DESIDERATUM

Autoren: Rachel Anton und Laura Blaurosen

RaValliano@aol.com und Mezzo4@aol.com

 

Titel: Desideratum II: Gefunden

Originaltitel: Desideratum II: Found

Rating: NC-17

Kategorie: S, A, R

Schlüsselwörter: MSR, Angst

Spoiler: Gehen wir sicher und sagen 5. Staffel und FTF.

Dementi: Uns gehören Mulder, Scully, Skinner, Bill und Maggie Scully und der Begriff von Charles Scully nicht. Alle anderen Charaktere sind unsere eigenen.

Verteilung: überall, solange unsere Namen und unsere e-mail-Adressen dabei stehen

Zusammenfassung: Wie weit kann man im Namen der Liebe gehen?

Wie immer, danke an Amy für Ansporn und Rat

Übersetzung: ClaudiaQueequeg (queequeg@myrealbox.com) und Sylvia (aktex_sm@hotmail.com)

*****

Desideratum II: Gefunden

Kapitel 1/11

 

Freitag, 5 Uhr morgens

Georgetown Medizinisches Zentrum

Mulder rutschte an dem harten Krankenhausstuhl hinunter und versuchte die Augen geschlossen zu halten. Nur für eine Minute. Er wusste, dass er etwas Schlaf brauchte. Er lief schon auf der Reserve. Schon bevor sie sie gefunden hatten, hatte er zwei Tage lang nicht geschlafen und das war bereits fast achtundvierzig Stunden her. Doch selbst jetzt war er zu verspannt, viel zu vollgepumpt mit Adrenalin, um sich fallen zu lassen.

Scully war noch bewusstlos. Die Ärzte schienen zu denken, dass das okay war. Sie hatte eine große Menge von Halluzinogenen in ihrem Blut und hohes Untergewicht, doch sie sagten, dass sie sich um das alles kümmern würden. Dass sie früh genug aufwachen würde, sobald ihr Körper sich die Zeit genommen hatte, sich zu erholen und sie wieder zu Kräften gekommen war. Sie würde wieder okay sein. Das war es, was sie sagten. Zumindest körperlich. Psychisch... das war eine andere Sache. Eine, über die sich Mulder nur kurz erlaubt hatte zu spekulieren. Bei so einem Trauma war es schwer einzuschätzen, was für eine Art von psychologischem Schaden zurückbleiben würde. Es hing von den Dingen ab, die Jane zu ihr gesagt oder ihr angetan hatte. Und es gab keinen Weg, das herauszufinden, bis sie aufwachen und es ihm erzählen würde. Wenn sie es ihm erzählte.

Mulder hatte keine Ahnung, ob sie es tun würde. Die Wahrheit war, dass er nicht einmal überrascht wäre, wenn sie ihn nie wiedersehen wollte. Letztendlich war diese Sache, mehr oder weniger, nur wegen ihm geschehen. Er hatte diese psychotische Schlampe in ihr Leben, in ihrer beider Leben, gebracht. Er war es gewesen, auf den sie so fixiert gewesen war, den sie durch Scullys Entführung zu bekommen versucht hatte.

Bei der weiteren Durchsuchung ihrer Wohnung wurden neben ihrem kleinen Schrein für Mulder noch einige andere persönliche Dinge von ihm entdeckt. Es schien, als ob sie durch ihre Schnüffelei und anderen Zudringlichkeiten genug über ihn gemutmaßt hatte, um zu wissen, dass das einzige Hindernis zwischen ihr und dem Objekt ihrer Begierde Scully war. Sie wusste, möglicherweise besser als jeder andere, wie er für Scully empfand. Möglicherweise weit besser, als Scully selbst es wusste. Das machte Mulder krank genug, um sich zu übergeben. Und er hatte sich übergeben. In den vergangenen Stunden war er zwischen Scullys Bett und der Toilette hin und her gewandert.

Es war, als ob seine schlimmsten Ängste zur Realität wurden. Zum millionsten Mal. Jemand hatte Scully benutzt, um an ihn ranzukommen. Hatte sie verletzt, um ihn zu manipulieren. Er fragte sich, warum. Warum war es das Los seines Lebens, dass die Menschen, die er liebte, seinetwegen endlos gefoltert wurden? Dieses Mal war es nicht das Konsortium oder irgendeine dunkle unbekannte Macht gewesen. Es ist seine verdammte Putzfrau gewesen, um Himmels willen. Werden sie jemals sicher sein? War denn die ganze Welt gegen sie?

Mulder seufzte und rutschte wieder unbehaglich umher. Zumindest würde er sie endlich sehen können. Als die Ärzte ihre Untersuchungen beendet hatten, hatten sie ihm erklärt, dass es, bis sie aus der Intensivstation verlegt werden konnte, nur der unmittelbaren Familie gestattet war, sie zu sehen. Er würde es niemals schaffen, den selbstgefälligen Blick, den ihm Bill Scully deswegen zugeworfen hatte, zu vergessen. Charlie hatte ihn verteidigt, hatte vehement protestiert, dass Mulder zur Familie GEHÖRTE, doch niemand sonst hatte dieser Feststellung zugestimmt.

Deshalb hatte er gewartet, bis Mrs. Scully, Bill und Charlie nach Hause gegangen waren und dann damit begonnen, die größte Krankenhausszene in seiner langen Geschichte von Krankenhausszenen zu machen. Er schaffte es, sie zu überzeugen, dass sie immer noch in Gefahr war und dass er ihr persönlicher FBI-Leibwächter wäre. Nachdem er lange genug herumgebrüllt und mit seiner Marke herumgewedelt hatte, wurde ihm schließlich der Zugang gewährt und seitdem war er an ihrer Seite.

Scully bewegte sich im Schlaf. Es war die erste Bewegung von ihr, die er, seitdem sie in Ohnmacht gefallen war, gesehen hatte. Er hielt ihre Hand noch fester in der seinen. In den vergangenen neun oder zehn Stunden hatte er sie gehalten und gehofft, dass sie es fühlen konnte, dass es irgendeine Art von Rettungsleine für sie sein könnte.

Er überprüfte die Monitore, an die sie angeschlossen war. Die Linien bewegten sich und zuckten in der verhältnismäßigen Dunkelheit des Raumes. Sie wachte auf. Oder zumindest glitt sie nun von ihrer Bewusstlosigkeit in das Schlafstadium.

Mit seiner freien Hand berührte er leicht ihr Gesicht.

"Scully? Bist du da?" Ihre Haut war kalt und klamm. Als er sie berührte, zuckte sie. Der ruhige, friedliche Ausdruck auf ihrem Gesicht veränderte sich. Sie sah angespannt und beunruhigt aus.

"Scully, es ist okay. Du bist okay." Er beugte sich über sie und flüsterte in ihr Ohr. "Shhh, es ist jetzt okay." Ihr Körper zuckte und bevor er überhaupt wusste, was geschah, begann sie wild um sich zu schlagen. Sie sah aus, wie er während seiner schlimmsten Alpträume, schlug blindlings nach unbekannten Angreifern und zog an den Bettlaken. Und an ihrer Infusion. Gott, ihr Gips! Sie war überall. Und sie würde sich noch verletzen, wenn er sie nicht aufhielt.

Mulder tat das einzige, woran er denken konnte. Er kletterte zu ihr in das winzige Bett, nahm sie in seine Arme und versuchte verzweifelt, sie aufzuwecken.

xxxxxx

 "Du denkst, du kannst mir so einfach entkommen, du kleine Schlampe?"

Scully öffnete ihre Augen, um Jane wiederzusehen, ihre Augen blickten wilder denn je. Scullys Herz hämmerte vor Sorge, was diese Frau ihr wohl als nächstes antun könnte. "Nein, bitte, Jane. Bitte nicht."

Doch wohin war Mulder gegangen? Sie hätte schwören können, dass er gerade da war. Und Charlie? Es war Charlies Stimme, die sie gehört hatte. Und Mulder. Mulder hatte versprochen nicht zu gehen... "Mulder, wo ist Mulder?"

"Er ist, verdammt noch mal, nicht hier. Er kümmert sich nicht um DICH!" schrie Jane. "Verflucht seist du, Dana Scully. Verflucht seist du, du hässliche Hexe." Sie sprang auf Scully, nagelte sie mit ihrem Bein an das Bett, ihr Knie war gegen Scullys Brustbein gepresst und schnürte ihr den Atem ein. "Du schlechtes, hässliches Stück..." Sie packte sie am Hals und drückte zu. "...NICHTS!"

"Nein." Scully versuchte zu schreien und griff nach Jane, schlug mit ihren Fäusten wild nach ihr und wand sich. Sie konnte Jane nicht abschütteln, konnte nicht atmen. "Nein, nicht, gottverdammt! Lassen Sie mich in Ruhe, bitte," schrie sie. "Nein, bitte, bitte, Aufhören. Hören Sie auf! NEIN!"

"SCULLY!" hörte sie, aber es war nicht Janes Stimme die sie hörte. "Nein! Lass mich in Ruhe!" schrie sie und schlug weiter mit ihren Fäusten um sich. "Scully, bitte, öffne deine Augen. Öffne deine Augen und sieh mich an."

Langsam bemerkte sie Mulders Gegenwart. Er lag neben ihr und hielt sie noch an ihren Armen. Scully starrte ihn an, die Augen für einen Moment lang geweitet vor Terror. Gott sei Dank, er war hier. Er war hier. Oh, danke Gott. Sie konnte es nicht verhindern und fing an zu weinen. Und begann bald, zu Hyperventilieren. Mulder; sie musste ihm von ihr erzählen.

"Mulder, lass nicht zu..." Sie keuchte zweimal. "Sie...sie- lass nicht zu, dass sie mir noch mal wehtut. Mulder, sie hat mir wehgetan." Da sie unfähig war, ihren Atem unter Kontrolle zu bringen, hörte sie auf zu sprechen.

"Scully, komm schon, du musst dich entspannen. Komm schon, *atme* mit mir, atme." Er nahm einen tiefen Atemzug und drückte sie an sich, dann ließ er ihn langsam hinaus. "Ein. Aus. Ein. Aus. Niemand wird dir noch wehtun," flüsterte er ihr ins Ohr.

"Wo ist sie, Mulder, wo ist sie? Du musst-" "Die Polizei hat sie weggebracht. Sie wird dir nicht mehr wehtun. Das kann sie nicht. Du bist jetzt im Krankenhaus." Er streichelte rhythmisch ihre Haare.

Scully rückte weg, sah ihn an und versuchte, sich auf ihn zu konzentrieren, um sicher zugehen, dass er real war. Im Zimmer war es dunkel und inzwischen war ihr ein wenig bewusst, dass sie in einem Krankenhausbett war. Warum Mulder neben ihr im Bett lag, wusste sie nicht, doch er war es ganz sicher. Sie kannte seine Gestalt besser als jede andere. Und sie war froh, dass er hier war.

Sie konnte ihn nicht völlig klar sehen, "Ich dachte," schluchzte sie, "Ich dachte, dass du mich nicht finden wirst. Ich dachte, dass du mich nicht finden wirst."

"Gott, Scully, es tut mir so..." Einen Moment hielt er inne und sah in ihr verletztes Gesicht. "...so leid."

Scully konnte sich nicht vom Weinen abhalten. Zum Teil aus Erleichterung und zum Teil aus noch vorhandenen Angstgefühlen. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.

"Mach weiter und weine, Scully," hörte sie ihn leise sagen. "Tu es einfach."

"Geh nicht, Mulder. Versprich mir, dass du nicht gehen wirst." Sie bewegte ihren linken Arm so, dass sie ihn noch näher halten konnte und wimmerte leise an seiner Brust.

"Ich werde nirgendwohin gehen, Scully."

Nach wenigen Augenblicken fragte sie, "Mulder?" "Ja?" "Wie spät ist es?"

Sie fühlte, wie er zitterte. "Du hast keine Ahnung, wie froh ich bin, dass du mich das fragst."

"Du bist so einfach zufrieden zu stellen," murmelte sie, als er sie sachte zurück in die Kissen legte und sich neben ihr ausstreckte.

"Ruh dich jetzt nur aus, Scully. Ich werde hier sein."

xxxxxx

Samstag

12:35

Mulder ging nervös durch den Korridor zu Scullys Zimmer. Sie war nun endlich aus der Intensivstation verlegt worden und fühlte sich vermutlich etwas besser. Es war das erste Mal, dass er sie, nachdem sie ihr Bewusstsein wiedererlangt hatte, wach sehen würde. Er konnte nicht verhindern, dass er sich darüber Sorgen machte, wie ihr emotionaler Zustand wohl sein würde. Wahrscheinlich würde sie sich sehr seltsam fühlen. Sie erholte sich von Wochen voller Halluzinogene und wurde gleichzeitig mit Schmerzmitteln und Valium vollgestopft. Ganz zu Schweigen von den Erinnerungen. Und an der Spitze des Ganzen konnte er nicht verhindern, sich zu fragen, wie sie für ihn empfand, jetzt da sie ihr Bewusstsein vollständig wiedererlangt hatte. Erinnerte sie sich an ihren Streit? Hasste sie ihn noch dafür?

Glücklicherweise war sie alleine, als er in ihr Zimmer kam. Keiner der Scullys war irgendwo zu sehen. Sie saß aufrecht in ihren Bett und starrte aus dem Fenster. Ihr gebrochener Arm war bis zur Schulter in Gips und wurde in einer Schlinge gehalten. Dünn und blass sah sie aus. Als sie sich zu ihm umdrehte waren ihre Augen glasig.

"Mul'r, biss du das?" "Ja, ich bin’s." Er setzte sich ans Bett und nahm die Hand ihres ungebrochenen Armes. "Wie geht es dir?"

Scully war sich nicht sicher, was sie darauf antworten sollte. Sie fühlte sich ganz gut, doch irgendwo in ihrem Hinterkopf verstand sie, dass das wegen der Medikamente war, die die Ärzte in ihren Körper pumpten.

"Mmm ...okay". Er wirkte auf sie sehr verschwommen, doch sie konnte sehen, dass er nicht okay war. "Wie geht’s dir?"

Mulder lächelte und gluckste. "Es geht mir gut, Scully. Mach dir deswegen keine Sorgen."

"Warum lachst du? Dass iss nich lustig." Sie hatte einen abrupten und seltsamen Gedankenblitz, eine Erinnerung an etwas von Jane, etwas, dass sie gesehen hatte. "Mul'r, dein Arm, wie geht’s deinem Arm?"

Einen Moment lang sah er sie seltsam an. "Gut...Scully, es ist gut..."

Ein weißer Fleck glitt in das Zimmer. Die Krankenschwester. "Das iss meine Krankenschwester ...Mulder."

"Wie fühlen Sie sich, Miss Scully?"

"Ich bin Ärztin, Schwester. Gut, nicht nur Ärztin. Sie sind meine Krankenschwester und ich bin die Ärztin. *Eine* Ärztin. Und eine FBI-Agentin auch. Wissen Sie das, Schwester? Wissen Sie das?"

Während sie weiterbabbelte, bemerkte Scully die Frau, die ihren Blutdruck maß kaum. "Mulder ist mein Partner. Er ist ein guter Partner. Ich liebe ihn."

"Stimmt das?" fragte die Krankenschwester abwesend.

"Ja. Hey, Mulder." Sie wandte sich ihm zu. "Mach den Mund zu, Mulder. Hey, Mulder, " sagte sie wieder, "Das ist meine Krankenschwester. Sie ist eine gute Krankenschwester. Bringt mir Vicadin." Sie schloss ihre Augen. "Ich liebe sie."

"Das Vicadin erzielt definitiv seine Wirkung," sagte die Krankenschwester zu Mulder, als sie Notizen auf Scullys Krankenblatt machte. "Sie sollte jetzt für ein Weilchen schlafen."

Mulder beobachtete, wie sich Scullys Gesichtszüge völlig entspannten, als sie in den Schlaf glitt. Er sah die Krankenschwester ein wenig misstrauisch an.

"Sie scheinen sie ja mit Drogen vollzupumpen." Das war die Untertreibung des Universums. Sie hatte ihm gerade ihre Liebe erklärt und sein Herz dazu veranlasst, einen dreifachen Purzelbaum zu schlagen, bis er erkannte, dass hier das Vicadin und nicht Scully sprach. Er mochte das nicht. Es machte ihn nervös, sie so außer Kontrolle, so neben sich selbst zu sehen. "Ist das normal?"

Die Schwester verdrehte die Augen. "Gestern waren Sie es, der sich darüber beklagte, dass sie zuviel Schmerzen hat und wir ihr nicht *genug* Drogen geben. Ich sagte dann zu Ihnen und ich sage Ihnen das auch jetzt, dass alles, was wir für sie tun, die übliche Prozedur ist." Sie tätschelte seine Hand, um trotz ihres offensichtlichen Ärgers Mitgefühl zu zeigen. "Sie wird wieder in Ordnung kommen, Sir. Einfach in Ordnung." Sie verließ das Zimmer, ohne sich damit zu befassen, Mulder davon zu überzeugen, dass er gehen sollte. Es schien die Mühe nicht wert zu sein.

Scully begann ein wenig zu schnarchen und er lächelte. Scully schnarchte nie und nimmer. Sie war weit davon entfernt. Er gähnte, rieb sich mit seiner freien Hand die Augen und begann gerade, sich in der Lage zu fühlen, zu schlafen.

Mulder lehnte sich nach vor, legte seinen Kopf auf das Bett neben Scullys Arm und drückte, bevor er seine Augen schloss, einen leichten Kuß auf ihr Handgelenk. "Wir werden es besser machen, Scully. Ich verspreche es."

 

xxxxxx

 

22:50

"GEHEN SIE ZUM TEUFEL NOCH MAL WEG VON MIR!" schrie Scully und setzte sich im Bett gerade auf.

Scully zitterte und schwitzte fast so, wie er sie bei Jane gefunden hatte. Er kletterte, so gut er konnte, zu ihr in das Bett und zog sie an sich. Sie lehnte ihre Stirn an seine Brust und keuchte weiter.

"Ich..., begann sie und fühlte, wie die Tränen zu fließen begannen. "Es war, ich sah, oh, Mulder." Sie gab den Versuch auf, zu sprechen und ließ stattdessen ihre Schluchzer hinaus.

"Shh, Scully," flüsterte er, ihre Haare rhythmisch streichelnd. "Lass sie einfach los, Scully. Lass sie los."

Scully nickte an seiner Brust. "Ich versuche es," sagte sie zwischen ihren zurückgehaltenen Tränen kaum hörbar. "Ich versuche es so sehr."

Um ihre Tränen besser zurückhalten zu können, brachte ihre Hände an ihr Gesicht. Deswegen wollte sie nicht weinen. Es war albern. Dumm. Warum sollte sie jetzt weinen? Sie war in Sicherheit. Mulder war hier bei ihr und auch in Sicherheit. Warum sollte sie also weinen?

Scully begann sich zu entspannen und genoss das Gefühl von Mulders Wange, die über ihren Haaransatz strich. Er sprach etwas leise vor sich hin. Sie war sich nicht sicher, was er da sagte. Doch es beruhigte sie trotzdem. Sie war in Sicherheit und alles würde wieder normal werden.

Doch es würde nie wieder dasselbe sein. Nein, das würde es wegen ihren Gesicht nicht. Ihrem hässlichen, verunstalteten Gesicht.

Scullys Herz begann zu pochen, sie setzte sich wieder kerzengerade auf das Bett und riss sich von Mulder los.

"Scully-"

"Mulder, bitte geh jetzt."

"Was-"

"Mulder, *geh* bitte." Sie drehte sich ganz von ihm weg und schluckte noch mehr Tränen hinunter. Schloss ihre Augen und betete, dass er sie nicht ansah. Gott, er hatte die ganze Zeit ihr abstoßendes, entsetzlich vernarbtes Gesicht gesehen. Das schöne Gesicht, von dem er ihr gesagt hatte, dass er es so sehr liebte.

Mulder fühlte, wie Panik in ihm hochstieg. Schließlich passierte es. Sie erinnerte sich an das, was er gemacht hatte, wie er sie in jener Nacht behandelt hatte. Sie wollte ihn nicht mehr in ihrer Nähe haben.

Nach einigen Momenten sagte er, "Scully ...Scully, ich wusste nicht... nun, ich weiß immer noch nicht, nur ich will ...ich *muss* mich entschuldigen. Für das, was zwischen uns passiert ist. Für das, was ich versuchte dir -anzutun-."

Oh Gott, wovon redete er da? War sie so schrecklich verunstaltet, dass er nicht fähig dazu war, es auszusprechen?

"Mulder, ich will, dass du gehst."

Sie wird ihm nicht vergeben. Und er konnte ihr dafür nicht mal die Schuld zuschieben. Wer könnte das schon vergeben? Er verdiente ihre Vergebung nicht. Er verdiente es nicht einmal, mit ihr im gleichen Raum zu sein und sie wusste das.

Lange Zeit schwieg er und schien einfach nur auf dem Rand des Bettes zu sitzen, regungslos. "Scully, sieh mich bitte an, würdest du mich bitte zumindest ansehen? Sieh mich an und sag mir, dass du mich nicht hasst."

Scully drehte ihren Körper zu ihm und versuchte, aufzusehen. Ihre Hände bedeckten weit mehr als jede Seite ihres Gesichtes, so als ob sie sich vor der Sonne schützen wollte. Sie konnte es jedoch nicht ertragen, ihn anzusehen. Nicht, wenn sie so wie jetzt aussah.

"Scully. *Bitte*." Er fasste sie an der rechten Schulter und drehte sie herum, damit sie ihn ansah. Sie ließ ihren Kopf noch weiter sinken.

"Mulder, nicht. Sieh mich nicht an." Gott, es war noch schlimmer als er dachte. Sie wollte nicht einmal, dass er sie ansah. Wahrscheinlich hatte sie Angst davor, dass er sie wieder belästigen würde, wenn er sie ansah.

"Dich nicht ansehen? Warum? Warum soll ich dich nicht ansehen?"

Sie schluckte schwer und trotzdem entrang sich ihr ein Schluchzen.

"Scully bitte. Sprich mit mir. Was ist los? Warum willst du nicht, dass ich dich ansehe?"

"Du WEISST, warum!" weinte sie in ihre Hände. "Wegen dem, wie ich aussehe. Wegen...wegen dem, was sie mir angetan hat. Meinem Gesicht. Geh jetzt einfach, Mulder." Sie schluchzte leise noch mehr.

Einen Moment lang war er völlig verwirrt. Dann erinnerte er sich an etwas, dass ihr Arzt gesagt hatte. Jane hatte sie unter Drogen gesetzt. Halluzinogene. Es war durchaus möglich, dass Scully Dinge gesehen hatte, die nicht da waren.

"Scully, da ist nichts verkehrt an deinem Gesicht. *Nichts*." Sein Ton war mitfühlend. Er log, damit sie sich besser fühlte. "Es ist nur ein wenig zerkratzt, das ist alles. Es wird heilen und dann wieder wie früher aussehen."

Scully fühlte, wie Mulder ihre Wange streichelte, zuckte zusammen und riss sie weg. Endlich sah sie ihn an. "SAG es einfach! Mulder. Sag es mir einfach! Sag mir, was dir die Ärzte erzählt haben. Sag mir, dass ich nie wieder wie vorher aussehen werde. Warum kannst du es nicht einfach sagen, Mulder? Lüg mich nicht an, verdammt noch mal! Bitte, lüg mich nicht an!"

Mulders Augen waren geweitet und getrübt. "Das würde ich nie, Scully."

Das war die Wahrheit, sie wusste es einfach. Er konnte es nur einfach nicht über sich bringen, es ihr zu sagen. Doch sie wusste es besser. Sie konnten es nicht wiederherstellen, sie wieder so aussehen lassen, wie zuvor.

"Scully, die Narben werden heilen. Sie waren alle-"

"Verdammt, Mulder, sie hat Hydrofloridsäure in mein GESICHT geschüttet! Überall." Eine Vorstellung davon, wie sie jetzt aussah, erschien vor ihrem geistigen Auge und sie weinte noch mehr.

"Scully, das hat sie nicht. Es war Peroxid, Scully. Wasserstoffperoxid. Und deine Wunden werden noch besser heilen, weil sie das getan hat."

"Verdammt, Mulder. Ich glaube, dass ich den Unterschied zwischen diesen beiden Substanzen kenne. Also hör jetzt auf, es zu leugnen, Mulder. Hör einfach auf."

Mulder seufzte einmal und ermutigte sie, sich wieder hinzulegen. Sie gab nach, drehte sich sofort von ihm weg, brachte ihre Hand zurück an ihr Ohr und zog ihr Haare über ihre Wange, um sie zu bedecken. Er sagte, dass er bald zurückkommen würde, doch es kümmerte sie nicht. Als die Tür sich schloss, fühlte sie noch mehr Tränen in sich aufsteigen.

Scully war beinahe eingeschlafen, als sie ein Geräusch hörte. Sie blickte auf und sah, wie sich ihr eine dunkle Gestalt näherte. Sie zuckte zusammen und setzte sich verteidigend auf.

"Hier, wirf einen Blick darauf, Scully".

Mulder hielt einen Spiegel vor ihr Gesicht. Ihr Atem beschleunigte sich und sie geriet in Panik. Sie konnte es nicht sehen. Sie würde das nicht tun können.

"Nein."

"Scully, schau einfach hin und du wirst es sehen. Du wirst sehen, dass du bis auf ein paar blaue Flecken nicht anders aussiehst." Er war sich sicher, dass es besser werden würde, sobald sie einen Blick darauf geworfen hatte. Es würde sie in die Wirklichkeit zurückbringen. Zurück zu ihm. Auch wenn sie ihn dafür hasste. Wenigstens wäre sie dann Scully.

"Ich sagte NEIN Mulder!" schrie sie und begann danach zu schlagen. Sie riss ihm den Spiegel aus der Hand, warf ihn quer durch das Zimmer an die Wand, damit er auf dem Boden zerbrach. In tausende irreparable Stücke zerbrach. Zerstört.

Sie weinte nun unkontrollierbar. Mulder versuchte verzweifelt, sie zu trösten, doch sie schrie ihn nur an, aufzuhören, sie in Ruhe zu lassen und schlug weiter auf ihn ein.

"Was zur Hölle geht hier drinnen vor?" schrie die Krankenschwester, als sie das Zimmer betrat.

Bevor Scully es bemerkte, waren ein Arzt und zwei Krankenschwestern im Zimmer, hielten sie nach unten und einer von ihnen stach ihr mit einer Nadel in den Arm.

Und Mulder ging. Sie streckte ihre Hand nach ihm aus, um ihn zum Bleiben zu bringen.

"Mul ...Mul.. " sie versuchte nach ihm zu rufen, aber er war, bevor er sie hören konnte, gegangen.

 

Ende Kapitel 1/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 2/11

 

Sonntag

8:00

"Dana? Dana Liebling, ich bin es. Kannst du mich sehen? Bist du wach?"

"Mmm... was?" Scully zwang ihr schweren Lider auf. Sie fühlte sich leer. Als wenn kein Leben mehr in ihrem Körper war und ihr Körper fühlte sich an, als ob er mit Zement gefüllt war.

"Mulder?" Er war fort. Wohin?

"Nein, ich bin es, Mom. Liebling, wie fühlst du dich?"

"Mmm... trunken, schwindlig," seufzte sie.

Ihre Mutter nahm neben dem Bett Platz. Sie hielt Scullys Hand, wenigstens schien es so, dass sie es tat. "Mom?"

"Ja?"

"Warum geben sie mir... warum geben sie mir weiterhin Beruhigungsmittel?"

"Oh, Dana, Schatz. Dr. Lacuesta ist hier. Er will mit dir reden."

Reden? Worüber zur Hölle? Alles was sie wollte, war wieder schlafen. Und sie wollte, dass Mulder wieder bei ihr im Zimmer war. Wohin war er überhaupt gegangen? Er hatte versprochen, zu bleiben. Er hatte es versprochen.

"Mom, ich möchte nicht Dr. Lacuesta hier haben, sondern ich will, dass Mulder zurückkommt. Warum ist er..." Sie hielt inne, als Schwäche begann, sie zu überwältigen.

"Ms. Scully, wie geht es Ihnen?"

Scully wünschte, die Leute würden aufhören, ihr alle paar Sekunden die gleiche verdammte Frage zu stellen. Sie fühlte sich beschissen, sie sah beschissen aus. Oh Gott, ich sehe beschissen aus...

"Dana, Liebling, wir wollten dir etwas zeigen, dir zeigen, dass mit deinem Gesicht alles in Ordnung ist. Dass diese... Frau... sie hat dein Gesicht nicht ruiniert."

"Ich möchte es nicht sehen, Mom. Ich will nicht."

Scully hörte, wie der Doktor ihr verschiedene mit Ja oder Nein zu beantwortende Fragen darüber stellte, wie sie sich fühlte und ob sie über irgendetwas reden wollte. Das wollte sie definitiv nicht. Sie wollte mit niemandem reden.

"Okay, Dana, ich werde Ihnen einen Spiegel in die Hand geben. Sie können die Augen solange zulassen, wie Sie wollen. Ich möchte nur, dass Sie ihn halten."

Scully konnte nun ihren Körper spüren, weil er von innen nach außen erzitterte. Nein! Wir sind besser als das. Stärker. Es ist nur ein Spiegel. Ein Spiegel. Alles was du zu tun hast, ist ihn in der Hand zu halten.

Sie fühlte, wie ihre Mutter ihre linke Hand nahm und den Griff des Spiegels hineinlegte. "Okay, Dana? Du hast es nun in der Hand. Du hast die Kontrolle."

Mom hatte recht. Sie hatte die Kontrolle über die Situation. Es war ihre Wahl, hinzusehen oder nicht. Sie konnte hinsehen. Sie würde es tun.

Langsam öffnete sie die Augen und spähte vorsichtig in den Spiegel. Normal. Sie sah aus, wie sie selber. Keine Verbrennungen, keine Abschürfungen. Nur ein paar Schnitte, wie Mulder es ihr gesagt hatte. Mulder hatte es ihr gesagt und sie war noch ausfallend gegen ihn geworden. Wie eine Wahnsinnige. Wie Jane.

"Mom. Ich... ich..."

Tränen liefen über ihre Wangen und sie spürte, wie ihre Mutter sie in die Arme nahm. "Dana," sagte sie in ihr Ohr. "Du musst mit jemandem reden."

 

xxxxxx

 

10:00

Mulder erwachte benommen und sah zwei große Gestalten, die sich über ihn beugten. Seine Augen konzentrierten sich schließlich und er erinnerte sich daran, wo er war. Er begriff, dass er irgendwann letzte Nacht in dem kleinen Sessel vor Scullys Krankenzimmer eingeschlafen sein musste. Die Krankenschwester hatte ihn nach dem Zwischenfall mit dem Spiegel hinausgeworfen und er hatte die ganze Nacht hier draußen gesessen.

Die Gestalten, die vor ihm standen, waren Charlie und Bill Scully. Charlie rüttelte ihn leicht an der Schulter, um ihn aufzuwecken und Bill starrte ihn mit kaum verhohlener Empörung an. Zum ersten Mal seit langer Zeit machte sich Mulder Gedanken über sein Aussehen. Er hatte sich seit ungefähr einer Woche nicht rasiert und seit Tagen die gleichen Sachen an. Was eine Dusche war, daran konnte er sich kaum mehr erinnern. Er erkannte, dass er wahrscheinlich eher wie ein Obdachloser als ein FBI-Agent aussah, und wohl auch so roch. Und genauso sah Bill Scully ihn an, als wenn er ein Obdachloser wäre, der in einer Mülltonne lebte. Aber mit weniger Mitleid und mit mehr Hass.

"Mulder, wir wollen hineingehen und ein bisschen bei Dana sein. Willst du uns begleiten?" Das war natürlich Charlie. Mulder hörte Bill irgendetwas leise über letzte Nacht brummen und er begriff, dass der Doktor ihnen erzählt haben musste, was passiert war. Traurig schüttelte er den Kopf.

"Ich kann nicht."

Charlie kreuzte die Arme vor der Brust und blickte mürrisch drein. "Was meinst du damit, du kannst nicht? Komm schon, Mann, steh auf." Er deutete mit dem Kopf auf Scullys Tür.

"Ich meine, dass ich nicht kann. Ich werde sie nur wieder wütend machen. Der Doktor hat mich hinausgeworfen." Er wünschte, sie würden beide verschwinden und ihn allein lassen, weil er begann, daran zu ersticken, wenn er wieder über alles nachdachte. Das letzte, was er jetzt brauchte, war Bill Scully, der sah, wie er zusammenbrach.

Aber Charlie gab nicht auf. Er griff Mulders Ellbogen und zog daran. "Ach hör doch auf, Mulder. Komm..."

"Nein! Begreifst du das nicht? Sie will mich nicht sehen. Sie will nicht, dass ich sie sehe. Ich kann nicht."

Bill rollte mit den Augen. "Er hat recht. Jetzt lass uns einfach reingehen." Er warf Mulder einen letzten Blick zu und stolzierte in Scullys Zimmer. Charlie begann, ihm zu folgen und dann sah er zurück zu Mulder.

"Lass ihn nicht gewinnen."

"Ich ka..."

"Tu es einfach nicht. Egal, wie."

 

xxxxxx

 

"Mulder?" rief sie und zwang sich, die Augen zu öffnen. Durch einen Schleier hindurch sah sie einen Mann vor sich stehen.

"Hey, Dana. Ich bin’s, Bill. Du siehst furchtbar aus," sagte er lachend zu ihr.

"Wo ist Mulder?" verlangte sie zu wissen und versuchte, den Raum um Bill herum zu erkennen. "Mulder... Mulder sollte da sein – hier. Wo hast du ihn hingeschickt?"

"Er ist jetzt nicht hier, Dana. Aber ich bin es. Und Charlie." Sie blickte ihn prüfend an, als er lächelte. Es war der selbstgefälligste Blick, den sie je gesehen hatte. Er hatte irgendetwas mit Mulder angestellt. Besser, er brachte ihn zurück. Mulder war der einzige, der ihr helfen und sie retten würde.

"Zum Teufel, Bill," schrie sie. "Hol jetzt Mulder her, gottverdammt! Wo hast du ihn hingeschickt, Bill? *WO? DU MUSST IHN HERBRINGEN!"

Scully drehte den Kopf zur Seite und sah einen dunkelhaarigen, großen Schatten. Mom? Mulder, vielleicht? Nein, Charlie. Charlie. Ich liebe Charly. Er wird Mulder finden. "Wo ist er, Charlie?" fragte sie mit Verzweiflung in der Stimme. "Du musst ihn für mich hierher bringen. Jetzt! Jetzt, verdammt."

"Okay, Dana, okay. Ich hole ihn für dich. Beruhige dich. Er ist nur draußen."

Dana ergriff seine Hand und zog daran. "Er sollte hier sein. Er hat gesagt, dass er hier bleibt."

Sie sah Charlie, der zur Tür ging und irgendetwas wild herausstieß. Es hörte sich so an, wie ‚Beweg deinen verdammten Hinter jetzt hier herein!’, aber Charlie würde nicht so mit Mulder reden. Oder?

"Scully?"

Gott sei dank, er ist immer noch hier. Gott sei dank. "Mulder? Oh Mulder." Sie sah ihn sich langsam auf sie zu bewegen, wie ein Schatten, ähnlich der Formen, die ihre Brüder angenommen hatten. Aber sie wusste, dass er es war. Gott sei dank. Als er ihre Hand nahm, zog sie ihn zu sich herunter und hielt ihn am Nacken fest. "Du solltest nicht weggehen, Mulder. Du hast gesagt, dass du bleibst. Du musst hier bleiben."

"Okay, okay, ich bin hier. Kann ich mir den Stuhl nehmen?"

Scully nickte und so setzte er sich neben sie. Er war sowohl froh darüber, dass sie nach ihm gerufen hatte, als auch verängstigt. Hatte sie die letzte Nacht vergessen? Sie war so widersprüchlich. Es sah ihr einfach nicht ähnlich.

"Mulder... ich habe gesehen... ich habe hingesehen. Sie haben mich dazu gebracht. Es tut mir leid, Mulder..." Sie verstummte und er sah, wie Tränen begannen, über ihr Gesicht zu laufen. Sie erinnerte sich. Das war ein gutes Zeichen.

"Wer hat dich dazu gebracht, Scully?"

"Der Doktor. Meine Mom. Sie haben mir mein Gesicht gezeigt. Es tut mir so leid." Wieder nahm er ihre Hand und wischte mit seiner freien Hand über ihre Wange.

"Shh... es ist okay."

"Ist es nicht... ich war so fürchterlich zu dir. Mulder, es ist nicht okay!" Sie schoss hoch in eine sitzende Position und ihr Gesichtsausdruck wurde wieder wild.

"Hey, nein, shh..." Mulder legte seine Arme um sie und zog sie an sich. Scully schluchzte an seiner Schulter und er begann sie zu wiegen, in dem Versuch sie zu beruhigen. Er wusste, sie musste erschrocken darüber sein, die Kontrolle verloren zu haben, wie er es gewesen war.

Aus den Augenwinkeln heraus sah er Charlie, der Bill anschubste und in Richtung Tür nickte. Er hoffte, dass Bill auf ihn hören würde, aber in seinem Herzen wusste er, dass es nicht so sein würde. Nachdem, was passiert war, sah es nicht so aus, als wollte Bill ihn jemals wieder mit seiner Schwester allein lassen.

"Ich... ich weiß nicht, warum... ich habe nicht... Gott, es tut mir so leid..." Sie keuchte und verschluckte sich an ihren Tränen, als sie versuchte, die Worte hervorzubringen. Er zog sich ein wenig zurück und nahm ihr Gesicht in seine Hände, sie dazu zwingend, ihm in die Augen zu sehen.

"Es ist okay, Scully. Es ist okay." Sie atmete tief ein und schien sich ein wenig zu beruhigen. Einen langen Moment küsste er sie zärtlich auf die Stirn, dann erinnerte er sich daran, dass Bill und Charlie immer noch im Zimmer waren und zog sich befangen zurück.

"Hey, du standest unter Drogen," scherzte er und sie lächelte. Sie lächelte tatsächlich. Und sein Herz hüpfte und sprang und er vergaß alles und jeden. Er hatte sie zum Lächeln gebracht. Es war das erste Mal, seit er sie gefunden hatte, dass er diesen wunderschönen Ausdruck auf ihrem Gesicht sah. Und dann, noch außergewöhnlicher, lachte sie. Es war ein kurzes Lachen, mehr ein Schnaufen als alles andere, aber es war das bezauberndste Geräusch, das er je gehört hatte. Sie war so großartig, so perfekt. Mit einem Stich in seinem Herzen erkannte er, dass er es ihr sagen musste. Dass sie genau wissen musste, wie perfekt sie war.

