann zogen seine Hände an dem Knoten ihres Bademantelgürtels. Er stoppte
plötzlich, ließ seinen Blick durch die Nacht gleiten und dann zurück zu ihr.
"Niemand
kann etwas sehen," flüsterte sie, schob seine Finger beiseite und löste
den Knoten selbst. Erleichterung zuckte über sein Gesicht und sie erkannte, daß
das nicht seine Frage gewesen war, aber sie hatte sie ihm trotzdem beantwortet.
Er
schob den Bademantel von ihren Schultern und sie schüttelte ihn ab. Er richtete
sich auf und sah auf ihren Körper herab. Er atmete schwer.
Sie
lag still. Nackt. Ihre gerötete Haut prickelte in der kühlen Nachtluft.
"Scuh-lee...
Du bist schön... so schön."
Er
senkte seinen Kopf, um ihre Brüste zu küssen.
Ihre
Hände glitten in sein Haar und strichen es zurück hinter seine Ohren.
"Mulder,
Du kitzelst mich."
Sie
wußte, daß sie grinste wie ein Dummkopf.
Er
hob seinen Kopf und grinste zurück. Dann küßte er sich seinen Weg von der
Spitze ihrer einen Brust zur Spitze der anderen. Und dann ihren Hals hinauf
zurück zu ihren Lippen.
Sie
rutschte unter ihm hervor, drückte ihn in die Kissen und legte sich auf ihn.
Es
fühlte sich seltsam und wundervoll und verrückt an, vollkommen nackt in der
kühlen Dunkelheit auf ihm zu liegen, während er komplett angezogen war. Aber ihn wiederzusehen und die unerwartete
Richtung, die dieser Abend genommen hatte, machten sie trunken vor
Erleichterung.
Sie
senkte ihren Kopf, um erneut seine Lippen zu treffen.
Er
lächelte an ihrem Mund und sie rieb ihren Körper an seinem wie eine Katze und
genoß dabei das Gefühl seines Körpers unter seinen Sachen. Aber es war nicht
genug.
Unwillig
löste sie ihren Mund von seinem und setzte sich auf.
Sie
drückte ihren Schritt gegen die harte Beule in seinen Hosen, schob sein Shirt
und seinen Sweater hoch und zog ihm beides über den Kopf.
Das
Feuer schickte warme Lichtfinger über die Haut auf seinem Gesicht und auf
seiner Brust. Er lag still da und sah ihr zu, wie sie mit ihren Fingerspitzen
Muster an seinen Wangenknochen entlang, seinen Hals und seine Brust herunter,
über seinen Bauch zu seinem Hosenbund zeichnete. Sie öffnete seine Hosen und
zog sie ihm aus. Darunter trug er ein Paar rote Jerseyboxers, die ihm wie
angegossen paßten. Seine Erregung spannte gegen den Stoff und sie berührte sie
leicht.
"Scuhlee..."
Er sah sie durchdringend an.
"Mmmm?"
Sie
beugte sich nach vorn, um seinen Mund wieder zu erobern, aber ihre Finger
blieben auf ihm, liebkosten ihn zuerst leicht, dann fest in langen gemächlichen
Zügen. Dann glitt ihre Hand herunter, um seine Hoden zu fassen, die locker und
warm waren. Sie erforschte sie zart, rollte sie zwischen ihren Fingern und
streichelte die Muskeln darunter.
Er
stöhnte wieder ihren Namen und dann waren seine Hände und seine Lippen auf ihr.
Überall auf ihr. Strichen über die Haut auf ihrem Rücken, neckten die sensible
Haut unter ihren Armen, saugten ihre Finger in seinen Mund, nibbelten Küsse
entlang ihrer Hüfte. Sie wand sich unter seinem Mund und seinen Händen. Ihre
Finger und ihr Mund waren ebenso auf ihm. Sie kratzte zart über die Haut auf
seinem Rücken. Leckte und knabberte an seinen Brustwarzen, knabberte an seinen
Schultern und an seinem Hals. Sie zog ihm seine Boxershorts aus und knetete die
Muskeln seines Gesäßes. Dann kehrte sie zu seinen Hoden zurück, nur um die ein
bißchen keuchende Art, in der er ihren Namen sagte, zu hören, als sie sie
berührte.
"Scuh-leee."
Sie
lächelte.
Sie
hatte sich immer gefragt, wie es sein würde, wenn sie auf diese Art
zusammenkommen würden. Würde es ein spontanes Feuer sein? Wilder, heißer Sex an
der Innenseite der Tür ihres oder seines Apartments, bei dem sie beide
innerhalb von Sekunden ihren Höhepunkt erreichen würden, um dann ohnmächtig auf
den Boden zu sinken? Oder würde es langsam und sinnlich sein, sich allmählich
steigernd bis...
Es
war keines von beiden.
Sie
rutschten tiefer in die Kissen. Seine Finger durchkämmten die Locken zwischen
ihren Beinen.
Sie
konnte nichts dagegen tun, sie stöhnte.
"Scuh-lee."
sie konnte das Lächeln in seiner Stimme hören, als seine Finger über sie
glitten.
Sie
stöhnte wieder, lauter. "Mulderrr!"
"Scuh-leee?"
Seine
Zunge war in ihrem Ohr, seine Stimme rauh vor Verlangen. Gott, vergiß es, mit
ihm zu schlafen. Wenn er ihren Namen noch einmal so sagte, würde sie gleich mit
einem Schrei kommen.
"Ja?"
fragte sie atemlos und stieß ihr Becken gegen ihn.
"Gummi?"
"Was?"
Sie stieß ihre Hüften wieder gegen seine Hand.
"Kondom.
Hast Du irgendwo ein Kondom zur Hand?"
"Warum?"
Er
hob seinen Kopf, um ihr besser ins Gesicht sehen zu können.
"Scully,
ich..."
Gott,
es fiel ihr schwer, zu atmen.
"...
ahhh... oh, Gott. Tu das... noch einmal. Ja. Das. Ahh..."
"Ich
bin HIV negativ."
Er
hatte seine Finger weggenommen und streichelte sie nun mit seiner Erektion,
rieb mit seiner Spitze vor und zurück.
"Ich
weiß. Ich auch. Du würdest nicht... ich weiß..." Ihr Hals bog sich nach
hinten und ihre Hüften hoben sich, um seine Reibung zu verstärken.
"Aber
Du solltest eins haben."
Typisch
für ihn, sich in etwas zu vertiefen, wenn alles was sie wollte war, ihn in sich
zu haben, so schnell und so fest wie nur möglich. Sie drückte die weiche Haut
zwischen ihren Beinen verlangend gegen ihn. Wenigstens hatte er nicht mit dem
aufgehört, was er tat.
"Scully?
Wenn Du... Dieser Typ..."
Darum
ging es also. Sie warf einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht. Er war wirklich
beunruhigt und sie fühlte einen Schmerz in ihrer Brust, der nichts mit ihrem
mühsamen Atmen zu tun hatte.
"Mulderrr.
Die Schublade meines Nachttisches ist voll mit Kondomen. Aber ich schlafe nicht
mit diesem Typen. Ich schlafe mit Dir. Willst Du jetzt endlich den Mund halten
und..."
Bevor
sie den Satz beenden konnte, unterband er ihren Kommentar mit seinem Mund. Sie
streckte ihre Hand aus, um erneut seine Hoden zu nehmen und drückte sie gerade
soviel, um ihn den Gedanken an sie mit einem anderen Mann vergessen zu lassen.
"Okay,"
atmete er in ihren Mund. "Ohhh, Gott. Oh, mein Gott. Scuhleee.
Scuhleeeee."
Sie
lächelte an seinen Lippen. Ihre Zunge glitt in seinen Mund und traf auf seine.
Sie legte ihre Hand um ihn, hob ihre Hüften leicht an und dann bewegte sie sich
behutsam auf ihm. Und als Antwort darauf senkte er seine Hüften und vergrub
sich komplett in ihr.
Es
gibt eine Menge Dinge im Leben, die vorübergehen und die man vergißt, dachte
sie, als sie tiefer in seine Augen sank und darin ertrank, aber niemals das erste
Mal mit dem Menschen, den man liebt.
All
das wollte sie in ihrer Erinnerung behalten, es unauslöschlich in ihr
Gedächtnis einprägen.
Sie
öffnete ihre Sinne für die Nacht... die kühle Brise, die ihre brennende Haut
zum Prickeln brachte... das Auf- und Abrollen der Wellen auf dem Strand, ein
Echo ihrer eigenen Ebbe und Flut... der strenge Duft des Feuers und des Kaffees
und des Weins, und seines Körpers und ihres eigenen... das Kratzen und Seufzen
seiner Haut gegen ihre... die rauhen Kissen unter ihren Knien, seine heißen
schweißbedeckten Hüften zwischen ihren Schenkeln...
Seine
Augen.
Er
stieß in sie, langsam zuerst, dann fester, tiefer. Sie beobachtete ihn, wie er
sie beobachtete und fühlte, wie Erstaunen sie erfaßte. Er war hier.
Endlich.
Es
war an der Zeit.
Was
immer sie auch voneinander getrennt hatte in all diesen Jahren... in den
letzten sechs Monaten... verschwand in der Nacht... Und sie konnte in seinen
Augen sehen, daß er es auch fühlte.
"Was?"
konnte er kaum flüstern und sie konnte kaum antworten.
"Was?"
fragte sie.
"Dein
Gesicht. So ernst..."
Ich
liebe Dich, dachte sie. So einfach ist das.
Und
er lächelte, als hätte sie es laut gesagt. Ein einmal-im-Leben-Lächeln
erleuchtete seine Augen und sein Gesicht und sandte Wellen von Wärme durch sie hindurch
bis zu ihren Zehenspitzen.
Und
dann waren es nur sie, nur Augen und Lippen und Haut und Hände. Und alle
zusammenhängenden Gedanken verließen sie, als sie sich in ihm verlor, mit ihm
verlor... und sie über den Rand glitten und in die Nacht fielen.
Teil
4
Sie
starrte in den Himmel durch das Fenster über dem Bett. Der Himmel war ein
dunkles Graublau, kaum heller als die Nacht. Es war mindestens eine Stunde vor
dem Morgengrauen.
Ein
warmes schweres Bein lag über ihren Beinen und ein besitzergreifender Arm hielt
sie fest. Eine große Hand war in ihr Haar verwickelt und heißer Atem wärmte
ihren Hals, gerade über ihrem Ohr.
Sie
lächelte.
Er
war vor nur einer Stunde eingeschlafen.
Monatelang
hatte sie sich gefragt, ob sie ihn je wiedersehen würde. Und nun - war er hier,
nackt und um sie herum gerollt. Und sie hatten miteinander geschlafen. Endlich.
Warme köstliche Liebe. Eingehüllt in sattem aufwallendem Morgenrot hatte sie
nicht geschlafen. Sie hatte nicht gewollt.
Sie
drehte ihren Kopf ein wenig und schmeckte seine Haut. Nur das Salz am Rande
seines Haaransatzes mit ihrer Zungenspitze.
Dann
küßte sie leicht sein Ohr.
"Hey,"
flüsterte sie in sein Ohr.
Keine
Antwort.
"Mulder,"
flüsterte sie wieder. Ihre Zunge glitt heraus, um seine Kinnlinie zu necken.
Noch
keine Reaktion.
Er
war unempfänglich für die Welt.
"Ich
komme wieder," murmelte sie in sein Ohr. "Geh nicht weg..."
Widerwillig
entschlüpfte sie der Wärme seines Körpers.
Sie
mußte von ihm fort, um nachzudenken, gab sie sich selbst gegenüber zu, als sie
auf Zehenspitzen die Treppe hinunterschlich, bekleidet mit Turnschuhen, Shorts
und einem Sweatshirt. Wenn ihr nackter Körper neben ihm lag, schien es, daß sie
unter seinem Zauber stand.
Sie
fröstelte ein wenig. Es war kühl für Ende Mai. Dampfschwaden stiegen vom Pool
auf. Die Morgendämmerung war schwer von dem kalten feuchten Geruch der
Wirklichkeit und dem berauschenden Geruch des taubedeckten Jasmins und der
süßen orangen Pflaumen.
Eine
Spinnwebe beiseite schiebend, ging sie durch das Tor und begann sich zu
strecken, als sie ihre Laufstrecke hinunter zum Strand entlanglief.
Plötzlich
fing sie an zu rennen. Sie raste vorbei an Oleandersträuchern und
Bougainvillas, die sich wie geheimnisvolle Geister im Halbdunkel abzeichneten,
dann unter Palmen hindurch und sie war am offenen Strand.
Die
klare, kühle Luft füllte ihre Lungen und der scharfe Salzgeruch der Ebbe stieg
auf, um sie mit einem Klatschen gegen ihre Haut zu treffen. Sie lief über das letzte
Stück trockenen Sand und dann hinab zu den Ebenen einer ungewöhnlich niedrigen
Ebbe, ihr Pferdeschwanz wehte hinter ihr her, ihre Turnschuhe verursachten
kleine schmatzende Geräusche... und plötzlich liefen Tränen über ihre Wangen.
Sie
rannte und rannte und rannte.
Bis
sie nicht mehr rennen konnte und ihren Schritt, nach Atem ringend,
verlangsamte.
Sie
hatte ihn vermißt. In ihrem ersten Monat in L. A. fühlte sie sich in zwei Teile
zerrissen. Die pure Hölle.
Aber
nun...
Sie
wischte sich die Nase am Ärmel ihres Sweatshirts ab, ging hinüber bis an den
äußersten Rand der Wellen und sah hinaus auf das Meer. Am Horizont verschwand
der alte Mond im Meer. Während sie zusah, begann die Morgendämmerung den Himmel
zu erhellen.
Ihre
Gedanken wanderten zu ihm, der in ihrem Bett lag. Sie fragte sich, was er wohl
darüber dachte, daß sie miteinander geschlafen hatten...
Sie
prüfte rasch ihre Gedanken.
Es
ging nicht um ihn. Es ging um sie.
Ihr
Leben.
Ihr
Leben hier.
Sie
war glücklich hier.
...War
sie es?
Konnte
sie es sich wirklich vorstellen, sie beide wieder zusammen? Wieder mit ihm
zusammenzuarbeiten?
Ihr
Verstand schob die Frage beiseite. Sie war noch nicht bereit, sie zu
beantworten.
Ihre
Arbeit hier... es war ein Schritt in die Richtung, in die sie immer wollte, oder
nicht?
Richtig.
Ihr
Privatleben hier... gut, sie traf sich mit jemandem und...
Sie
verzog ihren Mund in einem plötzlichen befriedigten Lächeln.
Oh
Gott.
Sie
hatte mit Mulder geschlafen.
Und
es war... verblüffend.
Sie
hatte ihn immer gewollt. Gierte nach ihm fünf Jahre lang. Schließlich mit ihm
zu schlafen... es war die Erfüllung einer lang andauernden Phantasie.
Sie
war froh, daß es passiert war. Die Zärtlichkeit... die Vergebung... Es war ein
langer Weg bis dahin, die Traurigkeit und den Ärger, den sie nicht in der Lage
war zu vergessen, zu lindern. Sie liebte ihn. Liebte ihn trotz... einer Menge
Dinge. Aber sie beide als Liebespaar...
Schon
vor langer Zeit hatte sie festgestellt, daß es nicht die Art von
Liebe
war, die gut für sie war. Sie konnte nicht gut für sie sein. Es war
so
eine Sache, den falschen Mann zu lieben.
Vielleicht
war es, nach all diesen Jahren, unausweichlich, mit ihm zu schlafen. Etwas, das
sie beide brauchten, um mit der Heilung zu beginnen. Aber nicht mehr als das.
Sie
begann, allmählich ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen. Ihre Tränen waren
versiegt und sie sah zu, wie die steigende Morgendämmerung die Farbe der Wellen
änderte, von dunkelgrau zu rosa, von rosa zu grüngrau und schließlich zu einem
blassen Blaugrün.
Eine
plötzliche Windböe kräuselte die Wasseroberfläche und eine junge Möwe drehte
sich abrupt und kreischte über ihrem Kopf auf der Suche nach einem Frühstück.
Der
neue Tag war angebrochen.
In
ein paar Stunden würde er ins Flugzeug steigen, um nach Washington
zurückzukehren.
Und
wenn er sie fragte?
Es
gab keinen Weg zurück für sie.
Teil
5
Er
traf an ihrer Tür auf sie, ein Handtuch um die Hüften geschlungen, die Haare
feucht. Ein paar Wassertropfen glänzten auf seiner Brust.
Warum
war es so verdammt peinlich, jemandem am Morgen danach ins Gesicht zu sehen?
"Hey,"
sagte er, Erleichterung stand auf seinem Gesicht geschrieben.
"Hey.
Du bist wach. Ich habe Dich schlafen gelassen."
"Ich
konnte nicht mehr schlafen ohne Dich." Sein Blick fiel auf ihre Sachen.
"Du warst laufen?"
"Mmm-hmm."
Sie zog ihre feuchten Turnschuhe an der Tür aus.
"Ich
dachte, Du wärst gegangen, in der Hoffnung, ich wäre weg, wenn Du
wiederkommst."
Irgendwie
hatte sie das Gefühl, daß er nur halb scherzte. Sie hob ihren Kopf und sah zu
ihm auf. "Nein." und schüttelte ihren Kopf ein wenig. "Nein."
"Ich
hab mir Dein Shampoo geborgt." Er beugte sich etwas nach unten, so daß sie
an seinem Haar riechen konnte.
"Mmmm.
Paßt zu Dir."
Sie
streckte die Hand aus, um ihm das Haar aus der Stirn zu streichen. Als ihre
Fingerspitzen seine Haut berührten, verschwand die Peinlichkeit wie Rauch, und
sie berührte mit der anderen Hand leicht seine Brust und wischte mit ihren
Fingerspitzen durch die Wassertropfen.
Dann
waren seine Hände auch auf ihr, spreizten sich weit über ihre Rippen, zogen sie
an sich heran. Ihre Nase landete in der Mitte seiner noch feuchten Brust.
Mmmm
auch hier.
"Kommst
Du zurück ins Bett?" fragte er in ihr Haar hinein.
Er
klang nicht so, als wenn er glaubte, daß sie ja sagen würde.
Sie
lehnte ihren Kopf zurück und sah zu ihm auf. Er blickte auf sie herunter,
erforschte vorsichtig ihr Gesicht, sein Gesichtsausdruck zurückhaltend. Er
hatte sich rasiert und da war ein winziger Rest von Rasierschaum unter seinem
Kinn. Sie hatte das Verlangen, ihn wegzulecken.
Statt dessen streckte sie ihre Hand aus und wischte ihn mit ihren
Fingern weg.
Er
lächelte plötzlich.
Sie
lächelte zurück, ein wenig wehmütig...
Oh,
warum zur Hölle nicht?
...und
löste sich von ihm, gerade so weit, um ihn in ihr Schlafzimmer zurück geleiten
zu können.
Sie
zog ihre feuchten Sachen aus und kletterte nach ihm ins Bett. Er legte seine
Arme um sie und sie kuschelten sich unter die Decke.
Ihre
Hände glitten über seine Haut. Er war mager, dachte sie, als ihre Finger über
seine Rippen wanderten. Wie war es ihm ergangen? Was hatte er gedacht, getan in
den sechs Monaten, in denen sie getrennt waren?
Das
fragte sie sich.
Seine
Hände waren auch beschäftigt, glitten über ihren Rücken und legten sich um
ihren nackten Po.
"Ich
habe mich gefragt, woher Du diese Muskeln in Deinem Po hast," murmelte er.
Fünf
Jahre vor Dir weglaufen.
"Nicht
daß Dein Po nicht schon immer großartig war."
Oh?
"Aber
jetzt...? Er ist klasse."
Sie
belohnte ihn mit einem Kuß auf seine Brustwarze.
Er
zeichnete leicht die Linie ihrer Wirbelsäule hinauf zu ihrem Nacken nach und
zog dann den Gummi ab, der ihre Haare zusammenhielt. Mit seinen Fingern
durchkämmte er ihr Haar und legte es sorgfältig über ihre Schultern.
"Es
war gar nicht so seltsam, wie ich dachte."
"Was?
Wir?"
"Wir.
Zusammen im Bett."
"Du
hast darüber nachgedacht?"
"Vielleicht.
Hast Du?"
"Vielleicht."
"Du
hast gedacht, es würde seltsam sein?"
"Das
ist nicht das richtige Wort."
"Ich
weiß, was Du meinst."
"Tust
Du das?"
"Yeah."
Sie
sah ihm zu, als er sanft ihr Haar glattstrich.
Mit
ihm zu schlafen war einfach. Aber... sie konnte es in seinen Augen sehen, die
Art, wie er seinen Mund hielt, da waren noch andere Dinge in seinem Kopf.
Dinge, von denen sie nicht dachte, daß sie wieder hineingezogen werden wollte.
Seine
Hand glitt zu ihrer Brust und sie unterdrückte einen Seufzer.
"Scully?"
Sie
lag auf seiner Brust.
Haut
an Haut. Eingehüllt in sonnengelbe Baumwollaken. Mit richtigem
spätmorgentlichem Sonnenschein, der über das Bett fiel.
Vielleicht
würde er heute nicht mehr nach Washington zurückkehren.
Eine
Strähne ihres Haares fiel über seine Lippen und sie nahm sie zwischen die
Finger und neckte seine Lippen mit ihren Haarspitzen. Er öffnete seinen Mund
und schnappte danach, schmeckte es mit seiner Zunge.
Es
gab nur eine Sache, die besser war als phantastisches Leinen im Bett, dachte
sie träge und das war phantastisches Leinen mit einem Mann darin.
Diesen
Mann, um genau zu sein.
Ihre
Entschlossenheit von ihrem frühmorgentlichen Trip an den Strand war... für den Moment... vergessen.
"Scully?"
"Mmmm?"
"Kann
ich Dich etwas fragen?"
"Mmm-hmmm."
Sie
wartete und zeichnete die Muskeln an seinem Hals mit einem Finger nach.
"Denkst
Du noch an sie?" fragte er.
Sie.
Sie
hob ihren Kopf, damit sie sein Gesicht besser sehen konnte. Er sah hinüber zu
ihrer Kommode... den Fotos ihrer Familie, Melissa, Matthew, Queequeg... sogar
eins von ihm...
Er
meinte das kleine Bild von Emily. Sie empfand eine Mischung aus Erleichterung
und Traurigkeit.
Dachte
sie an sie? Nur zwanzig Mal am Tag.
Sie
schaute zurück auf seinen Hals, senkte ihr Kinn, ohne in seine Augen zu sehen.
"Ja,
Mulder. Ich denke an sie."
Er
war eine Weile still, während seine Hände langsam über ihren Rücken glitten und
sanft über ihre Haut strichen, als würde er eine Katze beruhigen.
"Fragst
Du Dich manchmal, ob sie die einzige war?"
Als
könnte sie so seine Frage ausschließen, schloß sie ihre Augen. Sie wollte sich
das nicht fragen.
"Warum?"
wollte sie schließlich wissen.
"Was
wäre... was wäre, wenn da noch ein anderes Kind wäre?"
"Mulder,
wir... ich habe noch keine Antworten, was Emily angeht."
Er
streckte seine Hand aus, um einen Finger über ihre Stirn gleiten zu lassen,
zeichnete ihre Augenbrauen und dann ihre Nase nach.
"Aber
- angenommen - da wäre ein anderes - würdest Du es nicht wissen wollen?"
Sie
brauchte eine lange Zeit, um zu antworten.
Schließlich
schüttelte sie ihren Kopf.
"Ich
hätte Angst davor, wenn da ein anderes Kind wäre," sagte sie langsam.
"Ich
glaube nicht, daß ich das alles noch einmal durchmachen könnte. Besonders..." Sie brach ab und
schüttelte stumm ihren Kopf, ihre Augen flossen über vor Tränen.
"Oh,
Scuhlee. Immer noch?"
Natürlich
immer noch.
Sie
nickte. Eine Träne fiel auf sein Kinn. Er lächelte sie traurig und betroffen
an.
"Ich
wollte Dich nicht zum Weinen bringen. Das bringt mich auch zum Weinen." Er
versuchte, die Tränen mit seinem Daumen fortzuwischen. Dadurch weinte sie noch
mehr.
Sie
zog ihre Lippe in den Mund und biß darauf.
Plötzlich
wurde sein Gesichtsausdruck ernst und er schob seine Hände in ihre Haare und
hielt ihren Kopf dicht vor seinem.
"Ich
vermisse Dich."
Sie
nickte ein wenig zwischen seinen Händen. Die Tränen tropften weiter auf ihn und
nun fing auch noch ihre Nase an zu laufen und auf ihn zu tropfen.
"Los
Angeles ist weit weg."
Er
würde sie bitten, zurückzukommen. Und sie würde nein sagen.
Nein-nein-nein-
Sie
sah in seine Augen, die ebenfalls ein wenig feucht waren.
"Du
bist glücklich hier."
Es
war keine Frage, aber sie nickte ein ganz klein wenig.
"Ich
kann es sehen und ich bin froh darüber." Er nickte schwach.
Oh.
"Ich
bin froh darüber," wiederholte er, beinahe zu sich selbst, und sah von ihr
weg zurück zu den Fotos.
Sie
senkte ihren Kopf und lehnte ihn gegen seinen Hals und sah ebenfalls zu den
Fotos hin. Eines davon zeigte ihn lachend...
Sanft
streichelte er ihr Haar.
Sie
lagen lange Zeit schweigend da.
"Ich
gehe zurück nach Singapore Ende nächsten Monats."
Dann
kannst Du vielleicht für einen Quicky vorbeischauen? Sie war erschrocken über
den plötzlichen Anflug von Zorn, der sie befiel. Warum ärgerte sie die Idee so
sehr?
"Singapore?
Warum? Ein Fall?" fragte sie und versuchte, sich von ihm loszumachen. Er
hielt sie an den Schultern fest und würde sie nicht loslassen, sein Körper
spannte sich plötzlich unter ihren Händen.
"Es
ist kein Fall... nicht direkt. Eine Spur. Die ich verfolge..." sagte er
langsam. "... seit Monaten."
"Was
für eine Spur?"
"Ich..."
Er brach ab. Zu ihrer Überraschung schob er sie sanft beiseite und stieg aus dem
Bett. Er ging hinüber zum Fenster und sah hinunter zum Strand. Daß jeder, der
am Strand war und zu ihrem Fenster hinaufsah, einen vollkommen nackten Mulder
sah, schien er nicht wahrzunehmen.
Er
drehte sich um und betrachtete sie für einen langen Moment.
"Komm
mit mir."
"Nach
Singapore?"
Er
nickte.
"Warum,
Mulder? Was ist in Singapore?"
Er
wandte sich ab und sah wieder aus dem Fenster.
"Ich
brauche Deine Hilfe."
"Sag
mir, worum es geht."
Er
schüttelte den Kopf und sah immer noch hinaus auf den Strand.
"Ich
brauche Dich einfach dabei."
"Mulder?
Ein - was ist es? - 24-Stunden-Flug ohne jegliche Erklärung? Für etwas, daß
‚nicht unbedingt' ein Fall ist? Was kannst Du mir nicht sagen?"
Er
drehte sich um und sah sie an. Seine Augen waren grün, melancholisch und
flehend.
"Ich
nehme nicht an ‚Ich brauche Dich" ist gut genug."
Das
ist nicht fair, Mulder. Nicht fair.
Vertraue
mir, flehten seine Augen. Bitte.
"Mulder..."
Singapore.
Gott. Nein.
Bitte,
Scully, seine Augen... bettelten jetzt. Bitte.
"O-kay..."
sagte sie.
Mist.
Sie drehte sich um, um dem Anblick dieser Augen zu entrinnen. Dies war
wahnsinnig. Sie war wahnsinnig.
"In
einem Monat?" Schließlich sah sie auf ihren Kalender. "Das würde um
den vierten sein? Wie lange wird es dauern, Mulder? Ich kann ein paar Tage
freinehmen. Für ein langes Wochenende."
"Das
sollte ausreichen." Er nickte befriedigt. "Gut."
Er
begann, sich umzusehen, vermutlich nach seinen Sachen.
"Scully?
Kann ich Dein Telefon benutzen, um die Fluggesellschaft anzurufen?"
Und
nun war er gegangen.
Oh,
verdammt.
Teil
6
Singapore
Airlines
Irgendwo
über dem Pazifik
2. Juli
Mürrisch
starrte sie auf die Worte auf der Seite ihres Buches.
Das
Grundstück des altersschwachen Hauses war tadellos,' las sie wohl zum
vierhundertsten Mal.
Sie
hatte wochenlang nichts von ihm gehört. Schließlich entschied sie, wenn er
anrief, würde sie nicht mitgehen.
Sie
begann zu glauben, die ganze Nacht wäre pure Einbildung gewesen, bis er wieder
vor ihrer Tür stand, die Tickets in der Hand. Und er sah... viel eleganter aus
und...
Sie
seufzte.
...sexier
als üblich. Teurer Anzug, teurer Haarschnitt, teures Eau de Cologne.
Alles
für sie.
Oder
so, hatte sie gedacht. Ihre Gefühle wechselten wild von geschmeichelt zu
verlegen zu freudig erregt zu verärgert. Nach zwei Stunden Tanz um die Frage,
warum sie nach Singapore sollten, schlief er auf ihrer Couch ein.
Sie
war sich immer noch nicht sicher, warum.
Er
bat sie, mehr elegante als professionelle Kleidung einzupacken.
Elegantes
für Hitze und Feuchte.
Sie
kam seiner Bitte nach, ohne zu wissen, warum zur Hölle sie das tat.
Und
keine Waffe, sagte er ihr.
Tatsache
war, mit Mulder irgendwo hinzugehen ohne ihre Waffe, war ein bißchen
nervenaufreibend.
Die
ersten fünfzehn Stunden des Fluges von L. A. nach Taipei waren extrem langsam
vergangen. Diese letzte Vier-Stunden-Strecke von Taipei nach Singapore war
qualvoll.
Trotz
der überraschend bequemen Sitze in der Business Class und dem durchgängigen
Getränkeservice war sie verdammt steif, müde, schlechtgelaunt und
ausgetrocknet.
Das
Grundstück des alters...'
"Scuhlee?"
Er setzte sich neben sie nieder.
Sie
sah zu ihm auf.
"Ja,
Mulder?"
Er
zögerte, dann "Dana?"
Oh,
Mist.
Sie
steckte das Buch in die Sitztasche vor ihr und drehte sich zu ihm um.
"Was?"
Er
streckte seine Hand aus und nahm ihre Hand zwischen seine, sein Blick war
besorgt.
"Es
gibt noch ein Baby."
"Was?
Was für ein Baby, Mulder?"
Sie
sah ihn verwirrt an. Worüber zum Teufel sprach er? Und warum zur Hölle glaubte
er, es wäre so wichtig, daß er sie ansah, als würde er befürchten, sie würde
schreien? Es sei denn...
Oh
MIST.
"Du
meinst doch nicht..."
Er
nickte langsam.
"Oh
nein. Mulder, nein. Woher weißt Du das?"
Das
war nicht wirklich die Frage. Er würde es ihr nicht gesagt haben, wenn er nicht
sicher wäre. Die Frage war, warum er es ihr nicht in dem Moment gesagt hatte,
als er es wußte.
"DNA."
"DNA?"
Er
nickte. Und erforschte ihr Gesicht, sein Blick war ängstlich.
Ein
Baby. Oh Gott.
"Es
ist noch ein Baby? Kein Kind? Woher hast Du seine DNA? Wie hast Du es
gefunden?"
Die
Fragen kamen schneller von ihr, als er sie beantworten konnte.
Er
nickte wieder.
"Frohike."
"Ist
es bei einer Familie? Wo ist es?"
Er
drückte ihre Hand fest. "In Singapore."
Sie
entzog ihre Finger seinem Griff.
"Singapore!?
Wie um Himmels Willen? Warum hast Du mir nichts gesagt!?"
Er
zuckte ein wenig zusammen, griff in die Innentasche seines Jacketts und holte
einen Briefumschlag hervor. Er hielt ihn ihr hin und beobachtete sie. Der Ausdruck in seinen Augen... so
aufmerksam... so ängstlich... so...
flehend darum, daß sie ihm vergeben möge, weil er es ihr gesagt hatte -
und daß sie ihm vergeben möge, weil er es ihr nicht gesagt hatte - beides
gleichzeitig.
Verdammt,
sie war so wütend auf ihn.
Mit
unsicherer Hand griff sie nach dem Umschlag.
"Was
ist das? Mulder, woher hast Du...? Wer hat es?"
In
dem Umschlag war eines dieser Neugeborenenfotos. Ein kleines verschwommenes
Bild von einem ein wenig erschrocken dreinblickenden Baby. Blaue Augen... und ein kleines bißchen von
etwas, das man für rotes Haar halten könnte.
Ihr
Herz zog sich zusammen in einer Mischung aus Besorgnis und Entsetzen... und Sehnsucht.
"Er
nicht es, Scully, ist bei einem Babyhändler und ich stehe... in Verhandlungen,
um ihn zu kaufen."
"Ein
Babyhändler? Verhandlungen? Kaufen...? Mulder..." Gott, sie erkannte ihre
eigene Stimme nicht wieder.
Er
schwieg für einen Moment und beobachtete sie genau. "Dieses Foto ist alt.
Er ist jetzt vier Monate alt. Ich habe nachgedacht... Magst Du den Namen Liam,
Scully?"
Sie
konnte ihren Blick nicht von dem kleinen Gesicht lösen. "Was!?" Sie
fühlte die Frustration und die Verzweiflung und den Schock, die sie in San
Diego überwältigt hatten, wieder zurückkehren. Oh Gott. Nein. Nicht noch
einmal.
Sie
starrte auf das Foto. "Ist er... ist er... in Ordnung?"
"Es
geht ihm gut."
Sie
hätte ein bißchen erleichtert sein sollen, aber alles was sie empfand, war
fürchterliche Angst. Emily war es auch ‚gut' gegangen.
"Gut
im Sinne von... gut?" Gott, sie war Ärztin. Warum fiel ihr kein besseres
Wort als gut ein? Ihr Verstand suchte nach den richtigen wissenschaftlich
exakten Fragen und fand doch keine.
"Er
ist ein normales, gesundes Kind. Soweit ich weiß."
"Mulder."
Ihre Stimme klang erstickt, ihr Hals war wie zugeschnürt. "Ich hätte das
wissen müssen. Du hättest es mir sagen müssen."
"Ich
habe es versucht, Scully." Er schüttelte den Kopf.
Sie
sah ihn an und wußte, daß er den Schmerz und den Zorn, die sie empfand, in
ihren Augen sehen konnte. Sie konnte es nicht verbergen. Denn sie war
unglaublich sauer auf ihn. "Nein, Mulder. Dieses Mal hättest Du es mir
sagen müssen."
Er
drehte sich von ihr weg und beugte sich nach vorn, stützte seine Ellbogen auf
die Knie und rieb sich müde über das Gesicht.
Sie
sah noch einmal ungläubig auf das Foto in ihrer Hand.
Changi
Airport
Singapore
Es
war glühend heiß beim Zoll.
Nicht
nur, daß sie erschöpft und steif vom Flugzeug war und sich miserabel fühlte,
sie war nun wütend und hatte rasende Kopfschmerzen. Und sie hatte das bestimmte
Gefühl, daß sie begann, alles andere als frisch zu riechen.
Tatsächlich
stank sie wahrscheinlich.
"Die
Pässe, bitte."
Mulder
reichte zwei zur Kontrolle.
Sie
erstarrte, ihre Hand tief in ihrer Tasche, die ihren eigenen Paß festhielt.
"Mr.
George Hale und... Mrs. Isobel Hale?" las der Mann vor. "Zu welchem
Zweck besuchen Sie Singapore?"
Sie
legte den Paß zurück auf den Grund ihrer Tasche und zog ihre Hand ganz langsam
heraus.
"Ferien,"
antwortete Mulder.
"Wie
lange?"
"Vier
Tage."
"Rückflugtickets?"
Mulder
reichte sie ihm. Plötzlich fiel ihr auf, daß sie nie einen Blick auf die
Tickets geworfen hatte. Mulder hatte alles am Counter in L. A. erledigt. Die Tickets mußten auch auf den
Namen Hale lauten.
"Irgend
etwas anzumelden?"
"Nein."
"Mrs.
Hale?"
Sie
fühlte, wie ihr der Schweiß über den Rücken lief.
Sie
placierte ein zuckersüßes Lächeln auf ihrem Gesicht und versuchte, unschuldig
dreinzublicken.
"Nichts...
Sir."
Der
Mann sah sie von oben bis unten an, dann sah er auf ihre halboffene Tasche.
"Ich
versuche nur gerade, meine Tylenol-Tabletten zu finden. Rasende
Kopfschmerzen."
Der
Mann hielt seine Hand hin und wartete auf die Tasche. Sie sah herab und
entdeckte das Tablettenröhrchen. Sie holte es aus den Tiefen der Tasche und
reichte es ihm.
Er
öffnete es und betrachtete argwöhnisch den Inhalt.
"Es
ist nur ein Schmerzmittel, Sir," sagte Mulder. "Meine Frau...
Kopfschmerzen...
der Flug... verstehen Sie."
Der
Zollbeamte schloß das Röhrchen wieder und gab es ihr zurück.
"Wasserspender
sind dort drüben. Das sauberste Wasser in ganz Asien."
Er
gab Mulder die Pässe und Tickets zurück.
"Genießen
Sie Ihren Aufenthalt in Singapore."
"Mulder,
das war unglaublich dumm," sagte sie zu ihm in dem heißen Taxi.
Er
schenkte ihr einen bekümmerten, graugrünen Blick und dann ignorierte er sie.
Sie
ignorierte ihn auch, drehte ihm ihren Rücken zu und starrte den ganzen Weg zum
Hotel blind aus dem Fenster.
Teil
7
Raffles
Hotel
Singapore
3. Juli
Sie
hob ihren Kopf von dem ungewohnten Kissen und stöhnte.
Gott,
ihr tat alles weh.
Dank
des aufgewühltesten Sex, den sie je in ihrem Leben hatte.
Vier
Mal? Fünf Mal in einer Nacht? Ihre Beckenknochen mußten schwarz und blau sein.
Das
ganze Bett roch nach... ihnen.
Behutsam
setzte sie sich hin.
Mulder
war nirgendwo zu sehen.
Sie
leckte ihre Lippen.
Sie
waren geschwollen.
Und
schmeckten nach ihm.
Raffles
Hotel
Singapore
18
Stunden vorher
2.
Juli
Sie
saßen in dem Taxi, wie es schien lange genug, um zurück nach Hause fliegen zu
können, sie steckten im Stadtverkehr fest. Dann schließlich checkten sie im
Hotel ein.
Das
außergewöhnliche Raffles Hotel - dem geübten Geschwätz ihres Hotelpagen nach -
war weltbekannt für seine im britischen Kolonialstil gehaltene Eleganz und die
Tatsache, daß es der Lieblingsplatz für Schriftsteller und Berühmtheiten von
Somerset Maugham und Rudyard Kipling bis Noel Coward und Alice Faye war.
Er
brachte sie in eine Suite, die so groß war wie Mulders und ihr Apartment
zusammen. Die knapp 4,50m hohe Decke machte die Räume luftig trotz der
Feuchtigkeit und der dunklen alten Einrichtung.
Orientteppiche
lagen auf den Teakholzfußböden und ein verblüffender Zugang führte auf eine
palmenreiche Veranda. Aber alles, was sie in diesem Moment sah, war das riesige
antike Bett.
Der
Page starrte auf die fünf US-Dollar, die Mulder ihm gegeben hatte, als hätte er
so etwas noch nie zuvor gesehen, aber der Geldschein verschwand schnell genug.
"Danke, Mr. und Mrs. Hale," sagte er und glitt rückwärts zur Tür
hinaus. "Genießen Sie Ihren Aufenthalt in Singapore." Die Tür schloß
sich leise und sie waren allein.
Mr. und Mrs. George Hale.
Und
ihr großes Bett.
Gut.
Sie würden miteinander schlafen, nicht wahr? Vielleicht. Vielleicht nicht.
Und
wenn nicht? Gut... egal. Es war auch groß genug dafür.
Mulder
sagte nur ein Wort, "Dusche" und verschwand im Badezimmer.
Vielleicht
würde ein Drink helfen, ihren Nacken und ihre Schultern zu entspannen. Sie
schleuderte ihre Schuhe von sich und inspizierte die Minibar. Anscheinend
bevorzugten Somerset und Noel Gin und Scotch. Die Bar war voll mit den kleinen
Flaschen.
Während
man in Singapore war... Gin wäre okay.
Sie
machte für sie beide einen Drink. Nach dem Flug könnte er vielleicht auch einen
gebrauchen.
Mit
einem Seufzer entspannte sie sich auf dem Sofa und nippte an ihrem Drink.
Nach
ein paar Minuten streckte sie ihre Beine auf dem Couchtisch vor ihr aus. Er
schien ungewöhnlich lange zu duschen. Was sie wirklich brauchte, war ein großes
Glas Wasser, aber sie war zu müde, um aufzustehen und sich eins zu holen. Sie
trank ihr Glas leer und begann, sein Glas zu leeren. Sollte er sich seinen verdammten Drink allein
machen.
Sie
musterte seine Tragetasche. Sie wollte das Foto des Babys noch einmal sehen,
aber es war wahrscheinlich noch in seiner Tasche.
Die
Tür zum Badezimmer ging auf und er kam heraus. Vollkommen angezogen.
Er
sah wundervoll aus. Großartig. Sie fühlte sich, wie man sich eben nach 6000
Meilen in abgestandener Luft fühlte.
Und
wo zum Teufel wollte er hin?
Er
musterte ihre zwei Gläser ohne Kommentar, dann streckte er die Hand aus, um nach
der Tür des Getränkekühlschranks zu greifen.
Sie
bemerkte es auf einmal.
"Mulder,
Du trägst ja einen Ehering."
"Habe
ich Dir das nicht erzählt? Die ganze Zeit, die wir uns kennen, bin ich
glücklich verheiratet in Singapore und habe fünf Kinder."
"Oh,
richtig. Wie geht es der Familie, Mulder? Hast Du ihr erzählt, daß Du mit mir
geschlafen hast?"
Gott,
sie hörte sich an, wie ein zänkisches Weib. Und sie fühlte sich auch so.
Er
sah sie eine Minute lang ruhig an. So als könnte er nicht ausmachen, unter welchem
Fels sie hervorgekrochen kam.
Das
war's. Sie ging, um auch zu duschen. Das Geheimnis des Eherings konnte warten.
Sie
nahm ihren Drink und ihre Waschtasche und stand auf.
"Es
ist der Ring meines Großvaters, Scully. Das ist der einzige Finger, auf dem er
paßt. Ich habe ihn immer getragen." Er sah herab auf den Ring an seinem
Finger. "Wußtest Du das nicht? Ein Ehering ist ein Magnet für
Mädchen." Er bedachte sie mit einem halbherzigen anzüglichen Blick.
"Da fühlen sie sich sicher."
"Hast
Du sie damit festgenagelt?" Sie hielt an der Badezimmertür an und sah zu
ihm zurück. Der Dampf von seiner Dusche legte sich auf ihre Haut. Plötzlich war ihr warm, zu warm.
Seine
Stimme schien sehr weit entfernt und sehr, sehr vage.
"Dann
traf ich Dich."
Hatte
er das gerade wirklich gesagt?
Er
drehte sich weg von ihr und goß sich ein Glas Scotch ein. Unverdünnt. Mit einer Hüfte lehnte er sich gegen die
Kante der Konsole und nahm einen Schluck. Sie hatte das Gefühl, als betrachtete
sie jemanden, den sie nie wirklich getroffen hatte, aus großer Entfernung.
"Und
der Mädchenmagnet war nicht mehr nötig, Mulder?"
"Nein."
"Aber
jetzt plötzlich..."
Er
setzte abrupt seinen Drink ab, fummelte in seiner Tasche herum und holte etwas
heraus. Es war eine kleine rote Samtschmuckdose.
Sie
starrte darauf.
"Scully...?
Komm her."
Sie
drehte sich um und ging langsam zu ihm zurück. Es schien sehr lange zu dauern,
die knapp fünf Meter zwischen ihnen auf dem exquisiten Perserteppich zu
überwinden.
Er
öffnete die kleine Schachtel und hielt sie ihr hin.
Darin
war ein mit Perlen und Rubinen besetzter Ring, offensichtlich sehr alt, und
ebenso offensichtlich paßte er zu der Kette, die er ihr zu Weihnachten
geschenkt hatte.
Sie
starrte ihn an. Alles was sie tun konnte, war ihren Mund zu öffnen und wieder
zu schließen.
"Scully...
heirate mich."
Sie
sah ihm schockiert ins Gesicht. Er machte Witze, nicht wahr? Es mußte ein Witz
sein.
"Du
machst Witze."
Er
sah sie einen Moment lang an, dann wurde sein Gesichtsausdruck vollkommen
verschlossen. Er senkte seinen Kopf und sah auf den Ring herab.
"Natürlich
mache ich Witze, Scully. Wir müssen vorgeben, verheiratet zu sein, um das Baby
kaufen zu können."
Oh.
"Wir?
Ich dachte, Du wärst derjenige, der das Baby kauft, Mulder. Was habe ich damit
zu tun?"
Er
sah sie ungläubig an. "Was Du damit zu tun hast?"
Sie
sagte nichts, sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte. Niemals hatte sie
sich so weit von ihm entfernt gefühlt in all der Zeit, in der sie zusammen
waren.
Schließlich
hob er seine Schulter an, es hätte ein Strecken sein können, aber auch ein
Schulterzucken. "Wir sind ein reiches amerikanisches Ehepaar, das ein Baby
kaufen möchte."
Sie
nahm einen großen Schluck von ihrem Drink. Zu sagen, Mulder hätte den Dreh
raus, Dinge zu offenbaren, wäre eine Untertreibung.
"Wieviel
kostet es?"
"Fünfzigtausend
amerikanische Dollar."
"Fünfzigtausend!?"
Sie hätte beinahe ihren Drink verschüttet. "Woher zum Teufel hast Du
soviel Bargeld?"
"Es
könnten auch hunderttausend werden, wenn es zu einem Preiskampf kommt.
Bei
der letzten Auktion war es so."
"Ein
Preiskampf! Die letzte Auktion?"
Gott,
alles was sie tun konnte, war zu wiederholen, was er sagte.
Er
zuckte mit den Schultern. Diesmal wirklich ein Schulterzucken. Sie haßte es,
wenn er das tat.
"Ist
er es nicht wert, Scully?"
"Mulder!?
Um Gottes Willen! Geld bezahlen für ein Baby!"
"Wir
können bis hundertzwanzigtausend gehen."
Sie
starrte in ihr Glas. Irgendwie war es alle geworden. Und sie konnte sich nicht erinnern,
vorher schon einmal von zwei Drinks betrunken gewesen zu sein, aber sie fühlte
sich definitiv ein bißchen benebelt.
Einhundertundzwanzigtausend
Dollar!?
Sie
ließ sich schwer auf die Couch fallen.
"Mulder,
auch wenn es nicht illegal ist, ein Baby zu kaufen, moralisch gesehen ist es
falsch."
"Was
sie Dir angetan haben, war moralisch falsch. Dein Baby zu kaufen, ist nicht
annähernd so falsch."
"Und
was zur Hölle sollte das mit den Pässen? Warum hast Du mir nichts davon
gesagt?"
"Weil
Du nein gesagt hättest."
"Du
hast verdammt recht, ich hätte nein gesagt. Sie könnten uns dafür glatt ins
Gefängnis stecken und den Schlüssel dazu wegwerfen! Mulder, wenn Du mir nur
etwas gesagt hättest, dann hätte ich es arrangieren können, daß wir mit legalen
Undercover-Pässen reisen..."
"Nein,"
unterbrach er sie. "Verstehst Du das nicht? Wir können das nicht über
reguläre Kanäle machen. Niemand kennt uns hier. Niemand darf uns kennen."
"Aber
rechtmäßig..."
"Nichts
ist hier rechtmäßig, Scully! Warum machst Du Dir mehr Sorgen darüber, ob Du die
Gesetze brichst als darüber, ob Du Liam zurückbekommst?!"
"Weil
ich Bundesagentin bin, Mulder, weil Du Bundesagent bist. Bedeutet Dir das gar
nichts mehr...?" Ihr Stimme verlor sich, als er sie nur ansah. "Zurück?"
"Es
waren Deine Eizellen," sagte er sanft, aber sein Unterton... er war
frustriert. Gut, sie konnte nichts dagegen tun. Sie war auch frustriert. "Und daß Du Bundesagentin bist, hat sie
nicht daran gehindert, Dich zu entführen, Dich zu vergewaltigen und sie Dir zu
nehmen. Er gehört Dir, Scully."
"Aber
was ist, wenn..."
Sie
sah ihn an. Alles war plötzlich so unwirklich. Mulder in seinem teuren
Tropenanzug und mit seinem Ehering. Sie beide auf der falschen Seite des
Planeten. Diese Hotelsuite mit ihren lackierten Möbeln und der exotischen
Atmosphäre. Ein anderes Baby irgendwo da draußen. Das alles konnte doch nicht
passieren, nicht wahr?
"Was
wenn was?" forderte er.
"Aber
wenn das Kind... was ist, wenn es krank ist, Mulder? Wie willst Du wissen, daß
es nicht krank ist? Hattest Du irgendwie Zugang zu seinen medizinischen
Berichten?"
"Er,
Scully. Das Kind ist ein er. Und sein Name ist Liam. Ich habe ihn so genannt.
Ich habe sein Gesundheitszeugnis. Alles scheint normal zu sein. Aber selbst wenn er krank ist und wir
bekommen ihn, dann werden wir damit klarkommen."
An
der pulsierenden Vene an seinem Auge konnte sie sehen, daß Mulder sich nur
schwer unter Kontrolle halten konnte.
Sie
stand plötzlich auf, dann sah sie auf ihre Füße herab. Sie waren noch da.
Gut.
Sie
begann, einen vor den anderen zu setzen und in Richtung Badezimmer zu gehen.
"Scully?
Was zum Teufel ist bloß los mit Dir? Ich dachte, Du würdest... wenn Du erst Bescheid wüßtest... dachte
ich... Gott Scully, ich bin ihm über Monate gefolgt. Schon drei Monate, bevor
er überhaupt geboren wurde. Ich dachte,
Du würdest..."
Sie
wirbelte zu ihm herum. "Ich habe Dir gesagt, daß ich es nicht wissen
will!" schrie sie ihn an.
Er
sah sie vollkommen schockiert an.
Plötzlich
hielt sie ihre Hand hoch. "Warte! Du sagtest ‚drei Monte, bevor er geboren
wurde'. Shhh!" Sie hob ihre Hand höher. "Diskutiere nicht mit mir.
Und jetzt ist es vier Monate alt oder so? Mulder, das hast Du gesagt. Du wußtest... das... nachdem ich gegangen
war? Oder davor."
Sie
fühlte plötzlich Tränen ihren Hals zuschnüren. Sie brannten in ihrer Brust.
"Sag
es mir. Jetzt. In dieser Minute."
Sie
atmete schwer, ihr Haar klebte in ihrem Gesicht, ihre Sachen waren zerknautscht
und rochen und sie wußte, daß sie wahrscheinlich hochrot war. Aber in diesem Moment störte es sie nicht.
Sie
haßte ihn.
Mulder
bewegte sich unbehaglich. "Ich entdeckte ihn, als er noch ein Fetus war.
Als wir in San Diego waren."
"Ein
Fetus? In San Diego? Wie...?? Als wir bei Emily waren?" War das ihre Stimme?
Warum klang sie wie die eines nörgelnden Kindes?
"Mit...
Scully?"
Es
war zu spät. Alles war zu spät. Sie verschloß ihren Mund mit ihren Händen und
rannte zur Toilette. Sie schaffte es gerade noch, bevor sie alles, was sie im
letzten Monat gegessen hatte, in die Toilette spuckte. Und die beiden Gin Tonics.
"Scully?
Scully?"
Er
lehnte an der Badezimmertür und beobachtete sie entsetzt.
"Geh
weg, Mulder."
Sie
erbrach sich wieder. Und dann wieder. Und dann wieder. Gott, sie war dabei,
ihre Eingeweide auszuspucken.
Er
hatte irgendwie einen Fetus in San Diego gefunden und er hatte irgendwie
herausgefunden, daß es ihrer war und er hatte verflixt nochmal kein Wort
gesagt. Nicht ein verdammtes Wort.
Wie
bei ihren Eizellen.
Tu
mir das nicht an, Mulder. Tu das nicht.
Sie
fiel neben dem Toilettenbecken auf ihre Knie.
Zu
spät, er hatte es bereits getan.
Sie
wollte auf den kalten Bodenfliesen zusammenbrechen, ihre Augen schließen und im
Vergessen versinken. Statt dessen erhob sie sich langsam auf ihre Füße. Sie ging
zum Waschbecken und nahm Wasser in den Mund, um sich den entsetzlichen
Gallegeschmack aus dem Mund zu spülen. Dann hob sie ihren Kopf und besah sich
im Spiegel.
Mist.
Sie sah fürchterlich aus.
Sie
ging zur Dusche, drehte den Wasserhahn auf und begann, ihre Sachen auszuziehen.
Mulder
stand immer noch an der Tür wie ein begossener Pudel.
"Geh
raus."
"Scully."
"Ich
sagte, geh raus. Mir geht es gut," stieß sie zwischen zusammengebissenen
Zähnen hervor. "Ich will duschen. Wir können reden, wenn ich fertig bin."
Er
ging und schloß leise die Tür hinter sich.
Sie
stellte sich unter den heißen Wasserstrahl. Er traf ihre Schultern und sie
neigte ihren Hals, so daß er ihren Kopf traf.
Gott,
war sie wütend. Die Pässe. Das Geld. Der Fetus... ein Fetus, um Gottes Willen.
Die
Eizellen.
Die
Tatsache, daß er auf ihrer Couch geschlafen hatte.
Der
Ring.
Sie
wollte ihn nicht für sich. Oh nein. Aber der Gedanke, diesen Ring an der Hand
einer anderen Frau zu sehen, machte sie wütend.
Und
er paßte zu ihrer Kette.
Die,
wie sie nun ahnte, ein Familienerbstück war. Eine andere Tatsache, die er
versäumt hatte zu erwähnen. Sie hatte gewußt, daß sie sehr alt und schön war,
aber...
Verdammt.
Verdammt.
Ein
anderes Kind. Ein kleines Baby...
Oh
Gott.
Schließlich,
nachdem sie Haut und Haare so heftig geschrubbt hatte, daß es ein Wunder war,
daß noch etwas übrig war und sie überall zitterte, stieg sie aus der Dusche.
Sie
atmete tief ein. Noch einmal. Und dann noch einmal. Sie wurde ruhiger. Nicht viel, aber ruhiger. Sie konnte sich ihm
stellen. Sie konnten es diskutieren, sie hatten fünf Jahre zusammengearbeitet.
Sicher konnten sie darüber reden.
Sie
zog sich einen der dicken hoteleigenen Frotteemäntel über, stieß die
Badezimmertür auf und sah hinaus.
Mulder
war gegangen.
Aber
die Schmuckschachtel lag noch auf dem Tisch vor dem Sofa.
Sie
ignorierte sie und hielt Ausschau nach dem Mantel, den er im Flugzeug getragen
hatte. Sie durchsuchte die Taschen. Kein Foto. Verdammt. Sie ging zu seiner
Reisetasche und durchsuchte sie auch. Keine Aktenordner, keine Papiere. Nichts.
Auch nichts in seinem Koffer.
Sie
sah zu der Schmuckschachtel hin, ging langsam hinüber, nahm sie in die Hand und
öffnete sie. Der mit Perlen und Rubinen besetzte Ring war wunderschön. Sie
hielt ihn ins Licht. Auf der Innenseite war eine Gravur.
‚I.
Mo Ghradh L.'
Das
mußte gälisch sein. Etwas schönes und tiefgründiges, das besagte, daß sie
einander lieben würden, für immer...
Das
mußten seine Großeltern sein.
Liam.
Liam und ...?
Sie
setzte den Ring auf.
Welcher
Trottel würde sie im Spaß fragen, ob sie ihn heiraten würde?
Mulder.
Plötzliche
Erschöpfung überwältigte sie. Sie warf den feuchten Bademantel auf die Erde und
kroch ins Bett.
Teil
8
Sie
lag auf dem Bauch, den Kopf unter dem Kissen, als er zurückkam.
"Bist
Du in Ordnung, Scully?"
Sie
wollte nicht mit ihm reden. Still lag sie da und gab vor, zu schlafen.
Er
setzte sich neben sie aufs Bett und berührte ihre Schulter.
"Ich
weiß, daß Du nicht schläfst. Komm schon. Mach die Augen auf."
Er
streichelte ihre nackte Haut ganz leicht und sie erschauerte und rutschte
tiefer unter das Kissen, von ihm fort.
"Ich
hab Dir ein bißchen Brot und Fruchtsaft mitgebracht. Unten ist eine
Bäckerei."
Sie
drehte ihren Kopf und blitzte ihn wütend an. Er zeigte ihr das Brot, brach ein
Stück ab und hielt es ihr verlockend hin.
Sie
konnte es riechen.
Sie
schob das Kissen weg, zog die Decke über ihre Brust und griff nach dem Brot. Er
entdeckte den Ring an ihrem Finger. Seine Augen huschten über ihr Gesicht, aber
bevor er ihr in die Augen sehen konnte, sah sie weg.
Schweigend
aß sie das Brot, dann setzte sie sich auf. Sie war zu sauer auf ihn, um ihn
anzusprechen, aber sie nickte in Richtung Saft und er öffnete ihn für sie und
gab ihn ihr.
"Wie
geht es Deinem Magen?"
Sie
hob ihre Schultern in einem halben Achselzucken.
"Dana."
Oh,
um Himmels Willen, was jetzt?
"Als
ich nach L. A. kam, um Dich zu sehen, da hatte ich nicht geplant, daß wir...
Ich meinte nicht..."
Oh,
verdammt. Jetzt das.
"...daß
wir..."
Sie
biß ein Stück Brot ab und kaute, sah auf den Ring an seiner Hand und wartete
auf das Unausweichliche.
"...ähm..."
Seine Stimme versagte.
Die
Laß-uns-Freunde-sein-Rede. Er war mit ihr um die halbe Welt geflogen, um ein
Baby zu kaufen und um ihr zu sagen, daß er nicht mit ihr hatte schlafen wollen.
Merkwürdig, nicht eines ihrer Szenarien hatte auch nur im entferntesten so
geendet wie dieses.
Aber
das war Mulder, nichts sollte sie überraschen.
"Es
ist einfach... passiert," fuhr er fort, sie hörte ihn schwer
schlucken. "Und vielleicht hätte es
nicht passieren sollen. Vielleicht war es nicht das, was hätte passieren
sollen."
Sie
konnte ihn aus ihren Augenwinkeln sehen, wie er sie ansah und wartete, daß sie
irgend etwas sagen würde. Aber sie würde ihn nicht ansehen.
Hatte
er erwartet, daß sie zustimmte?
Als
sie nicht antwortete, streckte er seine Hand aus und berührte ihre Schulter.
Sie versuchte, ihn abzuschütteln, aber er gab nicht nach und zeichnete die
Linie ihrer nackten Schulter mit einem Finger nach.
"In
all diesen Jahren ist es nie passiert. Wir haben es nie zugelassen. Und dann
letzten Monat? Es hätte nicht passieren sollen. Es war..." seufzte
er. "Es war nicht das, was wir
damals in unserem Leben brauchten."
Nicht
das, was wir brauchten? dachte sie. Wann zum Teufel hast Du jemals gewußt, was
ich brauche?
"Dir
ging es gut. Ich glaube... Es scheint... Es ging Dir gut, seit Du gegangen
warst. Richtig gut... Und dann wir... daß wir miteinander geschlafen haben...
es wurde nur komplizierter... Sag etwas, Dana."
Sie
stellte den Saft vorsichtig auf den Nachttisch, dann wischte sie die Krümel von
der Decke.
"Seitdem
ich gegangen war?" Ihre Stimme war ein wenig rauh, aber ziemlich fest.
"Wer forderte von wem zu gehen?"
Er
war für einen langen Augenblick still.
"Du
warst diejenige, die gegangen ist," sagte er sehr, sehr leise.
Sie
sah zu ihm auf und nickte langsam.
"Zum
Teufel mit Dir, Mulder," sagte sie ruhig. Sehr ruhig. Zu ruhig.
Damit
würde er nicht durchkommen.
"Der
Sex ist eben passiert," fuhr sie fort. "Und es war nur Sex, und nicht
einmal besonders guter... im Vergleich zu..." sie schloß plötzlich ihren
Mund, kniff ihre Augen zusammen und beobachtete ihn.
"Im
Vergleich zu was?!"
Er
war vollkommen und total geschockt.
"Wie
kannst Du das mit irgend etwas vergleichen? Das waren wir und es war
großartig!"
Sie
zuckte mit den Schultern.
Er
starrte sie an, dann drehte er seinen Kopf weg und sah auf seinen Finger, der
plötzlich auf ihrem Arm gestoppt hatte.
Sie
betrachtete sein abgewandtes Profil. Seine Unterlippe hielt er zwischen den
Zähnen und er biß fest darauf. Er schloß seine Augen für einen Moment. Dann öffnete er sie und sah auf seinen
Finger. Sehr, sehr langsam begann er, ihn wieder zu bewegen, bedächtig ließ er
ihn über ihren Unterarm gleiten, liebkoste sanft die weiche Linie ihrer Haut.
Sie spannte den Arm an und versuchte, nicht zu zittern.
Sie
beobachteten beide seinen Finger, wie er langsam an ihrem Arm zu ihrem
Handgelenk herunterglitt.
Er
erreichte die Innenseite ihres Handgelenks, hielt einen Moment an der
empfindsamen Schwellung ihres Pulses inne, wanderte weiter zu ihrer Handfläche,
strich über ihren Daumen und dann über jeden einzelnen Finger.
"Gut,
wenn es nicht mehr für Dich war..." Er hatte seine Stimme nur schwer unter
Kontrolle. Er war wütend.
Gut.
Er
fuhr fort, "Ich denke nicht, daß es so eine gute Idee ist, es noch einmal
zu tun. Es ist nicht mein Stil, hin und wieder mit jemandem für einen Quicky
zusammenzukommen."
Er
benutzte das Wort "Quicky" absichtlich, um sie zu verärgern. Sie
konnte es an der leichten Rötung seiner Wangen sehen.
"Oh,
wirklich?"
Seine
Augen packten ihre. "Was zur Hölle meinst Du mit ‚wirklich', Scully?"
Aha,
da wären wir also wieder bei Scully. Sie mußte beinahe lächeln.
Was
als kleiner Ärger in seinen Augen gebrannt hatte, war schnell zu einem offenen
Feuer geworden.
"Vergiß
es, Mulder. Ja, wir haben gebumst. Ja, wir hatten einen One-Night-Stand? Na
und?"
"Fünf
Jahre und Du nennst es nur einen One-Night-Stand?" Seine Stimme klang, als
würde er ersticken.
Sie
zuckte mit den Schultern und setzte noch einen nach. "Es war nur
Sex."
"Nur
Sex," wiederholte er ungläubig. "Ein One-Night-Stand."
Sein
Finger hatte den Ring erreicht und rieb leicht darüber, dann strich er über
ihren Ringfinger. Sie beobachtete ihn, wie er über ihre Handfläche zurück zu
ihrem Handgelenk wanderte. Er war wütend, sie war wütend, und sein Finger
liebkoste ihre Hand, als wären die beiden nicht hier.
"Und
da es nicht mehr als das war, hörst Du besser auf, mich zu berühren,"
sagte sie trocken.
Er
sah herunter, als sein Finger über die Muskeln ihres Unterarmes strich. Er hielt an, um die ein wenig kitzlige
Armbeuge an ihrem Ellbogen leicht zu liebkosen und dann verstohlen seinen Weg
auf der Innenseite ihres Oberarmes zu nehmen.
"Hör
auf!"
Er
ignorierte sie und fuhr fort, über ihren Arm und die empfindsame Kurve ihrer
Achselhöhle über die weiche Haut dorthin zu streichen, wo die Decke ihre Brust
bedeckte.
"Nimm
Deine Hand weg!"
Er
atmete tief ein. "Dana, ich..."
"Verdammt!"
Sie schlug seine Hand weg und packte sein Handgelenk. Sie hielt es zwischen
ihnen und grub ihre Fingernägel schmerzhaft in seine Haut.
Sie
starrten einander an, sein Gesicht war gerötet, sein Atem ging stoßweise, seine
Augen brannten in ihren. Sie konnte sich nicht erinnern, ihn jemals zuvor mit
diesem Ausdruck auf seinem Gesicht gesehen zu haben.
Seine
Selbstsicherheit vollkommen zerstört.
Perfekt.
Sie
riß plötzlich hart an seinem Handgelenk. "Dann komm hier rüber, Fox.
Kann
ich Dich Fox nennen?"
Halb
lehnte er sich herüber, halb fiel er über sie und sein "Nein!" wurde
gedämpft durch ihre plötzlich unbedeckten Brüste. Er nahm sie in seine Hände,
drückte sie hoch und zusammen und begann sie verzweifelt zu küssen.
Sie
griff in sein Haar und zog seinen Mund hoch zu ihrem. Sie küßte ihn hart und er
küßte sie hart zurück, sein Mund verlangend, glühend und nicht weniger wütend
als ihrer.
Seine
teuren Sachen vollkommen ignorierend begann sie, sie aufzureißen. Seine Krawatte, sein Hemd. Sie zerrte heftig
an seinem Gürtel, um ihn aufzumachen, dann riß sie seinen Hosenschlitz auf und
griff in seine Boxershorts, um ihn herauszuholen. Er war beinahe hart wie ein
Stein.
Ohne
ihren Mund loszulassen, griff er nach der Decke und warf sie an das Fußende.
Der Rest des Brotes flog mit ihr davon.
Verdammt
sollst Du sein, verfluchte sie ihn schweigend, ihre Zunge strich wütend über
seine.
Sie
zerrte seine Hosen und seine Shorts fort. Verflucht sollen Deine Lügen sein, um
mich zu schützen. Verflucht sollen Deine Geheimnisse und Deine verborgenen
Pläne sein.
Warum
konnten wir uns nicht fünf Jahre früher in der Cafeteria des Büros treffen. Uns
verabreden und bis zur Besinnungslosigkeit miteinander schlafen, wie es normale
Leute tun?
Er
schob seine Hände in ihr Haar, packte es und hielt ihren Kopf still. Er preßte
seinen Mund auf ihren und küßte sie hart. Irgend jemandes Zähne hatten irgend
jemandes Lippe gespalten und sie schmeckte Blut. Vielleicht seines, vielleicht
ihres.
Sie
packte sein Gesäß mit beiden Händen, spreizte ihre Beine und er war an ihr,
dann in ihr. Keine Vorreden. Kein Gerede über Kondome. Sie war ungeduldig und
er war ungeduldig.
Gut.
Verdammt.
Er
stieß tief in sie hinein, und dann wieder und wieder und wieder. Sie preßte
ihre Hüften gegen seine. Hart, trotzig und wütend. Ihre Augen trafen sich für
den Bruchteil einer Sekunde. Er erforschte ihre. Was zum Teufel wollte er jetzt
von ihr? Sie schloß ihre Augen und krachte gegen ihn. Sie wollte ausgefüllt
sein, so gefüllt, daß sie zu voll war zum Denken, bis alles überlief.
Sie
war nicht feucht - aber plötzlich war sie es und sie kam. Sie schrie seinen
Namen und hoffte nur, daß die Wände des Raffles dick genug waren oder daß
niemand nebenan war oder daß es normal war, Lustschreie am späten Nachmittag
aus der Palmensuite zu hören oder... Und dann kümmerte es sie nicht mehr und
sie schrie seinen Namen noch einmal.
Sie
bäumte sich gegen ihn auf und zog ihre Muskeln um ihn zusammen, dann fühlte sie
einen Erguß von Feuchtigkeit und sie explodierte. Aber er kam nicht. Er stieß
in sie wieder und wieder. Für einen Moment war die Reibung zu stark und sie
drückte ihre Zähne in die Muskeln an seinem Hals, um es auszuhalten. Und dann
stieß er härter und härter in sie und dann kam sie noch einmal und stieß
zurück.
Sie
lagen da, schweigend, nackt, ohne sich zu berühren.
Nach
alldem, was war da zu sagen?
Würden
sie jemals wieder in der Lage sein, miteinander zu reden?
Sie
fragte sich das und rollte von ihm weg und schlief im Nachmittagslicht ein, nur
um geweckt zu werden von seinen Händen auf ihrem Rücken und seinen Zähnen in
ihrer Schulter.
Nach
dem zweiten, ebenso stürmischen Anfall, schaffte es Mulder, zu denken.
"Als
Du gekommen bist, hast Du immer wieder Fox geschrien."
"Das
habe ich nicht getan!"
"Hast
Du doch. Denkst Du an mich als Fox?"
"Nein.
Niemals."
Nach
Einbruch der Abenddämmerung schalteten sie die Klimaanlage aus und öffneten die
Fenster und Türen der duftschweren Nachtluft aus dem Hotelgarten.
Und
dann Sekunden... Minuten... Tage... später fielen sie wieder übereinander her.
Dann
schlichen sie jeder an das entgegengesetzte Ende der Hotelsuite, um ihre Wunden
zu lecken.
Zur
Abendbrotzeit... oder war es Frühstückszeit? L. A.-Zeit, bestellten sie sich
etwas zu essen. Aber noch bevor sie das Essen beendet hatten, lag sie auf ihrem
Rücken auf dem Perserteppich mit ihm auf ihr, in ihr, sein Mund ihren Hals
verzehrend, ihre Brüste entflammend... sie zog ihn in sich hinein, als wenn
sie, indem sie ihn mit ihrem Körper verschlang, seinen Verstand in sich
aufnehmen und ihn schließlich verstehen könnte...
Danach
lagen sie dort in der Dunkelheit, schwer atmend, mit rasenden Herzen, redeten
weder miteinander, noch sahen sie einander an.
Sie
fühlte seine Hand, die ihre berührte und dann herüberglitt, um ihre Finger
miteinander zu verschränken. Als sie seinen Druck zart erwiderte, rollte er
herum und preßte sein Gesicht an ihre Brüste. Sie strich ihm sanft übers Haar.
...
und dann noch einmal in der Morgendämmerung...
Ja.
Das machte fünfmal.
Teil
9
Raffles
Hotel
Singapore
3. Juli
Sie
schwang ihre Beine aus dem Bett, setzte sich auf, streckte ihre Arme über den
Kopf und krümmte ihren Rücken.
Autsch.
Wie
spät es war, wußte sie nicht, aber es war bereits heiß. Sie schob ihre Haare
aus dem Nacken. Ihre Haut war mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt. Sie schielte aus dem Fenster in die Sonne,
späte, frühe, morgendliche...
vielleicht.
Sie
schloß die Fenster und schaltete die Klimaanlage an, dann stolperte sie ins
Badezimmer und drehte an dem altmodischen Wasserhahn in der Wanne. Verflixt heißes Wasser schoß heraus und sie
gab eine Handvoll Badesalz hinein. Dann ließ sie sich dankbar in das dampfende
Wasser gleiten.
Wo
war er hingegangen? Ihre Gedanken blieben kurz bei ihm hängen, dann rutschten
sie ins Nichts, als sie sich entspannt nach hinten lehnte und das Wasser bis zu
ihrem Kinn ansteigen ließ. Sie schloß ihre Augen und verfiel in einen
Halbschlaf.
Schließlich
fühlte sie sich wieder halbwegs menschlich, setzte sich auf und wusch sich mit
dem duftenden Wasser. Dann stieg sie aus der Wanne und trocknete ihre heiße
Haut kraftlos ab.
Nackt
ging sie durch das Hotelzimmer und öffnete ihre Reisetasche. An der Seite
entlang fahrend fand sie ihr gepolstertes Schmuckkästchen.
