DAS ANDERE ICH
(Originaltitel: Alter Ego)
von Stacey Oziel
aus dem Englischen
übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de
>
*** überarbeitet 2017 ***
Bewertung - ab 12 Jahre
Kategorie - X-Akte
Spoiler - 5x12 Böses Blut
(Bad Blood)
Kennwort - MS UST
Zusammenfassung - Ein
verrückter Zwischenfall schickt Mulder und Scully in eine seltsame
Wirklichkeit, in der aus ihrem Leben eine Fernsehsendung wurde und sie von zwei
Schauspielern namens David und Gillian gespielt werden...
(Wort von der Autorin: Mit
dieser Story möchte ich die Arbeit des genialen Vince Gilligan
anerkennen. Und diese Story ist, genau wie die Inspiration dafür - Böses Blut -,
keine X-Akte mit witzigem Unterton, sondern eher eine Akte X- Komödie. Ihr seid
gewarnt :^P ...
Ein Dankeschön an meine
wundervollen Editoren Meg und Shannon. Ihr zwei seid
die besten.
Disclaimer: Mulder und
Scully gehören sich selbst. Oh, und auch Chris Carter. Ich wünschte, DD, GA und TL würden zu mir
gehören. Ich glaube, sie gehören dem armen Tankstellenwart Edgar Jenkins. Okay,
Leute, alle mal her hören: Niemand verwendet Edgar ohne meine Erlaubnis in
seinen Stories, verdammt. :)
Ok, also rein in die Höhle
des Löwen....
********************
Northampton, VA
11.45 Uhr
Klopf, klopf, klopf.
Pause.
Hämmer, hämmer.
Mulder seufzte und trat einmal gegen die Tür, es
brachte ja doch nichts.
"Scully, ich glaube nicht, dass jemand da
ist."
"Lass uns einfach gehen, Mulder. Wir können es
später noch einmal versuchen. Warum reden wir nicht mit der Frau, die..."
Er schüttelte den Kopf. "Ich gehe da jetzt rein,
Scully."
Sie blickte ihn an und hob
eine Augenbraue, um ihr Unbehagen mit Amüsiertheit zu überspielen. Mulder
kaufte es ihr nicht für eine Sekunde ab.
Er dreht sich um und holte
seinen patentierten super-klasse-FBI-Standart-Dietrich
aus der Tasche, und bevor seine zweifelnde Partnerin auch nur widersprechen
konnte, steckte er ihn ins Schloss und versuchte, sich das triumphierende
Grinsen zu verkneifen, als die Tür aufging.
"Hallo? Ist jemand zu
Hause?" Mulders Stimme hallte unheilvoll durch das Tudor-Haus. "Auf
geht's, FBI-Agentin!"
Scully rollte die Augen,
folgte ihm aber trotzdem ins Haus. Sie
untersuchten einen Fall, der gerade erst an diesem Morgen auf Mulders
Schreibtisch gelandet war, und bei dem es sich um ein Team von Physikern
drehte, das unter mysteriösen Umständen verschwunden war. Das Letzte, was man
von ihnen gehört hatte war, dass sie sich in diesem alten Tudor-Haus getroffen
hatten.
Er rümpfte die Nase.
Irgendetwas stimmte an diesem Ort nicht.
Zuerst wollte er Scully
seinen Verdacht mitteilen, aber dann entschied er sich dagegen. Er wusste, wie
sehr sie diese unbegründeten und vagen Ahnungen liebte. Und das obwohl seine Ahnungen ihre Theorien
mehr als einmal links liegen gelassen haben, musste sie zugeben.
"Hey, Scully",
rief er. "Wie ist noch mal diese Adresse? 1313 Mockingbird
Lane?" Er fragte sich, ob sie den Witz verstand.
Aber anderseits sah sie nicht so viel fern wie er.
Sie kamen in einen großes
Esszimmer, in dessen Mitte ein großer Holztisch stand, auf dem Blätter,
Computerausdrucke und Kaffeetassen verstreut waren, und annehmen ließen, dass
hier vor kurzem ein Treffen stattgefunden hatte, dass Hals über Kopf verlassen
wurde.
Scully trat zu dem Tisch,
um sich die Ausdrucke näher anzuschauen, die aus den anderen Unterlagen
hervorstachen. Sie las eine eingekreiste Nachricht darauf:
TESTS WERDEN NICHT
EMPFOHLEN, SOLANGE NICHT VOLLKOMMENE SICHERHEIT VERSICHERT WERDEN KANN!
Mulder las den Satz über
ihre Schulter hinweg, und sie warfen sich einen Blick zu.
"Also, Dr. Scully,
was halten Sie von all dem?"
Einer ihrer Mundwinkel hob
sich. "Ich habe noch nichts gesehen, wovon ich etwas halten kann.
Außerdem, wieso denkst du, ich könne dir sagen, woran diese Physiker gearbeitet
haben? Die Polizei konnte auch nicht mehr herausfinden woran sie gearbeitet
haben."
"Hmm.
Also, 'Einsteins Doppelspalttheorie: Eine Neue Interpretation' war wohl bloß
Fassade. Offensichtlich ist Physik nicht gerade deine Zukunft." Er warf
ihr einen verschmitzten Blick zu.
"Wenigstens habe ich
meine College-Jahre nicht damit verbracht
herauszufinden, wie man alles in ein Sexsymbol verwandeln kann", schoss
sie zurück. "Das ist wohl genau
deine Kragenweite."
"Touché",
Mulder fühlte sich ertappt. Heute war es wohl Scully, die alle Witzchen parat
hatte.
Mulder drehte sich um und
wollte in den nächsten Raum gehen, als er mit dem Knie gegen ein großes
metallenes Objekt stieß. Er fuhr zusammen und fluchte vor Schmerz.
Scully kam herüber.
"Was ist das?"
"Ich hoffe, du weißt
es, denn ich hab keine Ahnung."
Sie hockten sich hin und
untersuchten das Objekt. Es hatte eine seltsame Form und es befanden sich eine
Menge verwickelter Kabel und anderes undefinierbares Zeug darin.
Scully hatte noch nie
zuvor solche Spitzfindigkeiten auf so kleinem Raum gesehen. Sie mussten
aufpassen, nichts anzufassen - weiß Gott, was das Ding auslösen würde.
Plötzlich entdeckte Mulder
eine Drehscheibe mit roten Ziffern. Hmm. Was würde
passieren, wenn...?
Scully sah seine Bewegung
und schrie, um ihn davon abzuhalten.
"Nein, Mulder, niiiiiiiiii...!"
*****************
"...iiiiiicht!!" Scully brach ab und beide schraken auf.
Sie waren nicht mehr in
dem alten Tudor-Haus. Wie es aussah standen sie jetzt mitten in Mulders
Apartment. Was zum Geier...?
Ihnen blieb nichts anderes
übrig, als da zu stehen und zu versuchen zu versehen, was geschehen war.
Mulder sah sich benommen
um. "Scully", sagte er und seine Stimme zitterte ein wenig. "Ich
hätte da zwei Fragen. Eins - warum sind wir in meiner Wohnung? Und zwei - wie
zum Teufel sind wir hierher gekommen?"
Scully konnte nur ebenso
benommen den Kopf schütteln. Sie ließen sich auf Mulders Couch fallen, als ihre
weichen Knie drohten, sie nicht mehr aufrecht zu halten.
Sogar in seiner Verwirrung
spürte Mulder, dass mit seiner Umgebung etwas mächtig faul war. Was ihm
eigentlich sehr vertraut hätte sein müssen, kam ihm definitiv fremd vor. Wenn
er es nicht besser wüsste, würde er sagen, dass alles hier oberflächlich und
sogar gefälscht aussah. Als ob hier niemand wirklich wohnte...
Sie schreckten auf, als
eine Klingel schrill die Luft zerriss.
"Schnitt, Schnitt! David, Gillian, das war nicht euer Text! Alicia,
gib ihnen den Text noch mal."
Mehr als erschrocken
sprangen sie auf die Füße, und Mulder griff nach Scullys Arm, als sie
schwankte. Sie fuhren herum.
Sie konnten ihren Augen
nicht glauben.
Seit ihrer 'Ankunft'
hatten sie sich offensichtlich noch gar nicht umgedreht. Mulders Wohnung war *ein wenig* aufgesetzt -
um genau zu sein, eine Wand fehlte völlig. Stattdessen standen da ein paar
Leute mit Kameras und einer Filmausrüstung.
Ein kleiner, sehr ungeduldig
aussehender Mann mit einer Baskenmütze hetzte auf sie zu.
Die Agenten starrten ihn
an. Mulder griff nach Scullys Schultern, um sie beide vorm Umkippen zu
bewahren.
"Leute, was ist los? Wir
haben einen Zeitplan einzuhalten. Also. Wo ist das Problem?"
"Ähm, das Problem
ist", sagte Mulder letztendlich, nachdem er den Mut zum Sprechen
zusammengesammelt hatte, "dass wir nicht im Geringsten wissen, wovon Sie
reden. Wer sind Sie und warum haben Sie uns hierher gebracht? Wer hat Ihnen das
Recht gegeben, ein Duplikat von meinem Apartment herzustellen? Hören Sie, wir
sind Agenten des FBI und Sie machen sich strafbar, wenn Sie einen Bundesagenten
entführen."