"Scully, ich hoffe, du weißt, dass es mir egal wäre. Ich meine, wenn sie das mit deinem Gesicht getan hätte, was du geglaubt hast, es wäre mir egal. Ich hoffe, dass du dann immer noch wolltest, dass ich dich ansehe." Er hörte einen schweren Seufzer hinter sich und drehte sich um. Bill war immer noch da und sah ihn finster an, aber Charlie war gegangen. Mulder bemerkte, dass seine Hände zu Scullys Hals und Schulter herabgeglitten waren und er hätte sie beinahe weggezogen. Aber es schien so tröstlich für sie, und das war wichtiger als Bills Meinung.

Er wandte sich ihr wieder zu und sah, dass sie immer noch lächelte. Sie nickte. "Ich weiß. Ich meine... ich hätte es wissen müssen... ich weiß, dass du immer da sein wirst und mein Freund sein..."

"Nein, Scully..." Sie hatte es noch nicht verstanden. Er beugte sich so dicht an ihr Gesicht heran, wie er konnte, ohne sie tatsächlich zu küssen und flüsterte. "Das meine ich nicht. Ich meine, das ist alles wahr, aber was ich meine ist, egal was passiert, Scully, für mich... wirst du immer die schönste Frau sein. Auf der ganzen Welt."

Scully schluckte und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. Aber sie lächelte immer noch dieses perfekte Lächeln.

"D... danke," stieß sie hervor. Sie sah glücklich aus. Endlich, endlich hatte er das richtige getan. Ein paar Minuten schwiegen sie beide, starrten sich nur an und grinsten.

"Mulder..."

"Ja?"

"Du riechst."

Er nickte lachend. "Gut beobachtet, Agent Scully."

"Geh nach Hause, Mulder. Geh nach Hause und nimm ein Bad oder so. Du verpestest die Luft..." Sie lehnte sich in die Kissen zurück und wedelte mit Nachdruck vor ihrer Nase herum.

"Scully, ich will dich nicht allein lassen..."

"Mulder, geh nur, mir wird es gut gehen. Ich bin müde... bitte geh. Kümmere dich ein bisschen um dich selbst. Bitte."

Ihre Augen fielen zu und sie schien wieder einzuschlafen. Noch einmal murmelte sie, "Bitte," und er nickte.

"Okay, Scully. Aber ich bin wirklich bald zurück." Mulder nahm ihre Hand und zog sie an die Lippen. Unter Bill Scullys irritiertem Blick drückte er einen sehnsüchtigen Kuss auf ihre Handfläche und ging.

 

xxxxxx

 

17:45

Charlie brachte seine Mutter in das Zimmer seiner Schwester. Er beobachtete ihr Gesicht, als sie Scullys betrachtete, all die Blutergüsse und Schrammen. Ihr Blick wandelte sich innerhalb von Augenblicken von traurig zu besorgt und dann beinahe zu verärgert. Sie ging hinüber zu Scullys rechter Seite und er setzte sich in den Sessel, der zu Mulders Sessel geworden war.

Nach ein paar Minuten bewegte sich Scully und erwachte langsam. Zuerst sah sie Charlie und bemühte sich darum, ihn klarer zu sehen. Er sah zu, wie ihre Augen aufleuchteten, soweit es die Schwellung in ihrem Gesicht erlaubte. Mit einem Lächeln erwiderte er das Aufleuchten.

"Hey, Knastbruder," begrüßte sie ihn mit wackliger Stimme. "Hast du dich unerlaubt von der Truppe entfernt?"

Charlie nahm ihre Hand und gluckste ein wenig. "Nein, glaub es oder nicht, ich habe regulären Urlaub. Wirklich. Wie fühlst du dich?"

"Verletzt. Müde. Wo – weißt du, ob Mulder hier ist?"

Charlie erinnerte sie daran, dass Mulder ihrer Anweisung gefolgt und nach Hause gegangen war.

"Bist du nicht hungrig, Liebling? Dein Mittagessen hast du kaum angerührt."

"Hey Mom." Scully drehte sich um und begrüßte ihre Mutter. "Nein, mir geht es gut. Ich bin wirklich nicht hungrig."

Maggie lächelte sie an und strich ihr mit der Hand durchs Haar. Sie schüttelte den Kopf.

"Was... was für ein Mensch..."

"Ein extrem kranker Mensch. Einer, der einige ernsthafte emotionale Probleme hat."

"Und das gibt ihr das Recht, dir das anzutun?"

Scully seufzte. "Nein, das gibt es ihr nicht," antwortete sie. "Aber darum bekommt sie nun auch die Hilfe, die sie braucht."

"Hilfe?" Maggie Scully verschränkte die Arme und drehte sich weg. "Sie sollte lebenslänglich eingesperrt werden. Solche Menschen verdienen keine *Hilfe*."

"Mom," unterbrach Charlie seine Mutter, um sie von einer Tirade abzuhalten. "Müssen wir Dana jetzt mit all dem belästigen?"

Ihre Mutter atmete tief ein und sprach schnell und nervös. "Es ist nur, dass ich... ich nicht anders kann, als mich immer wieder zu fragen, wenn du niemals..." Sie verstummte.

"Mom? Wenn ich niemals was?"

"Unwichtig, Charlie hat recht. Lass uns nicht jetzt darüber reden. Erst muss es dir besser gehen."

"Nein, Mom, sag es einfach. Welchen Unterschied macht der Zeitpunkt?"

Ihre Mutter seufzte wieder und Scully spürte, wie Charlie in diesem Moment ihre Hand drückte und so seine Unterstützung ausdrückte.

"Dana, ich kann gut verstehen, dass dir dein Job sehr wichtig ist. Ich weiß, dass du ihn als den wichtigsten Teil deines Lebens empfindest. Aber Liebling, genau das ist es, du *hast* vielleicht kein Leben mehr, wenn du so weitermachst. Wenn du mit..."

"Mom, worauf genau willst du hinaus?" Jetzt fühlte sie Charlies andere Hand auf ihrem Unterarm. "Willst du damit sagen, ich sollte aufhören, mit Mulder zu arbeiten?"

"Mom, nicht. Nicht jetzt," bat Charlie. Er wusste nur zu gut, was seine Mutter dachte. Jedes Mal, wann immer er mit ihr sprach, schien ihre Unterhaltung darauf hinauszulaufen, ob Dana die Arbeit machen sollte, die sie tat, oder nicht. Und besonders ging es dabei um die Rolle von Mulder, die er bei all dem spielte.

"Ich lehne es nur ab, ein weiteres meiner Kinder zu überleben," erwiderte sie mit zitternder Stimme.

"Nun, wenn du darauf wartest, dass ich dir zustimme, vergiss es. Es ist einfach nicht... es wird nicht passieren, Mom."

Scully sah Charlie an. Sein Blick offerierte ihr Kraft und Mitgefühl und für den Bruchteil einer Sekunde begriff sie, wie sehr er Mulder ähnelte. Scully spürte wieder, wie Charlie ihren Arm und ihre Hand drückte, sie diesmal sanft hielt. Er konnte fühlen, wie sie zitterte. Einen Moment lang starrte er seine Mutter an, forderte sie im Geiste dazu auf, damit nicht weiterzumachen.

"Na ja, ich kann nichts ausrichten, wenn ihr zwei euch so gegen mich verbündet. Das konnte ich noch nie." Noch einmal seufzte sie und fügte hinzu, "Das wichtigste ist jetzt, dass du wieder gesund wirst."

"Da stimme ich zu," meinte Scully. "Wirklich, Leute, mir geht es nicht so schlecht, ich bin nur ein bisschen schwach, das ist alles."

"Das ist alles?" fragte Charlie.

"Ja."

Charlie sah seine Mutter an und sie nickte ihm wissend zu. Dana verdrängte es, wie sie es in Situationen wie dieser immer gemacht hatte, Situationen, in denen sie sich machtlos fühlte. Sie spielte sie herunter, als würden sie nichts bedeuten.

Beinahe Charlies Gedanken lesend, gab ihnen Scully eine plausible Erklärung. "Wenn man den Tropf abnimmt, dauert es eine Weile, bis man sich wieder daran gewöhnt, feste Nahrung zu sich zu nehmen. Die Schmerzmittel können den Appetit genauso vermindern wie sie die normalen Schlafmuster stören können."

Charlie nickte langsam und ihre Mutter drückte ihre Hand. "Es geht mir gut. Es wird mir gut gehen. Alles ist unter Kontrolle. Danke für deine Besorgnis."

"Gut," meinte Maggie Scully. "Dann werden wir dich eine Weile ausruhen lasen."

"Ich bin in einer Sekunde bei dir, Mom," rief ihr Charlie zu, als sie das Zimmer verließ. Er drehte sich zu Scully zurück und lächelte.

"Danke Charlie. Für alles. Für das, was du für mich getan hast... für Mulder. Danke."

Er beugte sich zu ihr herab und küsste ihr Haar. "Deswegen bin ich hier."

"Was denkst du?"

Charlie lächelte. "Ein wirklich großartiger Kerl, Dana. Wirklich großartig. Er sorgt sich sehr um dich. Sehr."

Scully spürte, wie Wärme durch ihren Körper rieselte und dann eine extreme Sehnsucht. Sie konnte seine Rückkehr kaum erwarten. Tatsächlich fühlte sie sich mehr und mehr unwohl dabei, dass er so lange weg war. Als Charlie das Zimmer verließ, schickte sie ihm liebe Grüße an seine Familie mit.

Scully schaltete den Fernseher an und begann, sich blindlings durch alle 79 Kanäle zu zappen, wieder und wieder. 2, 3, 5, 6, 8, 12, 13, 16, 17, 18, 21... Bald unterschied sie nur noch als die Nummern, die in der Ecke des Fernsehbildschirms aufleuchteten.

Etwas, dass ihren Kopf leer machte, so dass sie nicht nachdachte. So dass sie sich nicht erinnern konnte.

 

xxxxxx

 

18:25

Halb gehend und halb laufend kam Mulder den Flur zu Scullys Zimmer entlang. Er war in einer weit besseren Stimmung, als er es lange Zeit gewesen war. So wie sie ihn gebeten hatte, war er für ein paar qualvolle Stunden nach Hause gegangen. Lange genug, um zu duschen, sich zu rasieren, die Zähne zu putzen und sein schmutziges T-Shirt und die Jeans gegen ein Paar respektablere Jeans und ein weißes Oberhemd zu tauschen, und ein bisschen von dem Rasierwasser zu benutzen, das Scully jedes Mal zum Lächeln zu bringen schien, wenn sie es in der Luft roch.

Mulder wollte sie wieder zum Lächeln bringen. Er wollte gut aussehen und riechen und einfach *perfekt* für sie sein. Diese Nacht wollte er zu etwas besonderem machen. Etwas, das sie vergessen ließ, dass sie in einem Krankenhausbett lag, ihr half, den Grund zu vergessen, warum sie hier war und er wollte, so nahm er an, wiedergutmachen, wie er sie behandelt hatte, bevor diese ganze Sache begonnen hatte. Er wollte ihr die Nacht bereiten, die er ihr eigentlich hätte bereiten sollen und er wollte sich für das entschuldigen, was sie statt dessen bekommen hatte. Ein bisschen Spaß. Und Normalität. Gott, wie sehr sie beide wieder ein bisschen Normalität brauchten.

Scully schien sich besser zu fühlen. Klar, sie war immer noch ein bisschen benommen von den Schmerzmitteln, aber an diesem Morgen schien sie klarer und mehr sie selbst zu sein, als er sie lange Zeit gesehen hatte. Sie hatte gelächelt. Sie hatte gelacht. Sie hatte so etwas wie eine normale Unterhaltung mit ihm geführt. All das deutete er als gutes Zeichen und als Wink, dass es an der Zeit war, mit ihrer Genesung zu beginnen.

Der erste Schritt dazu war, sie dazu zu bringen, dass sie sich sicher und glücklich und wohl fühlte. Er wusste, dass sie Krankenhausessen, Neonlampen und Desinfektionsgeruch hasste, all diese Dinge, die sie daran erinnerten, dass sie nicht zu Hause war, sondern in einer kalten, sterilen Einrichtung. Er wollte das besser für sie machen, wenn auch nur für eine Weile. Duftkerzen, ein CD-Player und einige ihre Lieblings-CDs mit klassischer Musik und ihr absolutes Lieblingsessen, Chicken Lo Mein von ihrem Lieblingschinesen, sollten dabei helfen. Er hoffte nur, dass sie es nicht als einen weiteren Verführungsversuch ansehen würde.

Mulder wollte nur, dass sie zur Abwechslung mal ein anständiges Essen bekam. Sie war so mager. Und er war es eigentlich auch. Seit langer, langer Zeit hatte keiner von beiden ein gutes Mittagessen genossen. Als er ihre Tür erreichte, ließ der Duft, der aus der Tüte kam, ihm das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Mulder klopfte leicht an die Tür und war glücklich und überrascht, ihr "Herein" in einer klaren und fröhlichen Stimme zu hören. Als er die Tür öffnete, fand er sie im Bett sitzend und CNN schauend, ihre Augen klar und ein Lächeln auf dem Gesicht.

"Hey, sieh dich an."

Befangen gluckste er. "Sieh mich an? Sie *dich* an. Du scheinst dich sehr viel besser zu fühlen."

"Nur weniger unter Drogen." Sie sah auf ihre Füße herab und er konnte spüren, dass sie ein wenig verlegen darüber war, wie sie sich benahm. Er nahm das als ein weiteres gutes Zeichen, ein Anzeichen dafür, dass sie zu ihm zurückkehrte.

"Was ist in der Tüte, Mulder?"

Mulder grinste selbstzufrieden und begann, seine Überraschungen auszupacken. Zuerst stellte er den CD-Player auf das Fensterbrett und machte leise Musik an. Dann holte er die Kerzen heraus und stellte sie ebenfalls auf das Fensterbrett.

"Mulder, was bedeutet das alles? Du kannst keine Kerzen in einem Krankenh..."

"Shh... ich werde nichts verraten, wenn du es nicht tust." Sie lächelte. Er zündete die Kerzen an und schaltete das grelle Oberlicht aus. Eine Sekunde hielt er inne und sah sie an, überwältigt davon, wie wunderschön sie im Kerzenlicht aussah. In der Hoffnung, sich für einen Moment abzulenken, drehte er sich um und schaltete den Fernseher aus.

"Ich hab eine kleine Überraschung für dich, Scully." Vor Aufregung platzte er beinahe.

"Oh wirklich? Was für eine..." Ihr Gesichtsausdruck änderte sich plötzlich, als er näher kam und sich zu ihr aufs Bett setzte. Sie sah angespannt aus und einen Moment fürchtete er, dass sie glaubte, er wolle sich wieder über sie hermachen.

"Mulder, was ist das für ein Geruch?"

"Ich habe gerade erst geduscht, Scully. So schlimm kann es noch nicht sein..."

"Nein, es... es riecht... ich..."

Mit einer schwungvollen Bewegung holte er einen weißen Karton aus der Tüte. "Tata! Ist das der Geruch, auf den du anspielst?" Er erwartete ein Lächeln, breit wie seines, aber ihre einzige Reaktion war ein stummes Nicken.

"Es sind Lo mein Nudeln, Scully! Aus diesem Restaurant an meiner Straße." Er öffnete den Karton und hielt ihn ihr hin, um ihr den Inhalt zu zeigen. "Sieh!"

Scully nickte wieder und lächelte schwach. Er hätte schwören können, dass sie ein wenig zurückzuckte und dass da eine Spur von Panik auf ihrem Gesicht war. Aber das ergab keinen Sinn. Warum sollte chinesisches Essen sie in Panik versetzen? Bestimmt war sie glücklich, zur Abwechslung etwas richtiges zu essen, etwas vertrautes. Das musste er sich eingebildet haben. Seine Wahrnehmung musste durch das Flackern der Kerzen ein wenig verzerrt gewesen sein.

Mulder nahm ein Paar Essstäbchen aus der Tüte und steckte sie in die Nudeln. Vor ein paar Monaten hatte sie es endlich geschafft, ihm beizubringen, diese Dinger zu benutzen und er wollte es ihr ein bisschen zeigen.

"Die sind für uns, Scully. Ich dachte, wir könnten sie miteinander teilen. Zum Abendbrot. Weißt du?" Aus irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, dass er in einer fremden Sprache mit ihr redete. Ihre Augen waren aufgerissen und sie reagierte überhaupt nicht. Er dachte an seinen Fehler mit dem Spiegel und fragte sich kurz, ob er etwas ähnlich idiotisches tat. Aber das war unmöglich, oder?

"Hast du bereits zu Abend gegessen, Scully?" Sie schüttelte rasch den Kopf. Und Mulder fragte sich, ob sie vielleicht Angst hatte, zu essen. Ob sie glaubte, es würde sie krank machen, nachdem sie so lange gehungert hatte. Aber nur ein paar Bissen würden genügen, um mit einer normalen Ernährung zu beginnen.

"Nun, dann hau rein." Er wickelte ein paar Nudeln um die Stäbchen, genauso wie sie es ihn gelehrt hatte, und schaffte es sogar, ein Stückchen Fleisch einzuwickeln.

"Ich hab auch noch nichts von dem Hühnchen gegessen, also will ich auch keine Beschwerden hören." Mulder hielt die Stäbchen hoch und bewegte sie auf ihr Gesicht zu. Er wusste nicht, ob sie es ablehnte, sich von ihm füttern zu lassen, aber sie schien auch keinerlei Anstalten zu machen, es selbst zu tun. Vielleicht bereitete ihr Arm ihr Schwierigkeiten.

"Willst du etwas, Scully?"

"Ich... ich bin... wirklich nicht hungrig..." Scully schüttelte den Kopf und drückte sich noch weiter in die Kissen.

Mulder zuckte mit den Schultern und schob sich das Essen in den Mund. Gott, es war wirklich gut. Scully musste es probieren. Sobald sie es probiert hatte, wäre es okay. Sie würde sich damit voll stopfen wollen. Er wollte es sicher.

"Mmm, das ist großartig, Scully. Du weißt nicht, was du verpasst." Er steckte die Stäbchen in den Karton und holte etwas mehr für sie heraus. "Komm schon, Scully. Versuch es. Nur ein bisschen."

"Ich... ich kann nicht... ich..."

"Sicher kannst du, Scully. Es wird gut sein. Es wird dir nicht wehtun, ein bisschen zu essen." Er schob den Karton und die Stäbchen ein bisschen näher an ihr Gesicht. "Komm schon, Scully, mach die Luke auf und lass das Flugzeug herein." Er begann, die Geräusche eines Flugzeuges nachzuahmen, was, wie er erkannte, vollkommen idiotisch war.

Scully öffnete ihren Mund ein Stückchen und er ergriff die Gelegenheit, um ihr aufgeregt ein Stückchen Hühnchen und ein paar Nudeln hineinzuschieben. Er hatte es als Einladung genommen. Aber wiedereinmal erkannte er beinahe sofort, dass er sie vollkommen missverstanden hatte.

 

Ende Kapitel 2/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 3/11

 

Sobald das Essen in ihrem Mund war, verzogen sich ihre Lippen zu einer Grimasse des Ekels. Sie machte ein dumpfes, würgendes Geräusch und anstatt zu schlucken, spuckte sie das Essen auf das Bettlaken.

"Scully ...was...," Ohne es zu verstehen hielt er ihr den Karton noch näher hin. Scully wimmerte und Tränen strömten ihr über das Gesicht. "Scully, Gott, was ist denn?" Mulder rückte noch näher und streckte seine freie Hand aus, um ihr Gesicht zu streicheln. Sie biss sich auf die Lippe und er hörte sie keuchen. "Warum weinst du Scully?" flüsterte er außer sich. "Was ist los?"

"Halt es fern von mir!" schrie sie auf und schlug ihm mit ihrem unverletzten Arm den Karton aus der Hand, warf den Inhalt in Mulders Gesicht, auf seine Jeans, den Boden, das Bett, praktisch überall hin.

Mulder saß lange Zeit sprachlos und unbeweglich mit offenem Mund da. Er sagte sich selbst, flehte sich an, nicht zu weinen. Nicht jetzt. Nicht vor ihr. Sie brauchte seine Stärke. Stärke, verdammt. Doch er spürte ein kaum unterdrücktes Schluchzen der Verwirrung und der Ratlosigkeit in seiner Kehle. Was in Gottes Namen war los mit ihr? Und wie hatte er es denn nun wieder geschafft, die Dinge so königlich zu verderben? Als er hierher gekommen war, ging es ihr gut. Richtig gut. Sein Versuch, sie aufzuheitern, war überflüssig und offensichtlich völlig kontraproduktiv gewesen. Irgendwie hatte er es geschafft, sie wieder zur Verzweiflung zu treiben.

"Mulder...ich...Gott, ich weiß nicht, warum..." Ihre Stimme brach und sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. Scully schien über ihre Tat genauso verwirrt zu sein wie er und ließ ein elendes Stöhnen hören. Er griff nach ihr, um sie zu halten, doch dann erinnerte er sich, dass er voller klebrigen Zeugs war und ließ es sein.

"Was in aller Welt..." Beide drehten sich um, um eine zornige Krankenschwester am Eingang stehen zu sehen. Sie drehte das Licht an, verschaffte sich einen Überblick und bedachte Mulder mit einem bösen Blick. Böse blies sie die Kerzen aus. "Sir, Sie werden jetzt gehen müssen, damit ich diese Unordnung beseitigen kann. Und bitte, bringen sie nicht wieder Kerzen hierher."

Scully blickte auf und schüttelte ihren Kopf. "Er war nicht... er hat nicht..." Mulder zuckte mit den Schultern und bot ihr den besten Versuch eines Lächelns, den er aufbieten konnte.

"Es ist okay. Ich...ich sollte gehen. Ähm, vielleicht versuchen wir es das nächste Mal mit Pizza." Als er sah, wie die Schwester eine weitere Nadel in Scullys Arm stach, versuchte er, nicht zusammenzuzucken, dann drehte er sich um und ging.

 

xxxxxx

 

Charlie verdrehte wegen seiner Tochter frustriert seine Augen. Sie hatten die alte Diskussion darüber, wo Pele bleiben würde, wenn Rena und er in den Urlaub fahren. Seine Wahl war bei Großmutter, ihre war alleine zu Hause. Es war eine ermüdende Übung und er hatte keine Lust dazu, sich im Moment damit zu befassen.

"Sieh mal, Schätzchen, wir sind hier, um Tante Dana zu besuchen, lassen wir das also vorläufig sein und geben wir ihr etwas Frieden." Als sie sich dem Zimmer seiner Schwester näherten, wurde er durch einen ungewöhnlichen Anblick vom Thema abgelenkt. Ein Mann ging über den Korridor auf sie zu, über und über mit Nudeln bedeckt. Für einen Moment befürchtete Charlie, dass es ein Patient aus der Psychiatrie wäre, der herumlief. Aber als er näher kam, erkannte er, dass es Mulder war.

"Mulder? Bist du das? Was zum Teufel ist mit dir passiert?"

Mulder wischte sich eine Nudel aus dem Auge und Charlie schnaubte. Was für einen lächerlichen Anblick er doch abgab. Doch es dauerte nur einen Moment, um zu sehen, dass Mulder nicht amüsiert war. Tatsächlich sah er so aus, als ob er im Begriff wäre, zu weinen.

"Ich glaube nicht, dass deine Schwester chinesisches Essen sehr mag."

Pele kicherte und Charlie brachte sie zum Schweigen. Es war nicht mehr komisch.

"Dana hat das getan?"

"Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun kann, Charlie. Alles ist falsch..." Er brach ab und schüttelte ärgerlich den Kopf. "Ich muss einfach von hier verschwinden. Alleine, dass ich hier bin, verletzt sie schon."

Charlie stöhnte innerlich auf. Er wusste, dass Mulders Gegenwart das einzige war, das Dana entspannte und tröstete. "Mulder, nein. Geh nicht. Sie braucht dich hier."

"Braucht mich? Meinst du das verdammt noch mal ernst?" fragte er zornig. Dann warf er einen Blick auf Pele, so als ob er sie das erste Mal bemerken würde und räusperte sich. "Entschuldigung." Pele zuckte nur mit den Schultern und grinste.

"Ja, ich meine das ernst. Sie fühlt sich nicht sicher, außer wenn du um sie bist."

"Charlie, ich habe keine Ahnung, was sie fühlt. Alles was ich weiß ist, dass sie sich jedes Mal, wenn ich in ihrer Nähe bin, am Ende tausendmal schlimmer fühlt." Er wirkte auf Charlie wie ein weinender kleiner Junge und einen Moment lang war er verärgert. Aber Mulder sah so erbärmlich aus, dass es schwierig war, auf ihn böse zu bleiben.

"Sieh mal, Mulder, geh dich einfach mal sauber machen oder so. Ich will mit dir über das alles reden, doch ich kann dir nicht mal in die Augen sehen, da sie mit Nudeln bedeckt sind."

Mulder zuckte hilflos mit den Schultern und murmelte "was auch immer", als er zum Waschraum davon schlurfte.

 

xxxxxx

 

19:45

Als er zurückkam sah Mulder, dass Charlie gegangen war und seine Tochter alleine auf der Couch vor Scullys Zimmer saß. Er fühlte sich jetzt, wo er sich etwas gesäubert hatte, weniger idiotisch, doch er fühlte sich immer noch am Rande irgendeines Ausbruches. Schreien oder Schießen oder ein Loch in die Wand treten. Alles zusammen vielleicht. Das letzte, was er gebrauchen konnte war, dass ein dreizehnjähriges Kind darin verwickelt wurde.

Er lächelte und begann, an ihr vorbei zu gehen, doch sie rief ihm zu.

"Mister Mulder, mein Dad ist meine Mutter suchen gegangen. Er meinte, ich soll Ihnen sagen, dass Sie hier auf ihn warten sollen, damit Ihr miteinander reden könnt."

"Oh..." Er sah sich nach einem anderen Sitzplatz um. Da war wirklich nirgendwo einer, bis auf die schmale Couch, auf der Pele saß. Mulder setzte sich ans andere Ende.

Mulder blickte über die Couch auf das Mädchen neben ihm. Er war unsicher, was genau er mit ihr reden sollte. Bei jugendlichen Mädchen hatte er sich nie besonders wohl gefühlt. Es war die einzige Sorte Kinder, mit denen er fürchterlich schlecht auskam. Er wusste nicht, ob es deswegen war, weil sie ihn an Samantha oder an seine lahmen Versuche, eine Freundin zu finden, als er in dem Alter war, erinnerten. Egal wie, er war bei ihnen ganz verlegen.

Und dieses Mädchen war kein gewöhnlicher Teenager. Dieses Mädchen wies nur wenig Ähnlichkeit mit dem Kind auf, das ihm Charlie auf dem Bild, das gerade erst letztes Jahr aufgenommen wurde, gezeigt hatte. Sie hatte die schwarzen, gelockten Haare und die feinen Gesichtszüge, doch dieses Mädchen sah mehr wie eine Frau als ein Kind aus. Sie trug, soweit Mulder es sehen konnte, nicht einmal Make-up, doch sie schaffte es trotzdem, wie eine ungefähr Achtzehnjährige auszusehen.

Die Art, wie sie gekleidet war, war nicht gerade hilfreich. Mulder wäre nicht soweit gegangen, ihre Erscheinung als nuttig zu bezeichnen, doch sie war wirklich sehr ungehemmt mit ihrem Körper. Pele hatte eine Grazie und einen totalen Mangel an Ungeschicklichkeit, was vollkommen unvereinbar mit ihrem Alter war. Er erinnerte sich an Charlies Worte über seine Tochter und fragte sich, ob auch Scully so gesegnet gewesen war.

Mulder blickte zu ihr herüber, um zu entdecken, dass sie offen zurückstarrte. Er grinste und winkte ihr dümmlich zu. "Wie geht’s?"

Ihr Gesicht leuchtete auf und sie rutschte ein wenig näher zu ihm. "Es geht mir gut, wie geht es Ihnen...Agent Mulder?"

"Nur Mulder ist okay." Ihr Lächeln wurde noch breiter. Er hätte schwören können, dass sie mit den Wimpern klimperte, doch er sagte sich, dass er sich das einbildete. Sie war doch noch ein Kind, um Himmels willen.

"Also, Sie arbeiten mit Tante Dana für das FBI, stimmt’s?"

"Ja, das stimmt."

"Das muss sehr...aufregend sein." Ihre Stimme nahm einen tieferen Tonfall an und er fühlte eine seltsame, unerklärbare Reaktion. Sie klang sehr nach Scully. Sehr.

"Ähm...manchmal. Ich schätze, dass man es aufregend nennen könnte."

"Gefährlich, hmm?" Sie leckte ihre Lippen und überkreuzte ihre Beine in seine Richtung. Ihr Rock wurde verdammt kurz. Und ihm wurde klar, dass er sich nichts einbildete.

"Ähm...manchmal."

"Ich denke, dass es schon sehr erregend ist, speziell die Art der Arbeit, die Ihr zwei macht. Ich finde Parapsychologie absolut faszinierend." Er konnte nicht verhindern, dass ihm sein Kiefer herunterklappte. Dieses Mädchen konnte nicht dreizehn sein. Im Leben nicht.

"Oh wirklich?"

Sie nickte und rutschte noch ein oder zwei Zentimeter näher. "Ja, ich denke die Arbeit, die Sie machen, ist einfach erstaunlich." Er begann sich nun wirklich zu wünschen, dass sie eine andere Stimme hätte. Wenn er seine Augen schließen würde, könnte er sich fast vorstellen, dass es Scully wäre, die hier saß und mit ihm redete. Als ob Scully jemals mit jemandem so schamlos flirten würde. Er sagte sich, dass sie das nicht würde, doch Charlies dumme Geschichte suchte ihn immer noch heim.

Pele lehnte sich noch ein wenig näher und er fühlte ihre winzigen Finger seinen Bizeps umfassen.

"Sie müssen eine Menge trainieren. Ist das wegen dem Job oder weil es einfach Spaß macht?" Er zog seinen Arm sanft weg und rutschte noch ein wenig weiter die Couch hinunter.

"Es ist, ähm...Ich mache es nicht... " Mulder verfluchte sich im Geiste selbst. Er wurde tatsächlich rot. Und stotterte.

"Mulder?"

"Ja?" Er hatte fast Angst. Wie hatte er zulassen können, dass ein Kind ihn innerhalb von fünf Minuten in einen verlegenen, sprachlosen Dödel verwandelte. Mulder vermutete, dass es nicht gerade hilfreich war, dass sie ihn in einem so verwundbaren Moment getroffen hatte. Er fühlte sich wie ein Dummkopf.

"Kann ich Ihre Pistole sehen?" Sie flüsterte diese Bitte verschwörerisch, so als ob sie einen Plan aushecken würden, die Schule zu schwänzen oder einen Joint hinter der Zuschauertribüne zu rauchen oder so etwas.

"Ähm,...ich denke..." Mulder fasste in sein Halfter, zog die Waffe heraus und hielt sie ihr hin. Er hielt seine Hand auf den Abzug und überprüfte, ob sie gesichert war.

"Wow," keuchte sie und strich mit ihren Fingern über den Lauf. "Sie ist verdammt...groß." Guter Gott. Lieber Gott im Himmel. Scully konnte nicht so gewesen sein. Keiner, der dreizehn Jahre alt war, konnte so sein. Er vermutete, dass er altmodisch war, doch Kids in dem Alter sollten Barbies sammeln und Typen namens Corey in Jugendzeitschriften anhimmeln.

"Ugh...Pele... " Beunruhigt stellte er fest, dass seine Stimme krächzte. Sie rutschte herüber, bis sie an seine Seite gepresst war. Ihre Hände glitten immer noch über seine Pistole. Er nahm sie ihr aus den Händen und steckte sie zurück in das Halfter.

"Ja, Mulder?" Sie blickte ihn an, ihre großen scullyartigen Lippen waren teilweise geöffnet, so als ob sie darauf warten würde, dass er sie küsste oder so. Woher war dieses Kind gekommen? Dann erkannte er etwas wirklich Beunruhigendes. Sie könnte seiner eigenen Phantasie entsprungen sein. Er erinnerte sich an die Nacht mit Charlie zurück, an dieses verdammte Bild und an seine Phantasien über eine pubertierende Scully. Es war ihm sogar zu diesem Zeitpunkt pervers vorgekommen. Doch nun, da er mit dem Bild, das er beschworen hatte, tatsächlich konfrontiert wurde, war ihm klar, dass es nicht nur pervers war. Es war ekelhaft.

"Du bist viel zu jung, um mit Pistolen zu spielen, denkst du nicht?"

"Oh, ich habe eine zu Hause. Aber die ist nicht so schön wie diese." Er nahm an, dass sie von einem Luftdruckgewehr sprach, wie es Scully besessen hatte, als sie noch ein Kind war. Und das sie von ihren Brüdern bekommen hatte. Er hoffte jedenfalls, dass sie davon sprach.

"Also, ähm...Pele, kennst du irgendwelche Jungs in deinem Alter?" Das war das einzige, woran er in Bezug auf einen Rat noch denken konnte. Sie zeigte ein empörtes Gesicht, rümpfte ihre Nase und zog ihre verdammte Augenbraue in die Höhe.

"Natürlich tu ich das, aber die sind so unreif und langweilig. Haben nichts interessantes zu sagen, keine Lebenserfahrung. Ich wette, Sie könnten mir jede Menge interessante Geschichten erzählen, nicht wahr, Mulder?" Er saß nun gegen die Armlehne gepresst und konnte nirgendwohin ausweichen. Nervös sah er sich um und hoffte, dass irgendjemand kommen und ihn retten würde. Wünschte sich, dass sein Handy klingeln und diese bizarre Szene unterbrechen würde, doch der einzige, der ihn anrufen würde, war Scully.

"Nun, nicht wirklich, nein. Nichts, was jemand Normalen jedenfalls interessieren würde."

"Oh, ich bin nicht normal, Mulder. Überhaupt nicht. Normal heißt für mich langweilig. Erzählen Sie mir eine Geschichte über ihre Arbeit? Was war der gefährlichste Fall, den Sie je gehabt haben." Das musste er diesem Kind zugestehen, sie wusste, was sie tat. Sicher, jedes Wort, das aus ihrem Mund kam, war ein Klischee, doch dafür gab es einen Grund. Diese Zügel waren überbeansprucht, weil sie funktionierten. Nicht viele Männer können widerstehen, sich selbst und ihre "männlichen" Attribute zu verherrlichen. Mulder fühlte eine plötzliche und überwältigende Sorge für dieses Mädchen. An wie vielen Männern hatte sie diese Prozedur schon ausprobiert? Wie viele davon hatten, so wie Mulder, gewusst, wie alt sie wirklich war? Wie viele davon waren verzweifelt in ihre Tante verliebt gewesen und wehrten den Gedanken, sie auszunutzen, ab?

"Du willst darüber nichts hören. Ich... "

"Haben Sie eine Freundin, Mulder?"

Das war die schlimmste aller Fragen. Er hatte keine Ahnung, wie er sie beantworten sollte.

"Sie müssen Tonnen davon haben."

"Ähm...nicht wirklich, nein." Falsche Antwort. Sie rutschte unglaublich nah und rieb ihren Fuß an seiner Hüfte.

"Ich kann mir nicht vorstellen, warum."

"Ach, weißt du, das liegt wahrscheinlich an meiner Nase, ich versuche, es nicht persönlich zu nehmen." Mulder lachte nervös. Pele war über seinen Versuch von Humor nicht amüsiert. Plötzlich sah sie sehr ernst aus.

"Sie haben eine wunderbare Nase. Ihr Gesicht hat viel Charakter. Und außerdem, Sie wissen, was man über Männer mit großen Nasen sagt..."

"Pele!" Mulder stieß einen Atemzug aus, von dem er noch nicht mal bemerkt hatte, dass er ihn anhielt. Charlie war hier um ihn zu retten.

"Pele, geh zu deiner Mutter und lass den netten Mann in Ruhe!" Sie starrte ihren Vater zornig an und verdrehte in einer beängstigend vertrauten Art ihre Augen.

"Aber Dad..." heulte sie.

"Kein aber. Sie wartet unten im Foyer auf dich. Sie wird dich zurück zu deiner Großmutter bringen." Pele rümpfte ihre Nase und streckte die Zunge hinaus.

"Ich habe Oma so satt."

"Ja, ja. Das haben wir alle. Geh einfach da hinunter." Pele seufzte und ging zum Fahrstuhl. Bevor die Türen sich öffneten, drehte sie sich um und winkte.

"Bye Mulder. Es war wirklich nett, mit Ihnen zu plaudern."

Mulder zappelte herum und murmelte etwas unverständliches und sie verschwand. Charlie schüttelte den Kopf und drehte sich zu Mulder um.

"Entschuldige deswegen. Ich hoffe, sie hat dich nicht gestört."

Mulder zuckte mit den Achseln. Er war sich nicht sicher, wie er darauf antworten sollte. Sie hatte ihn nicht wirklich gestört, sondern nur daran erinnert, wie verdreht er doch innerlich war. Kein Wunder, dass er Scully nicht helfen konnte. Sie wusste, was er war. Ob sie es nun zugab, oder nicht, sie hatte möglicherweise mehr Angst vor ihm als vor Jane.

"Sie ist, ähm...ein sehr interessantes Kind."

Charlie schnaubte und setzte sich hin. "Ich schätze, interessant ist auch eine Art das auszudrücken. Ich weiß nicht. Ich denke, sie wird mich, noch bevor ich vierzig bin, an den eines Herzinfarktes treiben. Ich weiß einfach nicht mehr, was ich noch tun kann, weißt du. Ich möchte kein Tyrann wie Daddy sein, doch was zum Teufel soll ich sonst tun? Ihr Verstand ist, verdammt noch mal, zu alt für ihren Körper."

Mulder wünschte sich, er könnte in irgendeiner Weise elterlichen Rat anbieten, doch er hatte keine Ahnung, wie man mit geilen Teenagern umgehen könnte. Er hatte schon selbst genug Probleme damit.

"Was denkt ihre Mutter?"

Charlie zuckte mit den Schultern. "Das gleiche, wie ich. Wir versuchen, ihr soviel Freiheiten zu geben, wie wir können, ohne sie wild werden zu lassen. Doch es gibt auch Momente, in denen uns danach ist, sie in ihrem Zimmer einzusperren und ihr einen Keuschheitsgürtel anzulegen. Und sie ist in einem Alter, in dem sie noch nicht einmal mit Rena reden will und das ist für sie ein wenig frustrierend." Charlie seufzte schwer und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. "Das ist jedoch ein anderes Thema und nicht das, worüber ich mit dir sprechen wollte."