Sie
holte die Kette hervor, die er ihr zu Weihnachten geschenkt hatte, und hielt
sie neben den Ring. Zwei europäisch geschnittene Rubine. Sie paßten perfekt
zusammen. Die Perlen rund herum, eingebettet in ihre antiken filigranen
Goldfassungen, leuchteten in ihrem eigenen Licht.
Sie
nahm die Kette an ihren Mund und rieb mit den Lippen darüber. Dann biß sie
vorsichtig in die Perlen. Mutig. Selbstverständlich.
Sie
drehte sich zu dem Spiegel über der Kommode und hielt die Kette an ihren Hals.
Sie war wunderschön. Sie hatte sie ein paar Mal getragen, einmal zu einer
Verabredung. Danach hatte sie sie in ihrem Schmuckkästchen gelassen.
Sie
wußte nicht, warum sie sie mitgebrachte hatte...
Natürlich
wußte sie es.
Mit
einem Seufzer legte sie sie auf die Kommode und ging, um sich anzuziehen.
Luftig,
aber elegant, dachte sie und zog das ärmellose pflaumenblaue Seidenhemd über
ihren Kopf.
Weiße
Haut, rotes Haar, rote Lippen, purpurrotes Kleid...
Alles
was sie brauchte, waren eine lange Perlenkette und ein Zigarettenhalter. Sie
wäre hier gerade richtig, um ein paar Singapore Slings mit Rudyard und Alice in
der Expatriate Bar zu kippen.
Nach
außen hin war nichts zu sehen von der wildesten Nacht ihres Lebens... ausgenommen... sie legte eine Hand an ihre
hochrote Wange und lehnte sich dichter zum Spiegel... ein leichtes Brennen von
seinem Bart.
Vom
Teppich war nichts zu sehen.
Sie
sah sich in die Augen. Und sie tat wirklich ihr Bestes, nicht daran zu denken,
daß sie heute versuchen würden, ein Baby zu kaufen.
Ihr
Baby.
Sie
wollte auch nicht an den kleinen Alkoven in ihrem Arbeitszimmer denken, der der
perfekte Platz für eine Krippe wäre.
Als
sich die Tür ihrer Suite öffnete, war sie in Gedanken versunken. Sie drehte
sich nicht um, betrachtete ihn nur im Spiegel.
Khakishorts
und weißes Poloshirt. Sie konnte sich nicht an das letzte Mal erinnern, als sie
ihn in Shorts gesehen hatte. Sie sah auf seine Beine. Lang, mager, braun, muskulös. Woher zum
Teufel war er so braun?
Er
hielt genau hinter ihr und sah ihr Spiegelbild an.
Seine
Augen glitten langsam über sie von Kopf bis Fuß. Jeder Zentimeter ihrer Haut,
den sein Blick liebkoste - ihr Gesicht, ihr Hals, ihre Arme - begann zu
brennen.
Ihre
Augen trafen sich im Spiegel.
Sie
bemerkte, daß sie ihren Atem anhielt und atmete aus.
"Du
siehst ganz wie ein amerikanischer Tourist aus, Mulder."
Er
stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne.
"Scuh-lee."
Seine Stimme klang heiser, als er ihren Namen sagte. Er räusperte sich.
"Du siehst wirklich... umwerfend aus."
"Elegant
genug für Dich, Mulder? Kühl, aber verrückt genug, um in Singapore ein Baby zu
kaufen?"
"Ich
habe gerade telefoniert. Wir treffen uns mit ihnen um zehn."
"Wer
ist ‚ihnen'?"
"Madame
Charlotta und ihre Bande Babyzüchter."
"Der
Babyhändler ist eine Sie?"
"Die
bösen Buben sind nicht immer Männer, Scully."
"Seit
wann?" Sie hielt die Kette wieder an ihren Hals. "Zuviel?"
"Du
hast sie mitgebracht."
Sie
hatte sich das kurze Stocken in seiner Stimme nicht eingebildet. Diese Kette
und der Ring bedeuteten ihm eine Menge.
Er
streckte einen Finger aus und fuhr ganz leicht an der Goldkette an ihrem Hals
entlang. Sie fühlte, wie ihre Brustwarzen hart wurden. Sein Blick fiel auf ihre
Brüste, dann hob er ihn, um ihr im Spiegel in die Augen zu sehen. Der Ausdruck in seinen Augen erschreckte sie
und raubte ihr gleichzeitig den Atem.
"Machst
Du sie mir zu?" brachte sie heraus.
Er
hob das Haar von ihrem Nacken und schob es über ihre Schulter.
"Ich
liebe..." sagte er, "... Dein Haar, wenn es so lang ist. Es läßt mich
denken, daß Du Dich schließlich der dunklen Seite hingegeben hast."
Sie
versuchte, ihre Schultern zu entspannen und hoffte, daß er nicht bemerkt hatte,
wie sie bei dem Wort Liebe zurückgewichen war.
Sie
konnte seine Finger an dem Verschluß arbeiten fühlen und betrachtete sein
Gesicht, aber sie konnte den Ausdruck darin nicht interpretieren.
Die
dunkle Seite... Ist es das, was Du glaubst, daß Du es von mir möchtest, Mulder?
Er
senkte seinen Kopf und sie fühlte seine Lippen an ihrem Nacken. In einer langen
Reihe von Küssen ließ er seinen Mund von ihrem Nacken zu der Kerbe an ihrem
Hals wandern.
Und
was wollte sie von ihm? Im Moment hatte sie keine Ahnung.
Sie
krümmte ihren Hals und legte ihren Kopf zurück gegen ihn und seine Arme legten
sich um sie, drückten ihren Rücken gegen seine Hüften. Ein Arm legte sich
besitzergreifend über ihre Brüste, seine warme Handfläche legte sich um ihre
Schulter.
"Ich
habe unten gefrühstückt," murmelte er in ihr Ohr. "Ich dachte, Du
hättest gern ein bißchen Raum für Dich."
"Ich
habe ein Bad genommen," erwiderte sie und betrachtete ihn weiter im
Spiegel.
"Ich
habe geduscht. Aber ich kann Dich immer noch schmecken."
Sie
sah ihn an, wie gelähmt durch das lüsterne Glimmen in seinen Augen und durch
die Art, wie er sie hielt.
"Ich
kann Dich noch fühlen," flüsterte sie.
Sie
starrten ihre Spiegelbilder an.
"Nur
Sex, Scully?" fragte er sanft.
Sie
wandte ihren Kopf um, um in seine Augen zu sehen, nur wenige Zentimeter von
ihren eigenen entfernt. So nahe konnte sie in ihre Tiefen blicken und plötzlich
fühlte sie eine unerklärliche Scheu. Sie lächelte rätselhaft, um die
unerwartete Empfindung zu verdecken und gab ihm kurz einen plötzlichen sanften
Kuß auf den Mund.
"Zu
schade, daß wir in einer Stunde da sein müssen," sagte sie.
Er
gab ein zögerndes Lachen von sich. "Du bist unersättlich."
"Mmm-mm."
Er
drückte sie noch einmal leicht und ließ dann widerstrebend seine Arme fallen.
Die
Dinge hatten sich geändert. Die Regeln in ihrer Welt hatten sich total
raffiniert geändert und sie war sich nicht sicher, ob sie wußte, was sie tat.
"Ich
ziehe mich um," sagte er. "Wir treffen uns in zwanzig Minuten im
Restaurant."
"Mulder?"
Er
drehte sich zurück, "Was?"
"Hast
Du, äh..." sie schluckte schwer. "...seine medizinischen
Berichte?"
"Ich
habe sie für Dich hier gelassen. Genau hier." Er nickte in Richtung eines
Umschlags auf dem Tisch. "Hast Du sie Dir noch nicht angesehen?"
"Hab
sie nicht gesehen. Danke." Sie griff nach der Akte und ging zur Tür,
während sie in dem Umschlag nach dem kleineren mit dem Bild darin suchte. Er war nicht drin.
"Hier."
Mulder war neben ihr und hielt ihr den anderen Umschlag hin. "Du hättest
mich nur fragen brauchen."
Sie
schenkte ihm ein zögerndes Lächeln und entschwand durch die Tür.
Im
Restaurant überflog sie die medizinischen Berichte. Das kleine Babyfoto lehnt
an der Blumenvase in der Mitte des Tisches. Ihre Augen wanderten immer wieder
zu dem Foto zurück.
Erleichtert
sah sie, daß auf dem DNA-Test der Name eines unabhängigen Testlabors in
Maryland stand. Sie studierte die Seite sorgfältig und ihre Augen wanderten
wieder zu dem Foto zurück.
Liam.
Plötzlich
ließ sie etwas aufblicken. Da war Mulder, der sie quer durch das Restaurant
ansah. Ihre Augen trafen sich und er ließ ihren Blick nicht los auf seinem Weg
durch die Tischreihen.
Einen
Moment hielt er hinter ihrem Stuhl inne, dann beugte er sich herunter und
drückte seine Lippen auf die entblößte Haut an ihrer Schulter und schickte
damit Schauer durch ihren Körper bis zu ihren Zehenspitzen.
"Alle
sehen Dich an," sagte er. "Du bist wunderschön."
Erneut
erschauerte sie.
Sie
beobachtete ihn, als er einen Stuhl herauszog und sich hineinfallen ließ. Er
trug einen maßgeschneiderten Sommeranzug und sah selbst sehr gut aus. In der
Tat zum Vernaschen gut, überlegte sie trocken. Sie ließ ihren Blick über ihn
gleiten, katalogisierte seine Gesichtszüge bis es ihr bewußt wurde.
Gott,
was war nur los mit ihr? Jedes Mal, wenn er ihr nahe kam, begann ihr Körper
überall zu kribbeln. Zwischen ihnen hatte es immer so etwas wie eine elektrische
Ladung gegeben, aber nun war die Spannung in die Höhe geschossen. Sie konnte
ihre Brüste anschwellen und die Feuchtigkeit zwischen ihren Beinen spüren.
Zusätzlich fühlte sie eine seltsame Scheu. Um Himmelswillen, sie war eine
erwachsene Frau und sie war Ärztin, kein verliebtes Schulmädchen.
Dies
war... lächerlich.
"Mulder."
"Was?"
"Du
wirst mir alles erzählen, was Du darüber weißt," sagte sie zu ihm, ihr Ton
bewußt geschäftsmäßig. Sie klopfte auf die Papiere vor ihr. "Alles."
Er
leckte sich über die Lippen, dann sah er sie an und nickte ein wenig.
"Kaffee?"
fragte der Kellner, die unbemerkt neben ihrem Tisch aufgetaucht war.
Sie
sahen beide schweigend zu, als der Kellner Mulders Tasse mit der dunklen
duftenden Flüssigkeit füllte, ihr nachgoß und dann verschwand.
"Okay.
Das Baby. Wo zum Teufel hast Du ihn als Fetus gesehen, Mulder, und wie?"
"Erinnerst
Du Dich an die Privatklinik?"
"Wo
Detective Kresge vergiftet wurde?"
Er
runzelte die Stirn ein wenig, dann nickte er. "Das Baby war in einem
Inkubator."
"Warum
hast Du dann den Begriff Fetus benutzt, Mulder? Er hätte wie alt sein müssen?
Sechs Monate? Vielleicht war er eine Frühgeburt?"
"Es
war eine Art... Flüssigkeitsinkubator. Sie haben ihn irgendwie über seine
Nabelschnur ernährt... denke ich."
Sie
starrte ihn an.
"Eine
Art künstlicher Gebärmutter? Gefüllt mit amniotischer Flüssigkeit?"
Der
Ausdruck auf Mulders Gesicht wurde qualvoll. Er nickte.
"Was
hat Dich veranlaßt, ihn mit mir in Verbindung zu bringen?"
"Da
waren Identifizierungsunterlagen und äh... da stand Dein Name drauf."
Die
Worte trafen sie mit der Kraft eines Windstoßes. "Und Du hast es mir nicht
gesagt."
"Sculleee."
Er seufzte erneut. "Nein. Ich habe es Dir nicht gesagt. Du warst... Du
hattest genug durchzumachen mit..."
Emily.
"Irgendein
anderer Name? Ein Vater?"
"Nein."
"Hast
Du die Berichte mitgenommen?"
Er
schüttelte den Kopf. "Nein."
Sie
atmete tief ein.
"Waren
da noch andere?"
Er
bewegte sich unbehaglich auf seinem Sitz. "Ich... ich bin mir nicht
sicher."
"Du
bist Dir nicht sicher?"
"Die
Patientinnen - ältere Frauen - in der Privatklinik bekamen
Schwangerschaftshormone. Progesterone. Östrogene. Und sie wurden auch irgendwie
als Inkubator benutzt... um diese Babys auszutragen. Nun ja, ich denke, da
könnten andere gewesen sein, aber nein, ich habe keine gesehen."
Sie
schauderte, kreuzte ihre Arme vor ihrer Brust und rieb sich über die Gänsehaut
an ihren Oberarmen. "Und wie konnten sie ihre Operation hierher verlegen?
Um Gottes Willen, Mulder, selbst Kaugummi ist hier verboten. Aber ein
internationaler Schwarzmarkt für Babys?"
"Es
scheint so, als hätten sie sich plötzlich entschieden, einen Ort zu finden mit
jungen gesunden Frauen, die mehr als willig sind, die Babys vollständig
auszutragen. Dann werden die Babys, so weit ich sagen kann, in amerikanische
Familien gegeben."
"Gegeben?
Verkauft meinst Du wohl, Mulder. Aber aus welchem Grund?" Sie schüttelte
den Kopf. "Ich weiß nicht warum... nach... alledem... finde ich es schwer,
es zu glauben."
"Was
glaubst du, wo die Berühmtheiten all diese wunderschönen weißen Babys herhaben,
die sie ständig adoptieren? Madame Fernandez ist ein geläufiger Name in
bestimmten Kreisen. Sie fanden einen etablierten Babyhandel und schlossen sich
dem an. Dann, vermute ich, werden die Babys irgendwie verfolgt."
"Aber
nicht... Liam."
Er
lächelte sie an, seine Augen applaudierten ihr sanft dazu, daß sie seinen Namen
benutzt hatte.
"Nicht
Liam. Er wird verschwinden und sie werden niemals erfahren, was mit ihm
passiert ist." Er sah nachdenklich aus. "Sofort als wir wußten, wo er
war, das ungefähre Geburtsdatum..."
"Wir?"
Mulder
setzte sich gerader hin und trank einen Schluck Kaffee. "Frohike.
Wir
schulden ihm etwas dafür, Scully."
Sie
biß sich auf die Lippe.
Er
sah sie an. Wieder mit diesem gequälten Blick.
"Woher
hast Du die DNA-Tests?"
"Für
soviel Geld sollten sie dabei sein, oder? Genetische Tests sind eine
Voraussetzung. Sie stellen sie zur Verfügung."
"Aber..."
Sie blätterte die Papiere vor ihr durch auf der Suche nach den Laborergebnissen.
"Aber Du hast Dich nicht auf ihre Tests verlassen."
"Natürlich
nicht. Ich habe meine eigenen Tests machen lassen."
"Woher
wußtest Du, daß es sein Blut war?" protestierte sie. "Sie hätten es
austauschen können..."
Er
sah sie mit einem leicht mitleidigen Ausdruck an, dann streckte er seine Hand
nach ihrer aus und streichelte ihre Finger. "Er ist Dein Sohn,
Scully. Glaubst Du wirklich, ich habe
Dich den ganzen Weg hierher gebracht - und lasse Dich das alles hier
durchmachen - ohne daß ich mir absolut sicher bin?"
Ihre
Augen kribbelten und sie schloß sie für eine Sekunde fest.
"Scully?"
Sie
öffnete ihre Augen und sah ihn an.
"Ich
stand daneben, als sie ihm das Blut abgenommen haben," sagte er. "Sie
gaben mir die Phiole."
Sie
starrte ihn an. Plötzlich fühlte sie sämtliche Haare an ihrem Körper zu Berge
stehen.
"Du
hast ihn gesehen?"
Ein
leichtes Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, er nickte.
"Mulder..."
flüsterte sie.
"Warte,
bis Du ihn siehst, Scully," sagte er sanft.
Sie
sahen sich an. Sie fühlte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Oh Gott.
Seine
Finger legten sich fester um ihre.
Plötzlich
erinnerte sie sich. "Du hast sie gesehen, wie sie das Blut abnahmen,
Mulder?"
Er
nickte.
"Und
als sie in die Haut stachen? Nichts...?"
Er
schüttelte den Kopf.
Sie
schloß ihre Augen erneut fest. Gott sei Dank.
Sogar
mit geschlossenen Augen wußte sie, daß er sie beobachtete.
Und
sie wußte, als er damit aufhörte. Sie öffnete ihre Augen.
Er
sah auf die Uhr. "Wir müssen gehen. Bist Du bereit?"
"Mulder,
warte. Ist da noch etwas, was Du mir nicht gesagt hast?"
Er
sah sie einen Moment lang an, sein Gesichtsausdruck vollkommen ernst, dann
schüttelte er den Kopf.
Sie
musterte ihn. Da war noch etwas, aber er wollte es ihr jetzt nicht sagen. Das
mußte jetzt warten.
Sie
nickte, drückte seine Hand und stand auf. Dabei griff sie nach den
medizinischen Berichten. Sie war bereit.
So
bereit, wie sie immer war.
Teil
10
Golden
Village
Singapore
Die
Adresse befand sich in einem schönen alten Stadtteil. Eingezäunte Grundstücke
mit Toren, nur hin und wieder einen flüchtigen Einblick gewährend durch das
Grün der Natur auf das Geld, das sich hinter den Zäunen befinden mußte.
Als
Mulder vor dem Tor eines großen reizenden alten Hauses hielt, drehte er sich zu
ihr herum. Er lächelte gezwungen.
"Ab
hier kann es gefährlich werden."
Sie
sah ihn an und nickte. Sie konnte nichts sagen.
An
der Tür stand ein schweigender weiß uniformierter Bediensteter und blickte scharf
auf ihre Schuhe, bis sie erkannten, daß man erwartete, daß sie sie auszogen.
Sie wurden durch abgedunkelte Räume mit hohen Decken zu einer abgeschirmten
Veranda geführt. Der Bedienstete begleitete sie, dann verschwand er.
Sie
konnte die Spannung in Mulders Fingern auf ihrem Rücken fühlen.
Eine
Frau saß auf einer schattigen Couch, einen großen weißen Hund zu ihren Füßen.
Sie erhob sich anmutig, als sie sie sah.
"Mr.
Hale, wie reizend, Sie wiederzusehen."
Sie
kam nach vorn, um ihnen die Hände zu schütteln. Scully hoffte, daß ihre Hände
nicht so kalt waren, wie sie sich anfühlten.
"Madame
Charlotta, meine Frau Isobel," sagte Mulder. Die stolze Note in seiner
Stimme erfüllte ihr Blut mit Wärme.
"Mrs.
Hale, wie entzückend, Sie endlich zu treffen. Ihr Mann hat mir so viel von
Ihnen erzählt."
"Hallo."
Selten
konnte sie auf Frauen herabblicken, besonders wenn sie keine Schuhe trug, aber
Madame Charlotta war noch ein paar Zentimeter kleiner als sie. Klein und schön hatte sie die makellose
goldene Gesichtsfarbe des Ostens. Ihr
glänzend schwarzes Haar war zu einem Knoten in ihrem Nacken gebunden und eine
exotische Blume steckte über ihrem Ohr.
Ein
langes fließendes Kleid aus goldschimmerndem Brokat vervollständigte ihr
exotisches ostasiatisches Aussehen.
Der
Eindruck war alles in allem recht entzückend, dachte Scully, aber irgendwie
nicht ganz real. Und sie schien schrecklich jung, um schon einen eingeführten
Namen im Babyhandelsgeschäft zu haben.
Sonderbarerweise
entspannte sie sich durch diese Beobachtung.
Mit
einer anmutigen Geste beider Hände überreichte ihr Madame Charlotta ihre
Visitenkarte, die kunstvoll mit Blüten und nur ihrem Namen und einer
internationalen Telefonnummer bedruckt war.
Scully
bewunderte sie gebührend und steckte sie dann Mulder in die Tasche.
"Eine
Erfrischung?" Bevor sie antworten konnten, klatschte die Frau in die Hände
und ein Bediensteter rollte einen Wagen, beladen mit einem kleinen Festmahl,
heran.
"Bitte,
setzen Sie sich."
Sie
nahmen Platz.
Der
weiße Hund, der wie ein Schatten hinter der Frau hergelaufen war, ließ sich
zwischen ihnen und seiner Herrin nieder, ohne sie jemals aus den Augen zu
lassen.
Der
Bedienstete servierte ihnen Tee.
"Wie
geht es ihm?" fragte Mulder.
"Gut."
Madame Charlotta lächelte. "Er ist wunderschön, wirklich wunderschön. Alle
unsere Babys sind es. Sind Sie sicher, daß Sie kein Interesse daran haben,
einige unserer anderen Babys zu sehen..."
"Nein,"
sagte Mulder ziemlich kurz. "Danke schön."
"Oh,
natürlich," sagte Madame Charlotta und schenkte Scully ein süßes
verschwörerisches Lächeln.
Zu
süß, dachte Scully und placierte im Gegenzug ein zuckersüßes Lächeln auf ihr
eigenes Gesicht.
"Ich
verstehe, warum Sie an diesem einen interessiert sind, jetzt da ich das
entzückende Haar Ihrer Frau gesehen habe," fuhr Madame Charlotta
fort. Sie nahm einen Aktendeckel von der
Bank neben sich und zog ein 9x13-Foto hervor. "Wir haben im Moment nur das
eine rothaarige Baby."
"Haben
Sie schon einen Namen ausgesucht?" fragte sie und reichte Scully das Foto.
Scully
sah nach unten.
Ein
kleines ernstes Engelsgesicht sah sie an. Er war älter auf diesem Foto. Sein Haar war eindeutig rot und seine Augen
blau. Er war pausbäckig und gut entwickelt und...
Wunderschön...
Ihr
Herz schlug heftig gegen ihre Rippen und ihre Kehle verengte sich.
Sie
hörte Mulders Stimme kaum im Hintergrund. Nein, sagte er, noch kein Name,
irgend etwas von noch nicht entscheiden wollen, bevor alles geklärt wäre. Und
Madame Charlottas entzückende flüssige Stimme, die erwiderte natürlich,
natürlich. Was halten Sie von dem Baby, Mrs. Hale?
Seine
Hand fand ihren Rücken und drückte sie beruhigend.
Sie
starrte auf das Foto. Oh Gott...
"Mrs. Hale, Mrs. Hale?"
Scully
sah erst auf, als sie ihren Namen zum dritten Mal rief.
"Äh..."
Sie sah hilfesuchend zu Mulder.
Er
schenkte ihr ein kleines ermutigendes Lächeln und streckte seine Hand nach dem
Foto aus.
"Ich
glaube, sie mag ihn," antwortete er für sie.
Sie
sah zu, wie er das Foto nahm und darauf herabblickte. Seine Zähne gruben sich
in seine Unterlippe.
Madame
Charlotta sah sie zustimmend an.
"Das
Gebot des anderen Paares steht bei 60.000, US-Dollar natürlich."
"Natürlich,"
sagte Mulder.
"Wir
erhöhen die Gebote in fünftausender Schritten."
"Jetzt
gleich?" fragte Scully, ihre Stimme klang schwach und sie räusperte sich.
"65.000,"
sagte Mulder, sein Blick immer noch auf dem Foto.
Madame
Charlotta nickte. "Ich kann verstehen, Mrs. Hale, daß Ihr Mann dieses Baby
unbedingt für Sie will."
Scully
beobachtete Mulder, wie er auf das Foto starrte. Er hatte diesen Ausdruck auf
seinem Gesicht, diesen, den er reserviert hatte nur für...
Oh
Gott, Mulder. Was tun wir? Sie schluckte schwer.
"George,"
sagte sie. "George." Er sah nicht auf. "George!?" Dies
verstand er. Er sah sie mit einem komischen sehnsüchtigen kleinen Lächeln an,
das ihr Herz berührte und die Tränen in ihrer Kehle zum Überlaufen brachte.
"Madame
Charlotta?" fragte sie und drehte sich zu der Frau um. "Würden Sie
uns bitte für einen Moment entschuldigen?"
"Durchaus."
Die Frau lächelte. "Warum gehen Sie nicht ein bißchen in den Garten.
Entscheidungen wie diese sollten diskutiert werden."
Sie
klatschte in die Hände und der Bedienstete brachte ihre Schuhe.
Scully
stand auf und hielt Mulder ihre Hand hin. "Komm." Er nahm ihre Hand
und stand ebenfalls auf.
Als
sie hinausgingen, warf sie einen Blick über ihre Schulter. Madame Charlotta
griff mit ihrer perfekt manikürten Hand nach dem Telefonhörer, einen
berechnenden Ausdruck auf dem Gesicht. Plötzlich sah sie mehr als geeignet aus,
wohlbekannt in Babyhandelskreisen zu sein.
Der
Hund machte einen Laut tief in seiner Kehle. Madame Charlotta sah auf,
plötzlich wieder das zuckersüße Lächeln im Gesicht. Scully schenkte ihr ein
halbes Lächeln und entschwand mit Mulder über die Treppenstufen nach unten und
ins Sonnenlicht.
"Bist
Du in Ordnung?"
Sie
nickte. "Mul..."
"Shhhh,"
sagte er sanft und legte einen Arm um ihre Schulter, um sie den Weg
entlangzuführen. Die Mittagssonne brannte auf ihre Köpfe, während der
überwältigende Geruch feuchter fruchtbarer Erde um sie herum aufstieg. Palmen und überhängende Zweige kamen näher,
schlossen sie plötzlich vom Rest der Welt ab. Der Ruf eines unsichtbaren Vogels
brach die Stille und ein anderer antwortete. Bald erfüllte lautes Vogelgezwitscher
die Luft.
Er
zog sie in den Schatten. "Mynahs," sagte er.
"Was?"
"Mynahs.
Davon gibt es hier mehr als Tauben."
"Wirklich?"
Sie blickte sich vage um, sah aber nichts weiter als grüne Blätter und
exotische Blüten, die sie im Moment nicht einmal annähernd bestimmen konnte.
"Ich kann Dich nicht George nennen, wenn Du mir nicht antwortest,"
sagte sie leise.
Er
nickte. "Tut mir leid."
"Da
ist irgend etwas Verdächtiges an ihr," sagte sie. "Irgend etwas
stimmt nicht."
"Ich
habe dasselbe Empfinden. Schön aber tödlich. Vertrauen wir ihr? Auf keinen
Fall. Ich glaube nicht, daß sie alle ihre Karten auf den Tisch gelegt hat, aber
wir haben es auch nicht getan."
"Wissen
wir denn, daß da wirklich ein anderes Paar ist? Sie könnte den Preis auch
selbst in die Höhe treiben."
"Ich
habe sie gesehen. Als ich das letzte Mal hier war."
"Du
hast sie gesehen? Kennst Du ihren Namen? Hast Du irgend etwas über sie
herausgefunden?"
"Sie
sind das, was sie vorgeben zu sein. Ein reiches amerikanisches Ehepaar. Aus
Seattle. Er ist in den Vierzigern, sie in den Dreißigern. Keine Kinder.
Fruchtbarkeitsbehandlungen."
"Fruchtbarkeitsbehandlungen?"
Er
schüttelte den Kopf, als er ihren Gesichtsausdruck sah. "Keine Verbindung,
soweit ich herausfinden konnte."
"Warum
wollen sie dieses Baby, wenn Charlotta vermutlich eine ganze... Farm voller
anderer hat?"
"Ich
weiß es nicht. Ich wünschte, ich täte es."
"Mulder,
das ist eine Menge Geld. Bist Du sicher, daß Du weißt, was Du tust?"
Er
antwortete nicht.
Er
sah wieder auf das Foto.
Dieser
Ausdruck... Und wo zur Hölle hatte er so viel Geld her? Sie fürchtete sich
davor, danach zu fragen. Aber wenigstens konnte sie versuchen, ihm einen Teil
davon zu retten.
Als
sie zurückkehrten, saß ein anderes Ehepaar bei Madame Charlotta.
"Das
sind sie," flüsterte er ihr zu.
Die
Frau hatte einen klasse Busen, großartige Haare, so unwahrscheinlich blond, und
- Scully seufzte - lange Beine, die sie vorteilhaft zur Schau stellte durch
ihren Minirock und die Art, wie sie dasaß. Sie ignorierte Scully und sah Mulder
mit einem Blick an, der jeden anderen Mann zum Schmelzen gebracht hätte. Soweit
Scully das einschätzen konnte, blieb Mulder jedoch unbeeindruckt.
Nichts
desto trotz fühlte sie, wie sich ihre Nackenhaare aufrichteten.
Sie
sah sich den Ehemann an. Er sah sehr gut aus, sehr reich und sehr gelangweilt.
Ein Finger trommelte ungeduldig auf die Bank.
"Oh,
gut," sagte Madame Charlotta, als sie sie sah. "Mr. und Mrs. Hale, Mr. und
Mrs. DaSilva."
Sie
tauschten höfliches Gemurmel aus.
"Nun,
wir sollten zum Geschäftlichen kommen. Die DaSilvas haben ihr Gebot auf 70.000
erhöht. Sind Sie immer noch interessiert?"
"75.000,"
sagte Mulder.
"80,"
säuselte Mrs. DaSilva, lehnte sich lässig in ihrem Sessel zurück und zeigte
zwanglos noch mehr von sich.
Mulder
öffnete gerade seinen Mund, als Scully ihre Fingernägel schmerzhaft in seinen
Arm grub.
Er
schloß seinen Mund.
"Wie
alt genau ist das Kind, Madame?" fragte sie.
"Vier
Monate."
Scully
sah Mulder beschwörend an. "Bist Du sicher, daß wir kein jüngeres Baby
haben wollen, George?"
Mulder
verstand blitzartig. Er antwortete nicht, senkte nur seinen Kopf und sah sie
an, dabei knabberte er an seiner Unterlippe.
"Du
weißt, all diese ersten Male?" fragte sie ihn. "Das erste Lächeln,
das erste Mal, daß er sich umdreht, der erste Zahn, das erste Mal, daß er nach
einem Spielzeug greift..." verstummte sie und beobachtete aus den
Augenwinkeln heraus Mrs. DaSilva, die genau zuhörte.
"Es
liegt an Dir, Isobel," sagte Mulder.
Sie
sah auf das Foto, das sie immer noch festhielt. "Natürlich, dieses hier
hat meine Haare. Aber ein kleines blondes Baby wäre doch auch ganz entzückend,
findest Du nicht auch?"
Dann
herrschte Schweigen.
"Madame
C.?" fragte Mrs. DaSilva plötzlich. "Haben sie ein blondes männliches
Baby, erst einen Monat alt oder so?"
Madame
Charlotta klatschte in die Hände und der Bedienstete erschien wieder. "Die
Neugeborenenakte, bitte."
"Wie
lange wird das dauern?" meldete sich plötzlich Mr. DaSilva. "Ich
möchte hier so schnell wie möglich weg, sonst muß ich womöglich noch meine
Reise nach London verschieben."
"Wir
können auf dem Rückweg dorthin, Sugar," säuselte Mrs. DaSilva. Sie drehte
sich zu Mulder um. "Ed ist immer so beschäftigt. Ich habe ewig gewartet,
bis er mit mir hierher gekommen ist." Ihr Blick schien an Mulders
Unterlippe hängengeblieben zu sein. Scully mußte sich davon abhalten, ihre
Fingernägel erneut in seinen Arm zu drücken. Statt dessen legte sie eine Hand
auf seinen Oberschenkel und ließ sie dort unbeweglich liegen. Ihre
Fingerspitzen drückten ihn leicht.
Aus
den Augenwinkeln heraus konnte sie sehen, daß Mulder schwer schluckte.
Der
Bedienstete kam mit der Akte wieder. Madame Charlotta sah sie kurz durch und
zog ein Foto heraus. "Grüne Augen oder blaue?"
"Grün,"
sagte Mrs. DaSilva.
"Blau,"
sagte Mulder. Er lehnte sich nahe zu Scully. "Wie kommt es, daß Du mich
niemals Sugar nennst?" flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie
unterdrückte ein Lächeln und drückte seinen Oberschenkel ein bißchen fester mit
ihren Fingerspitzen. Sie mußte nicht den leisen Ton hören, den er beim Einatmen
machte, um seine Reaktion zu kennen.
"Sie
können es jetzt natürlich noch nicht sehen," sagte Charlotta. "Aber
dieses hier wird blond. Und dieses hier."
Sie
gab ein Foto an Mrs. DaSilva weiter und eines an Scully. Es war ein anderes
kleines Neugeborenes mit zusammengekniffenen Augen und einer kleinen Spur Haare
von undefinierbarer Farbe.
"Und
hier sind ihre medizinischen Berichte."
Scully
nahm den Bericht und studierte ihn genau. Allem Anschein nach war es ein
gesundes Baby.
"Können
wir Ihnen morgen Bescheid geben?" fragte Mrs. DaSilva.
"Rebecca,
Du kannst Dich nie entscheiden. Biete einfach für dieses Baby und nimm es
mit."
"Das
ist nicht so, als würde man ein Auto kaufen, Ed. Und nebenbei, wir sparen
dreißigtausend Dollar. Diese blonden Babys kosten fünfzig, richtig?"
Madame
Charlotta nickte. "Sie halten immer noch das höchste Gebot für das erste
Kind."
"Können
wir unser letztes Gebot zurücknehmen?"
"Wenn
Sie sich für eines der anderen beiden entscheiden. Ja."
"Gut,
wir geben Ihnen Bescheid."
"Und
Sie, Mr. und Mrs. Hale? Sind Sie noch an dem älteren Kind interessiert?"
"Wir
lassen unser Gebot für ihn bei 75.000," sagte Scully. "Ich würde auch
gern über die jüngeren Babys nachdenken."
Sie
drehte sich zu Mulder und sah ihn an.
Er
nickte langsam, seine Augen hielten mit ihren Rücksprache.
Gott.
Es war so wichtig und er vertraute ihr vollkommen.
Bist
Du sicher? fragten seine Augen.
Sie
hoffte, das Richtige zu tun.
Ja.
Sie schloß ihre Augen halb und wußte, daß er es als Bejahung erkennen würde.
Dann nickte sie ganz leicht. Vertrau mir.
Er
sah sie einen Moment lang an, dann nickte er auch ein wenig.
"Nun
gut," sagte Madame Charlotta. "Morgen Mittag? Wir sehen uns
dann."
Scully
fühlte einen schmerzhaften Stich von Enttäuschung, als die Frau aufstand. Also
würden sie Liam heute nicht sehen.
Sie
seufzte. Das würden lange vierundzwanzig Stunden werden.
Teil
11
Sie
waren jeder in seinen Gedanken verloren während der Rückfahrt ins Hotel. Vielleicht
war es der Jetlag, vielleicht war es nur Erschöpfung, aber sie verspürte keine
Lust zum Reden.
Zurück
in ihrem Zimmer warf er sein Jackett über einen Sessel und streckte sich auf
dem Bett aus. Er legte einen Arm über seine Augen und lag still da.
Sie
wollte nicht schlafen, sondern sich über all das Klarheit verschaffen.
Sie
wanderte hinaus auf die Veranda, lehnte sich gegen die Brüstung und sah in den
Garten, der in der Mittagshitze vor sich hin dämmerte. Es war unglaublich heiß
hier. Sie zerrte die schwere Seide weg, wo sie an ihrer Haut klebte. Ihr Kleid
würde niemals wieder in Ordnung kommen, sie hatte die ganze Zeit, in der sie
bei Charlotta waren, geschwitzt.
Diese
Babys. So wunderschön, und noch...
Mulder
konnte so optimistisch sein und nur das sehen, was er wollte. Er war so sicher,
daß es Liam gut geht, daß es ihm weiterhin gut gehen würde.
Ihr
Gehirn klickte durch hundert verschiedene Syndrome, die durch genetische Tests
nicht erkannt wurden. Sie hatte ihn nicht angelogen. Sie konnte es nicht
ertragen, dazustehen und zuzusehen, wie ein weiteres Kind starb, während sie
ohnmächtig daneben stand und nicht helfen konnte.
Er
verstand es nicht.
Er
war da gewesen, Zeuge des qualvollen Endes von Emily, aber er hatte keine
Vorstellung davon, wie es gewesen war, sie sterben zu sehen... vollkommen hilflos.
Krankenhäuser,
zu viele Krankenhäuser. Sie war in keinem mehr gewesen seit...
Plötzlich
hatte sie die Vision von sich selbst im Krankenhaus, als sie ihrem Ende so nahe
war und von Mulder, der sie beobachtete aus erschrockenen müden Augen und
versuchte, sie zu beruhigen und davon zu überzeugen, daß alles wieder in
Ordnung kommen würde... und dabei herumlief wie ein Verrückter und versuchte,
ein Heilmittel zu finden.
Sie
fühlte einen plötzlichen Kälteschauer über ihre Kopfhaut und dann ihren Rücken
hinab laufen. Sie bekam eine Gänsehaut und rieb sich die Arme, trotz der
schwülen Hitze zitternd.
Vielleicht
verstand er es doch.
Ihre
Hand griff nach der leichten Beule des Narbengewebes in ihrem Nacken. Sie dachte wieder an all die anderen Frauen
und wie sie die kleinen Phiolen mit ihren Implantaten hochhielten. Waren die
Eizellen für die kleinen blonden Jungen von ihnen? Von Penny?
Alle
tot.
Wenigstens
sie war am Leben, um ihr Kind zu sehen...
Kinder...
Warum?
Warum war von allen nur sie noch am Leben?
Mulder.
Sie
hatte Mulder gehabt.
Als
sie sich in diesem Frühjahr durch ihre Trennung quälte, konzentrierte sie sich
auf die Gründe, warum es für sie besser war, weg von ihm zu sein. Aber die Wahrheit war...
Sie
hatte Mulder für so viele Dinge zu danken.
Und...
nun hatte sie ihm dafür zu danken, daß er Liam gefunden hatte.
Sie
ging langsam zurück nach drinnen.
Er
senkte seinen Arm und sah sie an.
Sie
setzte sich neben ihn, dann streckte sie die Hand aus und ließ einen Finger
über seine Wange, die Stoppeln an seinem Bartansatz und dann über seine volle
Unterlippe gleiten.
Er
beobachtete sie schweigend, ohne sich zu bewegen.
Sie
neigte ihren Kopf und erforschte sein Gesicht, als ihr Finger seine Wangen
nachzeichnete... seine Haut... seine Wimpern... seine Nase...
Die
DNA war schon eine unglaubliche Sache. Wie würde wohl ein kleiner Junge mit
Mulders DNA aussehen? Der Gedanke machte sie traurig.
"Ich
mußte es Dir sagen," sagte er schließlich.
Sie
sah ihn nur an.
"Was
hattest Du gemeint, als Du sagtest, Du willst es nicht wissen, Scully?"
Sie
seufzte.
"Ich
mußte es Dir doch sagen."
Sie
sahen sich an. Schließlich nickte sie.
"Bist
Du noch böse?"
Noch
böse? Nein.
Sie
schüttelte den Kopf.
"Scuh-lee,"
sagte er sanft und sah unheimlich erleichtert aus.
Und
niemals, wenn er ihren Namen so sagte.
Er
streckte seine Hand aus, um ihre zu nehmen und drückte ihr einen Kuß auf die
Handfläche. "Ich muß Frohike eine e-mail schicken und ihm mitteilen, daß
er das Geld telegrafisch anweisen soll bis Mitternacht D.C.-Zeit. Was möchtest
Du dann tun? Etwas essen? Singapore ansehen?" fragte er.
Sie
lächelte und zog eine Augenbraue hoch.
Er
lachte und stöhnte, dann streckte er seine Hände aus und zog sie in seine Arme.
Seine Arme legten sich um sie und hielten sie fest, zart und beruhigend, als
sie ihre Hüften an seine anpaßte. "Ich glaube nicht. Ich habe mich von
letzter Nacht noch nicht erholt." Er sah ihr einen Moment in die Augen,
bevor er seinen Mund leicht über ihre Lippen strich. "Das muß irgendwie
ein Rekord gewesen sein."
Es
erregte ihren Körper, als sie sich auf ihm bewegte. Ihre Brüste kribbelten, als
ihre Brustwarzen über seine Brust strichen und die schwache Entzündung zwischen
ihren Schenkeln verwandelte sich plötzlich in das brennende Verlangen, ihn in
sich zu haben.
"Das
mag für Sie sprechen, Mr. Hale, aber nicht für mich."
"Yeah,
richtig," sagte er und lachte wieder. Er umarmte sie und gab ihr einen
weiteren längeren Kuß. Es war ein netter Kuß, süß, freundschaftlich, aber er
schien nicht in die Richtung zu führen, die sie sich erhofft hatte. Sie preßte ihre Hüften enger an ihn. Hmmm. Da
regte sich gar nichts.
Sie
seufzte. Sie war ein bißchen zu zielstrebig geworden.
Widerstrebend
zog sie sich zurück und nibbelte ein letztes Mal sehnsüchtig an seiner
Unterlippe.
"Was?"
fragte er, als er ihren Gesichtsausdruck sah.
"Oh.
Äh. Ich frage mich nur etwas wegen Charlotta," sagte sie. "Wo sind
die Kinder? Sie waren nicht in dem Haus. Und ihre Mütter?"
Er
zog plötzlich seine Schultern hoch.
"Was
ist, Mulder?" Ihre Finger spürten die Verspannung in seinen Schultern
und
massierten seine Muskeln
"Nur
so etwas wie ein... deja vu." Er schüttelte seinen Kopf, wie um ihn
freizubekommen. "Willst Du ihr folgen?"
"Laß
uns Charlotta folgen," sagte sie genau in demselben Moment.
Sie
lachte.
"Siehst
Du? Wir sind dafür bestimmt, zusammenzusein." Er lächelte sie an.
"Mrs.
Hale."
Sie
erforschte sein Gesicht. Das hörte sich so an, als würde er eine Frage
beantworten und sie hatte sie nicht gestellt. Jedenfalls nicht laut. Sie war
sich nicht sicher, was sie in seinen Augen sah. Hoffnung vielleicht? Daß sie etwas sagte? Sie fragte sich, was er
in ihren Augen sah. Noch nie waren sie so dicht davor, über ihre Zukunft zu
sprechen. Mit oder ohne Liam.
Zusammen.
Wie?
"Ich
gehe mich umziehen," war alles, was sie sagen konnte. Sie gab ihm einen
schnellen entschuldigenden Kuß und erhob sich von ihm.
Er
nickte nur ein wenig und sah traurig aus. Sie wandte sich ab von ihm und ging,
um sich umzuziehen.
Was
sie wirklich brauchte, war eine kalte Dusche.
Teil
12
Golden
Village
Singapore
Sie
parkten auf der Straße vor dem Haus, in dem sie Charlotta an diesem Morgen
getroffen hatten. Scully konnte nur die Eingangstür durch den üppigen Hain von
Bananen und Palmen sehen. Sie würden in der Lage sein, Charlotta zu sehen, wenn
sie wegging.
Wenn
sie wegging.
Scully
gähnte, ein heftiges Gähnen, das ihre Kiefer knacken ließ. Sie hatte immer noch
mit dem Jetlag zu kämpfen. Dasitzen, nichts tun, wenn auch nur für zwanzig
Minuten in dieser tropischen Hitze... sie gähnte wieder... es fiel ihr schwer,
die Augen offen zu halten.
Sie
sah zu Mulder herüber. Er döste ebenfalls vor sich hin.
Ihre
Einsatztechnik hatte definitiv gelitten.
"Mulder,
ist sie das?"
Eine
schlanke Person kam aus der Eingangstür, bekleidet mit weißen Jeans, einem
roten T-Shirt, Sonnenbrille und Strohhut.
"Ist
sie das?"
Mulder
öffnete seine Augen und beobachtete, wie die Frau von der Eingangstür zu dem Landrover
eilte, der an der Spitze der langgezogenen Auffahrt stand. Sie nahm etwas, das
aussah wie eine Schachtel aus dem hinteren Teil, dann verschwand sie schnell
wieder im Haus.
"Vielleicht."
Er schloß seine Augen wieder.
Scully
drehte sich um, nahm Liams medizinische Berichte aus ihrer Tasche und begann,
zwischendurch immer wieder zum Haus blickend, jede Seite sorgfältig zu lesen,
um zu prüfen, ob sie irgend etwas übersehen hatte.
Nichts.
Schließlich
stopfte sie die Papiere frustriert zurück in ihre Tasche.
Mulder
machte ein kleines Geräusch im Schlaf und bewegte seine Schultern unruhig hin
und her. Sie beobachtete sein Gesicht eine Minute lang. Er sah müde aus, sogar
im Schlaf.
"Mulder?"
fragte sie sanft.
"Hmmm?"
"Werden
wir ihn bekommen?"
Er
öffnete kurz seine Augen und sah sie so intensiv an, daß sie glaubte, er hätte
vielleicht gar nicht geschlafen.
"Ja."
Er
schloß seine Augen wieder.
Scully
konnte nichts dafür, aber sie fühlte sich erleichtert durch die Bestimmtheit in
seinem Ton.
Mulder
öffnete seine Augen und sah sie wieder an, dann setzte er sich plötzlich auf.
"Entschuldige."
"Es
ist in Ordnung. Schlaf," sagte sie sanft zu ihm. "Ich passe
auf."
Er
rieb sich die Augen und sah hinüber zum Haus.
"War
irgend etwas?"
"Noch
nicht."
Mulder
griff nach hinten nach dem Laptop und lehnte sich zurück, den Laptop im Schoß
und öffnete den Deckel.
Scully
entspannte sich in ihrem Sitz.
Dieser
Teil der Stadt war friedvoll und leise, abseits des geschäftigen Treibens von
Singapore City. Träge beobachtete sie die Muster, die die Sonne machte, als sie
sich durch die Bäume neigte. Einen Augenblick glaubte sie, sie könnte irgendwo
Affen schreien hören, aber sie war sich nicht sicher.
"Im
13. Jahrhundert.." begann Mulder plötzlich, vom Bildschirm ablesend.
"Ja?"
"Ein
Prinz von Palemburg, Indonesien, jagte hier - bevor hier Singapore erbaut wurde
- und er sah ein Tier im Dschungel, das er als halb Löwe halb Fisch beschrieb.
Seit dieser Zeit gab es immer wieder Berichte über Sichtungen dieser
Kreatur."
Er
sah sie erwartungsvoll an.
Es
war schon eine Weile her, aber sie kannte ihr Stichwort.
Sie
schenkte ihm ihren besten erzürnt-an-der-Grenze-zum-Widerwillen-Blick. "Ich hätte es wissen müssen. Bist Du
sicher, daß es nicht das ist, weswegen wir hier in Singapore sind, Mulder?"
Seine
Lippen zuckten, als er sich ein Lächeln verkniff. Sie hatte es gebracht. Er
hatte offensichtlich nur auf diese Reaktion gewartet. "Dieses
phantastische Biest nennt man Merlion," fuhr er fort. "Und es ist das
Wahrzeichen Singapores."
"Wo
ist das her?"
"Einige
Informationen, die ich mir heruntergeladen habe, bevor wir abgefahren
sind." Seine Mundwinkel zogen sich ein wenig zusammen. "Das
überrascht Dich, nicht wahr, Scully? Alles mögliche könnte in diesem Dschungel
sein."
"Du
wirst überrascht sein, was er geraucht hat. Ich nehme an, Halluzinogene wurden
zu dieser Zeit unter den Adligen in hohem Maße konsumiert." Sie sah sich
nach den sorgfältig erhaltenen Besitzungen um. "Ich weiß nicht, Mulder.
Ich habe hier keinen Dschungel gesehen, der wild genug wäre, um einen Merlion
zu verbergen."
"Hey,
Scully, ich vermisse es, Dich um mich zu haben, damit Du meine Argumente
entkräftest." Sein Ton war nachgiebig.
Sie
konnte nicht ernst bleiben und grinste ihn an. Sie liebte die Art, wie er vor
Aufregung rot wurde wie ein Kind, wenn es um Unerklärliches ging. Es war
unglaublich gewinnend.
"Ich
vermisse Dich auch, Mulder."
Sein
Gesichtsausdruck änderte sich, wurde ernst. Er musterte ihr Gesicht für einen
langen Moment.
"Scully,
ich..."
Ihre
Augen nahmen den Hauch einer Bewegung am Haus wahr. Es war wieder die Frau.
"Ist
sie das?"
Die
Person ging zum Landrover und öffnete die Tür.
In
diesem Moment kam der weiße Hund um die Hausecke und sprang vor ihr in den
Wagen.
"Das
ist sie."
"Ich
glaube, das ganze exotische Madame Outfit war ein bißchen viel."
Sie
krümmten sich zusammen, als der Wagen aus dem Tor schoß und an ihnen vorbeizog.
"Wow,
sie fährt wie der Teufel." Scully setzte sich auf. "Hol die Karte
heraus, Mulder. In welche Richtung fährt sie?"
"Nach
Norden."
Scully
startete den Wagen und fuhr hinter ihr her.
An
der Ecke bremste sie scharf und verfehlte nur knapp ein Auto, das vor ihnen
vorbeifuhr. Mulder stemmte seine Hände gegen das Armaturenbrett. Seine Karte und der Laptop fielen zu Boden.
"Fahr
auf der linken Straßenseite! Autsch!"
"Entschuldige!"
Sie
sah ihn an. Er hielt sich mit einer Hand den Kopf. Es war sehr seltsam, von
dieser Seite zu ihm herüberzusehen, während sie fuhr.
"Bist
Du in Ordnung?"
Er
brummte und griff nach seinem Sicherheitsgurt.
Sie
rasten nach Norden, dann nach Westen, dann waren sie plötzlich wieder an der
Küste und fuhren nach Süden.
Schließlich
wurde die Frau langsamer und fuhr durch die imposante Toreinfahrt eines wie es
aussah privaten Clubs am Wasser. Gerade noch sichtbar über dem Zaun war ein
langes, elegantes stuckverziertes Gebäude mit einem Dach aus roten Ziegeln.
Dahinter ragten die Masten von Segelbooten auf.
"Raffles
Marina," las Mulder. "Alles hier heißt ‚Raffles'. Es sieht aus, als
wäre es nur für Mitglieder." Sie sahen zu, wie Charlottas Wagen kurz am
Tor anhielt, dann sauste sie hindurch. "Vielleicht gibt es einen anderen
Weg hinein, den wir nehmen können... Scully?"
Scully
brachte ihren Wagen zu dem Haus am Tor. "Guten Tag," sagte sie zu dem
Wachposten am Tor. "Wir sind Gäste des Raffles Hotels."
Der
Wachposten nickte und winkte sie hindurch. "Willkommen in der Raffles
Marina."
Mulder
zog seine Augenbrauen hoch.
"Ich
habe die Broschüre im Zimmer gelesen."
Sie
folgten Charlotta in sicherem Abstand über den Parkplatz, dann hielten sie
außer Sichtweite hinter einer Schaluppe, die auf dem Trockendock lag. Die Frau und ihr Hund eilten eine Rampe
herunter hinaus zum Dock. Dann gingen sie an Bord eines Kajütbootes und
verschwanden unter Deck.
"Denkst
Du, daß sie rausfährt?"
Er
machte ein nichtssagendes Geräusch.
Sie
löste ihren Sicherheitsgurt, drehte sich um und sah ihn an. Er befühlte sachte
seine Stirn.
"Ist
Dein Kopf in Ordnung?"
"Es
geht ihm gut."
"Entschuldige..."
"Ich
hoffe nur, der Laptop funktioniert noch." Er machte eine Pause. "Sie
ist zurück an Deck."
Charlotta
entfernte ein Segeltuch vom Heck des Bootes.
"Meinst
Du, wir können ein Boot mieten?"
Er
lehnte sich näher zu ihr und erforschte ihr Gesicht sorgfältig.
"Du
willst sie immer noch verfolgen, Scully? Auch auf dem Wasser?"
"Oh
ja. Du nicht?"
Er
nickte langsam. "Sicher." Er sah wieder hinüber zu Charlottas Boot.
"Sicher."
Die Frau war wieder unter Deck verschwunden.
"Bleib
außer Sicht." Er zog sich das Basecap tiefer in die Augen. "Ich will
sehen, ob ich ein Boot mieten kann." Er stieß die Tür des Autos auf und
stieg aus, dann lehnte er sich nach innen zurück und grinste sie an. "Aber
nur, wenn ich fahre."
Vielleicht
war es die exotische Atmosphäre des fremden Landes, vielleicht war es der
heiße, feuchte Wind, der ihr das Haar aus dem Gesicht wehte oder das
gleichmäßige Poch Poch Poch der Bootsmaschine, das in ihrem Blut schlug.
Vielleicht war es auch irgendwie alles zusammen. Was immer es auch war, sie fühlte
sich glücklich und lebendig. So wie seit langer Zeit nicht mehr.
Ihre
schmale, ein wenig ältere Motorbarkasse flog gleichmäßig über die Wellen und
folgte Charlottas viel größerem, neuerem und schnellerem Boot. Hin und wieder trafen sie eine Welle und Gischt
flog auf und bespritzte sie mit lauwarmem Wasser. Sie schüttelte die Tropfen
aus ihrem Haar und atmete tief ein. Sogar das Meer roch hier anders. Wärmer.
Salziger.
Scully
hatte das vermißt.
Sie
hatte den Nervenkitzel einer Verfolgung, die Aufregung einer Jagd vermißt.
Wildgänse oder sonst etwas.
Es
war hell, gleißend hell, und heiß, sogar unter dem Schatten des Bimini. Sie hatte die Sonnencreme vergessen, hoffte
aber, daß ihr langärmliges weißes Baumwollshirt ihre Haut vor einem Sonnenbrand
schützen würde.
Sie
schob ihre Sonnenbrille hoch auf den Kopf und blinzelte. Charlottas Boot war
nur noch ein Fleck in der Ferne auf dem blauen Wasser, aber Mulder hatte seine
Augen auf ihre Beute fixiert und hielt ihre Position in sicherer Entfernung
hinter ihr.
Sie
schob ihre Sonnenbrille wieder auf ihre Nase und drehte sich um, um ihn wieder
anzusehen.
Sie
beobachtete ihn, wie er geschickt das Boot steuerte und dachte wieder an seine
Bemerkung auf dem Bett.
Waren
sie dazu bestimmt, zusammen zu sein?
Sie
hatte geglaubt, nein. Sie hatte definitiv entschieden, daß sie es nicht sein
sollten.
Aber...
sie hatte das hier vermißt.
Sie
hatte ihn vermißt. Und sie hatte sie beide zusammen vermißt.
Was,
wenn sie einfach loslassen würde? Wenn sie dem nachgab, worum diese dunklen
Augen von ihm sie anflehten?
Sie
ließ ihren Blick über seinen Körper gleiten. Er saß auf der Ecke des
Kapitänsstuhls, seine langen, mageren Beine stützend vor ihm. Mit seinem Basecap
und allem sah er aus, als gehörte er hier hin.
Sie
hatte ihn sich nie als Nautiker vorgestellt, aber er wußte genau, was er tat.
Er
drehte sich plötzlich zu ihr um, ein Grinsen erhellte sein Gesicht. Er empfand
es also auch, dachte sie. Dieses Summen. Diesen Nervenkitzel.
Sein
Grinsen wurde zu einem Lächeln... Und... Gott. Was für ein Lächeln.
Verlockend.
Verführerisch. Anziehend.
Sie
widerstand...
Für
den Bruchteil einer Sekunde.
Sie
lächelte zurück, ging zu ihm und legte ihre Arme um seine Taille.
Er
legte einen Arm um ihren Hals und sah auf sie herab. Sein Ärmel war rauh an
ihrer Wange und roch schwach nach Waschmittel und unverkennbar nach ihm. Sie sah zu ihm auf, fragte sich, was er
empfand, aber sie konnte nicht in seinen Augen lesen, die hinter der
Sonnenbrille lagen.
"Hey
Du," sagte er.
Sie
drückte seine Taille, zog ihn mehr an sich heran und drückte ihre Hände gegen
seine Bauchmuskeln.
Das
Kratzen der Haare seiner nackten Beine an ihren eigenen frisch rasierten war
überraschend erotisch. Sie rieb ihre Wade ein ganz klein wenig an seiner.
"Hast Du eine Ahnung, wohin sie fährt?"
Er
zeigte auf die Karte, die unter der Plexiglasplatte des Kartentisches steckte.
"Vielleicht
hier hin?" Er tippte auf eine Inselgruppe in ziemlicher Entfernung südlich
von Singapore.. "Vielleicht Privatbesitz. Unbewohnbar. Ich kann es nicht sagen. Oder hier
her..." Er fuhr auf der Karte herunter, aber ihre Augen wanderten zu
seinem Bein.
Er
steuerte mühelos mit dem Knie, während er mit einer Hand auf die Inseln tippte
und die andere - sein Arm immer noch um ihre Schultern - ihren Bizeps
streichelte.
Sie
beobachtete das Spiel seiner Muskeln unter der Haut seines Oberschenkels, als
er ihren Kurs ein wenig korrigierte, nur sein Knie benutzend.
Faszinierend.
"Was
ist?" Er sah auf sie herab.
"Was?"
Sie sah hoch. "Oh... Denkst Du, sie merkt, daß wir ihr folgen?"
"Ich
bezweifle das. Nein, es sei denn, sie hat danach gesehen. Und sie hat keinen
Grund, mißtrauisch zu sein. Ihr Boot ist viel größer als unseres. Unseres ist schmal, kaum zu erkennen auf die
Entfernung."
"Mulder,
ich will kein Risiko eingehen..."
"Ich
auch nicht. Hier."
Er
nahm sein Basecap ab und setzte es ihr auf. "Besser, Du versteckst Dein
Haar darunter, Rothaarige."
Sie
drehte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und hob beide Arme, um es unter
das Basecap zu stecken.
Sie
konnte seine Augen immer noch nicht sehen, aber sie schienen zuerst auf ihre
Brüste und dann auf ihren Mund gerichtet zu sein. Er griff nach unten und zog
sie langsam wieder an sich, neigte seinen Kopf und küßte sie sanft. Seine Lippen waren warm und der Geruch seiner
Haut vermischte sich mit dem salzigen Geruch des Meeres. Sie küßte ihn wieder
und seine Lippen wurden noch zarter, sein Mund machte sanft Liebe mit ihrem.
Ja,
dachte sie, das ist ein Kuß.
"Scuh-lee..."
Er zog sie zwischen seine Beine und begann, sie vollendet zu küssen, ein Auge -
so hoffte sie - noch auf das Meer gerichtet.
Alles
verging in reinem Empfinden und in den brennenden Stellen, an denen sein Körper
ihren berührte.
Ihre
Brüste, die Brustwarzen empfindlich und erigiert, berührten seine Brust. Sein
Mund war zart, so zart an ihrem. Seine Fingerspitzen, die die Haare in ihrem
Nacken leicht streichelten. Der rauhe Schatten seines Bartes, der an ihrem Kinn
kratzte. Seine Schenkel, auf beiden Seiten ihrer eigenen, die sie beständig in
der Bewegung des Bootes hielten. Der sanfte und doch beharrliche Druck seiner
Erektion gegen ihr immer noch empfindliches Schambein.
Seine
andere Hand glitt langsam nach unten über ihren Rücken, dann weiter nach unten,
um ihren Po durch ihre Shorts hindurch zu packen und sie stärker an sich
anzupassen.
Sie
entspannte sich an ihm. Er murmelte etwas unhörbar an ihrem Mund, dann glitt
seine Hand an der Rückseite ihres Schenkels herab zu ihrer nackten Haut und
wieder hinauf. Dabei schob er die lockere Baumwolle ihrer Shorts über die
Rückseite ihres Beines und faßte nach der nackten Haut dazwischen.
Sie
verlor sich in den Gefühlen, aber alles lief wieder darauf hinaus, daß sein
Mund auf ihrem war. Sie schloß ihre Augen und konzentrierte sich auf ihre
Münder, das Gefühl des Kusses...
Seine
andere Hand griff nach dem Saum ihres Shirts, hob ihn hoch und strich langsam
entlang ihres Rippenbogens zu ihrer Brust - enthüllte ihre Haut der erotischen
Liebkosung durch die heiße Brise. Seine Finger erreichten ihre Brust und
glitten unter ihren BH, seine andere Hand knetete zart ihren Po.
Was
bedeutete... bemerkte sie... wenn seine beiden Hände beschäftigt waren...
lenkte er das Boot wieder mit seinem Knie...
Vielversprechend...
Sie
löste ihre Lippen widerwillig von seinen und drehte ihren Kopf herum, um den
Flecken zu beobachten, dem sie folgten. Mulder schaffte es irgendwie,
gleichzeitig zu steuern und das hier zu tun.
Sie
war beeindruckt.
Sein
Mund arbeitete sich seinen Weg an ihrem Hals herunter zu ihrer Brust. Er nahm ihre Brustwarze in den Mund und
saugte sanft daran, dann placierte er Küsse über ihren Rippenbogen zu ihrem
Bauch.
Sie
senkte ihre Hand zu der Beule in seinen Shorts und begann ihn leichthin durch
seine Khakis zu necken. Er stöhnte und suchte ihren Mund.
"Wir
werden einen Zusammenstoß erleben, wenn Du damit weitermachst, Agent
Scully," sagte er an ihren Lippen, seine Stimme rauh, beinahe atemlos.
"Paß
auf den Weg auf, Agent Mulder." Sie ließ sich vor ihm auf einem Knie
nieder, öffnete seinen Hosenschlitz und ließ seine Erektion heraus.
"Scuh-leee..."
Er verstummte, als sie ihre Hand um ihn legte und ihren Mund senkte. Ihre
andere Hand glitt in seine Boxershorts und nahm seine Hoden...
Es
würde die Männer wahrscheinlich überraschen, wenn sie wüßten, über wieviel man
nachdenken konnte, während man sie mit dem Mund verwöhnte, dachte sie, als sein
Zuckungen nachließen. Obwohl Mulder wahrscheinlich lachen würde, wenn sie ihm
erzählte, daß sie nachgedacht hatte über die Symbolik kontra Intimität des
Aktes, den Samen des Mannes zu schlucken...
Seine
Hand, die auf ihrem Kopf lag, war schwer und ein schwaches Zittern durchlief
seine Schenkel, als sie in sanft zurück in seine Hosen steckte und seinen
Hosenschlitz richtete. Sie stand auf und sah sich um. Ihr Boot lag bewegungslos
im Wasser und schaukelte sanft, während es dahintrieb.
"Es
ist besser, ich stütze mich ab, oder ich falle um," sagte er zu ihr, einen
erstaunten Unterton in seiner Stimme. Er nahm ihre Sonnenbrille ab und sah ihr
in die Augen. "Das war wild. Du, mit Sonnenbrille und Basecap..." Er
sah sich um. "... auf einem Boot, in dieser Hitze, vor der Küste von
Singapore."
"Eine
Deiner Phantasien, Mulder?"
"Jetzt
ist es eine." Er legte seine Arme um sie und zog sie eng an seine Brust.
Sie konnte sein Herz hart gegen seine Rippen schlagen fühlen.
"Wow,"
sagte er und küßte sie sanft auf die Lippen.
"Zurück
werde ich fahren." Sie lächelte.
"Oh."
Er grinste. "O-kayyy."
Sie
küßte ihn zurück, dann drehte sie ihren Kopf, um sich umzusehen.
"Wo
ist sie?"
Er
reckte seinen Hals und prüfte kritisch das Wasser.
"Selbst
die Queen Mary hätte uns entwischen können, Scully. Wir haben sie
verloren."
Scully
griff nach dem Fernglas und drehte sich in seinen Armen herum. Sie lehnte sich
gegen ihn, um einen festen Stand gegen die sanft schaukelnde Bewegung des
Bootes zu haben, hob das Fernglas und durchsuchte das Wasser zwischen den
Inseln.
Kein
Anzeichen.
"Bloß
gut, daß wir darüber nicht bei Skinner berichten müssen." Er legte seine
Hände auf ihre Taille und zog sie enger an sich. Sein Körper, der heißer als
die Luft um sie herum war, brannte durch ihr Shirt hindurch und seine Sachen
waren feucht an ihrem Rücken.
"'Es
war Agent Scullys Schuld, Sir.'" Er knabberte sanft an ihrem Ohrläppchen.
"'Sie wollte mich einfach nicht allein lassen.'" Seine Zunge lief an
der Seite ihres Halses herab zu ihrem Schlüsselbein. "'Sie konnte ihre
Hände nicht von mir lassen. Es wird wirklich zum Problem...'"
Er
leckte Feuchtigkeit aus der kleinen Mulde an ihrem Schlüsselbein. Das Gefühl
war unglaublich - aber Skinners Name hatte sie mit einem dumpfen Schlag zurück
auf die Erde gebracht.
"Überleg
mal," fuhr er fort. "All diese Überwachungen? Verpaßte
Möglichkeiten." Er küßte sie auf den Rand ihrer unteren Halslinie und
stupste sich seinen Weg nach innen, küßte sie auf ihre Brüste.
"Ich
glaube, wir müssen ihr folgen, Mulder." Sie versuchte, von ihm wegzukommen
und griff nach der Bootssteuerung, aber er wollte sie nicht loslassen.
"Scully."
Er drehte sie, plötzlich ernst, zu sich herum, so daß sie ihn ansah.
"Warum?"
"Weil,
wir haben sie verfolgt und nun ist sie uns entkommen."
"Wir
haben sie entkommen lassen."
"Aber..."
Sie bewegte sich heftig, um von ihm wegzukommen, und er zog plötzlich seine Hände
zurück und ließ sie gehen. "Wir müssen sie finden."
Sie
ging hinüber zur Bootsreling und hielt Ausschau nach den Dutzenden von winzigen
Inseln.
"Es
würde eine Woche dauern, all diese Inseln zu überprüfen." Er stellte sich
hinter sie, legte seine Hände auf ihre Schultern, sie liebkosend, und zog sie
an sich. "Komm schon. Laß uns ein bißchen umherkreuzen, den Nachmittag
genießen und dann zurückfahren."
Sie
schloß ihre Augen. Wenn ihre Körper zusammen waren, konnte sie nicht denken,
nicht handeln. Seine Nähe war wie eine Droge. Alles was sie wollte, war sich
mit ihm zu paaren, wie irgendeine wilde Waldkreatur.
Aber
das war es, was passierte, wenn sie ihren Impulsen nachgab und losließ. Sie
vermasselte es. Und alles ging zur Hölle.
Sie
erlaubte sich, exakt fünf Sekunden länger seinen Körper an ihrem zu genießen,
dann bewegte sie sich fort und griff nach ihrer Sonnenbrille, setzte sie sich
auf die Nase, so daß er ihren Ausdruck nicht lesen konnte. Sie ging zurück zur Steuerung und startete
die Maschine.
Aus
den Augenwinkeln konnte sie ihn sehen. Er beobachtete sie, seine Augen
schmerzvoll, sein Ausdruck verwirrt und tadelnd.
Scully
fühlte einen Anflug von Mitleid mit ihm. Sie war heiß und kalt und sie wußte
es.
Entschuldige,
Mulder, sagte sie schweigend zu ihm, ich wollte Dir keinen Blowjob geben und
Dich dann wegstoßen... aber...
Aber
was? Die Wahrheit war, daß ihre Haut brannte, da wo er sie geküßt hatte, und
ihre Brüste waren geschwollen, sehnten sich nach seinen Händen und nach seinem
Mund. In ihr brannte ein wildes Verlangen, ihn in sich zu haben. Sie wollte
nichts mehr, als die Sitzkissen auf das Deck zu werfen und mit ihm zu schlafen
für den Rest des Nachmittags.
Aber...
sie wollte genauso Charlotta finden.
"Ich
muß diesen Ort sehen," versuchte sie zu erklären. Ihre Stimme klang
verzweifelter als sie wollte, aber gleichzeitig auch ungewohnt bestimmt.
Er
preßte seinen Mund zusammen und nickte langsam. Er kam herüber, um auf die
Karte zu sehen, er stand neben ihr, aber sorgfältig darauf bedacht, sie nicht zu
berühren.
"Okay,
Scully. Wir sind hier." Er zeigte auf eine Insel ungefähr eine halbe Meile
vor ihnen am Horizont, dann auf ihre Position auf der Karte. "Sie könnte
hier, hier oder hier entlang sein. Also los."
Seine
Stimme war rein geschäftlich und sie biß sich auf die Lippe. Sie hatte ihn
verletzt. Und sie hatte das in Ordnung zu bringen. Bald. Aber in diesem
Augenblick...
Sie
legte den Gang ein und gab Gas.
Teil
13
"Ist
es das?"
Sie
waren noch ein ganzes Stück von der Insel entfernt, aber sie konnte Charlottas
Boot am unteren Dock festgemacht sehen. Es war nicht schwierig gewesen, sie zu
finden. Tatsächlich war es lächerlich einfach gewesen. Sie hatten gar nicht
versucht, etwas zu verbergen.
Eine
weiße Rampe führte die Böschung hinauf an Land. Sie konnte eine Reihe weißer
Gebäude ausmachen durch das dichte Laub. Es sah aus wie ein Krankenhausgelände.
Scully
hob das Fernglas. "Duck Dich!" Sie hockte sich hinter dem Schandeckel
nieder. Mulder kniete sich neben sie.
"Was
ist?"
"Es
ist der Hund. Er guckt gerade zu uns her. Ich wollte nicht, daß er anfängt zu
bellen. Okay. Er ist weg. Dort ist ein Schild. Ich kann nicht alles lesen, es
ist hinter einem Busch. ‚Saint Frances... irgendwas... irgendwas... Fernandez
Forschungseinrichtung'." Sie sah ihn an.
"Saint
Frances? Von Assisi?... Fernandez?"
Sie
durchsuchte das Gelände erneut gründlich. Beinahe verborgen von Bäumen waren da
Käfige und Ferche.
"Ziegen."
"Ziegen?"
Mulder war ungläubig. "Was?"
Scully
drehte sich zu ihm um. "Es ist eine Tierversuchseinrichtung."
Sie
sahen sich an.
Sie
hob das Fernglas wieder hoch. "Da sind Leute. Sie haben diese weißen
Uniformen an, die wir in ihrem Haus gesehen haben."
"Irgend
jemand, den wir kennen?"
"Nein,
sie sehen aus wie Einheimische."
Mulder
schien zu unschlüssig zu sein und sie sah in an. Er starrte gespannt auf die
Insel.
"Irgendein
Zeichen von den Kindern?" fragte er.
"Nein.
Aber..." Sie war für einen Moment still, als sie das Gelände untersuchte.
"Es scheint ordentlich gepflegt, sauber."
"Laß
mich mal sehen."
Sie
gab ihm das Fernglas.
"Geld,"
sagte er. "Es wird gut gewartet. Das ist irgendwie eine
Erleichterung."
Er
sah weiter hinüber für ein paar Minuten.
"Sieh
mal, da ist jemand, der sieht aus wie ein Doktor...
Veterinärmediziner."
Scully
grub ihre Finger in seinen Arm. "Nicht Calderon, nicht wahr? Wo?"
Mulder
sah sie fragend an, als sie ihm das Fernglas grob aus der Hand riß.
"Da
- bei dem Gebäude am Ende. Er spricht mit zwei Leuten."
"Irgend
jemand, den wir kennen?"
"Es
ist Charlotta und..."
"Wirklich?
Sind wir zu dicht dran?"
"Nein,
wir sehen aus wie ein Fischerboot. Ich glaube, es ist..." Sie verstummte.
"Wer?"
"Mulder."
Sie senkte das Fernglas und sah ihn, schwer schluckend, an. Ein Dutzend
Emotionen, die sie nicht bezeichnen konnte, durchliefen sie. "Es sind Kurt
Crawford... und Dr. Scanlon."
Wortlos
nahm er ihr das Fernglas ab und hob es hoch. Sie konnte an seinen zusammengekniffenen
Lippen erkennen, daß sie recht hatte.
"Laß
uns von hier verschwinden, Scully." Die Dringlichkeit in seiner Stimme -
ein Ton, den sie bei ihm sehr lange nicht gehört hatte - ließ ihr die Haare im
Nacken zu Berge stehen.
"Aber
Mulder, wir müssen herausfinden, warum sie hier sind, wir müssen."
"Nein,
das müssen wir nicht, Scully. Wir wissen beide, warum sie hier sind. Komm schon." Er gab ihr das Fernglas.