Er griff in seine Tasche,
um seinen FBI-Ausweis zu zeigen.
Scully lugte auf den
Ausweis und räusperte verlegen.
"Mulder",
flüsterte sie. "Es ist eine Fälschung."
Mulder sah auf den Ausweis
und sah, dass es stimmte. Auf der Karte war nicht einmal seine eigene
Unterschrift und er konnte sich nicht erinnern, jemals so mürrisch auf dem Bild
ausgesehen zu haben. Erbittert ließ er das Ding fallen.
Der Mann sah ihn
verwundert an und ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Lippen. "Was soll
das denn jetzt, Duchovny? Dein Sinn für Humor ist
noch seltsamer geworden, seit du bei 'Larry Sanders' warst und für den Emmy
nominiert wurdest. Jetzt denkst du wohl, du bist irgend so ein Komödiant,
was?"
Scully wurde sauer. Jemand
führte sie offenbar mit einem dummen Spielchen an der Nase herum und das gefiel
ihr ganz und gar nicht.
"Hören Sie, ich weiß
nicht, für wen Sie sich halten, aber Sie werden uns auf der Stelle wieder
dorthin zurück bringen, wo wir waren, und dieses ganze Affentheater beenden."
Scully verschränkte die Arme.
Der Mann rollte seine
Augen himmelwärts. "Schauspieler! Gillian, uns läuft die Zeit davon. Wir
haben keine Zeit für Ego-Trips, oder dass du wieder mal mitten in einer Szene
in deinen Trailer gehen musst." Er zuckte seufzend die Schultern und gab
nach. "Okay. Eine Viertelstunde für euch beide."
Plötzlich kam ein Mädchen
auf den Mann zugelaufen. "Mr. Manners", flüsterte sie, "Chris
Carter ruft aus L.A. an. Er möchte mit Ihnen sprechen. Irgend etwas wegen einem
Ehering für eine Flashback-Folge."
Manners warf ihnen einen
Blick zu und rollte die Augen. "Mein Gott, die Internet-Fans kriegen ihren
Willen. Na gut... Okay, Leute, in fünfzehn Minuten."
Plötzlich schwirrte alles
durcheinander und im nächsten Moment standen sie alleine in dem halben
Apartment.
Für einige Sekunden
standen sie nur da und verstanden die Welt nicht mehr.
Auf einmal gab Scully
einen Laut von sich.
"Oh, mein Gott,
Mulder... da ist MEIN Apartment! Zumindest ein Teil davon..."
Scully lief zu dem
verdunkelten Teil der Filmbühne, die ihr Apartment darstellte. "Es sieht
fast genauso aus... allerdings habe ich ein Badezimmer und meine Küche hat kein
Freilichtfenster."
"Scully", sagte
Mulder neben ihr. "Das hier ist ein Filmset, wo Fernsehserien gemacht
werden."
"Ja, Mulder, das habe
ich auch schon gemerkt."
Mulder drehte sich langsam
um und betrachtete die Szenerie.
"Mulder", Scully
konnte es nicht fassen. "Weißt du, was das bedeutet?"
"Ich habe keinen
blassen Schimmer. Klär mich auf, oh All-Wissende."
Sie sah in an mit
ärgerlicher Ungeduld.
"Erkennst du es denn
nicht? Es passt alles zusammen. Eine Filmset, die wie deine Wohnung aussieht,
gefälschte FBI-Ausweise, Leute, die von irgend einer Emmy-Nomminierung
von dir reden?" Sie merkte, wie ihre Stimme mit jedem Moment immer
schriller wurde, mit dem ihr die Absurdität dieser Situation klarer wurde.
"Du hast Recht,
Scully... die machen eine Fernsehserie über MICH", sagte Mulder mit
Ehrfurcht.
Scully rollte mit den
Augen.
Auf einmal kam aus dem
Nichts ein Hund auf Mulder zu gelaufen, der anfing, an ihm hoch zu springen,
als sei er sein bester Freund. Mulder starrte auf das strubbelige Tier und
wusste nicht, was er tun sollte. Er hasste Hunde.
Eine Frau kam hinter dem
Hund her gelaufen mit einer Leine in der Hand.
"Komm her, Blue. Sorry, Dave. Ich konnte sie nicht im Trailer halten, als Pause
war. Du weißt, sie kann es nicht ausstehen, von dir getrennt zu sein."
Mulder sah auf den zottigen Hund herunter, der gerade versuchte, sein Gesicht
abzulecken.
"Rumpelstilzchen",
sagte er zu dem Tier. "Ich glaube nicht, dass wir noch um das Feuer
tanzen."
Scully schüttelte langsam
den Kopf. Sie war sprachlos.
*************
Einige Minuten später
fanden sie sich in einem riesigen Aluminium-Wohnwagen wieder, und als sie den
Trailer zusammen betraten, konnte die Frau sie lediglich entgeistert
anstarren.
Unterwegs waren sie an
Skinner vorbeigelaufen und hatten zweimal hinschauen müssen.
"Sir?" hatte
Mulder ihn aufgeregt gefragt. "Was ist hier los?"
Der Mann hatte sie perplex
angestarrt. "Wie meinst du das? Unsere Szene ist doch gar nicht vor 14.30
Uhr. Oh, und David - Nic Lea und ich gehen am Sonntag
um eins golfen. Möchtest du mitkommen?"
Mulder hatte zugestimmt,
um nicht blöde da zu stehen und fragte sich im Stillen, wer Nic
Lea war. Und warum sie überhaupt zusammen Golf spielten. Und als er und Scully an dem Trailer
angekommen waren, erwartete sie bereits der nächste Schock.
Der Name an der Tür
lautete 'David Duchovny'. Keiner von beiden hatte
diesen Namen je schon mal gehört.
Sie machten die Tür hinter
sich zu.
"Okay, Scully, ich
bin mit meinem Latein am Ende. Du bist die Physik-Expertin - wie sind wir von
dem Haus in dieses Fernsehstudio gekommen, das zufällig genau wie meine Wohnung
aussieht?"
Scully konnte nur ihren
Kopf schütteln. "Ich weiß es nicht, Mulder. Ich bin im Moment so
durcheinander, ich kann kaum denken."
Sprachlos setzten sie sich
hin und versuchten, einen Sinn in all dem zu sehen.
Plötzlich sprang Mulder
auf, als ob ihn etwas gestochen hätte. Er schnellte zu einem kleinen Tisch und
nahm ein Foto in einem Bilderrahmen in die Hand.
Es war ein Bild von ihm,
das er nie hatte machen lassen... zusammen mit einer gutaussehenden Blondine,
die er nie getroffen hatte. Sie hatten die Arme umeinander geschlungen und
sahen sehr verliebt aus. In dem Bilderrahmen war etwas eingraviert und Mulder
sah genauer hin: "David und Téa auf ewig."
Mit zitternden Händen
reichte er Scully das Bild. Ihre Augen wurden groß. "Mulder, wer ist diese Frau?"
Er konnte nur seinen Kopf
schütteln. "Scully, ich habe keine Ahnung. Ich habe sie nie
getroffen." Aber er kam nicht drum herum festzustellen, dass sie wirklich
nicht schlecht aussah.
Scully schnellte auf die
Füße, zitternd vor Wut. "Mulder, was soll das alles? Was ist hier los? Ich kapiere das alles
nicht. Warum hat mich der Typ eben Gillian und dich David genannt? Ich ....
ich..."
Mulder ergriff ihre
Schultern und sah sie unverwandt an. "Scully, du willst doch immer, dass
ich rational denke. Also tun wir das doch. Okay?"
Sie nickt langsam.
"Okay." Sie setzte sich auf das Bett in dem Wohnwagen.
"Scully, ich habe in
einigen X-Akten von alternativen Wirklichkeiten gelesen, die wie Luftblasen in
der wirklichen Realität auftreten - ein Sprung in den Dimensionen, wenn man so
will. Sogar in der alten Sage Paiutes von 'Atantawa' gab es eine 'Andersartigkeit', wie wir sie gerade
erleben. Ist es möglich, dass wir durch meine Berührung mit der Maschine hier
her gekommen sind? Kann es sein, dass wir irgendwie die Gesetze von Raum und
Zeit durchbrochen haben und in eine parallele Dimension eingetreten sind?"
Scully musste lächeln,
doch das Lächeln verging ihr, als sie merkte, dass Mulder nicht scherzte.
"Das soll wohl ein Witz sein."
"Nein. Sag mir, dass
es unmöglich ist, Scully."
"Es ist
unmöglich."
Sie biss sich auf die
Lippe. "Wir haben beide Halluzinationen. Das ist alles nur in unserem
Kopf. Ich weiß nicht. Es könnte immer noch ein sehr, sehr gut gemachter Scherz
sein." Aber warum? Dafür hatte sie keine Erklärung.