Mulder rutschte befangen umher. Er wusste, worüber Charlie sprechen wollte, und er verspürte keinen Wunsch, das überhaupt zu diskutieren.

"Ich denke, dass wir über Dana reden müssen." Charlie hielt und betrachtete Mulder besorgt. "Ich glaube nicht, dass es ihr besser gehen wird. Ich meine, da ist ein größerer Schaden, als wir zuerst dachten."

"Nein...sie, es ging ihr gut. Als ich vorhin bei ihr war, und sogar an diesen Morgen, ging es ihr besser. Es wird ihr besser gehen. Es geht ihr gut. Es liegt an mir."

Charlie rollte mit den Augen und seufzte. "Mulder, das ist einfach nicht wahr. Ihr Arzt hat mit heute erzählt, dass sie überhaupt nichts gegessen hat. Sie legt kein Gewicht zu oder gewinnt auch nicht an Stärke zurück und sie redet mit niemanden über das, was passierte. Sie lehnt es ab, mit einem Psychologen zu sprechen..."

"Sie braucht keinen Psychologen. Da ist nichts verkehrt bei ihr. Alles was sie braucht ist, dass ich sie in Ruhe lasse."

"Hörst du mir überhaupt zu? Es wird ihr nicht besser gehen! Ihr Körper erholt sich nicht. Ihr psychischer Zustand hat sich nicht verbessert. Da stimmt etwas wirklich nicht. Sie sollte jetzt schon fast soweit sein, das Krankenhaus zu verlassen. Doch das ist sie nicht, sie wollen sie hier nicht rauslassen, weil sie einfach hinfallen würde, sobald sie das Bett verlässt. Hast du das kapiert?"

Mulder zuckte zusammen und schloss seine Augen. Er wollte das nicht glauben. Es war viel einfacher, ihm die Schuld für ihr merkwürdiges Verhalten zuzuschieben, als zu denken, dass mit ihr etwas ernsthaft nicht stimmte.

"Warum hat mir das niemand gesagt?"

"Ich weiß es nicht, ich schätze, weil du in ihren Augen nicht zur Familie gehörst. Aber ich erzähle dir das, weil ich glaube, dass du der einzige bist, der ihr helfen kann. Du bist der einzige, auf den sie hört."

"Nun bist du derjenige, der es nicht kapiert, Charlie. Ich versuche, ihr zu helfen. Das ist alles, was ich getan habe. Es funktioniert nicht. Sie hat Angst vor mir."

"Nein, hat sie nicht. Warum sollte sie vor dir Angst haben?"

Mulder starrte für einen Augenblick ausdruckslos auf die Wand. Charlie wusste es nicht. Er verstand es nicht. Weil er keine Ahnung hatte, was Mulder seiner Schwester angetan hatte. Mulder gefiel der Gedanke, ihn über die Details zu informieren, nicht.

"Sie hat sie einfach. Und sie will mit mir genauso wenig über das alles reden, wie mit irgend jemand anderen."

"Gut, dieser Teil könnte stimmen, Aber sie will nicht, dass du denkst, sie würde nicht klarkommen. Sie hat große Angst davor, du könntest denken, sie sei schwach oder hilflos."

Mulder nickte betrübt. Sie hatte es ihm niemals gezeigt, wenn sie Hilfe brauchte, wenn sie Angst hatte oder traurig war.

"Nun, versuch wenigstens, sie dazu zu bringen, dass sie mit jemand anderem spricht, einem Therapeuten oder ihrem Arzt oder...ich weiß nicht, irgendjemanden."

"Ich...ich werde es versuchen, denke ich," stimmte Mulder zu. Aber in seinem Herzen wusste er, dass es ihr sehr viel besser gehen würde, wenn er an dieser Situation überhaupt nicht beteiligt wäre.

 

xxxxxx

 

Dienstag

13:30

Rena Scully führte ihren Sohn an der Hand in Scullys Zimmer. Als sie sah, dass Dana schlief, beugte sie sich zu ihrem Sohn hinunter und ermahnte ihn, ruhig zu sein. Der Mann an Danas Seite war, wie sie nur annehmen konnte, der berühmt-berüchtigte Mulder. Er saß auf einem Stuhl direkt neben dem Bett über sie gebeugt, eine Hand hielt Danas, mit der anderen strich er ihr in einem stetigen Rhythmus übers Haar. Sein Blick war voller Sorge und intensiver Bewunderung.

Charlie Jr. seufzte und riß Mulder aus seiner Trance. Als er lächelte und Rena begrüßte, sah er leicht verwirrt und vielleicht sogar etwas befangen aus.

"Mr. Mulder?" vermutete Rena und bot ihm die Hand an. "Ich bin Rena Scully."

"Ja, ja. Charlies Frau. Ich habe Sie beide von dem Foto, dass er mir gezeigt hat, erkannt." Sie lächelte und nickte, als er ihre Hand schüttelte. "Bitte, Sie können mich nur Mulder nennen."

 

Rena lächelte und blickte auf Dana herab, die im Schlaf sehr flach atmete. "Wie geht es ihr?"

Mulder seufzte und blickte ebenfalls zu Dana herüber. "Sie ist okay, ihr Arm heilt und so, aber..." Er seufzte und brach wieder ab. Dana zuckte und stöhnte im Schlaf und Mulder ließ seine Hand wieder über ihr Gesicht und ihr Haar gleiten, was sie zu beruhigen schien.

Er war über ihren emotionalen Zustand sehr besorgt, das war ein Eindruck, den Rena mehr als deutlich erhielt. Sie musste nicht einmal fragen, was es war, woran er sich eben selbst gehindert hatte, es auszusprechen. Zusammen mit diesem Eindruck hatte sie auch das starke Gefühl, dass er eine intensive Schuld für das, was mit Dana geschehen war, in sich trug. Für viele Dinge, die mit ihr geschehen waren.

Mulder hielt nun seine Augen auf Dana gerichtet. "Sie wissen, dass es das Beste ist, was Sie jetzt für sie tun können." Bei Renas Bemerkung hoben sich Mulders Augenbrauen und seine Augen blickten etwas zu ihr auf, doch er hob den Kopf nicht ganz.

"Sie so zu berühren. Wenn sie schläft, leise mit ihr zu sprechen. Es gibt keine bessere Therapie, als die Berührung eines anderen Menschen. Besonders die eines Liebenden."

Er lächelte betrübt, sah wieder zu ihr auf, seufzte und sagte leise, "Danke. Vielen Dank."

Aus dem, was ihr Charlie über diesen Mann erzählt hatte, wusste Rena, dass er all die Ermutigung brauchte, die er bekommen konnte. Besonders, wenn es sich auf die Familie bezog. Wie sie selbst wurde Mulder von der Scullyfamilie nicht mit offenen Armen aufgenommen. Doch er schien es viel persönlicher zu nehmen, als sie es je getan hatte.

Für einen Moment lang war sie versucht, ihm zu versichern, ihn wissen zu lassen, dass nichts von dem seine Schuld war, doch sie hielt ihre Zunge in Zaum. Er musste seine ganze Anstrengung auf Danas Genesung konzentrieren. Das war wirklich der einzige Weg, wie es ihr besser gehen würde oder könnte.

In die Stille des Raumes hinein fragte Mulder leise, "Glauben Sie...glauben Sie, dass sie jemals wieder dieselbe sein wird?"

Rena war sich nicht sicher, wie sie ihm eine ehrliche Antwort geben könnte. Es lag nicht an ihr. Statt dessen fragte sie ihn, "Glauben Sie, dass sie das wird?"

Mulder blickte auf und sah sie jetzt direkt an, seine Augen waren angesichts ihrer Frage scheinbar voller Zweifel.

"Mulder, ich denke..."

"...zappelte und wackelte und sich in ihr verhedderte..."

Charlie Jr. wurde anscheinend schon dieses Besuches müde und beschloss, sich selbst mit den Plastikactionfiguren die er bei sich hatte, zu unterhalten. Selbstvergessen sang er ein gerade erst gelerntes Lied, mit dem es ihm gelungen war, seine Familienmitglieder in letzter Zeit in den Wahnsinn zu treiben, indem er es immer wieder wiederholte.

"Charles, nicht so laut, mein Liebes," bat Rena fest.

Der Junge bestätigte es seiner Mutter nicht offiziell, sondern fuhr damit fort das Lied in einem lauten Flüstern zu singen. "... sie schluckte die Fliege... nein, warte... sie schluckte das Pferd, um das Hündchen zu bekommen, um die Spinne zu bekommen, die zappelte und wackelte und sich in ihr verhedderte..."

Als er seine eigene Interpretation des Liedes weitersang, konnten sowohl Rena als auch Mulder nicht anders, als leise in sich hineinzulachen.

"Scheint ein gutes Kind zu sein," bemerkte Mulder anerkennend.

Rena lächelte stolz. "Er passt sich wirklich seinem Namen an. Er *ist* mein kleiner Charlie. Er hat die besten Qualitäten seines Vaters angenommen."

Als sie beide den Jungen beim Spielen beobachteten, merkten sie zuerst nicht, dass Scully begonnen hatte, sich viel schwerer als zuvor in ihrem Schlaf herumzuwerfen. Erst als sie anfing, laut zu stöhnen, wurde ihre Aufmerksamkeit auf sie gelenkt.

"Shhh, Scully, du bist okay, du bist okay. Ich bin hier bei dir." Mulder sprach in ihr Ohr und benutzte beide Hände um ihr Gesicht zu streicheln.

Aber sie ließ sich nicht beruhigen. "Nein... bitte... nicht. *Bitte*."

"Ich kannte 'ne Dame, die eine Spinne verschluckte, die zappelte und wackelte und sich in ihr verhedderte...," sang Charlie weiter im Hintergrund. Rena schimpfte wieder mit ihm, weil er so laut war, doch Charlie wusste, dass die Aufmerksamkeit seiner Mutter im Moment geteilt war. Also zog er es vor, nicht auf sie zu hören und sang weiter.

"...sie schluckte die Spinne, um die Fliege zu fangen..."

Scully warf sich im Bett herum, ihr Gesichtsausdruck vor Schmerz verzerrt, ihre Wangen tränenüberströmt. "Scully, ich bin hier. Scully...," rief Mulder nun schon verzweifelter.

"Nein, bitte... kann nicht..." Dann hustete und hyperventilierte sie, als ob sie sich übergeben würde.

"...Ich weiß nicht, warum die Dame 'ne Fliege schluckte..." Rena packte Charlie am Arm, zog ihn an ihre Seite und erinnerte ihn heftig an ihre vorherige Anweisung. Er kicherte und beendete das Lied trotz des Befehles seiner Mutter.

"Vielleicht wird sie STERBEN!"

"NEIN!" Scully fuhr kerzengerade im Bett hoch und schrie. "AUFHÖREN AUFHÖREN NEIN!!" Ihre Augen waren weit offen und sie sah Charlie direkt an, als sie schrie. "LASSEN SIE MICH GEHEN, VERDAMMT NOCH MAL!!"

Der kleine Charlie war zu Tode erschrocken und ließ sofort seine Unterlippe hängen. Er schmiegte sich an die Hüfte seiner Mutter, die Tränen begannen zu fallen und er verbarg sein Gesicht.

Scully selbst weinte und zitterte und es war sowohl für Rena als auch für Mulder offensichtlich, dass sie eigentlich noch mitten in ihrem Alptraum gefangen war. Rena hob ihr schluchzendes Kind hoch und trug es aus dem Zimmer.

Mulder schüttelte Scully und rief ihren Namen. Schließlich wachte sie auf und sie brauchte nur einen Augenblick, um zu erkennen was passiert war. Sie sah Mulder an und brach in seinen Armen zusammen.

Er hielt sie eng an sich und versuchte sein Bestes, um sie zu beruhigen. "Was zum Teufel ist los mit mir, Mulder?" schluchzte sie an seiner Brust. "Ich bin so müde," flüsterte sie. "Wann kann ich mich ausruhen?"

 

Ende Kapitel 3/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 4/11

 

Dienstag

19:30

Mulder rieb sich die Augen. Erst jetzt kam es ihm in den Sinn, wie müde er war. Und dass ihm alles wehtat. Die Beschwerden, die das Schlafen in Krankenhaussesseln mit sich brachte, hatten ihn voll erwischt. Sein einziger Gedanke beim Schlafen im Krankenhaus war auf Scullys Bequemlichkeit gerichtet, nicht auf seine.

Er betrat das Wartezimmer, das in den letzten Tagen von Scullys Familie vereinnahmt worden war. Auf einer der Couchen in der Ecke schlief Rena, an Charlies Schulter gelehnt. Charlie erkannte Mulder schläfrig und Mulder nickte. Er wollte sich nur für ein oder zwei Minuten auf die andere Couch im Raum legen, als er Charlie Jr. auf dem Boden bemerkte, der in die im Fernsehen laufende Folge von Scooby Doo versunken war.

Gott, er sah aus wie sie. Sehr sogar. Er sah auch aus, wie seine Eltern, aber er ähnelte Scully auf so viele Arten. Die Form seines Gesichtes, der Bogen seiner Augenbrauen. Im Gegensatz zu seiner Schwester hatte Charlie Jr. die meerblauen Augen seines Vaters geerbt, deren Schattierung er mit seiner Tante teilte. Augen, die nun mit Tränen gefüllt waren.

Mulder sah wieder zu den Eltern des Jungen hin. Beide waren nun eingeschlafen und Charlie schnarchte leise, während er unbewusst das seidige schwarze Haar seiner Frau streichelte. Mulder kniff die Augen zusammen. Große Klasse, ihnen die Ferien zu verderben und indirekt das Trauma ihres Kindes zu verursachen.

Konnte er in dieser Woche womöglich jedermanns Leben verderben?

Mulder wusste genau, wie sich klein Charlie fühlte. Nur dass Charlie es nicht besser gewusst hatte. Mulder hatte es.

Ein Bild von Scullys ärgerlichem Gesicht kam Mulder in den Sinn. Sie hatte so recht gehabt. Jane hatte ihn manipuliert, jede seiner Schwächen ausgenutzt. Er hatte es nicht kommen sehen. Scully hatte es und er hatte beschlossen, sie wieder einmal zu ignorieren.

Nie wieder, Scully, ich verspreche es. Von jetzt an wollte er zuhören. Gott verdammt, und wenn es ihn umbrachte, er würde auf jeden ihrer Atemzüge hören.

Mulder setzte sich neben Charlie auf den Boden. "Magst du Scooby?" fragte er.

Charlies Blick blieb weiter auf den Bildschirm gerichtet und er nickte kurz.

"Weißt du," meinte Mulder in dem Versuch, ihn abzulenken. "Deine Tante Dana erinnert mich immer an Velma."

"Sie ist hässlich," erwiderte Charlie leise und atmete heftig ein.

"Ja." Mulder gluckste leise. "Aber sie ist die clevere, wie Velma. Tante Dana ist immer diejenige, die unsere Fälle löst. Unsere Geheimnisse." Gott, das war die reine Wahrheit. Mulder war nach Weinen zumute.

'Komm zurück zu mir, Scully.'

Charlie saugte an seinen Lippen und seine Mundwinkel gingen noch weiter nach unten. Er schniefte kurz und wischte sich über die Augen. Dann schnappte er nach Luft und sein Kinn zitterte, als eine Träne über seine Wange lief. Es war jetzt offensichtlich für Mulder, dass er versuchte, nicht zu weinen.

"Hey," sagte Mulder. "Hey, Kumpel, es ist okay. Wein ruhig, wenn du willst."

Charlie schüttelte grimmig den Kopf und rieb sich mit den Fäusten die Augen. "Kann nicht. Soll nicht."

"Du sollst nicht?" Mulder konnte nur schwer glauben, dass Charlie und Rena ihm das beigebracht haben sollten. "Wer sagt, dass du nicht weinen sollst?"

Charlie schob seine Unterlippe hervor und schluchzte. Sich die Nase wischend erklärte er, "Onkel Bill. Ich habe geweint, weil ich mich wirklich schlecht fühle, weil, weil ich Tante Dana böse gemacht habe und sie wirklich krank ist und..." Er konnte kaum noch sprechen. "Onkel Bill hat gesagt, dass ich ein großer Junge bin und kein Baby mehr und dass ich ungezogen war, weil ich nicht auf Mami gehört habe und dass ich, dass ich nicht weinen soll!"

Seine Geschichte war zu Ende und die Schleusen waren geöffnet. Mulder ermutigte Charlie, sich an ihn zu lehnen und zu Mulders totaler Überraschung schlang der Junge seine Arme fest um seine Taille.

Rena bewegte sich im Schlaf und Mulder drehte sich um, um sie anzusehen. Augenscheinlich befriedigt, dass ihr Baby nicht in Gefahr war, entspannte sie sich wieder in den Armen ihres Mannes. Als Mulder merkte, dass sein Hemd nass wurde, redete er leise auf den kleinen Charlie ein. "Ist okay, Charlie. Lass es raus. Jeder sollte ab und zu weinen."

"Ich wollte sie nicht traurig machen. Ich wusste nicht, dass das Lied ihr wehtun und sie noch mehr krank machen würde." Die Worte kamen stoßweise zwischen Schluchzern heraus.

"Ich weiß, dass du es nicht wolltest. Das weiß ich."

"Es tut mir wirklich sehr leid."

"Das weiß ich." Mulder sah sich nach etwas um, das helfen würde, damit der Junge sich besser fühlte. "Hey, willst du vielleicht ne Coke oder so etwas?" Charlie löste sich von ihm und zeigte sein geschwollenes, tränennasses Gesicht. Aber da war jetzt auch ein Hauch von Glück in seinen Augen zu sehen. "Kann ich eine Dose für mich allein haben?"

Während sie auf die Tür zu dem Raum zugingen, in dem sich die Getränkeautomaten befanden, hielt sich Charlie an Mulders Hand fest, als wäre es die natürlichste Sache der Welt für ihn. Mulder glaubte, dass ihm tatsächlich das Herz aufging. Als sie den Raum erreichten, hüpfte Charlie.

Er sprang vor Mulder auf und nieder. "Kann ich das Geld hineinwerfen? Ich will das Geld allein reintun. Bitte?"

Mulder zauberte hinter Charlies linkem Ohr ein 25-Cent-Stück hervor. Charlie riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Als er sich hinter das Ohr griff, um nach mehr Geld zu sehen, griff Mulder hinter Charlies rechtes Ohr und fand ein weiteres 25-Cent-Stück.

"Wow," war alles, was Charlie hervorbringen konnte.

"Komm her, Kind," meinte Mulder, als er Charlie hochhob, so dass er den Schlitz für das Geld erreichen konnte. Charlie warf die beiden Geldstücke ein, drückte heftig auf den Coke-Knopf und freute sich leise, als er die Dose fallen hörte.

Die beiden neuen Freunde setzten sich an einen runden Tisch, der in dem Raum stand. Der kleine Charlie nahm zwei große Schlucke aus seiner 'ganzen Dose' und Mulder sinnierte darüber, wie diese einfache Sache den Jungen glücklich zu machen schien. Und dass Mulder etwas damit zu tun hatte, machte es noch besser für ihn.

"Aber erzähle nicht Mom und Dad, dass ich dir die Coke gegeben habe, wenn du sie nicht haben sollst," scherzte Mulder.

"Mami macht es nichts aus. Mulder," begann er, wurde aber durch einen Rülpser unterbrochen. "Tschuldigung. Mulder, denkst du, äh, denkst du, dass es Tante Dana wegen mir schlechter geht?"

Mulder war sich nicht ganz sicher, ob er ausreichend qualifiziert war, diese Frage zu beantworten, da er sich gerade über die gleiche Sache Sorgen machte. Anstatt zu antworten, machte er einen Vorschlag. "Würdest du dich besser fühlen, wenn wir hochgehen und uns bei Tante Dana entschuldigen würden?"

Charlie sah plötzlich erschrocken aus. Er blickte mit gesenktem Kopf in seine Coke-Dose. "Ich möchte nicht."

Mulder wollte auch nicht. Endlich konnte Mulder sich mit jemandem in dem ganzen Chaos verbünden. Leider war dieser Jemand ein Fünfjähriger. Oder vielleicht war es gar nicht so schlecht. Wie auch immer, es begann Mulder klar zuwerden, dass Scullys Bruder letzte Nacht recht gehabt hatte. Irgend etwas war wirklich nicht in Ordnung mit Scully und es war mehr als nur seine eigene Dummheit.

"Es ist schwer, ich weiß, wie du dich fühlst. Du fühlst dich dumm. Verlegen. Es tut dir leid. Ich fühle genauso. Ich hab deine Tante Dana auch zum Weinen gebracht."

"Wirklich? Das hast du? Was hast du gemacht?"

"Äh..." Er versuchte eine Erklärung zu finden, die ein Kind möglicherweise in der Lage war, zu verstehen. "Ich habe versucht, ihr ein paar Nudeln zu essen zu geben und irgendwie habe ich sie damit erschreckt." Wenn das nur die einzige Sache wäre, die er getan hatte. Aber er wollte einen Fünfjährigen nicht mit Geschichten von Entführungen und wahnsinnigen Jägern und vergewaltigenden Partnern traumatisieren.

Charlie verzog das Gesicht. "Die Nudeln? Das ist albern. Wer hat Angst vor Nudeln?" Er begann zu kichern und Mulder legte ihm einen Finger auf den Mund.

"Shh, ich weiß, es ist schwer zu verstehen. Ich verstehe es selbst nicht ganz, aber aus irgendeinem Grunde haben sie sie erschreckt. So wie dein Gesang."

Charlie nahm einen weiteren Schluck von seiner Coke und sah Mulder mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck an. "Onkel Mulder?"

Mulder erschrak, als er hörte, dass der Junge ihn Onkel nannte und er brauchte eine Sekunde, um zu reagieren. "Äh, ja Charlie?"

"Glaubst du, dass die Nudeln sie wegen ihrer schlechten Träume erschreckt haben?"

 

xxxxxx

 

Scully tastete im Schlaf nach Mulders Hand. Unfähig, sie zu finden, erwachte sie mit einem heftigen Keuchen. Für den Bruchteil einer Sekunde fürchtete sie, dass sie wieder bei Jane war, dass das Aufwachen in Mulders Armen vor einer Weile nichts weiter als eine weitere Halluzination gewesen war.

Dann hörte sie eine Stimme. Die Stimme eines kleinen Kindes.

"Du bist dran. Du bist dran."

"Einen Moment, Charlie. Deine Tante Dana wacht auf."

"Oh-oh, ich habe vergessen, zu *flü-stern*," erwiderte der Junge mit einem Flüstern, das lauter war, als die Worte, die er vorher gesprochen hatte.

Nun erkannte sie die beiden. Es war Mulder, der mit Charlies Jungen auf dem Boden saß. Ein Kartenspiel war für ein Spiel auf den Fliesen verteilt.

Mulder stand auf und setzte sich zu ihr aufs Bett. Er beugte sich vor und strich ihr ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht. "Wie geht es dir?" fragte er mit leiser Stimme.

Sie lächelte ein bisschen und entgegnete, "Wie ich sehe, hast du jemand anderen zum Spielen gefunden, während ich geschlafen habe."

Mulder sah zu Charlie Jr. hin. "Ja, aber er mogelt noch mehr als du," neckte er sie.

"Tu ich NICHT!" protestierte Charlie laut.

"Shh, Junge," belehrte in Mulder. "Sie werden uns hier noch rauswerfen." Er fuhr Charlie durchs Haar, als der zu ihnen ins Bett kletterte.

Charlie kletterte über das ganze Bett, um seine Tante Dana zu umarmen. "Ich liebe dich, Tante Dana." Seine Stimme klang traurig für sie. Eine Weile hielt er seinen Kopf an ihrer Schulter verborgen und bald spürte sie, wie es dort feucht wurde.

"Charlie?" Sie sah Mulder fragend an. Er zuckte mit den Schultern und dann erinnerte sie sich augenblicklich daran, was passiert war. "Liebling, was ist los?"

"Tut mir leid," schluchzte er an ihrem Hals. "Ich wollte dich nicht traurig machen," schniefte er. "Ich bin ein lieber Junge, ich wollte nicht unartig sein, oh..." Er brach ab und weinte heftig. Scully streichelte mit ihrer gesunden Hand seinen Rücken und drückte ihre Wange auf seinen Kopf.

"Ist okay, Charlie," flüsterte sie. "Du bist ein lieber Junge." Jetzt hatte sie selber Tränen in den Augen. "Ich habe einfach nur wirklich schlechte Träume, das ist alles. Es ist nicht deine Schuld." Sie küsste ihn auf den Kopf. "Nicht deine Schuld."

"Ich bin kein Baby," wimmerte er.

"Nein, das bist du nicht. Du bist ein großer Junge. Du bist ein wundervoller Junge. Und ich liebe dich sehr."

Er löste sich von ihr und Scully erblickte seine roten Augen, seine tränenüberströmten Wangen. Er schniefte zweimal. "Ich liebe dich auch sehr."

"Gut," erwiderte sie lächelnd.

"Du bist nicht mehr böse mit mir?" fragte er ein letztes Mal.

Sie kicherte durch die Nase und schüttelte ihren Kopf. "Nein. Du hast nichts falsch gemacht, Süßer. Du wusstest es ja nicht."

Er lächelte und beugte sich zu ihrem Gesicht herab. "Küsschen?"

Scully lachte wieder leise und stimmte zu. "Küsschen."

"Mmmah!" rief er aus, als er sie flüchtig auf den Mund küsste.

"Mulder, gibst du mir bitte ein Kleenex, ja?" bat sie ihn leise. Während sie es von ihm entgegennahm, sagte sie zu Charlie, "Komm her, damit ich dir das Gesicht saubermachen kann." Er gehorchte ihr glücklich und saß still, als sie ihm die Tränen abwischte und die laufende Nase putzte. "Wie seid ihr beide überhaupt hier hereingekommen? Die Besuchszeit ist seit Stunden vorbei."

Charlie zog sich zurück. Der Gedanke, ihre Frage zu beantworten, schien ihn zu begeistern, als er sich hinkniete und tief einatmete.

"Onkel Mulder hat mich hergebracht!" erklärte er stolz.

"Onkel Mulder?" fragte sie und sah diesmal Mulder an. Der zuckte nur mit den Schultern.

Charlie nickte entschieden. "Ja-ja-ja! Wir haben versucht, uns an den Ladies an diesem, äh, Empfangsding vorbeizuschleichen, aber eine von denen meinte 'Hey, er kann hier nicht rein.' Aber Onkel Mulder hat gesagt, hey." Er hielt inne, um ihr Gesicht zu ihm zu drehen, so dass sie ihn anstelle von Mulder ansah.

"Tante Dana, Tante Dana," bettelte er um ihre Aufmerksamkeit. "Onkel Mulder, er, äh, hat zu der Lady gesagt 'Er ist mit mir hier.' und sie war... und sie kümmerte sich nicht darum und, äh, also hat Onkel Mulder sein Ausweis-Ding herausgeholt und gesagt 'Fox Mulder, FBI,' und so weiter, und so sind wir hier hereingekommen."

Scully versuchte ihr Bestes, um nicht angesichts des Vortrages des Jungen in einen Lachanfall auszubrechen. Er schien ziemlich beeindruckt von seinem neuen Onkel zu sein, wie er so dasaß, seine Hand hochhaltend, Mulders Stimme und seine Stellung so gut er konnte imitierend. Mulder hatte im Moment ihren Bruder als klein Charlies Helden ersetzt.

"Nun, dann bist du auch ganz schön wichtig, Mr. Scully." Sie piekte ihn in den Bauch und er kreischte lachend auf. Er hatte seinen ganzen Kummer von vorher bereits vergessen.

"Leise, Charlie, du bringst uns sonst wirklich noch in Schwierigkeiten," scherzte Mulder wieder und sie tauschten, sich gegenseitig neckend, ein paar 'äh-häs' aus.

Plötzlich hielt Charlie inne und schien sich an etwas zu erinnern. Er drehte sich zu Mulder um und bat ihn, sich nahe heranzubeugen, so dass er ihm etwas zuflüstern konnte.

"Hey-hey-hey, keine Geheimnisse," scherzte Scully.

Mulder lächelte über ihre Bemerkung, während er Charlie zuhörte, was der ihm erzählte. Dann wurde Mulders Gesicht plötzlich sehr ernst.

"Mulder? Was? Was ist los?"

"Äh..." ächzte er.

"Komm schon, du hast es VERSPROCHEN! Nun mach es!" hetzte ihn Charlie auf.

Mulders Gesicht war rot und verschwitzt. Scully begann sich nun Sorgen zu machen.

"Ich soll..." Er zögerte. "Ich habe ihm versprochen, dass ich..."

"Tante Dana, das mit den Nudeln tut ihm wirklich leid." Augenscheinlich war die Spannung zuviel für Charlie.

Scullys Gesicht sah nun aus wie Mulders und ihr Herz schlug schneller. Sie hatte den Vorfall schon beinahe vergessen. Obwohl sie sich ziemlich unwohl dabei fühlte, auch nur daran zu denken, gab sie ihren Neffen nach. "Äh...Es ist okay, Mulder. Ich verzeihe dir."

Die Beiden sahen sich unbehaglich an. Scully konnte sich nicht entscheiden, ob es besser war, dass Charlie im Raum war oder nicht. Mit klein Charlie dabei würde Mulder wenigstens nicht versuchen, in sie zu dringen, versuchen, mehr Fragen darüber zu stellen, was bei Jane passiert war.

Charlie tätschelte Mulders Arm. "Es ist okay, Onkel Mulder. Sie hat nur einfach im Moment schlechte Träume. Es wird ihr bald besser gehen."

Charlie blickte weiter zwischen beiden hin und her. Ihm wieder nachgebend, sagte Scully zu Mulder, "Es ist in Ordnung."

"Und nun Küsschen!"

Welch unschuldige Bitte. Er hatte keine Ahnung, worum er sie bat. Für Charlie waren 'Küsschen' nur eine Art der Versicherung, dass alles wieder in Ordnung war. Alles ist vergeben, alles besser, es wird dir gut gehen.

Mulder schenkte Scully ein dümmliches Grinsen und beugte sich rasch nach vorn, um seine Lippen kurz über ihre Stirn zu streifen. "Nein, nein, NEIN! Das ist kein Küsschen!" rief Charlie mit Frustration in der Stimme.

Als Mulder sich zurückzog, beantwortete Scully den Ausdruck auf seinem Gesicht. Seufzend meinte sie. "Küsschen ist auf den Mund."

"Ja, ja. Du musst sie auf den *Mund* küssen, du Dummer," entgegnete Charlie sachlich, als er an Mulders Arm zog. "Du sagst 'Küsschen?', Onkel Mulder, und Tante Dana sagt 'Küsschen' und dann küsst du sie auf den Mund und dann, und dann, dann ist ALLES besser!"

Mulder sah aus, als würde er ohnmächtig werden. Lange Zeit starrten sie einander nur schweigend an, als ob sie im Kopf eine das Leben verändernde Entscheidung durcharbeiteten. Scully wurde sehr warm, als sie sah, wie sich Mulders Brust rasch hob und senkte. Er öffnete seinen Mund, aber es kam kein Ton heraus.

"Kommt *schon*! Jesus, ihr beide braucht ja ewig!" forderte Charlie.

Mulder schien immer noch Schwierigkeiten zu haben. Charlie flüsterte laute Worte der Ermutigung. "MACH SCHON!"

Sie beobachtete, wie ein zartes Lächeln seine Mundwinkel nach oben zog.

"Küsschen?" wagte es Mulder und das Wort blieb in seiner Kehle hängen.

"Küsschen," erwiderte sie und er beugte sich ihrem Gesicht entgegen.

Außer dass Mulder noch mehr Schwierigkeiten mit dieser scheinbar einfachen Leistung hatte. Kurz vor ihrem Gesicht hielt er inne und versuchte, zu entscheiden, ob er sich nach rechts oder nach links lehnen sollte. Scully hob ihren Kopf ein wenig an, um ihm zu helfen, und als sie es tat, stieß seine wundervolle große Nase gegen ihre, was Mulder ein bisschen erschreckte und ihn leicht die Balance verlieren ließ und so endete es damit, dass er förmlich in ihren Mund hineinfiel und viel härter zudrückte, als er vorhatte.

"Mmm... au," schrie Scully auf, als ihre Stirn gegen seine stieß und ihre Zähne aufeinander trafen.

"Oh, Scully, oh, Scully, es tut mir so leid. Bist du in Ordnung? Hmm? Alles klar?" fragte er, während er sich seinen Kopf rieb.

"Ja, ich... was?" Scully drehte sich zu ihrem kichernden Neffen um. "Worüber lachst du so?"

"Onkel Mulder," antwortete er und lachte noch mehr. "Er kann keine richtigen 'Küsschen' geben!"

Scully drehte sich zurück und sah Mulder an. Er atmete schwer und sein Gesicht war röter, als sie es jemals gesehen hatte.

Mulder schnappte sich den Jungen und sagte, "Oh ja, du glaubst, das ist lustig? Du lachst so gern, hmm? Ich werde dir zeigen, worüber du lachen kannst!"

Er fuhr fort, den kleinen Charlie zu kitzeln, bis er schrie "Onkel!" Scully war es leichter ums Herz, als es seit langer Zeit gewesen war. Die Art, wie Mulder mit ihrem Neffen umging, war so ein wundervolles Zeichen und sie erinnerte sich an das Gefühl der Sorglosigkeit. Scully vermisste das. Sie wusste nicht, wann ihr Körper sich für welches Gefühl entscheiden würde. Bestimmt wusste sie, dass sie an dieser Entscheidung keinen Anteil mehr hatte.

 

xxxxxx

 

Mittwoch

13:40

Die Tür ging auf und Scully sah ihre Schwägerin den Raum betreten.

"Hey. Wie fühlst du dich?"

Scully grinste und zuckte mit den Schultern.

"Es tut mir leid. Ich bin sicher, es macht dich krank, das immer wieder gefragt zu werden."

Scully nickte. "Ein kleines bisschen. Ja." Unbewusst blickte Scully über Renas Schulter.

"Mulder ist auf dem Weg nach oben," erklärte Rena.

"Was? Oh." Sie hätte wissen müssen, dass Rena ihre Gedanken lesen würde.

"Er hat einen neuen Partner gefunden, glaube ich. Mulder zeigt ihm noch einmal die Babys. Charlie ist einfach fasziniert von kleinen Kindern und bevor du noch ein Wort sagst, die Antwort lautet nein."

Scully lachte. "Wie geht es denn klein Charlie? Ist er wieder in Ordnung, nachdem, was gestern passiert ist?"

"Ja. Tatsächlich glaube ich, dass er schon wieder alles vergessen hat. Mulder allerdings..."

"Rena, ich muss dir sagen, dass mir wirklich leid tut, was passiert ist. Ich weiß nicht, warum..."

Rena schüttelte den Kopf. "Es ist nicht deine Schuld. Aber weißt du, Dana..."

Scully fürchtete sich davor zu fragen, was Rena dachte. Rena hatte einfach den Bogen heraus, genau zu wissen, was den Leuten durch den Kopf ging. "Was ist los, Rena?"

Rena seufzte. "Wahrscheinlich geht es mich nichts an, aber..." Sie hielt inne und setzte sich neben sie in den Sessel, der Mulders neues Bett geworden war. Rena nahm Scullys Hand und sah sie ernst an. Scullys Herz begann zu hämmern. "Dana, ich weiß, du hast mit niemandem darüber gesprochen, was dir passiert ist, noch nicht einmal mit dem Psychiater. Nicht einmal mit Mulder."

Nicht das. Nein. Scully musste sie von diesem Thema abbringen. "Rena, ich weiß deine Sorge zu schätzen, wirklich, das tue ich, aber da gibt es wirklich nicht viel zu sagen. Ich habe der Polizei gesagt, was passiert ist, als ich dort war und das ist wirklich alles, was dazu zu sagen ist. Es ist wirklich nicht nötig. Ich... ich muss einfach meine Kraft wiedergewinnen."

Rena schloss die Augen und seufzte wieder in der gleichen Weise, wie es ihre Mutter vorher getan hatte. Sie wünschte, jeder würde sie damit in Ruhe lassen. Der einzige Mensch, der nicht wegen irgend etwas in sie drang, war Mulder.

"Dana, wenn du es nicht für dich selbst tun willst, dann überlege es dir wegen Mulder. Hast du ihn dir mal angesehen? Er sieht krank aus. Er kümmert sich nicht um sich selbst, weil er sich solche Sorgen um dich macht. Möchtest du, dass er im Krankenhaus endet?"

"Natürlich will ich das nicht. Natürlich nicht. Ich sehe nur nicht, wie es hilfreich sein kann, das alles wieder aufzuwärmen."

Rena nickte und wurde still. Sie sah Scully ein paar Mal an, was bei ihr eine nun schon sehr vertraute Nervosität hervorrief. Wo zur Hölle war Mulder?

"Dana, es liegt mir fern, ungebetene Ratschläge zu geben, aber ich liebe dich und ich möchte, dass es dir besser geht. Glaub mir, wenn ich dir sage, dass es dir nicht besser gehen wird, bis du dich damit beschäftigst. Ich denke, das weißt du. Und du musst eines Tages damit ins Reine kommen."

Scully schwieg weiter. Sie wollte nichts von dem, was Rena vorschlug. Es war nicht nötig, nichts davon. Sie war in Ordnung, sie fühlte sich gut. Sie musste nur nach Hause gehen und nicht mehr daran denken.

"Ich liebe dich auch Rena. Ihr seid alle so lieb, dass ihr hier seid. Aber es gibt wirklich keinen Grund für dich, hier zu sein," stellte sie fest. "Wo hast du gesagt, ist Mulder hingegangen?"

"Ich werde ihn suchen gehen. Aber versprich mir, dass du darüber nachdenkst, was ich gesagt habe."

Scully nickte ihr unaufrichtig zu, als sie das Zimmer verließ. Nur solange, bis Rena Mulder hierher zurückbrachte. Dann würde ihr Herz aufhören, zu rasen.

 

Ende Kapitel 4/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 5/11

 

Margaret Scullys Haus

Dienstag, 19:40

Die Stille im Raum war ohrenbetäubender als die lauteste Explosion, die Mulder je gehört hatte. Er sah sich am Tisch um und fragte sich wieder, warum er zugestimmt hatte, hierher zu kommen. Dann blickte er in Charlie Juniors grinsendes Gesicht gegenüber und erinnerte sich, dass er wegen ihm hier war, um ihn bei Laune zu halten.