"Laß uns fahren." Gebückt ging er zurück zum Ruder und startete den
Motor.
Sie
folgte ihm, dann drehte sie sich um und hob das Fernglas; auf das Gelände
gerichtet, hoch.
"Ich
möchte um die Insel herumfahren," verlangte sie.
"Scully..."
Seine Stimme klang gereizt, als er die Maschine startete. "Das Gelände ist
wahrscheinlich schwer bewacht. Wir haben keine Waffen, keine
Zuständigkeit."
Er
drehte das Ruder zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Schnell prüfte sie das Gelände und hielt nach
irgendeinem Beweis für die Kinder Ausschau.
"Ich
sehe keine Wachen. Mulder, wir wissen immer noch nicht, ob die Babys hier sind.
Ich muß es wissen. Bitte." Sie haßte den Klang ihrer Stimme.
Mulder
legte seine Hand um ihren Ellbogen und zog das Fernglas von ihren Augen. Sie
sah zu ihm auf. Der Ausdruck in seinen Augen war todernst. "Scully, wir müssen uns daran erinnern,
was hier wichtig ist. Der Grund, warum wir in Singapore sind. Nicht unsere
Neugier. Nicht das, was hier vorgeht. Eine Sache ist wichtig."
Sie
starrte ihn nur an, sie wußte das, sie wußte das alles.
Mulder
starrte sie ebenfalls an, seine Augen... nicht ärgerlich, aber voll von dunkler
Emotion. Er konnte nicht verstehen, warum sie so handelte, erkannte sie, und
das brachte ihn aus der Fassung.
Damit
waren sie zwei.
Die
Sekunden tickten, als sich das Boot sanft von der Insel entfernte.
Schließlich
biß er sich auf die Lippe und seufzte.
Er
ließ ihren Arm los und wandte sich um, drehte das Steuer und brachte den Bug
wieder zurück.
Sie
stand da und sah ihn an, seine Augen flatterten kurz zu ihren und dann wieder
weg.
Wider
besseren Wissens vertraute er ihr.
Scully
atmete aus und drehte sich zurück zur Insel, nahm das Fernglas hoch und
untersuchte wieder die Bäume.
Die
andere Seite der Insel war verwildert und unbewohnbar. Die Vegetation war
üppig, dicht, das Unterholz verwachsen und undurchdringlich. Ein Mangrovensumpf
reichte bis an den Rand des Wassers, man konnte nicht sagen, wo das Land
aufhörte und wo das Wasser begann. Es war Ebbe und die spinnenartigen
Mangrovenwurzeln sahen schmutzig und wenig einladend aus.
Sie
runzelte die Nase wegen des Geruchs: der dunkle, feuchte Geruch von faulenden
Sachen, die in der brennenden Sonne gebacken wurden, ein süßer Fäulnisgeruch,
der ihr Brechreiz verursachte.
Primordialer
Schlamm, dachte sie und empfand es als abstoßend.
Niemand
ging hier herein oder heraus.
"Das
war nicht unser Kurt Crawford, Scully."
Scully
zuckte zusammen. Er hatte sie erschreckt.
Sie
hörte ihn den Leerlauf einlegen.
"Unser?"
fragte sie und wartete, ihre Augen auf den Dschungel gerichtet.
"Da
waren mindestens ein Dutzend Kurts, die ich sah. Vielleicht hunderte - alle
identisch. Sie sind Klone."
Warum
war sie nicht überrascht?
"Wo
war das?"
"Im
Lombard Forschungsinstitut."
Sie
nickte langsam und hob das Fernglas, um die Uferlinie zu untersuchen.
Und
er hatte nicht daran gedacht, es ihr zu erzählen. Lustig, wenn sie ein Dutzend
Kurts gesehen hätte, hätte sie es ihm erzählt.
"Wo
Du Dr. Scanlons Namen gefunden hast?"
"Ja."
In
dieser Nacht...
"Also
in derselben Nacht fandest Du seinen Namen..."
...als
Du auch auf mich gewartet hast...
"Ja?"
...die
ganze Nacht...
Sie
nickte.
...hast
Du mir nichts erzählt? Warum?
"All
diese... Kurts waren dort? Warum?"
"Sie
haben noch mehr aufgezogen."
"Noch
mehr?"
"Hybriden.
Klone." Er zuckte mit den Schultern. "Mehr Kurts. Ich weiß es nicht.
Sieh mal, Scully. Können wir darüber auf dem Rückweg reden? Hier gibt es nichts
zu sehen. Laß uns einfach fahren..."
"Nein,"
sagte sie in den Dschungel vor sich. Sie konnte seinen Blick auf ihrem Rücken
spüren. "Hybriden?"
"Alien-Mensch-Hybriden,"
sagte er ruhig.
Alien-Mensch-Hybriden.
Warum war sie immer noch nicht überrascht?
"Wie?"
Er
war einen langen Moment still.
"Eizellen,"
sagte er ruhig. "Viele Eizellen."
Sie
drehte sich um und sah ihn an.
"Meine?"
Er
griff nach unten und schaltete den Motor aus. Die plötzliche Stille war
intensiv.
"Scully,
ich..."
"Habe
ich recht, Mulder?" Sie mußte sich plötzlich räuspern. "Du hast es
mir nie gesagt... aber..."
Er
stellte sich neben sie und sah zu ihr herunter.
"Ja.
Deine... und andere."
Sie
starrte in sein Gesicht.
Er
beobachtete sie vorsichtig, als wenn er nicht ganz glauben könnte, daß sie sich
jetzt damit befaßte.
Scully
konnte nicht glauben, daß sie ihn nie zuvor danach gefragt hatte.
Dies
war nicht die Zeit oder der Ort...
Schnell
blickte sie zur Insel. Alles war still.
...
aber, wenn sie irgendeine gemeinsame Zukunft haben sollten, mußte sie es
wissen.
In
diesem Moment.
Sie
setzte sich plötzlich auf die gepolsterte Bank.
"Wie
genau haben sie sie aufgezogen, Mulder?"
Er
setzte sich neben sie.
"In
Tanks."
Scully
runzelte die Stirn. "Inkubatoren? Wie bei Liam?"
Seine
Lider flatterten ein wenig bei dem Wort Inkubator. Würde es immer so sein?
Würde sie immer jede kleinste Information schmerzvoll aus ihm herauspressen?
"Nein,
dies waren beinahe voll ausgebildete... Erwachsene. Ich weiß nicht, wie man sie
nennen soll... in großen Tanks. Nichts wie bei Liam."
Sie
starrte ihn an. Ihr Blick fiel auf den dünnen Schweißfilm über seiner
Oberlippe.
Er
log.
Mulder
sah ihren Blick und leckte sich über die Oberlippe.
"Lüg
mich deswegen nicht an, Mulder," flüsterte sie.
Er
schloß kurz seine Augen, dann öffnete er sie. Sich selbst dazu zu zwingen, ihr
das zu sagen, war entsetzlich.
"Es
war... so etwas... wie bei Liam," gab er leise zu.
"Wie?"
Er
starrte sie an. Dieser Ausdruck in seinen Augen... verletzt. Was immer es auch
war, das er ihr nicht gesagt hatte, er glaubte, es war zu ihrem Besten.
Verdammt.
Sie
seufzte plötzlich und schob sich das feuchte Haar aus der Stirn. Es war unerträglich
heiß.
"Gut,
Mulder," entgegnete sie heftig. Er wich bei ihrem Ton zurück. "Sag
mir, wenn Du bereit bist. Vielleicht ringst Du Dich dazu durch, mir all die
Dinge zu erzählen, die Du mir verschwiegen hast."
Sie
drehte ihm den Rücken zu, um wieder zur Insel hinüberzublicken. "Es
erklärt jedoch noch nicht, warum ein Kurt auf dieser Insel ist."
"Sie
überwachen den Prozeß." Sein Ton war vorsichtig, emotionslos.
"Aber
das würde bedeuten, daß sie es hier auch machen." Ihre Stimme war
plötzlich rauh, sie drehte sich zurück, um ihn anzustarren. "Liam..."
"Liam
ist kein Hybrid, Scully. Wir sind uns dessen sicher."
"Warum
sind einige Hybriden und andere nicht?"
"Ich
weiß es nicht."
"Dann
ist er eine andere Art von...?"
Klon.
Sie konnte es nicht laut sagen. Sie mußte es nicht.
"Scully..."
Mulder
starrte sie an, seine Augen plötzlich voller Mitleid. Er schüttelte den Kopf
und griff nach ihrer Hand. Aber gerade jetzt brauchte sie sein Mitleid nicht
oder die Ablenkung durch eben dieses kleine bißchen seiner Haut an ihrer. Sie
zog ihre Hand fort.
"Scully...
ich weiß es nicht."
"Muld..."
In
diesem Moment griff er nach ihrem Handgelenk und packte es fest. Sie erkannte
plötzlich, daß er sich nur schwer unter Kontrolle hatte.
"Ich
sage Dir die Wahrheit. Ehrlich, ich weiß es nicht, Scully."
Ihre
Augen verengten sich, sie beobachtete ihn einen Moment sorgfältig.
Er
sagte die Wahrheit.
Aber
sie konnte in seinen Augen sehen, daß sie seine Geduld nun bis zum äußersten
strapaziert hatte.
"Vielleicht
sind die Antworten hier auf der Insel."
"Scully,
wir wissen, was hier vor sich geht. Es ist die perfekte Lösung.
Die
Babys sind auf der ganzen Welt verteilt."
"Verteilt
wofür?"
Er
verlor plötzlich seine Gelassenheit. "Wie zur Hölle sollte ich das wissen,
Scully? Jetzt werden wir verdammt nochmal von hier verschwinden."
Sie
stand auf und sah zu ihm herab. Ihr Handgelenk war immer noch in seinem Griff
gefangen.
Mulder
sah zu ihr auf. Seine Finger schlossen sich enger um ihr Handgelenk, drückten
es hart. Zu hart. Er begann wirklich zornig zu werden, doch sie hob ihre andere
Hand und berührte sanft seine Wange. Ein wenig wich er zurück, aber er schob
sie nicht beiseite. Starrte sie nur an, seine Augen wütend und verletzt.
Sie
starrte zurück.
Innerhalb
von zwanzig Minuten hatte sie die zerbrechliche Sache zwischen ihnen
systematisch zerstört, beinahe als hätte sie es geplant. Und, dachte sie
traurig, sie schien sich nicht stoppen zu können.
Sie
hatten versucht, ihre Beziehung wieder aufzubauen, ohne die Schäden zu
beseitigen - die Trümmer darunter - und es bestand ernsthaft die Gefahr, daß
alles über ihnen zusammenfiel.
Seine
Haut unter ihren Fingerspitzen war heiß, Schweißtropfen waren darauf. Ihr Blick fiel auf sein Hemd. Es war durchgeschwitzt.
Die Hitze war niederdrückend. Sie schwitzte auch. Unter ihrem Shirt tröpfelte
es und der Bund ihrer Hose war durchgeschwitzt.
Die
Luft fühlte sich...verkehrt an. Was tat sie? Sie mußten verdammt nochmal von
hier verschwinden.
Er
runzelte die Stirn, als sie nichts sagte, und sah auf ihr Handgelenk in seinem
Griff. Plötzlich ließ er sie los.
"Wir
verschwinden hier, Scully. Jetzt. Ich möchte nicht in der Dunkelheit
zurückfahren müssen. Und..." Er sah sich um, der Ärger war plötzlich aus
seiner Stimme verschwunden. "Die Luft fühlt sich verkehrt an."
Scully
sah sich überrascht um, als er ihre Gedanken nachsprach. Es war ungewöhnlich
still. Unheilvoll. Ahnungsvoll.
Sie
rieb sich ihr Handgelenk und bewegte die Finger, um das Blut wieder in ihrer Hand
zirkulieren zu lassen.
Plötzlich
schüttelte eine Bewegung einen Baum in dem Dschungel vor ihnen.
Sie
sprang auf, als einige Mynahs kreischend in den Himmel flogen.
Aus
dem Nichts heraus füllte eine heftige Spannung die Luft.
"Unser
Merlion, Mulder?" Sie versuchte, ihre plötzliche Nervosität zu verbergen.
Er
starrte in den Dschungel. "Und wir ohne Kamera. Wieder einmal," sagte
er leicht, der ernste Ausdruck auf seinem Gesicht strafte seinen Ton Lügen.
Eine
Gänsehaut überzog ihre Oberarme. Unruhig untersuchte sie den Horizont hinter
ihnen.
"Sieh!"
Eine
gefährliche rot-grüne Wolkenmasse füllte den südwestlichen Himmel.
Der
Wind frischte plötzlich auf und traf sie. Irgend etwas brachte sie dazu, sich
umzudrehen und nach Südosten zu sehen zum entfernten Ende der Insel, in der
entgegengesetzten Richtung, die sie beobachtet hatten.
Oh
Schei...
"Mulder!
Ein Boot! Oh mein Gott, ich glaube, das sind sie. Bleib unten!" fuhr sie
ihn an, als er aufstehen wollte. "Sie haben nur mich gesehen. Sie werden
Dich wiedererkennen. Sie sehen hierher."
Sie
war schon am Steuer. Sie drehte den Zündschlüssel herum und die Maschine
zuckte, stotterte, zuckte wieder und erwachte zum Leben. Mulder rutschte auf
den Knien heran, um nach dem Fernglas zu greifen und es auf das Boot hinter ihnen
zu richten.
"Fahr!
Scully, fahr!"
Sie
riß das Steuer herum und lenkte das Boot weg von dem anderen. Aus den
Augenwinkeln konnte sie es sehen, ihr Boot bewegte sich nicht, es schaukelte
nur sanft, während sie sie beobachteten.
Plötzlich
drehte sich das Boot in ihre Richtung und begann sich stetig vorwärts zu
bewegen.
Mulder
fluchte. "Sie kommen!" sagte er drängend. "Fahr!"
Oh
Gott.
Sie
gab soviel Gas wie möglich.
Teil
14
Das
kraftvoll antwortende Aufheulen der Maschine überraschte sie. Es schien, daß
die alte Dame noch Leben in sich hatte. Gott sei Dank.
Sie
hing über dem Steuerrad, fuhr in Richtung Singapore und begann im Flüsterton zu
beten. Sie mußten dem anderen Boot entkommen.
Nach
zwei Minuten sah sie sich um. Mit einem widerlichen Stich in ihre Eingeweide
erkannte sie, daß es nicht funktionierte. Das andere Boot kam stetig näher.
Unruhig
sah sie auf das offene Wasser hinaus. Wenn sie ihnen nicht entkommen konnten,
mußten sie sie abhängen.
Irgendwie.
Mulder
kroch zurück an ihre Seite und zog die Karte herunter. "Du erinnerst Dich
an den Weg zurück, Scully?" schrie er, um den Krach der Maschine zu
übertönen.
"Ja."
Sie schaute zurück. Das Boot hinter ihnen kam stetig näher. "Aber wir
können ihnen nicht entkommen. Ich fahre zu diesen Inseln."
Sie
riß das Steuer scharf herum und fuhr in Richtung einer Gruppe kleiner Inseln,
nicht weit entfernt in westlicher Richtung. Mulder verlor den Halt, schlitterte
über die Decksplanken und landete hart an der Bootswand.
"Bist
Du in Ordnung?" schrie sie.
Er
runzelte die Stirn und deutete auf den Himmel.
"Scully!
Der Sturm!"
Sie
reckte ihren Hals. Oh Gott.
Die
riesigen finsteren Wolken eines tropischen Sturms kamen schnell näher. Schneller als sie jemals in ihrem Leben einen
Sturm sich zusammenbrauen sah.
Sie
waren gefangen zwischen dem Sturm und dem anderen Boot.
Schon
war die Wasseroberfläche durch Windböen aufgewühlt und der Himmel verdunkelte
sich zu einem unheimlichen grün-gelb.
Scully
duckte sich, als ein Blitz die unheimlichen Wolken erhellte.
Mulder
spähte über den Bootsrand. "Können wir es schaffen?" rief er zu ihr
zurück.
"Ich
weiß nicht!" Der Wind riß ihr die Worte vom Mund. "Wenn wir da rein
kommen, können wir sie vielleicht abhängen!"
Er
drückte die flatternde Karte mit beiden Händen gegen die Decksplanken.
"Hier,
zwischen diesen beiden ist eine enge Durchfahrt."
"Wie
tief?" schrie sie.
Ihr
Haar kam unter ihrem Hut hervor und eine Strähne fiel ihr ins Auge. Sie würden
sie definitiv erkennen, wenn es freikam. "Nimm das Steuer!"
Er
kniete sich auf die Karte und steuerte, als sie sich niederhockte und ihr Haar
außer Sicht unter den Hut schob.
"Wie
tief!" schrie sie wieder.
"Ein
Meter bei Ebbe. Was haben wir jetzt?"
"Beinahe
Ebbe."
Sie
richtete sich auf und übernahm das Steuer wieder. Die Inseln kamen schnell
näher, aber der Sturm war beinahe über ihnen. Ein weiterer Blitz sauste auf das
Wasser und schlug mit einem Krachen ein.
Scully
fühlte sämtliche Haare an ihrem Körper prickeln durch die elektrische Ladung.
Mist. Das war zu dicht. Vielleicht würde der Blitz das andere Boot davon
überzeugen, umzukehren. Sie sah über ihre Schulter. Kein Glück. Sie kamen
schnell heran.
Plötzlich
prasselte Regen vom Himmel herab. Das Bimini gab spärlichen Schutz vor den
windgetriebenen Regentropfen. Eine harte Bö traf sie an der Breitseite und das
Boot zitterte und hing einen Moment träge im Wasser. Die Maschine hustete, dann
fing sie sich wieder und das Boot richtete sich auf und rollte über die rauhen
Wellen. Grimmig hing sie über dem Steuer und hielt auf die Lücke zu.
Scully
fühlte Mulders Hand ihren Knöchel umfassen und ihn drücken. Sie nahm eine Hand
vom Steuer und legte ihre Fingerspitzen für eine Sekunde auf seinen Kopf. Als
Glücksbringer.
"Halt
durch!" schrie sie.
Die
Inselgruppe war klein. Einige der Inseln nicht mehr als hundert Fuß breit.
"Fahr
langsamer!" schrie er. "Die Durchfahrt, die Du nehmen willst, ist
links hinter der zweiten Bucht."
"In
Ordnung!" Sie nickte, nahm aber die Geschwindigkeit nicht weg. Plötzlich waren sie aus dem bewegten Wasser
heraus und die Bootsmaschine schrie auf, als sie über die Ruhe im Schutz der
ersten Insel hinausbrüllte.
Scully
nahm das Gas weg und riß das Ruder hart herum. Das Boot legte sich zur Seite
und flog über das plötzlich seichte Wasser sauber in die enge Durchfahrt und
landete mit einem Plumps.
"Mist,
Scully, warum zur Hölle hast Du das getan?" Mulders Stimme war laut in der
relativen Stille der Durchfahrt. Sie waren in einer Flaute, der Wind blies
kaum. Der Kanal war nur knapp zwanzig Fuß breit und sah so aus, als wenn er
noch enger werden würde, wo er sich außer Sichtweite schlängelte.
Sie
sah herab auf seine Hand an ihrem Knöchel. Er hatte ihn in festem Griff. Seine
andere Hand markierte ihre Position auf der Karte.
"Können
wir hier weiterfahren?" fragte sie ihn.
"Ja.
Aber es ist seicht, halt Dich rechts."
Scully
steuerte das Boot so dicht an das Ufer, wie sie sich traute. Sie drehte sich
herum und sah zurück. "Ich sehe sie nicht."
In
diesem Moment sauste das andere Boot am Ende der Durchfahrt vorbei. Sie hörte
einen Schrei und dann das sich ändernde Geräusch des anderen Bootsmotors, als
sie umkehrten und zurückkamen.
"Verdammt!"
"Sie
haben zuviel Tiefgang. Sie können uns durch diesen seichten Teil nicht
folgen."
"Alles,
was sie tun müssen, ist zu warten, bis wir rauskommen."
"Der
Kanal geht den ganzen Weg durch." Er starrte beunruhigt auf den Dschungel
vor ihnen. "Zumindest sieht es auf der Karte so aus..."
In
diesem Moment kehrte eine unheimliche Stille ein. Der Dschungel, der Wind...
Sie schaute nach oben. Die Wolken waren dunkel und niedrig, hingen gerade über
den Baumspitzen.
Die
Atmosphäre um sie herum zischte. Sie sah zu Mulder und er starrte sie mit weit
aufgerissenen Augen an. Es war, als wenn sie sich unter Wasser ansahen. Unter
trübem, schlechtem, elektrisierend grünem Wasser.
Sie
drosselte den Motor fast ganz. "Wir müssen das Boot festmachen und den
Sturm abwarten, Mulder. JETZT!"
Kaum
hatte sie das gesagt, begann der Sturm und die Hölle brach los. Der Himmel
öffnete sich und Regen stürzte vom Himmel. Der Wind erwischte sie hart, warf
das Boot gegen das Ufer und riß eine Ecke des Bimini-Segeltuchs los.
Donner
machte sie taub, als sie versuchte, die Ecke zu greifen und damit nur
erreichte, daß der wütende Wind das Segeltuch ergriff und es gegen ihre Wange
schlug.
Sie
hob eine Hand, um es abzuwehren und versuchte, mit der anderen zu steuern.
Mulder
ergriff den Ellbogen des Arms, mit dem sie steuerte, und versuchte sie
herunterzuholen. "Das andere Boot!" dachte sie, schrie er. Sie sah
sich um und tatsächlich, da war das andere Boot, das sich langsam hinter ihnen
in die Fahrrinne schob.
Mulder
schrie wieder, warf sich hoch und hart gegen sie, gerade als sie sah, daß der
Mann am Bug eine Waffe hob.
Ein
Blitz zuckte auf. Die Waffe donnerte. Sie fühlte irgend etwas über ihre Stirn
wischen, hörte Mulder verzweifelt schreien "Sculleee!!" und dann war
alles schwarz, als sie auf dem Deck zusammenbrach.
Teil
15
...
es war pechschwarz... die harte Oberfläche unter ihrem Rücken schaukelte
widerlich... sein Gewicht war schwer über ihr... hüllte sie ein, seine Arme
fest, um sie vor der Nacht und dem Regen zu schützen... sie war durchnäßt...
und kalt, wo seine Haut nicht an ihrer war... seine nackte nasse Schulter war
an ihrer Nase... sie schmeckte Sauerstoff und Haut und Schweiß und Angst und
die Schwärze um sie herum...
Über
dem Brüllen des Sturms und des Dschungels und des Regens konnte sie ihn hören.
Er fluchte.
"Mist.
Mist. Mist," und dann "Scuh-lee..." zärtlich, mit einem
gebrochenen Klang in seiner Stimme. Seine Arme hielten sie fester. Er drückte
sie so fest, daß sie kaum atmen konnte.
Sie
versuchte, ihren Mund zu öffnen und ihm zu sagen, daß es ihr gut ging, sie
versuchte ihn ebenfalls zu drücken und ihn zu beruhigen... aber... bevor sie es konnte, versank sie wieder in
der Dunkelheit...
...
es war dunkel... immer noch dunkel... sie wurde sanft angehoben, dann sank sie,
anheben, sinken. Ein Boot. Das war es. Ein Boot. Sie war auf dem Segelboot der
Familie in ihrer Koje. Melissa und Bill und Charly schliefen in ihren und sie
konnte die leisen Stimmen ihrer Mutter und ihres Vaters an Deck hören. Sie
hatte einen schlechten Traum gehabt. Hatte sie geschrien? Sie hörte ihre Mutter sagen, "Ich werde
nach den Kindern sehen," dann sah sie sie, ihre Gestalt dunkler als die
Dunkelheit hinter ihr, als sie ihren Kopf durch die Luke steckte. Dann gingen
weiche Schritte zurück über das Deck. Ihr Vater leise "War es Dana?"
Dann ihre Mutter leiser, "Mmm-hmm."
Dann
leises Singen. Sie sangen ihr ein Schlaflied auf dem Meer...
...
wo Wellen auf Wellen treffen, sind sie dein sanftes Kissen...
Beruhigt
schlief sie wieder ein.
...
waren das Tränen auf ihrem Gesicht? Oder war es warmer Regen?
Sie
öffnete ihre Augen. Es war immer noch dunkel. Mulder stand über ihr am Steuer,
seine nackte Brust schimmerte, als er steuerte. Es mußte sein nasses Hemd sein,
was unter ihrem Kinn klemmte. Irgend etwas anderes, das nach Fisch und Benzin
roch - eine rauhe Segeltuchpersenning - bedeckte den Rest von ihr.
Das
stetige Klopfen der Maschine vibrierte unter ihrem Rücken. Sie versuchte, ihren
Mund zu öffnen, um seinen Namen zu sagen, aber sie konnte es nicht. Es mußten
Tränen auf ihrem Gesicht sein, denn der Himmel war klar. Er steuerte sie im
Licht der Sterne nach Hause...
Als
sie wieder erwachte, waren sie zurück in der Marina und sie war allein auf dem
Boot.
Ein
sanftes Leuchten von herabhängenden elektrischen Laternen erhellte die Docks.
Alles sah zu sauber aus, zu festlich und eine Million Meilen von dem entfernt,
was sie gerade durchgemacht hatten.
Sie
drehte ihren Kopf ein wenig. Er war auf dem Dock und befestigte das Boot, seine
Bewegungen schnell und wild.
Ihr
Mund funktionierte schließlich. "Mir geht es gut, Mulder," sagte sie,
so laut sie konnte. Er drehte sich um, sprang zurück an Bord und kniete sich
neben sie. Sorge war in sein Gesicht gezeichnet.
"Shhh.
Lieg still," sagte er und streichelte zärtlich ihre Schläfe. "Ich
werde Dich ins Krankenhaus bringen."
"Bin
ich angeschossen worden?"
"Nein.
Ein Baum ist auf das Boot gefallen. Er hat Dich k.o. geschlagen. Du warst fast
zwei Stunden bewußtlos."
"Zwei
Stunden?" Sie runzelte die Stirn. "Ich denke, mir geht es gut."
"Lieg
still. Ich gehe einen Krankenwagen rufen."
"Nein,"
protestierte sie. "Mir geht es gut." Und sie bewegte sich, um sich
aufzusetzen, ihr Kopf drehte sich. Einen Moment versuchte er, sie
niederzuhalten, dann gab er auf und zog sie vorsichtig zu sich heran. Er legte
seine Arme um sie und schaukelte sie sanft.
"Mist
verdammter," flüsterte er in ihr Haar. Dann drückte er sie fester an sich
und seine Stimme brach. "Alles Mist."
Scully
war entsetzt über die völlige Verzweiflung in seiner Stimme. Sie schob ihre
Hand hoch, um sein Gesicht zu berühren. "Was ist, Mulder? Was ist
passiert?"
Er
hob seinen Kopf und starrte sie an. "Sie haben mich gesehen, Scully. Sie
haben mich, verdammt nochmal, erkannt."
Oh
Gott.
"Oh
nein. Oh nein, Mulder."
Er
nickte, dann schüttelte er den Kopf. "Laß uns von hier verschwinden."
"Ich
denke, ich kann gehen."
"Nein."
Er
hob sie hoch, drückte sie gegen seine nackte Brust und kletterte ungeschickt
von Bord. "Komm. Ich bringe Dich zum Auto."
Ihr
Kopf, noch pochend, begann klar zu werden. "Was ist passiert, Mulder?
Ich
sah sie auf mich schießen."
"Sobald
sie gesehen hatten, daß ich es war, verschwanden sie. Sie sahen mich nur an,
erkannten mich und verschwanden. Ich weiß nicht, ob sie es durch diesen Sturm
geschafft haben. Ich weiß nicht, wie wir es geschafft haben. Es war eine
Wasserhose, Scully."
Sie
nickte behutsam. Was immer sie am Hinterkopf getroffen hatte, es konnte nicht
der ganze Baum gewesen sein, aber es fühlte sich so an.
"Bist
Du in Ordnung, Mulder?"
Er
antwortete nicht, brachte sie nur die Rampe hinunter zum Parkplatz. Als sie das
Auto erreichten, war er außer Atem, aber er setzte sie vorsichtig hinein, dann
stieg er selbst ein, startete und schaltete die Heizung ein.
Er
wühlte auf dem Rücksitz herum und fand seinen Pullover.
"Du
mußt aus den nassen Sachen heraus."
Er
zog sie ihr vorsichtig über den Kopf und half ihr, seinen Pullover anzuziehen.
Dann zog er sich sein nasses Hemd über den Kopf.
"Mulder,"
sagte sie leise. "Was ist mit Liam?"
Er
drehte sich zu ihr um, seine Augen traurig. "Ich weiß es nicht."
"Mulder...?"
"Ich
weiß es nicht," wiederholte er und schüttelte den Kopf. "Kann ich
Dich ein paar Minuten allein lassen? Ich muß die Schlüssel für das Boot
zurückbringen." Er starrte sie an. "Ich kann es nicht glauben, daß Du
in Ordnung bist. Ich war..." Er brach ab und räusperte sich. Sein Blick
wurde ein wenig weicher, als er über ihr Gesicht glitt. "Bist Du wirklich
in Ordnung?"
"Ich
bin wirklich in Ordnung, Mulder," beruhigte sie ihn. "Welchen Schaden
haben wir an dem Boot angerichtet?"
"Überraschend
wenig." Ein ganz schwacher Funken eines Lächelns kam in seine Stimme.
"Wenigstens haben wir das nicht versenkt."
Danke,
lieber Gott, schickte sie ein kleines Gebet nach oben.
Er
drehte sich plötzlich weg und schlug seine Faust auf das Lenkrad. Sie fuhr
hoch.
"Es
reicht. Verdammt. Ich habe es wieder getan, nicht wahr, Scully? Ich habe Dich
fast umgebracht. Und nun habe ich unsere Chancen vermasselt, Liam zu
bekommen."
"Mulder,
nein!" protestierte sie. Plötzlich war sie wach genug, um zu erkennen, was
das Trauma, das Boot durch die unbekannte Nacht zurückzubringen - mit ihr
bewußtlos auf dem Deck - ihm angetan hatte. Er war am Ende seiner Kraft.
Wenn
die Situation andersherum gewesen wäre... sie wäre verzweifelt gewesen. Und nun
machte er sich für alles verantwortlich.
Sie
streckte ihre Hand aus und berührte seinen Arm sanft mit ihren Fingerspitzen,
dann legte sie ihre Finger um sein Handgelenk. "Ich habe es vermasselt,
Mulder. Ich wollte, daß wir ihr folgen. Ich wollte nicht weg. Du warst derjenige, der die ganze Zeit
vernünftig war, und ich habe Dich ignoriert. Es war meine Schuld, daß wir da
draußen waren."
Seine
Augen erforschten ihre, dann schüttelte er den Kopf und stieß einen langen
frustrierten Seufzer aus.
"Ich
hätte Dich niemals nach Singapore bringen dürfen, Scully. Ich und meine
verdammten, brillanten Ideen."
"Mulder..."
Er
zog seinen Arm aus ihrem Griff.
"Ich
bin gleich zurück. Bist Du sicher, daß Du in Ordnung bist?"
Sie
nickte ein wenig und zuckte vor Schmerz zusammen.
"Laß
mich mal sehen." Er knipste die Innenbeleuchtung an und sie senkte ihren
Kopf zu ihm. Er teilte vorsichtig ihr Haar, ohne die wunde Stelle zu berühren.
"Es hat aufgehört zu bluten."
"Es
hat geblutet?" Ihre Hand ausstreckend untersuchte sie Schwellung vorsichtig
und zuckte erneut zusammen. Sie wünschte, sie könnte es sich selbst ansehen. Es
schmerzte höllisch. "Mulder, das ist Blut auf Deinem Hemd. Du kannst
unmöglich so in das Büro gehen."
"Ich
werde ihnen sagen, daß uns der Sturm erwischt hat und ich mich geschnitten
habe. Keine große Sache."
Er
nahm ihr Gesicht in seine Hände und senkte seinen Kopf ein wenig, um ihr in die
Augen zu sehen. Sein Daumen strich leicht über ihren Wangenknochen. "Tut das weh?"
"Was
ist das?"
"Es
sieht aus, als würde es ein Bluterguß werden. Gott, es tut mir leid,
Scully."
"Mulder,
hör auf, Dich selbst zu beschuldigen. Es war meine Schuld."
Er
schüttelte nur seinen Kopf. "Ich bin gleich zurück," sagte er leise
und stieg aus dem Auto.
Auf
der Fahrt zurück zum Hotel überzeugte sie ihn, daß sie in kein Krankenhaus
mußte. Ihr Kopf schmerzte mehr, als sie ihm sagte, aber... selbst wenn sie eine Gehirnerschütterung
hatte, konnten sie nichts dagegen tun.
Also
fuhren sie, naß und beschmutzt, in die Parkplatzeinfahrt des Hotels.
In
der Dusche schloß sie die Augen und lehnte sich an seine Brust. Das heiße
Wasser fühlte sich wunderbar an, als es über ihre Körper rann und ihre
ausgekühlte Haut wärmte. Er schäumte vorsichtig ihr Haar und ihren Körper ein,
dann spülte er sie ebenso vorsichtig ab. Angestrengt versuchte sie, ihn nicht
sehen zu lassen, wie schwach sie war, aber ihre Knie zitterten, als er sie
abtrocknete.
Er
fluchte und hob sie hoch.
Nachdem
er sie ins Bett gepackt hatte, schlang er sich das Handtuch, mit dem er sie
abgetrocknet hatte, um seine nackten Hüften und setzte sich neben sie.
"Scully."
Er runzelte die Stirn, Sorge in seinen Augen. "Ich muß einen Arzt für Dich
holen."
"Nein.
Ich denke, ich bin nur hungrig. Es war ein langer Tag."
Er
starrte sie ruhig an, ein ganz leiser Ton von Bedauern schlich sich in seine
Stimme. "Ich wünschte," sagte er langsam. "Du könntest mir genug
vertrauen, um mir - einmal - zu sagen, wie Du Dich wirklich fühlst."
Sie
forschte in seinem Gesicht... bei allem, was passiert war... letzte Nacht...
heute...
Sie
hatten einen Wendepunkt erreicht und sie begriff plötzlich, daß es kein Zurück
mehr gab. Er mußte hören, daß sie ihm vertraute.
"Hungrig,
zittrig, erschöpft," sagte sie nur und es war schließlich leicht. "Mein Kopf dröhnt höllisch... bestürzt
wegen Liam... durcheinander..." Sie verstummte. Der Ausdruck, der auf
seinem Gesicht erschien, dankbar weil sie es ihm gesagt hatte, jedoch besorgt
darüber, was sie ihm sagte, machte Mulder so sympathisch, daß es ihr die Brust
zuschnürte.
...
durcheinander, weil ich denke, daß ich mich wieder in Dich verliebe...
Scully
schloß ihre Augen und fragte sich, was passieren würde, wenn sie die Worte
einfach sagte.
Sie
fühlte seine Hand, die ihre Schläfe leicht streichelte.
"Scuh-lee?
Schließ Deine Augen nicht, Du erschreckst mich."
Also
öffnete sie ihre Augen und traf seinen besorgten Blick. Sie brachte ein kleines
Lächeln zustande, um zu versuchen, ihn zu beruhigen. "Ich glaube wirklich,
daß ich in Ordnung bin. Mir ist weder schwindlig noch ist mir übel, also glaube
ich nicht, daß es eine Gehirnerschütterung ist." Sie seufzte. "Ich
bin einfach nur kaputt."
Er
sah sie lange und fest an, dann atmete er in einem tiefen Seufzer aus. "Okay, wenn Du versprichst, daß Du es
mir sagst, wenn Du glaubst, daß es schlimmer wird."
Sie
dachte nicht daran und nickte, zusammenzuckend. Er zuckte aus Sympathie auch
zusammen, dann stand er auf. "Ich glaube, ich kann etwas gegen Nummer
eins, zwei und drei auf Deiner Liste tun. Vielleicht sogar gegen Nummer
vier."
Mulder
nahm den Telefonhörer und bestellte etwas zum Essen. Scully mußte lächeln, als
er Burger und Pommes bestellte. Sie konnte sich nichts vorstellen, was sie
lieber essen würde. Amerikanisches Essen in Singapore. Diese ganze Reise wurde von Minute zu Minute
surrealer.
Mulder
legte den Telefonhörer auf und lächelte sie an, ein nicht ganz echtes Lächeln,
aber es war eine noble Geste. "Siehst Du? Es ist leicht. Und jetzt, wie wäre es mit etwas Eis für
diese Beule?" Er richtete ihre Kissen und steckte die Decke um ihren Hals
fest. "Ruh Dich aus, bis das Essen hier ist."
Als
das Essen kam, half er ihr, sich hinzusetzen, mit den Kissen im Rücken, und
sich ein T-Shirt über die wunde Stelle an ihrem Kopf zu ziehen. Dann rollte er
sich neben ihr auf dem Bett zusammen und beobachtete sie, während sie hungrig
aß. Er sagte nicht viel und er aß auch nicht viel.
Mulder
erwischte sie, wie sie seinen Teller ansah.
"Hier,
iß meines auf," sagte er und schob ihr sein kaum berührtes Essen zu. Keiner von beiden hatte den Tag über viel
gegessen, bemerkte sie. Warum aß er nichts?
"Bist
Du nicht hungrig, Mulder?" fragte sie besorgt.
"Nein,"
sagte er matt und schwang seine Beine aus dem Bett. Vor dem Essen hatte er sich
wieder angezogen, schwarze Jeans und schwarzes T-Shirt. Jetzt lief er ruhelos
durch ihre Suite, er sah finster und gefährlich aus.
Er
hatte vor, irgendwo hinzugehen. Wohin?
Mulder
schlich hinaus auf die Veranda und lehnte sich an die Brüstung. Dort stand er
eine lange Zeit und sah hinaus in die Nacht. Sie drehte ihren Kopf, legte ihre
Wange auf die weiche Baumwolle des Kissens und beobachtete ihn.
Es
fiel ihr schwer, ihre Augen offen zu halten, als er plötzlich wieder hereinkam.
Er warf beide Koffer auf das Fußende des Bettes und begann, zu packen. Ihre
Augen fielen zu... sie würde ihn in ein oder zwei Minuten fragen, warum er
heute nacht packte... und dann mußte sie wohl eingenickt sein, denn das
nächste, was sie hörte, war das Klicken der Tür.
Er
wollte gerade hinaus.
"Mulder?"
rief sie ihm leise nach.
Er
kam wieder herein, schloß die Tür, kam auf ihre Seite des Bettes und sah auf
sie herab. Dann streckte er seine Hand aus und schob vorsichtig mit seinen
Fingerspitzen das Haar aus ihrer feuchten Stirn.
"Kannst
Du nicht schlafen?" fragte er. Sie studierte seine Augen. Der Ausdruck
darin war... geistesabwesend.
"Nein.
Mir ist heiß." Sie schob die Decken beiseite und setzte sich auf.
"Die
Klimaanlage ist an." Er runzelte die Stirn und legte seine Handfläche auf
ihre Stirn. Gehorsam hielt sie still, während er ihre Temperatur prüfte.
"Du
fühlst Dich in Ordnung an, ein bißchen feucht." Er ließ seine Hand
heruntergleiten und prüfte den Puls an ihrem Hals. "Was ist mit der
Beule? Hilft das Eis?"
"Ein
bißchen. Es dröhnt immer noch."
"Kann
ich irgend etwas für Dich tun, Scully?"
Er
tat das Richtige, aber seine Gedanken waren ganz woanders.
"Nein.
Wohin willst Du?"
"Oh,
nur..." Er verstummte und konzentrierte sich ein bißchen mehr auf sie.
Sie
sah ihn an und wartete.
Mulder
leckte sich die Lippen, dann seufzte er. "Ich gehe und versuche, eine
Waffe zu kaufen."
"Nein,"
protestierte sie.
"Ich
bin vielleicht in der Lage, eine zu bekommen, Scully."
"Nein,"
sagte sie wieder. Sie streckte ihre Hand aus, legte ihre Finger um seine und
zog heftig daran. "Wie soll ich denn für Liam bezahlen, wenn Du im
Gefängnis bist?"
Er
sah sie an und seufzte, dann ließ er sich von ihr nach unten auf das Bett neben
sie ziehen.
Ihr
Blick fiel auf ihre Koffer, die fertig gepackt an der Tür standen. Mulder folgte ihrem Blick. "Nur für den
Fall, daß wir schnell von hier verschwinden müssen."
"Heute
Nacht?"
"Nein."
Er sah sich in ihrem Zimmer um. "Ich denke, hier sind wir so sicher, wie
es geht."
"Morgen?"
Er
nickte.
"Ich
muß immer wieder daran denken," sagte sie. "Werden wir noch
versuchen, zu Charlotta zu gehen?"
Er
senkte den Kopf und sah auf ihre verschlungenen Finger. Er rieb das Band ihres
Ringes...
Sein
Ring.
"Mulder.
Vielleicht glauben sie, wir waren nur zum Vergnügen auf dem Wasser und das
Zusammentreffen mit ihnen war ein Zufall..." Ihre Stimme verhallte lahm,
als er die Stirn runzelte.
"Keine
verdammte Chance, Scully. Sie haben mich als mich erkannt."
Oh
Mist. Sie war so kaputt, sie verstand nicht. Oh Mist.
"Ich
kann nur hoffen," fuhr er fort, "daß sie - irgendwie - nicht zwei und
zwei zusammenzählen können und erkennen, daß wir die Hales sind. Charlotta war
nicht in dem Boot, das uns verfolgte. Nur Crawford - einer von ihnen - und
Calderon. Sie wäre die einzige, die uns als die Hales hätte erkennen
können." Er war für einen Moment still. "Wir müssen die DaSilvas
ausstechen und verdammt nochmal Singapore mit dem Baby so schnell wie möglich
verlassen."
"Wie
lange wird die elektronische Überweisung dauern? Mulder! Morgen ist der vierte.
Wir werden nie in der Lage sein, das Geld zu überweisen."
"Das
Geld ist hier, auf der Bank von Singapore."
"Es
ist hier?"
Er
sah sie an. "Denkst Du, ich würde das Risiko eingehen? ‚Tut mir leid,
Madame C., ich habe den Feiertag in den Staaten vergessen. Nehmen Sie auch die
VisaCard?"
Sie
seufzte erleichtert. Er schien alles unter Kontrolle zu haben. Diesmal war sie
es, die keine Kontrolle hatte. Es war ein beunruhigender Gedanke.
"Frohike
war derjenige, der mich daran erinnert hat. Wir schulden ihm schon wieder was.
Hey Scully, vielleicht sollten wir das Baby nach ihm benennen."
Sie
lächelte. Das bedurfte keiner Antwort.
"Es
gibt einen Flug um 8.30 Uhr abends. Wir verschwinden, sobald wir ihn
haben."
"Wenn
wir ihn haben..." flüsterte sie. In seinen Augen blitzte plötzlich ein
dunkles Gefühl auf, von dem sie sich nicht sicher war, ob sie es einordnen
wollte, und sie verstummte, ihr Lächeln war fort. Er war wirklich ziemlich am
Ende, erkannte sie. Verzweifelt, gefährlich. Es waren die Augen eines in der
Klemme steckenden Mannes, der seinen Besitz beschützen würde oder sterben.
Sein
Gesichtsausdruck wurde intensiver und er drückte ihre Finger fest.
"Wir
müssen ihn bekommen, Scully."
Sie
erwiderte den Druck.
Sie
starrten einander an, Spannung in der Luft zwischen ihnen, dann nickte sie ein
wenig und er nickte auch, als würden sie einen Pakt beschließen... alles würde gut werden...
Mulder
senkte den Blick, streckte seine Hand aus und strich über ihre Taille, die von
der weichen Baumwolle seines T-Shirts bedeckt war. Seine Hand glitt zum Saum,
hob ihn aber nicht an. Er ließ nur seine Fingerspitzen über ihren Schenkel
streichen.
Mit
einem Mal stand er auf und begann, seine Sachen abzulegen. Sie atmete
erleichtert tief ein. Die Spannung in der Atmosphäre verflüchtigte sich abrupt,
als wäre sie nie dagewesen.
Mulder
schaltete das Licht aus, rollte sich neben ihr zusammen und legte seine Arme um
sie. Er drückte sie an sich, zog sie eng an seinen Körper mit einem Seufzer.
Sie konnte die Sorge in seinem Klang hören und die Spannung in seinem Körper
fühlen. Heute war es beinahe zur Katastrophe gekommen. Wieder einmal. Sie umarmte ihn ein bißchen
fester.
Und
nun... morgen...
Plötzlich
wollte sie vergessen - nur für eine kleine Weile - und ihn vergessen lassen -
alles.
Morgen.
Heute. Was sie zu ihm auf dem Boot gesagt hatte. War irgend etwas von dem, was
er ihr nicht erzählt hatte, jetzt wirklich von Bedeutung? Es war es nicht wert
gewesen, ihrer beider Leben zu riskieren, das war sicher. Zählte überhaupt irgend etwas, außer daß sie
beide noch am Leben waren...?
Und
noch zusammen.
Sie
seufzte und ließ ihre Fingerspitzen über seinen Kiefer gleiten.
Gott.
Ihre
Hand glitt herab zu seiner Brust, über seinen Bauch zum Hosenbund seiner
Boxershorts, dann zwanglos hinein in die Baumwolle.
Er
hob seinen Kopf und sah sie an.
"Scuh-lee..."
Überrascht lachte er leise, als ihre Hand noch tiefer rutschte. "Du
solltest es besser wissen. Wenn Du eine Gehirnerschütterung hast..."
Sie
lächelte bloß und legte ihre Hand um ihn. Er atmete heftig aus und beugte sich
herab, um sie zu küssen.
Und
sie liebten sich. Langsam und süß und diesmal so sanft, wie es letzte Nacht
rauh war. War es wirklich erst letzte Nacht? Es schien Wochen her zu sein. Sie
seufzte an seinem Mund und versuchte, ihm mit ihren Händen und Lippen zu sagen,
was sie nicht in Worte kleiden konnte.
Mulder
ließ die Fingerspitzen einer Hand zärtlich und sanft über ihren Körper gleiten
und berührte dabei kaum ihre Haut. Vorsichtig und zart streichelte er sie, als
wenn sie die empfindlichste Sache der Welt wäre und plötzlich zerbrechen
könnte. Aber gleichzeitig lockerte sich der Griff seines anderen Armes, mit dem
er sie hielt, niemals. Er hielt sie eng an sich gedrückt, als wenn sie
plötzlich verschwinden könnte, wenn er sie nicht fest genug hielt.
Und
dann glitten sein Mund und seine Zunge langsam tiefer, über ihre Brüste, über
ihren Bauch, bis er zwischen ihren Beinen war und sie dort liebkoste. Seine
Hand war warm und sanft auf ihren Schenkeln, als er sie auseinanderspreizte.
Der Druck seiner Lippen nahm zu, seine Zunge, seine Finger glitten in sie
hinein. Sie erzitterte und schloß ihre Augen und ließ die blendenden Lichter
ihres Orgasmus hinter ihren geschlossenen Lidern explodieren.
Dann
war er über ihr, in ihr.
Aber
als sie seinen Orgasmus über sie hinwegrollen spürte, schien es, als würde ein
Teil ihre Gehirns, der noch wachsam war, beobachten... ihn beobachten, wie er
sanft in ihren Hals stöhnte, sie beobachten, wie sie ihre Beine um ihn
geschlungen hatte und sich in ihn preßte... und sie wußte, ohne daß sie es
gesehen hatte, daß in seinen geschlossenen Augen eine Traurigkeit war, die sie
nicht auslöschen konnte.
Sie
lag in seinen Armen, ihren Rücken an ihn gekuschelt, und sah hinaus in das
Mondlicht. Es hatte auch hier ein Gewitter gegeben, das den Dunst und die
Feuchtigkeit fortgespült hatte und den frischen Geruch vom Regen gewaschener
exotischer Blumen zurückließ, der die Luft füllte. Er richtete sie ein wenig,
zog sie enger an sich.
Scully
drehte sich in seinen Armen um und drückte ihre nackten Brüste gegen seine
Brust, streckte ihre Beine aus und schob sie zwischen seine. Seine Hände
glitten über ihre Wirbelsäule, zeichneten jeden Knochen nach und formten sie
genauer. Sie fühlte, wie sich ihr Schamhaar mit seinem vermengte und unterdrückte
ein Stöhnen. Sie wollte ihn wieder, aber... sie war entschieden zu müde, um
etwas dafür zu tun. So streckte sie sich statt dessen wie eine Katze und preßte
soviel Haut an ihn, wie sie konnte.
Nur
wenn man so müde von jemandem war, dachte sie, kann man seine Haut so an seine
schmiegen, seine Muskeln so gegen seine strecken, seine Lippen so über seine
streichen und seine Haut zu einem gehören.
"Scuh-leee,"
flüsterte er sanft in ihr Ohr.
"Hmmm?"
"Kannst
Du immer noch nicht schlafen?"
"Nein..."
Sie rieb ihre Wange an seinem Brusthaar. Dann seufzte sie mit offenem Mund an
seiner warmen feuchten Haut, sog die Wärme und den Geruch der Haut an seiner
Brust ein. Seine Aura. Sie sog sie tief in ihre Lungen. Es war nun ihre. Wenn sie eine dieser
Aurakameras hätten und sie gleich jetzt ein Foto von ihr gemacht hätten, würde
sie ein wenig leuchten, vom Kopf bis zu den Zehen...
Sie
lächelte ihn an. Sie war so müde, daß sie phantasierte.
"Ich
bin so müde, daß ich schon jenseits von müde bin," sagte sie laut.
"Mmmm.
Ich auch." Seine Finger waren in ihrem Haar, streichelten es.
Vermieden
sorgfältig die Schwellung. "Was macht Dein Kopf?"
"Er
ist in Ordnung."
Er
bewegte seinen Kopf, so daß er ihr Gesicht sehen konnte. "Ehrenwort,"
sagte sie. Sie konnte ihre eigene Brust nicht erreichen, so schrieb sie rasch
ein Kreuz über sein Herz mit der Spitze ihres Zeigefingers und lächelte ihn an.
Lange
sah er sie an, sein Ausdruck war in der Dunkelheit nicht zu lesen.
Aber
etwas in seinem Gesicht...
Das
waren ungefähr 45 Minuten Vergessen, dachte sie wehmütig.
Mulder
löste sich sanft von ihr. Sie war unwillig, seine Wärme loszulassen.
"Laß
los, Scully. Ich muß ins Bad." Sie seufzte und ließ ihn los.
Als
er zurückkam, ließ er sich auf der anderen Seite des Bettes nieder, weg von ihr.
Er lag auf dem Rücken und starrte an die Decke.
Genauso
gut hätte er auf der anderen Seite des Raumes sein können.
Verdammt.
Gott
wußte, es gab genug in ihren Gedanken, das sie auch die ganze Nacht lang
wachhalten konnte. Aber das war Mulder.
"Mulder?"
"Mmmmm?"
"Was
tust Du da drüben?"
"Denken."
Seine Stimme war so leise, daß sie einen Moment brauchte, um herauszufinden,
was er gesagt hatte.
"Du
kannst es nicht hier tun?"
Er
schüttelte den Kopf. "Nein," sagte er leise.
"Mulder..."
"Ja?"
Er rollte auf die Seite, um sie anzusehen.
"Wegen
heute."
Er
sah sie nur an. Seine Augen glänzten in der Dunkelheit. Er war hellwach.
"Du
hast Dir die Schuld gegeben."
Immer
noch sah er sie nur an.
"Aber
ich war es. Ich habe es vermasselt. Es tut mir leid."
Er
rollte sich auf den Rücken und starrte an die Decke.
Sie
seufzte.
"Mulder...
was wenn... was wenn wir morgen zu diesem Haus kommen und sie sind nicht
da?"
Mulder
seufzte und rieb sich mit einer Hand die Augen, dann drehte er seinen Kopf, um
sie wieder anzusehen.
"Komm
her," sagte er. Scully rutschte über das Bett und er zog sie zu sich,
damit sie sich an ihn kuschelte. "Shhhh." Er strich ihr leicht über
die Stirn. "Wie kann ich Dich denn alle paar Stunden aufwecken, um zu
sehen, ob Du eine Gehirnerschütterung hast, wenn Du nicht schlafen willst? Denk
nicht mehr darüber nach, Scully. Mach Deine Augen zu, Du brauchst die
Ruhe."
"Du
denkst darüber nach."
"Shhh,"
sagte er. "Ich denke für uns beide darüber nach."
Und
seine Finger rieben zärtlich ihre Stirn, strichen die Spannung daraus. Scully schloß die Augen und versuchte, sich
zu entspannen und die Bilder in ihrem Hirn abzuschwächen.
Nach
ein paar Minuten fühlte sie sich schließlich an der Schwelle zum Schlaf, aber
sie war sich der Spannung in seinem Körper an ihrem zu bewußt. Ein weiteres Mal öffnete sie die Augen, um
sein Gesicht zu sehen.
Seine
Augen waren immer noch weit offen, starrten blind in die Nacht.
Scully
drehte ihren Kopf ein wenig und drückte einen Kuß auf das nächste bißchen Haut,
das sie erreichen konnte, dann fiel sie in den Schlaf, die Lippen auf ihn
gepreßt.
Teil
16
Raffles
Hotel
Singapore
4. Juli
Scully
zog sich langsam vor dem Spiegel an. Sie zog ihren Slip und ihren BH
an,
dann trat sie näher an den Spiegel und starrte sich an. All ihre Energie war
weg. Sie sah erschöpft, leergepumpt aus, und sie fühlte sich auch so. Blaß. Auf
der Nase ein Sonnenbrand. Die Schramme auf ihrer Wange, und... ein großer
häßlicher Bluterguß, der die Haut über ihren linken unteren Rippen kennzeichnete.
Weder erinnerte sie sich daran, wie es passiert war, noch hatte sie es letzte
Nacht gespürt. Aber nun schmerzte es.
Vorsichtig
mit den Fingerspitzen dagegen stoßend, befühlte sie die Rippen unter der Haut.
Sie schienen in Ordnung zu sein.
Ein
anderer Bluterguß an ihrem Handgelenk. Sie drehte sich um, wühlte in ihrem
Schmuckkästchen nach einem breiten Armband und schloß es über den Bluterguß. Es
verdeckte ihn. Einigermaßen.
Scully
sah hinüber zum Bett. Mulder schlief noch, unter seinem Kissen verkrochen. Sie
wußte nicht, wann er schließlich eingeschlafen war, aber er hatte im Schlaf
alle Decken geklaut und sie hatte sie ihm gelassen, sie wollte ihn nicht
wecken.
Die
Uhr zeigte 9.30 Uhr vormittag. Er konnte noch eine Stunde schlafen und sie
würden immer noch genug Zeit haben, zu Charlotta zu kommen.
Scully
wühlte in ihrem Make up nach einem Abdeckstift und rieb ihn über ihre Wange.
So, dachte sie. Noch ein bißchen Rouge darüber... und niemand würde es
bemerken.
Es
sei denn, sie waren es, die sie verfolgt hatten.
Die
Beule an ihrem Kopf schmerzte stetig, aber dem Himmel sei Dank wurde sie von
ihren Haaren verdeckt.
Seufzend
drehte sie sich um, zog einen lose fallenden Rock und eine ärmellose Bluse,
beides mandarinfarben, über.
Orange.
Die Farbe der Tapferkeit.
Oder
war es Feigheit? Was auch immer... welche auch immer, sie gingen in die Höhle
des Löwen.
Scully
ging hinüber zur Bettkante. Mulder schlief fest und schnarchte leise. Sie küßte
ihre Fingerspitzen und drückte den Kuß auf das Kissen an seiner Wange. Dann
ging sie frühstücken.
Es
stellte sich heraus, daß sie nicht genug Zeit hatten und daß sie spät dran
waren. Sie mußten aus dem Hotel auschecken und dann das Gepäck ins Auto
bringen. Es dauerte ewig und die Mittagshitze war atemberaubend. Sie war völlig
durchgeschwitzt, als sie durch die Straßen rasten und schließlich bei Charlotta
ankamen. Und ihr Kopf schmerzte scheußlich. Sie hätte sonst etwas für die
Tabletten gegeben, die in ihrem Koffer lagen.
Es
war viertel nach elf, aber derselbe schweigsame Bedienstete traf sie an der
Tür, ohne zu fragen und wartete darauf, sie durch das Haus zu führen.
Scully
tauschte einen erleichterten Blick mit Mulder, als sie sich niederbeugten, um
ihre Schuhe auszuziehen.
Diesmal
war die Veranda voll von Menschen.
Sie
überprüfte kurz die Menge und blieb plötzlich stehen. Mulder prallte von hinten
gegen sie. Drei Männer, die sie nie zuvor gesehen hatten - alle trugen
denselben weißen Anzug und hatten denselben teilnahmslosen Gesichtsausdruck -
standen an strategischen Punkten im Raum. Der Schimmer eines dunklen
Lederholsters unter einem Arm zog ihren Blick auf sich. Sie versuchte, sie
nicht anzustarren, und fühlte noch mehr nervösen Schweiß unter ihren Armen.
Bewaffnete
Wachen.
Ihr
unterer Rücken fühlte sich nackt an ohne ihre Sig Sauer.
Plötzlich
drückten sich Mulders Finger beruhigend genau in die Stelle, wo normalerweise
ihre Waffe saß, dann gab er ihr einen kleinen Stoß in den Raum hinein.
Zwei
weiß uniformierte Krankenschwestern standen neben zwei mit Moskitonetzen
verhängten Weidenkorbwiegen bei Madame Charlotta. Scully starrte zu ihnen
hinüber, aber Charlottas Hund stand abrupt auf und ließ ein leises Bellen in
seiner Kehle hören. Auf ein Wort von Charlotta setzte er sich wieder und
starrte sie mißtrauisch an.
Mr.
DaSilva, mit dem Rücken zur Menge, sprach in sein Handy. Mrs. DaSilva sah
elegant aus in dem schwarzen enganliegenden Kleid, das wahrscheinlich mehr
kostete, als Scully in einem Monat verdiente. Sie hielt ein sehr junges Baby in
ihrem Schoß und wischte gelassen Babyspucke von der schwarzen Seide.
Scully
verspannte sich einen Moment, bis sie erkannte, daß das Baby zu klein war, um
Liam sein zu können.
Sie
fühlte sich durch die Wachen zu befangen und ging zu der am dichtesten
stehenden Wiege und sah hinein. Darin lag ein anderes sehr kleines Baby. Vermutlich ein Junge, etwa zwei Monate alt.
Er sah sie mit großen blauen Augen an. Das war also der andere blonde Junge.
Liam war nirgendwo zu sehen.
"Oh!
Sie sind reizend." Scully konnte nichts dafür. Sie waren reizend.
"Kann
ich dieses mal hochnehmen?"
"Wenn
Sie nichts dagegen haben, sich zuerst die Hände zu waschen, Mrs.
Hale."
"Oh,
natürlich. Es tut mir leid." Eine der Schwestern zeigte auf eine Tür an
der Seite der Veranda. Es war eine kleine Toilette. Mulder und sie zwängten
sich beide hinein.
"Diese
Männer. Denkst Du...?"
"Shhh,"
flüsterte er an ihrem Ohr, verdeckt durch das laufende Wasser. "So weit so
gut. Ich denke, wir sind in Ordnung. Ich glaube nicht, daß sie Bescheid
wissen."
Sie
drehte sich um, um die Tür zu öffnen.
"Sc...
warte."
Sie
drehte sich zurück. Er griff nach ihrer Hand, drehte sie herum und prüfte den
Bluterguß an ihrem Handgelenk, den sie mit dem Armband halb verdeckt hatte.
"Mist,"
flüsterte er
"Sieht
man es zu sehr?"
"Scuh-leee..."
Er verstummte. Sie sah in seine Augen. Er starrte ungläubig auf ihr Handgelenk.
Mulder
hob ihre Hand und küßte sie zärtlich auf den Bluterguß auf der Innenseite ihres
Handgelenks. Sie bemerkte, daß er begann, grün-rot zu werden, aber es war
nichts, was ihn aus der Fassung bringen mußte.
"Es
tut nicht einmal weh," sagte sie ihm leise.
Sein
Gesichtsausdruck immer noch gequält, als er den Kopf schüttelte.
"Komm,"
sagte er. "Laß uns zurückgehen." Er drehte sich abrupt weg von ihr
und stieß die Tür auf.
Sie
atmete tief ein und folgte ihm.
Der
kleine blonde Junge war reizend. Sie nahm ihn hoch und bekam von der lächelnden
Schwester ein Spucktuch ausgehändigt.
Scully
betrachtete die junge Frau, eine Malaysierin nahm sie an. "Sind Sie die
Mutter?" fragte sie, sehr leise.
Die
Schwester sah schnell zu Charlotta und den Wachen herüber. Madame war mit der
Konversation mit Mrs. DaSilva beschäftigt. Die Wachen hätten Statuen sein
können.
Sie
sah zurück zu Scully und schüttelte kurz den Kopf, dann ging sie fort von ihr
zurück zur Wiege.
Scully
ließ sich auf einer niedrigen Couch nieder und sah auf das Baby herab. Sie
schaukelte es sanft und es gab ein kleines gurgelndes Geräusch von sich. Das
erste Mal, seit sie herausgefunden hatte, daß sie keine Kinder bekommen konnte,
fühlte sie einen plötzlichen Hoffnungsschimmer.
Auch wenn es nicht klappen sollte, Liam zu kaufen... Zu wissen, daß es
diesen Ort hier gab, mit all diesen entzückenden Babys...
Plötzlich
fühlte sie sich beschämt durch die eigensüchtige Richtung, die ihre Gedanken genommen
hatten. Gerade sie wußte, was sich hinter diesem Ort verbarg. Mit einem Mal
gähnte das Baby und kräuselte sein Gesicht. Sie konnte nicht anders, sie mußte
lächeln. Welcher Gottlose es auch geschaffen hatte, dieses Baby war unschuldig.
Scully hob es hoch und küßte es auf die Stirn.
Sie
sah auf und traf Mulders Augen. Seine Augen waren ein wenig traurig, während er
sie beobachtete. Er war auf derselben Wellenlänge.
"Hängen
Sie sich nicht zu sehr an ihn," sagte Mrs. DaSilva plötzlich. "Ich
kaufe beide."
Mulder
zog seine Augenbrauen hoch, dann schwang sein Blick zu Mr. DaSilva.
Scully
folgte seinem Blick. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Ed leicht überrascht
aus, dann griff er in seine Brusttasche und holte eine ledergebundene Mappe und
einen goldenen Stift hervor.
"Wohin
überweise ich das Geld, Madame Charlotta?" fragte er und zog sein Handy
aus einer anderen Tasche.
"Hier
ist die Information." Charlotta gab dem Bediensteten eine Karte, damit er
sie an Ed weiterreichte.
Ed
wählte bereits.
"Das
sind dann einhunderttausend?"
Madame
Charlotta nickte.
Mrs.
DaSilva lächelte wie eine Katze.
Scully
sah auf das Baby in ihrem Schoß.
"Isobel?
Isobel? Iz... Liebling?" Mulders Hand drückte plötzlich ihre Schulter,
aber es war die atemberaubende Art, die Zärtlichkeit in seiner Stimme, die sie
sich umdrehen ließ.
Eine
andere Schwester war hereingekommen und hielt...
Es
mußte Liam sein.
Scully
stand auf und übergab das Baby, das sie hielt, seiner Schwester, dann streckte
sie ihre Arme nach dem Jungen aus.
Liam
war schwer, gut fünf Pfund schwerer als das jüngere Baby. Die zusätzlichen
Monate hatten ihm mehr Kontrolle über seinen Hals gegeben. Er hob den Kopf und
sah sie an, seine großen Augen weit offen und blau. Seine Haare waren
tatsächlich ein bißchen länger als auf dem Foto, das Mulder hatte. Und
definitiv rot.
Plötzlich
zitterte sie.
Oh
Gott. Sein Gesicht, seine Wangen, seine Nase... sein kleiner Mund.
Ihre
Augen suchten Mulders. Er starrte sie an, nicht Liam, sondern sie.
Sein
Herz in seinen Augen.
Mit
einem Schritt war er bei ihr, sein Arm legte sich eng um sie und hielt sie
fest.
"Hier.
Setz Dich," sagte er leise und half ihr, sich wieder auf die Couch hinter
ihr zusetzen. Er setzte sich dicht neben sie, sein Arm um ihre Taille. Sie
sahen auf das Baby herab.
Das
Baby sah sie beide ruhig an.
"Hi,
Kleiner," sagte Mulder zu ihm und streckte einen Finger aus. Das Baby
schwang seine Hand danach und nach einem kurzen Versuch griff er ihn fest. "Erinnerst Du Dich an mich?"
Scully
berührte ihn zärtlich an seiner glatten kleinen Babywange, fasziniert.
"Hi,
Tweetie," sagte sie leise, sie konnte kaum atmen.
Liam
begann zu lächeln.
Mulder
und Scully lachten beide ein wenig schüchtern.
Scully
wandte sich um und betrachtete Mulder, wie er das Baby betrachtete. Sie war eine atemlose Masse von Nerven und er
sah so... glücklich... und ruhig aus.
Sie
drückte Mulder einen Kuß aufs Ohr. "Danke," flüsterte sie.
Er
sah sie nicht an, aber ein kleines Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht
aus.
Scully
sah zu den anderen, sie sahen alle zu ihnen mit unterschiedlichen
Gesichtsausdrücken. Madame Charlotta und die Schwestern lächelten. Mrs. DaSilva schaute halb amüsiert, halb
angewidert. Ed telefonierte noch, ignorierte alle und spuckte eine Reihe von
Zahlen aus.
"Haben
wir schon einen Namen?" fragte Madame Charlotta.
"Christopher
und David," sagte Mrs. DaSilva.
Ed
nickte bloß und schaltete sein Handy aus. "Erledigt," sagte er.
"Wann können wir sie mitnehmen?"
"Also
nehmen Sie Ihr letztes Gebot für das ältere Baby zurück, Mr.
DaSilva?"
"Ja!
Wir brauchen nicht drei!"
"Tristan
wird meine Bank anrufen, um sicherzustellen, daß die Überweisung geklappt hat,
und dann steht es Ihnen frei, die Kinder mit Ihnen zu nehmen." Sie drehte
sich zu Mulder und Scully um. "Mr. und Mrs. Hale..."
Scully
drehte sich um und traf Mulders Augen.
"Wir
nehmen ihn," sagte sie.
"George
Jr," sagte Mulder.
"Wunderbar,"
sagte Madame Charlotta.
Mulder
zog sein Handy aus der Tasche. "Fünfundsiebzig?"
Madame
Charlotta lächelte und nickte.
Mulder
nickte ebenfalls und begann, die Nummer zu wählen.
Scully
hatte Gänsehaut auf ihren Armen und sah auf. Alle drei Wachen starrten nun sie
und Mulder an. Ihr Gesichtsausdruck immer noch teilnahmslos, aber... sie
zitterte.
Unter
großen Anstrengungen löste sie ihren Blick von ihnen und sah wieder auf das
Baby herab.
Ihr
Baby, dachte sie und unterdrückte ein kleines Geräusch, das halb ein Lachen,
halb ein Schluchzen war.
Teil
17
Es
war still und heiß im Garten.
Die
Sonne knallte blendend heiß auf die weißen Steine des Hofes, die die Hitze bis
in die schattigsten Ecken reflektierten. Die üppigen tropischen Pflanzen und
Bäume wurden kraftlos in der Hitze, sogar die Mynahs schwiegen und behielten
ihren Kommentar für sich.
Der
Nachmittag war vollkommen still.
Warten.
Ihr
elektronische Überweisung dauerte ewig.
Die
DaSilvas waren schon lange gegangen, die beiden kleinen Babys in Autositzen auf
dem Rücksitz ihrer chauffeurgelenkten Limousine.
Mulder
und sie hätten in der schattigen Veranda warten können. Wenigstens bewegten die
sich langsam drehenden Deckenventilatoren die Luft und gaben die Illusion von
Kühle... aber drinnen wären sie unter den wachsamen Augen der Wachen gewesen.
Statt dessen nahmen sie Liam für einen Spaziergang durch den Park mit und
fanden eine Bank, außerhalb ihrer Sichtweite im blauen Schatten eines
weinumrankten Pavillions. Und nun warteten sie ebenfalls.
Liam
war eingeschlafen in glückseliger völliger Säuglingsentspannung an Mulders
Schulter und... sie konnte nicht aufhören, sein schlafendes Gesicht anzusehen.
Ein
weiteres Wunder.
Diesmal
sollte es eines sein, hoffte sie.
Die
zarte Farbe seiner Haut... die süße Linie seiner Wimpern auf seiner Wange...
seine kleinen Babyohren... seine Finger... seine Fingernägel...
Sie
löste ihren Blick und prüfte die Gartenbeete und Gebäude, die von ihrer Bank
aus zu sehen waren, genau.
Die
Wachen, da war Scully sich sicher, waren irgendwo in der Nähe, beaufsichtigten
sie außer Sichtweite. Sie würden wahrscheinlich schnell genug da sein, sollten
sie einen plötzlichen Spurt zu ihrem Auto machen.
Mulder
hatte nicht viel gesagt, seitdem er angerufen hatte, um die Überweisung in die
Wege zu leiten. Er saß da, sah entspannt aus, die Beine vor sich ausgestreckt,
die Augen ein wenig geschlossen, seine Finger streichelten zärtlich den Rücken
des schlafenden Babys. Täuschend friedlich.
Sie
legte ihre Finger um seinen Arm und war nicht überrascht, als sie fühlte, wie
angespannt seine Muskeln waren.
Er
war in Wachhundstimmung.
Und
sie auch.
Sie
waren noch weit davon entfernt, es geschafft zu haben.
"Was
hat er zu Dir gesagt, bevor sie gegangen sind?" fragte sie, mehr um sich
abzulenken als alles andere.
"Wer?
DaSilva?" Er lächelte ein wenig. "Er sagte, er wüßte etwas besseres
mit diesen dreißigtausend anzufangen.
Sie
lachte leise und schüttelte ihren Kopf. "Was für ein Paar. Warum, glaubst
Du, wollten sie L.. little George Jr. so sehr? Sie schien ebenso glücklich mit
den Jungen, die sie ausgesucht hat."
Mulder
untersuchte träge das Haus und das Grundstück.
"Das
letzte Mal, als ich sie sah, hatte sie rote Haare."
"So
einfach?"
"Mmmphh."
Dieses
Warten brachte sie um. Ihr Kopf hämmerte grauenvoll, sie fühlte sich überall
grün und blau und alles, was sie wollte, war ein Nickerchen in einem lauen Bad
machen und dann ein Jahr lang schlafen.
Sie
stieß einen tiefen Seufzer aus, lehnte ihren Kopf an seine Schulter und schloß
die Augen. Sein baumwollenes Frackhemd war feucht und sie rieb ihre Wange
daran. Sie gaben das perfekte Bild einer glücklichen Familie ab, wenn irgend
jemand sie beobachten würde, und sie brauchte die Berührung seines Körpers in
diesem Moment.
"Was
denkst Du, werden sie tun mit zwei Babys?" fragte sie.
"Ein
Kindermädchen anstellen," sagte Mulder, seine Stimme abwesend.
"Zwei
Kindermädchen."
"Miau."
Unschuldig
zog Scully eine Augenbraue hoch, dann lächelte sie und betrachtete wieder Liam.
Sie konnte sich nicht entscheiden, ob er wie Bill als Baby aussah oder wie
Charly. Sofort wenn sie zurück in den Staaten waren, mußte sie ihre Mutter
anrufen und sie bitten, ihr einige ihrer alten Fotos zu schicken.
Ihre
Mutter. Sie lächelte ihn an. Ihre Mutter würde begeistert sein.
Verwirrt,
aber begeistert.
Das
Baby gab ein kleines Geräusch von sich. Glück? Unbehagen? Sie konnte es noch
nicht erkennen. Seine Augen waren noch geschlossen und er schlief friedlich,
aber wahrscheinlich sollten sie ihn nicht länger draußen in der Hitze lassen.