Sie fuhren zusammen, als
jemand an die Tür des Wohnwagens klopfte.
"Ähm, herein," rief Mulder zögernd.
Er kam sich komisch vor, in einem Wohnwagen von jemand anderem 'herein' zu
rufen.
Die Tür öffnete sich und ein
kleines Mädchen von etwa vier oder fünf Jahren lief herein.
Sehr zu Scullys
Verwunderung sprang die Kleine in ihre Arme. Ihr blieb nichts anderes übrig,
als sie zu halten.
Eine junge Frau steckte
ihren Kopf herein. "Hey, Gillian. Ich dachte, du würdest Piper gerne
sehen, wenn du Pause hast. Sie hat nach dir gefragt." Sie schloss die Türe
und die Agenten starrten sprachlos auf das rothaarige Mädchen.
"Hey, Kleine",
fragte Mulder und sah Scully aus dem Augenwinkel an. "Wo ist deine Mami
gerade?"
Sie sah ihn mit großen
Augen an. "Meine Mami ist HIER", kicherte sie und vergrub ihr Gesicht
in Scullys Brust.
Er blickte auf seine
Partnerin und wartete ihre Reaktion ab. Scully tätschelte das kleine Mädchen
unbeholfen. Sie sah aus, als ob sie ein Alien in den Armen halten würde.
Mulders Blick fiel
plötzlich auf ein zerknittertes US-Magazin, das am anderen Ende des Tisches
lag. Er hob es auf und sah eine sehr untypische Dana Scully auf dem Titelbild.
Diese Scully hatte nicht ihren üblichen FBI-Anzug an, sondern einen hautengen
Tanktop, der auch wirklich hauteng an ihrer Brust anlag. Der Untertitel war
"HOT TV", und darunter stand "Gillian Anderson". Mulder schluckte und merkte wie er auf diese
eher, ähh, lockere Version seiner üblicherweise
konservativ angezogenen Partnerin reagierte. Oh, Mann, Scully... Wortlos reichte er Scully das Magazin. Ihr
fielen fast die Augen aus und sie schob das kleine Mädchen etwas zur Seite, um
näher hin zu schauen. "Oh mein
Gott, Mulder", sagte Scully, als sie das Heft durchblätterte. "Hier
steht, dass die Agenten 'Mulder' und 'Scully' von 'Gillian Anderson' und 'David
Duchovny' gespielt werden. Wir sind offensichtlich
Fernsehrollen, die von zwei Schauspielern in einer Serie namens..." Ihre
Augen glitten über den Text..."'Akte X' gespielt werden."
Sie starrten sich an.
Mulder stand auf und
begann, im Zimmer hin und her zu laufen. "Scully, ich kapier das alles
nicht. Warum sollte jemand eine Serie aus unserem Leben machen wollen? Ich
meine, wir beide leben für unsere Arbeit. Wir haben keinerlei spezielle Hobbys,
es sei denn, man kann das Sammeln von Videos und paranoid sein
dazuzählen...", ein kurzer Blick auf Scully verriet ihm, dass dies nicht
im Geringsten zählte. "Und kein erwähnenswertes Sexualleben." Scully
fühlte sich angegriffen. "Da sprich mal lieber nur von dir."
"Das tue ich ja
auch", gab Mulder irgendwie traurig zu.
Scully sah bedrückt aus.
"Und das Schlimmste ist, Mulder - die Serie wird offensichtlich auf Pro 7
ausgestrahlt."
"Pro 7 ?! Der Sender
vom 'Palm Beach Duo' und 'Arabella Kiesbauer'? Die Serie hat bestimmt die
niedrigsten Einschaltquoten im Fernsehen." Er seufzte und vergrub sein
Gesicht in seinen Händen. "Ich hatte wenigstens auf die Primetime gehofft."
Scully zuckte die
Schultern. Sie verstand die Welt nicht mehr.
"Weiß nicht, Scully. Das könnte irgendein Trick sein", fuhr er
fort. "Vielleicht ist es die Art des Krebskandidaten, sich für all das zu
rächen, was wir in den letzten fünf Jahren gemacht haben."
"Weißt du was,
Mulder? Im Grunde ist es doch egal. Aus irgendeinem Grund wollen *die*, dass
wir denken, dass es eine Sendung über die X-Akten gibt, und dass wir von zwei
Schauspielern dargestellt werden, die irgendwie genau wie wir aussehen. Jemand macht sich da große Mühe, uns davon zu
überzeugen. Also, schlage ich vor, dass wir mitspielen. Vorerst. Bis wir
herausfinden, wer hier die Fäden in der Hand hat, den Trick durchschaut haben
und wissen, wie wir aus dieser Hölle wieder herauskommen."
Mulder sah sie an und
schüttelte den Kopf. "Langsam kommt es mir vor, als ob das alles hier
wirklich passiert, Scully. Hey, Kleine, wie heißt du mit Nachnamen?"
fragte er das Mädchen.
"Anderson-Klotz",
antwortete es schüchtern.
Die Agenten sahen sich an.
"Ist Klotz dein Papa?" fragte Scully sie. Das Mädchen nickte.
"Also schön, Mrs.
Klotz. Da drüben steht das Telefon. Ruf Skinner an. Oder, noch besser, ruf das
FBI an und frage nach uns. Los", sagte er herausfordernd. Er wollte, dass
sie erkannte, worüber er sich bereits im Klaren war. "Worauf du dich verlassen kannst,
Mulder." Sie hob den Hörer und wählte die Nummer des FBI in Washington
DC... bis sie die blecherne Stimme der Bandaufnahme hörte, die ihr mitteilte,
dass die Nummer ein Ferngespräch sei.
"Mulder, sie haben uns weiter gebracht, als wir angenommen hatten.
Wir sind nicht mehr in DC."
"Dann wähl zuerst die
Vorwahl", sagte Mulder.
Sie seufzte ungeduldig und
wählte erneut.
"Dana Scully oder Fox
Mulder bitte", sagte Scully, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen.
Doch dann verschwand ihre
Zufriedenheit. "Was soll das heißen, 'den habe ich ja noch nie gehört'?
... Hallo? HALLO??"
Sie knallte den Hörer auf
die Gabel und schlug die Augen nieder.
Mulder sah sie an.
"Ich werde jetzt nicht sagen 'Ich hab's dir ja gesagt'." Scully
blickte ihn wild an. "Mulder, das hast du gerade." Sie atmete tief
durch und rieb sich die Augen. "Das hier ist irgendeine verrückte
Verschwörung."
"Ich glaube, die
einzige Verschwörung hier ist, dass du nicht glauben willst, dass etwas mit uns
und unserer Welt passiert ist. Wir sind nicht mehr in unserer eigenen Umgebung,
Scully. Wir sollten es lieber akzeptieren."
"Wie auch immer.
Verlang bloß nicht von mir, dass ich mich *so* anziehe", grollte Scully
und schielte auf das Bild ihrer Doppelgängerin in dem klatschnassen Tanktop. Als
ob jemand so etwas überhaupt auf dem Titelbild eines Magazins tragen würde...
Da ertönte ein weiteres
Hämmern an ihrer Tür und es wurde ihnen mitgeteilt, wieder am Set zu
erscheinen.
"Scully", sagte
Mulder bedächtig. "Wir sind Schauspieler. Wir müssen Texte lernen und
solche Sachen. Ich war einmal Pinnochio in der sechsten Klasse, aber das war's
auch schon. Ganz zu schweigen von der unbequemen Tatsache, dass ich während der
'Ich-habe-keine-Fäden-die-mich-halten'-Nummer von der
Bühne gefallen bin. Ich kann dir sagen, das hat mich fürs Leben geprägt. Ich
weiß nicht, ob ich für so etwas gemacht bin."
"Ich für meinen
Teil", überlegte Scully, "wollte das immer schon mal ausprobieren.
Jetzt habe ich eine Chance dazu. Ich hatte nur nie gedacht, dass ich mich selbst
spielen würde."
"Wenigstens werde ich
von einem gutaussehenden Typen gespielt", witzelte Mulder, und betrachtete
sich im Spiegel. Sein perfekt sitzender Anzug war um ein ganzes Stück feiner
als die Billig-Teile, die er sonst immer trug. Aber die Krawatte war genauso
nichtssagend. Er musterte Scully von oben bis unten. "Netter Anzug, Scully."
Sie sah an sich herunter
und sah ihre Kleidung zum ersten Mal wirklich. "Oh, der ist wirklich
schön. Ich glaube, es ist Armani. Ich wüsste zu gerne, ob ich ihn behalten
kann." Sie könnte sich definitiv an so etwas gewöhnen.
"Das bezweifele ich.
Hey, wir werden wohl anfangen müssen, uns David und Gillian zu nennen. Ich habe
wohl eine Frau und du bist mit diesem Klotz verheiratet. Hmm. Dana
Klotz." Er grinste.
"Nein, Gillian
Klotz", erinnerte sie ihn. "Wenigstens bin ich nicht mit jemanden
verheiratet, der wie ein Kräutertee benannt wurde", schnaubte sie. Mulder grinste immer noch.