Als Rena und Charlie an diesem Abend mit ihren Kindern das Krankenhaus verlassen wollten, hatte sich der kleine Charlie zu Mulder umgedreht und ihn gebeten, mit ihnen 'zum Abendessen bei Gammy zu kommen'. Mulder hatte den älteren Scully hilfesuchend angeblickt, doch Charlie hatte nur mit den Achseln gezuckt und blöde gegrinst. Er hatte fast glücklich darüber ausgesehen, jemanden zu haben, mit dem er das Leid teilen konnte.

Mulder hatte gewusst, dass das eine wirklich schlechte Idee war, doch er hatte nicht das Herz dazu gehabt, den kleinen Charlie zu enttäuschen. Der Junge hatte wegen dieser ganzen Sache so aufgeregt gewirkt.

Mrs. Scully hatte etwas weniger begeistert ausgesehen, als er mit Charlie und seiner Familie aufkreuzte, doch sie war sehr höflich gewesen, anders als Bill, der es sogar ablehnte, ihn anzusehen, seitdem er gekommen war.

Wieder sah er sich am Tisch um und überblickte die seltsame Szene. Bill und Charlie saßen an den beiden Enden des rechteckigen Tisches. Beide schaufelten das Essen in sich hinein und sagten nichts. Keiner von ihnen schien bereit zu sein, mit jemand anderem am Tisch Augenkontakt aufzunehmen. Ihm gegenüber, zwischen seiner Mutter und Mrs. Scully, saß der kleine Charlie.

Und ihn hatte man neben Pele gesetzt. Er war sich nicht sicher, wie das passiert war. Es machte ihn jedoch noch nervöser, als er schon war. Jedes Mal, wenn er sich drehte, sah er, wie sie ihn auf ihre Ellbogen gestützt mit einem Blick anstarrte, der, wie er vermutete, der Versuch eines verführerischen Blickes einer Dreizehnjährigen sein sollte.

"Können Sie mir die Erbsen reichen, Mulder?" fragte Pele. Es war das erste, das er jemanden in einer sehr langen Zeit sagen gehört hatte. Er suchte den Tisch nach den Erbsen ab, und stellte fest, dass sie genau vor ihm standen. Sie hätte sie verdammt einfach selbst erreichen können.

Dennoch reichte er sie ihr zu. Ihre Hand strich an der Schüssel leicht über seine und sie seufzte. Es war bizarr. Seine Berührung schien auf sie den gleichen Effekt zu haben, wie Scullys auf ihm.

Mrs. Scully sprang auf, so als ob sie sich plötzlich an etwas erinnern würde. Sie verließ für einen Moment das Esszimmer und kam mit einer Flasche Wein zurück. Etwas davon goss sie in jedes Glas, bis auf das von Charlie junior und Pele. Als sie sich wieder hinsetzte, hielt Pele ihr Glas gereizt ihrer Großmutter hin.

"Würdest du mir bitte auch etwas einschenken, Oma?"

"Ähm, es tut mir leid, Kleines, du bist ein wenig zu jung..."

"Das ist okay," warf Rena ein, "wenn sie will, kann sie etwas haben. Es ist nur ein wenig Wein."

Mrs. Scully schürzte die Lippen und warf Rena einen zornigen Blick zu. Dann sah sie Charlie an. "Ist das auch für dich in Ordnung, Charles?"

"Hmm?" Charlie brummte in seinen Teller, "Ja, das ist okay." Er sah immer noch nicht auf oder hörte damit auf, sich Essen in das Gesicht zu schaufeln.

Bill murmelte etwas unverständliches. Etwas, dass nur Charlie zu hören schien. Er hob schließlich den Kopf und warf seinem Bruder den bösesten Blick zu, den Mulder jemals an Charlie gesehen hatte.

"Wie war das Bill? Würdest du das uns allen gerne mitteilen?"

Bill sah tatsächlich einen Moment lang verlegen aus. Mulder konnte nur vermuten, dass er irgendwas gemeines über Rena oder Pele gesagt hatte.

"Also, darf ich jetzt, oder was?" fragte Pele ungeduldig.

"Pele, frag höflich," ermahnte Rena sie.

"Entschuldigung, darf ich bitte ein wenig Wein haben?" Mrs. Scully blickte mürrisch drein und füllte ihr das Glas bis zur Hälfte.

Als diese kleine Krise vorbei war, fühlte sich Mulder entspannt genug, um einen großen Schluck von seinem Glas zu nehmen. Er wünschte, er hätte eine ganze Flasche gehabt, bevor er hierher kam. So unbehaglich gefühlt hatte er sich nicht mehr, seit er einmal gezwungen gewesen war, mit seiner eigenen Familie zu Abend zu essen.

Noch eine lange Stille ging vorüber, durch nichts unterbrochen, bis auf das Geklapper von Silberbestecken und Kaugeräusche. Besonders sein eigenes. Er hatte das Gefühl, als ob jeder am Tisch es hören könnte.

Nicht, dass sich irgendwer um sein dummes Kauen kümmern würde. Sie schienen vollkommen damit beschäftigt zu sein, ihren Ärger aufeinander auszuleben. Er fühlte sich, als ob er zwischen zwei sich bekriegende Zeltlager geraten wäre.

Mulder fragte sich, ob sich diese Leute immer auf diese Art verhielten, wenn sie zusammenwaren, oder ob es seine Gegenwart war, die die Dinge auf diese Art beeinflusste. Irgendwie hatte er das starke Gefühl, dass die Spannung immer da war, obwohl er zu den Schwierigkeiten beitrug. Es schien zwischen ihnen zu brodeln. Er fragte sich, wie es wäre, wenn Scully da wäre. Jede Situation erschien erträglich, wenn sie da war. Doch gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass sie so still und nervös wie jeder andere sein würde und das wäre für ihn nicht im entferntesten angenehm. Er fühlte einen plötzlichen und willkürlichen Ärger gegen alle, einschließlich sich selbst, aufsteigen. Wie konnten sie es nur wagen, hier mit ihren kleinen Differenzen und kindischen Feindseligkeiten herumzusitzen, während Scully in einem Krankenhausbett lag und ihre Unterstützung mehr als alles andere benötigte.

"Ich wünschte, Tante Dana wäre hier. Wann wird es ihr besser gehen?" platzte Charles Junior plötzlich heraus. Mulder war schockiert darüber, wie die Gedanken des Jungen seine eigenen widerspiegelten. Er war wirklich die einzige Person, auf die Mulder sich noch beziehen konnte.

Keiner beantwortete seine Frage. "Onkel Mulder, weißt du es?" Mulder sah dem Jungen in die Augen und schüttelte betrübt den Kopf.

"Nein, nein, ich weiß es nicht, Charlie. Es tut mir leid."

Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie sich Mrs. Scully und Bill ansahen und er wusste genau, was sie dachten. Es sollte ihm leid tun. Es war alles seine Schuld.

Plötzlich fühlte er etwas auf seinem Bein unter dem Tisch. Er zuckte fast zusammen und dachte, dass es möglicherweise irgendeine unbekannte Kreatur wäre, doch dann wurde ihm klar, dass es Peles bloßer Fuß war, der die Rückseite seines Beines entlang fuhr. Verdammt, sie versuchte mit ihm zu füßeln. Hastig zog er sein Bein weg und versuchte, sich darauf zu konzentrieren, schnell zu essen, damit er schnell hier rauskommen und zu Scully gehen konnte.

Rena wandte sich ihrem Sohn zu und streichelte ihm übers Haar. "Wir sind nicht sicher, wann es Tante Dana besser gehen wird, mein Schatz. Doch alleine das Wissen, dass du dich sorgst, hilft ihr."

"Wirklich? Ehrlich?"

Sie nickte und lächelte. "Ehrlich. Hand aufs Herz." Sie küsste ihn auf die Stirn und er schien etwas erleichtert zu sein.

"Mommy, warum zauberst du nicht einfach für sie?"

Mulder sah Rena neugierig an. "Zaubern?"

"Oh Mann, nicht das schon wieder," grunzte Bill.

"Wovon redet er?" fragte Mulder.

"Ich war genauso wie Tante Dana krank und Mommy hat es weggezaubert!" verkündete Charlie aufgeregt.

"Das war kein Zaubern, Liebling," sagte Rena leise zu ihm.

"Nun, was war es?" Mulder selbst wurde ziemlich aufgeregt. Für ein Kind konnte jede Art von Hilfe wie ein Zauber erscheinen. Vielleicht war Rena irgendeine Art von Traumatherapeutin, vielleicht wusste sie etwas, was Scully helfen könnte.

"Müssen wir das beim Abendessen besprechen?" fragte Mrs. Scully hoffnungsvoll. Sie schien zu spüren, dass dies ein heikles Thema war. Mulder kümmerte das nicht. Wenn es Scully helfen würde, was das nicht wichtig.

"Ich habe alles aufgegessen, Oma! Schau mal!" Charlie junior hielt seinen leeren Teller zur näheren Inspektion hoch und Mrs. Scully nickte stolz.

"Ja, das ist wunderbar, Schätzchen. Das ist Omas guter Junge!"

"Bring deinen Bruder bitte nach oben, Pele," sagte Charlie zu seiner Tochter. Pele verdrehte ihre Augen und seufzte melodramatisch.

"Werdet ihr euch wieder wegen Mom’s blöder Therapiesache streiten?"

"Tu es einfach." Mit einem weiteren Seufzer erhob sich Pele vom Tisch und warf Mulder einen verärgerten Blick zu.

"Also, sind Sie eine Therapeutin oder so?" fragte Mulder, als die beiden Kinder gegangen waren.

"Oder so..." murmelte Bill.

"Sieh dich vor." Charlie starrte Bill wütend an und richtete seine Gabel auf ihn.

Mrs. Scully räusperte sich und faltete nervös ihre Hände auf dem Tisch. "Bill, Charles, bitte. Wir können das hier jetzt nicht brauchen."

"Ähm, ich bin keine richtige Therapeutin." Sie blickte in die Runde und erwog, ob sie das jetzt diskutieren sollten oder nicht. Ihre Augen trafen sich mit Mulders und er sah sie flehend an.

"Was dann, Rena? Bitte, wenn es Scully helfen könnte, dann muss ich es wissen."

Sie seufzte und nickte.

"Vor ein paar Jahren hatte ich mit Charlie junior einen Autounfall. Er war von dieser ganzen Sache ziemlich traumatisiert, hatte schreckliche Alpträume und schlafwandelte. Eines Nachts hatten Charlie und ich beinahe gleichzeitig eine Herzattacke, als wir ihn draußen vor unseren Pool stehend fanden. Ich war mit dem Therapeuten, bei dem er in Behandlung war, nicht gerade zufrieden und dazu kam noch die Tatsache, dass es Charlie kein bißchen besser ging. Schließlich machte ich mich daran, nach anderen Möglichkeiten für ihn zu suchen. Ich überprüfte einige alternative Methoden und fand etwas, das in Charlies Fall tatsächlich wirkte."

Mulder lehnte sich eifrig über den Tisch. Das klang tatsächlich nach etwas wichtigem. Etwas, das helfen könnte.

"Also, was haben Sie getan? Denken Sie wirklich, dass es Scully helfen könnte?"

"Allmächtiger Gott! Dana will mit diesem ganzen New Age Mist nichts zu tun haben. Warum zur Hölle, mussten Sie sie auf dieses Thema bringen?" fragte Bill ärgerlich.

Charlie schlug mit seiner Handfläche auf den Tisch und brachte damit das Geschirr zum Klappern. Mrs. Scully zuckte auf ihrem Platz zusammen und vergrub ihren Kopf in ihren Händen.

"Ich hab dir gesagt, dass du deinen verdammten Mund halten sollst."

"Charlie, bitte," flehte Mrs. Scully hinter ihrem Schild.

Rena lehnte sich zu ihrem Mann hinüber und legte ihre Hand auf seine. "Es ist okay. Es ist in Ordnung. Lass es mich Mulder erklären."

 

xxxxxx

 

20:10

Scully öffnete den braunen Umschlag, der ihr am frühen Abend gebracht worden war. Sie hatte es geschafft, die Polizeiberichte aufzuspüren, die über Jane Harris aufgenommen wurden. Als eine Kollegin vom F.B.I sie im Auftrag ihres Departments angerufen hatte, um zu sehen, wie es ihr ginge und sie fragte, ob es irgend etwas gab, was sie für sie tun könnte, hatte Scully ihr Angebot sofort angenommen.

Alles war da, Polizeiberichte, Fotos, Fingerabdrücke und alle anderen Einträge, die Teil der Fahndungsakte waren, die über diese Frau angelegt worden war. Scully hätte sich dafür selbst in den Hintern treten können, dass sie in dem Moment, als sie ein eigenartiges Gefühl wegen dieser Frau hatte, nicht überprüft hatte, ob da irgendwelche Vorstrafen waren. Sie hatte davon jedoch abgesehen, weil sie sich wie eine eifersüchtige Xanthippe gefühlt hätte. Trotzdem hätte es keinen Unterschied gemacht, wenn sie es getan hätte. Der Name, der in diesem Bericht angegeben war, war Jane Elisabeth Walters und nicht Harris.

Die Unterlagen sagten auch aus, dass sie in eine Privatschule auf Rhode Island, einer anspruchsvollen, vorbereitenden High School, gegangen war und anschließend Yale besucht, das Studium jedoch anscheinend nicht beendet hatte.

Scully blätterte sich durch die anderen Unterlagen und stieß auf ein Dokument, auf dem "Psychologische Einschätzung" stand. Sie hatte bereits ein Psychologisches Gutachten? So schnell? Das erschien Scully merkwürdig, doch nachdem sie weitergelesen hatte, sah sie, dass das Datum vom Juni 1996 war. Es war ein Gutachten, um darüber zu entscheiden, ob sie für die Entlassung aus dem Mayland State Hospital geeignet wäre. Sie wurde 1993 anscheinend von ihrem Vater dorthin gebracht, aus Gründen die Scully anhand der Informationen, die sie hatte, nicht bestimmen konnte. Es wurde bestimmt, dass sie entlassen wurde, jedoch ihre therapeutische Medikation und die regulären Sitzungen mit ihrem Psychiater fortsetzen müsse.

In der Aussage, die Jane den Bundesermittlern hinsichtlich des letzten Vorfalles gegeben hatte, erfuhr Scully, dass Jane zuerst über verschiedene Hilfsgruppen für UFO-Entführungsopfer im Internet an Informationen über Mulder gekommen war. Dann fuhr sie damit fort, nach weiteren Informationen über Mulder zu suchen und machte so seine Wohnadresse ausfindig. Mittels des gesammelten Wissens hatte Jane sich eine Geschichte ausgedacht, von der sie hoffte, dass sie dadurch Mulders Aufmerksamkeit gewinnen und sein Interesse erwecken würde. Das Protokoll ihres Geständnisses zeichnete das ständige Wiederholen auf, wie sehr sie Mulder lieben würde und dass sie glaubte, das was sie getan hatte, wäre ihre Verantwortung für sie beide gewesen. Sie schien zu glauben, dass Mulder so wie sie fühlte und dass er es mit der Zeit auch zugegeben hätte.

Scully schloss ihre Augen und seufzte einmal tief auf. Janes geistesgestörter Gesichtsausdruck schlich sich wieder in ihr Gedächtnis. Sie sagte sich selbst, dass es vorbei war, dass es keinen Grund dazu gab, überhaupt noch daran zu denken, und das Bild verließ ihren Kopf, doch ihr Körper zitterte.

Wo zur Hölle war Mulder? Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er so lange bei ihrer Mutter bleiben würde.

Ihren Atem anhaltend, riskierte sie einen Blick auf die Polizeifotos. Bilder von jeder Ecke der Wohnung waren in der Akte. Als sie ein Bild von Janes Wandschrank sah, der voller Dinge war, die Scully als Mulders Eigentum erkannte, schrak sie zusammen. Sie seufzte und zitterte wieder. Armer Mulder. Wenn sie nur früher etwas gesagt hätte. Wenn sie doch nur verlangt hätte, dass er diese Zusammenarbeit mit Jane beendet,...

Scully blätterte zum nächsten Foto und fühlte, wie ihr ganzer Körper erstarrte. Es war von dem Zimmer, von dem Zimmer, in dem sie gelebt hatte, in dem sie, wie es ihr schien, monatelang gestorben war. Sie war nicht auf dem Bild, doch Scully sah sich dort, an das Bett gefesselt, schwitzend, blutend, schreiend, in den unerträglichsten Schmerzen, die sie je erfahren hatte. Hilflos. Sich fragend, ob sie dort sterben würde, ob sie durch zehntausend kriechende Insekten, die sämtliche Beweise dafür, dass sie jemals dort gewesen war, vernichten würden, bei lebendigem Leibe verspeist werden würde.

Etwas kitzelte sie am Rücken ihres Halses und sie zuckte zusammen, strich sich völlig außer sich mit der linken Hand darüber und über ihren Rücken. Dann steckte sie das Bild zurück in den Umschlag und zwang sich selbst dazu, zu vergessen. Sie betete, dass Mulder einfach in diesem Moment durch die Tür kommen würde, so dass sie schlafen könnte, das alles vergessen könnte.

Dann hörte sie vor ihrer Tür entfernte und allmählich zunehmende Schritte, die sich ihrem Zimmer näherten und plötzlich vor der Tür stoppten. Schnell stopfte Scully die Unterlagen zurück in das Kuvert und schob es unter ihr Kissen.

Doch Mulder kam nicht hinein. "Mulder?" rief sie zögernd. "Mulder, komm doch rein. Bitte. Mulder?"

Immer noch nichts. Doch sie war sich sicher, dass da jemand draußen war. "Wer ist da? Hallo?"

Immer noch keine Antwort. Sie erwog kurz, nach der Schwester zu läuten, doch sie konnte es nicht über sich bringen, dies wegen einem so absurden Grund zu tun. Scully fürchtete schon, dass sie knapp davor stand, in die Psychiatrie verlegt zu werden. Keine Notwendigkeit, die Leute denken zu lassen, dass sie sich nicht wieder unter Kontrolle bringen könne.

"Mulder? Bist du das? Bitte, antworte mir." Scully atmete jetzt schwer. Es war so still in dem Krankenhaus, so als ob sie die einzige hier wäre, zumindest in diesem Teil des Krankenhauses. Sie machte das Licht aus.

Es bewegte sich. Es schien, als ob sich ein Schatten vor der Tür bewegen würde. Ein Gedanke kam ihr. Was, wenn Jane befreit worden wäre? Wenn der richtige Anwalt den richtigen Richter überzeugt hatte, könnte sie bis zur Verhandlung aus dem Gefängnis raus sein. Sie könnte heute Abend erst entlassen worden sein, bevor Mulder die Möglichkeit hatte, es ihr zu sagen, bevor der Agent, der ihr den Briefumschlag gebracht hatte, es wusste.

Sie schaltete den Fernseher ein und suchte verzweifelt nach irgendwelchen Nachrichten über dieses Verbrechen. Sie zappte krampfhaft durch die Sender, nur um Diskussionssendungen und Nachrichtenmagazine zu finden.

Jane spielte mit ihr, da war sich Scully nun sicher. Wollte sehen, wie lange es dauern würde, bis sie es nicht mehr aushalten und nach einer Schwester rufen würde. Jane wusste, dass ihre Familie und Mulder nicht in der Nähe des Krankenhauses waren und hatte die Gelegenheit ergriffen. Scully würde keine Schwester rufen. Auf keinen Fall würde sie es zulassen, dass diese Frau sie in den Verfolgungswahn trieb.

Also wartete sie, mit abgeschalteten Licht und gedämpfter Lautstärke des Fernsehers lauschte konzentriert. So war es in jener Nacht geschehen, erinnerte sich Scully. Wissend, dass etwas nicht ganz stimmte, noch dort liegend, sich nicht bewegend, nicht handelnd und angegriffen, bevor sie überhaupt denken konnte.

Was, wenn Jane sich bereits Mulder geschnappt hatte? Auf dem Weg zurück in das Krankenhaus, um wieder bei ihr zu sein, von der Strasse gedrängt. Wenn sie ihn dafür verdammte, dass er ihre Pläne vermasselt hatte und ihm sagte, während sie ihm eine Pistole an die Schläfe hielt, dass Scully als nächstes dran wäre und ihm dann mit Scullys eigener Waffe durch die Stirn schoss, nur um in ein Loch in dem Boden geworfen und einen Monat später gefunden zu werden.

Scully erkannte, dass ihr nun Tränen das Gesicht hinunter liefen. Nein. Wir können es schaffen! Du bist ein trainierter F.B.I. Agent, du kannst sie überlisten, sie überwältigen. Scully schwang ihre Beine über die Bettkante, um zum zweiten Mal seit ihrer Rettung zu gehen. Sie war sich sicher, dass sie laufen könnte, wenn es nötig wäre, und dass sie weggehen könnte. Doch sie stand zu schnell auf und lehnte sich wieder ins Bett zurück. Ihre Beine zitterten wie die eines jungen Hundes. Zwei beruhigende Atemzüge später versuchte sie, weiterzugehen.

Als sie sich mit sorgfältiger Langsamkeit zur Tür bewegte, fühlten sich ihre ganzen Poren so an, als ob sie zittern würden. War das Jane, die sie draußen lachen hörte? Sie sagte sich, dass sie sich nicht darum scherte, selbst wenn ihr Magen grollte und ihre Beine gummiartiger wurden. Geh einfach zur Tür und sieh nach, ob sie da ist. Geh einfach zur Tür und du wirst es wissen.

Als sie die Tür erreichte, lehnte sich Scully gegen die Wand und rang nach Atem. Es war still draußen, doch das machte sie noch sicherer, dass Jane dort draußen war. Die Wand als Stütze benutzend, öffnete sie die Tür und fiel prompt zu Boden, erschöpft und schwitzend.

"Oh mein Gott!" hörte Scully eine Frau sagen, als sie auf dem Boden lag und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.

Die Schwester half ihr auf und ermutigte sie, sich auf sie zu stützen, damit sie Scully zurück zum Bett bringen konnte. "Sagen Sie..." Scully atmete aus. "Sagen Sie den Ärzten nichts. Sie werden es ihnen nicht sagen, oder doch? Bitte. Ich bin nicht verrückt, das bin ich nicht."

"Ich weiß, Dana," sagte die Frau zu ihr. "Aber Sie müssen sich von dieser Angst befreien, Dana. Oder sie wird Sie zerstören."

Die Stimme der Schwester war in der Gelassenheit, die sie in Dana hervorrief, dunkel vertraut. Dana vertraute der Stimme und so versprach sie ihr, dass sie nun Hilfe suchen würde. Sie wusste, dass es schon lange an der Zeit war. Sie würde es jemanden erzählen.

 

xxxxxx

 

Mulder saß am Rande des Lehnstuhles in Mrs. Scullys Wohnzimmer und versuchte sein bestes, um das, was Rena ihm zu erklären versuchte, zu verstehen und zu akzeptieren. Charlie und sie saßen auf der Couch und Bill ging im Hintergrund auf und ab. Mrs. Scully räumte, mit Peles widerwilliger Hilfe, noch die Reste des Abendessens weg.

"Jetzt steckt Dana in einer Falle fest, in der sich die traumatischen Ereignisse und die Bilder in ihrem Verstand wieder und wieder wiederholen. Möglicherweise lösen sich ihre Träume nicht in sich selbst auf und so ist es ihr nicht möglich, in den REM-Schlaf zu gleiten. Ich bin sicher, dass ich Ihnen die Wichtigkeit dessen nicht erklären muss."

Mulder nickte. Soviel wusste er. Basiswissen in Psychologie.

"Was diese Therapiemethode bewirkt, ist diese Augenbewegung herzustellen, während der Patient wach ist. Dana und ich würden uns zusammen für ein Bild entscheiden, das eine bestimmte Bedeutung in diesem Erlebnis für sie hat und dann muss sie sich auf diese Szenerie konzentrieren, auf dieses Bild; es wieder und wieder in ihrem Kopf wiederholen."

Mulder begann sich wegen dieser ganzen Sache ziemlich unwohl zu fühlen. Er erinnerte sich an den Spiegel, an das Essen, das er ihr gebracht hatte und daran, welch schlimme Panik diese Dinge in ihr ausgelöst hatten. Und jetzt schlug Rena vor, dass sie wieder an diese Dinge denken sollte? Wenn es das war, was sie sagte, dann war er sich nicht sicher, ob er diesen Anblick ertragen könnte.

"Dann bewege ich meinen Finger vor ihren Augen, so 12 bis 24 mal. Das dauert ungefähr 30 bis 60 Sekunden würde ich sagen. Dann, wenn die Szenerie aufgebaut ist, bitte ich sie, tief einzuatmen und ihren Geist vollständig von irgendwelchen Gedanken zu befreien. Dann würden wir darüber reden, wie sie sich wegen dieser 'Szenerie' fühlt, welche Emotionen sie beschwört und ob sie irgendwelche neuen Ängste oder Gefühle ans Licht bringt."

Rena hielt inne und wartete auf Mulders Reaktion. Als er nichts sagte, fuhr sie fort. "Wir würden dann zu einem weiteren Bild übergehen und den ganzen Prozess wiederholen. Die Dauer des ganzen hängt davon ab, wie lange sie über jedes Bild sprechen möchte."

Mulder zog seine Brauen zusammen und sagte ungeduldig, "Wie unterscheidet es sich davon, sie einfach dazu zu bringen, über das, was sie stört, auch zu sprechen?"

"Nun, die Theorie ist, dass, wenn ich meine Finger, so wie ich es gesagt habe, vor ihren Augen bewege, es die schnelle Augenbewegung des Schlafes auslöst und das irgendwie die schreckliche Erinnerung freilässt, die sich immer weiter wiederholt."

Alles im allem erschien es für Mulder ziemlich seltsam zu sein. Es schien etwas zu sein, über das Scully lachen würde, etwas, das bei ihr nie funktionieren würde, da sie nicht daran glauben würde, dass es das könnte. Doch er stellte auch fest, dass Rena immer begeisterter zu werden schien, als sie es ihm erklärte. Sie schien sich selbst immer mehr davon zu überzeugen, dass dies Scully helfen könnte. Er begann bereits zu bereuen, dass er sie dazu gebracht hatte, darüber zu sprechen.

"Ähm, danke dafür, dass Sie es mir erklärt haben, Rena, aber ich denke nicht, dass es für Scully geeignet wäre."

Charlie zog seine Augenbrauen in die Höhe und warf Mulder einen nicht gerade angenehmen Blick zu. "Was meinst du mit 'nicht geeignet'? Ich habe gesehen, wie sich mein Sohn innerhalb von zehn Tagen von einem geistig verwirrten zu einem normalen dreijährigen entwickelte. Was bringt dich dazu, zu denken, dass es für meine Schwester nicht richtig ist? "

"Ich meine doch nur, dass ich wirklich nicht denke, dass es in ihrem Fall funktionieren könnte."

Rena atmete tief ein. "Ich gebe zu, dass es ein wenig unkonventionell klingt, doch sie muss sich irgendwie da durchkämpfen, oder sie wird niemals Ruhe finden, niemals heilen."

"Sich durch was durchkämpfen?" fragte Bill, als er sich einen Drink einschenkte. "Alles was sie tun muss ist, wieder mit dem Essen zu beginnen und aus diesem Krankenhaus zu kommen. Sie braucht keine Therapie, oder was auch immer das ist, was du tust, Rena, sie muss nur einen klaren Kopf bekommen, sie braucht jemanden, der einfach zu ihr geht und ihr sagt: Schau, entweder du isst oder du stirbst. So einfach ist das."

"Bill, das ist nicht so einfach..." begann Rena.

Mulder unterbrach sie, "Entweder du isst oder du stirbst? Was für eine Hilfe soll das denn zum Teufel noch mal sein?" Er konnte nicht glauben, dass ihr eigener Bruder so gedankenlos und grausam sein konnte.

"Eine bessere Hilfe, als diese..." Charlie stoppte Bill mit einem einzigen Blick. "Eine bessere, Hilfe als sie sie anbietet."

"Zumindest versucht sie, zu helfen. Es ist mehr, als du tust, Bill," knurrte Charlie.

"Dieser Mist wird ihr nicht im geringsten helfen..." murmelte Bill in sein Glas.

Mulder begann sich über das ganze Getue ziemlich zu empören. Sie brauchte ihre Hilfe, Renas "Zauber" oder Bills Schikane, nicht.

"Sehen Sie, die Sache ist die. Ich kenne Scully und ich bin Psychologe und ich weiß genug, um zu wissen, dass eine Therapie nicht funktioniert, wenn der Patient nicht daran glaubt..."

"Psychologe?" schnaubte Bill, "Sie sind kein Psychologe. Verdammter Leonard Nimoy da drüben..."

"Hey!" Alle drehten sich um, um Pele, die auf der Türschwelle stand, anzusehen. Mrs. Scully stand hinter ihr. "Mulder ist ein Psychologe! Er ist ein Parapsychologe!"

Mulder schüttelte seinen Kopf. "Eigentlich bin ich das nicht wirklich, ich... "

"Und außerdem hat er Recht, Moms dummes Zeugs wird bei Tante Dana nicht funktionieren. Es mag Charlie vielleicht geholfen haben, doch Charlie war drei! Tante Dana ist eine Erwachsene. Sie braucht eine Therapie für Erwachsene. So wie..." sie sah Mulder scharf an und senkte ihren Blick, "So wie Mulder sie ihr geben könnte."

"Pele!" schimpfte Mrs. Scully.

"Jesus Christus, Charlie, was für eine Art Mädchen ziehst du hier auf?" tadelte Bill. Daraufhin stand Charlie auf und es sah fast so aus, als ob er bereit dazu wäre, seinem Bruder gegenüber handgreiflich zu werden.

"Oh Gott, beruhigt euch Leute, das ist nicht das, was ich meinte, okay? Ich meinte nur, dass er Psychologe IST, dass er ihr vielleicht auf eine *normale* Art helfen könnte." Sie sagte den letzten Teil mit einem übertriebenen Tonfall direkt zu ihrer Mutter.

"Pele, geh nach oben," befahl Charlie, seine Augen fest auf Bill gerichtet.

"Dad, ich habe ein Recht darauf, hier zu sein! Ich bin ein Teil dieser Familie! Ich bin praktisch ein Erwachsener!"

"Geh jetzt nach oben, verdammt noch mal!"

Pele schien zu bemerken, auf welche Art die Fäuste ihres Vaters sich ballten und öffneten, die rote Farbe, die sein Gesicht bekam und die große Vene, die auf seiner Stirn pochte, da sie sich umdrehte und zur Treppe lief.

"Du entschuldigst dich besser dafür, du selbstgerechter Mistkerl..."

"Charlie bitte!" Völlig außer sich lief Mrs. Scully an Charlies Seite und fasste ihn an die Schulter. "Bitte, lass es einfach. Ihr beide."

Mulder stand auf und machte sich bereit, zu gehen. Hier gingen Dinge vor, die nichts mit ihm zu tun hatten, Dinge, die ihn nichts angingen und er musste zurück zu Scully.

Charlie drehte sich zu ihm um, "Mulder warte, geh noch nicht. Ich glaube wirklich, dass du darüber etwas nachdenken solltest. Ich denke, dass es Dana wirklich helfen könnte."

"Er soll darüber noch etwas nachdenken?" fragte Bill sarkastisch. "Wer zum Teufel ist er, dass er diese Entscheidung treffen kann? Er gehört nicht zur Familie, das hat nichts mit ihm zu tun."

"Wart eine Minute, Bill," warf Mrs. Scully ein und für eine Minute dachte Mulder, dass sie ihn tatsächlich verteidigten könnte. "Ich glaube nicht, dass wir Renas Idee so einfach fallen lassen sollten. Ich sah, wie es bei dem kleinen Charlie funktionierte und ich denke, dass wir vielleicht noch darüber nachdenken sollten..."

"Entschuldigung!" Rena stand auf ihren Füßen und sah plötzlich äußerst böse aus. "Hat irgendwer von euch die Tatsache in Betracht gezogen, dass es Danas Entscheidung sein muss? Ich denke, dass wir sie fragen sollten, was sie tun möchte."

Im Zimmer wurde es sofort still. Sie sahen sich alle gegenseitig an und stimmten Rena gleichzeitig stumm zu, dass sie Recht hatte.

"Sie hat völlig Recht," sagte Mrs. Scully schließlich. "Wir brauchen unsere ganze Kraft dazu, Dana da durchzuhelfen." Sie hob ihre Hand, um Bill vom Sprechen abzuhalten.

"Das ist Danas Entscheidung. Und wir können nicht für sie da sein, wenn wir uns gegenseitig an die Kehle springen. William und Charles, offen gesagt wäre euer Vater sehr beschämt über die Art und Weise, wie ihr Zwei euch aufgeführt habt." Sie stockte. "Lasst es bitte beiseite und helft eurer Schwester."

Sie stand eine Weile da und betrachtete ihre Söhne und schien auf eine Entschuldigung zu warten, die gewechselt werden sollte. Schließlich schloß sie ihre Augen, seufzte und schüttelte ihren Kopf. "Ich werde versuchen, jetzt etwas zu schlafen und schlage Euch vor, das auch zu tun. Ich werde Euch alle in der Früh sehen." Sie ging an Mulder vorbei und sagte, "Fox."

Er nickte und dankte ihr für das Abendessen. Für einen Moment lang war er unsicher darüber, wie er sich verabschieden sollte. Nun, da die ganze Aufregung vorbei war, begann er sich unruhig dabei zu fühlen, nicht bei Scully zu sein. Sehr unruhig. Fast so, als ob er sie rufen hören konnte. Oder es fühlte. Oder etwas in der Art.

Er drehte sich um, um leise zu gehen und Rena führte ihn nach draußen. "Ich denke, dass es funktionieren könnte, Mulder," sagte sie zu ihm, als sie die Vordertüre öffnete. "Doch sie braucht Sie dabei. Ich denke ein Teil ihres Problems ist, dass sie nicht dazu fähig ist, Ihnen ihre Verletzlichkeit zu zeigen. Sie muss wissen, dass Sie nicht denken, dass sie schwach ist, dass Sie glauben, dass sie sich selbst unter Kontrolle hat."

"Ich *glaube* das," erklärte er nachdrücklich.

Sie nickte. "Gute Nacht, Mulder. Ich werde Sie morgen sehen. Versuchen Sie bitte, sich auszuruhen."

Sie schloss die Tür und er war wieder alleine. Nun, nicht wirklich alleine. Scully war hier bei ihm. Er konnte das Gefühl, das scheinbar zu ihm gehörte, doch zugleich auch nicht, nicht abschütteln. Konnte das wirklich sein, oder war es nur die Kombination von hoher Belastung und zuwenig Schlaf?

Doch es war da draußen, in der Atmosphäre. Sie flehte ihn an, zurückzukommen. Er hastete zurück ins Krankenhaus.

 

Ende Kapitel 5/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 6/11

 

22:15

Mulder schlich sich leise in Scullys Zimmer. Das einzige Licht kam von den stummen Szenen, die über den Fernsehbildschirm flackerten und Scully schien in ihrem Bett eingeschlafen zu sein. Mulder fühlte, wie tiefe Erleichterung sein Herz erfüllte. Gott sei dank, sie war in Ordnung. Er war sich die ganze Zeit, seit er Mrs. Scullys Haus verlassen hatte, sicher gewesen, dass irgend etwas nicht stimmte. Aber sie war hier und ruhte behaglich.

Er ließ die Luft aus, von der er nicht wusste, dass er sie angehalten hatte und setzte sich neben das Bett. Im blauen Schein des Fernsehers sah sie friedlicher aus, als er sie lange Zeit gesehen hatte. Scully lag auf der Seite, auf ihrem gesunden Arm. Ihr gebrochener Arm lag vor ihrem Körper. Mulder beugte sich vor, um ihre Augen genau zu sehen und bemerkte, dass da keine wie auch immer geartete Bewegung unter ihren Lidern war. Rena schien wenigstens damit recht zu haben. Sie schlief, aber sie ruhte sich nicht wirklich aus.

Zum ersten Mal bemerkte er wirklich, wie eingefallen und blass ihre Wangen waren, wie die Knochen an ihrem Hals und an ihrer Brust durch die Haut zu stechen schienen. Sie begann, unterernährter auszusehen, als zu der Zeit, als er sie bei Jane gesehen hatte. Jetzt mochte sie friedlich aussehen, aber er wusste, dass sie innerlich keine Ruhe fand.

Mulder streckte seine Hand aus, um ihr Haar zu streicheln. Er musste sie berühren, musste wissen, dass sie wirklich noch hier war und als er sich vorbeugte, erregte etwas seine Aufmerksamkeit, das auf dem Nachttisch lag. Er nahm den Berg Papier in die Hand und begann, ihn durchzublättern. Es war Janes Akte.

Gott verdammt, wer zur Hölle hatte ihr die gegeben, fragte er sich wütend, als er die Seiten durchlas. Das konnte unmöglich gut für sie sein, dieses Zeug zu lesen. Er hatte das Gefühl, dass er wusste, warum sie es tat. Wahrscheinlich bildete sie sich ein, wenn sie diesen ganzen Fall auf eine losgelöste, objektive Weise betrachtete, würde sie das davon befreien. Dass sie in der Lage sein würde, die Ereignisse abzuschütteln. Er kannte diese Technik gut. Er hatte dasselbe mit der Akte seiner Schwester millionenfach versucht und mit Scullys Akte, als sie das erste Mal verschwunden war. Es hatte nicht funktioniert. Tatsächlich hatte es dazu geführt, dass er sich tausend Mal schlechter fühlte.

Mulder dachte wieder an Renas dummen Vorschlag. Das letzte, was sie brauchte, war all die grauenvollen Dinge noch einmal zu durchleben. Am Ende würde es ihr nur wehtun, so wie diese verdammte Akte wieder und wieder zu lesen. Er stopfte die Papiere in seinen Mantel.

"M... Mulder..." murmelte Scully abwesend in ihrem Schlaf. Er sah ihr wieder ins Gesicht. Sie war nicht länger ruhig. Ihre Gesichtszüge zeigten Besorgnis. Mulder ging hinüber auf die andere Seite und legte sich neben sie ins Bett. Er drehte sich auf die Seite und legte von hinten seinen Arm um ihre Taille.

"Ich bin hier, Scully, bei dir." Er vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und drückte sie beruhigend.

"Mulder... tut mir leid..." Ihre Augen waren immer noch geschlossen und er konnte nicht sagen, ob sie noch schlief oder nicht.