Scully streckte ihre Hand aus und befühlte seinen Nacken mit ihren Fingern. Er
schien in Ordnung zu sein, möglicherweise mehr an diese Temperaturen gewöhnt
als sie beide.
"Ist
es zu heiß für ihn?"
Mulder
musterte sie. "Es ist nicht so heiß. Er ist in Ordnung."
"Nicht
so heiß? Es ist kochend heiß."
Er
drehte sein Handgelenk um, um auf seine Uhr zu sehen.
"Die
Überweisung sollte bald erledigt sein und dann verschwinden wir hier."
Das
Baby öffnete den Mund im Schlaf und formte ein perfektes "O", und
plötzlich wünschte sie, sie hätte eine Kamera.
Vier
Monate. Sie hatte bereits vier Monate versäumt.
"Keine
Kindermädchen," sagte sie leise.
Mulder
bewegte seinen Arm ein wenig. "Scuh-lee," sagte er sehr, sehr leise,
beinahe... warnend.
"Was?"
Sie hob ihren Blick und sah ihn an.
Mulder
sah sie an, sein Gesichtsausdruck vorsichtig.
"Was?"
fragte sie wieder.
Seufzend
sah er weg.
"Mulder?"
fragte sie leise.
Er
drehte sich wieder zu ihr um. "Ich habe schon."
"Hast
schon was?"
Er
beobachtete sie genau. "Eins eingestellt."
Scully
setzte sich plötzlich auf. Zu schnell sagte sie sich. Zu schnell für die sie
beobachtenden Wachen, zu schnell für ihren Kopf. Sie zwang sich, sich wieder
zurückzulehnen und legte eine Hand auf ihre Stirn. Ihr war schwindlig, sie
mußte aus dieser wahnsinnigen Hitze heraus.
"Du
hast ein Kindermädchen eingestellt?"
Er
nickte.
"In
D.C.?"
Er
nickte wieder, sehr langsam, seine Augen beobachteten sie immer noch
sorgfältig.
In
D.C.
Er
hat ein Kindermädchen in D.C. angestellt.
"Aber..."
Sie
versuchte zu begreifen, was das wirklich bedeutete. Aber ihre Gedanken
wiederholten immer nur D.C., D.C.
"Du
hast mir gesagt," sagte er langsam, sein Gesicht sehr ruhig, seine
Stimme... sorgfältig distanziert, "daß Du nichts von ihm wissen
willst."
Plötzlich
hämmerte ihr Kopf wirklich. Sie fühlte Schweiß ausbrechen auf ihrer Oberlippe
und auf ihrer Stirn.
Er
war einen Moment lang still, während dies wirkte. "Ich hatte eine Weile -
einen Monat - Zeit, darüber nachzudenken. Und ich dachte, es wäre besser, einen
Plan zu machen."
"Aber
wie... Mulder... Du hast mir doch nicht wirklich geglaubt, als ich das sagte,
nicht wahr?"
Mulder
schaute weg von ihr, über den schlafenden Garten und kniff seine Augen ein
wenig zusammen, seine Zähne gruben sich hart in seine Unterlippe. Lange Zeit war er still. "Ich habe auch
nicht geglaubt, daß Du wirklich gehen würdest... aber Du hast es getan."
Seine Augen schwenkten zu ihren. Der
Schmerz, den sie darin sah, nahm ihr den Atem. So sehr verletzt? staunte sie. Selbst nach einem halben Jahr
Getrenntseins nicht verblaßt?
Und
plötzlich drehte sich die Unterhaltung um etwas völlig anderes.
"Mulder...ich..."
"Shhh!"
warnte er scharf. "George." Seine Augen flatterten weg von ihren und
geschwind über das Grundstück.
Ihr
Blick folgte seinem. Nichts Aufregendes.
Müde
schloß sie ihre Augen und versuchte, nachzudenken.
Er
hatte es verlangt. Sie war gegangen. Sie war gegangen, weil er es verlangt
hatte... gefordert hatte, daß sie ging.
Oder
vielleicht...
Nein.
Das
war es, was sie sich selbst eingeredet hatte. Aber vielleicht war die
Wahrheit...
Sie
war gegangen, weil sie bereit war zu gehen.
Ihr
Kopf hämmerte jetzt wahrhaftig. Sie mußten reden. Unbedingt. Aber nicht jetzt.
Nicht hier.
Scully
öffnete ihre Augen.
Mulder
war still. Seine Augen waren geschlossen, sein Kopf nach vorn gebeugt, seine
Lippen an der Schläfe des Babys.
Er
wollte Liam mitnehmen nach D.C. Das war sein Plan von Anfang an. Er kaufte
dieses Baby für sich selbst. Nicht für sie.
Alles
was sie hätte sagen können, steckte hinter den Tränen, die in ihrer Kehle
saßen.
Wie
hatte sie das nicht sehen können?
Mulder
begann zu sprechen, seine Augen immer noch geschlossen, seine Stimme so leise,
daß sie sich zu ihm herüber beugen mußte, um ihn zu verstehen.
"In
San Diego? In dieser Nacht in der Privatklinik? Ich nahm seinen Ink..." Er
schien über das Wort zu stolpern. "Inkubator und hielt ihn in meinen
Händen. Und ich dachte, ‚ich habe ihn. Endlich. Den Beweis.' Den Beweis dafür,
was sie Dir angetan hatten. Was sie all den anderen Frauen angetan hatten. Der
Beweis, der uns ständig entwischt war. Ich hatte ihn. Ich hielt ihn in der
Hand. Genug , um einige Antworten zu fordern, vielleicht genug, um einige Leute
zur Verantwortung zu ziehen. Genug, um ein wenig Gerechtigkeit zu
bekommen."
Sie
nickte langsam.
"Und
dann..." Er verstummte. "Und dann bewegte er sich. Nur ein kleiner Tritt.
Aber mit einem Mal wußte ich, daß ich nicht irgendeinen abstrakten Beweis in
den Händen hielt... Ich hielt einen Menschen in der Hand.
Er
hob seinen Kopf und dann sah er sie voll an. "Dein Kind."
Sie
schluckte schwer.
"Meine
erste Reaktion war, mit ihm da rauszurennen und ihn zu Dir zu schaffen. Aber Du
warst im Krankenhaus mit... Emily. Und er wurde am Leben erhalten
durch..." Er bewegte sich unbehaglich. "... eine Technologie, von der
ich nicht glaubte, daß wir sie kopieren könnten. Und... ich konnte Dir das
nicht antun. Mittendrin von all dem, was Du durchmachtest, aufzutauchen und Dir
ein anderes - vielleicht sterbendes - Baby zu bringen."
Sie
starrte ihn an, ihre Augen füllten sich mit Tränen.
"So
ließ ich ihn da. Es hat mich beinahe umgebracht, es zu tun, aber ich entschied,
daß es besser war, fortzugehen als Dir noch mehr Schmerzen zu bereiten..."
Er
räusperte sich.
"So
haben Frohike und ich Transgen beobachtet, hatten ein Auge darauf, was mit ihm
passierte. Verfolgten ihre Transportaufträge, Aufträge zur medizinischen
Versorgung, Gehaltslisten, einfach alles. Als er herausfand, wohin sie die
Operation verlegt hatten, als wir die Verbindung zwischen Madame Charlotta und
Liam herausfanden?" Er schüttelte den Kopf. "Du weiß nicht, Scuh-lee..."
Seine
Stimme wurde beinahe unhörbar. Sie mußte sich dichter zu ihm beugen, um ihn zu
hören. "Es war, als ob... als ob ich alles gefunden hatte, was ich immer
wollte. Nur besser, weil..."
Sie
nickte, die Augen weit aufgerissen.
"Weil
er frisch und neu war. Weil er keine Vergangenheit hatte, die ihn verfolgen
konnte. Weil er das einzig gute war, das bei all dem herauskommen konnte, was
Dir passiert war... während Du mit mir zusammen warst."
Es
war nicht das, was sie von ihm zu hören erwartet hatte. Aber... es war besser.
Die Intensität und die Ehrlichkeit... Die Tränen liefen ihr nun über die
Wangen. Sie wischte sie weg.
"Mulder,"
flüsterte sie erleichtert. "Ich will ihn. Es tut mir leid, daß ich Dich
glauben machte, ich wollte nicht."
Er
schaute sie an, seine Augen voller Erleichterung und Hoffnung.
"Du
wirst kein Kindermädchen brauchen." Sie lachte ein bißchen belegt durch
ihre Tränen. "Natürlich werde ich ihn behalten."
Er
sah sie einen Moment an. Wartend.
Sie
nickte.
"Ich
werde frei nehmen. Mach Dir keine Sorgen, Mulder. Uns wird es gut gehen."
Er
starrte sie weiter an. "Es wird Euch gut gehen," flüsterte er matt.
Sie
nickte.
"In
L. A.?"
"Natürlich
in L. A.," wiederholte sie leise. Sie streckte ihre Hand aus, um Liams
kleine Faust zu streicheln, dann blickte sie Mulder wieder an.
Scully
sah, wie seine Augen traurig wurden, dann ungläubig.
Er
legte das Baby zärtlich auf seine andere Schulter, auf die von ihr abgewandte,
und spreizte seine Hand schützend über Liams Rücken.
"Mulder,
was ist?" fragte sie ein wenig verzweifelt, erschrocken durch den Ausdruck
in seinen Augen.
"Sieben
Monate." Er kniff seine Augen zusammen und nickte, als würde er sie
schließlich verstehen. "Sieben Monate," wiederholte er und schenkte
ihr ein kurzes bitteres Lachen. "... und - nicht zu vergessen
fünfundsiebzigtausend Dollar - später. Und ich bin immer noch ein ahnungsloser
Hurensohn." Er machte ein vielsagendes empörtes Geräusch in seiner Kehle.
"Daraus wird nichts."
Er
stand auf und drehte ihr den Rücken zu, ließ sie zurück ohne einen weiteren
Blick.
"Komm
Liam," sagte er und ging davon.
Sie
starrte ihm schockiert nach.
Daraus
wird nichts?
Was
zur Hölle?
Was
hatte er gedacht...?
Sie
biß sich auf die Lippe, als sie in beobachtete, wie er durch den Garten ging, den
Kopf über das schlafende Baby gebeugt.
Komm,
sagte sie sich heftig. Du wußtest, daß das kommen würde. Du wußtest, daß er
Dich - etwas - fragen würde und daß Du eine Antwort haben solltest.
Ja
oder nein, Scully.
Scuh-lee.
Und
sie hätte ihm genauso gut ins Gesicht schlagen können.
Rasch
stand sie auf und sie fühlte das Blut aus ihrem Kopf fließen. Sie setzte sich
ebenso schnell wieder hin und wollte, daß die langsam steigende Dunkelheit in
ihrem Wahrnehmungsbereich wegging. Was würde für die sie beobachtenden Wachen
weniger beunruhigend aussehen: sie mit ihrem Kopf zwischen den Knien oder auf
dem Boden zusammengesackt?
Knie
entschied sie und lehnte sich nach vorn, stützte ihren Kopf in ihre
Handflächen.
Als
Charlottas Bediensteter ein paar Minuten später mit einem Glas Eistee an ihrer
Seite auftauchte, war sie in der Lage, sich aufzusetzen und griff zitternd nach
dem Glas.
Der
junge Mann stand an ihrer Seite, während sie trank, einen winzigen Funken
Mitleid in seinen dunklen Augen.
"Die
Hitze..." brachte sie heraus als eine Art Erklärung.
"Möchten
Sie, daß ich Ihren Mann hole, Mrs. Hale?"
Ihre
Augen gingen zu Mulder, der auf der weit entfernten Seite des Gartens stand. Er
war im Schatten irgendeines exotischen schlanken Baumes, schaukelte Liam ein
wenig und beobachtete sie. Als er sah, daß sie ihn anschaute, drehte er sich
weg.
Sie
biß sich auf die Lippen.
"Nein,
danke. Mir geht es gut."
"Ja,
Ma'am." Der Bedienstete nickte und ging zurück ins Haus.
Teil
18
"Mr.
Hale? Herzlichen Glückwunsch."
Eine
strenge Welle exotischen Parfüms begleitete die leise Stimme. Scullys Lider
flatterten auf und da war Madame Charlotta, die einem lächelnden Mulder die
Hand schüttelte, der ein paar Schritte von ihr entfernt stand.
"Die
Überweisung hat geklappt?" Sogar für ihre eigenen Ohren klang ihre Stimme
schwach und unsicher.
Charlottas
Augen ruhten kurz auf ihr.
"Ja.
Herzlichen Glückwunsch, Mrs. Hale. Sie sind ab jetzt Eltern.
Aufgeregt?"
Scully
erhob sich langsam, eine Hand auf der Rücklehne der Bank. Kein Anflug von Dunkelheit
diesmal. Gott sei Dank. "Ja. Es ist... wundervoll!" brachte sie
zustande, ein bißchen zu strahlend, und lächelte so breit, wie sie konnte.
Plötzlich
waren die Schwestern um sie.
Eine
junge Malaysierin in Weiß streckte ihre Arme nach dem Baby aus. "Wir
ziehen ihn um, bevor Sie gehen, Mr. Hale," sagte sie sanft.
Scullys
Augen huschten zu Mulders angesichts der unbeabsichtigten Doppeldeutigkeit,
aber er sah sie nicht an, lächelte nur die Schwester an und sagte, "Zeigen
Sie mir, wie." Das Mädchen kicherte und führte ihn fort.
Scully,
deren Kopf immer noch hämmerte, schluckte einmal, ließ die Bank los und drehte
sich zu Madame Charlotta. "Sonst noch etwas?" fragte sie.
"Noch
ein paar Papiere unterschreiben und dann können Sie sich auf den Weg
machen." Sie drehten sich um und begannen langsam zurück zum Haus zu
gehen. "Haben Sie vor, sich noch
mehr von Singapore anzusehen, bevor Sie in die Staaten zurückkehren?"
"Äh...
vielleicht," antwortete Scully und hörte mit halbem Ohr zu, als Madame
Charlotta ihr die verschiedenen Plätze aufzählte, die sie einfach besuchen
müßten.
Scully
unterbrach schließlich den Redefluß. "Entschuldigen Sie, Madame, aber
wurde George Jr. von einer... bestimmten Schwester... versorgt?"
Die
Frau zog die Augenbrauen hoch, dann zeigte sich Verstehen in ihren Augen.
"Sie meinen, ob er jemanden Bestimmten vermissen wird?"
"Ja."
"Nein."
Madame Charlotta klopfte ihr beruhigend auf den Arm. "Er erhielt
außergewöhnliche Sorgfalt und Aufmerksamkeit von verschiedenen sehr liebevollen
Schwestern. Sie sehen, er ist ein glückliches, gesundes Baby. Aber von nun an werden Sie für ihn sorgen und
ich weiß, er wird sofort an Ihnen hängen. Schließlich, Mrs. Hale," sagte
sie lächelnd, "sind Sie jetzt seine neue Mama."
Scully
nickte angesichts der Worte der Beruhigung, dann folgte sie der Frau ins Haus.
Sie
überflog die Papiere, die Charlotta vor sie hingelegt hatte, dann unterschrieb
sie, sorgfältig darauf achtend, daß sie im Moment Isobal Hale war. Dann kamen
Mulder und Liam zurück, umringt von einer Gruppe lachender Schwestern. Sie
placierte ein Lächeln zurück auf ihr Gesicht und ließ sich vorwärts treiben,
als sie sie zum Wagen brachten.
Die
Schwestern und Charlotta mußten das Baby zum Abschied umarmen und küssen, dann
halfen sie, es in seinen neuen Autositz zu packen und luden all seine Taschen
auf den Rücksitz.
Scully
stand auf der einen Seite, schwankte ein wenig und dachte sehnsüchtig an die
Klimaanlage des Autos. Mulder benahm sich wie ein perfekter Vater. Er
erkundigte sich nach Essen, Schlafen und Decken, lächelte stolz auf Liam herab
und ignorierte sie völlig. Er überprüfte den Sicherheitsgurt an Liams Autositz
ein letztes Mal und griff nach dem Griff der Beifahrertür.
Sie
leckte sich über die Lippen. "Ich glaube, es ist besser, wenn Du fährst, Mul..."
Nun
sah er sie an, umfaßte ihr Gesicht mit einem kurzen irritierten Blick, hielt
sie am Ellbogen fest und schubste sie praktisch ins Auto.
Undeutlich
registrierte sie Madame Charlotta und die Schwestern, die zum Abschied winkten,
als er das Auto startete, langsam die lange gewundene Zufahrt hinabfuhr und die
uniformierten Wachen am Tor passierte.
Scully
lehnte ihren Kopf gegen die Kopfstütze und schloß die Augen. Sie atmete langsam
und wartete darauf, daß die Klimaanlage ansprang. Schließlich strömte kühle Luft aus den
Schlitzen und sie saß vollkommen still und ließ sie über ihre überhitzte Haut
streifen.
Nach
ein paar Minuten klappte sie die Sonnenblende herunter und benutzte es als
Rückspiegel für die Straße hinter ihnen.
Kein
Auto in Sicht.
Sie
hatten es geschafft.
Sie
drehte den Spiegel, so daß sie Liam in seinem Sitz sehen konnte.
"Wir
haben es geschafft," sagte sie leise. "Wir haben es geschafft,
Mulder.
Wir
haben ihn."
Er
antwortete nicht.
Sie
sah zu ihm herüber. Er saß lässig zurückgelehnt in seinem Sitz und fuhr zügig,
seine Bewegungen schnell und automatisch. Sein Blick war finster.
"Mulder...
wir müssen reden."
Er
erwiderte ihre Worte nicht und sie fragte sich, ob er sie überhaupt gehört
hatte. Schweigend fuhren sie ein paar Blocks.
"Dann
sprich," stieß er schließlich hervor, seine Stimme rauh und gereizt.
Sie
krümmte sich. Mist.
"Sieh,
Mulder. Ich kann Dir die Zeit nicht zurückgeben, die Du damit verbracht hast,
ihn zu suchen, aber ich habe ein bißchen Geld gespart..."
"Zum
Teufel mit dem Geld."
"Aber
Du sagtest..."
"Ich
habe einfach nur Tamtam gemacht. Es hat nichts zu tun mit dem Geld."
Sie
schluckte schwer. In Ordnung. Sie hatte das befürchtet. "Mein Leben jetzt
ist in L. A...." begann sie.
"Das
hast Du deutlich gemacht."
Seine
Stimme. Gott. Sie hatte ihn verletzt.
"Mulder...
sieh mal, was immer Du geglaubt hast, was ich damals gesagt habe. Ich habe Dich
niemals verletzen wollen. Ich dachte..." Sie legte ihren Kopf in ihre
Handfläche und rieb sich die Stirn. Sie sah ihn von der Seite an. Er blickte
finster auf die Straße. "Ich weiß nicht, was ich dachte," endete sie
kläglich.
Ein
Muskel in seinem Kinn wurde hart, sonst gab es keine Veränderung in seinem
Gesichtsausdruck.
"Nun,
was immer jeder von uns dachte, es spielt keine Rolle mehr," sagte er und
sein Ton sagte ihr mehr als Worte, daß ihre Entschuldigung zu spät kam. "Sie wußten Bescheid."
"Was!??"
"Sie
wußten Bescheid," wiederholte er bitter. "Sie wußten genau, wer wir
waren und sie ließen uns hereinkommen und ihn mitnehmen."
Sie
versetzte sich verzweifelt zurück. Es war alles glatt gegangen. Was...?
"Mulder?
Woher weißt Du das!?"
"Calderon
und zwei von den Crawfords haben uns von der oberen Terrasse aus beobachtet,
als wir draußen im Garten waren. Sie sprachen mit Charlotta und einer anderen
Frau..." Sein Ton wurde ironisch. "... die Charlottas Zwilling hätte
sein können."
"Oh,
mein Gott," sagte sie ungläubig. "Sie auch? Haben sie gemerkt, daß Du
sie gesehen hast?"
"Nein."
"Sie
haben uns vom Boot erkannt? Warum haben sie uns nicht aufgehalten?"
Er
schüttelte den Kopf. "Begreifst Du es nicht? Sie haben die ganze Zeit
gewußt, daß wir es waren. Es war eine einzige große abgekartete Sache."
Sie
lehnte sich nach vorn, um wieder in den Spiegel zu sehen. Immer noch kein
Anzeichen dafür, daß ihnen jemand folgte.
Er
lachte spöttisch. "Sie müssen uns nicht folgen. sie sind jetzt in meiner
Wohnung, trinken mein Bier und installieren eine Überwachungskamera."
"Aber
wie konnte es eine abgekartete Sache sein?" protestierte sie. "Du
hast sie gefunden, nicht sie Dich. Und Liams DNA? Sie stimmt überein. Du hast
gesehen, wie sie das Blut abnahmen. Sie können das nicht gefälscht haben."
Seine
Augen ruhten kurz und unparteiisch auf ihrem Gesicht. Der Ausdruck darin
schreckte sie ab. "Ich glaube, daß Liam der einzige ist, der hier real
ist."
Sie
keuchte flach und drehte sich weg von ihm. Mulder verletzt und wütend war die
eine Sache. Mulder bewußt grausam war etwas, wogegen sie sich nicht verteidigen
konnte.
"Sie
wollten, daß wir ihn bekommen. Offensichtlich wollten sie nicht, daß wir
herausfinden, daß sie Bescheid wissen. Aus irgendeinem Grund sollten wir
annehmen, daß wir sie in ihrem eigenen Spiel geschlagen haben."
Scully
wartete darauf, daß die vertraute Leidenschaft in seine Stimme zurückkehrte,
die wir-werden-diese-Bastarde-dafür-bezahlen-lassen-Entschlossenheit, die Art,
wie es immer war, wenn diese Männer - wer auch immer zur Hölle sie waren -
kamen und ihre Leben durcheinanderbrachten.
Aber
da war nichts in seiner Stimme als eine Art selbstanklagender Bitterkeit... und
er hatte offensichtlich seine Meinung dahingehend geändert, daß sie nicht
länger an seiner Seite war.
Mulder
wandte sich von ihr ab und zog eine Schulter hoch, konzentrierte sich auf die
Straße.
"Aber
warum, Mulder? Warum würden sie wollen, daß wir ihn bekommen? Du hast es selbst
gesagt: er ist ein Beweis."
"Warum
wollten sie, daß Du Emily bekommst?"
Sie
starrte sein Profil an und runzelte die Stirn. "Sie wollten nicht, Mulder.
Ich fand..."
"Du
fandest sie? Warum San Diego? Die Stimme Deiner toten Schwester am Telefon? Und
Dein Bruder und Tara plötzlich schwanger, nachdem sie dort stationiert wurden?
Du hast mir selbst gesagt, daß sie es jahrelang versucht haben."
Sie
saß erstarrt da. "Mulder, nein, nicht..."
Er
bewegte eine Schulter in einem winzigen Achselzucken.
"Tara
ist wieder schwanger," erzählte sie ihm.
Er
sah nicht überrascht aus.
"Sag
mir, daß Du keinen Beweis hast..." flüsterte sie.
Er
seufzte frustriert, dann schüttelte er den Kopf.
Sie
atmete tief ein. "Wenn sie wollten, daß ich sie bekomme, warum gaben sie
mir dann nicht die Mittel, um sie am Leben zu erhalten?"
Er
schloß seine Augen für eine Sekunde.
"Oh.
Mist," sagte sie in einem sehr leisen Flüsterton.
"Mulder?"
Er
ignorierte sie und kniff seine Augen zusammen, konzentrierte sich scheinbar auf
den zunehmenden Verkehr, als sie durch die Innenstadt fuhren. Aber sie hatte das Gefühl, daß er nichts
davon sah. Sie kannte diesen Ausdruck. Er versetzte sich zurück, versuchte die
Teile zu sortieren.
Sie
drehte sich um und sah zu Liam. Er gluckste und sie bot ein winziges Lächeln
für ihn auf. Dann drehte sie sich zurück zu Mulder.
Schließlich
schüttelte er den Kopf.
"Nein.
Sie konnten es vorher gar nicht gewußt haben. Tatsächlich lief alles gut, bis
ich kam, um Dich zu sehen. Und seitdem habe ich jeden Schritt vermasselt. Ich
und mein gottverdammter Plan." Seine Stimme war unerträglich spöttisch.
"Mulder,
nicht..."
"Mulder,
nicht was? Dir nicht etwas sagen, was Du wirklich nicht hören möchtest?"
Sie
starrte ihn an. "Was?"
"Du
sagst mir, ich soll Dich nicht schützen, daß Du die Wahrheit wissen möchtest.
Aber wir wissen beide, daß das nicht die ganze Wahrheit bedeutet, nicht
wahr?" Er blickte sie an, seine Augen zynisch. "Nun, ich weiß nicht,
welche Teile Du von mir überhaupt erwartest, daß ich sie herausfiltere."
"Mulder..."
Sie verstummte schockiert.
"Weißt
Du, wie schwer es war, Dir nicht von ihm zu erzählen?"
Schweigend
schüttelte sie den Kopf.
"Ich
hatte vor, Dir von ihm zu erzählen... versuchte, Dir von ihm zu erzählen, als
ich nach L. A. kam. Aber Du standst da mit Deinem glücklichen neuen Leben und
Deiner Schublade voller Kondome und Deiner ‚Fuck-yourself-Mulder'-Einstellung
und..." Sein Blick glitt kurz über sie hinweg. "Es war einfacher, mit
Dir zu schlafen als in Deine Augen zu sehen und zu versuchen, herauszufinden,
ob Du wissen wolltest, daß Du einen Sohn hast."
Sie
erstarrte.
"Also
habe ich Dich hierher geschleppt und gehofft..." Er machte einen langen holprigen
Atemzug. "Ich dachte, wenn Du es herausfindest, würdest Du begeistert
sein. Aber Du hast es mir regelrecht ins Gesicht geschleudert." Seine
Lider flatterten einen Moment, dann schüttelte er den Kopf und beobachtete
ausdruckslos die Fußgänger, die vor ihnen an einer Ampel vorübergingen.
"Mal sehen, was habe ich denn noch so vermasselt? Wieder mit Dir
geschlafen, obwohl ich mir geschworen hatte, es nicht zu tun. Ich habe Dich
praktisch beinahe umgebracht. Wieder einmal." Er hätte genauso gut eine Einkaufsliste
abhaken können. "Und dann wieder mit Dir geschlafen, wo... sieh Dich
an..." Seine Augen glitten seitwärts, um sie eine Sekunde lang anzusehen,
dann wieder fort. "... Du wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung hast.
Das alles, weil ich meine gottverdammten Hände nicht von Dir lassen kann."
Seine
Finger schlossen sich plötzlich fest um das Lenkrad.
Sie
hätten genauso gut an ihrem Hals sein können. Sie realisierte, daß sie nicht
atmete, schloß ihre Augen und konzentrierte sich auf den Versuch, zu atmen.
"Ich
dachte... ich dachte, er würde einiges von dem ganzen Scheiß wieder gutmachen,
den Du wegen mir durchmachen mußtest. Oder sogar..." Seine Stimme tropfte
auf einmal vor Sarkasmus. "... daß plötzlich alles vergeben sein würde und
Du zurückgerannt kommen würdest." Er schnaubte. "Was für ein
verdammter Narr bin ich."
Sie
öffnete ihren Mund, aber sie hatte keine Ahnung, was sie dazu sagen sollte.
"Du dachtest was?" kam heraus, aber dann brach ihre Stimme. Sie
atmete tief ein und versuchte es noch einmal. "Du dachtest, Du könntest
Liam benutzen..., um mich zu bestechen... zurückzukommen?"
Er
drehte seinen Kopf und traf ihre Augen, forderte sie heraus. "Schockiert
Dich das? Du wußtest doch immer, daß ich ein Arschloch bin, richtig? Deswegen bist Du gegangen."
Sie
wollte ihre Hand auf seinen Mund schlagen und schreien Stop!, aber alles, was
sie tun konnte, war dazusitzen und ihn anzustarren und seine vernichtenden
Worte durch das Auto ziehen zu lassen.
"Und
jetzt... Das. Du. Heute. Sie..." Er machte eine heftige wütende Geste,
alles einschließend. "Sie haben es herausbekommen. Sie haben verdammt noch
mal herausgefunden, was ich gemacht habe und ich habe keine Ahnung wie. Frohike und ich, wir waren so vorsichtig."
"Aber,"
sagte sie. "Wir haben ihn bekommen. Er ist jetzt hier." Sie guckte zu
Liam, er schwenkte seine Ärmchen, als er sie sah. Sein Gesicht kräuselte sich
zu einem breiten Lächeln.
Gott.
"Du
hast es immer noch nicht begriffen, nicht wahr? Er sollte unser ein.
Nun
gehört er ihnen."
Ihr
Gehirn konzentrierte sich auf ein Wort: ‚unser'. Sie sah kurz zu Mulder zurück.
Seine
Augen verengten sich. "Aber es geht nicht mehr um Dich. Es geht um ihn.
Ihn zu schützen."
"Mulder.
Was dachtest Du..."
"Ich
weiß nicht, was ich verdammt noch mal gedacht habe." Seine Augen glitten
herüber, um ihre zu treffen. "Ich bezweifle, daß ich in diesem Punkt
überhaupt gedachte habe."
Sie
fühlte sich überall wund, als wenn jedes Nervenende in ihrem Körper geschunden
worden war. Und ihr Kopf. Gott, wenn sie nicht bald etwas dagegen tat, würde
sie sich übergeben.
"Mulder...
hör auf," protestierte sie. "Tu das nicht."
Er
starrte sie immer noch an, ließ sie schließlich seine Enttäuschung, die er
wegen ihr empfand, völlig in seinen Augen sehen. "Ich wünschte, ich wäre
niemals bei Dir aufgekreuzt..."
"Genug!"
unterbrach sie ihn mitten im Satz. "Fahr ran."
"Was?"
"Halt
das Auto an."
"Kann
das nicht bis zum Flughafen warten...?"
"Nein,"
sagte sie scharf. "Ich sagte, halt das Auto an."
Er
fuhr den Wagen ohne Kommentar an die Seite und starrte geradeaus.
"Mach
den Kofferraum auf."
Mulder
bediente den Kofferraumhebel und lehnte sich in seinen Sitz zurück. Er sah sie nicht an, trommelte nur langsam
mit seinen Fingern auf das Lenkrad.
Ihr
Koffer war natürlich ganz unten. Sie stieß seinen zur Seite und fummelte,
während ihr der Schweiß über das Gesicht lief, am Kombinationsschloß und wühlte
nach ihrer Schminktasche. Dankbar schlossen sich ihre Finger um das kleine
Fläschchen. Halbgeschlossen stopfte sie ihren Koffer zurück, warf die Kofferraumklappe
zu und sah sich um. Sie hatten an einem Park am Fluß gehalten. Und, sie seufzte
erleichtert, da war ein Imbißstand.
Während
sie sich anstellte, beobachtete sie eine Familie, die Fotos vor einem großen
steinernen Springbrunnen am Wasserrand machte.
Mutter,
Vater und drei kleine Mädchen stellten sich in Pose, während ein anderer
Tourist das Foto machte. Sie sagten alle ‚cheese' gerade, als der Mann auf die
Frau herabsah und lächelte...
Gott.
Er
hatte sich geschworen, er würde nicht mit ihr schlafen?
Er
bereute es?
War
das wahr?
Sie
hatten den Kreis geschlossen. Zurück zu ihr, die schockiert zuhörte, als er die
wütenden Worte ausspuckte. Worte, die sie verletzen sollten. Worte, die sie wegstoßen sollten.
Was
ist es nun? Tatsächlich das Ende für sie beide?
Sie
sollte wütend auf ihn sein, aber...sie erkannte Selbstgeißelung, wenn sie sie
sah und sie kannte die Hinterhältigkeit dieser Männer... was sie ihrer beider
Leben angetan hatten. Er hatte ihr erzählt, wieviel das Baby ihm bedeutet
hatte; herauszufinden, daß Liam irgendwie Teil ihres furchtbaren Planes war,
war ein letzter Schlag... und er glaubte, sie hatte ihn im Stich gelassen...
wieder. Zwei letzte Schläge.
Anstelle
von Wut war alles, was sie empfand, eine Art von makabrem Mitleid... und ein
taubes Gefühl, beinahe als würde sie schweben. Heiß und schwebend, hoch über
all dem.
Es
tat ihm leid, daß sie miteinander geschlafen hatten...
Scully
schloß ihre Augen gegen die schimmernde Hitze des Pflasters... sie konnte immer
noch seine Augen sehen.
Gott.
Es
mußte der Klang der Wahrheit gewesen sein. Es war die Wahrheit.
Sie
öffnete ihre Augen, als die Familie davonging, schnatternd und lachend wie
richtige Touristen. Ihr Mund verzog sich sehnsüchtig, als sie sie beobachtete,
dann konzentrierten sich ihre Augen auf die wasserspuckende Statue und
versuchte, zu entziffern, was es war...
"Nur
das, Miss, ja?" fragte der Imbißverkäufer, auf den Saft und das Wasser
deutend, das sie sich genommen hatte.
Sie
nickte, und dann, als sie bezahlte, sah sie die Einwegkameras in der Auslage
und kaufte auch noch eine davon.
Die
Flaschen jonglierend öffnete sie die Autotür und sank dankbar zurück in die
Kühle drinnen.
Mulder
hatte sich zurückgelehnt an die Kopfstütze, seine Augen waren geschlossen.
Sie
sah nach hinten zu Liam, der wieder eingeschlafen war in seinem Sitz. Er würde wahrscheinlich die ganze Nacht im
Flugzeug wach sein. Sein Gesicht war so süß und in einer Hand hielt er seine
Klapper, sogar im Schlaf. Gott sei Dank war er zu klein, um irgend etwas von
dem hier zu verstehen.
Ihre
Augen gingen zurück zu Mulder und wanderten über sein Profil, Erschöpfung und
Niederlage waren in jede Linie seines Gesichtes geprägt. Mit Schrecken bemerkte sie erste graue
Strähnen an seiner Schläfe.
Mulder
wurde grau.
Dieses
Anzeichen traf sie schwerer als alles, was er während seiner Schimpfkanonade
von sich gegeben hatte.
All
diese Jahre hatte sie auf ihre Gelegenheit gewartet, darauf gewartet, daß Dr.
Dana Scullys perfektes Leben schließlich begann: perfekte Karriere, perfekter
Mann, perfektes Haus und irgendwie sogar zwei bis vier perfekte Über-Kinder.
Sie hatte sich selbst überzeugt, daß der Tag kommen würde und alles würde in
Ordnung kommen und sie würde plötzlich, augenblicklich, mühelos glücklich sein.
Und
Mulder... sie hatte sich gesagt, wenn sie sich in ihn verlieben würde, wenn sie
diesen unvollkommenen Mann in ihr Herz ließ... dann würde ihr wirkliches Leben
vermasselt werden.
Irgendwie
hatte sie die Tatsache, daß dies ihr wirkliches Leben war, total ignoriert. Und
er hatte gerade ein weiteres halbes Jahr damit verbracht, ihrem Kind zu folgen.
Oh
Mulder, dachte sie, ihre Augen liefen über sein Gesicht, was habe ich getan?
Sie
nahm den Schweißfilm auf seiner Stirn wahr, die blaßgraue Farbe seiner Haut.
Ihre Augen gingen zu seinem Puls, der an seinem Hals flatterte. Es war schwer,
ihn visuell zu prüfen, aber...
"Mulder."
Er
öffnete seine Augen und sah sie an. Der Ausdruck in seinen Augen war... fürchterlich.
"Hier,"
sagte sie. "Ich habe Dir Saft mitgebracht. Trink ihn."
Seine
Lider flatterten ein wenig. "Ich dachte, du bist gegangen."
Sie
zog eine Augenbraue hoch.
"Ich
dachte," sagte er langsam. "... Du wärst aus dem Auto gestiegen,
hättest Deinen Koffer genommen und mich hier mitten in Singapore
zurückgelassen."
Sie
hielt ihm das Fläschchen Tylenol hin, damit er es sehen konnte. Seine Augen
glitten von ihrem Gesicht weg und konzentrierten sich auf das Fläschchen. Er
sah zu, wie sie vier Tabletten herausschüttete und sie mit einem wohltuenden
Schluck ihres Getränks herunterschluckte. Seine Augen trafen wieder ihre. Der
fürchterliche Ausdruck darin war weg, ersetzt durch eine Art verlegene
Vorsicht.
Mulder
hielt ihr seine Hand hin, die Handfläche nach oben.
Scully
schüttete zwei Tabletten darauf und gab ihm seinen Saft.
"Ich
habe Dich tatsächlich dafür bewundert," fuhr er fort, seine Stimme
erschöpft. "Daß Du den Mumm hattest, einfach auszusteigen und mich
erbärmlichen Arsch ein zweites Mal im Stich zu lassen."
Sie
kaute kurz auf ihrer Lippe und dachte darüber nach. "Und Dich allein
lassen mit Liam auf diesem Flug?"
"Uns
wird es gut gehen."
Autsch.
Getroffen.
"Du
hattest meinen Paß," sagte sie schließlich leise.
"Und
Dein Ticket." Er griff in seine Manteltasche und holte ihre Pässe und ihre
Tickets hervor und sortierte ihre aus. "Hier." Er hielt sie ihr hin.
Scully
sah nicht einmal hin. "Ich habe lange darauf gewartet, die Wahrheit von
Dir zu hören, Mulder," sagte sie ihm, ihr sorgsam kühler Ton verdeckte die
Tatsache, daß ihr Inneres nicht gerade fest war. "Ich meine, ich kann
damit umgehen, ohne zu gehen."
Er
sah sie an, vollkommen verständnislos.
Sie
leerte ihre erste Flasche Saft und öffnete eine zweite. Sie fühlte sich gleich
besser. Mulder war gerade dabei, seine zu leeren. Sie versuchte sich an das
letzte Mal zu erinnern, als sie ihn irgend etwas essen gesehen hatte. Er hatte
nicht besonders viel gegessen, seit sie angekommen waren.
Plötzlich
war sie hungrig. Sehr hungrig. Wenn sie sich und ihn durch die nächsten fünf
Minuten bringen konnte, dann würden sie Mittag essen gehen.
"Sieh
mal," sagte er. "... Du..."
"Hör
auf!" sagte sie klipp und klar. "Ich sagte, ich kann damit umgehen,
nicht daß ich darüber heute noch irgend etwas hören will." Sie machte eine
Pause. "Und NIE wieder vor Liam. Ist das klar?"
Mulder
kräuselte seine Lippen, dann drehte er sich um und sah über seine Schulter
hinweg zu Liam. Sie beobachtete ihn, wie er das schlafende Baby betrachtete.
Die Haut rund um seine Augen sah noch blutunterlaufen aus, aber die Farbe
kehrte in sein Gesicht zurück.
"Mulder.
In Ordnung. Sie wissen Bescheid. Aber vergiß nicht, was hier wichtig ist...
eine Sache. Und jetzt laß ihn uns zum Teufel noch mal aus Singapore
rausbringen."
Mulder
drehte sich zurück zu ihr und sie sah ihm direkt in die Augen, als er ihr
Gesicht erforschte. Sie wußte nicht, ob er irgendwelche Antworten dort fand,
aber schließlich sah er herab auf den Paß und das Ticket, die er immer noch in
der Hand hielt, als könnte er sich nicht erinnern, wie sie dahin gekommen
waren.
Er
steckte sie zurück in die Innentasche seines Mantels.
Scully
seufzte innerlich tief erleichtert auf und sah auf die Autouhr. Sie hatten noch
ein paar Stunden Zeit, bis ihr Flugzeug ging. Als nächstes:
Essen.
Sie
sah, wie seine Augen zu der Kamera in ihrem Schoß gingen.
"Zuerst
Mittag," sagte sie. "Und dann... für den Fall, daß uns irgend jemand
beobachtet, werden wir eine glückliche Touristenfamilie spielen. Weil..." Sie nahm die Kamera und
schwenkte sie halb verlockend, halb ermahnend. "Weißt Du was? Ich weiß, wo
Dein Merlion ist, Mulder."
Teil
19
Venice
Beach
Ihre
Nase war bequem in dem vertrauten Geruch ihres eigenen Kissens versunken... sie
öffnete ein Auge... draußen war es hell. Morgen? Nachmittag? Benommen drehte sie ihren Kopf
und musterte die Qualität des Lichtes durch das Fenster... neblig... im Juli?
Sie
hob ihren Kopf heftig an. War es ein Traum gewesen?
Sich
für einen Moment still verhaltend, lauschte sie auf die Geräusche in ihrem
Apartment. Es war so still.
Waren
sie gegangen?
Sie
schwang ihre Beine aus dem Bett und eilte, schweigend und nackt, zur ihrer
Schlafzimmertür.
Es
brauchte den Bruchteil einer Sekunde, den Raum zu untersuchen. Die Couch war
leer, die Decken und Laken zusammengefaltet am Ende. Die Badezimmertür stand
offen. Er war nicht im Apartment.
Aber
Liam war da. Noch zusammengerollt, fest eingeschlafen, in dem Nest von
Steppdecken, das sie ihm gemacht hatte in dem kleinen Alkoven am Ende des
Arbeitsbereiches in ihrem Wohnzimmer.
Und
da war Mulders Koffer. Sie atmete aus. Ein scharfes unbeabsichtigtes Geräusch
der Erleichterung.
Scully
bemerkte, daß sie eine Hand fest zur Faust geballt und an ihr Herz gedrückt
hatte. Ihr Puls war von null auf hundertfünfzig in zwei Minuten gestiegen.
Einen
Moment beobachtete das Heben und Senken von Liams Brust, dann, tief einatmend,
entspannte sie bedächtig ihre Faust und eilte ins Badezimmer.
Der
Boden war feucht, die Luft schmeckte nach seinem Shampoo. Seine Waschtasche
stand auf der Ablage.
Er
war noch hier. Liam war noch hier.
Was
zur Hölle sollte sie tun?
Sie
mußte einiges herausfinden. Schnell.
Ihr
Bild im Badezimmerspiegel hielt plötzlich ihren Blick fest. Oh Gott.
Sie
sah schrecklich aus.
Scully
lehnte sich nach vorn, um ihren Bluterguß im Spiegel kritisch zu untersuchen.
Es war eine grelle Mischung aus grün und gelb. Und nun konnte sie etwas anderes
sehen als in dem schlecht beleuchteten Spiegel des Flugzeugwaschraums, sie
erkannte, daß die Wunde schlimmer wurde, als sie eigentlich geglaubt hatte, sie
schimmerte rot und blau mit einem Hauch gelb und warf Schatten auf die empfindliche
Haut unter ihrem Auge.
Nein.
Kein Traum.
Sie
machte einen Schritt zurück und inspizierte ihren ganzen Körper. Ihr nackter
Körper sah zu schmal aus, zu dünn... lauter Ecken und Blutergüsse. Ein häßlicher grünlich-roter Fleck bedeckte
ihre ganze Seite. Ihre Rippen und ihre Hüftknochen stachen zu weit hervor...
ihre Brüste waren klein und sahen verlassen aus... Nicht unbedingt anziehend
für jemanden, dachte sie traurig. Gott, niemand anderes als Dein eigener
Spiegel sagt Dir die Wahrheit.
Als
sie ein Geräusch aus dem Wohnzimmer hörte, straffte sie sich, dann entspannte
sie sich. Es war definitiv das Geräusch eines hungrigen Babys.
Sie
griff ihren Bademantel, der noch hinter der Badezimmertür hing, wo sie ihn vor
Millionen von Jahren gelassen hatte und zog ihn über.
Als
das Baby sie sah, hörte es auf zu weinen und lächelte.
"Hey,
Liams," sagte sie sanft. "Bist Du froh, aus dem Flugzeug heraus zu
sein? Ich auch." Sie kniete sich neben ihn, nahm ihn in den Arm und küßte
ihn auf die Nase. "Wo ist Du-weißt-schon-wer?"
Liam
guckte sie nur aus großen Augen an, ohne zu antworten.
"Das
ist Dein neuer Papa für Dich," erzählte sie ihm, ihr Ton halb scherzhaft.
Er hatte einen seiner Socken verloren und sie suchte mit ihrer freien Hand
unter seinen Decken danach. "'Liam,'" sagte sie in ihrem besten
Mulder imitierenden Ton. "'Ich höre, es wurden Lichter am Himmel über
Wyoming gesehen. Ich muß da hin. Wir sehen uns in einer Woche, little
Buddy.'"
Liam
lachte.
Scully
lachte hocherfreut zurück und umarmte ihn. "Ich wußte nicht, daß Du groß
genug bist, um zu lachen. Das ist richtig. Lache nur, wenn er Dir das
erzählt."
Sie
hielt seinen dicken kleinen Fuß an ihren Mund und küßte ihn auf den weichen
Spann. "Nicht, daß er mich jemals gewarnt hat, weißt Du." Sie senkte
ihre Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. "Sag ihm einfach:
Aber,
Papi, mein Socken ist verschwunden! Ich glaube, kleine graue Männchen haben ihn
geholt. Vielleicht bleibst Du besser zu Hause und untersuchst das!"
Liam
lächelte sie an, dann begann er seine Ärmchen aufgeregt zu schwenken.
Sie
senkte ihren Kopf und legte ihre Lippen an sein Ohr.
"Vielleicht
sollte ich Dich stehlen," flüsterte sie. "Dich verschwinden
lassen." Sie sah auf ihn herab. "Wie würde Dir das gefallen?"
Dreißig
Sekunden lang zog sie es in Erwägung.
Sie
seufzte. Ich wünschte, ich könnte es tun, dachte sie. Ich wünschte, es wäre so
einfach.
Liam
gab, wie sie nun erkannte, sehr hungrige Geräusche von sich und sie wühlte in
seiner Tasche nach einer Flasche Fertignahrung. "Da haben wir sie! Gott
sei Dank haben wir eine übrig gelassen."
Das
Baby seufzte zufrieden, als es nach dem Nuckel schnappte.
Der
Rest des Nachmittags in Singapore und das Besteigen des Flugzeug war ihr nur
verschwommen in Erinnerung. Sie hatten kaum zehn Worte miteinander gewechselt.
Zwischen dem geisttötenden Dröhnen der Maschinen, ihrem gezwungenen
Waffenstillstand und dem zunehmend unglücklichen Baby war ebensowenig eine
Chance zum Reden gewesen.
Hin
und wieder glitten sie in so etwas wie eine normale Unterhaltung, ohne das zu
erwähnen, was sie gerade durchgemacht hatten oder wohin sie ihr Weg führte. Es
war, als wenn sie sich in einem Zustand zeitweilig außer Kraft gesetzter
Wirklichkeit befanden, in der was vorher geschehen war und was als nächstes
geschehen würde, einfach nicht existiert.
Auf
der zweiten Etappe des Fluges - noch acht Stunden von L. A. entfernt -
reagierten sie beide nur noch mechanisch.
Liam
schrie in panischer Angst, die sie beide zermürbte, als sie versuchten, ihn in
die Korbwiege zu legen, so daß er die ganze Zeit in Mulders Schoß lag,
unregelmäßig dösend, offensichtlich unglücklich.
Mulder,
seinen Kopf über das Baby gebeugt, summte ihm ein kleines Lied vor und
streichelte zärtlich seine Schulter und versuchte, ihn zu beruhigen.
"Armer
kleiner Junge," sagte sie leise.
Mulder
sah sie an, sein Gesichtsausdruck verschlossen, seine Augen sorgfältig auf
Distanz. "Ich frage mich, ob er seine Kinderschwester vermißt."
"Naja...
Matthew kennt Tara," sagte sie, sich um einen normalen Tonfall bemühend.
Sie drehte ihren Kopf und ließ ihre Haare vors Gesicht fallen, um ihre
Gesichtszüge vor ihm zu verbergen, als sie sich in einer von Liams Taschen
vergrub auf der Suche nach etwas, irgend etwas, einer Eingebung...
Stoffwindeln
im Flugzeug. Was für ein Alptraum.
"Manchmal,"
fuhr sie fort, "wenn er weint, will er nur sie. Niemand sonst kann ihn
glücklich machen. Ich habe Madame C. gefragt. Sie sagte, daß er von
verschiedenen Schwestern versorgt worden ist, gerade aus diesem Grund. Aber er kennt uns noch nicht..." Sie
hielt inne, sie hatte das unbehagliche Gefühl zu schwatzen.
Liam
wand sich plötzlich und krümmte seinen Rücken.
"Möchtest
Du, daß ich ihn nehme?" fragte sie.
"Nein."
Er schaukelte Liam etwas fester. Er schien beschlossen zu haben, alles allein
zu tun.
"Versuch,
ihn auf den Bauch zu legen, Mulder. Reib seinen Rücken."
Er
zögerte eine Sekunde, dann drehte er das Baby vorsichtig um und tat, was sie
vorgeschlagen hatte. Liam schien sich ein bißchen wohler zu fühlen und schloß
seine Augen wieder.
"Sieh
mal!" sagte sie triumphierend. "Ein Binky."
"Ein
was?"
"Ein
Binky," sagte sie und hielt den Schnuller auf ihrer Handfläche.
"Das
ist ein Nuckel," informierte sie Mulder.
"Danke,
Dr. Spock."
Sie
schob den Binky auf ihren Finger wie einen Ring und lehnte ihren Kopf zurück an
ihren Sitz und betrachtete das schlafende Baby. In nicht einmal dreißig
Sekunden fielen ihr die Augen zu.
Liam
wählte diesen Moment, um ein plötzliches Wimmern von sich zu geben. Sie tauchte den Schnuller in ihr Glas Cola,
um ihn abzuspülen, wischte ihn an der Serviette ab und hielt ihn dem Baby an
die Lippen. Nach einem bißchen Nörgeln nahm er ihn in den Mund, schloß seine
Augen und begann, heftig zu nuckeln.
"Cola?
Du wirst ihm die Zähne ruinieren."
"Er
hat keine Zähne."
"Aber
er wird welche haben," konterte Mulder.
"Nicht
vor dem Ende dieses Fluges. Hoffentlich. Womit sollte ich ihn sonst
waschen?"
"Du
bist Ärztin. Er sollte sterilisiert sein."
"Ich
bin auch die zweitjüngste von vier Kindern. Ich kann mich erinnern, das Charlys
Binky in viel stärkeren Sachen gewaschen wurden - und viel kräftiger - als
Cola."
"Ich
hätte Miss Singapore rufen können, damit sie uns ein bißchen heißes Wasser
bringt."
"Und
eine halbe Stunde später, wenn sie es gebracht hätte, hätte er immer noch
geweint? Sieh ihn an."
Liam
war fast eingeschlafen.
"Cola
kann den Rost von einem Vergaser wegfressen."
"Mul-der."
Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück, schloß die Augen und hoffte, daß das die
Diskussion beenden würde.
Lernen,
Eltern zu sein in 12.000 Metern Höhe...
Ein
unerwartetes gurgelndes Geräusch in ihrem Schoß brachte sie in die Wirklichkeit
zurück und ihre Finger trafen auf etwas warmes, feuchtes und klebriges.
"Äh...oh. Was ist das?" Sie drehte ihn herum und sah auf seinen
Rücken. "Nun, Mr. Baby, Du hast eine sehr volle Windel. Was für ein
Chaos! Gott sei Dank sind wir damit
nicht mehr im Flugzeug."
Liam
sah sie an. lächelte und gurgelte glücklich. Er griff nach ihrem Bademantel,
hielt sich ordentlich fest und begann daran zu ziehen.
"Zufrieden
mit Dir, nicht wahr?" Sie griff seine Tasche und brachte ihn ins
Badezimmer.
"Erzähl
mir nichts," sagte sie zu ihm und suchte in seiner Tasche. "Nur eine
saubere Windel ist übrig?"
Sie
öffnete seinen roten Strampler und zog ihn herunter. "Oha." Sie
brachte es fertig, ihm den Strampler auszuziehen und ihn in das Waschbecken zu
werfen.
Sie
löste vorsichtig die Stoffwindel und hüllte sie in die Gummihose. "Ich
möchte sowas nicht noch einmal sehen," sagte sie zu ihm und warf sie in
Richtung Abfalleimer. Sie landete natürlich mit einem durchnäßten Platsch auf
dem Fußboden.
"Halt
still, Liam, halt still. Ohhhh. Liams."
Statt
dessen wackelte er vor Freude und nun war er von oben bis unten beschmiert. Sie
sah hinunter auf ihre Knie. Ihr Bademantel war auch beschmutzt.
Liam
hatte entschieden, daß ihre Haare das beste Spielzeug waren, das er jemals
gesehen hatte und er packte sie mit seinen kleinen Fäusten. Zu spät erkannte
sie, daß sie es zuerst nach hinten hätte stecken müssen, bevor sie das hier
begonnen hatte. Sie schob es mit ihren Schultern zurück, so gut sie konnte.
"Okay,
Mr. Stinky. Badewannenzeit für Dich."
Scully
drehte den Wasserhahn auf und lehnte sich nach vorn, um die Wassertemperatur mit
ihrem Ellbogen zu prüfen. Sie sah zu Liam herüber, der beinahe auf der Seite
lag und versuchte, nach dem Saum ihres Bademantels zu greifen und sich
gleichzeitig umzudrehen.
Sie
griff nach ihm. "Oh nein, so nicht" meinte sie, hob ihn hoch und
hielt ihn ungeschickt unter das laufende Wasser. So gut sie konnte wusch sie
ihn ab, während er lachte und seine Arme schwenkte und ihr Wasser ins Gesicht
spritzte und auf ihren Bademantel. Es war beinahe unmöglich, ihn zu halten und
gleichzeitig zu waschen.
"Liam,
Du bist ein glitschiger kleiner Kürbis." Sie sah an sich herab. Das Baby
war ziemlich sauber, aber nun war sie schmutzig. "Okay. Rück rüber. Ich komme rein."
Sie
hob ihn aus der Wanne, steckte den Stöpsel in den Abfluß und ließ frisches
Wasser ein.
"Ich
wette, jemand hat, was wir brauchen in seiner Waschtasche." Sie griff nach
Mulders Tasche auf dem Badezimmerregal, sie fiel herunter und der Inhalt
verteilte sich auf dem Boden. "Oh, Sch..., wir müssen das nachher
aufheben." Mit ihrem Fuß wühlte sie durch die umherliegenden
Toilettenartikel, Rasierer, Rasierschaum, Rasierpinsel, Deo, Zahnpasta. Shampoo. "Da haben wir es. Siehst Du?
Ich kenne alle seine Geheimnisse." Sie ließ ein bißchen Babyshampoo aus
der Reiseflasche unter das fließende Wasser laufen.
Liam
lächelte sie an, als hätte sie irgend etwas komisches gesagt. "Gut,"
verbesserte sie sich vorsichtig. "Früher wenigstens."
Sie
zog ihren Bademantel aus und warf ihn in die Ecke.
"Okay,
da wären wir. Zurück in die Wanne." Sie stieg hinein, setzte sich im Schneidersitz
hin und bettete Liam in ihrem Schoß. "So. Besser?"
Er
lächelte sie wieder an und sie küßte ihn auf seine dicke Wange. "Du bist
ein kleiner Schatz, weißt Du. Ich wünschte..." Sie verstummte
seufzend. "Ich wünschte nur."
ein
paar Stunden vorher
irgendwo
über dem Pazifik
Das
stetige Dröhnen der Flugzeugmaschinen war eins geworden mit ihrem Nervensystem.
Der Geruch der Flugzeugsitze, das Baby und Mulder, ihre ganze Welt. Sie war
beinahe eingeschlafen, ihr Gehirn taub...
"Fühlst
Du Dich etwas besser?" fragte er leise.
Sie
dachte darüber nach, ohne ihre Augen zu öffnen. Wunderbarerweise hatte in dem
kühlen, trockenen Inneren des Flugzeugs ihr Kopf schließlich aufgehört zu
hämmern. Aber sie war wahrhaftig erschöpft. Physisch und mental.
Sie
öffnete ihre Augen.
Er
beobachtete sie.
Scully
ließ ihren Blick über das Bild, das er abgab, streichen. Das schlafende Baby in
seinem Schoß. Sein Haar ein einziges Durcheinander, sein Kinn bedeckt mit einem
sechsunddreißig Stunden alten Bart. Sein teures Hemd am Kragen offen,
zerknittert und mit Babyspucke befleckt. Ein Spucktuch über der Schulter. Seine
Augen müde, aber hinter der Zurückhaltung konnte sie es plötzlich klar sehen -
Sorge um sie.
Sie
fühlte das altvertraute Ziehen in ihrem Herzen, stärker, eindringlicher denn
je.
Anstatt
es wegzuschieben, ließ sie das Gefühl durch ihren Körper fließen, bis es so
war, als wenn das, was sie für ihn empfand ihr Blut war, das von ihrem Herzen
warm durch ihre Adern, Arme, Beine, Finger, Zehen... Kopf gepumpt wurde.
Die
Stärke dieser Empfindung nahm ihr den Atem.
Sie
wollte ihre Hand ausstrecken und die Stoppeln an seinem Kinn berühren, ihre
Finger an seinen Mund legen...
Er
wartete immer noch auf eine Antwort und beobachtete sie neugierig.
"Äh...
besser. Danke." Sie schluckte schwer. "Aber ich denke, ich werde zum
Röntgen gehen, nur für den Fall, wenn wir zurück sind."
Er
nickte. "Ich hätte Dich doch in ein Krankenhaus bringen sollen."
"Mmmnhph,"
murmelte sie zurückhaltend. "Was ist mit Dir?" fragte sie. "Wie
fühlst Du Dich?" Er schürzte seine Lippen und sagte gar nichts. Sie meinte
es physisch, aber das war es offensichtlich nicht, was er annahm.
Mulder
sah auf das schlafende Baby herab und ein Muskel in seiner Wange zog sich
zusammen. "Ich bin in Ordnung," murmelte er schließlich.
Scully
glaubte es nicht.
Sie
mußte ihn berühren, hob ihre Hand und legte sie auf seine. Seine Haut fühlte
sich trocken und kalt an. Ihre Finger glitten eigenmächtig zu seinem Handgelenk.
Fest drückte sie ihre Fingerspitzen auf seine Adern. Sie mußte sein Blut auch
warm durch ihn fließen fühlen.
Sie
waren so darum bemüht gewesen, sich nicht zu berühren. Darum. Der Kontakt war
erregend, elektrisierend, der Strom floß von ihrem Körper in seinen und wieder
zurück. Sie konzentrierte sich auf das Gefühl, nahm es in sich auf und fragte
sich wieder, wenn es möglich war, daß diese Gefühle für ihn durch ihr Blut
strömten - ob diese Leidenschaft einseitig sein konnte. Sie konnte sein Herz schlagen fühlen, zuerst
in ihren Fingern, dann in ihren Händen, dann schließlich in ihren Armen und in
ihrer Brust. Mit einem Mal erkannte sie, daß ihre Herzen gemeinsam schlugen.
Perfekt zeitgleich. Die Haare an ihren
Armen standen ihr zu Berge, als sie mit ihren Fingern lauschte. Bumm. Bumm.
Bumm.
"Fühlst
Du meinen Puls?" Er klang amüsiert.
Sie
sah ihn schnell an. Konnte er es nicht auch fühlen?
Mulder
sah auf ihre Hände herab. Er drehte seine Hand in ihrer um und legte seine
Finger um ihr Handgelenk, seine Finger fühlten auch ihren Puls.
Ihr
Handgelenk sah sehr schmal und zerbrechlich aus in seiner Hand. Zu
zerbrechlich. Und der Bluterguß sah schlimm aus. Sie bog es ein bißchen,
beruhigt durch das Muskelspiel unter ihrer Haut.
Mulder
räusperte sich.
"Danke,"
sagte er leise.
"Wofür?"
"Dafür,
daß du uns da weggebracht hast. Ich glaube, ich würde immer noch
dasitzen."
Scully
senkte ihren Kopf und versuchte, sein Gesicht zu sehen. Sie konnte seinen
Gesichtsausdruck nicht sehen. "Ich glaube, Liam hatte etwas anderes im
Sinn."
Er
schüttelte ein wenig seinen Kopf, seine Aufmerksamkeit immer noch auf ihre
Hände gerichtet und leckte sich die Unterlippe.
"Und
dafür, daß Du mich nicht zurückgestoßen hast."
Mulder...
Gott. Entschuldigte er sich? "Es wäre mir nie in den Sinn gekommen."
sagte sie leise.
Er
sah sie von der Seite an, betrachtete sie ernst, dann nickte er.
"Trotzdem,
danke."
"Gern."
Sie schenkte ihm ein winzig kleines halbes Lächeln.
Er
betrachtete sie einen Moment, dann sah er weg, ohne das Lächeln zu erwidern.
Unbehaglich bewegte er sich und sah auf seine Uhr. "Noch weitere sieben
Stunden im Fegefeuer," sagte er, offensichtlich das Thema wechselnd. "Kannst Du ein bißchen schlafen, solange
er ruhig ist?"
Scully
nickte.
Mulder
sah sie wieder an und bekam noch mit, daß sie genickt hatte und nickte
ebenfalls.
Er
ließ ihr Handgelenk los, zog den Ärmel ihrer Jacke über ihren Bluterguß und
legte ihre Hand zurück auf ihre Seite der Armlehne.
"Dann
schlaf," sagte er leise.
Scully
schloß ihre Augen und schob ihre plötzlich kühlen Finger unter ihre
Achselhöhlen, um sie zu wärmen.
Ein
paar Minuten später konnte sie immer noch seinen Blick auf ihr fühlen.
Sie
öffnete die Augen, überrascht von dem Ausdruck totalen Elends auf seinem
Gesicht. Augenblicklich verschwand er. Er schenkte ihr ein kleines trauriges
halbes Lächeln und flüsterte, "Schlaf," dann schloß auch er seine
Augen.
Ihr
Blick fiel auf seine Finger, die zärtlich Liams Nacken streichelten.
Sie
griff nach seiner anderen Hand und verschränkte ihre Finger. Mulder öffnete
seine Augen nicht, versuchte nur, sich loszumachen. Sie würde ihn nicht
loslassen und zog seine Hand in ihren Schoß. Seine Finger waren einen Moment
komplett ruhig, dann schloß er sie fester um ihre und sie erwiderte den Druck.
Sie drehte ihre verbundenen Hände so, daß seine unter ihrer ruhte, Handfläche
an Handfläche, ihr Handgelenk fest auf seinen Puls gedrückt.
Scully
bettete ihre Schultern bequemer in den Sitz, schloß ihre Augen und schlief ein.
Venice
Beach
am
nächsten Tag
Scully
hatte es bereits im Flugzeug getan und alles schien in Ordnung zu sein, aber
sie konnte nichts dagegen tun.
Sie
überprüfte seinen Nacken noch einmal, dann untersuchte sie jeden Zentimeter
seiner Haut ganz genau. Aber sie fand nichts als weiche, süße, köstliche
Babyhaut...
Scully
lehnte ihn zurück in ihren Schoß, so daß sie sein Haar naß machen konnte. Dann
goß sie ein bißchen Babyshampoo in ihre Hand und seifte ihn damit ein und
spülte ihn ab.
"So.
Viel sauberer."
Plötzlich
streckte Liam seine Hand aus und griff nach ihrer Brust.
"Du
erinnerst Dich daran, als Du klein warst? Ist es das, woher Du Deine Milch
bekamst?"
Liam
öffnete seinen Mund und stupste ihre Brustwarze an. Sie empfand einen
eigenartigen Reiz.
"War
Deine Flasche nicht genug? Tut mir leid, Liebling, aber das hier funktioniert
nicht bei Tante Da..."
Mist.
Sie
biß sich fest auf die Lippen und schloß ihre Augen.
Mist.
Mist. Mist.
In
die Tante-Dana-Matthew-Methode abzugleiten, war zu einfach gewesen.
Das
ist nicht Matthew, sagte sie sich, das ist Dein Sohn.
Mein
Sohn.
Sie
atmete tief ein und sah auf ihn herab.
Es
schien immer noch so unwirklich.
Nun
versuchte er, ein bißchen Schaum in den Mund zu nehmen.
"Weißt
Du," sagte sie zu ihm. "Ich kenne einen anderen kleinen Jungen,
ungefähr so groß wie Du. Sein Name ist Matthew und er ist Dein Cousin. Vielleicht... werdet Ihr zwei zusammen
spielen... manchmal."
Er
drehte sich plötzlich wieder zu ihrer Brustwarze um, senkte seinen Kopf und
versuchte es erneut. Ein plötzliches Verlangen überkam sie.
"In
Ordnung, ein bißchen," sagte sie leise.
Sie
hob seinen offenen Mund ein wenig dichter an ihre Brust und er hielt sich fest
und saugte hart.
Sie
lachte überrascht auf. Es fühlte sich unglaublich an. Liam kuschelte sich an
ihre Brust, schloß seine Augen und nuckelte.
Scully
studierte sein Profil. Pausbäckige Babywangen, kecke kleine Nase, festes
kleines Kinn... und vielleicht ein bißchen Ähnlichkeit mit Emily...
Und
sie fragte sich, nicht das erste Mal, wer sein biologischer Vater sein könnte.
Wer immer er war, sie hoffte, daß er gesund, glücklich und vollkommen unwissend
über all das hier war...
Aber
sie wünschte sich zum Teufel nochmal, sie könnte seine medizinische Geschichte
in die Finger bekommen.
Plötzlich
schloß sie ihre Augen.
Gott?
Hörst Du mich? Warum konnte ich dieses Baby nicht in der althergebrachten Weise
auf die Welt bringen? Neun Monate, nachdem ich mit dem Mann geschlafen habe,
den ich mir ausgesucht habe, um mit ihm mein Leben zu teilen?
Mulder.
Sie wünschte sich verzweifelter, Mulder könnte sein Vater sein, als irgend
etwas anderes in ihrem Leben.
Sie
starrte auf Liam herab, prägte sich bewußt sein Gesicht ein, die Art, wie er
aussah an ihre Brust gekuschelt, die Art, wie er ihre Brustwarze festhielt,
seine kleine Faust an sie gedrückt. Diesen Moment speicherte sie in ihrem
Gedächtnis.
Oh
Gott.
Wie
kann ich ihn nur gehen lassen...?
"Ich
glaube, ich bin eifersüchtig."
Sie
erschrak und sah auf. Mulder lehnte am Rahmen der Badezimmertür und beobachtete
sie.
"Mulder!"
Sie fühlte, wie sie rot wurde, am ganzen Körper. "Wie lange bist Du schon
da?"
"Lange
genug. Konntest Du seinen Binky nicht finden?"
Sie
fühlte sich unglaublich verletzlich, so nackt dasitzend. Was für ein bizarres
und mitleiderregendes Bild mußte sie ihm abgeben; ein verprügeltes und
unfruchtbares altes Mädchen, das in einer Badewanne saß und einem Baby ihre
leere Brust gab.
Sie
fühlte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
Auch
das würde er ihr nicht erlauben.
"Eifersüchtig
auf das, was er tut, Mulder? Oder einfach nur, weil Du ihm lieber selber die
Brust geben würdest?" fragte sie spitz.
Er
sah verblüfft aus, dann ein wenig ärgerlich. "Ich habe Dich
erschreckt."
Seine
Augen glitten von ihr zu dem Baby. "Es tut mir leid."
"Äh...
Ich glaube, er wollte einen kleinen Snack," sagte sie schnell, um ihre
Verlegenheit zu überspielen.
Mulder
sah ihr nicht in die Augen, er nickte nur. Sie sah seinen Blick über die Sachen
im Waschbecken gleiten, das Chaos auf dem Fußboden, ihren Bademantel in der
Ecke. Neben der Wanne kniete er nieder und begann den Inhalt seiner Waschtasche
einzusammeln.
Verstohlen
versuchte sie Liam von ihrer Brust zu lösen. Er wollte nicht loslassen, er
nuckelte nur fester.
"Er
wird nicht glücklich darüber sein, wenn er herausfindet, daß da nichts
ist." Gott, Dana, dachte sie, halt den Mund.
Er
sah sie an, ein winziges Anzeichen von Mitleid in seinen Augen.
"Möchtest
Du, daß ich ihm eine Flasche fertig mache?"
Scully
biß sich auf die Lippe, sie wollte sein Mitleid nicht. "Die Fertignahrung
ist alle."
"Nein.
Ich war einkaufen. Wegwerfwindeln, Wattestäbchen, Fertignahrung. Hast Du eine Ahnung, was dieses Zeug kostet?
Ich habe pulverisierte genommen. Dieselbe Marke." Er hielt inne und
betrachtete Liam. "Aber er sieht aus, als würde er genießen, was er da
tut."
Scully
sah ihn an. "Also müssen wir jetzt einen Haushaltsplan aufstellen?"
Sie war sehr unzufrieden mit der Art, wie er auf das Baby an ihrer Brust
starrte.
Mulder
antwortete nicht, aber sein Blick flatterte kurz über ihr Gesicht und wieder
weg. Offensichtlich war wir nicht das funktionierende Wort.
"Kann
ich Dich fragen, woher Du das Geld hast, Mulder?"
Mulder
nagte an seiner Unterlippe. "Das Ferienhaus."
"Du
hast es verkauft?" Das Ferienhaus in Quonochontaug. "Gehörte es nicht
Deiner Mutter?"
"Sie
wollte es nicht wiedersehen. Und ich auch nicht." Er zog eine Schulter
hoch. "Ich habe Dir erzählt," sagte er, "ich hätte alles dafür
getan, um ihn zu bekommen."
"Mulder..."
begann sie, dann hörte sie auf, schockiert durch die Verzweiflung in ihrer
Stimme.
Mulder
schüttelte den Kopf und sammelte seine Sachen zu Ende ein. Vorsichtig hob er die Windel auf und neigte
seinen Kopf in Richtung Abfalleimer. Sie nickte. Er warf sie hinein, dann stand
er auf und stellte seine Waschtasche wieder neben das Waschbecken. Als würde er
etwas sagen wollen, hielt er inne, dann warf er ihr einen knappen Blick zu und
ging zur Tür hinaus. Sie hörte das Rascheln von Einkaufstüten, als er sie in
die Küche brachte.
Sie
beugte ihren Kopf über das Baby.
Liams
Augen waren geschlossen, aber sein Mund nuckelte immer noch gierig.
Sie
schloß ihre Augen und sammelte sich mühsam.
über
dem Pazifik kurz vor L.A.
ein
paar Stunden vorher
Auf
dem Landeanflug auf L.A. erwachte Liam schreiend.
Mit
dem Schnuller in seinem Mund hatte er sieben Stunden durchgeschlafen. Sie hatte fast genauso lange geschlafen,
ihren Kopf ungeschickt gegen die Rückenlehne ihres Sitzes gekrümmt.
Mulder
hatte das Baby anscheinend die ganze Zeit in seinem Schoß gehalten. Sie wußte nicht, ob er geschlafen hatte oder
nicht. Mit dem einen Teil ihres Gehirns, in dem die Nervenzellen noch
funktionierten, schaffte sie es, ein wenig Ehrfurcht und Bewunderung für die
Art zu empfinden, wie er mit dem Baby umging.
Der
Binky half nicht. Sie schaukelte ihn in ihrem Schoß, während Mulder verzweifelt
in den Taschen nach einem Fläschchen stöberte.
"Shhhh,
Süßer. Shhhh. Papi guckt nach Deiner Milch." Sie sagte es, bevor es ihr
bewußt wurde. Ihr Blick ging zu Mulder. Für den Bruchteil einer Sekunde
unterbrach er das, was er gerade machte, dann stöberte er weiter nach dem
Fläschchen, als hätte er es nicht gehört.
Eine
Flugbegleiterin griff nach Mulders Ellbogen. "Es sind seine Ohren,"
sagte sie und sah sie beide an, als wären sie vom Mars. "Die
Druckänderung. Haben Sie kein
Fläschchen?"
Sie
eilte den Gang entlang, als Mulder schließlich eine ausbuddelte. Er schnitt
eine Grimasse hinter dem Rücken der Frau, dann drehte er seinen Kopf und
lächelte Scully müde an.
Endlich.
Sie
lächelte müde zurück.
Venice
Beach
Stunden
später
Das
Wasser in der Badewanne war abgekühlt und der Geruch von frisch gebrühtem
Kaffee füllte die Luft, als Liams Mund sich schließlich entspannte.
Als
sie hochsah, stand Mulder wieder in der Tür und beobachtete sie. Sie schenkte
ihm den kleinen Versuch eines Beinahelächelns. "Mulder? Kannst Du ihn
nehmen?"