"Ich weiß ja nicht,
wie du darüber denkst, aber ich glaube nicht, dass es besonders schwierig ist,
uns selbst zu spielen. Vor allem nicht für mich mit meinem fotografischen
Gedächtnis - ich lerne meinen Text wie nix."
***************
Sieben Stunden später...
"Okay, Leute, Schluss für
heute", rief Kim Manners.
"Gillian, du warst
Klasse heute. Du warst so... ich weiß nicht... genau in deiner Rolle. Du
verdienst deinen Emmy wirklich." Scully ertappte sich dabei, wie ihr ein
Grinsen über das Gesicht huschte.
"Hast du gehört,
*David*?" grinste sie. "*Ich* habe einen Emmy gewonnen."
Langsam fing die ganze
Sache an, ihr Spaß zu machen.
"Ich war immerhin
nominiert", gab er zurück und fuhr herum, als ein paar der Crew-Mitglieder
in sich hinein kicherten.
Mulder seufzte. Er hatte
heute einen kompletten Idioten aus sich gemacht, während Scully geradezu
perfekt gewesen war. Er fühlte sich wie ein Idiot, weil er immer und immer
wieder seinen lächerlich technisch klingenden Text vermasselt hatte. Als er
versuchte, Manners davon zu überzeugen, dass Mulder nie so reden würde, hatte
dieser ihn bloß mitleidig angeschaut. In einer Szene, in der er mal wieder
seinen hochgestochenen Text nicht hinbekam, meinte er, Manners 'Nie wieder Duchovny' flüstern gehört zu haben.
Auf der anderen Seite
schien Scully die Schauspielerei zu liegen wie einer Ente das Wasser. Ihre
Geschicklichkeit hatte ihn wie einen Anfänger da stehen lassen. Irgendwie kam ihr der Text vollkommen
natürlich über ihre Lippen, und ein paar Mal hatte sie die Richtigkeit der
Dinge überprüfen müssen. "Oh,
David? Hast du mal 'ne Minute Zeit?" Manners winkte ihn zu sich. Widerwillig kam er zu ihm. "Sorry, Kim.
Ich habe wohl heute einen schlechten Tag. Morgen wird's besser." Er merkte
plötzlich, wie lächerlich es ihm vorkam, ihm das zu zu
sagen. Er war ein FBI-Agent, verdammt noch mal. Schauspielern lag ihm einfach nicht.
Manners runzelte die
Stirn. "Das wirst du auch besser, sonst bringt Chris dich um."
Mulder fragte sich kurz,
wer wohl Chris war, doch das war ihm dann auch egal. Bestimmt nur jemand ohne
Bedeutung.
Nachdem sie sich umgezogen
hatten und jetzt die Klamotten trugen, die sie in ihren jeweiligen Wohnwagen
gefunden hatten, holten Scully und Mulder Piper und Blue von ihren
"Aufpassern" ab und fuhren los - nachdem sie herausgefunden hatten,
welches Auto 'David' gehörte.
Das Problem war nur, dass
sie nicht wussten, wo sie waren oder wo sie wohnten. Sie studierten die Karte, die sie in seinem
Handschuhfach gefunden hatten, und fielen vor Schreck fast aus den Latschen,
als sie merkten, dass sie nicht einmal in den USA waren.
"Wir sind in
KANADA?" stieß Mulder hervor. "Warum drehen die eine Serie über
amerikanische FBI-Agenten in Kanada? Wegen der schönen Landschaft?" Scully
fand darauf keine Antwort.
Dann kam ihr die Idee,
durch ihre Führerscheine ihre Adressen in Erfahrung zu bringen, und sobald das
erledigt war, entschlossen sie sich, zusammen zu bleiben und zu Mulder - äh,
David - zu fahren, um weiter über ihre Situation beraten zu können.
Einmal mussten sie
anhalten, um nach dem Weg zu fragen und wurden dadurch aufgehalten.
Der Tankwart war an ihr
Autofenster getreten und war vor lauter Aufregung fast in Ohnmacht gefallen,
als er sah, dass die Passagiere in dem Wagen niemand anderes waren, als Mulder
und Scully aus dieser "X-Akten-Serie", wie er es so passend ausdrückte.
"Hey, Mann, irgendwie
ist mir das ja peinlich zu fragen, aber kann ich ein Autogramm haben?"
Scully verzog amüsiert das
Gesicht. "Ah, der Prinz der Glimmerwelt."
Mulder sah keinen Grund, der
dagegen sprach. "Klar, sicher. Für wen soll es sein?"
"Edgar Jenkins",
keuchte der Mann und hyperventillierte förmlich vor
Aufregung. Nachdem er für den Mann seine
Unterschrift auf den Fetzen Papier gekritzelt hatte, der jetzt fast schon nicht
mehr er selbst war vor lauter Freude, schlug Scully die Hand vor die Stirn.
"Mulder",
zischte sie. "Du hast gerade mit deinem eigenen Namen unterschrieben. Du
bist doch David Duchovny."
Erleichtert stellt Mulder
fest, dass der Typ nichts gemerkt hatte und sah ihm zu, wie er um den Wagen
herum rannte, um Scullys Autogramm ebenfalls zu bekommen. Sie warf Mulder 'Den Blick' zu und schrieb
'Gillian Anderson' in geschwungener Schönschrift.
"Sir, darf ich Sie
etwas fragen?" begann Mulder.
"Sicher, Mr. Duchovny, sicher", eiferte der Mann.
"Ist 'Akte X' eine
bekannte Serie?"
Der Mann machte große
Augen. "Oh, jaaa. Alle, die ich kenne sehen sie.
Besonders wegen dieser knisternden Spannung."
"Oh, wissen Sie, wir
warten nur alle auf den Tag, an dem Mulder und Scully endlich zusammen kommen.
Aber jeder weiß, dass das dann wohl am Ende der Serie sein wird."
Scullys Augenbrauen
schossen in die Höhe und Mulder musste sich räuspern. "Und, äh, wenn ich wissen wollte, wie
die Serie so ankommt, wo sollte ich dann nachsehen?" Mulder wollte das
Thema so schnell wie möglich wechseln.
"Im Internet, würde
ich sagen. Da kann man geradezu alles finden."
"Danke", sagte
Mulder und sah zu Scully herüber. "Dann werden wir das wohl tun."
"Hey", sagte der
Mann schüchtern. "Kann ich Sie mal etwas Persönliches fragen?" Die
Agenten sahen sich an.
"Ähm. Naja, man sagt,
dass Sie nicht besonders gut miteinander auskommen und sich neben der Arbeit
nie sehen. Was machen Sie dann also zusammen in einem Auto?"
"Ähm", fing
Mulder nach einer unbehaglichen Pause an. "Das stimmt nicht. Scul..."
Scully stieß ihm ihren Ellbogen in die Seite... "GILLIAN und ich sind die
besten Freunde. Wir liiiieeeeben es, unsere Zeit
miteinander zu verbringen."
Der Mann sah verwirrt aus.
"Aber, Mr. Duchovny, ich dachte, Sie sind
verheiratet?"
Scully konnte sich ein
Lachen nicht verkneifen und schaute ihn erwartungsvoll an. Wie er da wohl
wieder herauskommt?
"Uhh",
seufzte Mulder, "das bin ich auch. Gillian, Téa und ich, wir verbringen
unsere Freizeit alle zusammen."
Damit drückte er aufs
Gaspedal und stob davon und ließ den Tankwart zu seinen eigenen Schlüssen
kommen.
*********
Anderthalb Stunden später
fuhren Mulder und Scully in die Einfahrt eines bescheidenen Holzhauses am
Strand. Sie parkten den Wagen und gingen zögernd die Treppen hinauf.
Mulder holte den
Schlüsselbund, den er in Davids Wohnwagen gefunden hatte und musste fast jeden
der Schlüssel ausprobieren, bis er den richtigen gefunden hatte. Blue zappelte
ungeduldig. Sie wollte offensichtlich ins Haus.
Mulder öffnete die Tür und Blue stürmte hinein.
"Hallo, Schatz!"
ertönte eine Frauenstimme und sie hielten inne.
"Was machst du denn
hier?" fragte Mulder erschrocken. Einen Moment später merkte er, wie
ungeschickt diese Frage eigentlich war. Sie waren immerhin verheiratet.
"Liebling, ich bin
von L.A. hier hoch geflogen. Hast du meine Nachricht nicht erhalten?"
"Äh, nein. Ich muss
wohl vergessen haben, die Mailbox abzuhören."
Die Frau steckte ihren
Kopf ins Zimmer und sah überrascht aus.
"Hi,
Gillian."
Mulder und Scully sahen
sich an.
"Ähm, wir wollen
zusammen den Text für morgen durchgehen", belog Scully die schlanke Frau,
um ihr Hiersein zu erklären. Die Frau hatte sich offensichtlich
ihre Haare schwarz gefärbt, seit das Foto in dem Trailer aufgenommen wurde.
Oder vielleicht war das Blond ja aus der Flasche...
Téa sah sie verwundert an.
"Es ist Freitag. Ihr dreht erst wieder am Montag."