"Was tut dir leid, Scully? Du hast nichts verkehrt gemacht," flüsterte er ihr ins Ohr.

"Ich... ich brauche Hilfe. Werde sie annehmen, Mulder. Versprochen."

Er lächelte und küsste ihre Wange. "Das ist gut, Scully. Ich bin wirklich froh, das zu hören." Und er war wirklich froh. Er hoffte nur, dass sie die Hilfe fand, die sie tatsächlich benötigte.

 

xxxxxx

 

Mittwoch

12:15

"Also, wann willst du anfangen, Dana?"

"Womit anfangen?" Rena und Scully fuhren beide herum, um Mulder anzusehen, der auf der Schwelle zu Scullys Zimmer stand.

"Mulder, Rena und ich haben uns unterhalten..."

"Oh, wirklich?" Mulder sah Rena misstrauisch an. Sie würde nicht. Sie konnte nicht. Mit Sicherheit hätte sie es im wenigstens zuerst gesagt.

"Ja, und sie hat mir diese Therapiemethode erklärt, die sie bei Charlie Jr. angewandt hat und sie ist, äh... sie ist ein wenig unkonventionell, aber ich habe mich entschlossen, sie auszuprobieren."

Mulder stand da mit den Händen in den Taschen und wippte leicht auf den Absätzen hin und her. Er bemühte sich, einen neutralen Gesichtsausdruck aufrechtzuerhalten. Vor Scully wollte er nicht ausrasten.

Ihr schien der ganzen Sache ziemlich viel Hoffnung zu geben, was seinen Ärger noch verstärkte. Warum stiegen ihre Hoffnungen wegen etwas, das nicht funktionieren würde, was vielleicht sogar damit enden würde, sie noch mehr zu verletzen?

Aber das schlimmste bei alledem war, dass sie ihn so ansah, als erwartete sie, dass er aufgrund ihrer Entscheidung eine Party schmeißen würde. Er erinnerte sich daran, was sie ihm letzte Nacht versprochen hatte. Sie hatte gesagt, dass sie Hilfe annehmen würde und er war glücklich darüber gewesen. Tat sie das hier nur, um ihr Versprechen zu halten, um ihn um jeden Preis zufrieden zustellen, sogar um den ihrer eigenen Vernunft?

Rena lächelte ihn nervös an und er erwiderte es mit einem angespannten Grinsen. Ihm war wirklich danach, ihr dieses dumme Lächeln direkt aus dem Gesicht zu schlagen.

"Das ist, äh... das ist großartig, Scully."

"Möchtest du hören, was diese Therapie beinhalten wird?"

Mulder wollte es aus Scullys Sicht hören. Er wollte wissen, wie Rena es ihr erklärt hatte und ob sie ihr tatsächlich dasselbe erzählt hatte wie ihm. Wenn ja, dann konnte er nicht glauben, dass sie so einfach zugestimmt hatte.

Aber zuerst musste er etwas loswerden. Etwas, das herauszuplatzen drohte, wenn er nicht bald hier herauskam.

"S... sicher, Scully, vielleicht später. Aber zuerst muss ich wirklich eine Minute mit Rena reden – draußen." Er drehte sich zu Rena um und sah, dass sie bereits ärgerlich war. "Wenn das in Ordnung für Sie ist, Rena?"

Sie nickte und wandte sich wieder Scully zu. "Ich sehe dich später."

"Okay, ich möchte so schnell wie möglich anfangen. Am besten heute Nachmittag, wenn das in Ordnung ist."

Rena und Mulder tauschten einen weiteren angespannten Blick aus und Rena drückte Scullys Hand. "Sicher, Dana, wann immer du willst."

Beide verließen das Zimmer und Mulder schloss die Tür hinter ihnen, so dass Scully nicht in der Lage sein würde, irgend etwas davon mitzubekommen. Er drehte sich zu Rena um und sie sah ihn beinahe selbstgefällig an.

"Sie haben wirklich Nerven. Was zum Teufel denken Sie sich eigentlich?" Mulder sprach leise, aber heftig.

"Ich denke, dass ich hier anscheinend der einzige Mensch bin, der Danas Bestes im Sinn hat. Sie wissen genau, dass es ihr NICHT helfen wird, wenn Sie sich SO benehmen."

Sich so benehmen. Was für eine selbstgerechte kleine Rotzgöre. Er konnte nicht glauben, dass sie die Frechheit besaß, ausgerechnet ihm vorzuwerfen, er würde nicht daran denken, was das Beste für Scully war. Es war alles, woran er dachte.

"Und Sie glauben, hier hereinzukommen und ihr all dieses verrückte Zeug aufzuschwatzen, wenn sie sowieso sehr verletzbar ist, ohne es erst mit mir zu besprechen, wird ihr helfen? Was haben Sie gemacht, Rena? Vor der Tür gewartet, bis ich fort war, damit Sie sich hinter meinem Rücken hineinschleichen konnten?"

Rena verdrehte die Augen. "Gott, Sie sind wirklich paranoid, nicht wahr? Das ist keine gottverdammte Verschwörung, Mulder."

Verdammt sei sie, dass sie das tat. Sie kannte Scully nicht. Nicht so wie er. Sie hätte mehr mit ihm darüber reden müssen. Er wusste, dass er recht hatte. Er hätte derjenige sein müssen, der Scully fragte, ob sie es versuchen wollte. Er wäre in der Lage gewesen, zu sagen, wie sie wirklich darüber dachte. Aber sie war einfach vorgeprescht und hatte ihre Nase da hineingesteckt, wo sie nicht hingehörte. Er war nicht paranoid, Sie wusste, wie er darüber dachte und sie hatte ihn absichtlich nicht in die Diskussion einbezogen. Nun war die Entscheidung gefallen und er war vollkommen ausgeschlossen gewesen.

"Wissen Sie, Mulder, ich kann nicht glauben, das von Ihnen zu hören. Ich hatte wirklich begonnen, einen tiefen Respekt für Sie zu entwickeln, aber jetzt bin ich mir überhaupt nicht mehr so sicher."

Was zur Hölle sollte das bedeuten? Weil er ihr nicht zustimmte, respektierte sie ihn nicht mehr? Weil er sie auf ihr idiotisches, gedankenloses Benehmen ansprach, war er ihrer Achtung nicht wert?

"Soll mich das zum Weinen bringen? Bitte hören Sie auf, Rena, Sie verletzen meine Gefühle."

"Mulder..."

"Wissen Sie was, ich gebe einen Dreck auf Ihren Respekt. Glauben Sie, ich respektiere Sie nach all dem noch? Es interessiert mich nicht, ob Sie mich respektieren. Alles was mich interessiert, ist Scullys Sicherheit und ich glaube nicht, dass Sie bei Ihnen sicher ist."

"Ist es wirklich das, Mulder? Oder ist es, weil Sie nicht derjenige sind, der die Entscheidungen trifft, derjenige, der sie kontrolliert?"

"Sie kontrollieren? Was zur Hölle soll das bedeuten? Ich habe niemals versucht, Scully zu kontrollieren. Und wenn Sie auch nur irgendetwas von ihr verstehen würden, dann wüssten Sie auch, dass niemand im Ernst auch nur versuchen würde, sie zu kontrollieren. Ich..." Mulder atmete tief ein und versuchte, sein Temperament unter Kontrolle zu bringen. Er war gefährlich nahe an einem Zusammenstoß mit dieser Frau. Sie hatte verdammt noch mal keine Ahnung, wovon sie sprach oder womit sie es hier zu tun hatte. "Ich versuche, sie zu beschützen. Vor IHNEN."

"Vor mir." Rena schnaufte und schüttelte den Kopf. "Sie sind wirklich kein bisschen besser, als Bill, wissen Sie das? Genau die gleiche chauvinistische, herablassende, herrische Einstellung, nur in anderer Verpackung."

Das war es. Das Ende. Er würde nicht hier stehen und sich solchen Mist von dieser Frau anhören. Sie wusste nichts von ihm. Sie wusste gar nichts.

"Das ist ein Schlag unter die Gürtellinie und es beweist nur, dass Sie GAR NICHTS von mir oder von Scully oder von all dem hier verstehen." Seine Stimme wurde immer lauter, genau wie die von Rena.

"Nun Mulder, die Art, wie Sie sich aufführen... um Gottes Willen, sie gehört Ihnen nicht. Sie ist eine erwachsene Frau. Wenn Sie nicht auf mich hören wollen, warum versuchen Sie dann nicht, mit ihr darüber zu reden? Ich bin sicher, Sie werden begreifen müssen, dass sie sehr wohl in der Lage ist, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen."

Gerede über Herablassung. Sie behandelte ihn, als wäre er irgendein mittelalterlicher Ehemann, der den Unterschied zwischen einer Frau und einem beweglichen Gegenstand nicht begreifen konnte.

"Ja, ja, das ist sie, aber die Tatsache, dass sie diesem Blödsinn zugestimmt hat, beweist nur, dass sie sich im Moment nicht in ihrem normalen geistigen Zustand befindet. Sie sucht verzweifelt nach Hilfe und Sie nutzen das aus. Haben Sie ihr auch nur die Hälfte von dem Mist erklärt, den Sie mit ihr vorhaben?"

"Natürlich habe ich das. Ich habe ihr mehr Details erzählt als Ihnen und sie ist offen genug dafür, um es zu versuchen. Warum können Sie das nicht sein? Ich dachte, Sie wären ein Befürworter solcher Dinge. Haben Sie nicht selbst eine Hypnotherapie mitgemacht?"

"Das hat nichts mit dem hier zu tun! Wie können Sie es überhaupt vergleichen..." Er presste seine Fäuste in dem Versuch zusammen, sich davon abzuhalten sie zu schlagen. Wie konnte sie es überhaupt wagen, das zur Sprache zu bringen? Was zur Hölle ging sie das überhaupt an? Und es erinnerte ihn nur an die Zeit, als er Scully unter Hypnose erlebt hatte. Wenn Rena etwas plante, was dem auch nur vage ähnelte, dann würde das nur über seine Leiche passieren.

"Ich werde das nicht zulassen, Rena. Ich werde Sie das nicht mit ihr machen lassen. Das ist Blödsinn!" Er schrie nun und stieß seinen Finger in ihr Gesicht.

"Hey, nehmen Sie die Finger von mir! Haben Sie überhaupt vor jemandem Respekt? Ich weiß, dass Sie sich selbst nicht respektieren, aber das gibt Ihnen nicht das Recht, andere Menschen so zu behandeln. Ich verschiebe meinen Urlaub nicht, um bei meiner Schwägerin zu sein, damit ich mich so behandeln lassen muss."

"Oh, bitte vergeben Sie mir. Ich wollte Ihnen nicht Ihren verdammten Urlaub und Ihr verdammtes perfektes Leben mit Scullys kleinen Problemen verderben!" Unglaublich. Was für ein unglaubliches Weibsstück. Sie hatte keine Ahnung, was sie durchgemacht hatten und warum er soweit gehen musste, um Scully zu verteidigen.

"Verdammt, das habe ich nicht gemeint..."

"Was zur Hölle meinen Sie dann? Geben Sie überhaupt irgendetwas auf sie oder tun Sie das nur, um sich der verdammten Familie Ihres Mannes gegenüber zu beweisen?"

Rena hob abwehrend ihre Hände hoch. "Nicht, versuchen Sie nicht einmal... Sie haben keine Ahnung, wovon Sie sprechen und darüber hinaus geht es Sie gar nichts an."

"Richtig, ich habe keine Ahnung, wovon ich spreche. Ich weiß nicht, wie das ist, wenn die gesamte Familie des Menschen, den man liebt, einen bis auf die Knochen hasst. Keine verdammte Ahnung." Er hatte geglaubt, sie und Charlie wären anders. Dass er ihnen vielleicht, nur vielleicht, trauen konnte und dass sie ihn akzeptierten und einen Platz für ihn hatten. Offensichtlich hatte Rena aber genauso wenig Interesse daran, ihn einzubeziehen, wie alle anderen.

"Mulder, wir schweifen vom Thema ab. Wenn Sie zurücktreten würden und sich selbst für zwei Sekunden vergessen..."

"Wovon zum Teufel reden Sie? Das hat NICHTS mit mir zu tun. Es geht um Scully. Sie sind diejenige, die an sich denkt. Was zur Hölle glauben Sie, soll geschehen, wenn Sie diese Sache beginnen und sie wird hysterisch? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie man damit umgeht? Sie sind, verdammt noch mal, kein Psychologe!"

"Mulder, beruhige dich." Es war Charlie. Er kam auf sie zu und stellte sich zwischen sie.

"Vielleicht habe ich nicht den akademischen Grad, den Sie haben, aber ich weiß eine Menge mehr über reale Menschen und ihre Gefühle als Sie!"

"Rena, komm schon..." Charlie legte den Arm um seine Frau und rieb ihre Schulter. Sie riss sich von ihm los.

"Charlie, nein. Er glaubt, die ganze Welt dreht sich um ihn und seine Bedürfnisse. Er hat keine Ahnung..."

"Weißt du, was sie mit deiner Schwester vorhat?" verlangte Mulder wütend zu wissen.

Charlie hob die Hände. "Seht mal, ich weiß nicht, was zur Hölle hier los ist, aber ihr beiden müsst euch jetzt sofort beruhigen oder wir werden hier noch alle rausgeschmissen."

Rena zuckte mit den Schultern und wandte sich der Tür zu Scullys Zimmer zu. "Von mir aus. Ich habe wichtigere Dinge zu erledigen."

Mulder hielt sie ungestüm am Arm fest. "Ich möchte nicht, dass Sie in ihre Nähe gehen, verdammt."

"Oh, hey." Charlie zog Mulders Arm von Rena fort. "Ich glaube nicht, dass du das tun willst." Mulders und Charlies Blicke trafen sich und Mulder gab klein bei. Er wollte das nicht tun. Wirklich nicht.

Er schloss die Augen, atmete tief ein und versuchte, sich ein wenig zu beruhigen.

"Komm, Rena, warum gehen wir nicht etwas essen und versuchen, uns ein bisschen abzukühlen?" Rena seufzte und nickte.

"Gut. Aber ich komme zurück."

 

xxxxxx

 

14:30

"Okay, bist du bereit?"

Scully schob sich hoch, als Rena das Kopfteil ihres Bettes hochklappte. Scully seufzte tief und antwortete, "Ja... ja. Was muss ich zuerst machen?"

"In Ordnung, bitte denk daran, Dana, einige dieser Sitzungen werden vielleicht andere Gefühle wecken, andere Erinnerungen, die vielleicht etwas mit dem Bild zu tun haben, auf das du dich konzentrierst, vielleicht auch nicht." Sie sah Scully ernst an. "Sie sind vielleicht unerwartet und schmerzvoll. Du verstehst das, du bist darauf vorbereitet, ja?"

Scully nickte, obwohl sie sich sehr davor fürchtete, dass sie ihre Schwägerin womöglich tatsächlich anlog. Für eine Millisekunde erwog sie, zu kneifen, aber sie zwang sich dazu, ruhig zu bleiben. Sie sah einmal auf die Uhr und dann zur Tür. Rena legte ihre Hand auf Scullys Arm und drückte ihn leicht. Sie wusste, dass sie immer noch hoffte, Mulder würde sich zeigen.

"Es wird dir gut gehen. Ich habe jedes Vertrauen in dich," versicherte ihr Rena. "Jetzt, auf der Grundlage dessen, was wir besprochen haben, möchte ich mit dem Anfang beginnen, mit dem Zeitpunkt, als du einen Moment frei warst, aber Jane dich überwältigt hat. Okay? Du fühlst dich hier sicher, oder? Du sagst mir, wenn es nicht so ist."

"Gut. Es geht mir gut."

"Ich möchte, dass du dich auf diesen Moment konzentrierst, darauf, was du gesehen hast. Lass es wieder und wieder in deinem Kopf ablaufen, schließe jedes Detail ein, an das du denken kannst. Verweile dort."

Scully versetzte sich zurück in Janes Apartment. Wie sie die Fotos ansah..., den Telefonhörer hochnahm, um Mulder anzurufen, damit er ihr half... Janes ‚Was zu Hölle ist hier los!’... ihre Lähmung, der stechende Schmerz in ihrem Arm. Ihr Herz pochte rasend.

"Okay," hauchte sie. "Ich hab es."

"Halt es fest und erzähl mir, was du über das, was passiert ist, denkst."

"Ich hätte..." Sie verstummte und kniff einmal kurz die Augen zu.

"Hättest was?"

"Ich hätte es nicht zulassen dürfen. Ich habe es zugelassen. Ich bin nicht sofort von dort verschwunden. Meine Schuld, es war meine Schuld, dass ich nicht fort konnte. Ich habe zu lange gewartet."

"Gut, Dana, das ist gut." Rena beobachtete sie und versuchte, ruhig zu bleiben. Scully begann an den Schläfen ein wenig zu schwitzen und heftig zu atmen. "Und jetzt, wie fühlst du dich deswegen?"

"Wütend. Ein bisschen frustriert."

"Wo in deinem Körper empfindest du das?"

"In meinem Bauch." Sie hatte keine Ahnung, warum sie dazu neigte, das zu sagen.

"Bleib in dem Bild, bleib in dem Gefühl und bewerte es für mich. Auf einer Skala von null bis zehn schätze dieses Gefühl ein, mit zehn für das schlimmstmögliche Gefühl und null für gar kein Gefühl."

"Oh...mm... n... neun. Neun." Sie schrak zurück und wischte sich über die Augenbraue.

"Jetzt erzähle mir, wie du lieber darüber fühlen würdest, was an diesem Tag geschah."

Scully atmete tief und sagte, "Ich hatte keine Wahl. Sie... äh... sie hat mich überrascht. Ich hätte keine Zeit gehabt, fortzukommen."

"Gut." Renas Stimme blieb im Gegensatz zu Scullys gepressten Worten immer ruhig. Sie zwang ihren Körper, um Scullys Willen ruhig zu bleiben. "Nun sag mir, auf einer Skala von eins bis sieben, mit sieben für die Wahrheit, wie würdest du den Wahrheitsgehalt dieser Aussage einschätzen?"

Rena nutzte diesen Augenblick, um alles, was Scully gesagt hatte, auf einem Notizblock des Krankenhauses aufzuschreiben. Nach einem kurzen Schweigen entschied Scully, "Drei."

 

xxxxxx

 

Mulder spuckte das halb gekaute Stückchen Gummihühnchen in seine Serviette. Das Essen in dieser Krankenhauscafeteria war so ziemlich das schlimmste, das er je erlebt hatte. Und es half auch nicht, dass sein Magen bereits verstimmt war.

Seit seiner Auseinandersetzung mit Rena waren bereits ein paar Stunden vergangen. Er wusste, dass sie ihre ‚Therapiesitzung’ mit Scully begonnen haben musste.

Nachdem er durch das Krankenhaus gestapft war, nach allen möglichen Sachen getreten und vor sich hin geschimpft hatte, war er in die Cafeteria gegangen, um sich hinzusetzen und ein Weilchen nachzudenken. Er hatte nur ein paar Augenblicke halbwegs rationaler Überlegung gebraucht, um zu begreifen, dass er wegen Rena ein bisschen überreagiert hatte. Immer noch war er wegen der ganzen Sache beunruhigt, aber er wusste, dass er wirklich auf einem niedrigen Niveau reagiert hatte, und zwar mehr, weil er ausgeschlossen worden war als wegen der tatsächlichen Fakten.

Aber auch mit dieser Erkenntnis fühlte er sich nicht bereit, dem ganzen Prozess tatsächlich zuzusehen. Und er glaubte wirklich nicht, dass sein dasein Scully helfen würde. Das war, so erkannte er, sein wahres Problem damit. Er konnte nicht bei ihr sein. Er würde nichts mit ihrem Heilungsprozess zu tun haben. Und das, so nahm er an, sollte so sein. Seine Versuche, ihr zu helfen, waren trostlose Pleiten gewesen. Mit Rena war sie besser dran, mit jemandem, der halbwegs bei Verstand war. Jemandem, der nicht indirekt in erster Linie für das ganze Trauma verantwortlich war, von dem sie sich zu erholen versuchte.

Mulder war eifersüchtig auf Rena, das erkannte er nun auch. Das war mit ein Grund dafür, warum er so wütend gewesen war. Er war eifersüchtig auf die Macht, die sie in ihren Händen hielt, ihr Zauber, ihre Fähigkeit, Scully zu helfen. Er wünschte, er wüsste, wie er es tun könnte.

Und er war auch eifersüchtig auf das, was er ein 'verdammtes perfektes Leben' genannt hatte. Charlie und sie führten das Leben, nach dem er, wie es schien, schon eine Ewigkeit auf der Suche war. Das Leben, das er mit Scully wollte, tatsächlich aber nie bekommen würde. Zu dieser Art Stabilität, dieser Art Normalität und Ausgeglichenheit war er nicht fähig. Aber Scully war es, sie war es und sie verdiente es. Er hielt sie davon ab. Und er nahm es Rena übel, dass sie ihn daran erinnerte. Und in einem Moment vollkommener Selbstehrlichkeit fand er heraus, dass er tatsächlich fürchtete, Scully würde beginnen, mit Rena über ihr Leben zu reden, dass sie begonnen hatte, zu fühlen, dass sie ein Leben wie Rena führen wollte und Mulder ihr das niemals geben konnte. Er hatte Angst davor, dass Rena Scully zeigen würde, dass sie Mulder überhaupt nicht brauchte.

Mulder zuckte auf seinem Stuhl zusammen, als seine Grübeleien unterbrochen wurden. Plötzlich spürte er einen stechenden Schmerz in seinem Arm und eine tiefe, schwindelerregende Angst. Er blickte auf seinen verletzten Arm herab. Lange Zeit hatte er ihm nicht wehgetan. Und der Schmerz war anders als vorher. Es war mehr ein innerer Schmerz.

Er schloss die Augen und hinter seinen Lidern sah er etwas seltsames. Es war Janes Apartment. Es war ihr Schreibtisch, bedeckt mit Fotos von ihm. Die Vorstellung war so real, so lebhaft und sie verursachte Angst in seinem Herzen. Er begann zu schwitzen und heftig zu atmen, nur indem er daran dachte.

Seine Augen flogen auf und er sah sich außer sich in der Cafeteria um. Was zur Hölle passierte mit ihm?

 

xxxxxx

 

Es war an der Zeit für das, worauf klein Charlie als seine Mamis 'Zauber' verwies. Sie bat Scully eindringlich, auf ihren Finger zu achten, ihm zu folgen, während er vor ihrem Gesicht hin und her wanderte. Scully fuhr fort, zu hecheln und Rena war erleichtert, als sie bis zur Zahl 30 gezählt hatte. Sie ließ ihre Hand sinken und Scully schloss die Augen.

"Okay, Dana, reden wir darüber, was dir gerade durch den Kopf geht."

"Ich war... dort, in Janes Schlafzimmer. Ich äh... Dort waren Fotos von Mulder, sie war uns gefolgt – ihm, sie war Mulder gefolgt." Sie zog ihre Lippe nach innen und ein Schluchzen kam aus ihrem Mund. "Aber sie ergriff mich und ich konnte nicht... Ich konnte ihm nicht helfen. Sie hat mir den Arm gebrochen, so dass ich ihm nicht helfen konnte..." Scully verstummte und begann zu weinen.

"Sie... ich konnte mich nicht bewegen, es ging alles so schnell. Ich hatte nie eine Chance."

"Tief atmen, Dana. Du sagtest, du hättest es nicht zulassen dürfen. Es war deine Schuld, dass du nicht fortgingst. Glaubst du das immer noch?"

Scully schniefte, ein bisschen gefasster als vorher. "Nein, ich hatte gar keine Chance. Sie war... sie hat mir den Arm gebrochen."

Rena war beinahe erschrocken, Scully schien es beinahe sofort geholfen haben. Sie wiederholten das mit den Fingern bis es schien, dass Scully ein bisschen ruhiger geworden war. Rena war nun davon überzeugt, dass die Sitzung weitaus einfacher und sogar effektiver gewesen wäre, wenn Mulder da gewesen wäre. Was ein weiteres Problem war, das sie ebenfalls aufarbeiten mussten, dessen war sie sich sicher. Diese Angst, dass es Mulder war, der sich in immanenter Gefahr befand.

"Du ruhst dich eine Weile aus, okay? Ich werde etwas zum Abendbrot essen gehen, aber wenn du mich brauchst, dann lass mich ausrufen oder so. Zögere nicht."

 

xxxxxx

 

Rena ging mit ihrem Essenstablett auf der Suche nach einem Tisch durch die Cafeteria. Sie kam an einem Mann vorbei, der mit dem Kopf in den Händen und einem vollen Teller vor sich dasaß. Es dauerte nur eine Sekunde, bis sie erkannte, dass es Mulder war. Seit ihrer Auseinandersetzung hatte sie nicht mit ihm gesprochen und die Aussicht, wieder in seiner Nähe zu sein, machte sie ziemlich nervös. Er war in seinem Ärger so unvernünftig gewesen, beinahe außer Kontrolle.

Nach dem, was Charlie sagte, war er normalerweise wirklich nicht so. Er stand nur ziemlich unter Druck. Aber Rena glaubte nicht, dass das als Entschuldigung ausreichte und sie fürchtete sich beinahe davor, mit ihm zu reden. Aber dennoch, er war hier.

"Mulder?" Er sah auf und sie bemerkte, dass seine Augen rot waren.

"Oh. Hey." Er sah beinahe verlegen aus, nicht gefährlich, also setzte sie sich hin.

Einen Moment saßen sie schweigend da, beide unsicher, was sie sagen sollten und beiden war extrem unbehaglich zumute. Rena fühlte sich wegen einiger Dinge, die sie ihm gesagt hatte, schlecht und sie hatte das Gefühl, dass sie den Ball ins Rollen bringen sollte, indem sie sich entschuldigte, aber es schien ihr, dass er ihr das zuerst schuldete.

"Also, äh... wie war die erste Sitzung?" fragte er und, so bemerkte sie, da war kein Sarkasmus oder Ärger in seiner Stimme. Er schien tatsächlich ein bisschen verängstigt.

"Gut, eigentlich. Es ist nur ein Anfang, aber ich glaube, es lief sehr gut." Sie wusste, dass es besser gelaufen wäre, wenn Scully gewusst hätte, dass sie Mulders volle Unterstützung hatte, wenn er währenddessen für sie da gewesen wäre, aber sie glaubte nicht, dass es eine gute Idee wäre, das jetzt anzubringen.

Mulder nickte und räusperte sich. "Also, äh, geht es ihr gut?"

"Sie scheint in Ordnung zu sein. Im Moment ruht sie sich aus."

"Gut. Das ist gut." Sie verfielen in ein weiteres unbehagliches Schweigen und Rena begann nervös, in ihrem Essen herumzustochern. Nach ein paar Minuten blickte sie wieder auf und sah, dass Mulders Augen mit Tränen gefüllt waren und er seine Serviette in den Händen zerknüllte.

"Mulder..."

"Es tut mir leid," stieß er hervor. "Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich weiß es wirklich zu schätzen, was Sie für sie zu tun versuchen und ich hatte... ich hatte unrecht. Einfach wirklich unrecht..."

"Mulder, es ist okay..."

"Nein, ist es nicht. Das ist es nicht. Ich habe mich scheußlich benommen."

"Wir haben beide einige dumme Dinge gesagt."

"Ich nehme an, dass..." Er blickte traurig nach unten. "Ich will sie nur zurück, Rena. Ich will sie so sehr zurück. Und ich will ihr helfen. Ich will es besser machen, aber ich kann nicht. Ich kann es nicht." Seine Stimme brach und Tränen begannen, seine Wangen hinabzulaufen.

"Alles, was ich mache, ist verkehrt und ich kann ihr überhaupt nicht helfen und ich vermute, dass ich einfach, dass ich einfach die Tatsache hasse, dass ihr jemand anders helfen kann und ich nicht. Dass sie womöglich jeden anderen braucht und nicht mich..." Endlich ein bisschen Ehrlichkeit. Das konnte Rena verstehen. Sie griff über den Tisch und nahm seine Hand in ihre. Er zitterte.

"Mulder, sie braucht Sie. Und Sie helfen ihr. Ohne Sie würde ihr nichts von alledem helfen. Sie braucht Sie mehr als alles andere. Ihre Liebe und Ihre Unterstützung sind wirklich die EINZIGEN Dinge, die sie braucht. Keinerlei Therapie wird irgendetwas Gutes bewirken ohne das." Augenblicklich erkannte sie ihren Fehler. Sie hätte seine Rolle in alldem von Anfang an deutlicher machen sollen.

"Mulder, ich muss mich auch entschuldigen. Ich glaube, ich habe Ihnen unbedacht das Gefühl gegeben, ausgeschlossen zu sein und das ist überhaupt nicht der Eindruck, den ich erwecken wollte. Sie müssen ein Teil davon sein oder es wird nicht funktionieren."

Mulder schüttelte den Kopf und entzog ihr seine Hand. Er begann, sich ärgerlich das Gesicht zu reiben. "Nein. Sie hatten recht, es zu tun. Ich kann ihr nicht helfen. Alles, was ich mache ist, ihr jedes Mal wehzutun, wenn ich in ihrer Nähe bin. Das beste, was ich für sie tun konnte war, mich da verdammt noch mal herauszuhalten."

"Mulder, um Gottes Willen..." Rena machte einen tiefen, beruhigenden Atemzug. Sie bemühte sich, geduldig mit ihm zu sein, aber seine Selbstverachtung war eine hartnäckige, frustrierende Kraft, mit der man rechnen musste.

"Alles was Sie tun müssen, ist fünf Minuten mit ihr reden, um zu erkennen, wie wichtig Sie für sie sind, wie sehr Ihre Anwesenheit und Ihre Unterstützung für sie zählt. Jedes Mal wenn ich da war und Sie nicht, waren ihre ersten Worte 'wo ist Mulder?' Sie wird hysterisch, wenn sie glaubt, Sie könnten in irgendwelchen Schwierigkeiten stecken. Ein Teil ihres Traumas ist es, zu fühlen, dass Sie in Gefahr sind und sie kann Ihnen nicht helfen. Mulder, sie braucht Sie gerade jetzt. Vielleicht mehr als sie Sie jemals in ihrem Leben gebraucht hat." Rena wusste nicht, was sie noch sagen sollte, um ihn zu überzeugen. Es schien so offensichtlich für sie zu sein. Der Mensch, den man mehr als jeden anderen liebte, der Mensch, den man mehr als sein Leben liebte, so wie er offensichtlich Dana liebte, das war der einzige Mensch, der einem jemals wirklich helfen konnte, wenn es darauf ankam. Warum war das so ein Geheimnis für Mulder?

Er sah sie prüfend an und schniefte. "Aber das tue ich bereits. Ich meine, ich kann gar nicht anders. Ich möchte wissen, was ich tatsächlich TUN kann. Wie kann ich es besser machen?"

"Sie müssen gar nichts tun, Mulder. Sie einfach lieben. Das ist alles. Da sein. Sie halten, mit ihr reden und sie wissen lassen, dass Sie bei ihr sein werden, egal was geschieht, dass Sie ihre Entscheidungen unterstützen und dass Sie wollen, dass es ihr besser geht."

"Ich habe all das getan." Rena seufzte verärgert. Er wollte eine tatsächliche Aufgabe. Gut, sie hatte eine für ihn, aber es war vielleicht das schwierigste, worum sie ihn bitten konnte.

"In Ordnung, dann kümmern Sie sich um sich selbst, Mulder. Essen Sie, schlafen Sie, entspannen Sie sich, sehen Sie sich irgendeinen Film an oder so, hören Sie auf, sich selbst für alles Schlechte, das ihr passiert ist und für jede Niederlage, die sie nun erlebt, verantwortlich zu machen. Wenn Sie nicht gesund sind, wird sie es auch nicht sein."

"Ich verstehe nicht... wie soll ihr das helfen?"

"Mulder, Dana ist nicht die einzige, die gesund werden muss. Sie sind beide krank und es ist die gleiche Krankheit. Sie teilen sie. Bis es einem von Ihnen besser geht, wird der andere immer krank sein. Je mehr Sie tun können, um sich selbst zu helfen, desto besser wird sie sich fühlen."

Er sah sie an, als würde sie versuchen, ihm zu erklären, dass die Erde eine Scheibe war. Wie konnte irgendjemand so dickköpfig sein?

"Mulder, glauben Sie nicht, dass Sie sich besser fühlen, wenn sie aus dem Krankenhaus heraus kommt, wenn sie aufhört, diese Träume zu haben und wieder zu essen beginnt?"

"Natürlich, aber..."

"Nun, es funktioniert in beiden Richtungen."

 

Ende Kapitel 6/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 7/11

 

Donnerstag

9:40

"Mulder? Was tust du denn hier?"

Scully richtete sich im Bett auf und legte die Pathologiezeitschrift, die sie in den letzten zwei Stunden versucht hatte zu lesen, auf das Nachtkästchen. Rena würde jeden Moment hier sein und sie war sich nicht so sicher, ob es gut wäre, wenn Mulder während der Sitzung, um sie herum war.

"Ich äh, ich bin gekommen, um äh, einfach bei dir zu sein."

"Oh." Meinte er, dass er bleiben würde, oder wusste er nicht, dass Rena hierher kam? "Mulder, du weißt, dass Rena jede Minute kommen wird, oder nicht?"

Mulder sog seine Lippen ein und nickte stumm. "Hey, Scully," begann er in seiner wirklich berühmten unfeinen Art, das Thema zu wechseln. "Du siehst... das ist erstaunlich... doch du siehst hundertmal besser aus, als gestern." Er brach ab und starrte sie nur kopfschüttelnd an. Seine Augen wanderten zum Tisch und er sah ihr Frühstücksgeschirr, bis auf die Melonen in der Obstschale war alles aufgegessen.

"Scully,... du hast... gefrühstückt," stellte er völlig verwundert fest. Er sah sie noch prüfender an und studierte ihre Gesichtszüge, so als ob er sicher gehen wollte, dass sie real war. "Mensch, Scully... ich kann es einfach nicht glauben. Wie... wie fühlst du dich?"

"Ähm, tatsächlich..." Sie stockte und fragte sich selbst, wie sie sich fühlte. "Tatsächlich ist es ziemlich verblüffend. Ich erinnere mich nicht einmal daran, letzte Nacht aufgewacht zu sein." Plötzlich kam ihr ein Gedanke. "Mulder, du... du bist letzte Nacht nicht hier geblieben, oder doch?"

Als sie das fragte, sah er beinahe erschrocken aus. "Ähm, nein, das bin ich nicht. Ähm...der kleine Charlie wollte sehen, wo wir arbeiten und da hab ich ihn mit in unser Büro genommen."

Scully lächelte. "Oh, ich wette, das hat ihm gefallen."

"Ja," erwiderte Mulder, ebenfalls lächelnd. "Er war ganz schön fasziniert von dem ganzen Zeugs dort. Er dachte, der Plattwurmmann wäre 'Neato', also habe ich ihm ein Bild von ihm ausgedruckt, damit er es mit nach Hause nehmen kann."

Scully zog ihre Augenbrauen hoch und rümpfte die Nase. "Oh, meine Mutter wird davon begeistert sein."

"Nun, jedenfalls hab ich ihn dann mit in mein Apartment genommen und dort ist er auf meinem Sofa eingeschlafen. Ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihn zu wecken, also so habe ich ihn in meinem Bett schlafen lassen und bin die Nacht bei ihm geblieben. Es... äh... es tut mir leid, dass ich nicht zurückgekommen bin."

"Nein, bitte, das muss es nicht," versicherte sie ihm. Sie war entzückt darüber zu hören, dass er etwas normales mit seiner Zeit angefangen hatte und er selbst sah jetzt hundertmal besser aus, da er bei sich zu Hause geschlafen hatte. "Ich hoffe, dass du nicht deprimiert bist, wenn ich dir sage, dass ich dich nicht mal vermisst habe."

"Das ist okay. Irgendwie... irgendwie hab ich das wohl gewusst."

Sie lächelten sich an und dann schwiegen sie. Scully versuchte sich dazu zu bringen, Mulder vorzuwarnen, dass Rena jede Sekunde kommen würde, doch etwas in ihr hoffte, dass er seine Meinung einfach ändern und bleiben würde. Obwohl sie schon riesige Fortschritte gemacht hatte, fühlte sie sich wegen der Sitzung schon ein wenig nervös.

Als sie hörten, wie sich die Tür öffnete, zuckten sie zusammen. Scully blickte Mulder an, der Rena als erstes begrüßte. Ihr Herz hämmerte und schrie Mulder an, er solle doch bitte bei ihr bleiben.

"Guten... Morgen," erwiderte Rena Mulders Gruß und stand dann unbehaglich am Fußende des Bettes. Einen Moment später warf sie einen Blick auf Scully und ihre Augen weiteten sich. "Dana, sieh dich an! Mein Gott! Hast du dich angesehen?"

Scully lächelte ein wenig und sah Mulder an. "Nein, doch Mulder hat es und er hatte so ziemlich die gleiche Reaktion."

"Ich glaub es einfach nicht. Ich meine, wow... was für ein Unterschied."

"Rena, denkst du nicht," begann Scully, "dass es einfach von dem kommt, was wir getan haben?"

Rena ließ ihre Schultern einmal nach hinten kreisen und hob ihre Hände. "Ich... ich kann mir nicht vorstellen, was es sonst gewesen sein könnte. Haben sie deine Medikation oder irgendwas anderes verändert?"

"Nein. Aber ich habe gestern Abend und heute Morgen etwas gegessen."

 

Rena stand da und schüttelte den Kopf. "Nun, es ist sicherlich eine deutliche Verbesserung. Und doch..." Sie zögerte und sah Mulder und dann wieder Scully an. "Ich denke nicht, dass wir es schon völlig geschafft haben. Es sind erst ein paar Tage gewesen."

"Ich weiß," stimmte Scully zu. Sie wartete darauf, dass Rena neben ihr Platz nehmen würde, doch sie stand bloß da, so als ob sie auf die Erlaubnis warten würde.

"Ähm..." begann Rena, "Vielen Dank dafür, dass Sie Charlie letzte Nacht mitgenommen haben, Mulder. Er kann gar nicht aufhören, über Sie zu sprechen, wissen Sie. Ich denke, sein Vater macht gerade ein verfrühtes Leeres-Nest-Syndrom durch."

Mulder lachte und erklärte ihr, dass das überhaupt kein Problem war und dann wurde das Trio wieder still. Schließlich sprach Mulder. "Äh, also äh... fangen Sie jetzt an?"

"Ja, ich hoffte..." Rena brach ab.

"Soll ich mich woanders hinsetzen? Oder ist es hier in Ordnung?"