Er
drückte sich vom Türrahmen ab und nahm ein Handtuch aus dem Regal.
Scully
hob das schlafende Baby hoch und Mulder umhüllte es sanft.
Er
war gerade mit dem Windeln fertig, als sie in ein Handtuch gehüllt herauskam.
Er nahm ein Wattestäbchen aus Liams Tasche und trocknete dem Baby sanft die
Ohren.
"So
bitte schön, Buddy" murmelte er besänftigend.
Mulder
legte das Baby auf die Steppdecke auf dem Fußboden und deckte es mit einer
Baumwolldecke zu.
"Es
ist warm genug hier für ihn im Moment." Er sah auf seine Uhr. "Er
wird bald sein Fläschchen wollen."
"Du
bist wirklich gut mit ihm, Mulder. Wirklich richtig gut," sagte sie müde.
"Es wird Euch gut gehen ohne..." Sie verstummte.
Er
beendete, was er gerade tat und sah sie schweigend an.
Scully
lächelte ihn kaum wahrnehmbar an und drehte sich um. Sie ging zurück in ihr
Schlafzimmer, zog sich ein T-Shirt und Unterwäsche an und setzte sich auf ihr
Bett.
Sie
sah auf das Datum auf ihrer Uhr. War es wirklich erst der Fünfte, hier in den
Staaten? Ihr müdes Gehirn versuchte, all das zu begreifen und sie rieb sich die
Stirn. Fünf Tage, sechs Nächte und zwei Flugreisen mit Mulder und ihr
sorgfältig geordnetes Leben war ein heilloses Durcheinander. Von Liam wußte sie
genau vier von diesen Tagen. Immer noch litt sie fürchterlich unter dem Jetlag,
ihr Gehirn fühlte sich wie Mus an, die Beule war immer noch schmerzempfindlich,
wenn sie ihren Kopf zu schnell bewegte. Sie hatte der Himmel weiß wieviel
internationale Gesetze gebrochen und...
Morgen
würde er sie wieder verlassen und ihr Baby mit sich nehmen.
Sie
mußten miteinander reden. Sie mußte losgehen und ruhig und rational
argumentieren, warum sie diejenige war, bei der Liam leben sollte. Schließlich war sie Ärztin, sie konnte besser
auf ihn aufpassen, sicherstellen, daß er gesund blieb; Mulder könnte ihn sehen,
so oft er wollte... eine Art Schutzgemeinschaft, vielleicht... und...
Sie
schloß ihre Augen fest.
Nein.
Sie
mußte ihm die Wahrheit sagen. Genau, was sie empfand. Daß sie sie beide
vollkommen in ihrem Leben wollte und daß es ihr das Herz brechen würde, wenn
einer von ihnen morgen in dieses Flugzeug steigen würde.
Es
war so einfach. Sie würde ihm die Wahrheit sagen, alles in seine Hände legen
und sehen, wie er reagierte. Er würde zuhören. Er mußte.
Sie
brauchte... Gott... sie brauchte mehr Schlaf. Sie wollte ihren Kopf nur eine
Sekunde auf das Kissen legen... dann würde sie gehen und es ihm sagen...
Flughafen
von L.A.
Stunden
vorher
Den
Zollbeamten auf dem Flughafen von L.A. anzulügen war sehr einfach. Sie konnte
gar nicht glauben, daß sie nicht einmal darüber nachgedacht hatte, aber sie war
nicht überrascht, daß Mulder auch einen Paß für Liam hatte.
Die
vormorgendliche Luft war angefüllt von dem ausgeprägten Geruch von Rauch, als
sie das Gebäude verließen. Mulder blieb stehen und schnüffelte. "Feuerwerk. War hier nicht letzte Nacht
der Vierte?"
Scully
hatte keine Ahnung, schüttelte nur ihren Kopf und nahm ihm die Pässe aus der
Hand. Sie sah sich Liams neugierig an. Er trug einen Stempel, als wäre er an
demselben Tag nach Singapore gereist wie sie.
Erstaunlich.
George
Ellery Hale, Jr.
Ihre
Augen glitten weiter herab auf der Seite. Geburtstag: 23. Februar 1998.
Sie
blieb plötzlich stehen und sah schnell zu Mulder hin.
Er
beobachtete sie, setzte seinen Koffer und Liams Autositz auf dem Bügersteig ab.
Liam war wach und sah sich um, verwundert über die Geschäftigkeit auf dem
Flughafen.
"Wir
haben es geschafft," sagte er. "Wir haben ihn."
Sie
sog die Luft ein und hielt den Atem an.
"Dana,"
sagte er. Sein Mund verzerrte sich ein wenig.
Ohhh...
"Ich
wollte Dir danken, daß Du mit mir nach Singapore gekommen bist," sagte er
förmlich.
Sie
war sich nicht sicher, was sie sagen sollte, sie nickte nur.
Mulder
streckte seine Hand aus und nahm ihre. Seine Berührung war kalt. "Ich hätte es nicht ohne Dich tun
können. Ich hätte ihn nicht bekommen. Ich weiß, daß einiges von dem, was wir
tun mußten, um ihn zu bekommen, gegen Deine Prinzipien war. Ich möchte, daß Du
weißt, daß ich das schätze."
Sorgfältig
einstudiert.
Sie
wartete.
Seine
Finger drückten ihre sanft. Sie sahen beide herab auf ihre Hände. Der Ring.
Sein Daumen streichelte ihn zart.
Mulder
sah sie mit sehnsüchtigem Blick an. "Er gehörte meiner Großmutter,"
sagte er.
Sie
nickte.
"Isobel...
und Liam."
Wieder
nickte sie. Sie hatte damit gerechnet.
"Ich
glaube, sie waren die letzten wirklich glücklichen Menschen in meiner
Familie."
Ein
weiteres Mal nickte sie.
"Danke
für... das Vortäuschen..."
Scully
versuchte, ein bißchen Luft in ihre Lungen zu bekommen, aber sie konnte es
nicht mit der Berührung seiner Hand auf ihrer. Sie löste ihre Hand aus seinem
Griff und sah auf den Ring herab.
Vorgetäuscht.
Ja.
Das war es gewesen.
Der
Rubin schimmerte wie ein dunkler Tropfen Blut in dem fluoreszierenden Licht,
die Perlen fast opalisierend. Das alte Gold glänzte prächtig, wie vor fast
achtzig Jahren. Oh, Gott. Tränen. Wieder. Sie preßte ihre Lippen fest zusammen,
um sie zurückzuhalten.
Dies
war ein Moment so gut wie jeder andere. Sie zog an dem Ring. Er wollte nicht
abgehen. Sie drückte ihre Zähne fest in ihre Unterlippe und zerrte heftig an
dem Ring. Er rutschte herunter und nahm ein Stück Haut mit. Auf ihrer
Handfläche hielt sie ihn ihm hin.
Mulder
stand stocksteif da und starrte auf ihn herunter, ohne ihn zu berühren. Sein
Mund straffte sich fast unmerklich.
"Willst
Du die Kette auch zurück?" fragte sie.
Sie
beobachtete ihn, wie er mühsam schluckte. Es schien, als würde er seinen ganzen
Oberkörper dazu brauchen. Hals, Schultern, Brustkorb.
Genau
da stieß Liam einen Freudenschrei aus. Sie sahen beide auf das Baby herab und
beobachteten, wie er es schaffte, den Beißring in seinem Schoß zu greifen und
ihn an seinen Mund zu bringen. Dann sahen sie beide zurück auf den Ring. Mulder
nahm ihn vorsichtig von ihrer Handfläche, ohne ihre Haut zu berühren und
steckte ihn in seine Tasche.
"Äh...
nein...äh..." sagte er und drehte sich von ihr weg, er sah sich vage um,
als würde er erkennen, wo sie waren. Seine Augen konzentrierten sich auf einen
Bus am Straßenrand. "Der Flug zurück nach Dulles ist mit Delta Airlines...
ich nehme an... das ist der Bus zum anderen Terminal. So... ich nehme an...
äh... Du kannst Dir ein Taxi nehmen..."
Er
verstummte und studierte sie, sein Gesichtsausdruck aufgewühlt und ein wenig
benommen. Ihr Blick war seinem zum Bus gefolgt. Da stand eindeutig
"Anaheim/Disneyland" dran. Ihr Blick flatterte zurück zu seinem
Gesicht und sie prüfte beunruhigt seine Augen. Er servierte sie ab, so schnell
wie möglich.
Während
des ganzen Fluges war sie nicht in der Lage gewesen zuzugeben, daß er das Baby
nehmen würde und nach Hause fliegen würde. Ohne sie.
Aber
es schien genau das zu sein, was er nun tat.
Plötzlich
fühlte sie sich, als hätte sie einen Schlag in den Magen bekommen.
Er
atmete tief ein, dann bückte er sich und nahm den Autositz an seinem
Tragegriff.
Die
zerbrechliche Ruhe, die sie im Flugzeug erreicht hatte, seit dem Auto, seit
Charlottas Garten, verließ sie plötzlich.
"Nein!"
Sie streckte ihre Hände aus und faßte den Griff mit beiden Händen.
Mulder
sah herab auf ihre Hände und dann hob er seinen Blick langsam zu ihrem Gesicht.
"Sieh
Mulder, bei Charlotta hast Du gesagt, kein Geschäft. Gut, was ist das Geschäft?
Was willst du? Sag es mir."
Sie
schloß ihre Hände fester um den Griff und zog ein wenig.
Er
sagte nichts und er ließ auch nicht los, beobachtete sie nur sorgfältig.
"Sag
es mir! Du mußt mich ihn sehen lassen, Mulder. Du mußt mich Teil seines Lebens
sein lassen. Willst Du, daß ich zurückkomme nach D.C.? Ich komme. Willst Du,
daß ich wieder mit Dir arbeite? Ich tue es. Gott Mulder, ich schlafe auch mit
Dir, wenn es das ist, was Du willst, aber Du mußt es klar machen..." Seine
Augen flatterten ein wenig und sie brach ab. "Egal was. Sag mir jetzt
genau, was Du willst und ich werde es tun. Alles. Alles im Austausch dafür, ihn
zu sehen. Abgemacht?"
Die
Menschen strömten an ihnen vorbei, während sie dastanden, sich anstarrten,
Tauziehen veranstalteten mit einem Baby in einem Autositz mitten im Ausgang zum
Gepäckschalter.
Mulder
starrte sie immer noch mit diesem gequälten Blick in seinen Augen an. Gott, es
schien, daß alles, was er jemals tat war, sie anzustarren. Er sagte nichts,
bewegte sich nicht, sah sie nur an, dann schloß er seine Augen und stand da,
verschloß sich vor ihr, atmete durch den Mund.
Schließlich
öffnete er die Augen und sah sie an, als könnte er sich wirklich nicht
erinnern, wer zur Hölle sie war oder warum zur Hölle sie hier war.
"Ich
will gar nichts von Dir," sagte er, seine Stimme leise und tonlos. "Nur... sag mir, was Du willst. Sag mir
genau, wie Du willst, daß es funktioniert und wir werden es tun."
Sie
starrte ihn an. Ihr Hirn strampelte sich rasch ab nach einer vernünftigen
Antwort.
Was
wollte sie? Als sie das mit dem Baby herausgefunden hatte, was hatte sie
gedacht, würde passieren? Daß sie Liam haben würde... und Mulder würde...
kommen, um sie zu sehen... und an irgendeinem Punkt wären sie alle zusammen.
Irgendwie.
Anscheinend
konnte sie auch das nicht haben.
Also
das nächstbeste: er ging mit Mulder... und sie würde kommen, um sie zu sehen...
und vielleicht an irgendeinem Punkt...
"Ich
möchte in der Lage sein zu kommen, um ihn zu sehen," sagte sie, ihre
Stimme klang fester als sie sich fühlte. "Zeit mit ihm verbringen."
Er
schüttelte seinen Kopf ganz leicht.
"Du
kannst ihn jederzeit sehen, wenn Du willst. Du kannst Tante Dana sein und
zweimal im Jahr zur Stadt hereingeflogen kommen mit einem Arm voller Geschenke.
Verdammt, Du kannst in D.C. leben und jeden Tag vorbeikommen." Er
schüttelte seinen Kopf wieder, ein bißchen fester, wie um ihn klar zu bekommen,
sah für eine Sekunde auf Liam herab, dann zog er am Autositzgriff und begann,
fortzugehen. "Aber vergiß nicht, mich vorher anzurufen, wenn Du beschließt
vorbeizukommen. Dann kannst Du sicher sein, daß ich nicht da bin."
Mist.
Sie
hielt fest. "Nein!"
Er
antwortete nicht und sie sahen beide herab auf ihre weißen Knöchel, die den
Autositz festhielten. Das Baby war schwer in dieser Position. Ihre Arme
begannen durch die Überanstrengung zu zittern. Liam sah sie beide glücklich an
und genoß die schwingende Bewegung.
Mulder
hob den Sitz ein wenig an. Sie zog ihn zurück.
"Mulder,
bitte, bitte, bitte, tu das nicht."
"Ich
tue gar nichts," sagte er matt.
"Doch,
Du tust etwas. Halt an, bitte halt an." Und verdammt, schon wieder die
Tränen. Ärgerlich zwinkerte sie sie weg. "Du läßt mich nicht einmal Auf
Wiedersehen sagen. Ich habe Dich in Singapore nicht im Stich gelassen. Bitte... laß mich jetzt nicht im Stich."
Er
sah sie nur an.
"Mulder,
ich habe Dir weh getan. Du hast mir weh getan. Aber hier geht es nicht um Dich
und mich. Das ist mein Baby. Mein Sohn. Bitte benutze ihn nicht, um mich zu
bestrafen. Bitte. Bitte." Sie fühlte ihr letztes bißchen Stolz dahin gehen
und sie hob ihr Kinn, sie konnte ihn kaum sehen, ihre Augen waren so voller
Tränen. "Gott, Mulder. Ich flehe Dich an. Nimm ihn mir nicht weg."
Ihre Stimme brach und wurde zu einem Flüstern. "Bitte nimm ihn mir nicht
weg, Mulder. Bitte."
Er
fuhr fort, sie anzustarren, dann biß er sich auf die Lippen und seufzte.
"In
Ordnung, in Ordnung, ich laß los. Laß ihn nicht fallen," sagte er leise.
Vorsichtig ließ er seine Seite des Griffes los, stellte sicher, daß sie nicht
in die andere Richtung hinfallen würde. Er runzelte die Stirn. "Sieh. Das... Nicht hier." Er
schwieg einen langen Moment, beobachtete sie, dann sah er auf das Baby herab.
"Ich werde... über Nacht bleiben. Liam braucht nicht gleich noch einen
Flug."
Sie
senkte ihren Kopf in einer Mischung aus Erleichterung und Hoffnung. Gott, sie ekelte sich vor sich selbst. Wie
weit waren sie gekommen, daß sie nicht einmal mehr miteinander reden konnten,
ohne daß es sich in etwas fürchterliches auflöste?
"Möchtest
Du, daß ich in ein Hotel gehe?"
"Nein,"
flüsterte sie kläglich, hob den Autositz hoch und legte ungeschickt ihre Arme
darum. Sie lehnte ihren Kopf an Liams Wange. Das Baby streckte seine Hand aus,
griff in ihr Haar und zog fest daran. Dies brachte noch mehr Tränen in ihre
Augen, aber es war ihr egal.
Er
drehte sich von ihnen weg, um ein Taxi zu rufen.
In
ihrem Apartment lagen die Kissen und Decken, die Mulder in der Nacht bevor sie
abgeflogen waren, benutzt hatte, noch auf der Couch. Sie winkte in ihre Richtung
und breitete eine Steppdecke auf dem Fußboden des kleinen Alkovens in ihrem
Arbeitsbereich aus.
"Willst
Du ihn nicht mit zu Dir nehmen?"
"Das
hier ist L.A." sagte sie sehr hart. "Er muß von allem weg sein, das
bei einem Erdbeben plötzlich umkippen könnte. Außerdem... dies..."
"Was?"
"Nichts,"
stieß sie zwischen den Zähnen hervor. "Das ist der perfekte Platz für ihn.
Das ist alles."
Sie
nahm das dankbarerweise schlafende Baby aus seinem Autositz und legte es auf
die Steppdecke, überließ Mulder sich selbst, stolperte in ihr Schlafzimmer, zog
sich die Sachen, die sie seit zwei Tagen trug, aus und fiel erschöpft ins Bett.
Teil
20
Scully
lag da, die Augen geschlossen, und lauschte auf das leise Stöhnen des
Nebelhorns.
Hin
und wieder konnte sie den weit entfernten Klang der Glockenboje vom Pier in
Santa Monica hören, und von irgendwo viel näher den stetigen Baß einer
Stereoanlage. Sie lag zusammengerollt auf ihrem ungemachten Bett, die vertraute
Weichheit des Chenilleüberwurfs ihrer Couch unter ihrem Kinn. Er mußte sie
zugedeckt haben, während sie schlief.
Schließlich
öffnete sie ihre Augen. Der Abend dämmerte, dichter Nebel draußen vor dem
Fenster. Sie hatte eine Weile geschlafen.
Sie
wäre aufgesprungen und zur Schlafzimmertür gerannt, das wiederholend, was sie
schon vorher am Tage gemacht hatte, wenn ihre Füße nicht behaglich an die Wärme
seiner nackten Waden geschmiegt wären. Und sie konnte das Geräusch, das Liam
machte, als er an seinem Fläschchen nuckelte, ungefähr einen halben Meter
hinter ihrem Rücken hören. Mulders weichen Atem hören konnte sie auch hören,
als sie lauschte.
"Bist
Du wach?" fragte er leise.
Sie
drehte ihren Kopf und sah ihn über die Schulter hinweg an. Mulder saß da, die
Kissen im Rücken. Er trug noch immer das T-Shirt und die Shorts vom Nachmittag,
seine Beine hatte er vor sich ausgestreckt. Liam lag in seinem Schoß. Scully
hatte keine Ahnung, warum er hier drin bei ihr war, aber sie mochte es,
aufzuwachen und die beiden hier zu finden.
Sie
mochte es sehr.
"Hey,"
sagte sie.
"Hey,"
erwiderte er leise. Er beobachtete das Baby beim Essen und sah nicht auf.
Behutsam
reckte sie ihren Hals und schob sich die Haare aus dem Gesicht.
"Wie
spät ist es?"
"Halb
acht."
"Warum
hast Du mich nicht geweckt?"
"Du
brauchtest den Schlaf."
Mit
einem kleinen Seufzer atmete sie aus. "Danke."
Und
nicht nur dafür, daß er sie nicht geweckt hatte.
"Wir
sind hier rein gekommen, weil unten eine Party stattfindet und es zu laut für
Liam in Deinem Wohnzimmer war."
Das
war also die Musik. Ihr Blick fiel auf den reizenden, bequemen gepolsterten
Sessel und die Fußbank in der Ecke ihre Schlafzimmers. "Mmmhmm. Das ist in Ordnung,
Mulder."
Eine
Weile war er still. "Deine sehr große, halb angezogene Nachbarin war hier
und hat gefragt, ob Du mitgehen wolltest.
Ihr
Blick ging wieder zu ihm zurück. "Adrianna? Sie war halb angezogen?"
"Vielleicht
auch nur ein Achtel?" Er überlegte. "Ein Sechzehntel?"
"Das
klingt mehr nach ihr."
"Sie
warf einen Blick auf Liam und..." Er schüttelte seinen Kopf. "Sie
denkt, ich bin so etwas wie eine schlechte Nachricht für Dich..." Er
verstummte.
Schlechte
Nachrichten. Sie wollte nicht daran rühren.
Als
sie nichts dazu sagte, sprach er weiter, als hätte er es nie gesagt. "Ich kann mich nicht daran erinnern,
wann ich das letzte Mal einen roten Wildlederbikini mit Fransen gesehen
habe."
"Sie
hatte diesen an? Ich hatte mal eine solche Weste."
Er
drehte sich um und zog die Augenbrauen zusammen.
"Guck
mich nicht so an, Mulder. Ich war acht. Und ich liebte diese Weste."
Sein
Blick wurde ein wenig weicher.
Beinahe
ein Lächeln. Nicht ganz.
"Adrianna
ist in Ordnung," sagte sie. "Ich hab die Party dieses Wochenende
vergessen. Wahrscheinlich geht sie schon seit Freitag."
"Sag
mir nicht... das hier ist ein Partyhaus?"
"Es
ist berühmt dafür."
Mulder
nickte ein wenig, als würde er im Geiste die Scully, die er kannte und ein
Apartmenthaus, berühmt für seine Parties und voll mit verrückten Nachbarn
zusammenzählen.
Scully
war sich nicht sicher, ob er es bewußt oder unbewußt tat, aber sie hatte ihn so
oft in Aktion erlebt, sie hätte es im Schlaf erkannt: Laß den Verdächtigen sich
zuerst beim Small Talk entspannen, dann Schnitt zu den harten Sachen. Sie hatte
kein Problem damit, tatsächlich nahm sie den vertrauten Rhythmus an.
Scully
drehte sich von ihm weg und schloß ihre Augen, konzentrierte sich sorgfältig
auf die Atmosphäre zwischen ihnen. Sie war entspannt, friedlich. Wenigstens für den Moment hatte die
Anspannung nachgelassen. Da war eine unterschwellige Strömung, aber sie war
nicht negativ. Sie öffnete ihre Augen und war nicht überrascht, daß sie direkt
das Bild ihrer Schwester ansah. Keine Telefonanrufe diesmal, aber... ‚Sag ihm
die Wahrheit' drängten Melissas Augen sie. ‚Du weißt, was Du empfindest. Sag
ihm, daß Du ihn liebst.'
Gefühle...
Liebe.
Oh,
Missy... das war immer so einfach für Dich.
Sie
kräuselte ihre Nase ein wenig zu Missy, dann rollte sie herum, um Mulder
anzusehen. Sie schaffte es, ohne den Kontakt zwischen ihren Füßen und seinen
Beinen zu unterbrechen. Ihr rechter Fuß drängte sich unter sein Bein, die
empfindsame Haut ihres Spanns drückte sich in die warme Beuge seiner Kniekehle.
Mulder
sah Liam mit einem komischen kleinen Lächeln auf seinem Gesicht an. Das Baby aß mit geschlossenen Augen, sein
Gesichtsausdruck zufrieden. Das Gefühl, wie er an ihrer Brustwarze zog, überkam
sie wieder.
Das
Mutterverlangen war die Hölle.
"Ich
habe darüber nachgedacht, was Du gesagt hast," meinte er. "Ihm selbst
die Brust zu geben. Sich vorzustellen, ihm etwas von meinem Körper zu geben,
das ihn ernährt." Seine Stimme war voller Staunen.
"Wirklich?"
"Was
für ein Gefühl war das?" fragte er.
"Erstaunlich...
eigentlich," sagte sie langsam. "Ich wünschte, ich hätte...
Milch."
Er
nickte, als wäre es überhaupt keine große, bloß eine völlig natürliche Sache
für sie, es zu wollen, und war wieder eine Weile still, sah das essende Baby
an.
"Kann
man die Milchproduktion nicht mit Hormonen oder so stimulieren?"
"Ja.
Ja, man kann. Man kann Östrogene geben - um den hohen Östrogenwert einer
Schwangerschaft zu simulieren, dann setzt man sie ab, um die Geburt zu
simulieren. Das veranlaßt die Hypophyse Prolactin und Oxytocin, die
milchproduzierenden Hormone..." Sie hielt inne. "Warte mal. Meinst Du
etwa in Dir?"
Er
lachte ein leises nachlässiges Lachen. Sie schloß ihre Augen und ließ den Klang
sanft über sie hinwegrollen. Mulder...
"Neiiin.
Nicht ich. Du natürlich." Sie öffnete ihre Augen. Er studierte sie.
"Es ist nicht so, daß irgend etwas bei Dir verkehrt ist. Wenn Du wolltest,
es gibt die in-vitro-Befr..."
Plötzlich
hielt er inne.
Ihr
Gesicht war plötzlich starr. Warum sprach er darüber, daß sie ein anderes Baby
haben könnte? Weil sie dieses hier nicht haben konnte?
"Rein
hypothetisch," sagte sie langsam. "Aber... manche Krebsarten können
durch eine Schwangerschaft wieder ausbrechen. Wenn in meinem Blutkreislauf
irgend etwas zurückgeblieben ist... dann wäre es, als würde man Benzin ins
Feuer gießen."
Mulder
sah ein wenig fahl aus. "Es tut mir leid," sagte er leise. Er sah
ehrlich bestürzt aus. "Ich hatte gelesen, daß das nur auf Brustkrebs
zutrifft. Und ich dachte..." Er brach ab und schluckte, dann war er eine
kleine Weile still. "Was ist mit einem Ersatz?"
"Wovon
sprichst Du hier eigentlich, Mulder? Da spielen eine Menge Faktoren eine Rolle.
Eizellen. Sperma. Nach dem, was Du sagst, habe ich keine Eizellen." Sie
hatte keine Lust, diese Stimmung kaputt zu machen, aber... ihr Blick glitt über ihn, konzentrierte sich
auf alles, seine Körpersprache, seine Worte, sie versuchte, genau zu verstehen,
was er sagte, was er gesagt hatte. Sie deutete mit dem Kinn auf Liam.
"Nebenbei, warum sollte ich eine anderes Baby haben wollen? Ich habe ein
Baby."
Er
dachte darüber nach, leckte sich die Lippen und schluckte, aber er ging nicht
auf ihre Herausforderung ein oder widersprach. Seine Schultern blieben
entspannt.
Sie
atmete ein und versuchte, sich ebenfalls zu entspannen.
"Dein
Gesicht," sagte er. "Vorhin. Im Bad. Brüder... Schwestern..."
Scully
hätte nicht mehr überrascht sein können, wenn er ihr in den Magen geboxt hätte.
Sie spürte, wie sie mit einem Zischen ausatmete.
"Und...
ich habe einfach gedacht, wir hätten die Insel stürmen sollen und Deine
Eizellen holen."
Sie
konnte kaum ein Keuchen zurückhalten.
Mulder
beugte seinen Kopf wieder über das Baby. Die zunehmende Dämmerung im Zimmer
machte es schwierig, sein Gesicht zu sehen. Das einzige Geräusch war das
kräftige Saugen von Liams Mund an der Flasche.
"Also..."
sagte er, "solltest Du kein Östrogen benutzen, um die Milchproduktion zu
bewirken?"
"Nun...
es gibt eine natürliche Methode. Die Hormone zur Milchproduktion können auch
als Reaktion auf die Stimulation der Brustwarzen produziert werden."
Scully
starrte ihn an, plötzlich ein klares Bild im Kopf von Mulder über ihr, wie er
sie ausfüllt, sein Mund unglaublich zart auf ihrer Brust. Sie fühlte, wie ihre
Wangen rot wurden, als ihr Körper auf diesen Gedanken reagierte.
Mulder
starrte sie auch an. Dann drehte er sich weg, atmete tief ein und langsam
wieder aus.
"Wenn
ein Baby saugt?" fragte er.
Sie
nickte. "Oder mit einer Milchpumpe."
"Und
das reicht aus?"
"Anscheinend.
Es dauert ein paar Wochen... aber ja."
Er
nickte gedankenvoll.
War
es ihre Einbildung oder drückte er ihre Füße ganz zart mit seinen Beinen?
"Mulder...?"
fragte sie ganz leise.
Er
sagte nichts und sie beobachteten beide Liam, dessen Mund sich nur noch ein
bißchen an dem Nuckel bewegte. Zart drückte sie ein wenig mit ihren Zehen gegen
sein Bein. Plötzlich war die Stille spannungsgeladen.
Mulder
warf seinen Kopf herum und sah sie an. "Du bist nicht die einzige, die bei
all dem etwas empfindet, weißt Du." Sie konnte seine Augen das erste Mal
deutlich sehen, der Ausdruck darin war ein Durcheinander von Gefühlen.
Traurigkeit. Verzweiflung. Schmerz. Bedürfnis. Sehnsucht. Aber keine Hoffnung.
Sie
nickte ein wenig. "Ich weiß," sagte sie leise.
Sein
Blick wanderte über ihr Gesicht. "Tust Du das?"
"Ich
denke ja." Sie nickte wieder langsam, versuchte ihn, mit ihren Augen zu
ermutigen. "Erzähl es mir."
Er
prüfte ihr Gesicht, sein Ausdruck mit einem Mal vorsichtig. Sie konnte die
plötzliche Anspannung in seinen Muskeln unter ihren Zehen spüren.
"Ich
wünschte, er wäre mein Kind," sagte er.
Scully
fühlte ihr Herz schneller schlagen. Nur seines? Ihrer beider? Oh Gott. Was zur
Hölle sagte er da? Daß er sie auch wollte? Oder nur Liam? Oder... Mit jeder Faser ihres Körpers
versuchte sie, zu erkennen, was er ihr sagen wollte...
Mist.
"Deines?"
Sie leckte sich die Lippen. "Oder unser?"
Er
antwortete nicht, sah sie nur an. Schließlich verzog er seinen Mund schmerzlich
und sah wieder auf das Baby herab. "Wenn Du das fragen mußt..." Er
schloß den Mund und schüttelte den Kopf.
Ja,
wenn sie fragen mußte... und das bedeutete was? Verdammt.
"Verdammt,
Mulder," sagte sie plötzlich. Sein Kopf flog hart herum und er sah sie an,
das Baby zuckte im Schlaf zusammen. "Ich kann nicht Deine Gedanken lesen.
Wenn Du möchtest, daß ich etwas weiß, dann sag es mir. Diese ganze Reise, das war so, als ob es ein
Drehbuch gegeben hat, das Du hattest, aber ich nicht. Und wenn ich nicht
erraten kann, welche Richtung zur Hölle von mir erwartet wird, dann stecke ich
in Schwierigkeiten. Wieder. Und..."
Sie brach ab und machte ein Geräusch, das sich wie ein verdammt frustriertes Knurren
anhörte.
Mulder
sah erschrocken aus. Sie runzelte ihre Stirn, zog ihre Füße von seinen Beinen
weg, drehte sich abrupt weg von ihm und rollte sich in Fetusposition zusammen.
Melissas Foto vor ihr auf der Kommode sah sie mit milder Sorge an. ‚Er kann
Deine Gedanken auch nicht lesen, Dana.'
‚Halt
den Mund, Missy,' sagte sie in Gedanken zu dem Bild, schloß ihre Augen und
seufzte.
Mulder
sagte eine Weile gar nichts.
Plötzlich
fühlte sie seine Fingerspitzen an ihrer Schulter. Nur eine ganz leichte
Berührung, dann war sie vorbei.
"Du
bist hungrig," sagte er. "Ich auch."
Sie
sagte nichts. Er hatte recht. Sie war am Verhungern.
"Liam
ist eingeschlafen. Er ist noch erschöpft vom Flug. Ich lege ihn hin und dann,
was meinst Du, mache ich Dir Abendbrot?"
Ihr
Abendbrot machen? Sie drehte ihren Kopf und sah ihn an. Mulder hatte seinen
Kopf über Liam gebeugt, aber er beobachtete sie aus den Augenwinkeln. Da war
etwas in seinem Ausdruck, das vorher nicht dagewesen war. Sie konnte es nicht
bestimmen. Eine Bereitschaft, vielleicht.
"Füttere
Deine Partnerin, wenn sie schwach ist," sagte er leise. "Das habe ich
von Dir gelernt."
Seine
Partnerin. Wenn sie ihren Mund aufmachen würde, würde sie sagen ‚Ich bin nicht
mehr Deine Partnerin' und sie wollte das nicht sagen, also hielt sie ihren
Mund.
Die
Worte hingen irgendwie zwischen ihnen in der Luft.
"Können
wir auf Deinem Balkon essen?"
Sie
sah ihn immer noch störrisch an.
Er
studierte ihren Gesichtsausdruck. "Ich bin geblieben, damit wir reden
können," sagte er leise. "Also... können wir beim Essen reden?"
Sie
gab nach und nickte. "Ich weiß nicht, was ich im Kühlschrank habe."
Das letzte Mal, als sie da hinein gesehen hatte... "Vielleicht ein paar
Eier."
Er
zuckte zusammen. "Warte. Ich habe etwas eingekauft."
Sie
sah aus dem Fenster. "Es ist ziemlich neblig draußen."
"Ich
liebe den Nebel."
"Ich
auch."
"Können
wir Deinen kleinen Kamin anzünden?" Er schenkte ihr ein winziges Lächeln.
Sie
konnte nichts dagegen tun, sie lächelte ein ganz klein wenig zurück. "In Ordnung. Hört sich gut an,"
sagte sie, ihre Stimme klang ruhiger als sie sich fühlte. Sie setzte sich hin.
"Gib ihn mir, ich werde ihn ins Bett bringen. Hast Du ihn noch einmal
umgezogen?"
"Ja."
Mulder
gab ihr das Baby. Liam war weich und schwer vor Erschöpfung und liebenswert in
einem kleinen krausen gelben Schlafanzug. Sie brachte ihn in das andere Zimmer
und legte ihn unter seine Decke in seiner Ecke. Dann kniete sie sich nieder und
gab ihm einen Kuß auf die Schläfe.
Scully
drehte sich um. Mulder hatte sich nicht bewegt, er saß immer noch in ihrem
beinahe dunklen Schlafzimmer, beobachtete sie durch die Tür.
Langsam
erhob sie sich und ging zurück in das andere Zimmer, sich plötzlich dessen
bewußt, daß sie nur ein T-Shirt und einen Slip trug. Sie setzte sich neben ihn
auf seine Seite des Bettes.
"Er
scheint in Ordnung zu sein, Mulder."
Er
nickte. Sein Blick fiel auf ihre Brüste, ohne BH unter ihrem T-Shirt, dann auf
ihre nackten Beine.
"Das
Blut, Du hast gesehen, wie sie es ihm abnahmen?" fragte sie. "War
alles normal, als sie es ihm abnahmen?"
"Ja..."
Es schien ihn große Anstrengung zu kosten, seinen Blick von ihren Beinen zu
lösen und ihrem Gesicht zuzuwenden. "Ja."
"Es
tut mir leid," sagte sie leise. "Ich kann nichts dagegen tun."
"Ich
weiß."
Sein
Blick wanderte einen Moment über ihr Gesicht, blieb an ihrem Mund hängen, dann
seufzte er und lehnte sich zum Nachttisch hinüber und griff nach seinem
Flugticket.
Oh
Gott.
"Hast
Du einen Stift?" fragte er. "Ich muß mal kurz telefonieren."
"Oh,
Mulder..."
Er
sah sie nur an.
"Morgen..."
sagte sie ein wenig hoffnungslos, "... vielleicht könntest Du noch einen
Tag bleiben und wir könnten ihn zu einem Kinderarzt zur Untersuchung
bringen." Sie versuchte, sich zu stoppen. Sie mußten in Ruhe und
vernünftig darüber reden, wie Erwachsene und nicht, indem sie ihn anflehte...
wieder.
"Ich
muß es tun, mit einem Arzt reden," brachte sie mit ruhigerer Stimme
heraus. "Die Universitätsklinik von L.A., die Ärzte dort, sie haben die
beste pediatrische Vorsorge des Landes."
Er
betrachtete sie, sein Blick schimmerte ein wenig.
"Bleibst
Du bitte ein paar Tage, Mulder?"
Seine
Augen forschten in ihren. Dann fiel sein Blick wieder auf ihren Mund und blieb
dort hängen. Er schloß seine Augen.
Scully
hob ihre Hand und berührte sanft sein Gesicht. Er wich ein wenig zurück,
behielt aber seine Augen geschlossen. Sie legte ihre Hand an seine Wange und
streichelte die Linie, die seine geschlossenen Lider auf seinen Wangenknochen
zeichnete, mit ihrem Daumen. Ihre andere Hand glitt zu seinem Knie, dann zu
seinem Schenkel. Langsam beugte sie sich nach vorn und drückte ihre Lippen auf
seine.
Er
hielt vollkommen still und ließ sie ihn küssen, sein Mund weich und warm unter
ihrem, aber er küßte sie nicht zurück. Seine Lider öffneten sich und sie zog
sich ein wenig zurück, um in seine Augen zu sehen.
Ihre
Lider flatterten ein wenig unter seinem Blick. Sein Ausdruck war voller
Traurigkeit und Bedauern.
"Nicht,"
flüsterte er, dann schüttelte er seinen Kopf, nur ein kurzes Schütteln, hin und
her. "Das..." sein Blick fiel auf ihren Mund, dann wieder in ihre
Augen. "... sind nicht wir." Er streckte seine Hand aus und legte sie
auf ihre und zog sie sanft von seiner Wange weg. Dann hob er ihre andere Hand
von seinem Schenkel und legte sie zurück in ihren Schoß.
Ohhh...
Gott.
Ihr Herz schmerzte, schmerzte physisch.
Das
war es dann, dachte sie und eine herbe Traurigkeit befiel sie, dann der Schock.
Kein Erwachsenengespräch unter vier Augen während des Essens auf dem Balkon
konnte diese Endgültigkeit ändern.
Scully
schloß ihre Augen und versuchte, tief einzuatmen. Es löste nicht den Druck in
ihrer Brust. Sie setzte sich zurück und sah ihn unglücklich an. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht konnte nicht
gut sein, denn er sah plötzlich besorgt aus. Sehr besorgt.
"Es
tut mir leid," sagte er, sehr, sehr leise. "Die Dinge, die passiert
sind. Die Dinge, die ich gesagt habe. Alles."
Sie
nickte, schluckte mühsam und lehnte sich nach vorn, drückte einen zweiten
zarten Kuß auf seinen Mund, während er still hielt, ließ ihre Lippen einen
zusätzlichen Moment verweilen und prägte sich die Weichheit und die
Beschaffenheit ein. Ein letztes Mal, dachte sie, ich liebe Dich...
Sie
zog sich zurück und streckte ihre Hand aus, um seine Unterlippe nur ganz leicht
mit ihren Fingerspitzen zu berühren.
"Es
tut mir auch leid," sagte sie leise. Ihre Brust schmerzte und sie war
voller Tränen, die sich ihren Weg in ihre Kehle erzwangen. Sie schluckte sie
herunter und ließ ihre Hand in ihren Schoß fallen. Ihr Blick fiel auf das
Flugticket, das er immer noch in der anderen Hand hielt. "Äh... ein Stift...
Stifte sind hier drin." Sie zog die Schublade ihres Nachttisches auf, dann
stand sie abrupt auf. Sie mußte hier raus, bevor ihr die Tränen kamen.
Er
starrte in die Schublade, ohne sich zu bewegen.
"Was?"
fragte sie. Er antwortete nicht und sie beugte sich über ihn, um zu sehen, was
er ansah.
Eine
kleine Schachtel Kondome schaute unter einem Buch und ein paar Briefen hervor.
"Ich
kann nicht glauben, daß Du dich gerade jetzt daran erinnerst, Mulder."
Er
sah sie nur an. "Hast Du es gesagt, um mich eifersüchtig zu machen?"
"Eifersüchtig?
Willst Du mich veralbern? Nein. Ich habe es gesagt, weil ich Dich in mir spüren
wollte und Du wolltest einfach nicht den Mund halten." Das war die
Wahrheit. Sie hätte lachen können über den Ausdruck auf seinem Gesicht. Statt dessen
fühlte sie, wie sich ihre Lippen zu dem kleinsten traurigen Lächeln verzogen
und ihre Nebenhöhlen begannen zu brennen von der Herbheit der drohenden Tränen.
"Und ich hatte niemals eine Fuck-yourself-Haltung. Ich weiß nicht, wo Du
das her hast. Als ich die Tür öffnete und Du standst da. Ich war froh, Dich zu
sehen... FROH." Sie atmete tief ein. "Diese Nacht, Mulder?" Er
wurde sehr still. "Diese Nacht war die schönste, die ich je in meinem
Leben erlebt habe."
Er
forschte in ihrem Gesicht und runzelte ein wenig die Stirn. "Aber Du
sagtest..."
"Wir
haben beide Dinge über diese Nacht gesagt, die wir bereuen. Aber die Wahrheit
ist... die Wahrheit ist, es war wunderbar. Wenigstens für mich..." Sie
verstummte.
Nun
war ihre Kehle so voller Tränen, daß es ihr schwer fallen würde, ein weiteres
Wort zu sagen. Wenigstens war sie in der Lage gewesen, ihm das zu sagen.
Das
letzte Licht vom Fenster fiel auf sein Gesicht, aber sie stand mit dem Rücken
zum Fenster und ihr Gesicht mußte im Schatten liegen, weil er sie anschaute,
als wenn er sie nicht sehr gut sehen könnte. Er drehte sich um und streckte
eine Hand aus, um die Lampe neben dem Bett anzuschalten.
Das
letzte, was sie brauchte war, daß er ihr Gesicht deutlich sehen konnte. "Da muß irgendwo ein Stift drin sein,"
stieß sie hervor, ihre Stimme voller Tränen. "Hilf Dir selbst." Sie
senkte ihren Kopf und drehte sich zum Gehen um.
Seine
Hand an ihrem Handgelenk hielt sie auf. Er knipste das Licht an. Sie wollte
sich nicht zurückdrehen und versuchte, ihr Handgelenk von ihm zu lösen, aber er
hielt fest.
Scully
drehte sich um, blinzelte im plötzlichen Lampenlicht. "Muld..." Er
sah in ihre Lampe hinein. Einen Finger hatte er auf seine Lippen gelegt.
Sie
beugte sich herüber und folgte seinem Blick.
Eine
Wanze.
Sie
atmete heftig ein.
Eine
Wanze hier?
Oh
Gott.
Sie
hatte es nicht begriffen, aber die hatten es! Und was jetzt? Worüber hatten sie
gesprochen? Liam, UCLA, induzierte Milchproduktion... Irgendeine gesichtslose
Person hatte zugehört, als sie ihm gesagt hatte, daß mit ihm zu schlafen die
schönste Sache in ihrem Leben war... und Gott, irgend jemand hatte zugehört an
dem Morgen, als sie miteinander schliefen.
Das
konnte nicht passiert sein.
Plötzlich
zitterte sie.
In
dem Moment klingelte ihr Telefon. Sie hörte es kaum.
Sie
entwand ihr Handgelenk seinem Griff und drehte sich weg, stolperte über ihren
Koffer auf dem Weg zu ihrem Schrank. Sie zog ein paar Radlerhosen aus dem
Schubfach und zog sie an.
Das
Telefon klingelte beharrlich.
Tränen
liefen ihr über das Gesicht. Mulder war auf einmal neben ihr.
"Scully?"
fragte er leise.
Blind
schob sie ihn weg und lief barfuß zur Wohnungstür. Sie sah zu Liam, er schlief
friedlich.
Das
Telefon hatte aufgehört zu klingeln. Der Anrufbeantworter war angesprungen.
"Hier
ist Walter Skinner." Vage hörte sie die Stimme, aber sie brachte sie dazu,
innezuhalten mitten in ihren Gedanken. "Agent Scully?? Es tut mir leid,
Sie am Sonntag zu stören, aber besteht IRGENDEINE Chance, daß Sie wissen, wo
Agent Mulder ist, es ist EXTREM WICHTIG, daß ich mit ihm in Kontakt
trete." Er machte eine Pause. "Dana - es ist unbedingt erforderlich,
daß ich ihn sofort finde. Also wenn Sie irgendeine Ahnung haben, wo er sein
könnte..."
Mulder
konnte das erledigen.
"Scully!!
Warte! Warte!!"
"Verdammt,"
fluchte er scharf, dann... "Hier ist Mulder, ich bin hier." Im
nächsten Moment war sie zur Tür hinaus.
Sobald
sie draußen war, rannte sie los. Die Apartments, Palmen,
Sonntag-Abend-Strandspaziergänger, Nebel, alles zusammen tränenverschleiert.
Und
dann weinte sie zu heftig, um zu laufen, die Tränen in ihrer Kehle und in ihrer
Nase blockierten ihren Atem. Sie verfiel in Schrittempo und stolperte vorwärts,
kämpfte darum, ihren Atem unter Kontrolle zu bekommen. Schließlich erreichte sie das entfernteste
Ende des Strandes und warf sich auf ihren Bauch in den Sand.
Umgeben
von ihrem eigenen privaten Nebelkokon legte sie ihren Kopf auf ihre Arme und
schluchzte.
Teil
21
Konzentrier
Dich.
Denk
an etwas - irgend etwas - anderes.
Der
Geruch von feuchtem Sand.
Atme
ihn ein.
Die
feuchte Kälte der Abendluft.
Fühle
sie auf Deiner Haut. Fühle die Gänsehaut auf Deinen Armen. Du beginnst zu
zittern. Im kalten, feuchten Sand zu liegen, in T-Shirt und Radlerhosen war der
Wahnsinn...
Er
will Dich nicht.
Oh
Mist.
Atme.
Ein.
Aus.
Ein.
Aus.
Du
kannst Liam nicht haben.
Schmerz.
Stechender
Schmerz.
Rot.
Verdammt.
Krieg
Dich unter Kontrolle, verdammt.
Ruhe.
Verdammt.
Liams
ganzes Leben ist zum Teufel wegen einer Wanze in Deinem Apartment. Du hättest
wissen müssen, daß Du nicht raus aus der Sache warst. Du bist vom Fach. Du
hättest nach Wanzen suchen müssen.
Mulder
hat sich sechs Monate abgemüht, das zu schaukeln, ohne eine Störung und nun ist
alles zum Teufel wegen Dir.
Deine
Schuld.
Atme.
Atme.
Steh
auf von dem Sand.
Du
mußt zurückgehen.
Wenn
Skinner ihn braucht, geht er vielleicht noch heute nacht.
Steh
auf. Geh zurück.
Komm
schon. Steh auf. Geh zurück. Du mußt Auf Wiedersehen sagen.
...
sie sind vielleicht bereits gegangen.
Oh
Verdammt.
Mehr
Schmerz. Atme.
Sie
konnte nicht aufstehen, selbst wenn ihr Leben davon abhing.
Das
Adrenalin, das durch ihre Adern geschossen war beim Anblick der Wanze und das
sie an den Strand gejagt hatte, verschwand, ließ sie zitternd und schwach
zurück. Sie lag bewegungslos auf ihrem Bauch, die fest geschlossenen Augen hart
gegen ihr Handgelenk gepreßt.
...
es würde leichter sein, sie gehen zu lassen, ohne ihnen eine weitere Szene zu
machen...
Ein
weiteres Zittern durchlief ihren Körper bei diesem Gedanken.
Wie
um alles auf der Welt konntest Du hier an diesem Strand stehen, nachdem Du mit
ihm geschlafen hattest im Mai und so leicht entscheiden, daß Du nicht mit ihm
zurück nach D.C. gehen würdest?
Vor
einem Monat. Ein Monat. Wie konntest Du nur so unglaublich naiv sein?
Dir
geht es gut.
Einfach...
gut.
Einfach
verdammt gut...
In
Ordnung. Wenn Du Dich nicht auf etwas anderes konzentrieren kannst, dann geh
näher darauf ein, wälze Dich darin, ein kompletter Idiot zu sein.
Du
hast es Dir selbst angetan. Du hast Dich albern, unreif, vollkommen in ihn
verliebt. Du hast die Stärke Deines Glücks in seine Hände gelegt.
Du
mußt es zurücknehmen. Du kannst es zurücknehmen.
Leicht
gesagt.
Als
er im Mai hier war, gab es keinen Liam.
Nein.
Er wußte von Liam und er hatte ihr nichts gesagt.
Liam...
‚...
wir können das Baby als Freunde aufziehen, Mulder. Du nimmst ihn mit nach
Washington... ich werde zu Besuch kommen... ich werde mich so benehmen, als
würde ich Dich nicht lieben... einfach wie ich es immer getan habe... und Du
wirst Dich benehmen, als wärst Du ein kleines bißchen in mich verliebt...
einfach wie Du es immer getan hast...
Nur
daß ich es jetzt besser weiß, um es zu glauben...'
Schmerz.
Wieder.
Atme...
Dir
geht es gut.
Dir
wird es gut gehen. Es stinkt Dir und es wird Dir eine Weile erbärmlich gehen...
aber es wird Dich nicht umbringen. Du lebst. Du hast den Krebs besiegt. Du hast
Emilys Tod überlebt. Du hast Missys Tod überlebt. Du hast Dads Tod überlebt. Du
hast Dich selbst. Und das Leben wird weitergehen. Liam lebt und Du wirst alles in Deiner Macht
stehende tun, damit es so bleibt.
Und
was passiert, wenn Mulder mit jemandem zusammenkommt? Was dann? Mach weiter,
bring dieses Szenario zu Ende. Wenn er jemanden heiratet? Seine Augen... die in
Liebe auf jemand anderen blicken? Und sie werden eine Familie?
Wieder
Schmerz.
Weißglühend.
Konzentrier
Dich. Atme. Schließe es aus. Atme. Ein. Aus. Ein. Aus. Der Geruch des Sandes.
Fischartig. Der Ozean. Fischartig. Die Algen.
Fischartig.
Verdammt!
Der
Versuch, sich auf etwas anderes zu konzentrieren, war absurd. Sie gab sich dem
Schmerz hin und ließ ihn Besitz von ihr ergreifen.
Seine
Augen.
Als
er sie das erste Mal küßte... als er ihr von Liam erzählte... als...
...
als Ihr Euch wild und wütend geliebt habt... als Du ihm auf dem Boot einen
Blowjob gegeben hast... als er Dich beobachtete, als Du Liam das erste Mal im
Arm hieltst...
"Das
sind nicht wir."
Sie
biß die Zähne zusammen.
Wieder
Schmerz. Schwarz diesmal. Verdammter. Stechender. Schmerz. So hart, heiß und
sinnlos, daß sie laut keuchte und sich in den Handrücken biß, Sandkörner an
ihrem Mund. In ihrem Mund.
Sie
hatte nicht verstanden bis zu dieser Sekunde, als er es sagte, wie sehr sie
geglaubt hatte, es könnte funktionieren.
Gottverdammt.
Sie
drehte ihren Kopf und spuckte aus.
Atme
verdammt. Atme.
Verdammter
Atem.
Alles,
was sie tun konnte, war fühlen.
Scully
legte ihre Stirn zurück in den Sand.
Sie
konnte von einem Ende des Strandes zum anderen schreien, aber sie konnte dies
hier nicht kontrollieren. In ein paar Minuten würde sie ihren Atem unter
Kontrolle haben und in der Lage sein, aufzustehen und zurückzugehen, nur weil
sie die zähe Dana Scully war. Und niemand würde in der Lage sein, ihr
anzusehen, wie hart sie das traf. Sie würde zurückgehen und ihnen ruhig Auf
Wiedersehen sagen... Sie würde wieder zur Arbeit gehen. Da würde sie erzählen, ihr Wochenende vom 4.
Juli war verdammt unglaublich und sie hatte eine tolle Zeit. Die Schramme auf
ihrer Wange? Das blaue Auge? Zuviel Beachvolleyball...
Aber
die Wahrheit war... sie atmete tief ein und gab es schließlich sich selbst
gegenüber zu:
Das
hier. All das hier... die Wahrheit war...
Scully
war ernsthaft durcheinander.
Auf
einmal spürte sie ihn.
Mulder
gab kein Geräusch von sich oder berührte sie, aber er war da.
Sie
konnte ihn fühlen. Stärker als die Feuchtigkeit des Nebels auf ihrer Haut.
Seine
Aura... wenn sie daran glaubte. Oh Gott. Sie glaubte an seine Aura, und der
einzige Platz, wo sie sein wollte, war darin.
Sie
drückte ihre Stirn fest gegen ihre Handgelenke und bewegte sich nicht.
Atme.
Atme.
Atme.
Atme.
Gott.
Sein Duft war auch da, vermischt mit dem salzigen Geruch des Nebels und des
feuchten fischigen Sandes.
"Geh
weg," flüsterte sie, wahrscheinlich nicht laut genug für ihn, um es zu
hören.
Scully
hörte einen leisen Seufzer und dann ein schwaches Knistern, als er sich neben
sie im Sand niederließ. Nun konnte sie ihn atmen hören, schwer, als wenn er
gerannt war, um sie einzuholen.
Sie
wünschte, er wäre einfach gegangen. Sie wollte nicht, daß er sie so sah.
Dana
Scully mit dem Gesicht im Sand.
Am
Boden.
"Geh,"
sagte sie wieder, kaum lauter, immer noch ohne ihren Kopf anzuheben.
Mulder
ging nicht.
"Du
hattest recht," sagte sie schließlich, ihre Stimme leise und gedämpft
durch ihre Arme. "Du hättest niemals herkommen sollen, um mich zu
sehen. Ich wünschte, Du wärst niemals
hergekommen. Ich wünschte, Du hättest mir niemals von ihm erzählt."
Ein
kleines Schluchzen drohte zu entweichen und sie drückte ihre Finger fest in den
Sand und hielt ihren Atem an. Scully drehte ihren Kopf und drückte ihre
zusammengebissenen Zähne gegen ihren Arm.
Er
sagte gar nichts.
"Das
ist es, wie sie es herausgefunden haben," flüsterte sie. "Wenn Du es
mir nicht erzählt hättest, wäre er in Sicherheit gewesen."
Scully
lauschte. Mulder hatte es auch begriffen. Er mußte es begriffen haben, weil
sein Atem sich nicht veränderte.
Sie
atmete tief ein. "Es tut mir so leid, daß ich alles versaut habe. Nimm ihn
einfach und geh. Ich kann das nicht noch einmal tun."
Ihre
Augen füllten sich mit Tränen und sie wartete. Um ein weiteres Schluchzen zu
unterdrücken, biß sie sich hart auf die Lippe. Dabei zerbiß sie sich die Lippe
und ihr Mund füllte sich mit dem warmen salzigen Geschmack ihres Blutes. Sie
schluckte es und wartete.
Mulder
ging nicht.
"Wie
konnte ich..." Er brach ab und sie hörte ihn schlucken. Seine Stimme war
rauh. "Wie konnte ich Dir nicht von ihm erzählen?" sagte er
schließlich. Ein Hauch von Verzweiflung lag in den Worten.
Sie
sah ihn von der Seite her durch ihre Haare hindurch an.
Mulder
lag auf dem Bauch im Sand neben ihr, sein Kinn ruhte auf seinen Händen und er
starrte hinaus auf die paar Meter grauen Ozeans, die sie im Nebel sehen
konnten. Ihr Blick flog schnell über sein Gesicht... seine Lider, seine Wangen,
sein Mund... Er hatte die Stirn in Falten gelegt und versuchte, es in seiner
Stimme zu verbergen, aber er war auch bestürzt.
Unglaublich bestürzt.
Als
würde er ihre Augen auf sich spüren, sah er zu ihr herüber, sie drehte ihren
Kopf schnell weg und blickte in die andere Richtung.
Nein.
Unreif
war nicht das Wort für das, was sie für ihn empfand.
Nicht
einmal annähernd.
Sie
kämpfte darum, sich an die Begründung zu erinnern, die sie das ganze Frühjahr
benutzt hatte, um sich selbst zu überzeugen, daß es ihr besser gehen würde ohne
ihn.
Er
steckte voller Fehler und Eigenheiten und Neurosen und seltsamer abgefuckter
Ideen, die mit den Jahren immer seltsamer und abgefuckter wurden. Er war einsam
und äußerst kompliziert. Sie waren sich nur die Hälfte der Zeit einig... Er
hatte Lachfältchen und ein paar graue Haare und eine komische Nase...
Aber
genau das waren die Dinge, die sie an ihm liebte.
Informationen
aus ihm herauszubekommen war wie Zähne ziehen. Sie haßte das.
Aber
- Gott - sie begann sogar, es zu verstehen.
Und
er war gottverlassen brillant.
Der
einzige Mann, den sie jemals getroffen hatte, der beinahe so klug war wie sie.
Was
Du für ihn empfindest, sagte sie sich - ein wenig herablassend - ist eine herzergreifende
atemberaubende sexuell geladene reife Liebe, die Dich mit Deinem frischen
Gesicht und Deinem perfekten Makeup dazu gebracht hätte, die Beine
zusammenzunehmen und aus seinem Büro zu rennen an diesem allerersten Tag, wenn
Du sie schon damals empfunden hättest.
Diese
Art von Liebe hätte für sie genauso weit hergeholt sein können wie eine
X-Akte...
"Ich
konnte Dich nicht finden. Du hast mich erschreckt," unterbrach er ihre
Gedanken leise, seine Stimme immer noch belegt. Die warme Haut seines Ellbogens
streifte ihre nur für eine Sekunde. Gott, sie brauchte es wirklich nicht, daß
ihr Herz erneut gegen ihre Rippen hämmerte.
Sie
stieß einen Seufzer aus. Es würde bald dunkel sein und sie fror. Sie hatte ihm
nichts zu sagen und sie hatte keine Antworten. Was immer er auch jetzt von ihr
wollte, sie würde nicht nachgeben.
"Gib
Dir nicht die Schuld, Scully. Ich hätte wissen müssen, daß sie Dich
beobachten." Er schien erkannt zu haben, daß sie ihm nicht antworten
würde, also sprach er irgendwie weiter. "Du hast es begriffen, nicht
wahr?" sagte er leise. "Wie es hätte sein können, wenn sie es nicht
gewußt hätten?"
Liam.
Schließlich
gab sie nach. Sie mußte einen Blick auf Liam werfen. Scully wandte ihren Kopf
um und sah Mulder wieder an. Er lag mit geschlossenen Augen da. Sie hob ihren
Kopf und sah über ihn hinweg auf die andere Seite. Liam war nicht da.
"Wo
ist er?" verlangte sie zu wissen.
"Er
ist bei Deinen Nachbarn," sagte er, ohne die Augen zu öffnen.
"Was?
Bei wem?"
"Bei
allen. Hast Du sie nicht gesehen? Du bist genau durch die Poolparty gelaufen.
Adrianna kam anmarschiert, nahm ihn mir aus dem Arm und zeigte hinter Dir her.
Ich habe nicht diskutiert."
"Aber..."
Sie
schätzte die Kraft in ihren Beinen ab. Nicht daß sie ihren Nachbarn nicht
traute... Teufel... er war wahrscheinlich sicherer bei Adrianna als bei ihr.
Aber... wer zur Hölle wußte, wer wer war in dieser Welt.
Scully
drückte sich auf die Knie, stellte erst ein Bein auf, dann das andere und erhob
sich. Sich umdrehend eilte den Strand zurück. Ungefähr eine Meile war sie von
ihrem Apartment aus nach Süden zum Eingang der Marina gerannt, es dürfte nicht
allzu lange dauern, zurückzukommen. Nach ungefähr zehn Sekunden begriff sie,
daß sie nicht den ganzen Weg durch den weichen Sand laufen konnte. Also machte
sie kehrt und eilte zum festen Sand am Rande des Wassers.
"Scully,
warte!"
Sie
ignorierte ihn und setzte weiter einen nackten Fuß vor den anderen. Ihre Knie waren ein bißchen wacklig. Und
Gott, wenn dieser verdammte Schlag auf ihren Kopf nicht wieder hämmern würde.
Morgen mußte sie das wirklich untersuchen lassen. Ihr war ein wenig schwindlig,
aber das war nur der Blutdruck, der abgesackt war, weil sie innerhalb von
Sekunden aufgesprungen und losgerannt war. Das würde in einer Minute vorbei
sein. Zwar fühlte sie sich nicht gut, aber sie hatte genug davon, physischer
Schwäche nachzugeben. Sie hatte so hart daran gearbeitet, um nach ihrem Krebs
wieder in gute physische Form zu kommen. Fünf Tage mit Mulder hatten ihr auch
die genommen.
Scully
mußte zurück zu Liam. Sie hatte kein gutes Gefühl dabei, ihn bei irgend
jemandem zu lassen.
"Sie
haben ihn uns aus Singapore herausbringen lassen, sie werden ihn nicht jetzt
holen kommen." Er hatte sie eingeholt. "Und nebenbei, sie können
gegen dieses Ensemble von Charakteren nicht gewinnen." Sie fühlte seine
Finger gegen ihren Ellbogen stoßen. "Der King sagte, er würde ihm
vorsingen, wenn er unruhig werden würde..."
Beinahe
mußte sie darüber lächeln, dann kam ein halbes Schluchzen aus ihrer Kehle. Sie
versuchte, ihr Gesicht an ihrer Schulter auf der ihm abgewandten Seite zu
reiben. Dann gab sie nach, senkte ihren Kopf und ließ ihr Haar über ihr Gesicht
fallen.
"Shhhh,
Scully."
Seine
Finger legten sich um ihren Unterarm, dann wurde er langsamer und hielt sie
fest. Sie zitterte beim Klang seiner Stimme, die ihren Namen so weich sagte.
Wenigstens nannte er sie wieder Scully.
"Gott,
Deine Haut ist ja wie Eis. Halt eine Sekunde an."
Sie
wurde langsamer, aber sie ging weiter und versuchte, von ihm loszukommen, doch
er hielt sie fest.
"Halt
an, Scully, halt an. Er wird für ein paar Minuten in Ordnung sein.
Wir
gehen gleich zurück."
Mulder
zog sie herum, damit sie ihn ansah, aber sie ging rückwärts weiter.
"Halt
an," sagte er fest und blieb plötzlich stehen. Nun hatte sie keine andere
Wahl, als auch stehenzubleiben. Seine Finger legten sich unter ihr Kinn und
hoben sanft ihr Gesicht an.
Trotzig
traf sie seinen Blick durch den Vorhang aus Haaren vor ihrem Gesicht.
Mulder
zuckte zusammen.
"Oh,
Scuh-leee," sagte er sanft. Seine Augen waren dunkel und ernst und
intensiv... und voller Mitleid. Ihr Gesicht mußte eine einzige Katastrophe
sein.
Er
ließ ihr Kinn los und schob ihr vorsichtig die Haare aus den Augen, ohne ihr
Gesicht zu berühren. Dann begann er sehr, sehr leicht - so leicht, daß seine
Fingerspitzen nur den Sand, nicht ihre Haut berührten - ihn von ihren Wangen zu
streichen.
Mit
den Fingern seiner anderen Hand hielt er immer noch ihren Unterarm fest.
Wahrscheinlich hatte er Angst, daß sie versuchen würde, sich loszumachen und
wegzulaufen. Und er hatte recht.
"Er
gehört Dir," sagte er leise.
Sie
starrte ihn an, als sie das, was er gesagt hatte, sinken ließ.
Oh...
Gott.
Sein
Mund verzog sich zu einem kleinen kläglichen Lächeln. "Du bist seine
Mutter. Er braucht Dich, nicht mich." Sein Blick hielt für einen Moment
ihren fest, dann glitt er weg und beobachtete seine Finger, die fortfuhren, ihr
Gesicht zu säubern. Seine federleichte Berührung war unglaublich zart.
Scully
konnte kein Wort sagen. Sie zog nur ihre Unterlippe zwischen die Zähne und
fühlte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.
Seine
Finger schienen eine Sekunde zu zögern, dann bewegten sie sich zu ihren Lippen
und begannen, den Sand von ihrem Mund zu streichen, er verstärkte ihren Druck
um eine Winzigkeit. Seine warmen Finger bewegten sich über ihre kalten Lippen.
"Was hast Du mit Deinem Mund getan? Du blutest."
Sie
schüttelte ihren Kopf nur minimal.
"Scully,"
sagte er sanft. "Dies war niemals darauf angelegt, Dich zu
verletzen."
Atme.
Es
schien das einzige zu sein, das sie tun konnte. Und nicht besonders gut. Sie konnte fühlen, wie ihr Atem von seiner
Hand abprallte und zurück über ihre Lippen glitt. Die Augen schließend schickte
sie ein kleines Gebet nach oben.
Danke,
lieber Gott. Danke...aber...
Scully
atmete sehr tief ein und öffnete ihre Augen. Mulder schien vollständig von dem
gefangen, was er tat. Er leckte seine Lippen, sein Blick immer noch auf ihrem
Mund.
"Mulder..."
Ihre
Stimme klang sehr dünn, atemlos und sehr unsicher. Und sie zitterte. Reaktion, Kälte, Mulder-veranlaßter Wahnsinn,
was auch immer, aber sie zitterte. Schreckliche kleine Schauer. Jeden Moment
würden ihre Zähne anfangen zu klappern. Oh, nur für sechzig Sekunden die
glühende Hitze, die sie in Singapore hinter sich gelassen hatten.
"Ich
liebe Dich," sagte sie.
Seine
Finger hielten inne und er sah ihr in die Augen. Lange forschte er darin, dann
wurde sein Ausdruck nachdenklich und er sah weg.
"Dafür,
daß ich Dir zurückgegeben habe, was Deines ist? Er gehörte nicht mir." Er schüttelte
den Kopf. "Nein."
Nein.
Sein
Blick kam zurück zu ihr, beinahe zögernd, und er studierte ihr Gesicht.
"Komm her, Du frierst." Und bevor sie ganz begriffen hatte, was er
tat, hatte er sein T-Shirt hochgehoben, sie eng an seine warme nackte Brust gezogen
und das T-Shirt über ihren Kopf und ihren Rücken gezogen. Er legte seine Arme
um sie, hielt sie fest und rieb seine Hände über ihre Arme und Schultern, um
sie zu wärmen.
Scully
legte ihre Hände auf seinen Bauch und drückte ihn ein wenig weg.
"Mulder..."
"Sei
still," sagte er. "Ich glaube, Du hast einen Schock."
Scully
legte ihre Arme um sich und stand steif in dem Kokon unter seinem T-Shirt. Sie
hatte keinen Schock. Das wüßte sie, wenn sie einen Schock hätte. Sie hatte
keinen Schock... Hatte sie einen? Wann hatte sie das letzte Mal etwas gegessen
oder getrunken? Letzte Nacht im Flugzeug? Typisch Mulder zu denken, sie mußte
einen Schock haben, wenn sie ihm sagte, daß sie ihn liebte. "Shhh,"
machte er wieder und zog sie enger an sich heran, obwohl sie nicht glaubte, daß
sie irgend etwas davon laut gesagt hatte.
Plötzlich fand sie ihre Wange an die sehr warme Haut auf seiner Brust
gedrückt.
Scully
entspannte sich ein bißchen. Sie wollte in seiner Aura sein. Nun, hier war sie
es. Die Augen geschlossen gestattete sie sich, sich ein bißchen mehr zu
entspannen, atmete seine Wärme und seinen Geruch ein. Es war wärmer in seinem
T-Shirt und sie fror nicht mehr so.
"Ist
es jetzt besser hier drinnen?" fragte er.
Sie
nickte an seinem Brustbein. Warm... warm.
"Ich
habe versucht herauszufinden, wie ich es Dir sage," sagte er leise. "Ich wollte es Dir beim Essen sagen.
Anscheinend kann ich Dir nicht einmal gute Nachrichten überbringen."
Seine
Hände rieben sanft über ihre Schultern und Arme, immer noch damit beschäftigt,
die Kälte zu vertreiben.
"Eine
kleine Weile habe ich so getan, als wenn er mir gehört," sagte er, seine
Stimme noch tief und brummelnd in seiner Brust unter ihrem Ohr. "Aber er
gehört nicht mir. Er gehört zu Dir."
Sie
war still, sie kannte ihn. Das war das zweite Mal. Sie nahm eine großen Zug
nach Mulder duftender Luft.
"Dir,
Mulder?"
Seine
Hände hielten inne.
Vielleicht
würde er diesmal antworten.
Sie
wartete, konzentrierte sich auf seinen Herzschlag.
Eins.
Zwei.
Drei.
Vier.
Fünf.
"Oder
so getan, als wäre er unser?" half sie ihm sanft auf die Sprünge.
Sechs.
Sieben.
Acht.
Neun.
Zehn.
Elf.
Zwölf.
Dreizehn.
Vierzehn.
Fünfzehn.
Sechzehn.
Siebzehn.
"Scuh-leee..."
sagte er leise, nahe an ihrem Ohr.
Sie
zitterte wieder - und nicht vor Kälte. Seine Hände begannen sich wieder langsam
über ihren Rücken zu bewegen, rieben sanft ihre Schulterblätter und ihre
Wirbelsäule.
Achtzehn.
Neunzehn.
Zwanzig.
Einundzwanzig.
Zweiundzwanzig.
Dreiundzwanzig.
Sein Herz schlug ein bißchen schneller. Vierundzwanzig.
Fünfundzwanzig.
Sechsundzwanzig. Siebenundzwanzig. Achtund...
Er
atmete tief ein, so tief, daß sie die Luft hören konnte, die durch seine Lungen
rauschte.
Neunundzwanzig.
Drei...
Gott.
Wollte sie es wirklich wissen? Macht nichts, Mulder. Ich glaube, ich will es
lieber nicht... Oh Mist. Sag mir einfach...
"Unser,"
sagte er leise und sie glaubte, seine Lippen auf ihrem Kopf durch den Stoff des
T-Shirts zu fühlen.
Sie
bewegte sich plötzlich und griff nach dem Saum seines T-Shirts, schob es über
ihren Kopf und strich es dann sorgfältig wieder über seinen Bauch. Es war kalt, jetzt wo sie nicht mehr an
seinem Körper war.
Scully
hob ihren Kopf und traf seinen Blick, Tränenspuren, Sand, Blut und alles. Sein
Gesicht war besorgt und mindestens ein bißchen resigniert. Lange starrte sie ihn an. Plötzlich hatte sie
den Verdacht, daß es ihm leid tat, daß er es gesagt hatte und nicht wissen
wollte, was sie sagen mußte. Für ihn
hatte nicht zu wissen die Schönheit der Unkenntnis.
Für
sie war es die Hölle.
Zu
spät, Mulder. Du hast es zuerst gesagt.
"Ich
auch," sagte sie ihm.
Sein
Ausdruck änderte sich nicht, er bewegte keinen Muskel, nur seine Pupillen
bewegten sich, erweiterten sich in der einbrechenden Dunkelheit, als sie ihr
Gesicht erforschten.
Auf
einmal atmete er mit einem kleinen keuchenden Schnappen aus.
Sie
fühlte plötzliche Scheu und hatte keine Ahnung, was zur Hölle sie als nächstes
tun sollte. Mulder schien es auch nicht zu wissen. Er neigte unvermittelt
seinen Kopf und sah auf die Wellen, die nahe bei ihren Füßen an den Strand
rollten.
"Komm."
Sie sah auf ihre Füße. Ihre Zehen waren taub. "Laß uns zurückgehen und ihn
holen."
Ihre
Augen flatterten für den Bruchteil einer Sekunde zu seinen, als er sie von der
Seite ansah und nickte.
Scully
drehte sich um, um den Strand hinunter zurückzugehen, aber seine Hand auf ihrer
Schulter hielt sie zurück. Er legte seinen Arm ein wenig ungeschickt um ihre
Schultern, sie schlüpfte zurück in seine Wärme und legte ihren Arm um seine
Taille.
Sie
gingen ohne zu sprechen, das einzige Geräusch war das gedämpfte Stoßen der
Brandung. Der Nebel gab ihm eine unwirkliche Klangfarbe... Nebel im Juli, eine
weitere Folge von El Nino. Aber trotz des Nebels hielt sich die Dämmerung an
diesem Abend sehr lange. War es wirklich erst eine Woche oder so her seit dem
längsten Tag des Jahres? Ihr war nicht mehr kalt, sie schwebte einfach neben
ihm in der Dämmerung, ohne wirklich darüber nachzudenken, was sie gerade gesagt
hatten.
Und
trotz der Tatsache, daß sie einander festhielten, gingen sie nicht einmal vage
im Gleichschritt.
Scully
sah auf ihre Füße herab. Komisch, daß sie niemals bemerkt hatte, daß ihr
Schritt nur gerade halb so lang wie seiner war. Sie mußte für alle paar
Schritte, die er tat, einen extra machen. Aber er versuchte, kleinere Schritte
zu machen, so daß sie nur ab und zu einen kleinen zusätzlichen Schritt machen
mußte, um ihn einzuholen...
Nur
ein Paar Fußabdrücke kam aus der anderen Richtung, stellenweise durch die Flut
weggewaschen. Die Schritte waren wesentlich länger als die, die sie jetzt
machten. Er war schnell gelaufen.
Mulder
sah auch auf ihre Fußabdrücke herab. "Ich war schon fast am Santa Monika
Pier, bevor ich diesen Weg zurückkam," sagte er.