Diesmal sprach Mulder.
"Immer auf Abruf, Schatz. Tut mir Leid. Äh..." - Verdammt, wie hieß
der Kerl noch mal? Ken? Keven? Kim? Ja, das war's -
"KIM möchte, dass wir unseren Text
bis Montag intus haben."
Scully warf ihm einen
amüsierten Blick zu. Gut gerettet, Mulder.
Und dann schlang die Frau urplötzlich die Arme um Mulder und küsste ihn
in leidenschaftlicher Umarmung.
Scully konnte fast hören,
wie ihr die Kinnlade auf den Boden fiel.
Nachdem sie einige Momente Mulder in den Armen dieser fremden Frau sah,
merkte sie plötzlich, dass Mulder alles andere als Einwürfe gegen diese
Umarmung hatte. Sie merkte, wie die
Eifersucht in ihr aufstieg und kreuzte die Arme vor der Brust.
"Ähm." Keine
Antwort. "ÄHM!" Sie hörten auf, sich zu küssen und starrten sie an.
"Ich habe mich nur
gefragt, ob ich Piper mit herein bringen könnte." Mulder sah sie
verschmitzt an. Gut, dachte Scully sauer. Das hier war nicht "Die Wilden
und Rastlosen"... obwohl es hätte sein können, wenn man diese "Akte
X"-Serie tagsüber ausstrahlen würde.
"Natürlich,
Gillian", sagte Téa verlegen. "Du kannst sie in eines der Gästezimmer
bringen."
Eines der Gästezimmer?
Mein Gott, dieses Haus ist ein Palast, dachte Mulder. Er wünschte, dass FBI
würde ihm so viel zahlen, wie sein Freund Duchovny
augenscheinlich erntete.
Scully verschwand, um die
kleine Piper zu holen. Was für ein ungewöhnlicher Name, dachte Scully. Warum
müssen alle Stars ihren Kindern so bizarre Namen geben, wie Dweezil,
Rumber, Tellulah Bell und
Scout? Allerdings gefiel ihr der Name, obwohl sie nicht wusste, warum. Sie gab
zu, der Name hatte etwas... Nachdem sie
in 'Gillians' Portemonnaie eine Karte mit ihrer Telefonnummer gefunden hatte,
rief sie diese an, in der Hoffnung, dass ihr 'Mann' (von dem sie nicht einmal
den Vornamen wusste) zu Hause war. Aber der Anrufbeantworter - sehr zu Scullys
Schrecken mit ihrer eigenen Stimme - sagte bloß: "Hi. Sie haben Gillian
und Piper Maru erreicht. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem
Ton." Pieps.
Auf einmal fiel Scully
ein, woher sie den Namen kannte und sie war mehr als erstaunt. In der Serie gab
es offensichtlich eine Folge über ihren Fall mit dem französischen
Bergungsschiff Piper Maru.
Gott, der Name klang so
vertraut.
In der Zwischenzeit
erkundete Mulder das Haus und befand sich nun in einem großen Raum mit Computern.
Hier würde wohl also Scullys und sein Recherche-Zimmer
sein, was ihre anderen Ichs anging.
"Okay, Téa",
sagte Mulder zu der hübschen Brünetten. "Scu...
Gillian und ich werden hier unseren Text üben."
"Möchtest du das
Video haben, wegen dem ich bei Fox anrufen sollte?"
"Ja, klar." Es
war ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen, eine Folge der Serie zu gucken,
doch das war ein perfekter Weg herauszufinden, was hier mit ihnen passierte.
"Okay", sagte
Téa mit einem Lächeln. "Hier ist es - 'Böses Blut'. Oh, und der Typ von
1013, mit dem ich gesprochen habe, sagte, dass die Folge mit der Mörderpuppe
wohl morgen hier sein wird. Gute Nacht, Schatz." Mulder schüttelte
amüsiert den Kopf. Die Serie muss wohl verdammt verzweifelt sein, wenn sie
schon Stephen King anhauen muss...
Scully kam herein, nachdem
sie Piper zu Bett gebracht hatte, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Téa sich
wieder um ihren Partner schlang und anfing, ihm mit großem Enthusiasmus zu
küssen.
Mulder musste stark
dagegen ankämpfen, nicht in den Armen seiner wunderschönen 'Frau' erregt zu
werden. Ein wenig war er ja doch eifersüchtig auf diesen David Duchovny, wer immer das auch war.
Scully stand da und tippte
ärgerlich mit dem Fuß auf den Boden.
"Oh, 'Da-vid'", sagte Scully mit Sing-Sang-Stimme. "Wir
müssen arbeiten."
"Nacht, Gillian",
flötete Téa und löste sich von einem rot angelaufenen, aber strahlenden Mulder.
"Nacht, Téa",
sagte Scully mit zuckersüßer Honigstimme, woraufhin Mulder ihr einen grimmigen
Blick zuwarf.
Mulder wartete, bis Téa
aus dem Zimmer war und wandte sich dann empört an Scully.
"Scully",
zischte er, "warum bist du so kratzbürstig zu ihr? Wir sind immerhin
verheiratet. Sie hat das Recht, mich zu küssen, wenn sie möchte. Ich wusste gar
nicht, dass du so leicht eifersüchtig wirst", fügte er ärgerlich
hinzu.
"MULDER, du bist
NICHT mit dieser - diesem Cheerleader-Püppchen verheiratet. Du bist NICHT David
Duchovny, egal, wie ähnlich er dir auch sehen mag.
Ich bin auch nicht Gillian Anderson. Und das kleine Mädchen ist auch nicht
meine Tochter. Mulder, das hier ist
total unwirklich. Umso besser es mir hier gefällt, umso dringender, finde ich,
sollten wir einen Weg hier raus finden, bevor wir überhaupt nicht mehr hier weg
wollen."
Schmollend saßen sie eine
Weile mit dem Rücken zueinander. Mulder kam es komisch vor, Scully so
eifersüchtig auf eine Frau zu sehen, die es nicht einmal gab. Und Scully sinnte darüber nach, wie seltsam
es war, Mulder so mit einer Frau zu sehen, die es gar nicht gab.
Mulder brach letztendlich
die ungemütliche Stille.
Sie seufzte. "Nein.
Ich glaube, 'ich' bin geschieden."
Sie seufzte. "Nein.
Arme Piper. Ich glaube, ich bin geschieden."
"Also, um uns mal auf
andere Gedanken zu bringen... Mein kleines Frauchen hat mir diese 'Akte X'-Folge mitgebracht. Ich glaube, sie hat es 'Böses Blut'
genannt, oder so."
"Hört sich eigentlich
ziemlich gut an. Denk mal nach Mulder - eine Fernsehserie über unser Leben. Ich
kann's kaum erwarten. Warte mal eine Sekunde", sagte Scully und hielt
inne. "Böses Blut - das ist doch nicht etwa über unser, ähm, kleines Abenteuer in Chaney,
Texas, oder?"
"Vielleicht. Glaubst
du, dass diese Folge einiges aufklären wird?" Scully dachte nach.
"Das wird sicher seeehhhrrr interessant werden.
Los, Mulder, steck die Kassette rein. Ich will sehen,
wie gut Gillian und David uns spielen."
Mulder schob die Kassette
ein und Scully drückte Start...
**************
Scully drückte auf den Ausschubknopf des Videorecorders und hielt das Band mit
offenem Mund in den Händen. Sie war geschockt.
Mulder starrte auf die
jetzt weiße Mattscheibe des Fernsehers.
"Das ist das größte Stück einseitig gemachter Müll, der mir je
untergekommen ist, Scully. Wir sind überhaupt nicht so und wir *reden* auch
ganz bestimmt nicht so. Ich meine, dieser Dialog war sowas
von verrückt. Seit wann reden wir so mit Skinner, wie 'wir' es am Ende getan
haben? Er hätte uns achtkantig 'rausgeschmissen. Außerdem war es klischeehaft!
'Bis auf das mit den vorstehenden Zähnen.' Das ist doch wohl nicht ernst
gemeint."
"Ja, ich weiß."
Scully dachte insgeheim, dass sie Mulder ja ganz gut hinbekommen haben. Von der
lächerlichen Krawatte bis zu seinem Eifer, alles Gehörte zu glauben, und ihre
Theorien links liegen zu lassen. Aber *sie* haben sie absolut unmöglich
dargestellt. Diese Gillian-Frau hat sie wie ein zugeknöpftes, stocksteifes
Weichei gespielt. Gar nicht zu sprechen von der Tatsache, dass sie nie im Leben
so auf den Sheriff reagieren würde. Obwohl er gar nicht mal so schlecht
ausgesehen hatte...
Mulder auf der anderen
Seite hielt die Darstellung von Scully für bare Münze. Obwohl er es vor ihr nie
zugeben würde, natürlich. Er hätte beinahe laut losgelacht, als Gillians
'Scully' während der Magenuntersuchung einer Autopsie hungrig wurde. Aber er
konnte sein Lachen gerade noch zurückhalten, als er sich umdrehte und Scully mit
zusammengepressten Lippen und dem 'Wag es bloß nicht!'-Blick
in den Augen sah. Und als dann Gillians Version von 'Scully' Herzchen in den
Augen bekam, als der Sheriff mit den verqueren Zähnen hereinkam, konnte er
nicht anders und prustete los.