Scullys Herz machte vor Freude einen Satz. Er würde bleiben, er sorgte sich, er wollte da sein. Bewusst entschloss sie sich, diese Sitzung erfolgreich werden zu lassen, sie wirklich effektiv zu machen.

Rena setzte sich neben sie und legte ihren Notizblock weg. Sie warf noch einen letzten Blick auf Mulder und wandte sich dann an Scully.

"In Ordnung, Dana, heute möchte ich darüber sprechen, was an dem anderen Tag mit dem Spiegel geschah."

Scully fühlte, wie sich ihre Schultern anspannten. Sie konnte das schaffen, sogar wenn Mulder hier war. Sie stieß einen Atemzug aus und sagte, "Ja. Gut."

"Also, geh zu dem Tag zurück, an dem es geschehen ist. Der Tag, an dem Jane dich mit dem Messer angegriffen hat. Erinnere dich an das, was du gesehen hast, was du fühltest, auch die Gerüche, an die du dich erinnerst."

Sowohl Mulder als auch Rena beobachteten Scully, als sie die Augen schloss und eine sehr lange Zeit nachdachte. Nach einer Minute oder so zog sie ihre Augenbrauen zusammen und atmete aus. Rena betrachtete das als ihr Stichwort.

"Okay, was fühlst du gerade?"

"Ich kann nicht glauben, dass mir das passiert, dachte ich. Ich konnte nicht glauben, dass diese Frau wirklich so... bösartig sein konnte." Sie brach ab und atmete aus. "Wenn sie mir das antut... Was... was tut sie dann Mulder an? Sie wird mich umbringen, ich werde es ihm nie sagen können. Ich hätte es ihm schon vor langer Zeit sagen sollen..."

"Okay, halt dich daran fest, Dana, halt das fest. Wie fühlst du dich? Welche Gefühle weckt das in dir?"

"Traurig. So absolut traurig. Bedauern. Bedauern, das ich in meinem Herzen fühlen kann. Bedauern darüber, dass ich es ihm nie gesagt habe. Wenn ich es ihm gesagt hätte, wäre ich niemals in diese Situation gekommen."

Rena nickte, als sie sich Notizen machte. Scully bewertete ihre Empfindungen und wischte sich den Schweiß von ihrer Augenbraue. Dann bat Rena sie, "Jetzt sag mir, wie du dich wegen dem, was dir passiert ist, fühlen möchtest."

"Ich möchte fühlen...Ich möchte wissen, dass es nicht meine letzte Chance war. Es würde nicht meine letzte Chance sein. Sie war nicht vorbei." Sie sah Rena an, jedoch auf eine bestimmte Weise beinahe durch sie hindurch, so als ob sie in ihrem Kopf die Ereignisse auf einem unsichtbaren Monitor wieder abspielen würde.

"Okay, sieh auf meine Hand, in Ordnung?" bat Rena sie und Scully griff nach Mulders Hand, streckte sich fast, um danach zu tasten. Schließlich nahm er ihre Hand und sie hielt sich fest, während sie Renas Finger beobachtete.

Doch plötzlich zuckte Scully zusammen. Sie machte ein keuchendes Geräusch und ihre Augen weiteten sich. Dann zog sie ein fürchterliches Gesicht und würgte. Sie entriss Mulder ihre Hand und ließ ihren Kopf auf die Seite des Bettes fallen.

Mulder sah Rena voller Angst an und lief um das Bett herum, an die andere Seite. Sie erbrach sich nicht, würgte nur trocken. "Scully... Scully, was ist denn? Was ist los?"

"Da waren Käfer... Maden," weinte sie. "Sie hat mich damit gefüttert, sie waren überall... ich habe sie gegessen. Oh Gott." Sie setzte sich auf und ihre Augen waren rot und verweint. "Es war schrecklich... sie... lachte mich aus und verspottete mich und ich dachte... Mulder, ich dachte, dass du mich niemals finden würdest... ich wollte so nicht sterben... Nicht bevor ich..."

Mulder kletterte zu ihr ins Bett, so dass er seine Arme um ihre Schultern legen konnte.

"Okay, Dana, lass uns mit diesem Bild arbeiten," sagte Rena. "Ich weiß, dass es weh tut, doch wir müssen es rauslassen. Sieh mich jetzt an. Sieh auf meinen Finger."

Als Mulder sie festhielt, nickte sie und kam Renas Bitte nach. Sie versetzte sich zurück in Janes Wohnung, gefangen und verängstigt, mit schlimmen Schmerzen und blutend. Sie erlebte es noch einmal, sie blickte auf diese Erinnerungen, sie wiederholte sie, wieder und wieder. Sie würde Jane bezwingen.

Bevor Scully überhaupt darüber nachdenken konnte, senkte Rena ihre Hand. Scully war jetzt bewusst, dass ihr Körper in Schweiß gebadet war. Sie hatte keine Ahnung, welchen Effekt diese Erinnerungen auf ihren ganzen Körper hatten, ganz zu schweigen von ihren Gefühlen.

"Okay?" Es war Mulder, der genauso schwer atmete, wie sie selbst.

"Ja."

"Okay, dann sag mir, was du lieber wegen dem, was dort passierte, empfinden würdest."

"Ich bin stärker als sie, und Mulder wird in Sicherheit sein."

Rena sagte ihr, als sie ein weiteres Mal ihre Finger vor Scullys Augen bewegte, dass sie sich auf diese Worte konzentrieren sollte. Beinahe sofort spürte Scully, wie sie sich entspannte, ihr Griff um Mulders Hand lockerte sich merklich. Durch seine Anwesenheit war es einfacher, diese positiven Worte zu glauben. Zum ersten Mal seit langer Zeit war sie absolut sicher, dass sie beide wirklich und wahrhaftig in Sicherheit waren.

 

Samstag

10:00

 

Scully wälzte sich immer wieder in ihrem Bett herum. Sie fühlte sich unruhig. Seitdem Mulder sie letzte Nacht verlassen hatte, hatte sie versucht, zu schlafen, doch es gelang ihr nicht. Scully war gelangweilt und des ewigen Herumsitzens in einem Krankenhausbett müde.

Mulder war seitdem auch noch nicht zurückgekommen. Da er aussah, als ob er lange Zeit nicht anständig geschlafen hatte, hoffte Scully, dass er sich entschieden hatte, eine Couch in einem Warteraum zu finden, auf der er schlafen konnte. Vielleicht holte er das Versäumte jetzt nach.

Es kam ihr so vor, als würde sie sich in seiner Abwesenheit nicht mehr so unruhig fühlen. Sie dachte an die vergangene Nacht zurück, als sie die Tür hinter Mulder zufallen hörte, doch keine Panik dabei fühlte.

Sie hörte das Klicken der Tür und drehte sich schnell um. "Mulder?"

"Nein, es tut mir leid, es sind nur Charlie und ich, niemand besonderes," entschuldigte sich Rena.

"Knastbruder!" rief Scully aus, während sie ihren gesunden Arm um ihren Bruder legte.

"Sieh dir das Lächeln an," lobte Charlie. "Das habe ich lange nicht gesehen. Wie fühlst du dich?"

Scully überlegte einen Moment lang. Sie fühlte sich spürbar anders, als sie sich gestern gefühlt hatte. Eigentlich fühlte sie sich großartig. Leichter. Und die Schmerzen, die sie hatte, seitdem sie sich im Krankenhaus befand, schienen auf wunderbare Art und Weise nachgelassen zu haben. Verblüffend.

"Ich fühle mich..." Rena und Charlie sahen sie an, gespannt auf die Erklärung die sie jetzt machen würde. Scully kicherte ein wenig in sich hinein. "Leute, ich fühle mich großartig. Es ist unglaublich." Sie stockte und da kam ihr eine Idee. "Wisst ihr, was ich jetzt tatsächlich gerne tun würde?"

"Was denn, Dana?" fragte Charlie aufgeregt.

"Ich möchte versuchen, zu laufen," erklärte sie.

"Laufen? Bist du sicher?" fragten Rena und Charlie gleichzeitig.

Scully nickte. "Ja, ich bin sicher. Ich glaube, dass ich es schaffen kann. Zumindest ein kleines Stück."

Rena lächelte. "Ich denke auch, dass du das kannst."

Charlie und Rena standen an jeweils einer Seite von Scully, um sie zu stützen, als sie vom Bett aufstand. Charlie war äußerst nervös, doch das wurde durch Renas Gleichmut gegenüber Danas kleinem Wagnis abgeschwächt.

Als sie die Tür erreichten, wandte sich Scully an ihren Bruder und sagte, "Ich bin bereit. Du kannst loslassen. Bleib nur hier, um mich aufzufangen, okay?"

Charlie gab nach und Scully ging den Korridor entlang, weg von ihrem Zimmer. Eine der Krankenschwestern hielt an, applaudierte Scully zu ihrer Besserung und betonte, wie unglaublich das war.

So albern es auch war, Scully fühlte ihre Brust vor Stolz schwellen. Etwas hatte geholfen, was auch immer es gewesen sein mag. Sie fühlte sich anders, sie erlangte wieder ihre Kontrolle zurück. Überall an ihrem Körper spürte sie es. Ein gutes Gefühl, nicht das schreckliche Gefühl, das sie so lange gehabt hatte, seit dem Tag, an dem sie Jane Harris, oder wie zum Teufel ihr Name gewesen sein mag, getroffen hatte.

 

xxxxxx

 

Zum millionsten Mal stieg Mulder in den Fahrstuhl, um zu Scullys Zimmer zurück zu gehen. Er fühlte wieder diese vertraute Übelkeit in seinen Eingeweiden. In den letzten paar Stunden hatte er darüber nachgebrütet, wie er sich für sein Verhalten – für alles – entschuldigen könnte und entschloss sich, dass er das bald machen würde. Zum Beispiel heute.

Doch wie zum Teufel sollte er beginnen? Und was, wenn er dort auf Bill oder Charlie oder ihre Mutter oder irgendwen treffen würde? Er wusste, dass er dann kneifen würde. Und wenn Rena da wäre, würde er sich wegen der ganzen Sache wieder schuldig fühlen. Nun, jedenfalls noch schuldiger.

Scheiße, Scheiße, Scheiße und Scheiße, dachte er, als die Fahrstuhltür aufglitt. Irgendwie hatte er sich gewünscht, dass sie sich nie öffnen würde, dass er steckenbleiben würde und dann hätte er einen guten Grund gehabt, das Unvermeidliche aufzuschieben.

Mulder ging zu Scullys Zimmer, nur um es leer vorzufinden. Scheiße, Scheiße. Wo zum Teufel war sie? Hatten sie sie verlegt? Wohin? In die Psychiatrie? Oder vielleicht mussten sie eine Notoperation durchführen, weil einige unerwartete Komplikationen aufgetaucht waren? Dieser verdammte Bill verschwieg diese wichtige Sache vor ihm, so als ob Mulder für Scully nichts bedeuten würde. Als ob sie ihm nichts bedeuten würde.

Bereit dazu, diesen verdammten Bill ausfindig zu machen und den Verstand aus ihm herauszuprügeln, stürmte er aus dem Zimmer und den Gang hinunter. Und da sah er sie. Das wunderschöne rote Haar und diese winzige Gestalt, die er so bewunderte.

Und ihr Gesicht. Sie lächelte vor... könnte es vor Stolz sein?

Mulder, ich kann laufen, sagte sie mit ihren Augen. Er hörte es laut und deutlich. Und alles, was er tun konnte war, einfach dazustehen und zu fühlen, wie ein Teil seiner Seele aus seinem Gefängnis befreit wurde. Sie lächelte noch breiter und er fühlte sein Herz in seinem Bauch schlagen.

Er stand weiter da, wie erstarrt, als sie auf ihn zukam. Seine Beine zitterten so stark, dass er glaubte, er könnte hinfallen, wenn er versuchen würde, sich zu bewegen. Also wartete er. Und als sie bei ihm war, schlang sie ihren linken Arm um ihn und presste ihre Wange an seine Brust. Mulder legte seine Arme um sie und versuchte, seinen Körper um sie zu wickeln, damit sie fühlen konnte, was er fühlte. Diese Erleichterung, dieses Glück, das er in jeder Zelle seines Körpers empfand.

Zu seiner Verwunderung blieb sie in seinen Armen und lehnte ihren Körper gegen seinen. Er glaubte, sie wartete darauf, dass er etwas sagte und sprach.

"Scully..."

Doch sie schüttelte ihren Kopf. "Nein Mulder, nicht jetzt. Lass es einfach nur so sein."

"Was immer du willst, Scully. Was immer du brauchst."

 

xxxxxx

 

19:30

Mulder starrte ausdruckslos aus dem Fenster und sah nichts. Sein Magen grollte unangenehm und seine Füße tappten in einen endlosen Rhythmus auf den Boden. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte mal so nervös gewesen war.

Er kaute auf dem Fingernagel seines Daumens. Praktisch war er an diesem Punkt schon bis zur Nagelhaut abgebissen. Der Klang des zweiten Zeigers, der um die Uhr auf der Wand kreiste, erschien ihm übermäßig laut und warf in seinen Ohren und seiner Brust ein Echo. Jede Sekunde, die verstrich, war eine weitere Sekunde näher an der Sekunde, in der Scully aufwachen würde.

Er blickte sie an und war sich sicher, dass sie dabei war, ihre Augen zu öffnen, doch sie schlief noch fest. Gott sei Dank.

Mulder begann die Worte zu wiederholen, die er in Gedanken schon fast hundert Mal ausprobiert hatte. Es war eine schöne Rede voller Schwung und Herzschmerz. Sie war relativ kurz, doch dramatisch genug. Er hatte sie solange geübt, bis sie perfekt war und sobald sie aufwachen würde, wäre er bereit dazu, sie zu halten.

Wochen hatte er dazu gebraucht, nur um die richtigen Worte zu formulieren, die klarste und aufrichtigste Art zu finden, um sein Bedauern über die Art und Weise auszudrücken, wie er sich ihr gegenüber benommen hatte, bevor Jane sie entführt hatte. Und es war schließlich an der Zeit, sein Innerstes vor ihr zu offenbaren. Er hoffte nur, dass sie ihn nicht unterbrechen würde, weil er dann womöglich den Faden verlieren würde. Und wenn es vorbei war, konnte er nur beten, dass sie ihm vergeben würde.

Mulder fühlte sich, als wäre er zwölf Jahre alt und lieferte gerade seinen ersten mündlichen Bericht ab.

'Scully, ich würde gerne meine aufrichtigste Entschuldigung dafür ausdrücken...'

"Einen Penny für deine Gedanken." Sein ganzer Körper zuckte auf dem Stuhl zusammen und er musste sich tatsächlich davon abhalten, aufzuschreien.

Sobald er seinen Atem wieder unter Kontrolle hatte, sah er sie an. Das orangefarbene Licht des Sonnenunterganges, das durch das Fenster hereinschien, warf eine Glut, die ihre Haut so wunderbar wie flüssiges Feuer aussehen ließ. Ihre Haare waren verwuschelt und ihre Augen schläfrig. Sie setzte sich auf und streckte ihren ungebrochenen Arm über ihrem Kopf aus und die Seide ihres Pyjamaoberteils spannte sich über ihren Brüsten. Und er vergaß jedes einzelne Wort seiner Rede.

"Äh, wie lange bist du schon wach?" fragte er dümmlich.

"Seitdem du hereingekommen bist," antwortete sie lächelnd.

Großartig, das war einfach großartig. "Oh," war alles, was er sagte.

"Mulder, gibt es etwas, was du mir sagen willst?"

Scully war die ganze Zeit wach gewesen und hatte ihn heimlich beobachtet, wie er über etwas nachdachte und an seinen Fingern kaute. Sie wusste, dass er durcheinander war, nicht nur, weil sie sehen konnte, wie sich seine Brust schnell hob und senkte, sondern auch weil sie es fühlen konnte. Tief in ihrem Bauch, ein Gefühl, das sie fast krank machte.

"Wir müssen jetzt nicht darüber reden, Scully."

"Das müssen wir nicht, doch es wird uns nicht wehtun, oder doch?"

Okay, sie war wieder in ihrem hartnäckigen Scullymodus. Mulder konnte damit umgehen. Er zuckte mit den Achseln und starrte wieder aus dem Fenster.

"Mulder?"

"Es ist nichts, Scully, wirklich."

"Es wird mir besser gehen, Mulder."

Als er sie das sagen hörte, grinste er sich selbst zum Trotz. Er drehte sich zu ihr um und als er sah, wie bestimmt und stark sie zu sein schien, wurde sein Grinsen breiter. "Das weiß ich, Scully."

Sie erwiderte sein Lächeln, erleichtert, dass ihre Gesundheit oder die Behandlungsmethoden nicht länger der Grund für seine Sorgen waren. Doch da war etwas anderes und sie musste herausfinden, was es war.

"Also, was ist es dann? Was ist los?"

Das Grinsen verschwand, und er seufzte wieder. "Scully, es ist nicht...mach dir deswegen einfach keine Sorgen, okay?"

Scullys Herz begann nun zu rasen und eine Million schreckliche Szenarien schossen ihr durch den Kopf. "Nein Mulder, es ist nicht okay. Du beginnst, mir Angst zu machen." Sie starrte ihn mit Furcht in ihren Augen an.

Mulder drehte sich zum Fenster um. "Es ist nichts. Wirklich."

"Mulder, da ist offensichtlich etwas, sonst würdest du nicht mit diesem Ausdruck auf deinen Gesicht dasitzen."

Dieser Ausdruck? Er überprüfte sein Spiegelbild im Fenster. Kein Ausdruck. Nur sein üblicher leerer Gesichtsausdruck.

"Scully, welcher Ausdruck? Ich habe hier nur gesessen."

"Du hast diesen Ausdruck, Mulder." Kein anderer würde es sehen, doch sie tat es.

"Scully, da ist kein Ausdruck."

"Mulder, da ist einer! Ich sehe ihn genau jetzt." Verdammt sei sie dafür. Sie war dabei, ihn dazu zu treiben, aus dem Fenster zu springen, damit er ihrem prüfenden Blick entgehen konnte.

"Scully, was glaubst du zu sehen? Du kennst mich so gut, was denkst DU, was mit mir los ist?"

Er bemerkte den schelmischen Blick in ihren Augen und die Art, wie sich ihre Lippen zu einem Grinsen kräuselten. "Mulder, das frage ich mich schon seit Jahren." Wenn sie seine Laune etwas aufhellte, würde er sich hoffentlich etwas behaglicher fühlen und reden.

Aber statt dessen schwieg er nun ganz, nahm seine Beobachtung des Nichts vor ihrem Fenster wieder auf. Sie seufzte und sagte zu ihm, "Mulder, so wie ich das sehe, gibt es etwas, das dich sehr beschäftigt und ich möchte nicht in dich dringen, doch da du neben meinem Bett sitzt und darüber nachbrütest, bin ich nun doch etwas neugierig."

Gott, was zur Hölle sollte er ihr sagen? Warum hatte er sich diesen Mist nicht aufgeschrieben? Wie konnte er auch nur anfangen, es zu erklären...

Scully kam ein Gedanke. Vielmehr ein Bild oder ein Eindruck, als ein Gedanke. Sie sah sich gegen ihren Küchenschrank gedrückt, sie konnte den Kaffeesatz riechen, sie konnte sie laute Worte wechseln hören.

Sie atmete schwer aus. "Mulder, ist es...denkst du...denkst du über diese Nacht nach? Diese Nacht in meinem Apartment?"

Seine Kinnlade klappte vor Schreck herunter. Wann zum Teufel hatte sie diese verdammte hellseherische Fähigkeit bekommen und warum hatte sie ihm nichts davon erzählt? Die Schuld, die Verdorbenheit, sie musste von seiner ganzen Seele ausstrahlen. Er schloss den Mund und atmete tief ein. Mit geschlossenen Augen, unfähig dazu ihr in die Augen zu sehen, nickte er.

"Oh Mulder, es ist nicht...es ist nicht mehr wichtig. Ich...es macht mir nichts mehr aus." Er war zu ihr gekommen, weil er bereit dazu war, sich mit ihr zu lieben und sie hatte ihn aus einem dummen Grund weggestoßen. Sie hatte ihm nie gesagt, dass ihr das Ganze leid tat. "Das Ganze macht mir nichts mehr aus... Jane, die dumme Anhörung...es ist nicht wichtig..."

Nein, Gott nein, sie verstand es nicht. Es war genauso, wie in jener Nacht. Sie vermied das eigentliche Thema, das eigentliche Problem. Er musste es ihr erklären. "Scully, es ist nicht nur das, ich meine, mir tut es leid. Ich hätte dir zuhören sollen..." Er riskierte einen Blick auf sie. Sie sah so... so... besorgt aus. Wegen ihm. Das konnte er nicht ertragen. Er stand auf und wandte sich ab, in Richtung Fenster. "Ich hätte wegen Jane auf dich hören sollen. Du hattest Recht, wie üblich, und ich hätte das wissen müssen. Doch das ist es nicht... es ist mehr als das, Scully."

Für alles, was in jener Nacht passiert war, wollte er die Verantwortung übernehmen. Offensichtlich war da noch mehr, was sie ihm erklären musste, mehr, damit er verstand, warum sie so auf ihn reagiert hatte. Etwas, vor dem sie immer Angst gehabt hatte, es ihm gegenüber zuzugeben. "Mulder, ich war so sauer auf dich, weil, ich weiß nicht, ich hatte ein schlechtes Gefühl wegen Jane und ich dachte..." Sie verstummte und lachte nervös. "Ich dachte, dass da vielleicht... vielleicht war da... ähm, ich weiß nicht, ich dachte, dass sich zwischen euch beiden vielleicht noch was anderes abspielen würde."

"Scully... wie... warum?" Sie konnte unmöglich gedacht haben, dass er und Jane... oh Gott, hatte sie das tatsächlich gedacht?

"Ich weiß, es ist albern..."

"Ja, ja das ist es. Gott Scully." Wie in Gottes Namen hatte sie das denken können? War es nicht offensichtlich gewesen, warum er in erster Linie in ihr Apartment gekommen war?

Scullys Wangen röteten sich vor Verlegenheit über ihr Geständnis. "Ich habe... du schienst mir häufig aus dem Weg zu gehen. Du warst nicht oft bei mir und schienst immer unaufmerksam zu sein und ähm, sogar wenn du bei mir warst, nicht wirklich anwesend. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum du mir so aus dem Weg gehen wolltest..."

Er legte seine Hände auf die Hüften und neigte den Kopf. "Kannst du nicht sehen, warum, Scully?" flüsterte er.

Scully hörte ihn nicht sprechen, vielmehr fuhr sie mit ihrer rechtfertigenden Rede fort. "Ich weiß, dass es dumm war, auf Jane eifersüchtig zu sein, ich meine im Nachhinein ist es offensichtlich, dass du nichts in der Art mit ihr hattest, doch es war so frustrierend für mich, dass du mir nicht mehr zuzuhören schienst... das du so weit weg warst, nachdem wir uns so... nahe gekommen schienen."

Konnte sie tatsächlich geglaubt haben, dass er ihr aus den Weg gegangen war, weil er NICHT in ihrer Nähe sein wollte? Konnte sie das als eine Form der Ablehnung angesehen haben? Er verstand nicht, wie das sein konnte.

"Scully..."

"Ich schätze, dass ich deswegen wirklich so sauer war. Es war einfach die Tatsache, dass du so in andere Dinge vertieft schienst, dass du anscheinend den Dingen, die ich dir sagte, keine Aufmerksamkeit mehr gewidmet hast. Aber ich meine, ich weiß jetzt, dass sie die Dinge so manipuliert hat, damit es so erschien..."

"Verdammt Scully, verstehst du das nicht?" Er drehte sich wütend zu ihr um. Es ging nicht um Jane. Warum konnte sie das eigentliche Thema nicht ansprechen? Warum konnte sie nicht sehen, wer er war?

"Was verste..." Seine Augen waren wild und für einen Augenblick dachte sie, dass er sie packen und durchschütteln würde.

"Ich bin dir absichtlich aus den Weg gegangen, Scully. Um zu vermeiden, dass ich genau das tue, was ich in dieser Nacht beinahe getan habe!" Gott hilf ihr, sie sah tatsächlich verwirrt aus.

"Was hast du beinahe getan, Mulder?"

Sie beobachtete ihn, als er seine Hände zweimal durch sein Haar laufen ließ, der Ausdruck auf seinem Gesicht war so gequält, als ob er von einem Auto angefahren worden wäre. Mulder kniff die Augen zusammen und drehte sich laut seufzend von ihr weg.

"Scully, es hat nichts mit Jane zu tun, oder etwas anderem. Es ist..." Er drehte sich wieder zu ihr um und zeigte mit beiden Händen auf sein Herz, "Ich bin es, Scully. Es ist das, was in mir ist."

Scully war völlig verwirrt. "Was in dir ist? Was soll das heißen?"

Er verdrehte die Augen und warf seine Hände hoch. "Das, wovor ich Angst hatte, es dir anzutun, Scully. Das, was ich getan habe! Jesus Christus!"

"Was du getan hast?" Mulder begann sich zu fragen, ob er ihr ein Diagramm zeichnen musste. Er ballte seine Fäuste, um sich davon abzuhalten, sie durchzuschütteln.

"Du... du meinst das Küssen?

Küssen. Das Küssen. So wollte sie es also nennen. Sie sah so aufrichtig aus, so als ob sie wirklich denken würde, dass es das war. Er konnte es nicht ertragen. Er konnte es einfach nicht ertragen. Als er ein frustriertes und ungläubiges Schluchzen in seiner Kehle spürte, biß er sich auf die Lippen.

"Das Küssen?" würgte er hervor und wandte sich ab. "Ja, ich... ich schätze, dass man es so nennen könnte. Wenn du nett bist."

Deswegen machte er solche Sorgen. Ein wenig ungläubig lachte sie in sich hinein. "Nun Mulder, es ist, ähm, es ist nicht genauso, wie ich mir unseren ersten Kuss vorgestellt hatte, doch... nun, die Dinge entwickeln sich bei dir nie so, wie erwartet."

Ihr erster Kuss? Was zum Teufel stimmte nicht mit ihr? Sie sprach so darüber, als ob das irgendein unschuldiges Küsschen in einem Rosengarten gewesen wäre. Hatte sie das Vergangene in ihrer Erinnerung revidiert, oder versuchte sie ihn vor der Wahrheit zu schützen? Oder machte es ihr wirklich nichts aus? Hatte er sie manipuliert und ihren Verstand bis zu dem Punkt vernebelt, an dem sie alles, was er ihr antat, vergessen würde?

"Verdammt Scully, ich habe dich praktisch vergewaltigt! Stört dich das nicht?" Mulder umklammerte die Fensterbank mit seinen Fäusten, brauchte eine Stütze. Er fühlte sich, als ob er, nachdem er die Worte tatsächlich gesagt hatte, in Ohnmacht fallen könnte. "Weil es mich stört, Scully," wimmerte er. "Es stört mich sehr."

 

Ende Kapitel 7/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 8/11

 

 

Er hatte versucht, sie in jener Nacht zu vergewaltigen. Der Gedanke war so fremd für sie wie der, dass Mulder versucht, sie umzubringen. Tausende Empfindungen und Erinnerungen an jene Nacht überfluteten sie wieder, alle erinnerten sie daran, wie vollkommen erregend es war, seine Hände auf ihrer bloßen Haut zu spüren, seine warme Zunge, die sich in ihrem Mund bewegte, sein erregtes Stöhnen, das in ihren Ohren nachhallte. Keines dieser Gefühle beschrieb für sie irgendeine Art von Vergewaltigung.

Als sie schwieg, war Mulder sich sicher, dass sie an jene Nacht zurückdachte und es nun so sah, wie es, seinem Glauben nach, passiert war. Er bereitete sich auf ihren Ärger, ihren Hass, ihre Bestürzung vor. Warum hatte er zuerst davon angefangen? Es ging ihr schon so viel besser. Warum musste er sie wieder traumatisieren?

"Vergewaltigung?" fragte sie schließlich, ihre Stimme voll von Unglauben. "Mulder..."

"Es hätte sehr gut so sein könne, Scully."

"Nein, Mulder, das ist einfach albern. Sobald du gehört hast, dass ich sagte aufhören, hast du es getan. Es war nicht einmal annähernd eine Vergewaltigung, Mulder. Nicht einmal annähernd."

"Ich habe dich angegriffen, Scully!" schrie er heraus, unfähig zu begreifen, wie sie die Dinge auf diese Art sehen konnte.

"Nun ja, auf eine Art. Aber Mulder, du könntest mich nie vergewaltigen. Ich wusste es damals und ich weiß es heute. Ich hatte keine Angst, Mulder. Du könntest niemals..."

"Sei dir da nicht so sicher, Scully..."

"Mulder, du könntest es nicht." Ihre Sorge um ihn kehrte abrupt zurück. Wieder einmal lehnte er es ab, zu glauben, dass er von Natur aus ein guter Mensch war. Ein Mensch, der es wert war, geliebt zu werden. "Sieh mich an, Mulder."

Sie ansehen? Wie konnte er?

"Scully, du weißt nicht, du verstehst nicht, du weißt nicht, was in mir ist, Scully, dieses Krankhafte... ich weiß nicht einmal mehr selber, wozu ich fähig bin."

"Krankhaft, Mulder, wovon zur Hölle sprichst du?" Das grenzte schon an Lächerlichkeit. "Welches Krankhafte?"

"Ich kann es nicht... ich kann es nicht kontrollieren, Scully... ich kann es nicht beenden," stammelte er. Warum konnte sie nicht erkennen, wie kaputt er war? Musste er ihr jeden kranken Gedanken erzählen, jedes perverse Verlangen?

"WAS kontrollieren, Mulder?"

"Diese Gefühle, dieses... Verlangen, dieses stetige... Bedürfnis. Gott, Scully, es ist verwirrend, es ist gefährlich. Ich bin genauso schlecht wie Jane. Schlimmer noch, weil ich dein Freund sein sollte..."

"Mulder, hör auf. Hör auf damit und höre mir zu..."

"Nein, Scully, du... du solltest überhaupt nicht in meiner Nähe sein, es ist nicht sicher. Es ist..."

"Mulder, ich brauche dich auch."

Sie verstand es immer noch nicht. Vielleicht konnte sie nicht verstehen, was er meinte. Sie konnte ihn nicht in der Art brauchen, von der er sprach. Nicht Scully. Nicht ihn. Nicht so.

"Scully, ich glaube nicht, dass du mich verstehst. "

"Ich verstehe dich, Mulder. Ich brauche nichts und niemanden, aber ich brauche dich. Ich brauche dich so, wie ich es nie für möglich gehalten habe... verdammt, Mulder, sieh mich an."

Widerwillig machte er auf dem Absatz kehrt, um sie anzusehen. Seine Wangen waren tränennass wie ihre. Ihre Augen flehten ihn an, ihr zu glauben.

"Mulder, ICH BRAUCHE DICH."

"Scully... nein."

"Mulder, ja."

Es war die Wahrheit. Wie auch immer sie es meinte, sie sagte die Wahrheit und es war eine große Sache für sie, das zu sagen. Es war ein tiefgreifendes Eingeständnis für eine Frau, die von sich sagte, dass sie niemanden als sich selbst brauchte. Und er spürte es in jeder Faser seines Daseins. Sie brauchte ihn. Vielleicht nicht in der verdrehten Art, wie er sie brauchte, aber in irgendeiner Art. Und vielleicht, nur vielleicht, konnte sie ihn lehren, zu brauchen ohne wehzutun.

Womöglich gab es einen Weg, wie er ihr zuhören würde. Wenn sie es ihm schließlich sagte, würde es vielleicht seinen Blick auf sie, auf sich selbst ändern, darauf, was sie für einander bedeuteten. "Ich..." Sie schluckte und blickte nach unten und er sah, dass noch mehr Tränen unter ihren geschlossenen Lidern hervorrollten und auf ihren Pyjama tropften. "Ich liebe dich, Mulder," flüsterte sie.

Mit Beinen, die plötzlich wie Gelee waren, trat er auf sie zu und sie sah wieder auf, als er sich ihr näherte. Sie sah ihm direkt in die Augen.

"Ich liebe dich. Weißt du das nicht?" Er wusste es nicht. Nicht wirklich. Zumindest hatte er es sich nie erlaubt, es zu glauben. Und zu hören, wie sie es ausgerechnet jetzt sagte, bedeutete alles für ihn, absolut alles. Es war zu viel für ihn.

Mit vor Schluchzen zitterndem Körper fiel er neben dem Bett auf die Knie und schlang seine Arme um ihre Taille. Wie konnte sie ihn lieben? Wie konnte sie ihn immer noch lieben? Wie konnte er das jemals verdienen?

Scully schaukelte ihn sanft, während er in ihrem Schoß weinte, strich ihm mit den Fingern durchs Haar und flüsterte ihm Worte zu, die er durch sein eigenes Wimmern nicht hören konnte.

"Es tut mir leid, Scully, es tut mir leid, es tut mir so leid," wiederholte er wieder und wieder. Es tat ihm leid wegen allem. Es tat ihm leid, wer er war, dass er es zuließ, dass sie ihn liebte, obwohl er ihr nur wehzutun schien. Jede schreckliche Sache, die ihr seit dem Tag, als sie ihn traf, passiert war, einfach alles tat ihm leid.

"Shh, Mulder, es ist okay, alles ist okay. Ich liebe dich. Es ist okay."

 

xxxxxx

 

 

Montag

19:30

 

Rena betrat leise Danas Zimmer. Sie schien zur Abwechslung tief zu schlafen und Rena wollte sie nicht stören. Rena wollte sie nur beobachten. Es machte sie glücklich, zu sehen, dass ihre Arbeit tatsächlich etwas bewirkte.

Aber sobald sie sich in dem Sessel neben dem Bett niedergelassen hatte, flogen Scullys Augen auf.

"Mulder?" Sie streckte ihre Hand aus und Rena nahm sie.

"Nein, ich bin es nur, Dana." Scully drehte sich zu ihr um und lächelte sie schläfrig an.

"Hey, Rena." Sie drückte kurz ihre Hand und ließ sie dann los.

"Wie geht es der Patientin? Sieht so aus, als hättest du ganz gut geschlafen."

Dana nickte und gähnte. "Ja, ich nehme an, es war so. Keine Träume."

"Großartig. Das ist großartig."

Scully sah gut erholt aus und war entspannter, als Rena sie seit langem gesehen hatte.

"Ja, es fühlt sich ganz gut an." Scully seufzte tief. "Rena, ich möchte, dass du weißt, wie sehr ich alles, was du getan hast, schätze. Ich war mir wirklich nicht sicher, ob es funktionieren würde, aber du hast mir sehr geholfen..."

Rena spürte, dass da am Ende des Satzes eine Einschränkung hinzugefügt war. Es schien so, als hätte sie etwas im Sinn.

"Hey, es war auch großartig für mich. Sehr lohnend. Ist da noch etwas anderes, Dana?"

Scully biss sich auf die Lippe und dachte einen Moment nach.

"Na ja, wie ich gesagt habe, du hast mir sehr geholfen, aber ich kann nichts gegen das Gefühl machen, dass ich selbst mehr für mich tun könnte. Ich habe mich gefragt, ob es etwas gibt, das ich tun könnte, um äh, die Dinge voranzubringen."

Rena nickte verstehend. Sie zögerte nur einen Moment und atmete tief ein, um zu sprechen. "Ja sicher, da gibt es schon etwas. Es gibt eine Menge Dinge, die helfen könnten. Hm, manchmal finden es Patienten sehr hilfreich, wenn sie ein Tagebuch über ihre Träume führen. Auch sind Körper und Geist vollkommen miteinander verbunden, alles, was du tun kannst, damit sich dein Körper besser fühlt, ist großartig. Manchmal ist Yoga sehr hilfreich, ein ausgedehntes Bad, oder du könntest dir einen Masseur kommen lassen. Sogar..." Rena lachte ein wenig. "Sogar die richtige Art von Sex kann sehr therapeutisch wirken."

Scully gluckste. "Ja, ich... ich nehme an, dass es das sein kann, aber äh... aber wahrscheinlich nicht in meiner besonderen Situation."

Rena blickte auf, vollkommen verwirrt.

"Was meinst du? Haben... haben du und Mulder nicht miteinander geschlafen, seit es passiert ist?"

Scullys Augen wurden weit und ihr Mund öffnete sich ein wenig. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass Rena glaubte, Mulder und sie wären Geliebte. Was bedeutete, dass Charlie es genauso glaubte. Konnte sie ihn tatsächlich in dieser Weise in Charlies Kopf aufgebaut haben?

"Ich... nein... nein." Scully schüttelte den Kopf und presste die Finger zusammen.

"Es tut mir leid, das geht mich wirklich nichts an. Es ist nicht so, dass du dich in der geeignetsten Umgebung dafür befindest und ich vermute, dass du auch physisch noch nicht wirklich dazu bereit gewesen bist."

Wenn es nur so einfach wäre. "Äh... ja, so ist es. Zuzüglich der Tatsache, dass Mulder und ich kein Liebespaar sind."

Diesmal war es Rena, deren Kinn nach unten klappte. Wie konnte das möglich sein? So wie sich Mulder verhalten hatte, sie hatte niemals einen Freund gesehen, der so besitzanzeigend, so treu, so, nun ja... wie ein Ehemann war. Sie fragte sich, ob Charlie wusste, dass sie kein Paar waren und wenn ja, wie er es geschafft hatte, zu vergessen, es ihr gegenüber zu erwähnen. Stillschweigen verfluchte sie ihn dafür, dass er sie sich so zum Narren machen ließ. Dafür würde er später bezahlen.

"Das seid ihr nicht? Wirklich?"

"Nein, äh... wirklich nicht." Scully sah plötzlich traurig aus und Rena war es schrecklich peinlich.

"Es tut mir leid, Dana, ich vermute, ich habe es einfach angenommen, ich meine, er ist so... na ja, ich habe es einfach angenommen. Wirklich dumm von mir. Ich meine, es ist nicht so ungewöhnlich für einen Mann und eine Frau, sich so nahe zu stehen, ohne miteinander zu schlafen. Es ist, nun ja, es ist großartig, dass du das haben kannst ohne die Komplikationen einer romantischen Beziehung, nehme ich an." Aber Rena glaubte nicht wirklich, dass es so einfach war.

Scully zuckte mit den Schultern und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Ihr Magen zog sich zusammen und zum ersten Mal seit langer Zeit war ihr zum Weinen zumute, aber aus Kummer, nicht aus Angst. "Ja, äh, es ist... es ist großartig... wirklich unheimlich großartig." Sie starrte die Blumen auf ihrem Nachttisch an und sah nicht mehr länger zu Rena.