Das
waren fünf, vielleicht sechs Meilen. Sie hatte nicht erwartet, daß er ihr
folgen würde...
Scully
fragte sich, was ihn so lange aufgehalten hatte.
"Was
wollte Skinner?" fragte sie.
"Mist!"
sagte er und blieb plötzlich stehen. Er ließ sie los, um sein Handy aus der
Tasche zu holen. "Ich hab ihm gesagt, daß ich ihn in zehn Minuten von meinem
Handy aus zurückrufe und hab eingehängt."
Mulder
schaltete das Telefon ein und es klingelte sofort und erschreckte sie beide.
Sie sahen das Telefon an, dann einander.
Scully
zog ihre Augenbrauen hoch.
Mulder
schüttelte den Kopf und sein Blick fiel auf ihren Mund. Langsam hob er seine
Hand und streichelte zärtlich ihr Gesicht. "Scuh-leee," flüsterte er,
sein Blick hielt ihren fest.
Scully
sah ihn nur an. Plötzlich lagen seine Arme fest um ihren Rücken, zogen sie auf
ihre Zehenspitzen und drückten sie eng an sich.
Und
sie ließ sich von ihm fest umarmen, ihre Hände lagen leicht auf seiner Taille.
Das
Telefon mußte er fallen gelassen haben, weil es im Sand zu ihren Füßen
klingelte.
Ein
wenig löste er seinen Griff und hob seinen Kopf, um sie anzusehen, dann beugte
er sich zu ihr. Er wollte sie küssen.
"Nein."
Sie hob ihre Hand hoch und seine Lippen stoppten an ihren Fingern. Im Moment war sie zu zerbrechlich, um das zu
tun. In dieser Nacht hatte sie ihn bereits zum Abschied geküßt und das war
genug. Sie würde ihn nicht wieder küssen, außer... außer...
Dramatisch,
aber wahr.
Das
verdammte Telefon wollte nicht aufhören zu klingeln.
"Wir
müssen miteinander reden," sagte sie leise. Wie oft hatten sie das in den
letzten zwei Tagen gesagt? Zu oft.
Er
nickte und drückte einen zarten Kuß auf ihre Finger, dann streckte er seine
Hand aus, nahm ihre und schob sie zur Seite, seine Finger mit ihren
verschränkt. Sein Blick lag immer noch auf ihren Lippen.
Sie
erstarrte, als er sich dichter an sie lehnte. Er steckte seine Zunge ein
winziges bißchen heraus und leckte ganz leicht über ihre Unterlippe. Oh Gott...
er leckte das Blut ab, seine Zunge warm und zart. Er folgte vorsichtig ihrer
Rundung, zog ihre Unterlippe sanft in seinen Mund, dann ließ er sie los.
Scully
sah in seine Augen. Gold und grau und durchscheinend... Wild.
Sie
schnappte nach Luft.
Oh
Gott.
"Bitte..."
hauchte sie.
"Wir
werden die ganze Nacht reden, Sweetheart," flüsterte er und lehnte sich
noch ein bißchen dichter an sie.
Sweetheart...
Sie preßte ihre Lippen zusammen, damit sie sich nicht eigenmächtig öffnen
würden und schloß ihre Augen, um sein Gesicht, seinen Ausdruck, seine
Konzentration auf ihren Mund auszusperren.
Scully
konnte seinen warmen Atem fühlen, der ihre Lippen liebkoste.
"Oh,
Mulder," flüsterte sie. "Bitte..."
Er
ließ seinen Mund einfach über ihren streichen.
"Scuh-leee,
sieh mich an," hauchte er.
Sie
öffnete ihre Augen. Seine waren halb geschlossen , voller Sehnsucht.
"Bitte...
bitte, hör auf," sagte sie verzweifelt.
Daraufhin
hörte er auf und nahm seinen Mund eine Winzigkeit von ihrem weg.
"Nicht,"
hauchte sie. "Ich kann das nicht." Seine Augen forschten in
ihren. Sie senkte ihren Kopf, so daß er
ihr Gesicht nicht sehen konnte. "Tu mir nicht mehr weh," protestierte
sie leise, so leise, daß es nicht wirklich dazu bestimmt war, von ihm gehört zu
werden.
Mulder
atmete ein und zog sie eng an sich unter sein Kinn. "Es tut mir leid. Es
tut mir leid. Es tut mir leid," murmelte er in ihr Haar.
Das
Telefon klingelte erneut zu ihren Füßen. Sie versuchte, darauf zu treten und es
mit dem Zeh auszumachen, aber es klingelte, in den Sand gedrückt, weiter.
"Das Telefon..."
"Zum
Teufel damit," sagte er. Sein Kopf fiel herab und er preßte sein Gesicht
an ihren Hals.
"Wenn
Du es ertragen kannst, dann halt mich einfach," flüsterte er.
"Bitte."
Scully
legte ihre Arme um seine Taille und umarmte ihn fest. So fest sie konnte. Er
hielt sie und schaukelte sie sanft.
Sie
konnte nicht glauben, daß das Telefon immer noch klingelte, ein wenig gedämpft
durch den feuchten Sand. Was zur Hölle konnte Skinner nur wollen?
"Sprich
einfach mit ihm und bring es hinter dich," flüsterte sie.
Sein
Griff verstärkte sich, seine Lippen flüsterten etwas in ihren Hals. Schließlich hob er seinen Kopf. Als sie sah,
daß die Verzweiflung in seinem Blick einer Art Entschlossenheit gewichen war,
war sie nicht überrascht. Es war das, was sie selbst empfand.
Sie
würden zurückgehen, alle Wanzen aufspüren, sich dann auf ihren Balkon setzen
und reden. Und vielleicht... sie kreuzte plötzlich ihre Finger hinter ihrem
Rücken.
Beschrei
es nicht.
Ohne
seinen Blick von ihrem zu lösen, beugte er sich herab, hob das Telefon auf und
nahm es ans Ohr.
Teil
22
"Mulder,"
sagte er ins Telefon. Seine Stimme klang rauh und atemlos. Sein Blick hielt
immer noch ihren, als er die Sprechmuschel gegen seine Schulter drückte und
tief einatmete. Er kämpft um seine Fassung, dachte sie, in seinen Augen
forschend. Mulder war vollkommen erschüttert. Die ungeschützte Verwundbarkeit
in ihren Tiefen erschreckte sie und sie sah schnell weg.
Sieh
ihn an, sagte sie sich. Er will, daß Du es siehst, sonst würde er Dich nicht so
ansehen.
Seine
Finger drückten zart ihren Unterarm.
Scully
hob ihren Kopf und traf seinen Blick. Überrascht beobachtete sie, wie sich
seine Augen mit Erleichterung füllten. So viel Erleichterung als Reaktion
darauf, daß sie ihn einfach ansah, wunderte sie sich? Sie beobachtete ihn, wie
er sie beobachtete, als er das Telefon wieder ans Ohr nahm und zuhörte.
Mit
ihren Augen deutete sie in Richtung ihres Apartments. Liam. Er nickte. Sie löste ihren Blick von seinem. Was immer
er im Moment von ihr wollte, sie konnte nicht warten, während er mit Skinner
sprach. Sie mußte zurück zu Liam.
Scully
drehte sich um und entzog sich seinem Griff. Mulder griff nach ihr und
erwischte sie an der Hand. Er verschränkte seine Finger mit ihren und ließ sich
von ihr mitziehen, als sie anfing zu gehen. Sie warf ihm einen Blick zu und
konnte sehen, daß seine Aufmerksamkeit ihr galt und nicht dem, was Skinner
sagte.
Dann
zuckte er zusammen. "Ja, Sir. Entschuldigung, Sir."
Scully
drückte seine Finger ein wenig. Skinner mußte ihm den Kopf waschen.
Sie
zog an seiner Hand und kam ihm ein bißchen näher, während sie gingen.
Mulder
runzelte die Stirn. "Mein Wagen?" Seine Stimme klang beunruhigt.
"Ja,
Sir... Er ist noch ein Kind. Alle paar Wochenenden benutzt er ihn." Seine
Stimme hob sich. "Was ist passiert? Hat er ihn für eine Spritztour
ausgeliehen und ihn zu Schrott gefahren?"
Sie
verlangsamte ihren Schritt. Schließlich blieb sie stehen und bewegte ihren
Kopf. Mulder beugte sich nieder und hielt das Telefon so, daß sie mithören
konnte. Ihre andere Hand legte sie auf seine Brust. Sein Herz raste. Ihm leicht
die Brust tätschelnd, versuchte sie, ihn zu beruhigen.
"Nein."
Die Schärfe in Skinners Ton erschreckte sie. Ihre Augen weiteten sich und ihr
eigener Atem ging schneller. Mulder nickte ein wenig angesichts ihres
Ausdrucks. "Er fand heute nachmittag eine kleine Überraschung unter der
Motorhaube," fuhr Skinner fort. "Glücklicherweise wußte er, was zur
Hölle er da sah. Er rief die Polizei von Alexandria an. Die riefen mich an. Plastiksprengstoff mit
dem Gaspedal verbunden."
Ihr
Blick traf ungläubig auf seinen und ihre Finger schlossen sich krampfhaft um
den Stoff seines T-Shirts. Das Blut hämmerte in ihren Ohren, als sie ihren Kopf
näher zum Telefon streckte, um besser zu hören. Mulder beugte sich ein wenig
mehr herab.
Scully
war froh darüber, daß sie nicht diejenige war, die mit Skinner sprach. Denn sie
glaubte nicht, daß sie etwas zusammenhängendes zustande gebracht hätte.
"Es
ist nicht explodiert? Er ist in Ordnung?" fragte Mulder.
"Sie
sollten verdammt dankbar sein, daß es ihm gut geht," sagte Skinner. "Was ich wissen möchte ist, wem zur
Hölle haben Sie nun wieder auf die Füße getreten?"
Mist,
artikulierte er für sie. "Ich weiß nicht, Sir."
Auf
einmal war sie sich auf unangenehme Weise dessen bewußt, daß keiner von beiden
seine Waffe hatte. Sich umdrehend löste sie ihre Blick von seinem, um den
Strand hinter ihnen zu prüfen. Sie waren allein, aber irgend jemand konnte
außer Sichtweite im Nebel und der sich ausbreitenden Dunkelheit sein.
Liam.
Sie mußten zu ihm zurück, so schnell wie möglich. So begann sie, ihn ein wenig
in Richtung ihres Apartments zu ziehen.
"Nehmen
sie den letzten Flieger heute Nacht zurück?" Skinners Worte schnitten
scharf in ihre Gedanken.
Ihre
Finger schlossen sich enger um Mulders in demselben Moment, als er ihre
schmerzhaft drückte. Mulder sah auf ihre sich umklammernden Hände herab, dann
schloß er seine Augen und drückte ihr Handgelenk gegen seine Wange. Er atmete
tief ein.
"Ich
werde nicht vor Dienstag zurück sein, Sir."
"Machen
Sie es kurz und kommen Sie heute Nacht zurück."
Mulder
öffnete seine Augen, wenige Zentimeter von ihren und hielt sie mit einem Blick
fest, so voll mit einer komplizierten Mischung aus Gefühlen, aus Besorgnis und
Verlangen und Hitze und...
Gott...
Wie
hatte er das vor ihr verschweigen können?
Und
warum?
Seine
Augen...
Besorgt...
aber voller intensiver zarter Liebe.
Scully
starrte ernst in sie hinein. Sie hätte es wissen müssen.
Was
immer er tat, um sich unter Kontrolle zu halten, aus welchem Grund auch immer,
es war vorbei, die sorgfältige Distanz war, als wäre sie nie dagewesen.
Ihre
Finger von seinem T-Shirt lösend ließ sie ihre Hand um seine Taille wandern.
Sie drückte ihn halb beschützend, halb ärgerlich. Dann fand sie sich ihn fest
umarmend, als Erleichterung sie durchfloß vom Kopf bis zu den Zehen.
"Ich
kann nicht... Sir," sagte er fest. Bei seinen Worten ging eine rasche
elektrische Welle durch ihr Blut, die ihr Herz mehr schmerzen ließ als es das
tat, als er sie in ihrem Apartment zurückwies. "Ich bin mittendrin in
etwas. Etwas wichtigem."
"Was
ist denn wichtiger als ein Anschlag auf Ihr Leben, Agent Mulder?"
Er
antwortete nicht, lehnte nur seinen Kopf ein wenig vor, bis seine Stirn an
ihrer lehnte, seine Nasenspitze berührte ihre.
Sie
stand still bei ihm und schloß ihre Augen. Dabei hatte sie das Gefühl, daß ihr
Blut in einer Richtung durch ihren Körper lief und dann umdrehte und glühend
heiß durch ihre Adern in die andere Richtung zurückfloß. Jede Stelle ihrer
Haut, die seine berührte, bekleidet oder nicht bekleidet, fühlte sich
gleichzeitig versengt und liebkost an...
Stirn,
Hände, Nasen, Brüste, Schenkel. Ihre sich eng umklammernden Hände.
Sogar
ihre Zehen an seinen nackten Füßen.
"Agent
Mulder?" verlangte Skinner. "Haben Sie mich gehört?"
"Mmmm-hmmm,"
murmelte Mulder und rieb nur ihre Nasenspitze sanft mit seiner.
Skinner
schwieg einen Moment, anscheinend immer noch auf eine Antwort wartend. Dann gab
er überraschend ohne zu fragen nach, der Ärger in seiner Stimme ließ nach.
"In Ordnung, als erstes werden wir Dienstag früh in meinem Büro
herausfinden, wer zum Teufel dahintersteckt. Rufen Sie mich an, wenn Ihnen
irgend etwas einfällt. Oh - und grüßen Sie sie von mir."
Ja,
Sir. Warten Sie. Sir? Warum haben Sie Agent Scully angerufen auf der Suche nach
mir?"
Skinner
gab ein gedämpftes Geräusch von sich. "So wie Sie sich in der letzten
Woche hier benommen haben? Ich weiß nicht, was das alles bedeutet, aber passen
Sie auf sich auf. Besser noch, sie paßt auf Sie auf."
Klick.
Scully
stand, wo sie war, einen Arm um ihn gelegt, drückte mit der anderen Hand seine
und preßte sich an ihn, atmete ihn in ihre Lungen ein, nahm die Hitze und die
Intensität seines Körpers in sich auf, ihre Augen waren immer noch geschlossen.
Sie
konnte sich nicht bewegen.
"Soviel
dazu, daß ich mir eingebildet habe, meine Spuren verwischt zu haben,"
sagte er leise. Sie fühlte, wie das Telefon von ihrem Ohr genommen wurde und
dann die Rauheit seiner Wange, als er ihre leicht rieb. Sein Atem strich warm
über ihren Mund. Dann fühlte sie, wie seine Lippen den zartesten, sanftesten
Kuß, den man sich vorstellen kann auf ihr geschlossenes Lid drückten.
"Bist Du in Ordnung?" flüsterte er.
Sie
nickte ein kleines bißchen.
Scully
konnte fühlen, daß er wartete. In einer Sekunde würde sie sich bewegen. Sie
mußte zu Liam zurück, aber...
"Öffne
Deine Augen," sagte er leise. "Skinner sagt, Du sollst auf mich
aufpassen." Sie öffnete sie. Seine waren nur wenige Zentimeter von ihren
und sehr besorgt. "Bist Du in Ordnung?"
Sie
schüttelte den Kopf.
"Eine
Bombe, Mulder."
Schockierend.
Noch
verarbeitete sie nichts, wartete nur darauf, daß ihr Blut und ihr Herz
begannen, richtig zu arbeiten. Und vielleicht würde sie dann auch wieder
beginnen zu atmen... Ihre Stimme war sehr schwach geworden. Das konnte sie in
Ordnung bringen. Sie räusperte sich.
"Ich
weiß," sagte er leise. Als sein Blick in ihrem Gesicht forschte, wurde er
besorgter. "Komm. Laß uns zurückgehen und sicherstellen, daß er..."
Er hielt inne. "Es geht ihm gut. Komm. Laß uns Dich ins Warme
bringen."
Mulder
schob das Telefon zurück in seine Tasche, dann legte er seinen Arm um ihre
Schulter und drehte sie in Richtung trockenes Land.
"Oh
Gott, Mulder."
Er
seufzte zustimmend, dann fluchte er, "Verdammt. VERDAMMT!" Er hielt
plötzlich an, erschreckte sie. "GENUG!!" schrie er plötzlich in die
neblige Nacht. "LASST UNS VERDAMMT NOCH MAL IN RUHE!!"
Scully
drehte sich um und legte wieder beide Arme eng um ihn. Er zitterte. "Mist. Mist. Mist," sagte sie in
seine Brust. Seine Arme legten sich ebenfalls eng um sie.
"Ich
weiß. Verdammt," fluchte er erneut in ihr Haar und sie standen einen Moment
da, hielten sich gegenseitig fest, dann drehten sie sich gleichzeitig um und
gingen auf dem kürzesten Weg vom Wasser weg und begannen mühsam durch den
trockenen Sand zu stapfen. Obwohl es schwer war zu gehen, waren ihre Körper
nicht mehr unbeholfen miteinander. Sie ging perfekt eng an seiner Seite. Seine
Hand umfaßte sanft ihre Schulter, sein Kopf war nahe an ihrem. Und so eilten
sie dahin, ihre Schritte nun im Einklang.
"Verdammter
Plastiksprengstoff," sagte er ungläubig. "Rate, wer der Absender
war."
"Aber
warum? Warum jetzt?"
"Vielleicht
haben sie es endlich satt mit mir. Wollen mir heimzahlen, daß ich ihre Insel
gefunden habe. Dich und Liam allein zurücklassen."
"Aber
Du würdest Liam dabei gehabt haben. Warum würden sie ihm wehtun wollen?"
Er
seufzte und sah auf sie herab, sein Gesicht angespannt. "Ich glaube, sie
kennen mich besser als Du," sagte er langsam.
"Wovon
sprichst Du, Mulder?"
"Ich
hätte ihn niemals mitgenommen."
Sie
runzelte ihre Stirn.
"Auf
dem Flughafen, ich habe ihn Dir gegeben, als..."
Sie
war überrascht. "Du hast ihn genommen."
"Nein.
Zuerst nicht."
"Du
HAST."
Er
schüttelte langsam den Kopf.
Sie
konnte es nicht glauben. "Du hast mich betteln lassen," warf sie ihm
vor und wartete darauf, daß er es bestreiten würde. Als er es nicht tat, zog
sie ihren Arm von ihm weg und entzog sich seinem Griff.
Er
blickte sie mit einem Ich-bin-ein-Arsch-Blick an, der ihr das Herz zusammenzog
und sie wandte sich ab.
"Scully,
ich hatte Dich durch die Hölle geschickt - es ging nur darum, Deinen Sohn für
Dich zu bekommen - und Du hast dagestanden, schön und stolz, hast mich
angesehen mit einem Feuer in Deinen Augen wie eine Tigermutter... und ich
dachte, Gott, was für ein Arschloch bin ich? Du hast nicht gefleht, Du hast
gefordert, ich habe die verdammte Ahnung..."
Die
Empfindung in seiner Stimme ging durch ihre Brust, schnürte sie enger und sie
schüttelte ungläubig den Kopf. Sie wollte nicht aufhören darüber nachzudenken,
daß was immer sie auch durchgemacht hatte, es so schien, als hätte er es auch
durchgemacht. Er ging ihr eine Weile schweigend nach.
"Ich
dachte, wenn Du wütend genug wärst, würde ich auch wütend genug werden, um in
der Lage zu sein, wegzugehen. Und als Du sofort angenommen hast, ich wäre
Arschloch genug, ihn mitzunehmen? Für fünf Sekunden dachte ich, zur Hölle,
warum nicht? Aber sogar wenn ich Dich in dem Moment hätte verlassen können, ich
hätte ihn nicht schon wieder in ein Flugzeug stecken können. Ich wäre in einem
Hotel oder so gelandet und hätte ihn zu Dir nach Hause gebracht."
Er
berührte ihren Arm, nur das leichteste zarte Streicheln mit seinen
Fingerspitzen. "Auf einmal wußte ich, wenn ich in dem Moment von Dir
weggegangen wäre, würde ich es den Rest meines Lebens bereut haben."
"Du
hast mich Dich anflehen lassen," sagte sie wieder, ohne ihn anzusehen,
aber sie streckte ihre Hand aus. Seine Finger legten sich um ihre und sie ließ
ihn sie dicht zurück an seine Seite ziehen.
Der
Geruch von Gegrilltem erreichte sie, bevor sie das Tor öffnete und ließ ihr das
Wasser im Munde zusammenlaufen. Plötzlich blieb sie stehen. Liam wird hier
sein, es wird ihm gut gehen, sagte sie sich fest. Sie konnte Elvis und einen
anderen Nachbarn hören, die ein leises Gitarrenbluesduett sangen.
"Über
die Entfernung... die ganze Zeit... habe ich meine Hand nach Dir ausgestreckt...
in meinen Gedanken..."
Sie
stieß das Tor auf.
Alle
Bewohner ihres Apartmenthauses saßen um den rauchenden Grill am Pool,
unterhielten sich leise oder lauschten dem Gesang. Alles leuchtete gespenstisch
im Licht der Unterwasserbeleuchtung des Pools. Jedermann erschien gedämpfter
als normalerweise. Vielleicht der Einfluß des Nebels.
Ihre
Augen suchten rasch nach Adrianna. Am Pool fand sie sie. Liam lag in ihrem
Schoß und saugte glücklich an seinem Fläschchen, sein Kopf ruhte bequem an
ihrer Brust. Sie hatte ihren Kopf über ihn gebeugt und schaukelte ihn sanft hin
und her im Rhythmus der Musik.
Scully
stieß einen unvermittelten Seufzer der Erleichterung aus. Mulder drückte ihre
Schulter und sie hörte ihn auch erleichtert einatmen.
"Die
Venezianische Madonna," flüsterte er ihr ins Ohr, als sie um den Pool
herum gingen.
Ein
paar von ihren Nachbarn sahen auf und nickten ihr zu und sahen Mulder prüfend
an. Aber die meisten von ihnen beachteten sie nicht. Sie war froh darüber,
senkte ihren Kopf und ließ ihr Haar über ihr Gesicht fallen, dankbar für das
gedämpfte Licht.
Vor
Adrianna blieb sie stehen.
"Danke,
daß Du Dich um ihn gekümmert hast, A." Scully bückte sich und nahm Liam
ein bißchen zu schnell hoch, erschreckte ihn dadurch. Das Fläschchen fiel aus
seinem Mund und rollte auf den Pool zu. Liam begann ein lautes ärgerliches
Geschrei. Alle Köpfe fuhren herum und sahen sie an. Mulder rettete rasch das
Fläschchen, machte den Nuckel sauber und steckte ihn wieder in Liams Mund. Das
Baby nuckelte energisch und machte ein paar kleinliche klagende Geräusche mit
seinem vollen Mund. Einen Moment später lehnte er sich zurück in Scullys Arm.
Mulder sah sich nach den anderen um und zuckte die Schultern. Sie wandten sich
wieder ihrer Beschäftigung zu.
"Störe
niemals ein zufriedenes Baby," stellte Adrianna trocken fest. "Ich
mußte in Dein Apartment gehen und ihm ein Fläschchen kochen. Irgendein Typ mit
einer wirklich sexy Stimme hat mindestens fünfmal auf Deinen Anrufbeantworter
gesprochen, während ich oben war. Er war auf der Suche nach Dir." Ihr
Blick ruhte auf Mulder. Er nickte nur. Sie sah zurück zu Scully, die nur mit
den Achseln zuckte und auch nickte. "Ihr beide seht schrecklich aus. Habt
Ihr Hunger? Da ist genug zu essen. Geh und mach Dane einen Teller fertig,"
forderte sie Mulder auf. "Da ist
gegrillter Fisch, Shish-ka-bob mit Rosmarin, Hot Dogs, Mais."
Mulder
zog seine Augenbrauen hoch und sah Scully an.
Ihr
Magen zog sich ein wenig zusammen bei dem Gedanken an Essen. Aber er wollte für
sie beide Abendessen machen...
Er
beobachtete sie genau. "Morgen Abend," sagte er.
Bevor
er mit dem letzten Flieger zurück nach D.C. mußte. Verdammt. Nur den Bruchteil
einer Sekunde daran zu denken, tat weh. Sie mußten mit jeder Minute rechnen,
die ihnen blieb, bis er zurückfuhr.
Sie
leckte sich ihre Lippen, sie war ausgetrocknet und hungrig, sie mußte etwas
essen und er auch. Das würde am schnellsten gehen. "In Ordnung. Fisch, Mais," sagte sie. "Riecht
gut."
"Du
mußt noch mehr Fisch auf den Grill legen," sagte Adrianna. "Er ist in
der Kühltasche."
"Warum
gehst Du nicht hoch," sagte er.
"Ich
warte auf Dich." Sie wollte nicht allein nach oben gehen.
"Ist
Dir warm genug, um ein paar Minuten zu warten, während ich was koche?" fragte
er überrascht, seine Hand glitt über ihren Unterarm und befühlte ihn. Sie riß
sich zusammen, um nicht zu zittern.
Scully
nickte.
"Ich
beeile mich. Danke Adrianna," sagte er. Er drehte sich um und eilte zum
Tisch mit dem Essen.
"Ich
sehe, er hat Dich gefunden. Bist Du in Ordnung?"
Scully
nickte müde. Noch einmal Adrenalin, und Mulder, der sie nach Hause gebracht
hatte, aber jetzt war sie ausgepumpt. Sie glaubte, nach oben gehen zu können
und sich ihrem Apartment zu stellen.
"Du
siehst nicht so aus, als wärst Du in Ordnung." Adrianna stand auf und sah
auf Liam herab. "Dann ist es also sein Kind. Was ist das mit den Männern?
Immerzu Schwierigkeiten. Er sieht Dir ähnlicher als ihm mit seinem roten
Haar." Sie tätschelte dem Baby leicht das Kinn. "Ich meine, er sieht
um den Mund herum ein bißchen wie Papa aus." Sie schüttelte ihren
Kopf. "Was hat der Mann? Ein Faible
für Rothaarige?"
Scully
lachte unwillkürlich traurig auf.
"Arme
Dane," sagte Adrianna mitfühlend.
Scullys
Augen suchten Mulder. Er packte ein paar Stücke Fisch auf den Grill, aber er
beobachtete sie und sah ihren Blick. Sie deutete mit ihrem Kopf nach oben zu
ihrem Apartment und er nickte.
Danke,
daß Du auf Liam aufgepaßt hast," sagte Scully. "Er sieht zufrieden
aus."
"Es
fängt früh an," sagte Adrianna trocken.
Liam
sah sie ernst mit seinen großen blauen Augen an. Als er sah, daß Scully ihn
anschaute, lächelte er mit dem Nuckel im Mund, dann wandte er sich wieder
seinem Fläschchen zu. Sie umarmte ihn ein bißchen fester.
"Wenn
Du willst, nehme ich ihn, solange ihr eßt. Ich nehme ihn gern."
"Danke,
aber ich denke, wir gehen nach oben essen."
Adrianna
prüfte Scullys Gesicht. "Ich weiß nicht, was er Dich hat durchmachen
lassen, aber Du siehst wieder zu dünn aus. So wie damals, als Du hier
eingezogen bist." Ihre Augen weiteten sich. "Mist."
Scully
legte eine Hand auf ihr blaues Auge. Es war immer noch ein wenig empfindlich,
wenn sie darauf drückte. "Ist es schlimm?"
"Hast
Du Dich deshalb das ganze Wochenende nicht blicken lassen?" Ihre Stimme
klang schockiert.
"Nein,
ich war verreist."
"Mit
dem Fuchs?"
Scully
nickte wieder. Sie bewegte ihre Füße ungeduldig auf dem kalten Zement. Wie
lange dauerte es denn, den Fisch zu grillen? Das warme Bündel Liam in ihren
Armen war das einzige, was sie vor dem sichtbaren Zittern bewahrte.
"Dane..."
sagte Adrianna sanft, ihr Gesichtsausdruck war besorgt, ihr Blick lag immer
noch auf dem Bluterguß.
Scully
brauchte einen Moment, um zu begreifen, was Adrianna da andeutete.
"Nein!
Er war das nicht. Nein. Es war ein Bootsunfall."
"Und
das?" Adrianna sah auf ihr Handgelenk.
Scully
senkte ihr Handgelenk und sah den Bluterguß an. Das Nein blieb ihr im Hals
stecken. Eine lebhafte Erinnerung überkam sie. Die Hitze... seine Augen...
"Bist
Du deswegen aus D.C. weggegangen?"
"Nein,
nein."
Adrianna
seufzte, dann schüttelte sie langsam den Kopf.
"Nein,
Adrianna, wirklich," widersprach sie. "Er würde mich NIEMALS
verletzen." Sie hielt inne, als ihre Wort sanken. Nicht physisch...
Scully
drehte sich um und sah hinüber zu Mulder, der sie anstarrte, sein ganzer Körper
drückte Besorgnis aus.
Auf
einmal versanken die kühle feuchte Nachtluft auf ihrer Haut, das Geräusch der
Party und die Musik. Sie nahm nichts mehr wahr außer Liams warmem kleinen
Körper in ihrem Armen und Mulders Augen über die Entfernung des Pools.
‚Du
hast mir das Herz gebrochen,' sagte sie ihm mit ihren Augen. ‚Warum?
Ich
muß es wissen.'
Mulder
bewegte sich plötzlich in ihre Richtung und sie schüttelte ihren Kopf eine
Winzigkeit. ‚Komm nicht, bevor Du bereit bist, es mir zu sagen,' verlangte sie
von ihm. Und sie glaubte, daß er sie verstanden hatte, denn er blieb stehen und
stand da und starrte sie an, seine Augen brannten in ihren. Er nickte kurz.
Sie
brauchte all ihre Energie, um ihre Augen von ihm zu lösen, dann drehte sie sich
zurück zu Adrianna. "Niemals," wiederholte sie leise.
Adrianna
sah überhaupt nicht überzeugt aus. Sie überprüfte Scullys Gesicht. "Ich bin gleich nebenan," sagte sie
schließlich. "Irgendwann diese Woche trinken wir ein Bier zusammen und ich
lehre Dich ein paar Tricks." Sie tätschelte Liams bestrumpften Fuß.
"Gute Nacht, Fox Jr."
Scully
konnte sowohl Adriannas als auch Mulders Augen fühlen, die ihr folgten, als sie
langsam die Treppe zu ihrem Apartment hinaufstieg.
Teil
23
Scully
untersuchte ihr Wohnzimmer. Alles sah so aus wie immer: die kühlen weißen
Wände, die weißen Gazevorhänge an den Französischen Türen, der saubere
gemütliche leere Platz. Aber er war nicht mehr länger ihre Zuflucht, ihr Platz
des Friedens. In der Tat war er ihr unangenehm. Ihr Blick wanderte genauer über
die Möbel, dann fixierte sie das einzige Kunstwerk an ihren Wänden: ein in
Wasserfarben gemaltes Bild des Strandes.
Es hing zu gerade. Es hatte nicht ordentlich gehangen, seit sie mit
Draht eine Erdbebenkette daran befestigt hatte, nach einem Beben in der ersten
Woche, in der sie hier war.
"So,
Tweety. Da sind wir," sagte sie. Sie umarmte das Baby, legte es in seinen
Autositz und stützte sein Fläschchen, damit er zu Ende trinken konnte. Dann
drehte sie sich zu dem Bild um, zog sie es ein wenig von der Wand ab und
untersuchte den Rahmen. Ein kleines elektronisches Gerät, kaum größer, als der
Radiergummi an einem Bleistift, war an der unteren Ecke des Bildes befestigt.
Wenn
sie den Draht bewegte, war es möglich, daß sie sofort wußten, daß sie es
gefunden hatte.
"Ich
weiß nicht, Liam," sagte sie direkt in die Wanze. "Ich glaube, ich
bin dieses Bild hier leid." Rigoros holte sie das Bild von der Wand und
brach die Erdbebenhalterung ab. "Laß uns umdekorieren." Sie löste die
Wanze vom Rahmen und legte sie vorsichtig auf ihren Couchtisch, dann sah sie
sich um. "Was noch?"
Wütend
und systematisch untersuchte sie das Wohnzimmer und die Küche. Vier Wanzen
später und nach einem laufenden Kommentar für Liam, der einem SNL-Sketch würdig
war, blieb sie stehen und sah sich schwer atmend um. Sie hatte die Wohnung in
zehn Minuten umgekrempelt. Nicht größer als Zecken in allen Ecken, in denen sie
saß und telefonierte. Keine Videokamera - Gott sei Dank. Wenigstens nicht hier
drinnen. Sie vermied es, die Schlafzimmertür anzusehen. Da konnte sie jetzt
nicht hineingehen.
Der
köstliche Geruch von gegrilltem Fisch stieg ihr in die Nase und ließ ihren
Magen knurren. Sie schnellte herum.
Mulder
stand an der Tür und nahm die vollkommene Unordnung in sich auf, zwei Teller
voller Essen in seinen Händen. Sie sah, daß er den kleinen Haufen Wanzen auf
ihrem Couchtisch entdeckt hatte und seine Augenbrauen wachsam hochzog.
"Vier?" artikulierte er.
Scully
ruckte ihren Kopf in Richtung Schlafzimmer und hielt fünf Finger hoch, dann
zuckte sie die Achseln.
Mulder
setzte die Teller ab, nahm die Wanzen hoch und untersuchte sie genau. Er warf
sie auf den Fußboden und wollte sie gerade zertreten, als sie ihn aufhielt.
Scully hob sie auf, brachte sie in die Küche, öffnete die Kühlschranktür und
warf sie hinein.
Als
sie sich umdrehte, kniete Mulder auf dem Fußboden neben dem Baby. "Hey
Buddy," sagte er. "Wie geht es Dir?"
Sie
kniete sich langsam neben sie. An seinem Gesicht konnte sie nicht erkennen, ob
er verstanden hatte, was sie ihm unten versucht hatte, zu sagen.
Mulder
streichelte Liams Wange mit einem Finger, als das Baby mit seinem Fläschchen
fertig wurde. Als Liam herausfand, daß er in die Luft saugte, schob der den Nuckel
aus seinem Mund und griff nach Mulders Finger.
"Da
hast Du mich," sagte Mulder und zog sanft an den kleinen Fingern, die sich
um seinen viel größeren gelegt hatten. Das Baby hielt ordentlich fest und
starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
"Da-da-da-da,"
sagte Liam deutlich, dann versuchte er, Mulders Finger in den Mund zu nehmen.
Ihre
Augen huschten zu Mulders. Eine halbe Sekunde sah er verblüfft drein, dann
grinste er, ein breites Lächeln, erst nach unten zum Baby, dann seitwärts zu
ihr.
Scully
mußte auch lächeln.
"Lee-ums,"
sagte er weich. "Komm her." Er hob ihn hoch und kuschelte ihn an
seine Brust. "Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, daß es Dir gut
geht." Er küßte ihn sanft auf den Kopf. "Ich liebe Dich, Buddy."
Gott.
Sie
liebte ihn - sie - nicht einfach nur, sie war Hals über Kopf in sie verliebt.
Sie fühlte, wie ihr Lächeln sich so weitete, daß es wehtat.
Mulder
sah sie an und nahm ihren Ausdruck in sich auf. Sein eigener wurde ein bißchen
verlegen. Sein Lächeln sank. "Er hätte zuerst Ma-ma sagen sollen."
"Nein,"
widersprach sie. "Das war großartig. Es war perfekt." Sie schluckte
schwer, in ihrer Stimme schwangen zu viele Emotionen.
Er
sah zurück zu dem Baby. "Liam. Sag Ma-ma-ma."
"Da-da-da-da,"
sagte Liam wieder.
Mulder
bog seinen Kopf zurück und lachte.
Ihr
standen alle Haare zu Berge. Sie hatte ein plötzliches kraftvolles Bild davon,
wie es wäre, wenn er glücklich wäre, ohne die Last der Welt auf seinen
Schultern. Und wie es wäre, mit ihm zusammen zu sein. Sie fühlte, wie sich der Schwerpunkt
von dem, was sie vom Leben wollte, mit einem Klick änderte.
Sie
wollte ihn nicht nur. Sie wollte ihn so.
Ihr
Lächeln wurde nachdenklich, als sie die beiden so sah. Sie mußten von hier
weggehen.
Mulder
drehte sich zu ihr um, sein Lachen war verschwunden, aber Spuren davon waren
noch in seinen Augen. Er untersuchte ihr Gesicht. Plötzlich wünschte sie sich,
sie hätte es gewaschen und sich die Haare gekämmt.
"Du
mußt etwas essen," sagte er mit normaler Stimme, dann lehnte er sich dicht
an sie. Sie war sich nicht sicher, was er tat, bis die Wärme seines Atems ihr
Ohr kitzelte. "Nur das Bewegen der Wanzen kann sie alarmiert haben."
Scully
nickte und seine Lippen strichen über ihr Ohr und ließen sie erzittern.
"Ich
kann nicht glauben, daß Du vier gefunden hast in der Zeit, in der ich diesen
Fisch gegrillt habe." Seine Stimme war voller Dankbarkeit. "Ich hätte
schon nach zwei Stück aufgehört."
Scully
bog ihren Kopf nach hinten, um ihn besser zu sehen. Seine Augen waren voller
Bewunderung und sanfter Belustigung.
"Es
scheinen mir zu viele zu sein," flüsterte sie.
Mulder
nickte. Liam griff nach ihrem Haar und erwischte es. Er umklammerte die Enden
und versuchte, eine Strähne in den Mund zu stecken.
"Ups,"
sagte Mulder leise. "Laß los, Liam." Sie beugte ihren Kopf nach vorn,
während Mulder vorsichtig ihr Haar aus Liams Hand löste.
"Ich
habe das Schlafzimmer noch nicht untersucht," erzählte sie ihm.
"Was
ist mit dem Bad?"
Sie
zuckte zusammen. "Ich werde es jetzt gleich untersuchen."
Er
befreite endgültig ihr Haar aus Liams pausbäckiger Hand und sie hob ihren Kopf.
Sorgsam schob er ihr die Strähnen hinter ihre Ohren, zuerst hinter das eine,
dann hinter das andere. Dann strich er leicht über die Haut auf ihrer Stirn.
"Immer noch Sand..." sagte er leise, sein Blick glitt herab und blieb
auf ihrer zerbissenen Lippe hängen, aber er verkniff sich einen Kommentar. Ihre
Zunge glitt heraus und sie leckte sie. Es hatte aufgehört zu bluten.
Sein
Blick wanderte hoch und er sah ihr in die Augen. "Das Essen wird kalt
werden. Ich werde kurz nachsehen und dann können wir alles noch einmal
kontrollieren, wenn wir gegessen haben."
Sie
nickte. Es tat gut, etwas aktiv gegen diese Leute zu tun. Zusammen.
"In
Ordnung."
"Komm
essen," sagte er laut. Er stand auf und hielt ihr seine Hand hin, um ihr
zu helfen. Sie nahm sie und stand auf.
"Ich
werde ihn nehmen," sagte sie ebenfalls in normalem Ton.
"Ist
schon in Ordnung. Er kann mir helfen."
Sie
bückte sich und gab Liam einen raschen Kuß, dann drehte sie sich in Richtung
Küche. "Wein? Ich glaube, ich habe noch roten."
Er
ließ ihre Hand nicht los. Sie drehte sich um. Er sah aus, als wollte er auch
einen Kuß. Aber alles, was er sagte war, "Ich habe Wein gekauft. Er ist im
Kühlschrank."
Scully
runzelte eine Augenbraue. Also hatte er das geplant, noch bevor sie aufgewacht
war. "Großartig. Ich werde ihn holen."
"Komm
Liams," sagte er zu dem Baby. "Wir haben einen Job zu
erledigen." Er drückte ihre Finger, dann ließ er sie los. "Wir sehen
uns." Mit dem Kopf deutete er in Richtung Balkon.
Sie
nickte und ging, um sich das Gesicht zu waschen.
Scully
zündete ein Feuer in dem kleinen Terracottakamin an, dann betrachtete sie ihren
Balkon. Wenn sie Besuch hatte, holte sie üblicherweise einen Tisch und Stühle
von drinnen. Statt dessen zog sie den niedrigen Eisentisch, dessen Platte aus
Kacheln bestand, vor die gepolsterte Liege mit der Rückenlehne. Sie konnten
nebeneinander sitzen. Weniger förmlich
würde es leichter sein zu reden, als wenn sie sich gegenüber saßen.
Zwar
glaubte sie nicht, daß hier draußen auch irgendwelche Wanzen waren. Hier hatte sie nicht dieses Kribbeln zwischen
den Schulterblättern, wie sie es in ihrem Apartment empfand. Aber... Sie kippte
die Liege auf die Seite und untersuchte sie kurz auf der Unterseite, dann
kniete sie sich hin und sah unter den Tisch. Nichts.
Scully
legte das Besteck auf den Tisch und stellte die Gläser dazu, zündete ein paar
Kerzen auf dem Tisch an und machte sich dann daran, die Weinflasche zu öffnen.
Mulder
kam mit Liam und seinem Autositz heraus, als sie gerade den Sauvignon Blanc
eingoß. Er schaltete ihre Stereoanlage ein und der Sound des Jazzradiosenders
von Long Beach wehte durch die offene Tür nach draußen. Mit einem rätselhaften
Blick sah er sie an, als er das Feuer im Kamin wahrnahm. Sie zog nur ihre
Augenbrauen hoch.
Einen
Finger hochhebend nickte er in Richtung ihres Schlafzimmers.
"Das
Bad?" artikulierte sie.
Er
schüttelte den Kopf und sie seufzte erleichtert.
Erst
prüfte er den Balkon, dann schaltete er die Außenbeleuchtung an. Sie schauten
sich die Fenster und das Geländer schnell aber gründlich an. Schließlich sah er sie an und zuckte die
Achseln und sie tat es ebenfalls. Er
schaltete das Licht aus. Liam sah ihnen neugierig von seinem Sitz aus zu und
versuchte seine ganze Faust in den Mund zu stopfen.
"Genießt
Du die Show heute abend, Liam?" fragte Mulder ihn und gab ihm einen
kleinen Bären. "Wirst Du so zufrieden sitzenbleiben und uns beim Essen
zusehen?"
Liam
lächelte ihn nur an.
"Ich
werde ihn nehmen, wenn er unruhig wird," sagte sie.
"Wo
ist sein Binky?"
"Neben
ihm in seinem Sitz, glaube ich. Aber gib ihn ihm nicht, bevor er unruhig
wird."
"Mach
Dir keine Sorgen. Ich werde seine orale Fixierung nicht fördern. Ich muß es
wissen." Er lächelte über ihren Gesichtsausdruck. "Möchtest Du, daß
ich das Essen in der Mikrowelle noch einmal warm mache?"
"Laß
uns einfach essen. Ich bin am Verhungern."
Scully
langte mit Vergnügen zu. Der Fisch war köstlich, ebenso die Beilagen, die er
ihr auf den Teller gelegt hatte. Sie sah kurz zu ihm hin, er aß genauso hungrig
wie sie. Gut.
Aber
nun, da sie nebeneinander saßen, war sie befangen. Sie war sich dessen nur
allzu bewußt, daß er jedesmal, wenn er nach seinem Weinglas greifen würde, mit
seinem Ellbogen an ihren stoßen würde. Der niedrige Tisch war für sie bequem,
aber Mulder schien nicht zu wissen, wo er seine Füße lassen sollte und die paar
Zentimeter Abstand zwischen seinem Schenkel und ihrem schienen mit jedem Mal
etwas weniger zu werden, wenn er sich ruhelos bewegte.
Sie
konnte ihn riechen, erkannte sie. Das bleibende männliche Aroma seines
schnellen Laufes am Strand in der Abendluft. Es mischte sich mit dem Duft des
Harzes vom Feuer, dem Geruch des gegrillten Fisches und dem leichten Zimtgeruch
der brennenden Kerzen.
Für
ein paar Augenblicke ließ sie ihre Augen halbgeschlossen, als sie ihn aus den
Augenwinkeln heraus beobachtete. Sie dachte darüber nach, der Anziehungskraft
nachzugeben und näher heranzurutschen, um zu sehen, ob er bereit war, ihren
Körpern die Entscheidung zu überlassen...
Scully
trank einen Schluck Wein, löste ihren Blick von dem faszinierenden Spiel des
Feuerscheins auf den goldenen Haaren an seinem Handgelenk und versuchte, sich
auf Liam zu konzentrieren.
Das
Baby, das die elektrische Spannung, die zwischen seinen Eltern in der Luft
knisterte, nicht wahrnahm, winkte glücklich mit Armen und Beinen und machte
kleine gurrende Geräusche.
Scully
warf einen verstohlenen Blick zu Mulder. Er schien seine Aufmerksamkeit auch auf
das Baby zu konzentrieren und sah es nun mit einer kleinen Falte zwischen
seinen Brauen an. Sie sah, daß er seinen Mund öffnete, um etwas zu sagen, dann
zögerte.
"Was?"
fragte sie leise.
"Ich
will nicht denken, daß irgend etwas nicht in Ordnung ist, aber ist er nicht
zu... ruhig?", fragte er.
Sie
betrachtete das Baby. "Du hast den Flug nicht schon vergessen, nicht wahr
Mulder?" Sie tauschten ein kleines Grinsen. "Ich glaube, er ist
dennoch sehr ruhig für das erste Baby, im Vergleich zu Matthew. Aber es liegt
möglicherweise an der Art, wie er versorgt wurde. Mach Dir keine Sorgen, wir
werden ihn schnell genug verwöhnen."
Wir.
Sie hatte es absichtlich gesagt. Er sah sie von der Seite an. Sie sagte nichts,
hielt nur seinen Blick fest, als sie einen Schluck Wein trank, dann blickte sie
zurück auf ihren Teller.
Scully
stocherte mit ihrer Gabel nach einem großen dunklen Etwas unter einem
Salatblatt. Ein Brownie, fand sie heraus. Wieder sah sie ihn an. Noch immer
beobachtete er sie. Sie zeigte mit der Gabel auf den Brownie und er nickte. Nun
war sie froh, daß sie die Kerzen angezündet hatte, sonst wäre sie nicht in der
Lage gewesen, überhaupt den Ausdruck in seinen Augen zu sehen. Ein bißchen
befangen, aber zärtlich... und beunruhigt.
Skinners
Anruf hatten sie nicht erwähnt, aber das Bewußtsein dessen zeigte sich in jedem
Blick zwischen ihnen. Sie war auch beunruhigt.
"Ich
möchte nur, daß er sicher ist und daß Du sicher bist," erzählte sie ihm
leise.
Sie
sahen sich einen langen Augenblick an. "Und Du auch," sagte er, sein
Blick ernst. Dann seufzte er und schob seinen fast leeren Teller von sich. "Ich wünschte, ich hätte gewußt, in
welcher Gefahr Du dabei warst."
Sie?
Sie schüttelte den Kopf. "Ich bin die letzte, um die ich mir Sorgen mache.
Was glaubst Du, werden sie tun?"
Er
rieb sich den Nacken und bewegte müde seine Schultern. "Ich dachte, es
würde irgend etwas sein wie bei... Emily." Seine Stimme zögerte bei ihrem
Namen, der die Tränen zurückbrachte in ihre Kehle. "... ich dachte, es
können Jahre sein, aber es kann morgen beginnen."
"Es
hat bereits begonnen," sagte sie traurig.
"Wir
werden ihn beschützen," sagte er, seine Stimme entschlossen. "Wir
werden ihn in Sicherheit bringen."
Wir.
Nun hatte er es gesagt.
Sie
nickte. Er nickte, bekräftigte das Versprechen und drehte sich um, um einen
Schluck von seinem Wein zu trinken. Dann setzte er sich zurück auf die Liege
und legte seine Hände um ein Knie und sah hinaus auf das Meer.
Liam.
Zwischen einem Gurren und dem nächsten war Mr. Easy-Going eingeschlafen. Sie
bückte sich und steckte seine Decke um seine Hals fest. Ein kleines Leben. Welch eine Verantwortung.
Noch immer konnte sie es nicht glauben.
Sicherheit,
dachte sie mit einer plötzlichen wilden Entschlossenheit. Das wichtigste war,
Liam in Sicherheit zu bringen. Sie schwor sich dasselbe Versprechen voller
Leidenschaft.
Scully
setzte sich auf und nahm ihre Gabel hoch. Ihre Hand zitterte ein wenig und sie
legte die Gabel wieder hin, nicht mehr in der Lage, einen weiteren Bissen zu
essen. Sie schob ihren Teller weg und lehnte sich mit ihrem Glas Wein in der
Hand zurück.
Es
dauerte eine Weile, bis sie ihrer Stimme traute. "Das war köstlich,
Mulder. Danke."
"Mmmph.
Danke Deinen Nachbarn." Er fuhr fort, in die Nacht hinaus zu schauen. Ihr
Blick ging zurück zu dem schlafenden Baby.
"Scully,"
unterbrach er ihre Gedanken, seine Stimme leise. "Was würdest Du dazu
sagen... wenn ich... hierher ziehen würde?" Sie drehte ihren Kopf rasch
herum und sah ihn an. "Ich meine," fuhr er fort. "Ich könnte mir
hier irgendwo ein Apartment suchen. Dir helfen mit ihm."
Sie
starrte ihn an, hunderte verschiedene Fragen und Einwände schossen durch ihr
Gehirn. Aber hinter allem ein Hauch von Aufregung. Ihn hier zu haben...
"So
sehr liebst Du ihn?" fragte sie leise.
Er
sah sie mißtrauisch an. "Ist das ein Problem?"
Unwillig
zog sie ihre Augenbrauen nach oben. "Nein!" widersprach sie.
Die
Erleichterung in seinem Ausdruck schockierte sie.
"Wirklich?"
fragte er.
"Mulder..."
Scully verstummte und schloß ihre Augen. Waren die Dinge zwischen ihnen wirklich
so vermasselt? Sie öffnete ihre Augen und sah ihn ernst an. "Wir hätten
ihn nicht, wenn Du nicht gewesen wärst." Sie hielt inne. "Liam
scheint zu glauben, Du bist sein Papa. Möchtest Du, daß er das glaubt?"
Er
starrte sie einen langen Augenblick an, dann nickte er langsam.
"Das
möchte ich auch," stimmte sie zu. "Dann werden wir ihn so
aufziehen."
Sie
versuchte ein vorsichtiges Lächeln, aber er starrte sie nur an. Dann schloß er seine
Augen halb, öffnete den Mund und schloß ihn wieder, ohne etwas zu sagen.
Abrupt
drehte er sich abrupt zurück zum Meer.
Ihr
Lächeln verschwand.
Fünf
Minuten flaues, unbequemes Schweigen später und ihr Wein war alle. Reden war eine Teufelsidee, dachte sie. Zu
dumm, daß sie beide so verdammt schlecht darin waren. Sie hatte nicht die
leiseste Vorstellung, wo sie die Unterhaltung wieder beginnen sollte oder wie
er darüber dachte, was sie gerade gesagt hatte. Sie sah zu ihm hinüber. Er sah
immer noch auf das Meer hinaus, anscheinend in seine eigenen Gedanken
versunken. So drehte sie sich um und sah auch hinaus auf das Wasser.
Der
Strand war leer. Der Nebel hatte sich gelichtet...
Es
war auf einmal klar.
Sie
atmete tief ein.
"Mulder?"
sagte sie, ohne sich umzudrehen und froh darüber, daß ihre Stimme einigermaßen
fest war.
"Ja?"
"Tut
es Dir wirklich leid, daß wir miteinander geschlafen haben?"
Sie
hörte, wie er heftig ausatmete. Auf ihrem Gesicht konnte sie seinen Blick
spüren, sie drehte sich um und sah ihn an. War das Verlegenheit in seinem
Blick? Kein gutes Zeichen.
"Rede
mit mir," sagte sie. "Wenn es die Wahrheit war, dann müssen wir es
nie wieder erwähnen. Aber ich muß es wissen."
"Ich
wünschte, ich könnte jedes Wort davon zurücknehmen."
Sie
wartete.
Er
bewegte sich unbehaglich, aber er sah nicht weg. "Als ich hierher
kam... in dieser Nacht... als ich Dich
sah... ich wollte mit Dir schlafen, mehr als alles andere auf der ganzen
Welt."
Scully
spürte die Wärme, die beim Klang seiner Stimme durch ihren Körper lief. Dies
war wesentlich beruhigender als der Ausdruck auf seinem Gesicht. "Wirklich?"
"Ja,
wirklich."
"Es
tut Dir nicht leid?"
Er
machte eine winzige Pause.
"Es
tut Dir leid," sagte sie unglücklich. Gott. "Es tut Dir leid. Du hast
wirklich nur mit mir geschlafen, weil es leichter war, als mit mir zu
reden."
"Scully,
es gab wesentlich mehr als das, was mir durch den Kopf ging, glaube
mir..." Er lehnte sich ein wenig zu ihr hinüber und sah sie ehrlich an.
"Ich hatte gerade seine Blutprobe bekommen. Ich hatte noch nicht den
endgültigen DNA-Test machen lassen. Wenn ich es Dir gesagt hätte und es hätte
sich herausgestellt, daß es nicht wahr war..."
Es
wäre ein Alptraum gewesen.
"...
so war es leichter," gab er zu, "aber..." Er verstummte und
seufzte.
Sie
räusperte sich. "Du hättest es mir sagen müssen."
Er
nickte. "Ich weiß."
"Wann
hast Du die endgültigen Ergebnisse bekommen?"
"In
der Nacht, bevor ich hierher zurückkam. Ich hatte befürchtet, daß ich sie nicht
rechtzeitig bekommen würde und daß ich - vielleicht wir - in Singapore landen
und für ein Baby bieten würde, daß Dein Baby war oder auch nicht. Dann bekam
ich die Ergebnisse." Wehmütig verzog er seinen Mund. "Ich saß
stundenlang mit dem Telefon in meinem Schoß da. Schließlich packte ich meine Sachen
und nahm das nächste Flugzeug hierher." Er sah in sein Weinglas.
Scully
saß still da und dachte zurück. Hin und wieder hatte sie dieses Frühjahr
angehalten und sich gefragt, ob er jemals einen Gedanken an sie verschwendete.
Und dann in dem Monat, nachdem er sie besuchte und sie nichts von ihm hörte...
hatte sie sich dasselbe gefragt. Sie hätte wissen müssen, daß irgend etwas vor
sich ging. Die wenigen Hinweise, die er ihr gegeben hatte, als sie an diesem
Morgen in den Armen des anderen lagen, hätten genügen müssen, um auf das
Konsortium zu tippen. Warum hatte sie es nicht begriffen? Er war so vollkommen
konzentriert - ja besessen - dieses Baby zu bekommen, gab sie widerwillig zu.
Für sie. Sie hätte es wissen, es ahnen und ihn anrufen müssen. Sie hatte keine
Ahnung, warum sie es nicht getan hatte. Hatte er recht? Wollte sie es wirklich
nicht wissen? War sie so egoistisch? War es Egoismus? War es das wirklich?
Scully
betrachtete seine abgewandten Augen, dann fiel ihr Blick auf seine langen Finger,
die ruhelos den Stiel seines Weinglases drehten.
Was
um alles in der Welt sah er, wenn er sie anschaute? Warum hatte sie niemals
angehalten und einen kritischen Blick auf sich selbst aus seiner Perspektive
geworfen? Egoistisch. Streitsüchtig. Nüchtern. Unmöglich, Dinge zu sagen... Was
noch?
Etwas,
das es ihn bereuen ließ, mit ihr geschlafen zu haben...
Sie
seufzte schwer.
"Scully,
ich versuche es. Du mußt mir glauben, daß ich es versuche." Er nahm einen
großen Schluck, leerte sein Weinglas. Dann nahm er die Flasche in die Hand und
hielt sie über ihr leeres Glas.
Sie
nickte.
Die
Flüssigkeit funkelte bernsteinfarben im Licht der Kerzen und des Feuers, als er
sie eingoß. Ein ganz klein wenig spürte sie die Wirkung des Weins. Alles
verstärkte, verschärfte sich. Sie konnte den Rauchfaden der Kerzen sehen, die
lichtbrechende Eigenschaft des heißen Dampfes, der sich der Dunkelheit der
Nacht hinter ihm zuwandte. Das Geräusch der Flammen, die heftig knisterten und
aus dem harzigen Holz schlugen. Flackernde Lichtwellen kräuselten sich aus dem
Kamin, durchsetzt mit den Wellen der Dunkelheit, die so lebendig waren, wie das
Licht selbst. Die Wellen wirbelten über den Tisch, berührten ihre Gläser mit
ihrem hellen Glanz. Wirbelten über
Mulder und ließen sein Gesicht im Schatten, wirbelten über Liams Gesicht, das
unschuldig erhellt wurde von dem leuchtenden Schein des Feuers...
Scully
würde sich immer an diesen Augenblick erinnern. Sie alle drei so zusammen.
"Scuh-leee...?"
sagte er sehr leise. "Es tut mir nicht leid, daß wir miteinander
geschlafen haben." Er sah sie blitzschnell scheu von der Seite an.
"Es ist nur," fuhr er fort, bevor sie irgend etwas sagen konnte.
"Ich glaube, der Sex hat allem eine neue Dimension hinzugefügt, mit der
wir noch nicht umgehen konnten. Es war zu schnell."
Zu
schnell.
"Ich
weiß nicht, welche Gründe Du in jener Nacht hattest," fuhr er langsam
fort, "aber es war nicht, weil Du... eine Bindung eingegangen bist."
Sie
konnte nicht widersprechen. Er hatte recht. Da war auch eine Menge gewesen, das
ihr durch den Kopf gegangen war.
"Was
noch?" fragte sie leise.
Er
sah sie fragend an.
"Du
sagtest, Dir ist eine Menge durch den Kopf gegangen."
"Ich
habe gearbeitet..." Er brach ab.
"Dich
selbst kaputt gemacht bei dem Versuch, dieses Baby für mich zu bekommen,"
half sie.
Er
nickte, dann drehte er seinen Kopf weg und blickte in die Flammen.
"Ich
habe die ganze Zeit in Singapore über Dich nachgedacht. Als ich Dich das erste
Mal sah. Ich hatte Angst zu kommen und Dich zu sehen. Ich hatte Angst und
trotzdem war ich aufgeregt, mit Dir zu sprechen. Ich hoffte, wenn Du es weißt,
würdest Du mir vergeben, irgendwie hoffte ich, Du würdest zurückkommen..."
Er verstummte. "Und als ich hier auftauchte - ohne Ankündigung - der erste
Anblick von Dir, den ich seit sechs Monaten hatte. Da warst Du: betäubend schön, blühend,
glücklich, lachend." Er hielt inne, seine Stimme wehmütig. "Einen
anderen Typen küssend. Ich hätte niemals...
ich habe niemals..." Er schloß für einen kurzen Moment seine Augen.
"Ich ging. Aber während ich am Bordstein stand und mich fragte, wo zur
Hölle all die Taxis waren, sah ich den Typen herauskommen und in sein Auto
steigen.
Du
hattest ihn nicht hereingelassen. Und irgendwie landete ich wieder vor
Deiner
Tür." Ein Hauch von Ironie schlich sich in seinen Ton. "Du hast Dich
mit
einem Typen getroffen, der einen Maserati Cabrio fährt, um Gottes
Willen,
Scully"
Sie
spürte eine kleine Wärme in ihrem Magen. Er glaubte, daß sie schön war.
Und
er hatte mit ihr geschlafen, weil er eifersüchtig war?
"Was
für ein Typ?" fragte sie unschuldig.
Er
sah sie an.
Sie
zuckte nur mit den Achseln.
Mulder
bemerkte, daß er die Flasche immer noch in der Hand hielt und füllte sein
eigenes Glas nach.
Scully
leckte sich die Lippen. "Warst Du eifersüchtig?"
"Eifersüchtig
ist nicht das richtige Wort, um es zu beschreiben."
"Du
könntest auch einen Maz fahren, Mulder, wenn Du nicht umherfahren und Babys
kaufen würdest," sagte sie leicht und versuchte, damit den Ausdruck aus
seinem Gesicht zu löschen. Er begann, sie zu ängstigen. Traurigkeit, eine
altvertraute intensive Traurigkeit. Er entfernte sich von ihr.
Mulder
ignorierte ihren Versuch, ihn abzulenken. "Also haben wir miteinander
geschlafen, beide aus den falschen Gründen..."
"Aber
Du kennst meine Gründe nicht..."
"Shhh,"
sagte er. "Ich kenne Dich. Als Du an diesem Morgen zurückkamst... Dein Gesicht..." Er brach ab und nickte
ein wenig. "Da wußte ich... Mir war auf einmal klar, daß ich mich selbst
veralberte, auf irgend etwas zu warten, das..." Plötzlich hielt er inne.
Scully
hielt den Atem an und saß vollkommen still.
Mulder
schwieg, dann sah er in sein Weinglas, als würde er darin die Antworten finden.
"Ich habe eine Regel verletzt, die ich mir selbst aufgestellt hatte,"
sagte er schließlich. "Eine, die ich sehr, sehr lange befolgt hatte."
Er drehte sich um und sah ihr in die Augen. Der Ausdruck in seinen war zu
kompliziert, um ihn zu bezeichnen. Ein bißchen defensiv, ein bißchen resigniert
und immer noch voll von dieser unglaublichen Traurigkeit. "Daß ich niemals
mit Dir schlafen würde, es sei denn, es würde Dir das gleiche bedeuten wie
mir."
Scully
starrte ihm wie gelähmt in die Augen.
Sie
hatte immer die Momente im Leben gefürchtet, wo sich alles in
Sekundenbruchteilen änderte und es kein Zurück gab. Bei ihrem Vater lernte sie
es... bei Missy.
Aber
das... im Bruchteil einer Sekunde...
Die
Erleuchtung.
Unerwartet.
Schön. Köstlich. Ihr Herz und ihren Hals zuschnürend wie eine große Faust.
Scully
konnte den Mund nicht aufmachen. Sie wußte nicht, ob sie die Worte finden würde,
um ihm zu sagen, was er ihr gerade gegeben hatte, um es ihm zurückgeben zu
können.
Und
wollte er es denn hören? Ich liebe Dich hatte nicht funktioniert. Ein Echo
seiner Worte ‚das sind nicht wir' schoß ihr durch den Kopf. Es brach ihr immer
noch das Herz.
Eilig
fuhr er fort, "Du hattest ein neues Leben. Eines, in dem ein neues Baby
womöglich nicht willkommen war. Und ich erkannte, daß er womöglich bei mir
bleiben würde."
Bevor
sie eine zusammenhängende Antwort auf irgend etwas davon formulieren konnte, füllten
sich seine Augen mit Enttäuschung und sie wandten sich ab von ihren und er fuhr
mit belegter Stimme fort. "Aber Du hast diese falsche Vorstellung bei
Charlotta geradegerückt.". Er schloß seine Augen fest und hörte auf zu
reden. Schließlich sagte er ihren Namen sehr leise. "Scully?"
"Ja?"
brachte sie heraus. Ihre Stimme klang hoch und nervös. Sie versuchte, sich zu
räuspern.
"Ich
glaube... ich bin ein bißchen verrückt geworden, als Du das gesagt hast."
Ihr
Blick wanderte über sein gebeugtes Profil. "Versuche nicht, den Wahnsinn
mit mir zu verteidigen," sagte sie, erleichtert darüber, daß ihre Stimme
wieder ihren normalen Klang angenommen hatte. "Ich glaube nicht, daß ich
Dich jemals in Deinem Leben mehr erschreckend vernünftig gehört habe. Fürchterlich, erschreckend vernünftig."
Er
öffnete seine Augen und drehte ihr sein Gesicht zu.
"Du
hast mir weh getan, Mulder."
Schmerz
ersetzte die Schuld in seinen Augen. "Es tut mir leid. Du hast mir auch
weh getan."
"Ich
weiß, und es tut mir leid - unglaublich leid, daß ich Dir wehgetan habe. Aber
ich habe es nicht absichtlich getan. Und Du hast es absichtlich getan,"
sagte sie leise. "Und es tut immer noch höllisch weh." Ihre Augen
füllten sich mit Tränen.
Mulder
zuckte zusammen. "Es war nicht absichtlich. Alles brach auseinander.
Und
ich habe es an Dir ausgelassen."
"Im
Ernst," sagte sie im Flüsterton und er zuckte wieder zusammen.
Scully
wollte nicht weinen, sie blinzelte hartnäckig gegen die Tränen an und bekam sie
unter Kontrolle.
"Kannst
Du mir jemals verzeihen, Scully?"
Sie
leckte über ihre trockene Oberlippe. "Vielleicht war es zuerst nicht
absichtlich, aber seitdem hast Du mich zurückgewiesen. Ich muß wissen
warum."
Er
nickte kaum wahrnehmbar, sein Blick war angespannt, aber er sagte nichts.
"Mulder...
ich muß die Wahrheit von Dir hören. Was immer Du auch vor mir verbirgst. Was
immer Du mir in Singapore nicht sagen wolltest. Ich muß es jetzt hören. Oder...
ich glaube nicht, daß wir noch irgend etwas retten können."
Bis
die Worte aus ihrem Mund kamen, hatte sie nicht erkannt, daß sie ihm ein
Ultimatum stellte, aber er sah nicht so aus, als hätte er es nicht erwartet.
"Da
sind ein paar Dinge, die Du besser nicht wissen solltest, Scully."
Seine
Stimme klang endgültig.
"Besser
für Dich oder für mich?" forderte sie.
Er
antwortete nicht, lehnte sich nur nach vorn und rieb sich die Stirn mit den
Fingerspitzen. Dann drehte er seine Kopf zur Seite und sah in ihre Augen.
Sie
starrten sich beide fast eine Minute lang an.
Irgend
etwas versuchte er ihr mit seinen Augen zu sagen, aber sie konnte nicht
herausfinden, was es war.
Schließlich
ließ sie ihn gewinnen und drehte ihm starr den Rücken zu. Sie mußte
umdisponieren, ohne daß er ihr Gesicht dabei beobachtete. Warum hatte sie keine
Flasche Sodium Pentothal zur Hand? Oder vielleicht konnte sie ihn betrunken
genug machen, daß er es ihr erzählte. Er hatte gerade zwei Gläser Wein. Wieviel
würde es brauchen, ihn betrunken zu machen? Was zur Hölle konnte es sein, daß
er glaubte, es würde ihr so weh tun? Irgend etwas, was er getan hatte?
Oder
vielleicht war sie dazu bestimmt, es selbst zu verstehen.
Er
räusperte sich. "Also... Ich nehme an, es ist Liams Zukunft, über die wir
heute abend reden sollten, richtig? Du sagtest ‚keine Kindermädchen'."
Liam.
Es mußte irgend etwas mit Liam zu tun haben. Mulder hatte ihr fast das
Handgelenk zerquetscht, als sie ihn nach der Möglichkeit gefragt hatte, daß
Liam ein Klon war. Er hatte gesagt, daß er es nicht wußte und sie hatte ihm
geglaubt, aber...
"Willst
Du immer noch eine Weile freinehmen?" fragte er und nun zog er sich auf
vorsichtige Ironie zurück. "Eine Art von
Instant-Baby-von-irgendwo-Urlaub?"
Sie
nickte langsam und vorsichtig. Damit würde sie damit klarkommen.
Scully
ließ ihre Gedanken in den Mulder-Schnellgang-Modus gleiten, um seinen Gedanken
zu folgen. Baby-Urlaub. Keine Kindermädchen... im Garten... auf einmal ging es um alles. Aber noch zu
schnell. Er hatte sie gefragt - irgend etwas und sie hatte...
Sie
drehte sich um und sah zurück in sein Gesicht. Trotz seines leichten Tons waren
seine Augen immer noch gefüllt mit dieser dunklen resignierten Traurigkeit.
Sie
hatte ihm auch nicht alles gesagt.
"Dich,"
sagte sie. "Ich will Dich."
Seine
Augen weiteten sich und er setzte sich auf.
"In
Charlottas Garten, Mulder? Wie konnte ich nur Liam wollen? Ich will Dich
ebenso."
Kompliziert
war eine milde Beschreibung für das, was nun in seinen Augen zu sehen war.
"Du
hattest recht," fuhr sie rasch fort, sie fühlte sich plötzlich lächerlich
nervös. "Nicht wegen dem, was ich gesagt habe - oder nicht gesagt habe -
in Charlottas Garten. Deshalb hattest Du nicht recht, aber Du hattest recht,
ich habe nicht verstanden, was ich wollte, als Du das erste mal hierher kamst,
um mich zu sehen, aber jetzt weiß ich es. Und egal, ob ich bereit war, eine Bindung
einzugehen, als wir miteinander geschlafen haben, oder nicht, es hat mir ganz
bestimmt genauso viel bedeutet wie Dir.
Noch nicht in dieser Nacht, aber wieder mit Dir zusammen zu sein - diese
ganze Reise."
Mulder
konzentrierte sich so intensiv auf sie, sein Gesicht, sein ganzer Körper, als
wollte er sich jedes Wort einprägen. Was gut so war, denn sie war sich nicht
sicher, ob das, was sie sagte, einen Sinn machte.
"Und
weil... ich Dich liebe," sagte sie. "Ich habe mit Dir geschlafen,
weil ich Dich liebe." Diesmal war es einfacher, es zu sagen und sie
empfand einen mächtigen Sturm der Erleichterung, daß sie es schließlich gesagt
hatte. Ihm das nicht zu sagen war genauso furchtbar, wie alles, was er ihr
nicht gesagt hatte. Er hatte es verdient, es zu wissen. Was immer er auch
empfand, die Erleichterung darüber, daß er es wußte, war überwältigend.
"Ich
liebe Euch beide. Ihn eine Menge. Aber Dich..." Ihr Herz schmolz, als sie
den Ausdruck auf seinem Gesicht beobachtete, als er die verrückte Eile ihres
Geständnisses in sich aufnahm. "Gott, Mulder, hast Du überhaupt eine
Ahnung, wie sehr ich Dich liebe?"
Das
plötzliche Aufleuchten in seinen Augen erschütterte sie bis in die Fußspitzen.
"Scuh-leee..."
sagte er leise, ungläubig.
Sie
nickte und versuchte, ihre Lippen zu einem Lächeln zu formen, aber sie hatte
das Gefühl, daß sie ihn aus hoffnungslos hoffnungsvollen Augen anstarrte. Gott.
Sie hatte all ihre Karten auf den Tisch gelegt.
Mulder
sah sie fassungslos an. Vollkommen und total fassungslos. Aber seine Augen...
dunkel mit goldenen Flecken darin vom Feuerschein, aber erleuchtet von innen
durch ihr eigenes hoffnungslos leuchtendes Feuer. Und plötzlich war sie ebenso
fassungslos. Sie hatte angenommen, daß er sie liebte, aber nun wußte sie mit
Bestimmtheit, daß sie nicht die Hälfte wußte. Aber sie wollte alles wissen. Und
sie wollte sich niemals wieder von diesen Augen lösen.
Vielleicht
würde alles gut werden. Irgendwie. Was immer noch passierte, sie hatte es ihm
gesagt und ihn sie so ansehen lassen.
"Wirklich?"
fragte er.
"Ja,
wirklich." Sie sonnte sich in der Glut seiner Augen, dann streckte sie
ihre Hand aus und berührte die Lachfalte an seinem Auge. "Also..."
sie atmete tief und zitternd ein. "Was immer Du mir nicht gesagt hast, laß
es jetzt raus," schloß sie ein wenig eilig. "Ich werde kein Nein als
Antwort akzeptieren."
Mulder
streckte seine Hand aus, hielt ihre ganz zart und rieb mit seinem Daumen über
ihren Handrücken.
"Du
kannst mir alles sagen, Mulder. Nichts wird meine Gefühle für Dich
ändern."
Er
sah sie ernst und prüfend an, dann runzelte er die Stirn. "Wird es
nicht?"
Sie
biß sich auf die Lippe. "Es ist wegen Liam, nicht wahr? Irgend etwas
stimmt nicht mit ihm und Du willst es mir nicht sagen..."
"Nein."
Mulder schüttelte den Kopf. "Nicht soweit wir wissen."
Scully
war nicht beruhigt. Sie ergriff seine Hand und hielt sie fest.