Aber dann verzog auch er
das Gesicht, als er Duchovny 'Mulder' spielen sah. Er
war wie ein komplett Verrückter. Mulder würde sich nie so verhalten...
oder?
"Und 'Shaft' habe ich noch NIE in meinem Leben gesehen",
murmelte Mulder.
"Wie bitte?"
fragte Scully. Sie war in Gedanken versunken gewesen. Sie runzelte die Stirn,
als sie sich an etwas erinnerte, das ihr am Anfang der Folge aufgefallen war.
"Mulder, warum
glaubst du, dass dein Name zuerst im Vorspann aufgeführt wurde? Weil du der
Star bist? Wie du der große Macho bist? Ich bin diejenige mit einem Abschluss
in Medizin und Physik", empörte sie sich.
Mulder rollte die Augen, wohlwissend, wann er die Kommentare seiner Partnerin besser
überhören sollte.
"Scully, kann ich
dich etwas fragen?"
"Sicher,
Mulder."
"Denkst du wirklich
so... über mich?"
Sie sah ihren Partner an,
und ihre Gesichtszüge wurden weicher, als sie merkte, was er meinte.
"Mulder, wenn zwei
Leute sich so gut kennen wie wir, werden gewisse Charakterzüge einfach durch
deren Wiederholung in ihrer Intensität verstärkt. Was ich sagen will, nein, tue ich nicht. Aber
manchmal kannst du mir echt auf die Nerven gehen. Gehe ich dir nicht manchmal
auf den Geist?" Mulder dachte nach. "Ja, manchmal. Aber ich denke
nicht, dass du ein ständig quengelndes Weichei bist... falls du dich das gerade
fragst." Scully sah ihn fast beleidigt an. "Nein, das habe ich
nicht."
"Okay, dann vergiss
es."
Mulder schwieg für einen
Moment und ihm fiel etwas auf.
"Weißt du, Scully, wir nehmen das Ganze viel zu ernst. Das hier ist
bloß eine Fernsehserie. Ich wette, die Leute, die sie sehen, nehmen sie nicht
halb so ernst wie wir."
"Natürlich
nicht."
"Nein, weil die ja
nicht diejenigen sind, aus deren Leben eine gestellte, manipulierte und
dirigierte Komödie gemacht wird - genau vor ihren Augen." Sie legte eine
Hand auf seinen Arm. "Komm, Mulder. Sehen wir im Internet nach, ob wir
irgendeinen Hinweis finden, wie wir hier herauskommen." Sie schalteten die
Computer ein.
"Okay, Scully",
sagte Mulder entschlossen. "Wie wär's, wenn du nach Infos über die Serie
suchst, während ich mich mit unseren beiden anderen Ichs befasse? Ich
bezweifele zwar, dass wir viel finden, aber vielleicht haben wir ja
Glück."
"Ich weiß auch nicht,
Mulder." Sie tippte "Akte X" in die Leerzeile einer Suchmaschine
und drückte 'Enter'.
"Ich glaube kaum,
dass da viel..." Die Stimme blieb ihr im Halse stecken. Auf dem Bildschirm
erschien die Zahl 28.229.920 als Anzahl der existierenden Seiten zu diesem
Thema. Völlig perplex winkte sie Mulder
zu sich heran.
"Mulder, sieh dir das
an!" Er sah auf den Monitor und machte große Augen. "Da muss ein
Fehler vorliegen. Wie kann es nur so viele Seiten über eine einzige
Fernsehserie geben? Über UNS?" Mulder verschlug es fast die Sprache.
Er ging wieder zu seinem
Computer und tippte "David Ducovny".
Die nächste Seite, die
erschien, war enttäuschend. Nur ein paar hundert Seiten. Scully erschien plötzlich hinter ihm und sah
ihm über die Schulter.
"Mulder", seufzte
sie. "Duchovny wird mit 'h' geschrieben - ein
stilles 'h'."
"Oh, ja, klar",
sagte Mulder hastig. "Ich wollte nur testen, ob du es auch merkst."
Scully grinste und ging
wieder zu ihrem Computer.
Er tippte den richtigen
Namen ein und drückte wieder 'Enter'. Und ihm fielen
fast die Augen aus, als die nächste Seite 3.452.243 existierende Seiten
anzeigte.
"Das glaube ich
einfach nicht, Scully! Dieser Duchvony-Typ ist ja im
ganzen Net!" Er klickte den obersten Link an und eine neue Seite baute
sich auf. Die Überschrift der Seite lautete "DDEB". Mulder runzelte
die Stirn. Was das wohl heißt? Er sah genauer hin und stöhnte. Die Abkürzung
stand für David Duchovny Estrogen
Brigarde. Großer Gott...
Die nächste Seite, die er
anklickte, war die der Duchovniks. Er brachte es
einfach nicht unter, dass es so viel über diesen Schauspieler gab. Er sah
einfach keinen Sinn darin.
Dann fand er eine
Kurzfassung der Biographie von diesem Mann.
"Hey, Scully, hör dir
das an..." er räusperte sich. "Ich hatte bis
jetzt immer gedacht, dass ich eine annehmbare Ausbildung habe, aber gegen
diesen Duchovny sehe ich alt aus. Pass auf - er hat
in Princeton studiert und eine These über Samuel Beckett geschrieben. Und dann
hat er Yale abgeschlossen und fast einen Doktor in Englischer Literatur
bekommen. Hier steht, dass sein Thema 'Magie und Technologie in
zeitgenössischer amerikanischer Prosa und Lyrik' war. Er ist um Längen besser
als ich. Aber warum ein Schauspieler so eine Ausbildung hat, liegt mir fern.
Und dir? Scully..?"
Er hörte Schnarchen.
Mulder stand auf und ging zu
ihr hinüber. Er kitzelte sie und sie wachte erschrocken auf.
"Häh,
was?" Scully öffnete groggy die Augen. "Oh, 'tschuldigung,
Mulder. Ich bin wach."
"Es ist schon spät.
Wenn du hier schlafen möchtest, nur zu. Ich kann sowieso nicht schlafen an einem
Ort wie diesem. Es ist viel zu... bequem." Mulder sah sich verwirrt um.
"Nein, ist schon ok,
Mulder. Wir müssen der Sache hier auf den Grund gehen. Also, was wolltest du
mir sagen?"
"Ich habe gesagt,
dass David Duchovny ziemlich gebildet ist, was mich völlig
umhaut. Der Typ, der mich spielt, hat eine bessere Ausbildung als ich. Und
angefangen hat er wohl mit einer Bierreklame. Seine nächste große Rolle war ein
Transvestit, Scully. Vielleicht sollten David und ich uns mal
kennenlernen", grinste Mulder.
"Hast du etwas über
mich gefunden? Ich meine, Gillian?" korrigierte sich Scully.
"Ich habe eine Seite
gefunden, auf der steht, wie Gillian Anderson die Rolle der guten Doktor Scully
in 'Akte X' bekommen hat."
"Wie denn?"
"Anderson ist oft
umgezogen, z. B. von London nach Michigan. Einmal wurde sie in der Highschool
für das Verkleben von Türgriffen eingelocht. Nachdem sie sich gegen einen
Werdegang in der Meeresbiologie entschieden hatte, machte sie einen Abschluss
in dem Fach Theater an der De Paul Universität. Sie hat irgendeinen regionalen
Preis für ihre Darstellung in einem Broadway-Stück bekommen, aber ihre einzige
Fernsehrolle vor 'Akte X' war in so einer kurzlebigen Serie namens 'Class Of 96'. Also, Duchovny ist
das Hirn und du, meine liebe *Gillian*, bist 'Meisterin der
Theaterbühne'", lispelte Mulder mit Britischem Akzent.
"Was für ein nettes
Pärchen wir doch sind. Als nächstes erzählst du mir, dass David sexsüchtig ist
und Gillian in ihrer Jugend als Punk durch die Gegend gezogen ist", sagte Scully
kopfschüttelnd.
Nee, dachte Mulder. Lieber
nicht.
Scully schüttelte den
Kopf. "Ich kann kaum glauben, was ich hier lese. Die Leute scheinen
besessen von uns zu sein, Mulder. Und ich meine uns. Da sind jede Menge
Geschichten über Mulder und Scully. Einige davon würden dir bestimmt gefallen -
sie sind nämlich nicht jugendfrei."
"Ohh, da muss ich mal rein schauen", grinste Mulder.
Scully
studierte die Seite. "Hör dir das an: 'Mulder und Scully vergnügen sich in
einer Nacht voller
Leidenschaft,
als Skinner ihnen einen Auftrag zuteilt, in dem es um Morde in einer
Freikörperkultur
geht.'"
"Hört
sich gut an. Liest du's mir vor?"
"Träum
weiter."
"Bin halt
auch nur ein Mann. Okay, was noch?"