"Dana, es ist nicht okay für dich, nicht wahr?"

"W...Was okay?"

"Die Tatsache, dass Mulder und du kein Liebespaar seid? Es scheint dir unbehaglich zu sein, darüber zu reden."

"Unbeh... nein, nein, es ist in Ordnung. Natürlich. Ich meine, warum... es ist in Ordnung." Rena hatte sie sich nie so winden sehen. Es war nicht in Ordnung.

"Dana, ich möchte dich nicht drängen..."

"Hör zu... danke, danke für deine Vorschläge, ich werde über alle nachdenken. Du warst wirklich wundervoll, alles was du für mich getan hast." Scully sah in ihren Schoß und wartete darauf, dass Rena jetzt ging.

"Dana, verschließ dich deswegen nicht."

"Weswegen? Wovon sprichst du?" Rena war mehr und mehr davon überzeugt, dass das lebenswichtig war, dass das der eine noch übriggebliebene Stolperstein war, den Dana bezwingen musste.

"Was ich sage ist, wenn es da noch ungelöste Probleme gibt, mag es helfen, sie zu benennen, einfach ein bisschen darüber zu reden. Wenn es dir unangenehm ist, mit mir darüber zu reden..."

"Nein, es gibt keine... es ist nicht... wir haben keine ungelösten..." Scully seufzte und schloss die Augen. Ihr unfreiwilliges Zölibat konnte unmöglich irgendetwas mit dem Grad ihrer Heilung zu tun haben. Dieses in sie Dringen war so gar nicht Renas Art und Scully begann sich wirklich, ernsthaft unbehaglich zu fühlen.

"Es ist in Ordnung, es hat... es hat nichts damit zu tun."

Rena beugte sich herüber und nahm wieder ihre Hand. "Es hängt alles zusammen. Alles in deinem Leben hat damit zu tun."

"Rena... ich will nicht... es ist nicht..." Rena entdeckte etwas panikartiges in Scullys Augen. Sie erkannte den Ausdruck aus ihren Sitzungen wieder. Es war der Blick, den sie hatte, wenn etwas zur Sprache kam, womit sie überhaupt nicht umgehen wollte. Etwas, das sie ernsthaft zurückhielt.

"Dana, du musst nicht mit mir darüber reden. Es ist technisch gesehen kein Teil deines Traumas oder von irgendetwas. Alles, was ich sagen will ist, dass es vielleicht hilft, dir etwas von der Seele zu nehmen. Es mag dich innerlich ein bisschen freier machen."

Scully war sich nicht völlig sicher, ob sie das teilen sollte, was sie ihm Sinn hatte. Wenn sie es nicht einmal mit Mulder teilen konnte, wie zur Hölle sollte sie dann mit Rena darüber reden? Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sie selbst nicht einmal genau wusste, was sie wirklich empfand.

Manchmal hatte sie gewünscht, dass sie jemanden hätte, um darüber zu reden. Neuerdings hatte sie sich dabei erwischt, wie sie in ihrem Apartment laut mit absolut niemandem redete, wenn dies an ihr zu nagen begann. Und sie würde niemals mit ihrer Mutter über ihr Sexualleben reden, besonders wenn es irgendetwas mit Mulder zu tun hatte, oder eben nicht mit ihm. Nebenbei war da immer die Sorge, dass sie loslaufen und Bill alles erzählen würde. Aber konnte sie wirklich über so etwas mit der Frau ihres Bruders reden?

"Es muss nicht wie eine Therapie sein, Dana. Einfach als Freunde. Ich wäre glücklich, nur zuzuhören." Scully zog ihre Schultern ein wenig hoch und atmete ein, als würde sie sprechen wollen, aber sie stoppte sich selbst. Rena war schrecklich traurig darüber. Sie schien wirklich nicht das Gefühl zu haben, dass sie irgendjemandem auch nur in den einfachsten Dingen trauen konnte. "Und ich verspreche, keine ungebetenen Ratschläge, keine Beurteilungen. Du erzählst nur."

Dana lächelte zaghaft und zuckte wieder mit den Schultern. "Na ja, wie ich schon sagte, da ist nicht wirklich etwas zu sagen, keine wirklichen Probleme oder Fragen oder..." Sie seufzte tief und schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht, Rena, es ist natürlich alles sehr kompliziert."

"Okay, das ist ein Anfang. Kompliziert inwiefern?"

"Ich weiß nicht, Mulder und ich sind... wir haben eine Menge zusammen durchgemacht. Wir stehen uns sehr nahe." Sie legte eine lange Pause ein und Rena fragte sich, ob das alles war, was sie sagen würde.

"Richtig, das habe ich wohl bemerkt."

"In einer der ersten Nächte, nachdem ich Mulder traf, ging ich in sein Hotelzimmer, vollkommen von Sinnen wegen dieser albernen Moskitostiche." Sie schüttelte den Kopf und zeigte hinter sich, über ihre Schulter. "Und ich ließ meinen Bademantel fallen und stand nur in Unterwäsche da und ließ ihn meinen Rücken untersuchen." Scully fühlte sich sehr unsicher, weil sie das schließlich jemandem erzählt hatte. Sie hatte es noch niemandem erzählt, nicht einmal Charlie, und sie hatte es auch nie vorgehabt. Aber sie erzählte es nun Rena, weil es irgendwie alles zusammenhing.

"Ich weiß, dass das wahrscheinlich seltsam für dich klingt, aber ich weiß nicht..." Ungläubig über sich selbst schüttelte sie den Kopf, als ob sie erst in diesem Moment die Bedeutung hinter dem, was sie in jener Nacht getan hatte, begriff. "Das zeigt, wie sehr ich ihm vertraut habe. Von Anfang an. Ich meine, das ist wirklich nicht das, was eine Agentin bei ihrem ersten Fall mit ihrem neuen Kollegen tun sollte. Auch eine Art, einen ersten Eindruck zu hinterlassen, hm?"

"Oh, ich bin sicher, dass du einen Eindruck hinterlassen hast, Dana," scherzte Rena. Sie konnte nicht anders. Sie versuchte, sich Mulders Gesicht in diesem Moment vorzustellen und das Bild, das ihr in den Sinn kam, war einfach unbezahlbar.

Scully lächelte und nickte, ihre Schwägerin immer noch nicht direkt anblickend. "Ich nehme an, ich tat es auf eine Art. Aber ich *wusste* einfach, dass ich bei ihm sicher war, dass er deswegen nicht schlecht von mir denken würde." Ihr Herz schlug schneller und schneller, als dieses neue Bewusstsein ihr mehr und mehr deutlich wurde.

"Also, das war jedenfalls der Anfang und seitdem habe ich das Gefühl, dass mein Vertrauen in ihn mit jedem Tag noch mehr wächst. Ich meine, ich habe niemals geglaubt, dass ich jemandem so sehr vertrauen kann, wie ich ihm in dieser ersten Nacht vertraut habe, aber es wächst einfach mit jedem Tag."

Rena wusste das bereits. Sie hatte das intensive Vertrauen zwischen ihnen von dem Moment an, als sie sie das erste Mal hier in ihrem Zimmer zusammen getroffen hatte, gespürt. Es war die offensichtlichste Sache der Welt.

"Also... hast du dich zu ihm hingezogen gefühlt?" fragte Rena. Sie erkannte, dass es nicht die feinste Art war, sie dazu zu bringen, darüber zu sprechen, aber es schien so, dass Scully ein bisschen Ermutigung brauchte.

Scully errötete ein wenig und fummelte mit der Decke herum. Ihre Seele schrie ein wiederhallendes 'Ja', aber noch hielt sie es zurück. "Äh... nun, ja. Ich meine... wer wäre das nicht, oder?" Sie lachte nervös und Rena erwiderte es.

"Ich... ich war es, von Anfang an. Aber es schien etwas zu sein, dass ich einfach ignorieren sollte. Ich meine, am Anfang haben wir oft miteinander geflirtet, aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht wirklich angemessen gewesen wäre, es darüber hinaus weiterzutreiben. Ich hatte gerade erst mit diesem Job begonnen und ich wollte das nicht gefährden. Und nebenbei, er schien so von seiner Arbeit besessen zu sein, davon seine Schwester zu finden, ich glaubte nicht, dass da in seinem Leben Platz für diese Art von Beziehung war. Ich glaubte, dass ich immer nur an zweiter Stelle kommen würde."

Rena konnte nur schwer glauben, dass Scully das jemals gedacht hatte. Es war so krass offensichtlich, dass sie nicht nur an erster Stelle stand, sondern tatsächlich die einzige Priorität in Mulders Leben besaß.

"Also hast du es nie gezeigt, dass du dich zu ihm hingezogen fühltest?"

"Oh nein. Ich meine, ich glaube, er wusste es. Es war wahrscheinlich offensichtlich. Aber ich habe nie darüber geredet." Sie sagte diese Worte mit einem Hauch Reue in der Stimme.

"Wir kamen uns wirklich schnell sehr nahe und dann war er plötzlich das wichtigste in meinem Leben. Ich weiß nicht einmal richtig, wie oder wann das passierte. Ich hatte es nicht geplant und es erschreckte mich, als ich das erste Mal begriff, dass es wahr war, aber dennoch war es einfach eine Tatsache in meinem Leben. er war alles für mich. Ist... er ist es immer noch."

"Ich glaube, dass du das auch für ihn bist, Dana."

Scully lächelte. "Ja, ich nehme es an. Ich weiß nicht, das war Teil des Problems. Ich begann, es zu erkennen und es erschreckte mich."

"Warum?"

Scully bereitete sich darauf vor, Rena etwas zu erzählen, was sie sich noch nicht einmal selbst eingestanden hatte. Immer darauf bedacht, ihre Bettdecke zusammenzufalten, versuchte sie, das alles in tatsächliche Worte zu fassen.

"Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich vermute, es war deswegen, weil es das so real machte. Es ist, als wären wir..." Sie verstummte in dem Versuch, bessere Worte zu finden. "Ich begann, zu spüren, wie sehr wir Teil des anderen waren, wie sehr wir tatsächlich in dem anderen lebten und nur füreinander existierten. Es ist ein wenig erschreckend, das herauszufinden."

Rena kannte dieses Gefühl selbst nur zu gut. Es war erschreckend, das Gefühl zu haben, als würde man völlig von seiner Beziehung, der Liebe für einen anderen verschlungen werden. Sie setzte ihre übereinander geschlagenen Beine wieder nebeneinander auf den Boden und beugte sich ein bisschen näher zu Scully heran. "Dana, wie lief es zwischen euch, unmittelbar bevor das passierte? Vor Jane?"

"Hm... schwer zu beschreiben, wirklich. Ein paar Monate zuvor haben Mulder und ich so etwas wie eine Zerreißprobe durchgemacht." Rena versuchte, darüber nicht zu lächeln. Wann machten die beiden mal keine Zerreißprobe durch?

"Ich.. ich habe damals beinahe gekündigt und Mulder, er..." Scully hielt auf der Suche nach den richtigen Worten inne. "Er war unglücklich über meine Entscheidung."

"Darauf wette ich."

"Er, äh, er hat ein paar Dinge gesagt und er... nun, er hat versucht, mich zu küssen."

"Versucht? Hast du ihn aufgehalten?"

"Nein, so war es nicht. Ich wurde..." Dana gluckste und schüttelte den Kopf. "Ich wurde von einer Biene gestochen, genau bevor sich unsere Lippen berühren konnten. Und das nächste, woran ich mich erinnere, war Mulder, der mich in der Antarktis wiederbelebte."

"Eine Biene? Das ist es, was euch beide dahin gebracht hat?" Diesmal konnte Rena nichts dagegen tun, sie musste lachen. Wie glücklos konnte man sein? Sie stellte keine weiteren Fragen, trotzdem wusste sie, was immer die beiden dorthin gebracht hatte, es konnte immer noch lebensbedrohlich für sie sein. Rena glaubte, dass Scully nicht einmal Charlie sehr viel von dieser Geschichte erzählt hatte.

"Nun, das ging alles vorbei und unsere Partnerschaft ging weiter, wie sie vorher funktioniert hatte, alles war ein bisschen, äh... angespannter, nehme ich an."

"Und was hat er gesagt, als ihr darüber geredet habt?"

"Geredet?" Scully sah vollkommen verwirrt aus.

"Ihr habt nicht..."

"Nein, nein, wir haben nicht darüber geredet. Das tun wir niemals wirklich." Oh mein Gott. Rena begann, den Umfang der Verdrängung zu verstehen, mit dem sie es hier zu tun hatte.

"Wir haben einfach weitergemacht."

"Dana, äh..." Sie versuchte, über einen Weg nachzudenken, das auszudrücken, nach etwas, womit sie zu Scully durchdringen konnte, ohne ihr tatsächlich eine Schlag zu versetzen.

"Da ist etwas zu Zurückhaltung zu sagen, dazu, Dinge sich entwickeln zu lassen und äh, die Spannung zu erhalten, aber... nach sechs Jahren kann die Spannung in Frustration, an der Grenze zum Wahnsinn, umschlagen"

Scully kannte diesen Wahnsinn gut. Er beschäftigte ihre Hände fast jede Nacht. "Glaubst du, das weiß ich nicht? Rena, es gibt Tage, da ist alles, woran ich denke, was wäre wenn..." Sie verstummte und wurde rot. "Auf jeden Fall entluden sich die Dinge aggressiv, soweit es die Nacht, bevor Jane mich entführte, betraf."

"Was ist passiert?"

"Mulder kam in mein Apartment. Betrunken. Sehr, sehr betrunken."

"Oha."

"Ja, oha. Um damit zu beginnen, ich war total sauer auf ihn wegen einer albernen Sache im Büro, die Einzelheiten sind jetzt wirklich unwichtig. Wir haben tatsächlich über das geredet, was in dieser Nacht passiert ist, aber der Punkt ist, er hat mich in jener Nacht geküsst. Er hat mich geküsst und mich berührt und diese... Sachen zu mir gesagt." Sie machte eine Pause, weil sie sie brauchte. Ihre Erinnerung spielte ihr diese Momente jetzt wieder vor und sie fühlte sich schwach angesichts der Empfindungen. Warum hatte sie ihn weggestoßen? Ihre Augen schließend, atmete sie aus. "Gott, Rena, die Sachen, die er zu mir gesagt hat."

"Also was..."

"Es war falsch. Es war der falsche Zeitpunkt. Ich war wütend auf ihn, weil er mich im Büro hatte hängen lassen, und ich habe geglaubt, er will mich nur davon ablenken. Wir hatten einen fürchterlichen Streit und ich hab ihn aus meinem Apartment geworfen."

Je mehr Rena über ihre Beziehung lernte, desto mehr begann Mulders schuldbeladene Psyche Sinn für sie zu machen. Er musste sich wegen dieser Nacht die ganze Zeit gequält haben.

"Wie ich schon sagte, wir haben darüber geredet, ein bisschen zumindest, aber der Punkt ist, er hat das schlechteste Timing der Welt, Rena."

"Okay, aber mochtest du, was er mit dir gemacht hat? Ich meine, ich weiß, dass du wütend auf ihn warst, aber wie..." Durfte sie es wagen, sie das zu fragen? "War es ein gutes Gefühl, Dana?"

Scully spürte, wie ihr ganzer Körper bei Renas Frage warm erschauerte. Sie nickte widerwillig. "Das war mit ein Grund dafür, warum ich so wütend war, denke ich. Ich sollte böse sein. Und er ruinierte meinen ganzen Plan."

Kontrolle. Es drehte sich wieder alles um Kontrolle. Es war offensichtlich für Rena, dass Scully nicht bereit war, es geschehen zu lassen, es sei denn, es geschah zu ihren Bedingungen und sie entschied, wann es Zeit war.

"Also, er hat ein schlechtes Timing, Dana. Dann entscheidest du eben über den Zeitpunkt."

"Was... was meinst du?" Scully wurde wieder rot. Das Problem war zunehmend klar geworden. Sie wusste genau, warum Rena sie in diese Richtung lenkte. Um ihr zu zeigen, dass keiner von beiden es geschehen lassen würde, es sei denn, Scully nahm die Sache in die Hand. Aber sie hatte immer noch Angst.

"Ich meine, du brauchst nur zu entscheiden, dass diese Nacht die Nacht ist. Du kündigst es an 'Ich werde mit diesem Mann schlafen und nichts wird mich aufhalten' und dann tust du es einfach. Es ist offensichtlich, dass er mehr als bereit und gewillt ist, Dana."

Tu es einfach, hä? "Aber wie weiß ich... wann tue ich..."

"Wann immer. Es ist egal. In einer Woche, morgen, verdammt, warum nicht heute Nacht?"

"H... heute Nacht?"

"Oder du kannst einfach warten, bis ihr beide in einem Altersheim seid."

 

Ende Kapitel 8/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 9/11

 

Rena hatte vollkommen recht. Es gab keinen Grund, der gut genug war, um die Dinge so zu lassen, wie sie waren. Und es gab keinen Grund, sich davor zu fürchten. Es war Mulder, ihr Partner, ihr liebster Freund. Ihr Geliebter. Von diesen Moment an und für immer, um ihn zu lieben und von ihm alleine geliebt zu werden...

"Ähm...Dana?"

"Hä, oh, richtig," sie räusperte sich und lächelte selbstbewusst. "Es ist nur... es ist kompliziert."

"Wieder mal kompliziert. In Ordnung, na schön. Wenn es für dich zu kompliziert ist, dann denke ich, dass du nichts tun solltest. Ich meine, hey, du verpasst eine der tiefsten und bedeutungsvollsten Beziehungen, die es in der Geschichte der Welt möglicherweise je gab, ganz zu schweigen von der Chance, einen Waschbrettbauch zu küssen, aber das alles ist nicht wichtig."

"Ich..." Dana brach ab und ihre Augen wurden wieder glasig. Waschbrettbauch. Ja, Mulder hatte ganz sicher einen, wunderschön getönt und fest und sie sah sich selbst rittlings auf ihm sitzen, sich mit ihren Händen auf diesem Teil seines Körpers aufstützend, dabei fühlend, wie sich die Muskeln unter ihren Fingern bewegten, wenn er aufwärts gegen sie stößt...

"Du... du hast seinen Bauch gesehen?"

Rena lachte und schüttelte ihren Kopf, "Aber ich bin Künstlerin, erinnerst du dich? Ich habe eine höllische Phantasie."

Dana seufzte, stellte sich immer noch vor, wie das Leben aus ihr rausgebumst wird und lehnte sich zurück in die Kissen. Ihr war jetzt ziemlich warm und sie fühlte sich viel entspannter als zuvor, als sie diese Unterhaltung begonnen hatten. "Rena, ich weiß, dass du glücklich verheiratet bist und so, doch – hast du gesehen, wie sein Hintern in Jeans aussieht?"

Rena nickte begeistert. Die Frau, die das nicht bemerkt, müsste tot sein. "Er hat einen großartigen Hintern, Dana. Und seine Lippen..."

Bei Renas Andeutung schlug ihr das Herz in der Kehle. Scully stöhnte und schloss ihre Augen. Sie erinnerte sich sehr gut an diese Lippen, wie sie an ihrem Nacken knabberten und sich auf den ihren anfühlten. Gott, wie sehr sie sich wünschte, das wieder tun zu können. "Rena, bitte, erwähne das nicht mal."

"Warum nicht? Er ist dein, alles was du tun musst, ist ihn dir zu nehmen. Diese Lippen könnten dir gehören, Dana. Und ich wette, dass er tut, was auch immer du willst, das er mit ihnen tut."

Scullys Augen flogen auf und ihre Haut nahm eine noch tiefere Nuance aus purpurrot an. Sie zwang sich, nicht laut aufzustöhnen und sich selbst damit in Verlegenheit zu bringen. "Rena, hast du eine Ahnung, wie oft ich ihn nackt gesehen habe?"

Rena lachte, "Nein, Dana, das tu ich nicht, doch ich wette, dass du es gezählt hast, hmm?"

"Ich meine, meistens war er fast tot und ich habe einen Katheder gesetzt oder so, doch trotzdem..."

Arme Frau. Rena konnte sich nicht vorstellen, mit dieser Art der Frustration und der Versuchung Tag für Tag zu leben. Sie musste die Zurückhaltung einer Nonne haben.

"Ich habe bemerkt, dass du meistens gesagt hast," bemerkte sie.

"Ähm, nun... da war ein Mal. Es waren nicht gerade die günstigsten Umstände für mich, doch Mulder war ähm... ziemlich gesund." Die Winkel von Scullys Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, das fast lüstern war.

"Ähm, Einzelheiten bitte."

"Nun, als ich in Janes Wohnung war, diese Bilder von Mulder, von denen ich dir erzählt habe, dass sie sie hatte?"

Rena nickte und zuckte zusammen. Dana schien dazu fähig zu sein, ohne irgendwelche Schwierigkeiten über die ganze Situation zu sprechen, und das machte Rena sehr froh.

"Jedenfalls war da eines dieser Bilder, nun es war tatsächlich eine ganze Serie von Bildern..." Scully sah sich nervös um, so als ob sie Angst davor hätte, dass jemand zuhören könnte.

"Nacktbilder von ihm?"

"Ja. Doch das ist nur ein Teil davon." Sie legte ihren Handrücken an ihre Wange, um zu fühlen, wie warm sie geworden war. "Er hatte, ähm, naja, ich sollte dir wahrscheinlich nichts darüber erzählen..."

"Verdammt, Frau! Mach keine Scherze."

"Er hatte, ähm, irgendwie masturbiert." Scullys Stimme krächzte bei dem letzten Wort des Satzes.

"Irgendwie." Rena stellte beunruhigt fest, dass sie das bloße Denken daran, ein wenig antörnte.

"Okay gut. Nicht irgendwie. Richtig."

"Richtig?"

"Richtig."

"Oh Jesus, Dana." Rena atmete aus. Sie fragte sich, ob sie diese Bilder irgendwie zwischen ihre Finger bekommen könnte. Glücklich verheiratete Frau, du bist eine glücklich verheiratete Frau, erinnerte sie sich selbst. Wenn diese Unterhaltung beendet war, würde sie sich Charlie schnappen und ihn dazu bringen müssen, sie daran zu erinnern.

"Rena, normalerweise bin ich nicht, ich meine, normalerweise ist mir das nicht wichtig..."

"Ja?"

"Nun, was ich sagen will ist, dass ich im Allgemeinen kein großer Fan des männlichen Geschlechtsorgans bin, doch, wie soll ich das nun ausdrücken..."

"Eindrucksvoll?"

Danas Augen wurden weit und sie nickte begeistert. Sehr eindrucksvoll.

"Ich verstehe. Jedenfalls hast du’s gut gemacht."

"Ich kann es nicht glauben, dass ich immer noch daran denken muss, Rena. Ist das seltsam, was denkst du?" Ich meine das jetzt nicht nur als eine körperlose Sache, sondern die ganze Sache, das ganze Bild."

Seltsam? Rena selbst konnte nicht aufhören, an das Bild denken und sie hatte es nicht mal gesehen. "Nein Dana, das ist nicht seltsam. Überhaupt nicht."

"Er war nur so... so..."

"Heiß?" Scully errötete noch mehr und nickte. Heiß. Dasselbe Wort hatte sie benutzt, um ihrer Schwester den Mann zu beschreiben, in den sie in der High School verknallt gewesen ist. Doch Mulder war heiß. Und er machte sie auch heiß. Die ganze Zeit. "Ich frage mich, woran er dabei gedacht hat, weißt du?"

"Mmmm... ich würde hier eine Vermutung wagen und sagen: An Dich!"

"Ich weiß nicht..."

"Dana, du musst alles sein, woran der Typ jemals denkt."

Scully schüttelte ihren Kopf und runzelte die Stirn. "Ich bin mir dessen nicht so sicher. Ich meine, er hat die größte Sammlung von Pornofilmen, die ich je in meinen Leben gesehen habe."

"Wirklich? Das ist sehr interessant."

Scully hob eine Augenbraue. "Warum ist das interessant?"

"Nun, tatsächlich aus zwei Gründen. Erstens zeigt es, dass er sich selbst mit etwas anderem als einer anderen Frau erleichtert und zweitens zeigt die Tatsache, dass du davon weißt, dass er nicht versucht, es vor dir zu verheimlichen. Es zeigt, du sollst wissen, dass er zum einen nicht schwul ist und es zum zweiten nicht mit irgendeiner anderen treibt."

Scully starrte wieder mit diesem glasigen Blick aus dem Fenster. Sechs Jahre. Es war durchaus möglich, dass er die ganze Zeit, in der er ihr Partner gewesen war, mit keiner Frau geschlafen hatte. Sie hatte sich das immer gefragt. Besonders in letzter Zeit. Es schien so, als ob er jedes Mal, wenn sie ihn ansah, eine Erektion irgendeines Grades hatte und es war beinahe unmöglich geworden vorzugeben, dass sie es nicht bemerkte.

"Also Dana, fühlst du dich, weil du an diese Bilder denkst, schlecht oder so?"

Scully wurde durch diese Frage aus ihren Gedanken gerissen.

"Nein, nein, nicht wirklich schlecht. Ich weiß nicht, was es ist, wirklich. Ich meine, ich fühle mich irgendwie so, als ob ich ihn verletzt hätte, oder etwas in der Art. Oder vielleicht fühlt er sich schuldig wegen der Art und Weise, wie ich sie gesehen habe." Sie lachte nervös. "Ich kann nicht glauben, dass ich dir etwas davon erzählte."

Ihn verletzt? Rena versuchte, sich Mulders Reaktion auf die ganze Sache vorzustellen, und sie war sich relativ sicher, dass die Verletzung seiner Privatsphäre das letzte wäre, woran er denken würde. Der arme Kerl würde wahrscheinlich auf der Stelle tot umfallen.

"Nun, wenn du dich deswegen schuldig fühlst, sag es ihm. Beichte es." Rena versuchte, bei der Vorstellung von Mulders Gesichtsausdruck, während er Danas Geständnis hörte, nicht zu lachen.

"Oh Gott Rena, das könnte ich nicht tun. Erstens würde es ihn völlig in Verlegenheit bringen. Zweitens würde es mich völlig in Verlegenheit bringen."

"Davon weiß ich nichts. Du magst vielleicht recht haben, doch ich denke, dass es ihn zu sehr anmachen würde, um sich wirklich darüber Sorgen zu machen."

Als eine Welle der Empfindungen über ihre Brust und ihren Nacken hinablief, atmete Scully tief ein. Ich kann Mulder anmachen, war der Gedanke der ihr durch den Kopf ging. Guter Gott, sie war sich nicht sicher, ob sie noch mehr von dieser Unterhaltung verkraften könnte und Mulder war noch nicht mal im Zimmer.

"Du... du denkst das wirklich?"

"Dana, er ist ein Mann, richtig? Frisch doch mal mein Gedächtnis auf."

"Nun, ich denke, dass ich genug Beweise gesehen habe, um das mit einem definitiven ja zu beantworten." Mulder wird geil. Auf sie. Er bekommt Erektionen. Wegen ihr. Das alles war zu erstaunlich, um überhaupt daran zu denken. Scullys Augenlider begannen schwer zu werden und ihr Kopf kreiste ein wenig. Sie fragte sich, wie es sich anfühlen würde....

"Ja, das hast du sicher. Dann, wenn du eindrucksvoll sagst, ich meine... wirklich?" Rena unterbrach ihre Phantasien nur, um sie noch mehr zu ermutigen.

"Oh... Rena, Gott, ich habe niemals so etwas gesehen... wirklich. Wirklich wirklich."

"Wirklich wirklich?" wiederholte Rena kichernd.

" Wirklich, wirklich, wirklich, wirklich...." Scully unterbrach sich mit ihren eigenen Lachanfall.

 

xxxxxx

 

Als Mulder eintraf, war die Tür zu Scullys Zimmer leicht geöffnet. Er blieb für eine Minute draußen stehen. Ein seltsames Geräusch kam von innen. Es war... kichern. Er fragte sich einen Moment lang, ob man Scully vielleicht in ein anderes Zimmer verlegt hatte und in dieses ein Mädchen im Teenageralter gezogen war. Scully kicherte nie. Niemals.

Er stieß die Tür ganz auf und entdeckte, nicht zum ersten Mal, dass er falsch lag. Es war Scully. Sie saß mit ihren Händen über ihrem Mund, wie ein kleines Mädchen kichernd, aufrecht in ihrem Bett. Rena saß auf dem Sessel, den er bereits als den seinen betrachtete, und benahm sich genauso.

Es war bizarr. Es war surreal. Es war die schönste Sache, die er je gesehen hatte. Was auch immer Rena getan hatte, er würde ihr immer dankbar sein. Noch niemals zuvor hatte er Scully so herzhaft kichern gehört. Sie war so entspannt und so offen. Es war eine völlig neue Seite an ihr. Es war fast so, als ob man sie nackt sehen würde. Und sein Körper reagierte auf dieselbe Weise, wie er es in dieser Situation getan hätte. Dankbar darüber, dass er heute Abend seine Lederjacke nicht trug, zog er seinen Mantel zu und räusperte sich.

"Was ist denn so komisch?" fragte er. Beide Frauen zuckten beim Klang seiner Stimme zusammen. Scully biß sich auf die Lippen und hörte auf zu lachen.

"Ähm... n... nichts." Ihre Augen waren durch etwas, das ziemlich nach Panik aussah, geweitet und ihre Wangen waren knallrot. Sie sah aus, als ob sie gleich platzen würde. Er sah wieder zu Rena rüber. Sie lachte immer noch ein wenig und zuckte auf seinen fragenden Blick hin nur mit den Schultern.

"Nichts, hm? Nun, auf was auch immer ihr Leute seit, kann ich auch etwas davon abbekommen?"

"Das denk ich nicht," antwortete Rena mit noch mehr Gekicher.

Mulder begann sich zu fragen, ob da vielleicht irgend etwas an seinem Gesicht war, oder so. So wie sie ihn ansahen, fühlte er sich wie irgendein Versuchsobjekt unter dem Mikroskop. Er wischte sich mit seiner Hand den Mund ab und ließ eine Hand durch sein Haar laufen.

"Nun ähm, wenn ich irgendwas unterbreche, kann ich auch wiederkommen..."

"Nein, wir haben nur geredet. Ähm, Sie wissen schon, Mädchenzeugs," sagte Rena, als ob das alles erklären würde. "Ich war eigentlich gerade dabei zu gehen."

"Oh, nun ich habe einen Film mitgebracht... "

Er war im Begriff, Rena zu fragen, ob sie bleiben und ihn sich mit ihnen ansehen wolle, doch er bekam keine Chance dazu, weil beide an diesen Punkt die Fassung zu verlieren schienen. Scully lachte so sehr, dass ihr die Tränen aus den Augen liefen.

Mulder lachte dümmlich, obgleich er keine Ahnung hatte, was zur Hölle so komisch war. Er fühlte sich wie ein totaler Trottel, der nur so herumsteht und nichts tut, während die zwei sich köstlich unterhielten.

"Okay," schaffte es Rena zu sagen. "Nun WEISS ich, dass ich gehen muss."

Mulder war an diesem Punkt fast froh darüber, sie gehen zu sehen. Sie lehnte sich hinüber und umarmte Scully, die sich mit ihren Fingern über die Augen wischte und sich ein wenig zu beruhigen schien. Rena küsste sie auf die Wange und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Scully nickte und Rena stand auf.

"Ich sehe dich morgen, Dana." Sie ging an Mulder vorbei und warf ihm einen seltsamen Blick zu und gab dann ein weiteres schnaubendes Lachen von sich. "Bye, Mulder."

"Ähm, bye." Rena ging und schloß die Tür hinter sich. Sobald sie sicher außer Hörweite war, drehte Mulder sich zu Scully um und fragte, "Was zum Teufel war ihr Problem?"

Scully sah noch immer so aus, als ob sie am Rande eines weiteren Anfalls stehen würde, doch sie zuckte nur mit den Achseln. Gott, sie war schön. Er hatte sie in seinem Leben noch nie so gesehen. Es kümmerte ihn nicht einmal, ob sie ihn ausgelacht hatten.

Mulder zog die Videokassette aus seiner Tasche und hielt sie hoch, "Planet der Affen, Scully." Er hielt seine andere Hand hoch und zeigte ihr die Papiertüte, "Ich habe sogar etwas Mikrowellenpopcorn mitgebracht."

Sie grinste und nickte. Gott sei Dank, sie schien nicht unter irgendeiner Art von Popcorntrauma zu leiden, von dem er nichts wusste.

"Das ist nett, Mulder, warum schiebst du sie nicht in den Videorecorder. Schieb sie rein, Mulder." Wow, ein ganzer Satz. Sie war nun eindeutig sehr viel ruhiger. Er fühlte einen seltsamen und dummen Stich der Eifersucht in seinem Magen. Was war diese Macht, die Rena hatte und wie könnte er sie bekommen? Warum hatte er sie in sechs Jahren , in denen er wie verrückt versucht hatte, ihr auch nur ein Grinsen zu entlocken, noch nie so lachen gesehen? Er wusste, dass es albern war und er war sehr froh darüber zu sehen, wie gut es ihr ging, doch er wollte sie immer noch zum Kichern bringen.

Mulder steckte die Kassette in den Videorecorder und schaltete das Deckenlicht aus, so dass die einzige Beleuchtung von Scullys Nachttischlampe kam. Er zog seinen Mantel aus und setzte sich in seinen Stuhl. Dann wurde ihm klar, dass er immer noch erbärmlich hart war. Vielleicht war es eine gute Sache, dass er Scully nicht dazu bringen konnte, sich so zu verhalten. Dann hörte er sie ein wenig schnauben, gefolgt von einem Husten. Oh, verdammt. Hatte sie es bemerkt? Er überkreuzte seine Beine und stellte die Popcorntüte in seinen Schoß.

Der Film, den er bereits mindestens zwanzig mal gesehen hatte, begann und Mulder fühlte, wie seine Gedanken fast sofort abschweiften. Zu der selben Sache abschweiften, auf die er in den letzten achtundvierzig Stunden fixiert war. Scully liebt mich.

Je mehr Zeit verging, je mehr er es auf sich wirken ließ, um so erstaunlicher wurde es. Ein Teil von ihm wartete darauf, dass sie ihre Erklärung zurücknehmen würde, es war die Hitze des Moments, sie hatte versucht, ihn sich besser fühlen zu lassen, irgend etwas, doch das hatte sie nicht. Es war noch immer da draußen und es war immer noch die Wahrheit. Und er war immer noch an der Reihe, es zu erwidern.

Mulder war sich absolut sicher, dass sie wusste, dass er sie liebte. Jedermann auf der Welt wusste, dass er sie liebte. Ihre Freunde, ihre Familien, ihre Feinde, jeder. Sie musste es wissen. Doch er musste es immer noch sagen, um es für sie real und greifbar zu machen.

Es brauchte alle Kraft, die Scully aufwenden konnte, nicht wieder über ihn zu lachen. Sie wusste, dass er sich über ihren und Renas kleinen Anfall sehr wohl im Klaren war und sie fühlte sich deswegen ein wenig schuldig. Bis sie sah, wie sich seine Hose auf eine bestimmte Art beulte. Sie fühlte, wie sie ein weiterer Schauer durchlief und ein weiterer Lachanfall drohte über sie hereinzubrechen. Es war bezaubernd, wirklich, wenn so eine Sache wie eine Erektion auf diese Weise beschrieben werden konnte. Er rutschte auf dem Stuhl herum, versuchte sein Bestes, um ungezwungen zu wirken. Scully beobachtete, wie seine Erektion fast noch größer wurde, während er dasaß und versuchte, sie notdürftig mit der Popcorntüte zu verbergen.

Er hatte so erstaunlich großartige Hände, dachte Scully bei sich, als sie ihn beobachtete, wie er in der Tüte wühlte und eine Handvoll Popcorn zu seinem Mund führte. Es war dieses wunderbar fettige Zeug, das Mulder so mochte, überall auf seinen Fingern war Butter, die seine Handfläche hinuntertropfte, als er sie zum Mund hob, nur um die fettige Butter auf seiner vollen Unterlippe zu hinterlassen, glänzend im Licht des Fernsehers. Scully biss sich auf ihre eigene Lippe, um sich vom Stöhnen abzuhalten.

Heute Nacht, hatte Rena gesagt. Tu es einfach. Sie wusste, wovon sie gesprochen hatte. Scully wusste nicht, ob sie noch länger warten wollte.

Mulder stopfte sich seine fünfte Handvoll Popcorn in den Mund und hatte bemerkt, dass er es in Beschlag nahm. Er drehte sich zu ihr um und hielt ihr die Tüte hin.

"Möchtest du welches?"

"Äh... s... sicher." Ihr Gesicht war feuerrot und sie fürchtete, dass Mulder gesehen hatte, dass sie fast an die Decke gehüpft war. Nope, noch nicht. Ich kann das jetzt einfach nicht tun. Sie nahm sich eine Handvoll und wandte sich wieder dem Film zu. Sie starrte auf den Bildschirm und fand ihre Gedanken wieder zurück zu Mulder gleiten. Und zu seinen vor Butter triefenden Händen und Mund. An ihr. In ihr.

Mulder drehte sich um und hörte Scully an ihrem Popcorn knabbern. Er beobachtete den Bildschirm, doch er dachte an die Tatsache, dass die Ärzte heute den oberen Teil ihres Gipses entfernt hatten. Es begann, ihr gut zu gehen. Teufel, es ging ihr wieder gut. Fast völlig. Es grenzte an ein Wunder.

Das auf ihren Arm schauen erinnerte ihn an etwas, das er fast vergessen hatte. Etwas, das sie ihn gefragt hatte, als sie gefunden wurde. "Wie geht es deinem Arm?" Sie hatte, so oder so, gewusst, dass er sich seinen Arm verletzt hatte. Er hatte es, seitdem sie ihn das gefragt hatte, immer im Hinterkopf gehabt, doch er hatte bisher noch keine Gelegenheit dazu gehabt, mit ihr darüber zu reden.

Er fragte sich, ob jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt war. Sie schien bereit dazu zu sein, damit umgehen zu können, darüber zu reden. Wenn sie seine lahme Tirade der Selbstverachtung in der anderen Nacht durchstehen konnte, konnte sie sicherlich auch damit klarkommen. Außerdem, vielleicht würde es ihn auf die eine oder andere Art dazu führen, dass er das sagen konnte was er eigentlich sagen wollte. Es musste eine Möglichkeit geben "Ich liebe dich so sehr" relativ unauffällig in eine alltägliche Unterhaltung einfließen zu lassen.