"Erzähl
es mir," sagte sie knapp.
"In
Ordnung. In Ordnung." Er gab mit einem frustrierten Seufzer nach.
"Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll."
"Mit
dem Anfang."
Er
atmete aus. "Am 10. September 1993 trat Dana Katherine Scully in mein
Leben..."
Hart
drückte sie seine Hand.
"Kann
ich nicht einfach mit Dir schlafen, anstatt Dir das zu erzählen?" fragte
er.
Ihr
stockte der Atem, dann drückte sie noch ein wenig fester zu. "Hör auf
damit. Ich meine es vollkommen ernst."
"Ich
bin ernst. Ich bin absolut, vollkommen ernst." Er war es, erkannte sie.
"Ich
meinte, was ich sagte. Du mußt mir die Wahrheit sagen... zuerst."
Er
hob seine Brauen ein wenig, dann wurde sein Ausdruck ernst und er atmete tief
ein. "Drei Dinge. Nummer eins. Die Nacht, in der ich Liam fand. Die
amniotische Flüssigkeit in seinem Inkubator war grün."
Er
sagte es so schnell, daß sie nicht einmal sicher war, daß er sich keinen Scherz
erlaubte. Dann begann ihr Herz wie verrückt gegen ihre Rippen zu schlagen.
"Was?"
Sie starrte ihn an. Sein Gesicht war ernsthaft beunruhigt. Seine Finger fanden
ihre Wange und streichelten sie leicht. Sie war wahrscheinlich kreidebleich
geworden, dachte sie mit einem winzigen Teil ihres Gehirns, während der Rest
sich nach möglichen Erklärungen abstrampelte. "Könnte es Myconeum gewesen
sein, oder..."
"Nein,
klares leuchtendes Grün."
Mulder
mußte nichts weiter sagen. Sie hatten es beide schon vorher gesehen.
"Kannst
Du Dich an irgend etwas aus dem Kurvenblatt erinnern?"
Er
schüttelte den Kopf.
"Es
bedeutet vielleicht gar nichts..." flüsterte sie.
"Da
waren auch kleine Fläschchen von derselben grünen Farbe. Ich hatte nichts in
der Hand, um zu wissen, ob es dieselbe Flüssigkeit war." Er hielt inne und
Schuld füllte seine Augen.
Sie
wartete.
"Ich
nahm eine mit."
"Du
hast!? Was war es?"
"Es
war unbestimmbar, was die grüne Farbe ausmachte, und die Tests," seufzte
er, "waren nicht schlüssig." Sie empfand heftige Enttäuschung. "Aber sie enthielt eine hohe
Konzentration von Stammzellen."
"Stammzellen,"
wiederholte sie langsam.
"Liams
Stammzellen."
Ihre
Finger schlossen sich plötzlich um sein Handgelenk. "Hast Du sie
sichergestellt?"
"Ja.
Sie befinden sich in einer kryogenischen Einrichtung unter falschem..."
"Wieviel
sind es?"
"Ungefähr
hundert Gramm."
"Mulder,
im Besitz von Liams Stammzellen zu sein, das ist eine gute Neuigkeit. Es ist
eine unglaubliche Neuigkeit. Eine Vielzahl von Krankheiten oder sein
Immunsystem schädigenden Behandlungen können mit Stammzellen behandelt werden.
Auch Funktionsstörungen im Blut."
Mulder
sah nicht glücklich aus. Er nickte. "Ich weiß. Dieser Teil ist wunderbar.
Er mußte in diesem Inkubator sein, um ihnen zu erlauben, diese Stammzellen aus
seiner Nabelschnur einfach ernten zu können. Aber die Frage ist warum?"
Sie
biß sich auf die Lippe. "Er war für einen bestimmten Zweck geplant worden.
Das wissen wir."
Er
sagte sehr langsam, während er sie dabei genau beobachtete, "Ich glaube,
er wurde geschaffen, um Emily zu retten."
Scully
nickte. Das machte Sinn. Es war wahrscheinlich, daß was immer sie Emiliy auch
angetan hatten, um sie krank zu machen, Calderon versucht hatte, sie zu retten.
Oder... sie empfand Kälte... ihr Leben zu verlängern, bis sie mit ihren Tests
fertig waren.
Aber
es erklärte nicht die vollkommene Trostlosigkeit, die nun in Mulders Gesicht
geschrieben stand. Sie bekam es nicht zusammen, was immer es auch war.
Scully
streckte ihre Hand aus und nahm seine andere Hand. Er zitterte ein wenig. Besorgt
forschte sie in seinen Augen. DAS war es. "Erzähl es mir einfach."
"Ich
hatte dieses Fläschchen in meiner Tasche, als ich Dich im Hospital sah. In der
Nacht, in der sie starb. Wenn ich es Dir gegeben hätte, hättest Du vielleicht
einen Weg finden können, um sie zu retten." Seine Augen füllten sich
plötzlich mit Tränen und er starrte sie an, seine Augen dunkel und gequält. Die
Tränen schossen plötzlich heraus und er schloß sie fest. Er entzog seine Hände ihrem Griff und
bedeckte sein Gesicht.
"Oh,
Mulder." Sie ergriff seine Unterarme und zog ihn sanft an sich. Er legte
sein Gesicht an ihre Schulter und sie umarmte ihn fest. Er hielt sich selbst zu
angespannt für eine richtige Umarmung, aber sie hielt ihn trotzdem fest.
Dies
hatte er so lange für sich behalten. Es mußte ihn innerlich zerrissen
haben.
Kein Wunder, daß er graue Haare bekam. Sie fuhr ihm mit einer Hand
ins
Haar und streichelte es
"Shh,"
sagte sie zu ihm. "Shhh." Ihre eigenen Tränen schossen hervor.
Sie
wiegte ihn ein bißchen, aber er entspannte sich nicht, wurde noch steifer. Dann
legte sie ihre Wange an sein Haar und dachte darüber nach. "Du bist direkt aus der Privatklinik ins
Hospital gekommen, als Du mich in dieser Nacht gesehen hast, nicht wahr?"
Er
nickte, sein Kopf an ihrer Schulter.
"Mulder,"
fuhr sie fort. "Ich hätte es analysieren müssen. Selbst wenn ich alles,
was darin enthalten war, hätte identifizieren können, gab es keine Möglichkeit,
Emilys Histokompatibilität zu diesen Zellen zu bestimmen. Ich hätte es ihr nicht
gegeben, ohne es zu wissen. Ich glaube, es war möglicherweise das, womit
Calderon ins Krankenhaus gekommen war, um es ihr zu geben. Und es hat nicht
funktioniert. Die Krankheit war schon zu weit fortgeschritten." Sie
versuchte, seinen Kopf zurückzubeugen, damit sie sein Gesicht sehen konnte,
aber er ließ es nicht zu. "Ein paar Stunden später war es vorbei. Du
siehst also? Ich konnte sie nicht retten. Alles was dabei herausgekommen wäre,
wäre gewesen, daß ich ihre letzten Stunden damit verbracht hätte, zu untersuchen,
was zur Hölle es war. Statt dessen verbrachte ich sie damit, sie zu
halten."
Seine
Schultern zitterten. "Shhh," sprach sie zu ihm. "Shhh. Hast Du
erkannt, daß es ein Heilmittel sein könnte, bis Du es analysiert hast?"
Er
schüttelte seinen Kopf. "Aber ich hätte es müssen," flüsterte er mit
gebrochener Stimme an ihrem Hals. Sie rieb die Muskeln in seinem Nacken mit
ihren Fingerspitzen.
"Mulder,
Du machst manchmal unerklärliche Sprünge, aber den Inhalt eines
ungekennzeichneten Fläschchen mit einer Flüssigkeit zu erahnen? Das wäre
unmöglich. Es hätte sonst etwas sein können. Es hätten die Hormone sein können,
die sie den Frauen in dem Haus gegeben haben. Es hätte wirklich ALLES sein
können. Also, wie kannst Du Dir die Schuld geben?"
Er
schüttelte nur wieder seinen Kopf an ihrer Schulter.
"Und
nebenbei, ich habe Dir gesagt, daß ich sie nicht behandelt hätte, wenn ich
gekonnt hätte."
"Aber
Du meintest es nicht wirklich."
Sie
seufzte tief. "Mulder, sieh mich an." Er hob seinen Kopf. Sein Gesicht
war trostlos. Im selben Moment streckten sie beide ihre Hand aus, um die Tränen
des anderen fortzuwischen.
"Wie
kannst Du mir das nur vergeben?" flüsterte er.
"Oh,
Mulder. Weil ich es verstehe," flüsterte sie zurück. "Und," fuhr
sie fort, "weil..." Sie verstummte. Sie sagte es immer wieder und er
schien es nicht sagen zu wollen. "Ich Dich liebe."
Bevor
sie den Satz beenden konnte, zog er sie an sich und schlang seine Arme eng um
sie. Er legte sein Kinn auf ihren Kopf. Sie waren still und hielten einander.
Grüne
amniotische Flüssigkeit. Stammzellen. Sie versuchte darüber nachzudenken, was
er gesagt hatte, aber plötzlich war sie erschöpft. Sie würde dies alles morgen
begreifen. In der Zwischenzeit... sie kuschelte ihre Wange an sein Hemd und
hielt ihn fest. Er ist hier, dachte sie.
Endlich. Sie zog ihn enger an sich und lauschte auf seinen Atem und
fühlte sein Herz an ihrem schlagen.
Scully
wollte, daß es so blieb. Nur sie, allein in der Nacht. Nichts, daß sie störte
außer der Möglichkeit eines hungrigen Babys. Keine Wanzen, keine
Bombenanschläge oder Krankheiten, keine Zukunft voller Angst... nicht die Angst
um eine Baby, dessen Fruchtwasserflüssigkeit grün gewesen war... oh... sie konnte nicht darüber nachdenken.
Die ganze Nacht würde sie wach sein und sich darüber Sorgen machen. Gleich als
erstes morgen früh mußte sie sich eine Probe dieser Flüssigkeit schicken
lassen. Sie konnte sie zu einer Frau bringen, die sie kannte im...
Hör
auf, sagte sie sich. Morgen ist früh genug.
"Ich
hasse sie," flüsterte sie.
Seine
Finger fanden ihren Kopf und begannen sie sanft zu streicheln. So sanft, wie
sie ihn einen Moment vorher gestreichelt hatte.
"Wenn
sie es nur nicht herausgefunden hätten." Der Klang von Verzweiflung in
ihrer Stimme ließ sie erkennen, wie nahe sie einem Zusammenbruch war. Er mußte
es auch gehört haben, weil seine Arme sich fester um sie schlossen. "Ich möchte nur, daß er mit all dem
nichts zu tun hat. Ich will ihn da raus haben. Ich will, daß er in Sicherheit
ist."
Er
rieb seine Wange an ihrem Haar.
"Scuh-leee,"
sagte er weich. Sie hob ihren Kopf und sah ihn an. Der Ausdruck auf seinem
Gesicht war sehr, sehr traurig. Immer noch? Ihr stockte der Atem, sie glaubte
nicht, daß sie es hören wollte, was immer er auch sagen wollte. "Wir können
es tun," sagte er endlich.
Sie
zog die Augenbrauen hoch.
"Ihn
in Sicherheit bringen."
Nun
sah sie ihn sogar noch fragender an.
"Ich
habe versucht, nicht daran zu denken, aber..." Er starrte sie an, dann zog
er kurz seine Lippen in den Mund, um sie anzufeuchten. "Wir können ihn
nehmen und gehen," sagte er leise und sah wieder zu Liam hinüber.
"Irgendwo hingehen, wo es sicher ist. Es ist das Gegenteil von dem, wie es
mit George und Isobel passieren sollte, aber..."
"Irgendwohin,
wo es sicher ist? Wo?"
Er
schaute sie nur an.
Verschwinden.
Oh,
Mist.
"Sei
nicht albern, Mulder."
Er
sah sie immer noch an. Meinte er es ernst?
"Oh
Gott... Mulder..."
"Denk
darüber nach."
Es
machte vollkommen Sinn, aber...
Er
hatte recht. Der beste Weg, ihn in Sicherheit zu bringen. Der einzige Weg...
ihn vollkommen in Sicherheit zu haben.
Aber
verschwinden?
Sie
konnte es nicht.
Konnte
sie es?
Sogar,
als sie sich das fragte, spürte sie, wie sie eine traurige Verzweiflung
überkam. Ihr Job, ihre Mutter, ihre Familie...
"Wo?"
"Irgendwo.
Normal. Sicher."
"Mulder..."
Sie legte ihren Kopf schief und sah ihm in die Augen.
Er
grub seine Zähne in seine Unterlippe. "Wir müssen zuerst das tun, was für
ihn das Richtige ist."
Oh
Gott, er meinte es vollkommen ernst.
Sie
versuchte, den großen Klumpen, der in ihrem Hals steckte, herunterzuschlucken.
Oh
Gott.
"Wir
können nicht einfach verschwinden. Wohin sollen wir gehen? Was sollen wir
tun?"
"Leben,"
sagte er einfach.
"Wir
können uns einen Job suchen, aber in einem Jahr oder zwei, was werden wir dann
tun? Wir haben einen Beruf, Mulder. Wir werden keine Papiere haben, keinen
Lebenslauf. Oder eine Familie oder..."
"Frohike
kann uns leicht einen gefälschten Lebenslauf besorgen. Er hat es die ganze Zeit
getan."
"Aber
nicht in meinem Fachgebiet, Mulder. Ich mag keine Berühmtheit sein, aber ich
bin in meinem Fachgebiet bekannt. Ich kann nicht als irgend jemand anderer
auftauchen. Und Du, Du könntest niemals damit davonkommen."
"Nun...
gab es da niemals etwas anderes, was Du tun wolltest?" fragte er.
"Vielleicht
könntest Du wieder zur Schule gehen?"
Sie
sah ihn bestürzt an.
"Wieder
in die Schule?" fragte sie schockiert. "Meinen Beruf aufgeben?"
"Wir
sprechen über sein Leben, Scully"
Und
über ihres... Ihr Leben gegen Liams. Sobald sie es gedacht hatte, drehte sich
ihr der Magen um und sie war über sich selbst empört. Es ging nicht um sie
gegen Liam. Es ging darum, ihn zu retten...
Aber...
aber.
"Warte.
Warte. Warte," widersprach sie. "Du hast offensichtlich darüber
nachgedacht, ich nicht. Ich kann nicht glauben, daß Du es ernsthaft in Betracht
ziehst. Es ist unmöglich."
"Betrachte
es als Chance für einen Neubeginn. Du könntest wieder zur Schule gehen, einem
besseren, glücklicheren Weg folgen. Würdest Du nicht lieber ohne das FBI leben
und ohne Autopsien und..." er schluckte, "... ohne all dem, was uns
passiert ist?"
Scully
starrte ihn an. Sein Ausdruck war besorgt. Er meinte es tatsächlich.
Wie
konnte er es wirklich für möglich halten?
"Ich
kann es tun," sagte er schließlich.
Ungläubig
starrte sie ihn an.
Dies
war entsetzlich.
"Ich
kann nicht. Ich kann einfach nicht," sagte sie verzweifelt.
"Deine
Familie?" fragte er traurig. Der Ausdruck in seinen Augen brach ihr das
Herz. Es war, als hätte er gesagt, daß ihre Familie natürlich wichtiger war als
er. Es war einfach nicht wahr.
Ein
letztes Mal sah er sie flehend an. Sie schüttelte den Kopf. "Ich kann
nicht gehen," sagte sie verzweifelt angesichts seines Ausdruckes.
"Möchtest
Du, daß ich es tue?"
"Du?
Was tun? Wovon sprichst Du?"
Oh
Gott, sie wußte genau, was er meinte. Dies war schlimmer.
"Ich
meine, ich tue es für Dich, wenn es das ist, was Du willst."
"Du
nimmst ihn mit? Und verschwindest?"
Nun
war sie wirklich schockiert.
Nein.
Ihre Finger drückten sich fest in die Haut unter seinem Hemd, als könnte sie
ihn auf diese Art festhalten.
"Mulder,
nein, ich will das nicht. Bitte, denk nicht einmal darüber nach."
Er
sah sehr müde aus. "Wir müssen es erwägen."
"Denkst
Du, die Bedrohung ist so unmittelbar?"
"Scully,"
sagte er leise. Er lehnte sich von ihr weg und griff nach ihren Händen. Er
hielt sie und ihre Finger verschränkten sich fest. "Da war eine Bombe in
meinem Auto. Ich wäre nach Hause gekommen und hätte mein Auto genommen, um zum
Getränkeladen zu fahren und eine Flasche Scotch zu kaufen. Aber ich hätte sie nicht bekommen. Ich wäre
tot."
Sie
starrten auf ihre verbundenen Hände. Der Bluterguß an ihrem Handgelenk sah in
diesem Licht wie ein Schatten aus.
"Tue
ich es schon wieder? Bin ich dumm genug, nicht zu sehen in welch großer Gefahr
Ihr Euch befindet?"
Er
sah sie an. "Ja."
Scully
schloß ihre Augen. "Mulder, wenn Du zurück nach D.C. gekommen wärst
und..." Sie schluckte schwer. "... es hätte mich umgebracht."
Sie
spürte seine Hand an ihrem Gesicht, seine Finger glitten in ihr Haar, seine
Fingerspitzen so weich... und sie drehte ihr Gesicht in seine Handfläche.
"Scully,
wenn Du willst, daß ich es tue, frag mich und ich werde es tun. Ja oder
nein."
Sie
öffnete ihre Augen und starrte in seine. Der Ausdruck darin ließ ihr Herz noch
tiefer sinken.
Einen
Augenblick vorher sah es so aus, als wäre ihre Zukunft als Familie eine klare
Möglichkeit, im nächsten sprach er davon, ihn ihr wieder wegzunehmen. Sie mußte
sich zwischen ihrer Mutter und Mulder und Liam entscheiden.
Das
war Wahnsinn. Mulder war wahnsinnig, diese Entscheidung von ihr zu fordern.
Mulder
und Liam in Sicherheit? Wie konnte das wahnsinnig sein, fragte sie sich wütend.
Es würde die beste Sache der Welt sein. Es würde das Richtige sein. Es würde
sie beide in Sicherheit bringen.
Scully
versuchte, ihren Mund zu öffnen und ihm zu antworten.
Sie
schluckte schwer. Es war das schwierigste, was sie je in ihrem Leben sagen
mußte.
Sagen
konnte sie es nicht. Sie nickte nur, flehte ihn mit ihren Augen an, daß er ihr
sagte, sie solle es vergessen.
Er
blinzelte ein wenig, seine Wimpern zuckten und dann nickte er. Plötzlich nahm
er seine Hand aus ihrem Haar und zog sich von ihr zurück. Ein letztes Mal
liebkoste er ihre Wange, dann ließ er seine Hand sinken.
Mulder
stand auf und ging ein wenig von ihr weg. Er drehte sich um und sah auf sie
herab.
"Sieh,
äh... ich bin bald zurück. Ich muß darüber nachdenken. Ich... glaube..." Seine Augen waren voll
ungeweinter Tränen, sein Herz zog sich zusammen. "Ich weiß, daß ich es
angeboten habe... aber, ich glaube nicht, daß ich es tun kann."
Er
bückte sich und legte seine Hand für einen Moment auf Liams Decke und
betrachtete das Baby, dann streckte er sich und ging durch ihr Apartment zur
Wohnungstür. Mit einem leisen Schlag hörte sie sie hinter ihm schließen.
Schockiert
saß sie da. Was zur Hölle hatten sie gerade getan? Langsam stand sie auf und
ging zur Balkonbrüstung. Sie beobachtete ihn, als er die Straße herunterging.
Innehaltend drehte er sich um und sah zurück zu ihr, seine Augen geschlagen und
sich in ihre bohrend, als wenn sie nur Zentimeter voneinander entfernt wären
und nicht 200 Meter. Da stand sie und beobachtete seine einsame Gestalt, als er
seine Hände in die Taschen stopfte, die Schultern ein wenig wegen der Nachtluft
hochzog, sich dann umdrehte und ihrem Blick entschwand.
Verschwand.
Es
gab irgend etwas anderes, worüber er offensichtlich eine Weile nachgedacht
hatte, und sich nicht die Mühe machte, es mit ihr zu teilen. Wenn er es getan hätte, wäre es vielleicht nicht
so ein Schock gewesen.
Scully
legte ihren Kopf auf ihre Arme auf dem Geländer und bemerkte, daß sie ein wenig
zitterte. Sie fror und sie hatte eine Gänsehaut.
Auf
einmal begriff sie, was sie da gefordert hatte.
Und
er würde tatsächlich alles für sie tun.
Sie
ging zurück in ihr Apartment, nahm Liams Steppdecke und brachte sie nach
draußen. Sorgfältig legte sie sie über ihn. Danach räumte sie die Teller ab,
zog sie die Liege dichter an den Kamin heran und ließ sich in seiner Wärme
nieder, ihre Arme gegen die Brust gedrückt.
Sie
dachte nichts und sie tat nichts, sie sah einfach nur zu, wie die Flammen die
letzten Stückchen Holz auffraßen, sie zu Asche verwandelten und dann starben.
Teil
24
Ihre
Knie krachten, als sie sich von der Liege erhob. Vom langen Sitzen in der
feuchten Luft war sie ganz steif und sie rieb sich den Nacken, um die
verspannten Muskeln zu locken, als sie den Strand prüfte. Immer noch nichts von
ihm zu sehen.
Es
waren schon zwei Stunden.
Der
Mond war aufgegangen. Es war fast Vollmond und er hing groß, leuchtend und
schwer im Südosten. Sie atmete tief ein und umfaßte das Geländer, die kühle
Nachtluft füllte ihre Lungen und machte ihr den Kopf klar. Sie konnte nicht
einfach in gefühlloser Erstarrung dasitzen, sie mußte es durchdenken.
Noch
einmal prüfte sie den Strand. Keine einsamen Gestalten. Überhaupt keine
Bewegung. Sie drehte sich um und schaute Liam an. Er schlief friedlich,
eingepackt bis an die Nase. Scully bückte sich und steckte eine Ecke seiner
Decke fest, dann befühlte sie seine Schläfe mit der Rückseite ihrer Finger.
Seine Haut war warm, aber sie sollte ihn aus der Feuchtigkeit herausbringen.
Eine seiner Augenbrauen zuckte leicht, als sie den Kindersitz anhob und ihn
durch die französischen Türen trug. Sanft setzte sie ihn ab, so daß er nicht
der Zugluft ausgesetzt war.
Das
Geräusch der Party unten war in ihrem Apartment stark und ertränkte die Musik
ihres Radios. Sie schaltete die Stereoanlage aus und ging zur Wohnungstür,
öffnete sie und sah hinunter in den Hof. Dort ging es lautstark zu. Noch mehr
Leute waren gekommen, die um den Pool wanderten, sich unterhielten und lachten.
Elvis und ein paar andere waren steckengeblieben, und ein paar Leute, die sie
nicht erkennen konnte, schwammen in ihren Sachen in dem dampfenden Pool.
Scully
ging zurück zu Liam und ließ sich mit gekreuzten Beinen neben ihm nieder. Sie
stützte ihre Ellbogen auf die Knie und ihr Kinn auf ihre Hände, saß da und
bewachte seinen Schlaf.
Sollte
sie ihn auf seine Steppdecke legen? Es schien verkehrt zu sein, ihn in seinem
Sitz zu lassen, aber er sah so zufrieden aus...
Ihr
Gesicht fiel ein wenig zusammen, als sie seinen sorglosen Ausdruck sah.
Liam...
Das
Baby gähnte nur im Schlaf, dann gab es ein kleines Geräusch von sich und paßte
seinen Kopf dem Kissen an. Seine Haut war so rosa, so gesund...
So
normal...
Er
war nicht normal.
Er
war nicht in Ordnung.
Grünes
Fruchtwasser.
In
dem Moment, als sie es hörte, wußte sie es. Er war ein Teil ihres abscheulichen
Planes. Was immer es war. Und sie würden ihn nicht in Ruhe oder ihn ein
normales Leben führen lassen.
Niemals.
Wie
richtig es schien, daß er verschwinden würde, war so schockierend.
Sie
wollte ihn aus seinem Sitz hochheben, ihn in die Arme nehmen und ihn niemals
loslassen.
Geh
mit ihm, sagte sie sich.
Ich
kann nicht.
Geh.
Ich
kann nicht.
Warum
nicht? Deine Mutter? Dein Beruf? Dein Leben? Was für ein Leben?
Menschen
können nicht einfach verschwinden, argumentierte sie mit sich selbst.
Ihr
seid nicht einfach nur Menschen. Nicht mehr.
Scully
versuchte mehr Argumente zu sammeln, warum sie nicht mit ihnen gehen konnte und
sie fand keine.
Tatsache
war, daß sie Mulder finden wollte und mit ihm und Liam sofort so weit und so
schnell sie konnten, weglaufen wollte.
Wo
war er?
Vielleicht
hatte sie unrecht, wenn sie dachte, er würde alles für sie tun. Vielleicht war er nicht in der Lage dazu? Er
würde sie nicht einfach so verlassen, nicht wahr? Er konnte nicht. Er brauchte
einfach nur ein bißchen Zeit. Oder?
Er
könnte, gab sie zu. Wenn er entschieden hatte, daß er es nicht tun könnte,
könnte er einfach gegangen sein.
Komm
zurück, wollte sie. Bitte, Mulder. Bitte.
Bitte,
lieber Gott.
Was,
wenn er nicht zurückkam?
Sie
war nicht überrascht, wie schnell ihr Verstand die Antwort fand. Dann würde sie
Liam nehmen und gehen.
Schließlich
sah sie auf ihre Uhr. Es war eine weitere Stunde vergangen.
Es
wurde so spät...
Die
Party unten war wieder ruhig geworden... und nun konnte sie Elvis allein singen
hören, eine traurige Ballade und er begleitete sich selbst auf der Gitarre. Sie
hatte ihn dieses Lied hunderte von Malen singen hören und konnte es auswendig.
...
halt mich Baby, in der Hitze deiner Arme...
liebe mich bis wir eins sind...
umhülle mich Baby, mit der Glut deiner Liebe... streichel mich, bis ich komme... halt mich Baby, mit der Glut deiner
Augen... küß mich bis ich schreie...
...
halt mich fest
...
halt mich sicher
...
liebe mich... bis ich sterbe...
Die
Musik verklang und sie hob Liam aus seinem Sitz und legte ihn in ihren Schoß.
Sie deckte ihn mit seiner Decke zu. Er gab ein kleines piepsendes Geräusch im
Schlaf von sich und sie schaukelte ihn sanft.
Nach
einer Weile schliefen ihr die Beine ein, aber sie bewegte sich nicht.
Ihre
Arme und Schultern wurden steif, als sie so über ihn gebeugt saß. Schließlich neigte sie ihren Kopf ein wenig,
so daß sie die Uhr an ihrem Videorecorder lesen konnte.
Es
war fast ein Uhr.
Es
war zuviel, darüber nachzudenken und sie hatte aufgegeben. Sie erkannte die
Zeichen und kämpfte nicht dagegen an. Taubheit machte sich auch in ihrem Gehirn
breit, die sie begrüßte. Den warmen Babyduft einatmend barg ihr Gesicht am Hals
des Babys. Der Tag heute war zu lang gewesen. Zu viel. Die letzten paar Tage waren zuviel gewesen.
Sie hatte zuviel empfunden.
Wenn
alle Zellen eines Körpers alle sieben Jahre vollständig durch brandneue Zellen
ersetzt werden, überlegte sie losgelöst, hatte sie das Empfinden, daß dieser
Prozeß bei ihr innerhalb von fünf Tagen abgelaufen war. Sie fühlte sich wie ein
anderer Mensch auf der Zellebene. Vielleicht war sie ein anderer Mensch.
Sie
würde niemals mehr dieselbe sein.
Müde
rieb sie sich den Nacken. Ihre Finger berührten die Narbe und sie ließ lustlos
die Hand fallen. Natürlich würde sie nie mehr dieselbe sein. Sie hatte diesen
verdammten Chip in ihrem Nacken, der sonst etwas auf Zellebene mit ihr tat, und
möglicherweise andere Dinge, die sie sich nicht einmal vorzustellen wagte. Wie
konnte sie bloß glauben, ihr Leben könnte auch nur den Anschein von Normalität
haben mit einem elektronischen Gerät in ihrem Nacken wie eine verdammte...
Sie
klatschte ihre Hand gegen ihren Nacken und saß absolut still.
Oh
Gott.
Die
Tür knarrte ein wenig und sie drehte sich um.
Mulder
hielt an der Tür inne. Seine Augen waren müde und rot gerändert. Er sah um fünf
Jahre gealtert aus. Sie hatte das Gefühl, sie ebenfalls.
Sanft
legte sie Liam nieder und deckte ihn zu, dann stand sie langsam auf. Ihre Beine waren eingeschlafen, sie zuckte
zusammen, als die Nadeln sie stachen. Sie beugte sich herab und rieb sie und
versuchte, das Blut wieder zum Zirkulieren zu bringen.
Mulder
kam zu ihr herüber und stand da und schaute auf das schlafende Baby herab. Auf
einmal drehte er sich um und nahm eines von Liams Spielzeugen in die Hand.
Unsicher, was sie sagen sollte, beobachtete ihn, als er so still dastand, den
Kopf über das Spielzeug gebeugt.
"Sag
ihm Auf Wiedersehen," sagte er leise.
Ihr
Herz begann in ihrer Brust zu hämmern.
Sie
ging zur Wohnungstür, schloß sie und legte die Kette vor. Dann drehte sie sich
um und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Ihre Hände zitterten, sie drückte
sie flach gegen die Tür hinter sich, damit sie aufhörten zu zittern.
Die
Kette mußte er gehört haben, aber er sah nicht auf. Sie konnte sein Gesicht
nicht sehen.
Scully
schaltete das Licht aus.
Er
sah sie immer noch nicht an.
Scully
ging hinüber zu dem Baby, kniete neben ihm nieder und steckte die Decke und den
weichen Überwurf dichter um ihn fest. "Gute Nacht, mein Kleiner. Schlaf
gut," flüsterte sie ihm zu. "Ich liebe Dich." Dann beugte sie
sich herunter und drückte ihre Lippen in sein Haar. Scully sah zu Mulder auf,
der sie beobachte, seine Augen undeutbar in der Dunkelheit.
Nachdem
sie dem Baby noch einen sanften Kuß gegeben hatte, stand sie auf und nahm das
Spielzeug aus Mulders ruhelosen Fingern und legte es auf die Couch. Seine
Finger waren wie Eis und er bewegte sich nicht, als sie seine Hand nahm und
daran zog.
Noch
einmal zog sie daran.
Nach
einem Moment des Zögerns ließ er sich von ihr ziehen. Erleichterung durchlief
sie und sie führte ihn ins Schlafzimmer und setzte ihn auf die Bettkante. Er
beobachtete sie, als sie begann, ihr T-Shirt über den Kopf zu ziehen.
"Scuh-leee..."
flüsterte er, gequälten Protest in seiner Stimme.
Eine
Sekunde hielt sie inne, dann zog sie es trotzdem aus. Plötzlich hörte sie ihn
hastig einatmen.
Mulder
starrte auf ihre Rippen.
Scully
sah herab. Die verletzte Haut schillerte häßlich violett-grün. "Du hast es
nicht gesehen, als ich in der Wanne war?"
Langsam
schüttelte er den Kopf.
"Es
ist schon besser," sagte sie leise, dann gingen ihre Hände zum Bund ihrer
Shorts, um sie auszuziehen.
Dabei
beobachtete sie, wie seine Augen zu ihren Brüsten gingen. Er schloß sie fest.
"Ich
kann das nicht tun," flüsterte er. Sie ließ ihre Shorts für den Moment an
und nahm sein Gesicht in ihre Hände und küßte ihn auf den Kopf. Seine Haare
waren kühl und rochen nach Salz und Nachtluft. Sein kühles Gesicht gegen ihre
Brüste drückend hielt sie ihn dort fest.
"Bitte,"
flüsterte sie.
Ein
bißchen zuckte sie zusammen, als sie seine kalten Hände an ihrer warmen Taille
spürte. Dann schlang er seine Arme um sie und preßte sein Gesicht gegen ihren
Bauch. Sie hielt ihn fest und streichelte sein Haar.
Endlich
fühlte sie seine Lippen, die zart ihre verletzten Rippen berührten.
Sanft
schob er sie zurück, stand auf und griff nach dem Lichtschalter, aber sie
stoppte ihn mit einer Hand an seinem Handgelenk. "Ich möchte Dich
sehen," flüsterte sie.
Mulder
drehte sich um und sah sie an, sein Blick glitt über ihr Gesicht, blieb einen
Moment an dem Bluterguß auf ihrer Wange hängen, wanderte weiter zu ihrem Mund
und dann zurück zu ihren Augen. Sein Gesicht war sorgfältig dressiert, aber der
Ausdruck in seinen Augen war elend. Er schloß die Augen, zog sie in seine Arme
und atmete warm in ihr Haar aus. Ihre Arme um seinen Rücken schlingend legte
sie ihr Ohr an seine Brust. Sein Herz schlug heftig.
Ihre
Hände glitten über seinen Rücken unter sein feuchtes Hemd. Ihre Fingerspitzen
registrierten die kühle, klebrige Haut an seinem Rücken und seine mageren
Rippen.
Scully
schmiegte sich enger an ihn.
Mulder
ließ die Finger einer Hand in ihr Haar gleiten und rieb über ihre Kopfhaut. Sie
drückte ihren Kopf zurück in seine Handfläche und sah ihn an.
Seine
Augen waren ein wenig geschlossen, als er sie betrachtete.
Einen
langen Augenblick sah sie ihn an, streckte sie ihre Hand aus und schob ihre
Finger in sein Haar. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und packte sein
Haar fest an der Wurzel. Sie zog seine Kopf herab und drückte ihre Lippen an
seine. Er reagierte augenblicklich, seine Lippen, heiß, brennend und
elektrisierend, bewegten sich hart auf ihren. Alles was sie unter Kontrolle
gehalten hatte, löste sich in diesem Kuß, aber sie konnte ihm nicht nahe genug
kommen. Ein kleines frustriertes Geräusch an seinem Mund kam von ihr.
Mulder
stöhnte ebenfalls und seine Finger griffen ihr Haar fester, hielten ihren Kopf
still, als er sie küßte.
Wie
auch immer sie sich vorher geküßt hatten, dieser hier war anders.
Verzweifelt,
sehnsüchtig, liebevoll.
Sie
wollte seine Haut an ihrer. Ihre Hände glitten zum Saum seines Hemdes und
schoben ihn hoch. Nur für einen Moment löste sie ihre Lippen von seinen, um es
ihm über den Kopf zu ziehen.
Da
zuckte er zusammen.
Scully
zog sich ein wenig von ihm zurück und gab ein winziges Keuchen von sich. Die
Haut an seiner Schulter war genauso häßlich violett und grün wie die an ihren
Rippen. Oh Gott. Er mußte den Stoß des Baumes mit seiner Schulter abgefangen
haben. "Oh, Mulder," sagte sie leise, drehte ihn herum und
untersuchte die Knochen unter der geschwollenen Haut so zart, wie sie konnte.
Er
reckte seinen Hals, um es sich anzusehen. "Es ist schon besser,"
sagte er, trotzdem konnte sie sehen, daß er versuchte, nicht zurückzuweichen,
während sie an seinem Schlüsselbein entlang drückte. Sie sollten möglicherweise
beide zum Röntgen gehen.
Mit
plötzlicher Sicherheit erkannte sie, daß der Baum sie umgebracht hätte. Sie hob ihre Augen zu seinen, aber er gab keinen
Kommentar von sich, er sah sie nur an.
Ihr
Blick fiel wieder auf die verletzte Haut an seiner Schulter, dann wanderte er
tiefer. Sie untersuchte die Haut an seinem Rücken und drehte ihn herum, um
seine Rippen und seinen Bauch zu untersuchen. Dann griff sie nach dem Bund
seiner Shorts, schob sie herunter und zog sie ihm aus, um seinen Rücken noch
einmal zu untersuchen. Es schien die einzige Verletzung zu sein, dem Himmel sei
Dank.
Und
dann waren seine Hände auf ihren Unterarmen, zogen sie zu sich herum und sein
Mund war auf ihrem.
"Warum
hast Du es mir nicht erzählt?" flüsterte sie an seinem Mund.
"Warum
hast Du es mir nicht erzählt," flüsterte er zurück. Seine Hände waren am
Bund ihrer Shorts und zogen sie ihr aus.
Plötzlich
lagen sie auf dem Bett, er über ihr, sein ganzes Gewicht lag auf ihr.
Mit
den Fingerspitzen zeichnete er ihr Gesicht nach, dann folgte er ihrer Spur mit
seinen Lippen, langsam und gründlich. Er schob ihr das Haar aus dem Gesicht und
küßte ihren Haaransatz, ihre Stirn, ihre Augenbrauen, ihre Ohren, ihren Kiefer,
den Bluterguß auf ihrer Wange, ihr Kinn, ihren Hals und schließlich wieder
ihren Mund.
Scully
öffnete ihre Lippen und knabberte an seinen Fingern, nahm einen nach dem
anderen in ihren Mund. Er ließ seine Fingerspitzen leicht über ihre Zähne und
die Innenseite ihrer Lippen gleiten, als sie erst an jedem Finger, dann an
seinem Daumen saugte. Sie biß zart hinein, leckte das Salz zwischen ihnen ab,
dann saugte sie fest an dem fleischigen Ballen an der Wurzel seines Daumens.
Mulder
zog seine Finger aus ihrem Mund und schob sie in ihr Haar. Er küßte sie hart,
leckte über ihre Lippen, ihre Zähne und ihre Zunge.
"Zu
schwer?" flüsterte er.
Er
war zu schwer und sein Gewicht preßte sie fest auf das Bett, aber es fühlte
sich wunderbar an.
Sie
schüttelte den Kopf und biß in seine Unterlippe, zog sie in ihren Mund.
Mulder
bewegte sich ein wenig und verlagerte sein Gewicht ein bißchen auf seine
Unterarme, als er seinen Mund von ihrem löste, seinen Kopf duckte und Küsse
über ihren Hals an ihrem Brustbein entlang zu ihren Brüsten placierte.
Scully
stütze sich ein wenig auf ihre Ellbogen und beobachtete ihn, als er sie
zwischen ihren Brüsten leckte. "Ptuth," machte er, ein kleines
spuckendes Geräusch, und sie zog ihre Augenbrauen hoch.
"Sand."
Mulder
hob seinen Kopf und erwischte ihren Blick. Sie sah ihn ein wenig verlegen an.
"Ich
sollte duschen gehen."
Er
legte seinen Kopf auf die Seite und betrachtete sie. "Ich liebe die Art,
wie Du schmeckst," sagte er, senkte den Kopf und drückte seine Nase an ihre
Brust. "Ich liebe die Art, wie Du riechst."
Aber
Du sagst nicht, daß Du mich liebst, nicht wahr Mulder? Ich frage mich, warum
nicht.
Mulder
nahm eine Brustwarze in den Mund und saugte daran. Er schloß seine Augen, sein
Gesicht an ihre Brust gekuschelt. Mit seinen geschlossenen Lidern und diesem
Ausdruck von Konzentration erinnerte er sie sehr an Liam.
"Fester,"
flüsterte sie. "Es war fester."
Er
steigerte den Druck und sie fühlte die plötzliche Antwort zwischen ihren
Beinen. Das Gefühl, ihn zu bemuttern und ihn zu lieben war seltsam verwirrend.
Sanft streichelte sie seine Wange. Er war so unglaublich lieb zu ihr. Er ließ
von ihrer Brust ab, sein Gesicht war plötzlich sehr traurig.
Scully
senkte den Kopf und nahm eine seiner Brustwarzen in den Mund. Sie hatte den
scharfen salzigen Geschmack einer männlichen Brustwarze. Hart saugte sie daran.
Er atmete aus. Sie blickte hoch, um zu sehen, wie er die Augen schloß und den
Kopf nach hinten legte. Mit ihren Handflächen strich sie beruhigend über seine
Brust, während sie mit ihrer Zunge seine andere Warze erreichte. Ihre Hand
bahnte sich ihren Weg durch die Haare auf seiner Brust und über seinen Bauch.
Ihr Mund wanderte tiefer und sie tauchte ihre Zunge in seinen Bauchnabel, ehe
sie sie bis an den Rand seiner Schambehaarung gleiten ließ.
Ihre
Hände glitten herum, um seine Pobacken zu umfassen.Sie drückte sie leicht, als
sie ihre Nase in den Haaren über seinem Penis verbarg. Erst rieb sie die eine,
dann die andere Wange an seiner Erektion, berührte sie kurz mit ihrer Nase,
bevor sie ihren Mund näher an seine Hoden gleiten ließ. Nacheinander nahm sie
sie in den Mund, um sie zu schmecken.
"Ich
liebe die Art, wie Du schmeckst, auch," murmelte sie.
"Scuh-lee."
Ihr Name war eine Stöhnen. Er faßte sie an der Taille und drehte sie herum, so
daß er sie auch mit seinem Mund erreichen konnte. Sein Gesicht in ihren Locken
konnte sie seine Zunge spüren, die ihre weichen Falten erforschte.
Ihre
Zunge glitt über die Unterseite seiner Erektion und zeichnete die geschwollenen
Adern bis zu seiner Spitze nach. Sie nahm seine Spitze in den Mund und saugte
sie leicht, schmeckte ihn auch da. "Scuh-lee," stöhnte er wieder,
sein Atem heiß an ihrer Feuchte. Seine Zunge fand ihre Klitoris. Er ließ sie
leicht darüber gleiten, dann nahm er sie in den Mund und saugte daran.
"Mmmmmmphhh,"
keuchte sie leise, den Mund voll.
Seine
Hand umschloß ihre Schulter und zog zart daran. Sie küßte seine Spitze, dann
ließ sie sich von ihm herum und neben sich ziehen. Sein Gesicht war traurig,
als er sie in die Arme nahm. "Wir wollten die ganze Nacht reden,"
flüsterte er.
"Wir
reden doch." Sie drückte ihren Mund auf seinen und küßte ihn. Er küßte sie
zurück, ihr Geschmack mischte sich mit seinem.
"Ich
möchte jeden Zentimeter Deiner Haut schmecken."
Er
rollte sie auf ihren Bauch und schob das Haar aus ihrem Nacken. Sein Gewicht
von ihr abhaltend, kniete er über ihr und küßte ihren Hals entlang bis unter
ihr Ohr. Sie konnte nichts dagegen tun, daß sie zurückwich, als seine Lippen
sanft über die Narbe in ihrem Nacken glitten, um ihr Genick zu erreichen. Er
hielt inne. "Tut es weh?" Sie schüttelte den Kopf.
Sie
konnte das schwere und drängende Gewicht seiner Erektion an ihrem Gesäß spüren,
als er die Linien ihres Rückens nachzeichnete.
Er
küßte ihren Rücken und ihre Schulterblätter und ihre Rippen. Der Schatten
seines Bartes kitzelte und ihr stockte der Atem mit jedem Kuß, den er ihr auf
seinem Weg nach unten schenkte.
Mulder
machte eine unerträgliche Pause. Scully drehte ihren Kopf zur Seite und
beobachtete sein Bild im Spiegel an der Wand. Er schaute ihr Tattoo an. Mit seiner Zunge zeichnete er es nach, saugte
daran, dann verließ er es ohne Kommentar. Sein Mund bewegte sich in die Mitte
ihres Rückens, glitt tiefer und über die Rundung ihres Gesäßes. Er war so auf
ihre Haut konzentriert, als hätte er nie zuvor Haut gesehen. Sie konnte nicht
anders, sie mußte lächeln, als sie ihn beobachtete.
Schließlich
bewegte er sich an ihrem Rücken nach oben und drückte ihre Gesäß an sich. Nach
vorn gebeugt preßte er seinen Mund hinter ihr Ohr.
"Warum
dort?" flüsterte er. Seine Hüften bewegten sich an ihren. Sie wollte ihn
ansehen, wenn sie mit ihm schlief, aber sie wollte dies hier auch. So bewegte
sie sich unter ihm, öffnete sich für ihn.
"Warum
was?"
Die
Spitze seines Penis drückte gegen sie.
"Noch
nicht," flüsterte er.
"Doch,
ein bißchen," murmelte sie. Sie drehte sich ein wenig zur Seite und beugte
ein Bein, um ihm mehr Zugang zu verschaffen.
Mulder
stieß zu und sie spürte, wie er in sie glitt. Auf diese Art fühlte er sich
anders an. Härter, länger. Sie stieß ihren Po gegen ihn.
"Warum
wo?" fragte sie atemlos.
Hart
stießen seine Hüften gegen sie. Er schob eine Hand unter sie, spreizte die
Finger über ihrem Bauch, um sie kräftig an sich zu drücken. Nun bewegte er sich
schneller. Einmal. Zweimal. Dreimal. Viermal. Fünfmal stieß er in sie hinein.
Hart. Sie keuchte laut. Plötzlich glitt er heraus und drehte sie auf den
Rücken.
Schwer
atmend nahm er sie in die Arme.
"Das
fühlt sich zu gut an. Ich war dabei zu kommen. Einfach so." Er grinste und
plötzlich wurde ihre Stimmung ein wenig leichter.
Sie
lächelte. "Ich auch."
"Das
ist in Ordnung." Seine Hand glitt zwischen sie und fand ihre Locken,
bahnte sich ihren Weg hindurch, dann teilte er sie. Seine Finger begannen eine
gemächliche Erkundung. "Aber noch nicht für mich."
Seine
andere Hand glitt herab, um ihren Rücken zu liebkosen.
Ihre
Hände legten sich um seinen Po und zogen ihn enger an sich.
Er
atmete schwer. Sie konnte seinen Puls in seinem Penis fühlen, der an ihren
Schenkel gepreßt war.
Ihre
Hüften stießen ein wenig fester gegen seine Hand und ihre Brüste rieben sich an
seiner Brust. "Nein? Du hast es in Singapore gut gemacht."
"Das
war nicht ich, das war..."
"Das
war was?"
"Das
war ich."
"Das
dachte ich."
Sie
lächelten sich an, sein Lächeln war spitz und traurig. Er schloß die Augen und
senkte seinen Kopf auf das Kissen.
Sie
beobachtete ihn, als ihm allmählich der Atem stockte.
"Dein
Tattoo."
"Mein
Tattoo?"
"Warum
dort?"
"Warum
nicht dort?"
Seine
Finger rieben sie immer noch leicht. Sie bewegte sich ein wenig mehr, um den
Druck zu erhöhen und sie wurde so atemlos wie er.
"Da
ist Platz in der Mitte der Schlange für meine Initialen, Scully."
Sie
lachte leise. "Das Tattoo war nicht wegen Dir."
"Nein?"
"Nein."
Seine
Handfläche glitt zwischen ihren Beinen hervor und sie unterdrückte ein Geräusch
des Bedauerns. Seine Hand wanderte über ihre Hüfte und bedeckte das Tattoo. Er
drückte es zart.
"Nein?"
fragte er noch einmal.
Sie
antwortete nicht.
Sein
Atem beruhigte sich ein wenig. "In Ordnung, in Ordnung," sagte er,
immer noch atemlos. "Ich glaube, ich kann es jetzt tun. Was ist mit
Dir?"
"Jetzt,"
sagte sie.
Er
bewegte sich über sie, beobachtete aufmerksam ihr Gesicht, dann stieß er in sie
mit einer langen, glatten Bewegung.
Die
Erregung, als er sie ausfüllte, ließ sie keuchen. Alle Luft wich aus ihren
Lungen. Sie schlang ihre Beine um ihn und stieß ihre Hüften gegen seine. Ihr
Rhythmus verstärkte sich und nun konnte sie kaum noch atmen. Seine Finger hatten sie nahe an den Orgasmus
gebracht und es würde nur noch einen Moment dauern, bis sie kam.
"Du
läßt es mich wissen," flüsterte sie atemlos. "Nicht wahr? Wenn Ihr
irgendwo seid. Wenn Ihr Euch niedergelassen habt."
Sein
Ausdruck brach. Augenblicklich wünschte sie, sie könnte die Worte zurück
nehmen. Sie erkannte, daß er darauf gewartet hatte, daß sie ihm sagte, er solle
nicht gehen. Seine Stirn legte sich in Falten vor Verzweiflung und sein Kopf
sank auf ihre Schulter.
"Ich
kann nicht, ich kann nicht," flüsterte er, sein Gesicht an ihrem Hals.
"Mulder?"
Sie hauchte seinen Namen und zog sich ein wenig von ihm zurück, versuchte sein
Gesicht zu sehen.
"Ich
kann Dich nicht verlassen. Ich kann nicht. Wenn ich in Dir bin, kann ich nicht
einmal darüber nachdenken, Dich zu verlassen." Er stieß härter in sie.
"Shhh.
Shhh." Sie legte ihre Arme um seinen Nacken und hob ihre Hüften an, um
seine zu treffen.
"Sie
werden Dich beobachten. Du wirst nicht in der Lage sein, uns zu sehen."
"Ich
weiß. Aber ich muß wissen, daß es Euch gut geht."
Er
antwortete nicht.
Sie
beruhigte ihre Hüften und schluckte schwer. "Mulder, bleib."
Er
hob seinen Kopf und sah sie an.
"Nur
eine Weile. Noch ein paar Tage. Eine Woche."
Er
seufzte frustriert. "Ich möchte es, aber..." Sein Mund senkte sich,
um ihren wieder zu fassen und rieb leicht über ihre Lippen. "Wenn ich es
tue, werde ich nicht in der Lage sein, Dich zu verlassen." Wie um seine
Worte zu betonen, stieß er hart in sie hinein. Ihre Lippen öffneten sich und
sie keuchte in seinen Mund.
"Bitte,"
flüsterte sie.
"Er
muß verschwinden, Scully," sagte er, seine Stimme plötzlich wild. "Du
weißt es und ich weiß es."
Er
griff zwischen sie und preßte das hämmernde Bündel Nervenenden, das ihre
Klitoris geworden war und sie kam unerwartet und hart. Alles um sie herum wurde
für einen Moment schwarz und ließ sie zitternd atmen, ihr Herz schlug in ihren
Ohren. Er sagte ihren Namen und sie konnte ihn kaum hören.
"Scuhlee,"
flüsterte er noch einmal leise, dann war es still. Er glitt aus ihr heraus,
rollte sich von ihr herunter und drehte sich weg von ihr. "Versuch nicht jemand anderen aus mir zu
machen, der ich nicht bin, Scully," glaubte sie zu hören.
"Was?"
Er
war nicht gekommen. Sie war sich sicher.
"Mulder?"
Sie streckte eine vorsichtige Hand aus.
"Ich
sagte, ich kann das nicht tun. Ich meinte es."
Sie
legte eine Hand auf seinen Arm und zog daran. Er würde sich nicht umdrehen, um
sie anzusehen.
Sie
kroch zu ihm hinüber und setzte sich rittlings auf ihn, drückte ihn so in die
Matratze. "Nein," sagte sie wieder. "Du kannst was nicht? Du
kannst mich nicht verlassen? Kannst nicht mit mir schlafen? Kannst mir nicht
sagen, daß Du mich liebst?" Sie suchte ihn mit ihren Hüften und er glitt
wieder in sie hinein. Sie sank auf ihn nieder und küßte ihn. "Ich versuche
nicht, Dich zu jemand anderem zu machen. Dich," sagte sie. "Dich
liebe ich."
Er
kniff die Augen zu und stöhnte und preßte sich in sie. Er rammte sich wieder
und wieder in sie hinein. Dann war er soweit. Sie fiel auf ihn und er biß die
Zähne an ihrer Schulter zusammen. Sie hatte gerade noch genug Energie, eine
Hand in sein Haar zu stecken und sein Gesicht an ihres zu ziehen, als er kam
und dann lag sie still.
Nach
einer Weile legten sich ihre Arme umeinander und hielten sich gegenseitig eng
umschlungen. Er würde ihr nicht antworten, entschied sie. Sie hatte nicht geglaubt, daß es möglich war,
daß sie schlafen könnte, aber sie tat es, beinahe augenblicklich, ihn immer
noch in sich, ein Bein immer noch um ihn geschlungen.
Scully
war sich nicht sicher, was sie aufgeweckt hatte. Es war dunkel, er mußte das
Licht ausgemacht haben. Er war noch hier, erkannte sie ängstlich, aber er war
wieder von ihr weggerollt und war auf der anderen Seite des Bettes, mit dem
Rücken zu ihr. Sie wußte nicht, ob er eingeschlafen war. Das Bett bewegte sich ein wenig. Sie drehte
sich um, um ihn anzusehen.
Zitterte
er?
Er
weinte, lautlos und heftig.
Still
lag sie da und wußte nicht, was sie tun sollte. Endlich streckte sie ihre Hand
aus und streichelte seine Schulter.
"Aber
Du liebst mich nicht genug, um mit mir zu kommen, nicht wahr?" Seine
Stimme war sehr leise und beinahe nicht erkennbar. "Sag, daß Du mit mir
kommst... oder faß mich nicht an."
Er
wartete.
Sie
sagte nichts, aber sie nahm ihre Hand auch nicht weg.
"Wie
kannst Du mich ihn mitnehmen lassen?" verlangte er leise. "Noch heute
morgen hast Du mich wegen ihm angefleht."
"Mulder,
weil," sagte sie leise, plötzlich Tränen in ihrem Hals. "Ich glaube,
ich habe eine Wanze in mir."
Sie
starrte auf seinen Hinterkopf bis sich schockiertes Verstehen in der Haltung
seiner Schultern zeigte. Er drehte sich herum, um sie anzusehen, sein Gesicht
voll bitterem Unglauben. Ihre Finger griffen unbewußt in ihren Nacken.
Plötzlich sprang sie aus dem Bett und lief ins Badezimmer.
"Scully,
warte!"
Scully
riß so heftig an einer kleinen Schublade, daß sie herausflog und ihren Inhalt
überall verstreute. Sie ließ die Schublade fallen und schnappte sich ein
schmales Lederetui, das auf den Boden gefallen war. Rasch öffnete sie es und zog ein
rasiermesserscharfes Skalpell heraus. Sie senkte ihren Kopf, schob die Haare
zur Seite und lehnte sich nach vorn. Im Spiegel versuchte sie, die kleine Narbe
zu sehen.
"Scully,
nein!" Mulder war plötzlich hinter ihr, er griff ihr erhobenes Handgelenk
und sie riß ihre Hand weg. Von hinten legte er einen Arm um sie und versuchte,
ihre rechte Hand festzuhalten. Sie entwand sich seinem Griff.
"Laß
mich los, Mulder. Ich werde es herausschneiden."
"Nein,
Scully! Das kannst du nicht! Das kannst Du nicht! Es hat Dich gerettet. Bitte,
bitte, nicht."
"Wir
wissen nicht, ob es mich gerettet hat. Vielleicht tötet es mich."
Sie
schubste ihn wieder weg und hob die Hand mit dem Skalpell. Die Narbe konnte sie
nicht richtig sehen und ihre Hände zitterten. Als sie das Skalpell an ihre Haut
drückte, floß plötzlich ein leuchtender Streifen Blut über ihre Schulter.
"Nein!
Verdammt noch mal!"
Er
stürzte sich auf sie, ergriff ihr Handgelenk und drehte es herum. Sie ließ das
Skalpell nicht los und er riß sie an sich.
Sie
befreite sich.
Wieder
griff er nach ihr, um sie aufzuhalten und sie trat auf eine Flasche mit
irgendwas, verlor ihren Halt und stolperte gegen ihn. Sie fielen beide nach
hinten auf den Boden und sie landete auf ihm. Schwer atmend hielt er sie fest.
"Schneid es nicht heraus," keuchte er in ihr Haar. "Tu es
nicht."
Sie
kämpfte gegen seine Arme, versuchte sich zu befreien. "Mist," fluchte
er und steckte seine Hand in den Mund. Versehentlich hatte sie ihn geschnitten.
Mulder
hielt sie mit dem anderen Arm fest.
"Laß
das Skalpell fallen."
"Nein!
Ich werde es herausschneiden."
"Nein.
Das kannst Du nicht."
"Ich
kann."
"Versprich
mir, daß Du es nicht herausschneiden wirst." Seine Stimme klang heiser.
Er
drehte ihr Handgelenk um. Heftig. Es tat verdammt weh.
"Versprich
es mir."
"Mulder,
laß mich los. Du tust mir weh. Ich werde es tun."
"Nein!
Warum, Scully? Warum? Warum glaubst Du, es ist eine Wanze?"
Er
zog ein bißchen an ihr und hielt sie halb unter sich fest. Die Fliesen waren
kalt an ihrer nackten Haut und eine Haarbürste drückte in ihre Hüfte. Sie schnappte nach Luft. "All diese
Wanzen. Alle an den Stellen, wo ich sitze, keine mehr als ein paar Zentimeter
von dem Ding in meinem Nacken entfernt. Vielleicht belauscht es mich, wenn ich
denke. Vielleicht läßt es mich denken." Sie brach ab. Nur eine
Haaresbreite war sie davon entfernt, in Tränen auszubrechen. "Ich bin zu
Plätzen gegangen und ich weiß nicht, wie ich sie gefunden habe."
"Warum
hast Du mich nicht angerufen? Warum hast Du es mir nicht erzählt?"
Tränen
begannen über ihr Gesicht zu laufen und sie öffnete ihre Hand. Das Skalpell
fiel auf den Boden. Er ließ ihr Handgelenk los, hob das Skalpell auf und
schleuderte es in die Ecke.
Sie
legte ihre Stirn auf die kalten Fliesen. "Ich weiß es nicht,"
schluchzte sie. "Ich weiß es nicht."
"Oh,
Scully," flüsterte er und setzte sich halb auf. Er zog sie mit sich und in
seinen Schoß.
"Im
Frühjahr. Ich wachte auf in meinem Auto im Staatsforst von Los Angeles mit
rasenden Kopfschmerzen."
Mulder
legte seine Lippen an ihren Hals und schaukelte sie schweigend. Sie mußte ihn
nicht ansehen, um zu spüren, daß er nachdachte.
Scully
drehte ihren Kopf herum. Seine Schläfe war an ihrem Mund und sie küßte die
grauen Strähnen.
"Warum
ich?" fragte sie. "Warum meine Eizellen? Warum das alles?"
Sein
Gesicht spiegelte ihre innere Trostlosigkeit wider.
Er
hob eine Hand und strich ihr sanft den Schweiß von der Stirn.
"Früher
habe ich immer gedacht, daß ich es war," sagte er leise. "Alles wegen
mir. Daß sie Dir diese Dinge angetan haben, um mich zu treffen. Aber nun... ich
bin mir nicht so sicher."
"Was
dann?"
Mit
den Fingerspitzen klopfte er leicht gegen ihre Stirn.
Einen
Moment war er still.
"Wenn
der Chip nicht wäre, würdest Du dann mit uns gehen?"
Sie
nickte.
Seine
Arme schlossen sich plötzlich fest und schmerzhaft um sie.
"Versprich
es mir," sagte er schließlich, sehr leise. "Du wirst ihn nicht
rausschneiden."
Sie
nickte wieder. Er hob seine verletzte Hand, dann preßte er die blutende
Schnittwunde absichtlich gegen die blutende Schnittwunde an ihrer Schulter.
Heftig
riß sie ihren Kopf herum. "Mulder, wer weiß, was in meinem Blut ist!"
"Shh,"
war alles, was er sagte und sie sahen beide zu, wie sich ihr Blut mischte. Sie
sah auf und er starrte auf sie herab. Mit geschlossenen Augen preßte sie ihr
Gesicht an seine Brust.
Einen
Moment später zog er sich von ihr zurück. Unbeholfen stand er auf, half ihr
hoch und brachte sie zurück ins Schlafzimmer.
Sein
Gesicht verschwommen in der Dunkelheit, sah er auf sie herab.
Schließlich
ließ er seine Hand sinken und ging aus dem Schlafzimmer.
Abrupt
setzte sie sich auf die Bettkante und lauschte auf das Klicken der Wohnungstür.
Für eine sehr lange Zeit herrschte absolutes Schweigen.
Das
war kein Abschied, oder?
Dann
hörte sie ihn sehr leise reden. Sie strengte ihre Ohren an. Er telefonierte mit
der Fluggesellschaft.
Nach
einer Weile wurde Liam unruhig. Sie hörte Mulders Stimme, die ihn beruhigte,
dann eine Tür. Für einen Moment erstarrte sie, dann entspannte sie sich. Es war
die Tür zu ihrem Balkon.
Scully
stand auf und zog das am nächsten liegende Kleidungsstück an. Sein T-Shirt. Auf
Zehenspitzen ging sie zur Tür, zog dabei das Hemd eng um sich in der kalten
Luft. Sie hielt inne, der Geruch von feuchtem Sand und Salz... das Geräusch der
Wellen... der Nebel war vollkommen weg... und der Mond... beinahe voll. Aber
auch wenn ihre Sinne die Nacht aufnahmen, alles, worauf sie sich konzentrierte,
war Mulder. Er stand am Geländer, schaukelte Liam und sah hinaus in die Nacht.
Er
war angezogen.
Gott,
er hatte sogar seine Schuhe an.
Schmerz
schoß durch ihren Körper. So leise summte er dem Baby etwas vor, daß sie kaum
die Melodie ausmachen konnte, aber... Er summte das Lied, das ihr Vater und
ihre Mutter gesungen hatten, als sie ein kleines Mädchen war.
Scully
konnte nichts dagegen tun, sie fühlte sich von ihm angezogen, wie von einem
Magneten. Langsam trat sie hinter die beiden und legte ihre Hand auf seinen
Arm. Er wich nicht zurück. Liams Augen waren geschlossen, sein Kopf lag an
Mulders Brust, sein Mund war offen im Schlaf und er schnarchte leise. Scully
legte ihre Arme um beide und drückte ihre Nase an das Baby. Mit geschlossenen ließ sie Mulder beide
schaukeln.
Glaubte
er an so etwas wie Aura? In ihrer Aura zu sein, nährte das seine Seele genauso,
wie es ihre nährte, in seiner Aura zu sein? Und nun war Liam auch hier. Sie
konzentrierte sich und glaubte, sie spüren zu können. Ein bißchen mehr als die
Wärme, die von dem Baby gegen ihr Gesicht strömte. Sie drückte sich ein bißchen
enger heran und saugte sie auf. Und hoffte, daß er im Schlaf irgendwie ein
bißchen von ihrer aufnahm.
Endlich
hatte sie genug Kraft gesammelt, um sich zurückzuziehen. Sie löste ihre Kette
mit dem Kreuz von ihrem Hals und legte sie Mulder um den Hals. "Wenn er groß genug ist," flüsterte
sie.
Sie
preßte ihr Gesicht an Liam, "ich liebe Dich," dann zart nur für einen
Moment an Mulder. "Ich liebe dich," flüsterte sie, ohne ihn
anzusehen. Dann drehte sie sich um und ging zurück in ihr Schlafzimmer.
Scully
lehnte sich gegen die Kissen und starrte in das Mondlicht, das über den
Fußboden ihres Schlafzimmers wanderte, lauschte und hörte nichts. Und dann
mußte sie im Sitzen eingeschlafen sein.
Als
sie wieder erwachte, waren sie gegangen.
Teil
25
Scully
konnte sich nicht erinnern, wie sie dahin gekommen war, aber sie war auf dem
Balkon und preßte Liams Steppdecke an sich.
Sie
war leer. Hohl. Zerbrechlich wie ein ausgeblasenes Osterei. Ihre Brust hohl,
ihr Kopf hohl.
Leere.
Nichts.
Sie
fiel zu einem Haufen auf der Liege zusammen, ihre Nase in der Steppdecke, als
sie sie an ihre Brust drückte und rollte sich um die Decke zusammen. Lag da,
fühlte nichts, hörte nichts, weinte nicht.
Schließlich
bemerkte sie, daß die frühe Morgensonne auf die nackte Haut ihrer Waden
brannte. Langsam hob sie ihren Kopf, sie fühlte sich so empfindlich, daß wenn
sie sich bewegte, sie zerbrechen würde. Mühsam schob sie sich von den Kissen
hoch und ging hinein. An der Tür blieb sie stehen.
Leer.
Weiß.
Hohl.
Immer
noch hielt sie die Steppdecke fest. Sie rieb die glatte Baumwolle zwischen
ihren Fingern, dann legte sie sie sorgfältig zusammen, trug sie zum Schrank und
legte sie weg.
Scully
ging ins Badezimmer und mußte über die Toilettenartikel hinweg steigen, die noch
immer über den Boden verstreut waren. Blutstropfen waren auf den weißen Fließen
verspritzt. Ihr Blick fiel auf das Skalpell in der Ecke und sie bückte sich, um
es aufzuheben. Ihr Finger glitt über das getrocknete Purpurrot auf der Schneide
und im Spiegel traf sie ihre Augen. Ihre
Haut war kreidebleich. Ihre Augen waren groß, ihre Pupillen riesig, um die
Augen lagen dunkle Ringe und der Bluterguß schien schlimmer zu werden anstatt
besser.
Sie
war sich des Chips in ihrem Nacken so bewußt, daß sie glaubte, sie könnte in
schmerzen fühlen.
Das
Metall des Skalpells fühlte sich kalt an ihrer Haut an. Die Schneide war so
scharf, es würde nicht wehtun. Nur ein bißchen mehr Druck und das Blut würde
herunterlaufen... rot... warm... in das Waschbecken.
Scully
blickte herunter.
Im
Waschbecken lag, in einem feuchten Haufen, Liams roter Strampler.
Nein.
Ihre
tauben Finger entkrampften sich und das Skalpell fiel mit einem dumpfen Klang
auf das Waschbecken.
Sie
beugte sich nach vorn und drückte ihre Finger in den Strampler, lehnte sich
hinein, nahm das Gefühl des feuchten krausen Materials in sich auf.
Schließlich
drehte sie den Wasserhahn auf und spülte ihn langsam und methodisch aus, dann
drehte sie sich um und breitete ihn zum Trocknen auf einem Handtuch aus. Sich
abwendend ging sie zurück zum Schrank, nahm die Decke heraus und brachte sie
ins Schlafzimmer. Sie ließ sich auf das Bett fallen, griff nach Mulders Kissen
und drückte beides an ihr Gesicht, das Kissen und die Decke. Das Kissen war
noch feucht von seinen Tränen, es roch nach ihm. Die Decke roch nach Liam.
Lange
Zeit saß sie einfach nur mit geschlossenen Augen da.
‚Was
zur Hölle machst Du da, Dana?'
Heftig
drehte sie ihren Kopf herum. Das Foto von Melissa sah sie von der Kommode her
an. Ihr Blick glitt vom anklagenden Ausdruck ihrer Schwester weg und
automatisch suchten ihre Augen das Bild von Mulder, dann das von Emily.
Sie
atmete schnell ein. Noch nicht einmal ein Foto hatte sie von Liam. Der Umschlag
mit allem war in Mulders Tasche gewesen. Die medizinischen Berichte. Das
Neugeborenenfoto. Die Kamera. Alles.
Die
Trauer, die sie so gut aus ihren Gefühlen verdrängt hatte, verbrannte sie.
Was
zur Hölle machte sie da? Sie saß hier, unfähig zu glauben, daß er gegangen war.
Hatte
er so empfunden, als sie im Januar gegangen war?
Kein
Wunder, daß er ihr niemals vergeben hatte.
Sie
preßte ihr Gesicht zurück in sein Kissen.
Was
zur Hölle machte sie? Sie würde... sie würde hier sitzen bis sie es
fertigbrachte, Skinner anzurufen und irgendwie zu erklären, was mit Mulder
geschehen war. Dann würde sie ihn nach den X-Akten fragen. Zurückgehen. Diese Teufel jagen und sie alle wegpusten.
Es
sei denn...
Scully
wollte nicht nach D.C. zurückgehen. Sie wollte Mulder und Liam folgen.
‚Dann
folge ihnen.'
Ich
kann nicht. Der Chip.
‚Schneide
ihn heraus.'
Ich
kann nicht. Wenn der Krebs zurückkommt... und Mulder... ich kann den Chip nicht
herausschneiden.
"Dann
hör auf zu sagen, Du kannst nicht und beweg Deinen Hintern, um herauszufinden,
wie Du ihn stillegen kannst. Du weißt, was Du willst. ENDLICH. Tue etwas dafür.'
Scully
sah zurück zu Melissas Foto. "Gott, Missy, ich vermisse Dich," sagte
sie laut.
Gott.
Wie
weit war sie in fünf Tagen gekommen?
Fünf
kurze Tage und sie war bereit, alles fallen zu lassen und ihnen zu folgen. Sie wollte
alles fallen lassen und ihnen folgen...
Ihm.
Ihr
Blick fiel auf das Foto von ihrer Familie. Ihre Mutter und ihr Vater lächelten
einander über die Köpfe ihrer vier Kinder hinweg zu.
Ist
es das, Mom? Ist es das, warum Du Dad durch die ganze Welt gefolgt bist?
Ihrer
Mutter gegenüber hatte sie es nie geäußert, aber sie hatte diese Art von Liebe
im Stillen immer gleichgestellt mit Schwäche. Zuviel Gefühl bedeutete Schwäche.
Starke, unabhängige, erfolgreiche Frauen geben sich nicht der Liebe hin. Immer
hatte sie geglaubt, jemanden so sehr zu lieben war eine Schwäche.
Ihn
so sehr zu lieben aber gab ihr Kraft.
Ja,
da war Liam, und ja, sie liebte ihn mit jeder Faser ihres Körpers, und ja, die
wichtigste Sache für sie beide war, ihn in Sicherheit zu haben, aber die
Wahrheit war... sie wollte Mulder. Sich auch nur eine Sekunde lang einzubilden,
sie könnte einfach ihr Leben weiterleben ohne ihn, war Wahnsinn. Er war ihr
Leben und Liam war ihr Leben und sie gehörten alle zusammen.
Sie
konnten jedoch nicht zusammensein, außer ihr fiel etwas gegen diesen verdammten
Chip ein.
Scully
ging in die Küche und stand vor der Tür des Kühlschranks. Es dauerte einen
Moment, bis sie es fertigbrachte, die Tür aufzureißen.
Die
Wanzen waren fort.
Sie
zitterte leicht und spürte, wie sich die Haare in ihrem Nacken aufrichteten.
Plötzlich hatte sie das Empfinden, daß wenn sie sich schnell herumdrehen würde,
Missy hinter ihr stehen würde. Sie wirbelte ihren Kopf herum, dann seufzte sie.
Nichts. Aber...
Sie
keuchte flach.
Auf
ihrem Schreibtisch lag die Einwegkamera und obenauf der Ring, darunter der
Umschlag, der die medizinischen Berichte enthielt.
Scully
schüttelte die Papiere auf den Schreibtisch. Griff nach dem Ring, als er begann
wegzurollen und schob ihn auf ihren Finger. Da war das Neugeborenenfoto von
Liam, sie küßte es und lehnte es dann gegen ihre Lampe.
Die
beiden transparenten PCR-Blätter von ihr und Liam lagen obenauf.
Automatisch
legte sie sie übereinander und hielt sie gegen das Licht. Natürlich hatte Mulder gewußt, daß sie sie
haben wollte. Natürlich hatte er sie dagelassen. Er dachte sich, daß sie
hierbleiben würde, die effiziente kleine Wissenschaftlerin, die sie immer war,
und Nachforschungen anstellen. Die
Stammzellenprobe überprüfen. Das alles begreifen. All die Antworten haben, wenn
er sie an irgendeinem Punkt kontaktieren müßte.
Nicht
dieses Mal. Das letzte, was sie tun wollte, war im Labor zu sitzen, während er
mit Liam ans Ende der Welt lief.
Zum
Teufel mit dem Chip. Sie würde auch gehen.
Zwischen
den beiden wäre sie in der Lage, zu begreifen, was zur Hölle zu tun war. Sie
würden beide ihren Verstand gebrauchen und sich etwas überlegen. In der
Zwischenzeit mußte sie die beiden schnell erwischen. Wie lange waren sie weg?
Eine Stunde? Zwei? Sie stopfte die Papiere zurück in den Umschlag.
Schließlich
nahm sie das Telefon, wählte seine Handynummer und betete, daß sich die Nummer
nicht geändert hatte.