"Es gibt Bilder-Archive
und Kritiken zu den Folgen, aber die habe ich noch nicht näher
angeschaut."
"Hmm,
die Reviews würde ich gern mal lesen. Das ist
bestimmt so, als ob man eine Biographie von sich liest. Stimmt's,
Scully?"
"Oh, sorry, Mulder.
Ich habe nur gerade... äh... etwas gesehen" Sie wollte rasch die Seite
wechseln, aber Mulder war schneller.
Über ihre Schulter sah er,
was Scully so peinlich war. Vor ihr war eine Seite mit lauter Bildern von einer
äußerst freizügigen Gillian Anderson.
"Ich kann nicht glauben, dass sie so etwas anzieht!" murmelte
Scully, ihre Wangen knallrot. "Guck dir das hier an - es ist von der
Golden Globe Verleihung. Du in einem Anzug und mein
Kleid stellt glatt Madonna in den Schatten." Sie drehte sich zu Mulder um
und musste zu ihrer Verwunderung feststellen, dass er mit aufgerissenen Augen
und offenem Mund da stand und das Bild anstarrte.
"Was zum Teufel
starrst du so?" grummelte sie.
"Äh, gar nichts. Ich
schlage vor, du solltest ab und zu mal ihren Kleiderschrank plündern."
"Du hast nicht eben
wirklich gesagt, was ich gehört habe, Mulder", warnte Scully. "Ich
sehe immer noch besser aus als du."
"Was habe ich
gesagt?" fragte Mulder unschuldig und versuchte zu vergessen, wie heiß
Scully... oh, richtig, Anderson... in dem cremefarbenen tief ausgeschnittenen
Kleid ausgesehen hat.
Aber andererseits, wenn
sich Scully jeden Tag so anziehen würde, würde er sich nie wieder auf seine
Arbeit konzentrieren können. Hmm, nicht, dass so eine
kleine Ablenkung jemandem schaden würde...
Scully klickte auf einen
anderen Link und kam auf eine Seite mit umwerfenden Bildern von Mul... David. Er sah aus wie ein GQ-Model
und Scully ertappte sich dabei, wie ihre Gedanken in fernere Gefilde
schweiften. Sie sah zu Mulder herüber,
der gerade wieder an seinem Computer surfte und fuhr sich mit der Zunge über
die Lippen.
Scully hatte Mulder noch
nie so gesehen, und sie wollte es nicht wahrhaben, wie sie darauf *reagierte*.
Sie merkte überhaupt nicht, wie sie anfing, die Bilder größer zu klicken und
sie herunter zu laden.
Sie fuhr mit der Maus die
Seite herunter und ihr stockte der Atem, als sie ein Bild mit einem geradezu
nackten David Duchovny sah. Er saß mit gut bemuskelten langen Beinen und frechem Grinsen an einem
Fenster, seine unteren Bereiche lediglich mit einer Teekanne bedeckt. Scully
schluckte und musste husten. Wieder schoss ihr die Röte ins Gesicht.
Mulder stand ihr zur
Seite, um ihren Rücken zu klopfen, doch seine Hand hielt auf halbem Wege inne,
als er das Bild sah.
Er sah eine lange Zeit auf
das Foto.
"Hmm",
machte Mulder letztendlich. "Wenigstens ist es eine große Teekanne."
Er ging zurück zu seinem Stuhl und ließ die äußerst aus ihrer Ruhe gebrachten
Scully ihren Phantasien nachsinnen.
Auf einmal prustete Mulder
vor Lachen los, so dass ihm Tränen in die Augen stachen. Scully schnellte zu
ihm, um zu sehen, was denn so lustig war.
"Was ist los, Mulder?"
Sie wollte auf der Stelle
im Boden versinken, als sie den Titel der Internet-Seite las.
Es gab doch tatsächlich
eine Seite über Scully mit Namen OBSSE - "Order of the
Blessed Saint Scully the Enigmatic." ("Orden der Heiligen Scully, der
Undurchschaubaren")
"Ich bin keine
Heilige", schnaubte sie trotzig und konnte wieder nichts daran ändern,
dass sie rot anlief.
"Oh, wirklich, Scully?
Nenne mir eine unheilige Tat, die du im letzten Jahr vollbracht hast. Neben dir
ist Mutter Theresa glatt eine Verbrecherin." Zu ihrer Bestürzung fiel
Scully überhaupt kein Beispiel ein.
"Okay, vielleicht
doch. Aber was an mir ist so verdammt undurchschaubar?" Er sah sie an,
Hände an den Hüften und Lachtränen im Gesicht. Ihre Versuche, alles
abzustreiten bewirkten nur, dass er noch mehr lachen musste.
"Sieh's
mal so, Scully", keuchte er. "Es ist ein Kompliment."
"Ach, wirklich?
Irgend so eine Tante von der Episoden-Kritik-Seite hat deinen Haarschnitt
letztes Jahr als 'Flügelchen-Frisur' bezeichnet. Was ist das für ein
Kompliment?"
Was sie ihm nicht sagen
konnte, war, dass dieselbe Frau ihren Frisur- und Modegeschmack der Zeit von
Gillians Schwangerschaft vor etwa drei Jahren beigemessen hatte. Keine zehn
Pferde brachten sie dazu, ihm *das* zu sagen.
Mulder schnaufte. "Was? Was Besseres fällt dir nicht ein? Komm
schon, Scully, ich fordere dich heraus."
"Ich habe eine Seite
namens 'Mulder Torture Anonymous'
('Quält Mulder') gefunden. Ist das auch ein Kompliment?"
Mulder hörte auf zu
lachen. "Was zur Hölle soll das denn heißen?" Scully seufzte.
"Das ist eine Seite, auf der Fans ihre Geschichten posten,
in denen du physisch oder psychisch... dran glauben musst. Deinen Fans macht
das offensichtlich Spaß."
"Hmm,
das ist ja schmeichelhaft. Hast du noch etwas auf Lager, um mein Ego zu
schrumpfen?"
"Mulder, du vergisst
da etwas - die Leute benennen ihre Web Seiten nicht nach dir und mir. Wir sind
bloß zwei gewöhnliche, alltägliche, langweilige FBI-Agenten, die in der Nähe
von Washington D.C. wohnen. Den Mulder und die Scully, die sie kennen, sind
lediglich zweidimensionale Rollen in irgend so einer... Fernsehserie, um es mal so auszudrücken. Sie
sind nicht wir. Wenn sich jemand die Mühe machen würde, über uns eine
Fernsehserie zu machen, würde sie bestimmt 'Scully und Mulder bewältigen
täglich einen Riesenberg Papierkram und sitzen den Rest der Zeit herum' heißen.
Du solltest es also nicht persönlich nehmen. Ich möchte dich daran erinnern,
dass wir hier herausfinden wollen, wie wir wieder dahin können, wo wir
hingehören."
"Du hast Recht.
Entschuldige. Ich glaube, all das viele Geld und der Erfolg hat mir völlig das
Hirn verdreht."
Sie seufzte. "Ich
weiß, was du meinst. Ich habe mich heute dabei ertappt, wie ich richtig Spaß
hatte. Dass das Leben so einfach und sorgenfrei ist. Im Vergleich zu unserem,
meine ich."
"Ja, Scully",
sagte er mit undefinierbarem Gesichtsausdruck. "Aber David und Gillian
haben sich nicht gegenseitig. Wir schon. Ich würde dich nicht für dieses Leben
hergeben. Nicht um alles in der Welt."
Scully bekam feuchte
Augen.
"Ich dich auch
nicht." Sie lächelte und umarmte ihn kurz.
Dann löste sie sich von ihm.
"Mulder, ich habe
nachgedacht. Ich hätte nicht so-mir-nichts-dir-nichts
deine Erklärung mit den parallelen Dimensionen abschieben sollen.
Er starrte sie an.
"Ehrlich?"
"Ehrlich. Ich habe
genug gesehen, um mich zu überzeugen, dass das hier nicht nur irgendein dummer
Witz ist. Es ist vielleicht sogar wissenschaftlich erklärbar. Wir sind nicht
irgendwohin gebracht worden, Mulder - die Realität um uns herum hat sich
verändert. Ich glaube, dass der Schlüssel zu diesem Puzzle genau vor unserer
Nase ist. Wir haben ihn bloß noch nicht gesehen." Mulder konnte es nicht
fassen.
"Ich kann nicht
glauben, dass es... dass sie Recht hatten. Sie hatten wirklich Recht. Wir sind
wirklich F.E.G."
Sie blickte ihn verwirrt
an. "Wir sind was?"
"Für einander
gemacht, Scully. Dieses Internet-Gerede. Ich habe mich mal bei der Akte X- Newsgroup eingeklinkt und da standen eine Menge
faszinierende Sachen über unsere Beziehung zueinander. Ich war mir nicht
sicher, ob ich es dir sagen sollte, aber was soll's: mich sehen sie meistens
als einen gequälten, schuldbeladenen und besessenen Verlierer mit lächerlicher
Redegewandtheit und einer Vorliebe für Porno. Und dich sehen sie als eine
starke, brillante Wissenschaftlerin, die alles dafür tun würde, um mich aus
allen möglichen Klemmen zu holen, in die ich mich ständig hereinreite. Außerdem
finden sie es toll, deinen Modegeschmack zu bewerten und sich darüber zu
beschweren, dass wir ein so 'unrealistisches' Privatleben haben, wenn wir nicht
gerade arbeiten. Was auch immer das heißen soll."
Scullys Augenbrauen
berührten fast die Zimmerdecke. Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte.
"Und was diese ganze
Romanze-Sache angeht, da gibt es offensichtlich zwei Gruppen von Fans",
fuhr Mulder fort. "Ein Gruppe möchte, dass wir endlich Klartext reden und
eine Beziehung eingehen... eine nicht-platonische, meine ich. Diese Leute
nennen sich Shipper, was eine Abkürzung für Relationshipper ist. Die anderen
sind die Noromos, Abkürzung für 'No Romance'. Aber
viele sind davon überzeugt, dass die Serie enden sollte, wenn 'Mulder' und
'Scully' zusammen kommen. Das scheint die überwiegende Meinung zu sein."
Scully war wie geplättet.
"Die Fans dieser Fernsehserie haben das über uns gesagt?"
"Ja, das haben sie.
Das ist geradezu einzigartig. Irgendwie denke ich fast, dass sie uns besser
kennen, als wir sie."
Als wir sie? Sie starrte
ihn entgeistert an und ein kalter Schauer lief ihr
den Rücken herunter. "Mulder, hast du gehört, was du eben gesagt
hast?"
"Nein. Was
denn?"
"Du hast gesagt 'als
wir sie'. Meinst du nicht 'als wir uns'?" Mulder gähnte. "Gillian,
ich bin jetzt zu müde, um näher darauf einzugehen. Was soll das heißen?"
Scully war zu Tode
erschrocken. "Merkst du, was passiert? Wir werden zu diesen Schauspielern.
Wir sind nicht länger wir selbst. Wir können uns nicht von 'Mulder' und
'Scully' aus der Serie unterscheiden. Merkst du es denn nicht? Wir werden nicht
mehr als Individuen existieren, wenn wir zulassen, dass das hier weiter
passiert.
Wir verändern uns dadurch,
dass wir die Rollen spielen. Wir werden tatsächlich zu David und Gillian."
Der Gedanke jagte ihr abermals einen Schauer über den Rücken.
Mulder nickte und merkte
plötzlich, dass etwas sehr Seltsames passierte. "Ja, ich weiß, was du
meinst. Es gefällt mir gar nicht, dass ich mich mit irgendjemand anderem da
draußen teilen soll. Und trotzdem lese ich über mich, als ob er gar nicht ich
ist..." Mulder war durcheinander.
Scully spürte, wie ihre
Persönlichkeit in ihr zu verschwimmen begann und sie blinzelte.
Mulder rieb sich die
Augen. "Gillian, was passiert mit uns?" Sie hatte Angst. "Dav... Mulder, ich bin Scully. Ich bin Scully, weißt du
nicht mehr?"
"Doch, weiß ich... Du
bist Scully und ich bin David... Nein, verdammt!"
Nun fühlte auch er, wie
seine ganze Identität zu schwinden begann.
"Ich gehe jetzt
schlafen, Gillian. Fahr mit Piper nach Hause. Geh schlafen." Scullys
Ausdruck war tief betroffen.
Er schüttelte den Kopf und
für einen Moment wurde er wieder er selbst.
"Scully, du musst uns hier herausbringen. Ich kann es nicht. Ich...
ich bin nicht stark genug." Er fühlte sich völlig zwischen zwei
Persönlichkeiten hin und her gerissen...
Auf einmal fiel Scully
etwas ein, das sie schon den ganzen Abend nicht losgelassen hatte und jetzt
wieder völlig klar wurde. Es brachte wieder eine gewisse Ordnung in ihr Hirn
und sie hielt an dem Gedanken so fest sie konnte. Sie wusste nicht warum, aber sie wusste, es
war für sie der einzige Weg aus dieser Anonymität heraus, die drohte, sie
völlig zu überwältigen.
"Mulder, küss
mich."
"Küss
mich."
"Nein. Ich weiß, wie
wir hier herauskommen. Ich bin sicher, dass es uns unsere Identitäten
zurückgeben wird. Wir müssen uns küssen. Denk doch mal nach. Der Typ an der
Tankstelle hat es gesagt, und was du gesagt hast, hat mich wieder darauf
gebracht - die Fans sagen, dass die Serie zu Ende sein wird, wenn Mulder und
Scully zusammen kommen. DIE SERIE GEHT ZU ENDE. Und all das hier", Scully
deutete um sich, "wird ebenfalls enden. Wir werden wieder wir selbst sein.
Alles wird wieder wie vorher sein. Es ist der einzige Weg, Mulder." Scully
musste es ihm nicht zweimal sagen.
Sie standen auf und gingen
aufeinander zu. Die Luft begann zu vibrieren und es schien wie vor Elektrizität
zu knistern.
"Okay", sagte
Scully und ließ mit diesem Wort alle Luft aus ihren Lungen. "Fertig?"
"Ja."
"Oka.." Mulder
schnitt ihr das Wort ab, indem er seine Lippen gegen ihre presste.
Sie küssten sich und versanken
völlig in dem neuen Gefühl sinnlicher Empfindungen.
Plötzlich flog die Tür auf
und Téa stürmte herein.
Mulder und Scully wandten
ihr den Blick zu, aber ihre Lippen ließen nicht voneinander ab. Sie hatten
Angst, den sicheren Kontakt zu brechen.
"Du Bastard! Ich
hab's gewusst!" schrie Téa. "Der Enquirer
hatte Recht! Du Mistkerl!"
Der Raum um sie herum
begann zu schwinden. Mulder flüsterte Scullys Namen:
"Scu........
*************
...uuuullllyyy."
*Ufffzzz*
Sie fielen auf einen harten
hölzernen Boden und sahen benommen auf. Die Zimmerdecke war nicht mehr wie
vorher.
Etwa ein Dutzend Leute
standen um sie herum und sahen auf sie nieder, als ob sie Versuchstiere im
Labor seien.
Mulder stand wackelig auf.
Scully stand ebenfalls auf
und stützte sich auf Mulders Arm. Einer der Männer, ein greiser Mann in einem
Laborkittel, grinste sie an.
"Sie haben den Test
mit Bravour bestanden und wieder zurück gefunden. Sie haben für uns unsere
Erfindung getestet, Agenten. Vielen Dank."
"Soll das heißen,
dass es alles wegen dieser Maschine war?" fragte Scully.
"Präzise. Wir hatten
zwar nicht erwartet, dass Ihr Partner den Knopf betätigen würde, aber dadurch
ist alles sogar noch glaubhafter geworden."
"Sie sind also
allesamt verschwunden, nur damit Leute ihre Erfindung austesten?" Mulder
war sauer, weil sie so ausgenutzt worden waren. Es gefiel ihm ganz und gar
nicht.
"Nein. Wir sind
verschwunden, damit Sie und Dr. Scully den Fall untersuchen und den Test machen.
Wir wussten, dass Sie kommen würden."
"Woher?"
"Ihre
X-Akten-Abteilung ist wegen den Entdeckungen, die Sie machen, in
Wissenschaftlerkreisen wohl bekannt. Also, haben wir ihre Arbeit verfolgt, und,
in gewissem Maße auch Ihre Partnerschaft."
"Aber... wieso gerade
wir?" wollte Scully wissen.
Der Mann lächelte
geheimnisvoll. "Wir kennen Sie besser als Sie sich selbst." Damit
drehte der Mann wieder an dem Knopf und alle Männer verschwanden. Mulder und
Scully waren wieder allein in dem großen, dunklen Tudor-Haus.
***************************
FBI-Zentrale, Washington, D.C.
Büro von Assistant Direktor
Skinner
9.42 Uhr
(Am nächsten Tag...)
"... Das, ähm, das war's dann, ja? Sie sind einfach spurlos
verschwunden", sagte Skinner ungläubig.
Mulder nickte.
Sie blickten sich an und
Scully nickte zögerlich.
"Ja, Sir. Agent
Mulder und ich sind davon überzeugt..." sie sah zu Mulder, der ihrem Blick
auswich, "... dass die Erfindung der Wissenschaftler irgendeine Art von
Gerät ist, das Leute in einer virtuellen Realität versetzten kann, und die uns
im wahrsten Sinne des Wortes in ein Rollenspiel geschickt hat." Sie atmete
durch. Skinner beäugte sie beide.
"Also, ich kann Agent
Scullys Version der Geschichte weder bestreiten noch bestätigen, weil sie sich
lediglich in ihrer Vorstellung zugetragen habt."
"... ich kann auch
nicht bestätigen, dass Agent Mulders Version wahr ist."
"Das ist... genau
das, was im Wesentlichen passiert ist."
"Denke ich
auch."
Mulder sah Scully an.
"Bis auf das mit
Scullys Schauspielkünsten."
Scully rollte die Augen.
ENDE
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