Ihre
Finger verweilten auf den Transparentblättern. Mulder hatte sie nicht einfach
dagelassen, damit sie sie studieren konnte. Er wußte, daß sie ihr soviel wie
eine Fotografie bedeuteten. Tatsache war, daß sie einen Kloß im Hals fühlte,
als sie sie nun einfach ansah, die zueinander passenden DNA-Strukturen, die
ihre Augen nun rasch überprüften...
Mist.
Warum hatte sie das nicht vorher gesehen?? Das paßte definitiv nicht
zusammen... Was?
Ihr
Blick flog zum oberen Rand des zweiten Blattes. Fox William Mulder.
Männlich.
Kaukasier. Alter 36.
Für
den Bruchteil einer Sekunde fühlte sie sich schwindelig.
Aber
dann glitten ihre Augen über die Seite...
Einiges
paßte.
Einiges
nicht.
Eine
Bandansage der Mobilfunkgesellschaft drang an ihr Ohr und sie warf den Hörer
auf die Gabel.
Dann
schüttete sie den Rest der Papiere aus dem Umschlag und wühlte durch die Seiten
vor ihr, bis ihr sein Name wieder ins Auge fiel. Es waren die Schlußfolgerungen
des Labors aus dem Vaterschaftstest:
"Der
vermutliche Vater, Fox William Mulder," las sie mit ihrem Herz in der
Kehle, "wird als biologischer Vater des Kindes Liam Scully ausgeschlossen. Dem vermutlichen Vater fehlen die genetischen
Merkmale, die das Kind von seinem biologischen Vater übernimmt. Auf der
Grundlage einer ungenügenden Anzahl von Übereinstimmungen in den
Testergebnissen, die aus 21 verschiedenen DNA-Proben stammen, kann eine
Beteiligung nicht positiv bestimmt werden, deshalb liegt die Wahrscheinlichkeit
einer Vaterschaft bei 0,0%. Der hohe Prozentsatz übereinstimmender Merkmale
weist auf ein Familienmitglied als biologischem Vater hin. Genetische Tests am
Vater oder Bruder des vermutlichen Vaters werden empfohlen."
Die
Seiten glitten ihr aus den Fingern. Sie fühlte alles Blut aus ihrem Kopf
weichen und packte die Schreibtischkante fest, um stehen zu bleiben.
Oh
Gott.
Oh,
lieber Gott.
Sie
machte einen langen zitternden Atemzug.
Oh
Gott, armer Mulder... er wußte das die ganze Zeit. Warum um alles in der Welt
hatte er nur daran gedacht, das zu prüfen?
Schock,
Unglauben und Enttäuschung trafen sie hart. Sie würde alles dafür geben - ALLES
- wenn die Papiere vor ihr etwas anderes sagen würden.
Irgendeine
Verbindung zu Sam...? In Ordnung. Aber daß Liam Mulders Bruder sein könnte? Sie
sollte denken, daß es wunderbar wäre, wenn sie miteinander verwandt wären,
statt dessen war sie entsetzt.
Gott
sei Dank war Mulder nicht da und konnte ihr Gesicht nicht sehen. Deswegen hatte er es ihr nicht persönlich
gezeigt, begriff sie. Ihre Reaktion würde ihm wehgetan haben. Sehr weh. Er
hatte geahnt, was sie empfand.
Wieder
schaute sie auf die Papiere und versuchte, ihren Kummer unter Kontrolle zu
bekommen.
Siebzehn
Übereinstimmungen bei 21 Proben? Es waren die vier, die nicht übereinstimmten,
die seine Vaterschaft ausschlossen. Diese vier waren es, auf denen die
Ergebnisse des Labors basierten.
Sie
könnte seine Mutter anrufen und unter irgendeinem Vorwand eine Blutprobe
bekommen. Wenn irgendeine der DNA-Proben mit ihrer übereinstimmte, konnte
Mulder nicht sein Bruder sein. Und vielleicht könnte sie nach Marthas Vineyard
fahren. Sicherlich gab es da irgendwelche Spuren von seinem Vater, ein paar
Haare, die im Bad zurückgeblieben waren oder so etwas. Sie könnte es
herausfinden. Genau herausfinden, wessen...
Plötzlich
verschwamm die Information vor ihr, als sie ihre Tränen fortblinzelte.
Verdammt.
Warum um alles in der Welt würden sie so etwas tun? Mulder ein Baby in Aussicht
stellen, das ihres war und beinahe - aber nicht ganz - seines.
Ihre
Augen hielten wieder an den Vaterschaftsmerkmalen fest, an denen, die nicht
übereinstimmten. Dann überprüfte sie noch einmal rasch das andere Blatt.
Was
zur Hölle?
Hastig
nahm sie den Hörer ab und wählte die Nummer des Labors.
"Hier
ist Dr. Dana Scully. Ich brauche einige weiterreichende Informationen zu den
Ergebnissen eines Vaterschaftstests, der von Ihrem Labor durchgeführt wurde.
Ich muß diese Informationen sofort haben." Es dauerte nur eine Minute und
sie hatte jemanden am Hörer, der ihr helfen konnte. Und dankbarerweise hatte
Mulder ihren Namen angegeben, damit sie Zugang zu den Berichten bekam.
"Ich
verstehe, ja," sagte sie, nachdem sie der Erklärung gelauscht hatte. "Ich dachte, es wäre seltsam, daß die
vier nicht übereinstimmenden Merkmale identisch schienen. Wie groß ist die
Chance eines zufälligen Auftretens?" Sie hörte zu, dann schluckte sie
schwer. "Danke." Ihre Stimme weigerte sich, korrekt zu arbeiten und
sie schluckte noch einmal. "Danke für die Prüfung der numerischen
Längen," brachte sie heraus. "Nein, im Moment nicht. Ich bleibe in
Kontakt. Danke."
Vorsichtig
legte sie den Hörer wieder auf die Gabel.
Sie
atmete so flach, daß sie befürchtete, sie würde hyperventilieren. Plötzlich überschlugen sich ihre Gedanken so
rasant, daß sie schließlich kaum atmen konnte.
Oh
Gott.
Oh
mein Gott.
Ist
es sicher, daß die beiden Emotionen freudige Erregung und Entsetzen nicht
gleichzeitig in einer Person existieren können? Aber beide rasten gerade jetzt
durch ihre Adern.
Scully
rannte in ihr Schlafzimmer und zog sich die Shorts an, die auf einem Haufen
neben dem Bett lagen. Sie schob ihre Füße in ihre Sandalen, rannte zurück in
ihr Arbeitszimmer und stopfte die Papiere wieder in den Umschlag. Den Umschlag und die Kamera an sich nehmend,
griff sie nach ihrer Tasche und war schon aus der Tür.
Ein
leuchtend buntes Ding auf der Fußmatte vor der Tür fiel ihr ins Auge.
Liams
Binky. Sie schnappte ihn und rannte hinaus zu ihrem Auto.
Auf
der Fahrerseite blieb sie plötzlich stehen, ihre Hand einen Zentimeter vom
Türgriff entfernt. Sie flog herum. Mit Mulder und Liam irgendwo in dieser Welt
würde sie es nicht riskieren, in Stücke gerissen zu werden. Das einzige andere
Auto auf dem Parkplatz war das erlesene türkisfarbene Caddy Cabrio vom King.
Eine Sekunde später hämmerte sie an seine Tür.
Er
sah ernsthaft aus, als hätte er einen Kater.
"Ich
brauche Dein Auto. Ich bringe es bald zurück," befahl sie ihm
atemlos. Ihr verschlafener Nachbar zog
nur seinen zebrafarbenen Morgenmantel fester um sich und nickte in Richtung
Schlüssel auf dem Tisch neben der Tür. Sie schnappte sie sich und rannte davon.
Als
sie die Gasse hinunterraste, sah sie auf die Autouhr. Um sechs Autos, die an
der Ampel warteten, fuhr sie herum, dann raste sie um die Ecke, wobei sie auf
dem glatten weißen Ledersitz umherrutschte. Sie hing über dem Lenkrad und jagte
in Richtung Flughafen, der V*8 rasierte den Bordstein ab. Welche Fluglinie hatte er genannt? Delta.
Acht Minuten später traf sie am Flughafen von L.A. ein. Mit quietschenden
Bremsen hielt sie in der Halteverbotszone, zeigte einem überraschten Cop ihren
Ausweis, rannte in die Abflughalle und überprüfte die Menge. Vor einem Monitor
hielt sie an.
Flug
1025. Der einzige Flug so früh nach Dulles. Abfertigung. Ausgang 42A.
Sie
raste den Terminal entlang, hielt ihren Ausweis hoch. Augenblicklich war sie
augenblicklich beim Sicherheitsdienst. "Ein Mann mit einem Baby?"
forderte sie atemlos. Der Sicherheitsbeamte zuckte mit den Schultern.
Es
schien eine Meile bis zum Ende des Terminals zu sein und als sie den Ausgang
erreichte, war er geschlossen.
Das
Flugzeug verließ gerade seine Position.
Verdammt.
Verdammt.
Verdammt. Verdammt.
Sie
preßte ihr Gesicht gegen die Glasscheibe und sah zu, wie das mächtige Flugzeug
durch den winzigen Jeep herumgedreht wurde, dann sah sie ihm nach, bis es außer
Sichtweite war.
Langsam
ging sie zu den Telefonzellen. Sie drückte seine Nummer ein. Diese Nummer hatte
sie seit sechs Monaten nicht mehr gewählt, aber sie tat es ohne nachzudenken.
"Ruf
mich an." Ihre Stimme war atemlos. Sie atmete tief ein, um sie zu
festigen. "Ruf mich an... ruf mich an." Dann hängte sie ein.
Tatsache
war, daß er wahrscheinlich nicht zurück nach Washington gehen würde. Er würde
vermutlich direkt von hier aus untertauchen. Sein Telefon war sicherlich
verwanzt und ihres ebenfalls. Er hatte es geahnt. Wahrscheinlich war er nicht einmal in diesem
Flugzeug.
Sie
waren fort.
Auf
dem Parkplatz wartete sie, bis das 30-Minuten-Fotolabor öffnete. Wie ein Falke
beobachtete sie jede Bewegung des Technikers. Eine einzelne Träne lief ihr über
das Gesicht. Die Frau an der Kasse sah sie mitfühlend an, als sie bezahlte.
Im
Auto schaute sie schnell die Fotos durch. Sie fühlte sich beinahe krank vor
Erleichterung. Zwei perfekte von Liam. Und - wenn es gut geworden wäre - eines
mit allen drei, als sie vor der steinernen Statue des Merlion-Brunnens am
Flußufer in Singapore standen. Sie hatten es beide irgendwie geschafft, den
Touristen anzulächeln, der das Foto von ihnen gemacht hatte. Und sie sahen aus
- sie unterdrückte ein kleines Schluchzen - wie eine Familie.
Langsam
sah sie sie noch einmal durch. Die meisten waren von ihr und Liam oder von ihr
allein. Daß er all diese Fotos gemacht hatte, hatte sie nicht gewußt.
Diese
Fotos hatte er für sich gemacht.
Scully
startete das Auto und fuhr langsam zurück zu ihrem Apartment.
Adrianna
war auf dem Parkplatz und werkelte am Motor ihrer Harley herum. Sie trug schwarze Gummisachen und passende
Plateausandalen. Ihre langen Haare waren mit einem glitzernden "Ich träum
von Jeannie"-Band auf ihrem Kopf zusammengebunden.
"Hey
Dane." Sie sah von dem makellosen Chrom auf.
Scully
stieg langsam aus dem Auto. "Hey."
"Du
hast all die Aufregung verpaßt." Ihr Lächeln verschwand, als sie in
Scullys Gesicht sah.
"Welche
Aufregung?"
"Das
FBI-Bombenkommando war hier und hat Dein Auto kontrolliert. Sie haben den
ganzen Block evakuiert.
Scully
wirbelte herum und sah nach ihrem Auto.
Es
war weg.
"Es
war sauber, aber sie haben es mitgenommen."
Scully
schluckte ein Schluchzen herunter und preßte ihren Handrücken an ihren Mund.
"Oh,
nein. Der letzte Strohhalm?" fragte Adrianna mitfühlend. "Noch mehr
Ärger mit dem Fuchs?"
Scully
nickte.
"Ihr
zwei geht zusammen zurück?"
Scully
zog nur die Schultern hoch.
"Wer
schiebt hier wen ab?" Adrianna sah sie mitfühlend an.
Scully
schüttelte wieder den Kopf.
"Ohne
ihn bist Du besser dran."
Scully
schüttelte den Kopf heftiger.
Adrianna
seufzte. "Gut, wenn Du ihn wirklich behalten willst. Mein Angebot steht.
Ich halte ihn für Dich fest..."
Scullys
Lippen verzogen sich traurig. "Sie sind gegangen - für immer - vor ein
paar Stunden."
Adrianna
zog eine dramatisch nachgezogene Augenbraue hoch. "Er war einer von denen,
die das Bombenkommando beaufsichtigt haben. Er sitzt vor Deiner Wohnungstür...
Dane? Dane!"
Scully
nahm immer drei Stufen auf einmal auf dem Weg nach oben.
Auf
dem Treppenabsatz stoppte sie plötzlich. Ganz sicher. Er war da. Liam zappelnd
und unruhig in seinem Schoß. Abrupt stand er auf.
"Hey,"
sagte sie atemlos. Tränen begannen in ihren Augen zu brennen und sie biß sich
auf die Lippe. Gott, hatte sie nicht bereits genug geweint?
"Hey,"
erwiderte Mulder leise, seine Augen auf ihrem Gesicht, sein Ausdruck
vorsichtig, als er ihr das Baby übergab. Liam seufzte befriedigt und kuschelte
sich an sie. Sie senkte den Kopf und ließ ihr Haar nach vorn fallen, um ihr
Gesicht zu verdecken.
"Hey,
Liams," murmelte sie und umarmte ihn fest.
Das
Baby sah sie mit gekräuselten Augen an. "Da-da da-da-da," machte es
zufrieden und lächelte. Ein großes schönes Lächeln. Oh mein Gott, dachte sie,
ihr Blick wanderte schnell über die Form seiner Augen, seiner Augenbrauen, die
Linie seiner Wangen. Die Wahrheit hatte sie die ganze Zeit angestarrt und sie
hatte sie ignoriert. Sie umarmte Liam ein wenig fester und wagte einen Blick zu
Mulder. Er sah sie von oben bis unten an, immer noch vorsichtig. Sie bemerkte,
daß er sein T-Shirt an ihr und den Packen Fotos in ihrer Hand in sich aufnahm.
Sein Blick verweilte auf dem Umschlag mit den medizinischen Berichten, dann
wanderte er hoch, um ihre Augen zu treffen.
Sie
sagten gar nichts für ein paar unbequeme Momente und forschten nur in den Augen
des anderen.
"Wir
haben den Binky vergessen," sagte er schließlich verlegen.
Sie
nickte. Liam jonglierend, holte sie ihn aus ihrer Tasche und hielt ihn Mulder
hin.
"Keine
Chance, daß ich dumm genug bin, ohne Binky in ein Flugzeug zu steigen,"
sagte er und nahm ihn, seine Finger berührten ihre für den elektrisierenden
Bruchteil einer Sekunde. Sie legte ihre Finger wieder um Liam, um die Tatsache
zu verbergen, daß sie nicht gerade ruhig waren.
"Ich
muß ihn saubermachen," sagte er.
Wieder
nickte er.
Er
nahm ihr die Schlüssel aus der Hand, die schnelle Berührung versetzte ihrer
Haut einen weiteren Schlag und seine Augen hielten ihre für eine kurze
strahlende Sekunde fest. Dann drehte er sich rasch von ihr weg, um die
Wohnungstür aufzuschließen.
Teil
26
Mulder
verschwand in der Küche und sie ließ sich mit einem Plumps auf der Couch
nieder, Liam in ihrem Schoß. Sie steckte ihre Nase in Liams Haar und atmete den
Babyduft tief ein. Starke Erleichterung schien das Blut in ihren Adern ersetzt
zu haben.
"Hey,
Tweety," flüsterte sie ihm zu. "Hast Du mich vermißt?" Liam
griff nach ihrem Haar und versuchte, es in den Mund zu stecken.
"Da-da-da,"
sagte er, glücklich mit ihrem Haar.
Scully
lachte leise. "Ich bin Mami," sagte sie. "Ma-ma-ma. Du wirst es
früher oder später lernen müssen zu sagen. Ma-ma-ma."
Mulder
hockte sich neben die beiden und hielt den sauberen Schnuller hin.
"Hier,
Buddy," sagte er zu dem Baby und legte seine andere Hand warm auf ihr
Knie, nur ganz leicht, aber sie hatte das Gefühl, das er sich selbst damit
beruhigte, daß sie auch wirklich da war.
Liam
lachte glücklich, als er seinen Nuckel sah, nahm ihn geschickt aus Mulders Hand
und versuchte, ihn in den Mund zu stecken. Der Nuckel fiel herunter und Liams
Gesicht fiel zusammen, fertig zum Schreien.
Scully
hob ihn auf und steckte ihn in seinen Mund. "Hier ist er."
Er
begann, kräftig zu nuckeln, seine Augen schlossen sich ein wenig in
offensichtlichem Genuß und er entspannte sich in ihren Armen. Sie drehte sich
zu Mulder.
Er
beobachtete sie, nicht das Baby.
"Sieh
ihn an, Mulder. Er ist süchtig nach diesem Ding."
Mulder
nickte, immer noch ohne das Baby anzusehen.
"Verkaufen
sie keine Binkies am Flughafen?"
"Nicht
den, den wir brauchten." Er neigte seinen Kopf ein wenig und atmete tief
ein. "Scully... ich bin zurückgekommen, um Dich anzuflehen."
Sie
wartete.
"Liam
nehmen und irgendwo hingehen ohne Dich? Das wird einfach nicht passieren. Ich
wünschte, ich könnte sagen, daß ich weiß, was wir wegen dem Chip machen können.
Ich weiß es nicht. Es ist möglich, daß die Wanzen irgend etwas damit zu tun
haben, daß sie Sender oder Empfänger oder irgend etwas sind und daß sie ein
paar Zentimeter von Deinem Nacken entfernt sein müssen. Deshalb habe ich sie
hier herausgebracht. Ich habe sie per Expreß in ein Labor nach D.C. bringen
lassen und wir werden sie analysieren und genau herausfinden, was sie sind.
Frohike hätte es schneller machen können, aber Langly war zu paranoid, er
wollte sie nicht bei ihnen haben."
Sie
tauschten ein kurzes Grinsen und er streichelte die nackte Haut an der
Innenseite ihres Knies ein wenig mit seinen Fingerspitzen, was sie erschauern
ließ. Sie mußte ihn auch berühren. Ihre Finger wanderten zu seinem Kiefer. Dort
spürte sie die Stoppeln seines Bartes, dann begann sie langsam die Linie seiner
unrasierten Wange nachzuzeichnen. Er drückte sein Gesicht ganz leicht gegen
ihre Finger.
"Wenn
es sich um Radiowellentechnologie handelt, können wir ihnen entkommen. Aber es
sieht mehr danach aus, daß der Chip per Satellit kontrolliert wird. In dem
Falle sind wird wir festgenagelt. Aber ich kann nicht weggehen... ich kann
nicht untertauchen... ihn mitnehmen...
irgendwohin... ohne Dich. Du mußt mit uns mitkommen. Trotz des
Chips." Er hielt inne. "Sag, daß Du mit uns gehst. Andernfalls habe
ich bereits mit Deiner hochgewachsenen Nachbarin von unten abgemacht, daß sie
mir hilft, Dich zu fesseln."
Ihre
Finger beendeten die Verfolgung seiner Kinnlinie, dann strichen sie über seine
Oberlippe. "Du hast das gehört?"
Seine
Lippen bewegten sich ein wenig und ihr Finger zeichnete die Rundung nach. Er
preßte seine Lippen an ihren Finger. "Super-Gehör. Entweder Du kommst mit
uns oder wir bleiben hier." Sie liebkoste seine Lippe ein letztes Mal
sehnsüchtig, dann ließ sie ihre Hand sinken und legte ihre Finger um seine Hand
auf ihrem Bein.
"Ich
komme mit," sagte sie leise.
Er
atmete heftig aus. Der angespannte Ausdruck auf seinem Gesicht wich einem
Ausdruck von Erleichterung und Hoffnung. Er lehnte sich zu ihr. "Hast Du
etwas über den Chip herausgefunden?"
Natürlich
glaubte er, daß sie irgendeinen Beweis hatte, der nachwies, daß es sicher sein
würde.
Ganz
leicht schüttelte sie den Kopf und ihre Finger bedeckten die Narbe in ihrem
Nacken.
Seine
Augen bewegten sich rasch, um ihrer Hand zu folgen. Er stand auf und schob ihr
Haar von ihrer Schulter, dann nahm er ihre Hand beiseite. Er machte ein
ungläubiges Geräusch.
Scully
reckte ihren Hals, um etwas zu sehen. Da war Blut auf dem T-Shirt. "Scuh-leee," hauchte er kaum wahrnehmbar
ihren Namen, seine Stimme voller Angst. Er schob den Halsausschnitt des
T-Shirts weg und entdeckte nur die kleine Wunde, die sie sich in der Nacht
zuvor zugefügt hatte.
"Ich
habe darüber nachgedacht," sagte sie, ihre Stimme schwach.
Er
runzelte die Stirn, sein Daumen strich zart über den Schorf an der Wunde.
Scully
rieb ihre Wange an seinem Handrücken. "Ich habe es Dir versprochen,"
erinnerte sie ihn.
Mulder
sah so aus, als wollte er etwas sagen, aber dann zuckten seine Wimpern und er
gebot sich selbst Einhalt. Er sah erleichtert aus, aber er war noch
durcheinander, als er sich auf den Rand der Couch neben sie setzte.
"Scully... Du wußtest, daß ich nicht von Dir weggehen konnte, nachdem was
Du mir gesagt hast, nicht wahr?"
Sie
drückte ihre Zähne in ihre Lippe. Seine Augen verweilten auf ihrem Mund, dann
bewegten sie sich nach oben zu ihren Augen. Fragend zog er die Augenbrauen
hoch, als sie nicht antwortete.
Erst
schüttelte sie den Kopf, dann nickte sie.
In
einer Sekunde saßen sie noch dreißig Zentimeter voneinander entfernt und in der
nächsten drückten sie sich eng aneinander. Das ist es, dachte sie. Ich werde keinen von Euch jemals wieder gehen
lassen.
"Zerdrück
ihn nicht, Scully."
"Das
tue ich nicht."
"Wir
haben es nicht einmal bis zum Flughafen geschafft, nicht wahr Liam?" Das
Baby machte ein fröhliches blubberndes Geräusch, als Mulder sie alle drei
bequemer hinsetzte. "Hörst Du das? Er sagt nein," sagte er stolz.
"Wir sind einfach hier herumgelaufen und haben versucht herauszufinden,
was zur Hölle wir tun sollen." Er war einen Moment still, als er in ihren
Augen forschte, dann lächelte er sie ein wenig an. "Wußtest Du, daß es
einen 24-h-Tattoo-Shop unten am Strand gibt?"
"Mulder,
Du hast doch nicht etwa," protestierte sie ahnungsvoll. Typisch Mulder, zu
versuchen, sie aufzumuntern. Sie wußten beide, die Chancen für sie, vollkommen
zu entkommen mit dem Chip in ihrem Nacken waren eine Vermutung. Eine extreme
Vermutung.
"Liam
und ich haben darüber nachgedacht. Er wollte ein großes ‚Ich liebe Mama' direkt
auf seinem Po. Und ich war in einer wirklich sentimentalen Stimmung... da gab
es eins mit Herzen und Liebespfeilen..." Er verstummte und sein Ausdruck
wurde ernst. "Scully. Ich war nicht in der Lage, an etwas anderes zu
denken, seit Du es mir erzählt hast." Und sie wußte, er meinte nicht das
Tattoo. "Ich habe nachgedacht," fuhr er langsam fort, sein Ausdruck
wurde plötzlich unglaublich ernst. "Wenn Du es wirklich entfernen willst -
wenn Du glaubst, Du mußt es tun - wir haben Liams Stammzellen. Die Wahrscheinlichkeit
ist groß, daß Du sie verträgst, wenn Du sie bekommst. Wenn Du es tust und Dein Krebs kommt zurück,
ist es möglich, daß wir ihn bekämpfen können, wenn wir die Stammzellen
benutzen?"
Die
Besorgnis in seiner Stimme machte sie so flach und rauh, daß sie schwer
schluckte, um sich zu räuspern. Sie fand seine Hand. Seine Finger legten sich
um ihre und drückten sie fest. Das würde sie ihm nicht antun. "Mulder," sagte sie leise und
schüttelte den Kopf. "Im Moment lassen wir ihn drin."
Mulder
nickte. Die absolute Erleichterung auf seinem Gesicht ließ sie erkennen, daß
sie immer noch den Tränen nahe war. Plötzlich senkte er plötzlich den Kopf und
preßte sein Gesicht an ihren Hals.
"Ich
bin froh, daß du zurückgekommen bist," flüsterte sie ihm ins Ohr und
schloß für einen Moment ihre Augen, atmete den Duft seiner Haut ein. Ihr Herz
begann ein wenig zu schnell zu schlagen. Es fiel ihr sehr schwer, diese Sache
zur Sprache zu bringen...
"Ich
äh... ich habe den Test gelesen," sagte sie leise.
Er
drehte seinen Kopf herum und sah ihr in die Augen.
"Ich
dachte mir, daß du das hast." Er nickte, sein Ausdruck wehmütig.
"Dicht
dran. Hmm?"
Danke,
lieber Gott, schickte sie ein kleines Gebet gen Himmel, daß Du mich die
Berichte hast sehen lassen, ohne daß er da war, um mich zu sehen... aber irgend etwas mußte in ihrem Ausdruck
gewesen sein, denn plötzlich entzog er ihr seine Hand, schloß seine Augen und
rieb sie sich hart.
"Wir
haben nichts von Samantha für einen genetischen Test. Oder von meinem
Vater." Sie hörte ihn schwer schlucken.
"Da
muß irgendeine Spur in seinem Haus sein," sagte sie ihm. "Und ich
wette, Deine Mutter hat einiges von Samantha, woran Du nicht gedacht
hast."
"Vielleicht,"
gab er zu und rückte von ihr weg. Abrupt stand er auf, ging hinüber zum Kamin
und stützte eine Hand auf die Umrandung, sein Gesicht abgewandt. Sie sah auf
Liam hinab wegen einer Eingebung. Seine Augen schlossen sich langsam, während
er glücklich an seinem Binky nuckelte.
Bequem in ihre Armbeuge gekuschelt würde er in einer Minute
eingeschlafen sein.
"Vielleicht
einen Milchzahn in ihrem Schmuckkasten?" Sie sah zurück zu Mulder. Er
beobachtete sie von der Seite mit elenden Augen. Der Ausdruck darin zog ihr das
Herz zusammen. Mulder wollte noch weniger Liams Bruder sein als sie es wollte,
erkannte sie. "Mulder," sagte sie sanft. "Ich glaube nicht, daß
wir ihre DNA brauchen."
"Warum
nicht?"
Sie
antwortete nicht direkt. "War das die dritte Sache, die Du mir nicht
erzählt hast?"
"Ich
hatte gehofft, Du hättest nicht mitgezählt." Er sah sie an, dann seufzte
er. "Warum nicht ihre DNA? Willst Du es nicht wissen? Ich will es auch
nicht wissen."
"War
es das, weswegen der DNA-Test einen ganzen Monat gedauert hat, obwohl er auch
in zehn Tagen hätte gemacht werden können?"
Noch
einmal sah er sie an.
"Nur
weil ich Dich nicht darauf anspreche, bedeutet das nicht, daß ich nicht genau
weiß, wenn Du mir etwas verschweigst, Mulder."
Er
nickte, sein Ausdruck bitter. "Es hat so lange gedauert, weil sie nicht
herausfinden konnten, warum die Ergebnisse nicht schlüssig waren. Bei den
ersten vier Vergleichen bin ich zweimal ausgeschieden und zweimal gab es eine
Übereinstimmung. Fünfzig zu fünfzig. Also haben sie einen neuen Test gemacht
und es gab Übereinstimmung in allen Bereichen. Und dann noch einen und ich
schied aus. Glaube mir, Scully, ich bin alle Möglichkeiten durchgegangen. Sam
konnte zweifelsohne genug männliche Kinder haben, um etwas... beizutragen. Und
dann sind da noch Cousinen, Onkel, sogar der Große Onkel Moe von Staten Island,
er war ein richtiger Ladykiller." Er zuckte mit den Schultern.
"Also... er ist nicht von mir. Ich bedaure das," sagte er ruhig, aber
er blinzelte und senkte seine Lider, verbarg seine Augen vor ihr. "Aber er
ist mit mir verwandt. Und ich liebe ihn, als wäre er mein eigenes Kind. Das
wäre auch so, wenn wir nicht verwandt wären. Er ist Dein Kind. Und ich habe ihn
dafür geliebt von dem Moment an... von dem Moment, als ich erkannte, daß ich
ihn liebe," schloß er ein bißchen lahm, seine Augen immer noch auf dem Baby.
Warum
war es so verdammt schwer? Sie wollte einfach herausstoßen, was sie
herausgefunden hatte, aber... auf einmal schien es keine gute Idee mehr zu
sein. Die Theorie, die Sinn machte, als sie daran gearbeitet hatte auf ihrer
wilden Fahrt zum Flughafen, schien nun bestenfalls ein Sprung. Und Sprünge
waren nicht ihre normale Theorie. Aber... sie beobachtete, wie Elend in den
Tiefen seiner Augen aufflackerte... sie würde alles tun, um diesen Ausdruck aus
seinem Gesicht auszulöschen.
Sie
placierte Liam in ihrem Schoß. "Mulder, laß uns miteinander
schlafen."
Überrascht
sah er sie an, dann zog er seine Augen ein wenig zusammen und lächelte ein
trauriges Lächeln.
"Scully.
Warum habe ich plötzlich den Verdacht, Du hast mir etwas zu sagen und kannst es
nicht herauslassen." Sie nickte halb. "Fang an. Sag es mir."
Scully
öffnete ihren Mund und schloß ihn wieder. "Hier. Gib mir seinen Sitz. Er
ist am Einschlafen. Ich werde ihn hineinlegen."
Mulder
brachte ihr den Sitz, half ihr Liam hineinzulegen, dann forschte er in ihren
Augen. "Du hast es herausgefunden, nicht wahr? Aus dem, was wir hier
haben, hast Du herausgefunden, wer sein Vater ist." Seine Stimme war
voller widerwilligem Erstaunen. Er leckte seine Unterlippe und auf einmal sah
er ganz unsicher aus. "Wo? Im Schlafzimmer oder gleich hier?" Sie
lächelte ihn ein wenig an und klopfte auf die Couch neben sich.
Seufzend
ließ er sich neben ihr auf dem Rand der Couch nieder. "Ich bin bereit.
Erzähl es mir einfach. Was hast Du in den Berichten gefunden?"
Die
Berichte. Sie sicherten sie ab.
"Mulder,"
sagte sie und zog die Transparentblätter aus dem Umschlag. Sie lächelte ein
bißchen nervös und atmete tief ein. "Dies war ausdrücklich ein
Vaterschaftstest. Das Labor prüfte nur eine Sache. Die Übereinstimmung Deiner
DNA mit Liams in allen Proben. Vier von einundzwanzig hatten keine
Übereinstimmung."
"Richtig...
und das bedeutet..."
Sie
hob eine Hand. "Richtig. Laß mich ausreden."
Er
nickte langsam.
Scully
sah auf das Blatt herab und fühlte sich auf einmal ein bißchen sicherer.
"Was,
wenn..." Sie hielt inne. "Was, wenn ihre ersten Experimente - die des
Konsortiums - mit..." Sie stotterte ein wenig bei dem Wort, "...
Hybriden katastrophale Ergebnisse hatten? Was, wenn fünfzig Prozent
menschliches Zellgewebe und fünfzig Prozent..." Sie schwenkte ihre Hand
vage in den Himmel, "... nicht funktionierten?"
Er
nickte, seine Stirn gekraust.
"Erinnerst
Du Dich an die Männer, von denen ich Dir erzählte, daß ich sie in der Hansen
Forschungseinrichtung gesehen habe?"
Er
nickte wieder, ein wenig Mißbilligung bedeckte sein Gesicht.
"Mulder,
was wenn... es keine halb und halb Hybriden sein können, was wenn... der
prozentuale Anteil menschlichen genetischen Materials höher sein muß? Sagen
wir... achtzig zu zwanzig? Oder sogar neunzig zu zehn Prozent - oder höher - um
normale menschliche Eigenschaften zu bewahren?"
Er
runzelte immer noch die Stirn, aber nun war ein Hauch von Erwartung in seinem
Ausdruck.
Sie
hielt die Seite hoch. "Sieh Dir diese DNA-Fragmente an, die nicht mit
Deinen übereinstimmen. Sehen sie nicht alle gleich aus? Ich habe das Labor
angerufen. Diese Zahl zeigt ihre exakte Länge. Sie sind alle 8,05 cm lang. Ihr Finger glitt die Seite herunter.
"Alle 8,05 cm." Sie sah ihn an. "Ich kann nicht glauben, daß das
Labor das nicht bemerkt hat. Sie konnten es auch nicht."
"Aber..."
"Diskutiere
nicht mit mir, Mulder. Das macht vollkommen Sinn."
"Ich
diskutiere nicht mit Dir. Ich denke, ich sehe... einfach nicht...
Was?"
"Wenn
das normale DNA wäre, hätten diese vier Genfragmente alle unterschiedliche
Längen. Statt dessen haben sie alle die gleiche Länge. Sie sind identisch. Die
Wahrscheinlichkeit, daß das in der Natur vorkommt ist gleich Null. Und
sieh..." Sie tippte auf die Tabelle. "Wir haben mehr Informationen
von Liam als von Dir. Hier," zeigte sie. "Und hier, Und hier? Siehst Du? Alle die gleiche
Stranglänge."
Er
sah auf die Markierungen, auf die sie zeigte und konzentrierte sich fest.
"Was
wenn..." fuhr sie fort, "diese Markierungen nicht nur nicht Deine DNA
sind.
Wenn es keine menschliche DNA ist? Und vielleicht..." Sie zuckte die
Schultern und begann zu zittern. "...vielleicht ist es überhaupt keine
DNA."
Mulder
kniff die Augen ein wenig zusammen, als er das in sich aufnahm. "Also...?" Er beugte sich plötzlich
nach vorn und nahm ihr die Blätter aus der Hand. "Du kannst beweisen, daß
Liam ein Hybrid ist? Ich war wegen der DNA-Ergebnisse der Mulderfamilie so
sicher, daß er keiner ist. Ist er einer? Sehe ich das hier? Außerirdische
DNA?"
"Das
habe ich nicht gesagt. Ich glaube, es muß irgendeine künstlich geschaffene DNA
sein - ein Material, das in die Kette eingefügt werden kann und wie menschliche
DNA arbeitet."
"Ist
das möglich?"
"Nun...
theoretisch."
"Und
die Zellen müssen im menschlichen Körper wachsen?"
Ihre
Augen wanderten zu Liam. Er war ein Wunder. Vielleicht ein Teil... sie wußte so
gut wie Mulder, was für ein Teil möglicherweise. Tief einatmend schloß sie ihre
Augen, sie mußte diesen Teil noch nicht völlig begreifen.
"Du
weißt, was das ist, Scully. Du willst es nur nicht zugeben. Welche Zelle? In
Deiner Eizelle? Oh, Scully." Er nahm ihre Hand und rieb sie. "Kommst Du klar damit?"
Das
Gefühl irritierte sie mehr als daß es sie tröstete und sie zog ihre Hand weg.
Er ergriff sie wieder und hielt sie fest. "Antworte mir, Scully. Geht es Dir gut?"
Scully
atmete noch einmal tief ein und dann langsam wieder aus, bevor sie die Augen
öffnete und ihn ansah.
Mulder
starrte sie an, sein Gesichtsausdruck war erregt, voller Sorge und noch ein
bißchen verwirrt. Er war ihren Gedanken nicht gefolgt.
"Ehrlich,
Mulder? Ich habe es noch nicht ganz verarbeitet. DNA? Sie bildet Blöcke. Aber
sie ist nicht für uns bestimmt."
Er
nickte und verstand.
Ihre
Augen glitten zu Liam. Sie konnte das nicht tun. Ihren Kopf neigend zeigte sie
mit den Augen in Richtung Schlafzimmer. "Letzte Chance."
Mulder
lächelte nicht einmal. "Da ist noch mehr?"
Er
ergriff ihre Hand und hielt sie fest.
Sie
nickte.
"Verstehst
Du es?" fragte er leise. Sie starrten einander an und schließlich nickte
sie wieder. "Sag es mir jetzt," forderte er sie auf.
"Dem
entsprechend," fuhr sie langsam fort, ohne ihre Augen von seinen zu
nehmen, "wurde nur das genetische Material der Elternzellen
beeinflußt. Wahrscheinlich Samenzellen,
das wäre am einfachsten. Weil die Chromosomen bereits geteilt wären." Er
nickte, seine Augen immer noch fragend. "Und weil der Rest der
Markierungen exakt mit Deinen übereinstimmt... muß es Deins sein. Deins,"
wiederholte sie sanft. "Deine Samenzellen. Das ist nur eine kleine Probe,
aber..."
Er
sagte gar nichts, starrte sie nur an, seine Brauen gerunzelt, sein Gesicht
wurde mit jeder Sekunde blasser. Als sie in sein Gesicht sah, verstummte sie.
"Also,"
sagte er, seine Augen hielten ihre fest, als wären sie so etwas wie eine
Rettungsleine. "Laß mich sehen, ob ich das richtig verstanden habe:
Die
DNA in meinem Sperma..." - sie nickte - "... hat sich mit irgendeiner
Sorte anderen Materials, die Du ablehnst als außerirdisch zu
bezeichnen..."
sie
nickte wieder - "... künstlich verbunden. Und weiter mit einer Eizelle von
Dir... Liam erschaffen. Bist Du Dir sicher?"
War
sie sich absolut, ausdrücklich sicher?
Sie
atmete tief ein. Vielleicht...
"Ja,"
sagte sie.
Mulder
gab ein heftiges Geräusch des Unglaubens von sich.
Scully
nickte nur zitternd und blinzelte, beim Anblick seines Gesichtes, das dringende
Verlangen zu weinen zurück, atmete tief ein und fuhr fort mit ihrer Erklärung.
"Ich kann nicht sagen, daß ich weiß, um welches Material es sich handelt.
Ich weiß, was Du glaubst, was es ist. Das muß erst bewiesen werden." Sie
hielt inne und atmete noch einmal tief ein. Mulder beugte sich zu ihr, hörte
mit seinem ganzen Körper zu, seine Finger drückten ihre heftig zusammen.
"Und obwohl man durch diesen Test nicht juristisch beweisen kann, wer der
Vater ist - und sie haben nur eine relativ kleine Anzahl von Merkmalen getestet
- wenn ich darüber nachdenke, brauchen wir einen vollständigen Test von Dir und
Deiner Mutter und von allem, was wir von Deinem Vater und von Sam bekommen können.
Ich glaube, ich könnte es beweisen - gut - die Wahrscheinlichkeit auf
80%... möglicherweise 90%
erhöhen..."
Mulder
sah erstaunt aus.
"Ich
weiß nicht, wofür es diese spezifischen Gene gibt, woran sie sich zu schaffen
machen. Wegnehmen und hinzufügen von Genen ist..." Sie schüttelte den
Kopf.
Extrem
zerstörerisch, dachte sie, sagte es aber nicht laut. Oh Gott. Genetische Schäden. Emily. Ihre Augen wurden
von Liam angezogen. Er döste süß vor sich hin, ungeachtet der Wahrheit, die sie
gerade über ihn erfahren hatten. Sie hielt ihre Augen fest geschlossen. Bitte
lieber Gott... laß ihn in Ordnung sein. Und wenn irgend etwas nicht in Ordnung
ist, laß mich wissen, was es ist. Bitte.
Ihre
Augen flogen auf.
"Mulder,
wir müssen exakt herausfinden, wofür diese Gene da sind. Natürlich, nicht alle Gene sind identifiziert
worden, aber eine Menge, und wir können es herausfinden..." Sie brach ab,
ihre Gedanken überschlugen sich, als sie durch ihren Kopf rasten.
Er
sah auf den Ring an ihrer Hand, drehte ihn um ihren Finger.
"Und
alle männlich bestimmten Eigenschaften," fuhr sie fort. "Ich frage
mich, was um alles in der Welt..."
Er
sah auf und ihre Blicke trafen sich.
Ihre
überstürzt dahineilenden Gedanken hielten plötzlich an angesichts des Ausdrucks
in seinen Augen.
Ohne
darüber nachzudenken, hatte sie den Ring auf denselben Finger ihrer linken Hand
geschoben. Aber nun war er da. Schweigend ihre Bindung an ihn proklamierend.
Sie hatte vermutet, daß er ihn deshalb dagelassen hatte, aber als sie sein
Gesicht beobachtete, hatte sie keine Ahnung, worüber er nachdachte, als er auf
ihren Finger sah. Hatte er erkannt, daß ihre Bindung an ihn schon lange vorher
dagewesen war? Sich still und stetig aufgebaut hatte über die letzten fünf
Jahre, als sie nach dem gesucht hatten, was sie nun in ihrer Hand hielten.
Seine Augen stellten ihr eine Frage. Sie nickte und wartete, aber er sagte
nichts. Dann drehte sie ihre Hand herum und nahm sanft seine Finger.
"Mulder,
es ist ein Beweis," sagte sie leise.
"Ist
es das?" fragte er ein bißchen abgelenkt.
"Er
ist es. Das." Sie hob die Ergebnisse hoch und schwenkte sie.
"Oh.
Das hier auch," sagte er leise und sah zurück auf den Ring. "'Mo
Ghradh. Meine Liebe'."
"Was?"
fragte sie spitz.
"Die
Inschrift. Das ist gälisch."
"Oh-hh."
Sie wußte, daß es irgend etwas einfaches und schönes und wundervolles sein
mußte. Und es hatte die wirklichen Isobel und Liam für immer miteinander
verbunden. "So spricht man es also aus."
Mittlerweile
hatten sie die DNA-Ergebnisse vor sich, die dasselbe taten.
"Der
Ring ist wunderschön, Mulder. Ich liebe ihn. Ich habe es vermißt, ihn zu
tragen. Danke."
Mulder
sah auf und traf ihre Augen und sie war ein bißchen erschrocken über den
Ausdruck in seinen. Ein sehr starkes Gefühl hatte ihn ergriffen. Staunen, Erregung, Liebe... Sie nickte ein
wenig, unsicher darüber, ob sie mit dem, was sie in seinen Augen sah in diesem
Moment umgehen konnte. Ihr Adrenalinspiegel stieg plötzlich an.
"Ich
weiß, Scully. Ich weiß, er ist wahrscheinlich die Antwort auf all die Fragen,
denen ich in den letzten ich weiß nicht wieviel Jahren nachgejagt bin. Ich habe
es gewußt, seit ich vor langer Zeit seinen Inkubator in San Diego in der Hand
hielt."
"Die
Antworten, nach denen wir gesucht haben, Mulder."
Er
forschte einen sehr langen Augenblick in ihren Augen. "Nicht in den
letzten sechs Monaten," sagte er.
"Nein,
und wie es sich anhört, Du auch nicht," sagte sie, verärgert darüber, daß
sich ein winziger Hauch von Verteidigung in ihre Stimme geschlichen hatte.
"Ich
meinte mich," sagte er.
Sie
starrten einander an.
"Mulder,"
sagte sie ein wenig atemlos. "Du lebtest und atmetest so lange für diese
Suche... haßtest diese Männer, warst entschlossen zu gewinnen. Und nun haben wir etwas, ich bin mir nicht
sicher was, aber etwas haben wir. Was sagst Du dazu?"
"Es
geht nicht um den Beweis, es geht um uns." Er hob ihre verschränkten
Hände, er trug seinen Ring auch noch.
"Nein,"
sagte sie leise, immer noch gefesselt von dem Ausdruck in seinen Augen. Er zog ein
wenig an ihrer Hand und zog sie enger an sich heran. Sie kämpfte das Verlangen
nieder, aufzustehen und loszurennen.
"Was
meinst Du mit nein, Scully?" fragte er leise, einen warnenden Ton in
seiner Stimme.
"Ich
meinte nicht nein."
"Du
hast gesagt nein."
"Ich
meinte nicht nein. Ich meinte, es geht nicht um diesen Teil von uns... Ich meine, wenn wir diese Gene studieren, uns
darauf konzentrieren, können wir vielleicht den letzten Beweis für das finden,
wonach wir so lange gesucht haben. Das ist es, Mulder, wir haben es
gefunden."
"Nur
weil ich den physischen DNA-Beweis in meinen Händen halte, bedeutet das nicht,
daß ich mehr damit anfangen kann als vorher."
"Warum?
Wir können diese Information zurückverfolgen, wir können es herausfinden. Exakt
herausfinden, was sie tun. Exakt herausfinden, welche Eigenschaften sie
manipulieren..."
"Warum,
Scully? Damit Liam auf den Titelseiten des Enquirer oder der Weekly World News
ist. ‚FBI-Agenten haben Retorten-Alien-Baby'. Ist es das, was Du willst? Es
würde ihn sein ganzes Leben verfolgen. Und niemand würde es glauben. Und Du
hast selbst gesagt, daß es alles nach künstlich hergestellter DNA aussieht. Es
ist ein Beweis für mich, Scully. Für mich allein. Nicht für die Welt. Und nicht
einmal für Dich. Ich kann nicht glauben, daß Du es einen Beweis nennst, weil Du
es eine Minute vorher nicht einmal zugeben wolltest."
"Mulder,
es ist ein Beweis."
Er
sah sie ärgerlich an. "Hör auf, mich so mißbilligend anzusehen und komm
her." Er zog sie an sich und sie legte ihre Kopf mit einem kleinen Seufzer
an seine Brust. "Scuh-lee," sagte er leise. Sein Atem wärmte ihre
Stirn. "Er ist kein Beweis. Er ist
ein Baby. Deins und meins. Ist das nicht wunderbar? Ist das nicht wunderbar, was
du mir gerade erzählt hast? Unser. Laß
ihn uns so sehen. Als ein Baby. Als unser Baby." Er streichelte ihre
Schulter. "Scully, überleg doch mal. Warum hätten sie uns das Baby geben
sollen, wenn es ein Beweis wäre, den wir gegen sie benutzen könnten. Ich habe
eine Menge darüber nachgedacht, seit wir mit ihm von dort weg sind."
Sie
schob ihre Finger unter sein T-Shirt und streichelte seinen Rücken.
"Ich
habe auch eine Menge darüber nachgedacht, Mulder."
"Was
ist, wenn sie ihn uns gegeben haben, weil er ein Beweis ist?"
Sie
neigte ihren Kopf, so daß sie ihn sehen konnte. Er saß nicht still, seine Hände
streichelten ihre Arme in langen Zügen. Er war voller nervöser Energie.
Seine
Augen fielen auf ihren Mund. "Hey, Scully," hauchte er. "Ich
habe
Dich
vermißt"
Sie
keuchte ein wenig, als seine Hände plötzlich über ihre Schultern und in ihr
Haar glitten. Er beugte ihre Kopf nach hinten, lehnte sich herab und gab ihr
einen langen langsamen tiefen Kuß.
"Mulder,"
sagte sie ein wenig atemlos, als sein Mund ihren losließ und sich langsam über
ihre Wange zu ihrem Ohr bewegte, "was tust Du?" Er antwortete nicht,
knabberte nur an ihrem Ohrläppchen, dann senkte er seinen Kopf und küßte die
Kerbe an ihrem Hals. Sie versuchte, das Gefühl seines Mundes, der ihren Hals
schmeckte, auszublenden und sich auf seine letzten Worte zu konzentrieren.
"Zuerst,"
sagte er zwischen den Küssen, "glaubte ich, es war, weil er ein Hindernis
auf unserem Weg sein könnte. Eine Drohung, um uns in Schach zu halten, wenn wir
ihnen zu nahe kommen. Um uns zusammenzuhalten. Um uns niederzuhalten."
"Mmmph."
Sie neigte ihren Kopf noch mehr, um ihm mehr Zugang zu ermöglichen. Aber er
hörte auf und hob seinen Kopf, um ihr in die Augen zu sehen.
"Aber
dann erkannte ich, daß sie ihn uns gaben, um unsere ganze Suche mit einem
Kreischen zum Halten zu bringen. Scully, siehst Du das nicht? Sie gewinnen. Sie
haben es mir schließlich bewiesen. Sie sind schlauer. Sie können außerirdische
DNA in ein Kind hineinkonstruieren. Mein Kind. Unser Kind. Und sagen ‚Hier ist
es. Genau das, was Du wolltest: Der Beweis. Der Beweis auf einem silbernen
Tablett.' Der Beweis für außerirdische Existenz. Der Beweis für die Beteiligung dieser Männer.
Aber eingehüllt in ein Bündel, das dazu bestimmt ist, unser Leben - unser
beider Leben - für immer zu verändern. Ich dachte mir, daß sie schlau genug
sind, zu erkennen, daß ich Dein Kind so lieben würde wie mein eigenes. Sie
wissen, daß wir ihn nicht gefährden werden. Sie wissen, daß wir aufhören
werden. Nun?" fragte er. "Habe ich recht?"
"Du
glaubst, sie haben gewonnen? Und wir nehmen ihn als eine Art Bestechung, um
aufzuhören?" Ihre Stimme klang ungläubig.
"Eine
Bestechung oder ein Trostpreis oder etwas... was auch immer. Ich nehme es
an."
"Und
nun nehmen wir ihn und tauchen unter? Dann tun wir genau das, was sie wollen,
Mulder. Der Krebskandidat und seine Kumpane werden sich schief lachen über
uns."
"Eine
Sache zählt hier. Eine Sache. Und wir kriegen ihn, Scully."
"Ich
weiß... aber was ist...?" Seine Hand glitt unter ihr T-Shirt und knetete
das weiche Fleisch ihrer Brust. Sein Mund wanderte über das T-Shirt und erfaßte
ihre Brustwarze durch den Stoff. Sie hatte keine Ahnung, was sie gerade sagen
wollte. "Mulder," murmelte sie. "Halt an. Wie kannst Du von mir
erwarten, daß ich nachdenke, wenn Du das tust? Ich war dabei, es zu begreifen.
Die Teile fügen sich zusammen. Ich werde es vergessen... und..."
Er
hob seinen Kopf, um ihr eine Kuß auf die Lippen zu drücken, seine Augen waren
ein wenig geschlossen, als er an ihren Lippen murmelte, "Du? Vergessen? Niemals. Laß Dein Unterbewußtsein
eine Minute daran arbeiten."
Dann
senkte sich sein Mund wieder zu ihren Rippen.
Scully
ließ ihre Fingerspitzen über seinen Rücken gleiten, spürte seine mageren Rippen
und versuchte, sich zu konzentrieren. "Mulder, ich kaufe Dir diese Theorie
nicht ab. Ich glaube, Du hast unrecht. Eine Drohung? Vielleicht. Aber ein Trostpreis?? Er ist ein
Geschenk. Ein Wunder. Ich glaube..." Seine Lippen glitten über ihre Rippen
und sie unterdrückte ein Stöhnen. "Hör auf damit," sagte sie und
packte ihn bei den Haaren und sein Mund hielt an. "Hör mir zu. Ich glaube,
daß irgend jemand im Konsortium auf unserer Seite ist. Oder wenigstens will,
daß wir wieder zusammen sind. Wir sind ein beeindruckendes Team gegen sie
zusammen - aber nicht getrennt. Getrennt
kann keiner von uns etwas tun. Ja, irgend jemand möchte, daß wir einen Beweis
haben. Irgend jemand möchte, daß wir begreifen, was vor sich geht. Irgend
jemand von denen will, daß wir sie bloßstellen. Sie haben das Baby
herausgegeben, damit wir es finden, damit Du es findest. Und es zu mir bringst,
damit ich zu Dir zurückkomme."
Sein
Mund begann sich wieder zu bewegen. "Vielleicht," murmelte er. Sein
Ton klang, als wäre er leicht interessiert und schließlich gewillt, sich ihrer Theorie
anzuschließen, aber er war mehr daran interessiert, das empfindliche Fleisch an
ihrem Bäuchlein zu necken. Auf einmal schien er zu registrieren, was sie sagte
und seine Hände und sein Mund machten eine Pause. "Scully," sagte er
leise. "Willst Du damit sagen, wir würden ohne Liam nicht wieder zusammen
sein?"
Sie
antwortete nicht.
Er
hörte auf und hob seinen Kopf.
Eine
Hand war auf ihrer Brust unter ihrem T-Shirt, die Finger der anderen Hand
steckten in dem Bund ihrer Shorts. Sein Mund stand offen, als er den Atem
einzog. Der Ausdruck in seinen Augen hätte genauso benommen sein können, wie
der Ausdruck, der, wie sie sich sicher war, auch in ihren war. Statt dessen waren seine Augen so klar, wie
sie sie nie gesehen hatte. Er sah sie fragend an.
Sie
hatte keine Antwort.
"Will
ich die Antwort darauf wirklich wissen?" Er senkte seinen Blick auf ihren
Mund und leckte sich die Lippen. Sie tat es ihm nach.
"Mulder...
warum hast Du überhaupt daran gedacht, Deine DNA zu testen?"
Er
sah sie nicht an, starrte nur auf ihren Mund. "Wunschdenken," sagte
er leise, dann hob er seine Augen und hielt ihre fest. "Und als ich ihn
das erste Mal sah, sah mir Charlotta in die Augen und sagte, er sieht aus wie
ich. Und ich dachte: warum nicht?"
Sie
zog die Augenbrauen hoch. Charlotta hatte ihm einen wichtigen Hinweis gegeben.
Hatte er es überhaupt bemerkt?
"Das
war, bevor Du kamst, um mich zu sehen?" erkannte sie plötzlich und seufzte
erleichtert auf. "Das bedeutet, daß es nicht die Wanzen waren, die uns
verraten haben."
"Mach
Dir deshalb keine Vorwürfe, Scully. Sie wußten es."
"Ich
weiß."
"Du
warst zu lange mit mir zusammen." Und seine Stimme klang so, als würde er
es vielleicht meinen.
Plötzlich
waren seine Hände beide in ihren Haaren und er küßte sie wie wild.
Scully
stöhnte ein wenig an seinen Lippen und drückte ihn auf die Couch nieder. Ein
Knie schob sie über ihn, so daß sie über ihm kniete und ihn auf die Couch
nagelte. Als sie sich schließlich von seinem Mund löste und ihm in die Augen
sah, atmete sie schwer. Sie hielt seinen Kopf fest, ihre Finger verfingen sich
in seinem Haar. Ihre Brüste waren gegen seine Brust gepreßt, die Brustwarzen
waren hart. Ein Bein hatte sie zwischen seinen, ihr Schenkel paßte sich bequem
an die drängende Wölbung seiner Erektion an.
Ihre Haut brannte heiß, wo sie seine berührte und sie wollte all ihre
Sachen verschwinden lassen und das Gefühl seiner Haut an ihrer genießen. Aber...
"Erkennst
Du nicht, daß das herauszufinden, auch sehr wichtig für mich ist?" fragte
sie ein wenig verzweifelt. "Es ist unmöglich, es davon zu trennen, daß es
in unserem Baby ist, aber wir müssen es. Wir können es als Geheimnis bewahren.
Aber wir müssen daran arbeiten. Nicht einfach herausfinden, was immer wir tun
können, um diese Männer bloßzustellen, wir müssen es für Liam tun. Wir müssen
alles über ihn herausfinden, damit wir ihn retten können, wenn irgend etwas
passiert."
"Scully,
ich sage nicht, daß Du nicht herausfinden sollst, was zur Hölle mit seiner
genetischen Beschaffenheit los ist, aber es gibt andere Labors, andere
Hilfsmittel außerhalb des Büros, wo Du das erforschen kannst."
"Ich
verstehe Dich nicht, Mulder. Ich kann nicht glauben, daß ich das höre. Willst Du sagen, Du willst sie nicht
verfolgen, jetzt wo wir den Beweis haben? Wie kannst Du das aufgeben?" Sie
forschte in seinen Augen. So nahe konnte sie die Farbschatten in ihrem Grün
sehen. Braun und golden und grau. Sie
beobachtete, wie sich seine Pupillen zusammenzogen und sich dann ein ganz klein
wenig erweiterten, als er sie vorsichtig anstarrte.
Auf
einmal glaubte sie zu verstehen.
"Du
tust es doch nicht für mich, oder?"
Er
antwortete nicht, beobachtete sie nur.
"Du
denkst, es ist das, was ich will," sagte sie überzeugt. "Du gibst
wegen mir auf." Als er nichts sagte, fuhr sie fort. "Du denkst, ich
war glücklich, da raus zu sein. Und ich würde nicht zurückgehen wollen."
Einen langen Augenblick starrte sie ihn an und er antwortete immer noch
nicht. "Hast Du nichts von dem
gehört, was ich gesagt habe?"
Er
nickte ein wenig.
"Und
nun bist Du überzeugt, daß ich nicht mit Dir zurückgehen würde, wenn es nicht
wegen Liam wäre. Du glaubst, wenn Du ohne ihn bei mir aufgetaucht wärst, würde
ich in diesem Moment nicht auf Dir liegen."
Seine
Finger, die zart über ihre Kopfhaut gestrichen waren, hielten vollkommen still.
"Ehrlich?
Ich habe keine Antwort darauf, Mulder. Vielleicht werden wir es niemals wissen.
Aber ich kann Dir eines sagen. In diesem Frühjahr, während es mir gut ging und
ich irgendwie glücklich war und meine Angelegenheiten regelte und meine
Gesundheit wiederherstellte, war ich verdammt einsam ohne Dich. Weil es
niemanden gibt, der auch nur annähernd diesen leeren Platz in mir ausfüllen
kann, den Du mit einem Lächeln, einer vorlauten Bemerkung, einer
überschwenglich abgegebenen sinnlosen Theorie ausfüllen kannst. Und ich habe
unsere Arbeit vermißt, auch wenn sie frustrierend und gefährlich und manchmal
geradezu lächerlich ist, sie ist herausfordernd und sie ist niemals langweilig
und ich liebe sie. Ich liebe es, mit Dir zusammenzuarbeiten. Ich liebe es, Dein
Partner zu sein. Also, vielleicht solltest Du, anstatt sie für mich aufzugeben,
lieber fragen, ob ich sie für Dich aufgeben würde."
Mulder
brauchte eine lange Zeit, um zu antworten. Schließlich leckte er sich die
Lippen und fragte ein wenig heiser. "Würdest Du?"
"Ich
werde alles hinter mir lassen, einfach so, wenn es das ist, wovon Du wirklich
glaubst, daß wir es tun sollten... weil... wir haben hier etwas, das ebenso
wichtig ist, wie diese Männer zur Strecke zu bringen. Und wir könnten
wahrscheinlich eine Menge Zeit - Jahre - damit verschwenden, die wir mit ihm
verbringen könnten." Tränen traten ihr plötzlich in die Augen. "Besonders wenn... und ich möchte nicht
einmal daran denken... besonders, wenn wir nur vier oder fünf Jahre mit ihm
haben... wie Emily." Seine Augen waren plötzlich auch feucht. "Oh
Gott, Mulder. Emily." Er nickte ein ganz klein wenig. Er hatte bereits
daran gedacht, sie konnte es in seinen Augen sehen. "Ich habe ihre
Berichte hier..." Sie sah, wie sich die Muskeln an seinem Hals zusammenzogen,
als er schluckte. "Oh, Mulder." Einen Augenblick war sie still, als
sie sanft sein Ohr mit ihren Fingerspitzen streichelte und in seine Augen
starrte. "Noch etwas," sagte sie sehr leise. "Weil es niemand
anderen auf der Welt gibt, der mich so ansieht... die Art, wie Du mich gerade
ansiehst."
Seine
Augen... die Farben hatten gewechselt, als er ihr zuhörte und nun waren sie von
einem klaren kupferartigen Grün, seine Pupillen waren groß und dunkel, eine
einzelne Träne löste sich und lief an der Seite seines Gesichtes herab.
Gefesselt beobachtete sie sie.
"Ich
liebe Dich," sagte er. Seine Stimme war rauh vor Gefühlen und sein Gesicht
war so ernst... und dann lächelte er sie an, plötzlich, leuchtend,
hoffnungsvoll.
Er
räusperte sich ein wenig. "Ich liebe Dich, Scully," wiederholte er,
seine Stimme immer noch rauh, seine Augen ein winziges bißchen scheu.
Scully
beugte sich nach vorn und küßte ihn wild. Seine Arme legten sich um sie und sie
schob ihre Hände unter seinen Rücken und küßte ihn wilder.
"Es
ist nicht fair, zu versuchen, mich verwirren," hauchte sie an seinem Mund.
"Da
bin ich mir sicher," murmelte er zurück.
Gott,
er war frustrierend.
"Autsch!"
stieß er hervor. Sie hatte ihre Fingernägel in seinen Rücken gedrückt.
"Du
mußt mir all diese Dinge erzählen," sagte sie ihm grimmig, ihre Gesichter
nur ein paar Zentimeter voneinander entfernt. "Anderenfalls werde ich
wirklich sauer werden."
Er
sah sie feierlich an.
"Dinge,
wie ich sie Dir gesagt habe... und diese." Sie gestikulierte wild mit dem Kopf
in Richtung der medizinischen Berichte, die auf den Boden neben der Couch
gefallen waren. "Und Liam. Und daß Du mich liebst. Und alles! Verdammt
Mulder! Wenn Du mir diese Ergebnisse im Flugzeug auf dem Weg nach Hause gezeigt
hättest, hätte ich dieselbe Schlußfolgerung ziehen können. Du warst Dir
offensichtlich bereits sicher, daß Liam ein Teil von ..." Sie konnte es
nicht einmal zu sich selbst sagen, "... irgend etwas anderem war.
Verdammt, Du hast soviel mehr gesehen als ich. Wenn Du mir diese Dinge nur
erzählt hättest, oder ich sie auch gesehen hätte... ich hätte helfen können, es
herauszufinden. Wir könnten das ganze Konsortium wahrscheinlich schon seit
Jahren hinter Gittern haben, wenn Du mir all diese Fakten von Anfang an erzählt
hättest."
Die
letzten Worte waren an seinem Hals gemurmelt, als er sie fest umarmte.
"Wenn
Du bleiben willst, Scully, bleiben wir. Wir werden alles herausfinden. Wir
werden tun, was immer Du willst."
"Ist
es sicher?"
"Ich
weiß nicht, ob es sicher ist. Ist es sicher, mit dem Ding in Deinem Nacken
wegzugehen? Ich habe über die Bombe nachgedacht. Es scheint, daß es zu einfach
war, sie zu finden. Wenn sie mich aus dem Weg räumen wollten, hätten sie
tausend Möglichkeiten gehabt."
"Der
Faden, der sich durch all das zieht ist, daß sie Dich niemals tatsächlich
umbringen, Mulder."
"Uns.
Sie bringen uns niemals tatsächlich um."
Sie
zappelte ein bißchen, als sein Mund jedes Nervenende berührte, als er den
Bluterguß an ihren Rippen umkreiste.
"Also,
wozu sollte die Bombe gut sein? Uns zu erschrecken, so daß wir
verschwinden?"
Er
nickte. ""Ich denke ja. Wir haben uns nicht so benommen, wie sie es
erwartet haben und sie haben uns etwas zur Erinnerung geschickt."
"Wir
waren wieder getrennt," sagte sie langsam. "Verstehst Du? Und die
Bombe hat uns wieder zusammengebracht. Sie manipulieren jeden unserer
Schritte."
"Nein!
Du hast uns wieder zusammengebracht. Du hast mich dazu gebracht, die Wahrheit
zu sagen. Ich glaube," fuhr er langsam fort, "sie wollen, daß wir
weggehen. Also hast Du recht. Wir sollten es nicht tun."
"Nein,"
widersprach sie. "Wir werden gehen. Wir werden ihn nehmen und wir werden
so weit weg von ihnen gehen, wie wir können."
Er
zog sich ein wenig zurück, so daß er ihre Augen sehen konnte. "Ist das
Umkehrpsychologie, Scully?"
Ein
bißchen lächelte er über ihren Gesichtsausdruck.
"Autsch!"
sagte er. "Was ist das mit diesen Fingernägeln?"
"Was
ist das mit diesen Rippen?" Sie stubste ihn wieder, um ihren Punkt zu
machen. "Ich bin mir nicht sicher, ob Du mich nicht manipuliert hast zu
sagen, daß wir gehen."
"Ich?
Ich habe kein Wort gesagt."
Frustrierend
oder nicht, sie liebte ihn. "Ich war hinter Dir her, das weißt Du,"
erzählte sie ihm und bog sich ihm ein wenig entgegen. Eine seiner Hände bewegte
sich in langen Zügen über die Haut auf ihrem Rücken unter ihrem T-Shirt. Es war
verblüffend.
"Ich
glaube, Du hättest uns gefunden," sagte er.
"Natürlich
hätte ich das. Der schwierigste Teil wäre gewesen, Frohikes Telefonnummer
herauszubekommen. Du erzählst ihm alles."
"Alles
was Du zu tun hattest, war herauszukommen und wir hätten auf Deinem Fußabtreter
gesessen," sagte er trocken.
Nun
waren seine beiden Hände unter ihrem T-Shirt. Er zog ihr den weichen Stoff über
den Kopf, dann legte er seinen Mund auf ihre Brust. Einen Moment saugte er,
dann sah er zu ihr auf.
"Du
wirst die Chance haben, es zu versuchen, Scully."
"Ich
weiß," sagte sie und keuchte ein bißchen, als er ihre Brustwarze hart in
seinen Mund saugte.
Scully
gab es auf, sich daran zu erinnern, was sie ihm über Liam und seine DNA sagen
wollte. Er hatte recht, sie würde sich später daran erinnern. Sie sah zu Liam
hinüber.
Liam
schlief immer noch fest.
Mulder
glitt plötzlich unter ihr hervor und rollte sie unter sich, er preßte sie mit
seinem Gewicht auf die Couch. Mit ihm obenauf war es leichter für sie, ihm
seine Jeans auszuziehen. Als nächstes folgte sein Hemd. Ihre Sachen kamen
danach dran.
"Was
machen wir?"
"Wir
gehen."
"Es
sieht nicht so aus, als wenn wir gehen."
"Ich
meine, wenn wir das hier getan haben."
"Wohin?"
"Ich
weiß es nicht."
"Was
ist das beste? Was ist das sicherste?"
"Ich
weiß es nicht."
Alle
ihre Sachen lagen nun auf dem Boden. Er paßte sich ein wenig an und war in ihr.
Sie
keuchte und wölbte sich ihm entgegen.
"Was
brauchst Du von hier?"
"Nichts,"
sagte sie atemlos.
"Nichts?"
"Okay,
vielleicht ein paar Dinge."
"Dachte
ich mir."
"Muß
ich sie jetzt nehmen? Ich habe sie in einer Sekunde zusammen."
"In
Ordnung," antwortete er ebenso atemlos, als ihre Finger über seinen Bauch,
seine Brust, seinen Rücken, seine Pobacken glitten.
"Fotos.
Laptop. Schmuck. Irgend etwas anders, was Dir einfällt?"
"Liam
und ich haben schon, weswegen wir zurückgekommen sind."
Sie
küßte ihn. "Ich weiß."
"Ich
mag das Strandgemälde."
"Tust
Du das? Ich auch. Ich liebe es. In Ordnung. Noch etwas?"
"Der
Kamin von Deinem Balkon."
"Mulder
und Scully verschwinden mit ihrem Baby und ihrem Kamin." Sie grinste.
"Ich werde Mom sagen, daß sie Bill herschicken soll, den Rest meiner
Sachen einzupacken. Wir werden sie irgendwann holen. Wir müssen Mom sehen,
bevor wir irgendwohin gehen. Ihr Liam zeigen. Ihr ein paar Fotos geben."
"In
Ordnung." Er hielt einen Moment inne, ohne sie anzusehen. "Und Emilys
Berichte."
Scully
nahm sein Kinn und neigte sein Gesicht, so daß sie ihm einen kurzen sanften Kuß
geben konnte.
"Oh,
Mulder," sagte sie weich und küßte ihn wieder. Sie seufzte tief.
"Glaubst
Du wirklich, da ist jemand auf unserer Seite, Scully? Jemand, der versucht hat,
uns wieder zusammenzubringen?"
Er
begann ihre Brustwarze mit seinen Zähnen zu necken, dann schloß er seine Zähne
darum und zog daran.
"Es
scheint, daß es so sein muß." Sie keuchte ein wenig bei dem Gefühl.
"Aber
wer?"
"Ich
weiß nicht."
"Vielleicht
hast Du recht."
"Mulder?"
Es
dauerte einen Moment, aber schließlich ließ er ihre Brustwarze los und sah sie
an.
"Was
ist, wenn es beides ist?"
"Was?"
"Was
ist, wenn wir beide recht haben?"
Er
nickte langsam. "Du meinst, es gibt Gruppen? Sie sind geteilt? Ein paar
auf unserer Seite? Ein paar gegen uns?" - sie nickte -
"Geteilt," wiederholte er leise. "Aber nicht wir. Wir sind
zusammen." Er hielt ihre Augen für einen Moment fest, dann grinste er.
"Dann zum Teufel mit ihnen. Laß uns
tun, was wir wollen." Sein Grinsen war ansteckend. Sie grinste zurück und er
nickte.
"Es
scheint so, daß sie geteilt sehr viel einfacher zu kriegen sind, Mulder."
sagte sie verlockend.
"Zum
Teufel mit ihnen," sagte er wieder. Seine Augen glitten von ihr zu Liam.
"Entschuldige, Liam." Mulder drückte sie ein wenig. "Liam ist
wach. Hey, Buddy."
Sie
erstarrte unter ihm und drehte ihren Kopf. Liam beobachtete sie aus großen
Augen, ein ernstes blaues Starren.
"Ups,
Mulder!"
"Meinst
Du, er wird es seinem Psychologen erzählen, wenn er sechzehn ist, Scully?"
fragte er sie im Flüsterton.
"Ich
weiß nicht. Ich hoffe, er wird deswegen keinen Psychologen brauchen, wenn er
sechzehn ist."
"Ich
kann immer noch nicht glauben, daß er unser ist, Scully."
"Ich
weiß," sagte sie sanft. "Ich auch nicht."
Sie
sahen ihn erstarrt an und er sah zurück, ohne zu blinzeln.
"Hey
Liams," sagte er weich. "Ich habe eine Frage an Dich. Willst Du mehr
wie Deine Mom werden? Oder mehr wie ich? Wenn Du sagst, wie sie, dann seid Ihr
in der Mehrheit und wir werden tun, was Ihr wollt. Wenn Du sagst, wie ich, dann
entscheiden wir. Also, was sagst Du, Buddy?"
Liam
starrte sie weitere fünf Sekunden an, dann senkten sich seine Lider und seine
Augen fielen zu. Sie beobachtete, wie seine Lippen rhythmisch an seinem Binky
zu saugen begannen, als er wieder einschlief. Seine goldenen Wimpern flatterten
kurz, dann lagen sie still auf seinen Wangen. Sie sah auf und traf Mulders
Augen.
"Ich
glaube, er sagte, wie ich."
"Nein,
er hat definitiv gesagt, wie ich."
"Vielleicht
hat er gesagt, er wird wie wir beide werden."
"Dann
braucht er wirklich einen Psychologen."
Er
streckte seine Hand aus und drehte den Sitz mit dem Baby vorsichtig herum, so
daß er in die andere Richtung sah.
Dann
zog er sie zurück in seine Arme. "Scully, das nächste Mal, wenn Du mich
verführst, sorg dafür, daß Liam im anderen Zimmer ist."
"Ich
dachte, das war Deine Idee."
"Du
hast es zuerst vorgeschlagen."
"Ich
habe Dir die Wahl gelassen. Und Du hast die Wahrheit gewählt, Mulder."
Er
grinste. "Vielleicht war das die ganze Zeit unser Problem."
ENDE