"Scully, woher wusstest du das von meinem Arm?" fragte er und drehte sich wieder zu ihr um. Er war überrascht, sie direkt zurückstarren zu sehen. Als er sprach, zuckte sie zusammen.

"Dein Arm?"

"Ja, du hast mich nach meinem Arm gefragt, ob er okay wäre, erinnerst du dich?"

Sie dachte zurück, versuchte sich zu erinnern. Schüttelte zuerst ihren Kopf, führte die Tatsache an, dass sie sie zuvor auf eine ziemlich starke Medikation gesetzt hatten. Dann fühlte sie plötzlich eine anfängliche Panik, als die Erinnerung an das, was sie bei Jane gesehen hatte, schlagartig zurückkam.

"Ich erinnere mich nicht daran, doch ich..." Sollte sie es wagen, ihm etwas so scheinbar lächerliches zu erzählen. Aber es war wirklich geschehen, das musste es. Er hatte überall auf seinem rechten Arm kleine Schnitte und Kerben und da waren immer noch ein paar Pflaster dort. Sie entschied sich, ihren Gedanken zu beenden. "Ich erinnere mich daran, gedacht zu haben, dass du ihn dir verletzt hast, als ich bei Jane war."

Warum hatte sie das gedacht? Mulder wunderte sich. Er begann ernsthaft zu denken, dass sie eine Art von ungenutzter psychischer Fähigkeit haben könnte.

"Was meinst du mit denken? War es so was wie ein Gefühl? Hast du es gesehen?"

Sie sah nach unten und sah plötzlich sehr traurig aus. Sie fühlte wieder, was sie in dieser Nacht in Janes Wohnung gefühlt hatte, als sie "gesehen" hatte, wie er sich absichtlich selbst verletzte. Scully empfand seine absolute Qual, seine äußerste Verzweiflung.

"Also ist es wahr? Du hast dir das also wirklich angetan, Mulder?"

"Scully..." Oh Gott. Nein, das ist nicht die Richtung, die er mit dieser Unterhaltung gehen wollte. Verdammt. Zum Teufel noch mal. Warum hatte er das aufgebracht? Er war möglicherweise die einzige Person der Welt, die dazu fähig war, sie von ihrer vorherigen Stimmung herunterzuholen.

"Mulder warum? Warum wolltest du das tun?"

"Du... du warst gegangen. Ich dachte... schau, es ist nicht mehr wichtig, Scully. Ich wollte nur wissen, wie du das wissen konntest." Er fragte das so, als ob das eine vollkommen ausreichende und einfache Erklärung wäre.

"Ich bin mir nicht sicher, wie ich das wissen konnte. Ich meine, ich bin mir nicht völlig sicher, doch ich denke, dass ich es geträumt habe." Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm das sonst erklären könnte. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, wieviel von dem, woran sie sich von ihrem Aufenthalt bei Jane erinnerte, real oder nur Einbildung gewesen war.

Geträumt. Mulder dachte an all die Träume, die er von ihr gehabt hatte, als sie vermisst wurde. Ein Traum hatte ihn zu ihr geführt. Es war definitiv etwas dran. Er fühlte die vertraute Erregung durch ihn strömen, ein Geheimnis zu entwirren.

"Mulder, weißt du, das ist wichtig. Ich will, dass du mir versprichst, so etwas ähnliches nie wieder zu tun." Obwohl sie wusste, dass er unfähig dazu war, es zu halten, verlangte sie plötzlich verzweifelt dieses Versprechen von ihm. Es war unglaublich nobel und wuterregend.

Scully sah so aus, als ob sie gleich weinen würde und er fühlte sein Herz in eine Million kleine Stückchen zerbrechen. Niemals wieder, Scully, ich werde dich nie mehr zum Weinen bringen. Er nahm ihre Hand und lächelte, "Scully, solange du hier und sicher bist, wird es mir gut gehen."

"Mulder..."

"Was hast du sonst noch geträumt, Scully?" Er versuchte krampfhaft, das Thema zu wechseln, sie kannte ihn gut genug, um das zu erkennen. Sie wusste auch, dass er ihr keinesfalls versprechen konnte, sich niemals wieder selbst zu verletzen, besonders wenn ihr wieder etwas passieren würde. Doch es jagte ihr immer noch Angst ein.

"Mulder, ich meine das ernst..." fuhr sie fort.

"Das tu ich auch. Ich hatte ein paar ziemlich wilde Träume, als du verschwunden warst, Scully. Tatsächlich glaube ich, dass ich dich letztendlich durch einen Traum gefunden habe. Ich habe dich in ein paar Träumen bei Jane gesehen, doch ich habe das bis zu dem Tag, an dem ich dich gefunden habe, nicht erkannt. Ich hatte diesen wirklich lebhaften Traum, in dem ich in ihrem Garten war und du warst hinter dieser Glaswand." Er drehte sich vollständig zu ihr um und bemerkte, dass er seine Finger aufgeregt aneinander drückte.

"Hattest du diesen Traum, Scully?"

Sie seufzte und verdrehte die Augen, erkannte, dass sie dieses Versprechen nicht bekommen würde. "Ich denke nicht, dass ich den hatte, nein."

Es gab aber einen Traum, an den sie sich erinnerte. Ein Traum, der sie, als sie sich wieder daran erinnerte, ihren Versuch Mulders Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema zu lenken, sehr schnell vergessen ließ. Und sie an die Sache erinnerte, die sie zwischen ihnen heute Nacht geschehen lassen wollte.

"Und Scully, die seltsamste Sache war, in der Nacht, bevor wir dich gefunden hatten, haben Charlie und ich dich GESEHEN." Gott, es war wundervoll, endlich dazu fähig zu sein, mit ihr darüber zu reden. Er hatte bis jetzt nicht wirklich viel darüber nachgedacht, doch es war eine so merkwürdige Folge von Ereignissen gewesen.

"Mich gesehen, Mulder?" Sie hatte ihn in diesem Traum auch gesehen. Doch das war auch alles. Ein einfacher Traum. Wie konnte Charlie daran beteiligt sein? "Was meinst du?"

"In meiner Wohnung, Scully. Es war so bizarr. Eine Minute nichts und in der nächsten Minute standst du einfach da und du hast irgendwie ohne Worte gesprochen, doch wir beide haben dich gehört und du hast all diese Nummern gesagt und wir wussten nicht, was sie bedeuten, doch Charlie schrieb sie auf und es stellte sich heraus, dass sie alle eine Verbindung zu dem Ort, an dem du warst, hatten und zuerst dachte ich, dass du das warst, doch dann wurde mir klar, dass das nicht sein konnte, da du etwas anhattest..." Uh –oh. Ihm wurde schlagartig klar, was sie getragen hatte und warum es ihm zuerst so merkwürdig vorgekommen war. Das war etwas, was er auch nicht diskutieren wollte. "Ähm, du hattest etwas an, ähm, du hattest etwas an, was du sonst nie anhast."

"Etwas, was ich sonst nie anhabe? Was war es?"

Warum oh warum, musste sie den entsetzlichsten Aspekt von allem, was er sagte finden und sich darauf fixieren? Nach all den phantastischen Dingen, die er ihr erzählt hatte, wollte sie wissen, was sie getragen hatte.

"Es... es ist nicht wichtig, Scully. Der Punkt ist, dass es uns geholfen hat, dich zu finden. Und dann hatte ich diesen anderen Traum... "

"Mulder? Was hatte ich an?" Sie konnte kaum glauben, dass es möglich war. Doch sie hatte gesehen, wie Mulder seinen Arm verletzte. Glaubte sie, dass sie ihn auch in seinem Apartment gesehen hatte? Am Ende ihres extrem erotischen Traumes? Wenn er ihr das beschrieb, was sie in ihrem eigenen Traum gesehen hatte, würde sie die Möglichkeit tatsächlich in Erwägung ziehen müssen.

Sie würde das Thema jetzt nicht fallen lassen. Aus irgendeinen unbekannten Grund dachte sie, dass es der interessanteste Teil der ganzen Geschichte war. Er stützte sich mit seinen Ellenbogen auf die Knie und rieb sich mit den Händen über das Gesicht. Er murmelte die Antwort in seine Handflächen.

"Was war das, Mulder?"

"Oh Jesus, Scully, es ist so dumm." Gottverdammt. Er und sein großes, dummes Mundwerk. "Eine Uniform, Scully, du hattest eine Uniform an."

"Uniform? Was für eine, wie eine Navy-Uniform?" Scully begann das kleine Spiel, das Mulder versehentlich angefangen hatte, wirklich zu genießen. Er machte es ihr leicht, für das was sie geplant hatte.

"Ähm, nein, nicht genauso, Scully."

"Eine Polizeiuniform?" Sie verbarg ein leises Kichern mit einem Räuspern.

Er seufzte und schüttelte den Kopf. "Scully, du bist auf eine Katholische Schule gegangen, richtig?" Warum tat sie ihm das an? Das alles war so verdammt peinlich.

"Ja. Und..." Sie war sich jetzt seiner Antwort sicher, doch es war plötzlich sehr wichtig für sie, es ihn sagen zu hören.

"Nun, es war, ähm... es war so eine Uniform." Er fühlte, wie er bei der Erinnerung daran rot wurde. Es war so, als ob sie gerade aus seiner Phantasie gekommen und zum Leben erwacht wäre. Doch wie hätte er ihr das erzählen können?

"Meine Schuluniform, Mulder?"

"Ja... ja, ich glaube ja."

"Oh..."

 

Ende Kapitel 9/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 10/11

 

 

Sie schien eine Ewigkeit zu schweigen und er erwischte sich dabei, wie er nervös auflachte, nur um das Schweigen zu brechen. "Ich äh... ich habe dir gesagt, es war dumm."

"Nicht unbedingt dumm, Mulder," murmelte sie, während sie es genoss, ihn sich winden zu sehen.

Okay, also dumm war das falsche Wort, gab Mulder stumm zu. Wie wäre es mit pervers? Bizarr? Verdreht? Er wusste, dass er sich deswegen nicht so schuldig und peinlich berührt fühlen sollte. Es war nicht seine Schuld, dass sie sich so gezeigt hatte. Und Charlie hatte sie auch so gesehen, also konnte es nichts gewesen sein, was er sich ausgedacht hatte. Wenn er sich nur nicht einen runtergeholt hätte, als er *so* an sie dachte, zwei Minuten bevor sie erschien.

"Scully, ich... ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich mich richtig erinnere. Zu der Zeit war ich ganz schön erschöpft."

"Oh Mulder, ich denke, dass du dich richtig erinnerst. Ich denke, dass du dich völlig richtig erinnerst." Er sah zu ihr herüber und sie ließ ihn ihr Lächeln sehen und hoffte, er würde den Ausdruck in ihren Augen lesen, den sie zu übermitteln versuchte. Er sah erschrocken aus und für einen kurzen Moment tat er ihr leid.

"W...was meinst du?"

Aber nicht so leid. "Ich habe das geträumt. Mulder," begann sie in einem sanften, leisen Ton. "Es war ebenso seltsam. Ich habe geträumt, dass ich dir zu deinem Apartment gefolgt bin und dann sah ich dich und Charlie. Ich hatte meine Schuluniform an und ich glaube, ich habe versucht, euch beiden zu sagen, wo ich war."

Wow. Ganz großes Wow. Sie hatte sich selbst dorthin geträumt. Irgendwie, auf irgendeine Art kam ein Teil von ihr in jener Nacht in sein Apartment, hatte ihren Körper verlassen und war zu ihm gekommen. Es war absolut verblüffend. Einen Moment war er so aufgeregt, dass er die alberne Schuluniform vergaß und was er gerade getan hatte, bevor sie erschien.

"Scully, worum genau ging es in diesem Traum, abgesehen davon, in meinem Apartment aufzutauchen?" Er fragte sich, ob sie sich selbst zum Handeln gebracht hatte in dem Traum oder ob es einfach passiert war. Lichte Träume vielleicht.

"Äh... es ging um die Vergangenheit." Scully wusste immer noch nicht, ob sie glaubte, dass sie tatsächlich zu Mulders Apartment gegangen war. Es war so eine phantastische Idee. Und Charlie hatte es bisher noch nicht erwähnt, also konnte sie nicht vollkommen sicher sein, was sie glauben sollte. Aber eine Erfahrung außerhalb des Körpers oder nicht, es war bestimmt eine Möglichkeit, dass er sich ihr öffnete.

Mulder saß weiterhin so vornüber gebeugt da und vergaß, die immer noch anwachsende Schwellung in seinem Schoß zu bedecken. Er wartete auf weitere Einzelheiten.

"Am Anfang, äh, saß ich, zusammen mit Missy auf dem Rasen vor dem Haus und Bill und Charlie spielten Ball. Wir hatten ein Barbecue und ich nehme an, ich war so um die sechzehn."

Seine Augen wurden groß und er fühlte ein schmerzhaftes Ziehen in der Leistengegend. Das Foto. Jesus Christus! Das war das Foto. Er empfand eine seltsame Kombination aus Neugier, Erregung und Panik. Das war unmöglich.

Aber Scully genoss sich nun selbst. Sie war bereit, loszulassen, auf jede denkbare Art. "Und dann... dann warst du plötzlich da. Ich lud dich ins Haus ein und dann... dann in mein Schlafzimmer."

Sie hielt inne, weil er in seinem Sessel vor und zurück schaukelte, schneller und schneller, beinahe als ob er versuchte, sich daran zu hindern, seine Hüften in die Luft zu stoßen. Sein Blick war so verschwommen, dass sie sich nicht einmal sicher war, ob er sie überhaupt ansah. Sie leckte sich die Lippen, um ihn zu testen und ihm stockte der Atem.

"Mulder, bist du in Ordnung?"

"Mach einfach weiter," platzte er verzweifelt heraus. Er musste es wissen, er musste es einfach.

"Bist du sicher?" Sein Körper schwankte und es fiel im verdammt schwer, nicht vor und zurück zu schaukeln. Sie fragte sich, ob er es tat, weil er nervös war oder weil es ihm eine Art angenehme Erleichterung verschaffte.

"Bitte!" Ihre Augen weiteten sich schockiert angesichts seiner dringenden Forderung und er erkannte, dass er sich sofort beruhigen musste. Scully dagegen musste auf der Innenseite ihrer Wange herumkauen, um nicht laut über ihn zu lachen. Die nächsten Worte, die sie ihm sagen wollte, würden ihn ziemlich hart treffen. Zumindest hoffte sie das.

"Okay, nun, wir gingen nach oben und du, äh, du hast mir zugesehen, wie ich auf dem Bett lag und mich selbst befriedigte."

Mulder war sich nicht sicher, was schockierender war, die Tatsache, dass Scully anscheinend das geträumt hatte, was in dieser Nacht seine Phantasien waren oder die Tatsache, dass sie einfach das Wort Selbstbefriedigung ihm gegenüber benutzt hatte. Als Erwiderung starrte er sie einfach mit offenem Mund an. Unglaublich, das alles war unglaublich.

"Mulder?" Sie hatte ihn. Jetzt dauerte es nicht mehr lange. Diesmal atmete sie selbst lang und tief aus. Beinahe spürte sie in ihrer Mitte einen Schmerz vor Verlangen und Erwartung. "Mulder, was ist los? Willst du den Rest hören? Da war noch mehr..."

Er warf einen kurzen Blick in ihr Gesicht und sah, dass ihre Mundwinkel in einem seltsamen kleinen Grinsen nach oben gezogen waren. In ihren Augen stand Herausforderung und etwas anderes, etwas tiefes und dunkles und verdammt unheimliches. Er wollte sie fragen, was sie noch geträumt hatte, ob sie sich mit ihm auf dem Boden, auf dem Spültisch, im Sessel ihres Vaters gesehen hatte, aber er war so ziemlich unfähig, zu sprechen. Die Bilder erschienen von selbst wieder in seinem Kopf und er war von den Erinnerungen überwältigt.

"Äh... ich. äh..."

"Mulder, was ist los? Hattest du auch diesen Traum?"

"Äh, nein... nicht genau. Ich meine, irgendwie ja, aber...Äh..." Gut gemacht, Armleuchter. Warum hatte er nicht einfach nein gesagt? Oder ja? Nun blickte sie ihn vollkommen verwirrt an und erwartete von ihm, dass er erklärte, was zur Hölle er meinte.

"Was meinst du mit 'irgendwie ja'?" Das bisschen Spaß, das sie hatte, war Mulder gegenüber total unfair, aber es machte sie unglaublich heiß. Es war besser als ein physisches Vorspiel. Oder zumindest mit Mulder war es das. Sie flehte ihn mit den Augen an, fortzufahren.

"Naja, es war, äh... es war ein bisschen anders und nicht ganz das, was man einen Traum nennen kann. Nicht ganz." Er verdrehte über seine eigene Dummheit die Augen und lehnte sich im Sessel zurück. Dann erkannte er die Art, wie er sich nun gedreht hatte, um sie anzusehen. Wenn er sich zu weit zurücklehnte, stach ihr seine Erektion praktisch ins Gesicht. Er beugte sich wieder nach vorn und kreuzte seine Arme über den Knien.

Eine überwältigende Hitze überflutete Scully rasend schnell, als sie begriff, was er ihr da unbedacht offenbarte. Sie würde nicht in der Lage sein, dieses Spiel noch lange weiterzuspielen. Wenn er nichts tat, war sie sich nicht sicher, ob sie sich davon abhalten konnte, selbst etwas zur Erleichterung zu tun. Dennoch machte sie weiter Druck.

"Nun, wenn es nicht ganz ein Traum war, was war es dann?"

Mulder versuchte sich daran zu erinnern, warum er diese Unterhaltung in erster Linie begonnen hatte. Wann hatte er zuerst die Kontrolle darüber verloren? "Äh, es war eine Art von einem... einem Traum, den man hat, wenn man, äh, irgendwie nicht schläft."

Scully blickte ihn rührend erstaunt an. "Du meinst einen Tagtraum," bot sie ihm an.

Gut, das war eine Art, es zu bezeichnen. "S...so was in der Art." Gott, es war heiß hier drin. Er fühlte, wie Schweißtropfen auf seiner Stirn auszubrechen begannen. Warum starrte sie ihn so an?

Sie spürte sein steigendes Unbehagen und setzte zum tödlichen Schlag an. "Oder eher eine Phantasie, Mulder?" Sie biss sich zum Nachdruck auf die Unterlippe und ihre Augen wurden groß, als sie die Worte aussprach.

Gott, ihre Stimme. Was machte sie mit ihrer Stimme. Sie war plötzlich... so anders. Einmal drückte er seine Beine zusammen und ein Schauer durchlief seinen Körper. Eine Phantasie. Es war so ein belastetes Wort. In Wahrheit war es genau das gewesen, aber er war sich nicht sicher, ob Scully das unbedingt wissen musste.

"Äh, ich bin mir nicht völlig sicher, ob Phantasie eine vollkommen akkurate Beschrei..." sie schnaufte durch die Nase und er brach, sie überrascht ansehend, ab. Es überraschte sie, wie weit er es ertrug.

"Ja," murmelte er mit einem sich dem Schicksal ergebenden Seufzen. Der Punkt ging an sie. Wie üblich.

"Ja?"

"Ja. Es war eine Phantasie, Scully. Okay?" Zumindest lächelte sie immer noch und rief nicht nach der Sittenpolizei.

"Also war es vollkommen eine Phantasie, Mulder?" neckte sie ihn.

Mulder fragte sich, ob er darauf antworten sollte oder ob sie sich nur über sein lahmes Gestotter amüsierte. "Ich... ich nehme an. Ich weiß nicht, äh, es, äh... es tut mir Leid, Scully." Und das tat es wirklich. Es tat ihm leid, dass er so ein kranker Typ war und dass sie das wissen musste.

Scully hustete und lachte gleichzeitig. Nur Mulder konnte sich bei ihr dafür entschuldigen, dass er erregt war und das gleiche mit ihr tat. "Es tut dir Leid?"

"Ich wollte nicht, das es so ist, Scully. Es... passiert einfach manchmal." Oh, großartig. Nun hatte er zugegeben, dass es nicht nur dieses eine Mal war. Dass das eine regelmäßige Sache für ihn war. Er begann, auf der Innenseite seiner Wange herumzukauen, um nicht weiterzureden.

"Mulder, es muss dir nicht Leid tun. Ich... ich mochte deine Phantasie, Mulder," flüsterte sie in einem noch atemloseren Ton in der Hoffnung, sich endlich verständlich zu machen.

"Oh... oh ja?" quiekte er.

Sie nickte und lächelte warm. "Oh ja." Ihr Blick wanderte von seinem Gesicht über seinen Körper und verweilte schließlich in seinem Schritt. Offen starrte sie, wie es schien eine Ewigkeit, auf die peinliche Beule in seinen Hosen. Als sie ihm schließlich wieder in die Augen sah, hatte er Schwierigkeiten, zu atmen.

"Also, Mulder, wenn du sagst, manchmal..." Verdammt! Er hatte schon begonnen zu glauben, dass sie es nicht mitbekommen hatte. "Bedeutet das oft, Mulder?"

"D...D...D..." Definiere! *De fi nie re*! Das, was von seinem Gehirn noch übrig war, schrie gequält auf. Sie reduzierte ihn auf ein stotterndes Etwas mit einem Hirnschaden. "Definiere oft," schaffte er es schließlich.

"Oh, ich weiß nicht..." Scully wedelte mit der Hand in der Luft. "Zwei-, dreimal die Woche."

Beinahe hätte er laut losgelacht. Das war oft? Er nahm an, dass es das für eine Frau vielleicht war. Jedenfalls war es weniger erniedrigend als die Wahrheit, also nickte er.

"Ja, ja, das, äh, kommt ungefähr hin." Es war an der Zeit für ein ablenkendes Thema. Das letzte, was sie diskutieren mussten, waren seine Phantasien. "Also, äh, wie findest du den Film? Ich weiß, dass du ihn nie ganz gesehen hast..."

"Mulder, bist du dir sicher, dass das stimmt?" Der ganze Grund, warum sie den Film niemals ganz gesehen hatte, war der, dass sie sich nie lange genug für ihn interessieren konnte. Im Moment waren ihr Filme völlig egal.

"Nun, das hast du mir erzählt..."

"Nein, ich meine die Phantasie, Mulder. Bist du dir sicher, dass es nicht öfter ist?"

Gott, was wollte sie? Seinen Schwanz auf einem Silbertablett?

"Ich... ähm..." Er lachte, zuckte mit den Schultern und hoffte, dass das als Antwort genügen würde.

Sein unbehagliches Wimmern als Antwort machte sie nur noch heißer. Zeit, es weiter voranzubringen. "Mulder, denkst du jedes Mal an mich, wenn du dich selbst berührst?"

Oh Gott. Oh Gott, Scully. Was tat sie? Er wusste nicht einmal, wie er beginnen sollte, eine Antwort auf diese Frage zu formulieren. Obwohl ein 'ja' wahrscheinlich genug gewesen wäre, war es doch nicht die ganze Wahrheit. Ehrlich gesagt, war es eher anders herum.

"Weil, Mulder, weiß du was, ich..." Scully atmete tief ein und blickte auf die Decke herab. "Ich denke an dich," sagte sie leise. Dann blickte sie wieder auf und sah ihm in die Augen. "Ich denke an dich jedes... einzelne... Mal."

Mulder stöhnte angesichts der Vorstellung, die sie gerade für ihn geschaffen hatte. Scully auf ihrem Bett liegend, nackt, ihre Hände zwischen ihren Beinen, nach ihm rufend, seinen Namen schluchzend, als sie sich selbst zum Orgasmus bringt, wieder und wieder und wieder und...

"Mulder?"

"Ähm... äh..."

"Weißt du, ich hab dich gesehen." Ihn gesehen? Was zur Hölle sollte das? Oh nein. Er dachte zurück an das eine Mal im Büro, als sie zu ihm hereinkam und er sich während der Dienstzeit geschäftig einen runterholte und auf den Boden eines Bundesgebäudes spritzte. Sie hatte mitbekommen, was er machte. Das musste es sein, worüber sie redete.

"Als ich bei Jane war, sie hatte all diese Fotos von dir."

Jesus Christ. DAVON redete sie? Dieses verdammte kranke Etwas und ihre verschrobene kleine Bildergalerie. Aber aus irgendeinem Grund schien es okay für Scully zu sein, darüber zu reden. In der Tat schien es für sie mehr als okay zu sein.

"Mulder, du bist schön, wenn du dich berührst." Scully konnte kaum glauben, wie weit sie ging. Es war, als ob ihr Körper in diesem Moment alle Hemmungen eliminiert hatte, die sie besaß. Es war ein befreiendes Gefühl. Vielleicht wie nackt durch die Wälder laufen. In diesem Moment hatte sie keine Angst, irgendetwas falsches zu tun oder zu sagen. "Ungeachtet der Situation, diese Bilder anzusehen, hat mich erregt... sehr erregt."

Er senkte den Kopf und lachte nervös. Wer zur Hölle war diese Frau? Er hatte keine Ahnung, wie er auf diese Äußerung reagieren sollte.

"Du denkst, das ist lustig, Mulder?" Soviel zum Thema Befreiung. Sie kam sich plötzlich albern vor, ihm eines der Dinge zu erzählen, die sie immer am meisten erregten, wenn sie daran dachte.

"Nein. Scully... nein." Mulder wollte sich selbst in den Kopf schießen. Tolle Art, zu handeln, wenn sie hier saß, ihm ihr Innerstes offenbarte und ihm Dinge erzählte, die zu hören er sich nicht einmal erlaubt hatte, zu träumen.

"Nun, welches Gefühl hast du dabei? Macht es dich glücklich, Mulder? Erregt es dich?"

Aber das beschrieb es nicht einmal ansatzweise. Er konnte das schwindelige, betörende Gefühl, das er erlebte, nur schwer in Worte fassen. Sie wollte ihn. Zuerst liebte sie ihn und nun wollte sie ihn. Sie wollte ihn so sehr. Und sie sagte es ihm auf jede erdenkliche Art. Es war der Schritt, auf den er nun seit Monaten gewartet hatte. Es war die Art von Verführung, die er sich nicht in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hätte. Es war Scully, die ihre Sehnsüchte und ihre geheimsten inneren Wünsche genau hier vor ihm ausbreitete. Und alles, was er tun konnte, war seinen Kopf in den Händen halten und zusehen, wie seine Beine zitterten. Würde er jemals aufhören, sie zu enttäuschen?

"Irgendwann würde ich es wirklich gern persönlich sehen, Mulder. Denkst du, du würdest das mögen?" Je mehr sie das Thema vorantrieb, desto mehr wollte sie es, desto mehr brauchte sie es, ihn dabei zu sehen. Brauchte sie es, ihn bei dieser Art von Vergnügen zu sehen, brauchte sie es, dass es ihrer beider Vergnügen war. Nun zitterte ihr Körper. Wenn er sie noch länger warten ließ, würde sie anfangen zu weinen, dessen war sie sich sicher.

Mulders Herz raste so schnell bei dem Gedanken, sich vor Scully selbst zu befriedigen, sie es *genießen* zu sehen, dass er fürchtete, er würde womöglich einen Herzanfall bekommen. Wenigstens würde er nicht weit nach einem Arzt suchen müssen. Sie hatte ganz gewiss einen guten Platz für diese kleine Marilyn-Monroe-Vorstellung, die sie ihm da bot, ausgesucht.

Mulder hatte immer noch keine ihrer Fragen beantwortet, aber er nahm an, dass das alles ziemlich offensichtlich war. Er zitterte ebenfalls und keuchte und seine Haut war wahrscheinlich jetzt dunkelrot. Das musste aufhören. wenn sie nicht aufhörte, so zu reden, würde sie ihn ganz schnell umbringen. Er war sich nicht völlig sicher, was sie überhaupt zu erreichen versuchte. Es war doch nicht so, dass sie tatsächlich irgendetwas tun konnten. Nicht hier. Versuchte sie, ihn verrückt zu machen?

Mulder wischte sich den Schweiß über der Augenbraue ab und sah ihr in die Augen. Schwerer Fehler. Schnell wandte er seinen Blick zum Fernseher.

"Mulder?"

"Das... äh... das ist eine gute Stelle, Scully... shhh..."

Mulder starrte weiter ausdruckslos auf den Fernseher und er hörte sie seufzen. Dennoch lehnte er es ab, sich wieder umzudrehen. Warum konnte sie nicht still dasitzen und sich den Film ansehen?

Er hörte Charlton Heston weiterbrummen.

'... Sich vorzustellen, ich brauche jemanden. Auf der Erde habe ich es niemals getan. Oh, da waren Frauen. Eine Menge Frauen. Eine Menge Sex, aber keine Liebe. Sehen Sie, das war die Art Welt, die wir geschaffen haben. Also bin ich gegangen, weil es niemanden gab, der mich dort hielt...'

Gott verdammt. Warum hatte er diesen blöden Film überhaupt ausgesucht? Er begann, sein Unbehagen noch zu mehren, anstatt ihn davon abzulenken.

Mulder hörte ein weiteres atemloses Seufzen aus dem Bett und schielte aus den Augenwinkel hinüber. Ihre Augen waren geschlossen und sie lag in den Kissen auf dem hochgestellten Kopfteil ihres Bettes. Schlafen, welch gute Idee. Vielleicht war es an der Zeit für Scully, jetzt zu schlafen. Und an der Zeit für ihn, hier verdammt noch mal herauszukommen und in den nächstgelegenen Hauswartsschrank.

 

"Äh, es tut mir leid, Scully. Halte ich dich wach? Möchtest du dich jetzt ausruhen?"

 

"Vvvvielleicht..." murmelte sie, ihre Augen immer noch geschlossen. Sie sah bezaubernd aus, zerzaust und seidig und... Gott, etwas, was sich jeder Beschreibung entzog. Er wollte nichts mehr, als zu ihr in dieses Bett zu kriechen, sich unter den Decken, unter ihrem Körper zu verbergen. Er musste gehen. Sofort.

 

"O... okay dann, ich denke, ich, äh, ich werde jetzt gehen, damit du schlafen kannst, Scully."

 

Er stand auf und bereitete sich darauf vor, auf Beinen zu gehen, die ihn in diesem Augenblick kaum aufrecht halten konnten.

 

"Mmmnnnein, Mulder. Ich denke nicht, dass du gehen solltest."

 

Ihre Augen waren immer noch geschlossen und sie bewegte sich, wodurch sich die Decke kräuselte. Was in Gottes Namen tat sie darunter?

 

"Ich denke... ich denke, du solltest bleiben und dich neben mich legen, Mulder."

 

Sie musste scherzen. Scherzte sie, verdammt noch mal? Glaubte sie, es würde möglich für ihn sein, neben ihr im Bett zu liegen und vernünftig zu bleiben, nach allem, was sie ihm gerade erzählt hatte?

 

"Scully, ich... ich kann nicht... das ist nicht die beste Idee..."

 

"Warum nicht, Mulder?" Sie streckte ihren Arm über ihrem Kopf aus und der Satin ihres Pyjamaoberteils spannte sich über ihren Brüsten.

 

"Ich... äh..."

 

Er versuchte, über eine vernünftige Erklärung nachzudenken. So oft hatte er im Krankenhaus neben ihr im Bett gelegen, dass es wirklich nichts gab, was er sagen konnte.

 

"Mulder, komm schon. Dich neben mir zu haben, hilft mir einzuschlafen. Bitte?"

 

Tja, nun war alles zu spät. Es gab keine Möglichkeit für ihn, ihr irgend etwas abzuschlagen, wenn sie bitte sagte. Es war selten für sie, dass sie zugab, überhaupt etwas von ihm zu brauchen, ganz zu schweigen davon, ihn um so etwas zu bitten.

 

Mulder atmete tief ein, setzte sich auf die Bettkante und versuchte einen Weg zu finden, wie er sich neben sie legen konnte, ohne sie irgendwie zu berühren oder die Beule in seinen Hosen zu offenbaren. Das erste schaffte er, aber nicht das zweite. Wenigstens hatte sie die Augen geschlossen.

 

Mit den Armen über der Brust verschränkt lag er neben ihr und vermied sorgfältig jeden Kontakt mit irgendeinem Teil von ihr. Seine Beine an den Knöcheln gekreuzt, wippte er nervös mit dem Fuß und wartete darauf, dass sie einschlief.

 

Scully wusste, dass sie um nichts in der Welt so bald Schlaf finden würde. Jetzt war er ihr so nahe, gleich neben ihr. Sie konnte seine Anspannung und sein Unbehagen fühlen. Sie kamen in Wellen von seinem Körper. Und sie fragte sich, ob er sie nun, da er hier war, berühren würde oder ob sie zu drastischeren Maßnahmen greifen musste.

 

'Das ist ein Irrenhaus! Ein Irrenhaus!' wetterte Charlton. Mulder konnte dem nur zustimmen. Die ganze Situation war total verrückt. Jede Minute konnte er einfach explodieren. Ihre Worte kreisten in seinem Kopf, wie eine dieser wertlosen Seifenopernsoundschleifen. 'Du hast mir zugesehen, wie ich mich selbst befriedigt habe, ich denke an dich jedes... einzelne... Mal, irgendwann würde ich das gern persönlich sehen, Mom sagt immer, spiel nicht Ball im Haus...'

 

Es war zum Verrücktwerden. Er hatte nicht einmal Platz in seinem Hirn, um diese Art von Information unterzubringen.

 

"Mmmulder... dieser Film ist so langweilig." Scully seufzte, bewegte sich wieder unter der Decke und schob ihren Körper näher an seinen. Wenn er sie nicht berühren wollte - sie brauchte es zur Hölle noch mal, ihn zu berühren. Vor Verlangen pulsierte sie förmlich. Sie drehte sich auf die Seite, um ihn anzusehen und legte ihr Gesicht dicht an sein Ohr.

 

"Ich... ich mag ihn, Scully. Es ist ein sehr guter Film." Seine Stimme wurde höher und klang jämmerlicher mit jedem Mal, an dem er es schaffte, zu sprechen.

 

Plötzlich spürte er ihren heißen Atem an seinem Ohr und fuhr beinahe aus der Haut.

 

"Mulder, warum hast du nicht einen von deinen anderen Filmen mitgebracht?" flüsterte sie und wunderte sich über ihren neugefundenen Mut.

 

"Andere... Filme?" Sie konnte unmöglich meinen, was er dachte, dass sie meinte. Konnte sie?

 

"Du musst einen Favoriten darunter haben, Mulder."

 

Warum flüsterte sie auf diese Art? Das Pochen, das vor langer Zeit in seinem Penis begonnen hatte, begann auszustrahlen und seinen ganzen Körper zu erfassen. Vergiss die blauen Bälle. Er würde alles in blau haben, wenn er nicht bald hier herauskam.

 

"Ich, äh... 2001 ist auch gut."

 

Sie lachte. Ein leises, kehliges Lachen, nicht wie das kindliche Kichern von vorhin. "Nicht diese Art Film, Mulder. Eins von diesen Videos, die in braunem Packpapier an Marty Mulder adressiert zu dir ins Haus kommen. Du musst einen Favoriten unter diesen Videos haben, Mulder."

 

"Ich... hmmmäh..."

 

"Irgendwann möchte ich es gern sehen, Mulder."

 

Sie musste Witze machen. Sie musste verdammt noch mal einen Spaß machen. Seine Gedanken drehten sich so rasend, dachten sich ein Bild von Scully aus, die auf seiner Couch saß, sich 'Red Hot Redheads' ansah und sich selbst berührte, während er zusah, dass er für einen Moment nicht einmal mitbekam, dass sie das Bett verlassen hatte.

 

Als er ihre plötzliche Abwesenheit neben sich bemerkte, war er nur noch verwirrter. Dann sah er sie entschlossen auf die Tür zugehen. Sie war immer noch einen Spalt breit offen, seit Rena gegangen war. Sie schloss sie und drehte sich zu ihm um.

 

Mulder konnte um sein Leben immer noch nicht herausfinden, warum sie das mit ihm machte. War es irgendeine Art abartiger sexueller Folter, um ihm die gemeine Art, wie er sich ihr gegenüber benommen hatte, zurückzuzahlen? War es ein Test, um zu sehen, wie weit sie ihn treiben konnte, bis er zugriff? Sie musste doch erkennen, was sie mit ihm machte und dass es keine Möglichkeit gab, dass sie das zu Ende bringen wollte. Nicht jetzt. Nicht *hier*. Womöglich niemals.

 

Mit einem seltsamen kleinen Lächeln kam sie zu ihm zurück und er wunderte sich wieder darüber, sie selbst laufen zu sehen. Es hatte wirklich etwas. Besonders in diesem seidigblauen Pyjama. Sie war zu wunderbar, um es in Worte fassen zu können. Er konnte es beinahe nicht mehr aushalten. Für einen kurzen Augenblick des Aufschubs schloss er seine Augen und versuchte, seinen Atem zu verlangsamen und seinen rasenden Puls zu beruhigen. Sobald er seine Augen geschlossen hatte, stürmte ein Sperrfeuer von Bildern auf ihn ein, eines lebhafter und schmutziger als das andere. Er bemühte sich, dem Film zuzuhören. Wieder hörte er Charlton Heston und konzentrierte sich darauf.

 

'Wie wäre es mit einem Kuss, Doktor?' fragte er

 

'Aber Sie sind so verdammt hässlich!' war Dr. Ziras Erwiderung.

 

In Ordnung, der Film half nicht. Dann versuchte er, sich eine leere Wand vorzustellen. Ein weißer leerer Raum, vielleicht mit einem blauen Streifen zum Meditieren. Blauer Streifen, blauer Streifen, blauer Streifen. Er erkannte, dass er sich die falsche Farbe ausgesucht hatte, als der blaue Streifen zu Scully in ihrem verdammten blauen Pyjama, die rittlings auf seinem Schoß saß, mutierte. Die Vorstellung war so lebhaft, dass sie ihn so erschreckte, dass er die Augen öffnete.

 

Es war nicht in seinen Gedanken. Sie war da. Gott, sie war einfach... da. Sie berührte seine verschränkten Arme mit ihren Händen und begann, sie hochzuheben und auseinander zu ziehen. Zuerst legte sie seine eine, dann seine andere Hand auf ihre Oberschenkel und nahm sein Gesicht in ihre Hände. Seine Handflächen bebten und schwitzten und er war sich sicher, dass er Flecken zurücklassen musste, als er den Stoff ihrer Pyjamahosen mit seinen Fäusten umklammerte.

 

"Scu... wa... was tust du?"

 

Ihre Lippen waren nur Zentimeter von seinen entfernt und ihre Finger streichelten sein Gesicht. Wieder lächelte sie und rieb sich lüstern an seinem Schritt. Er biss sich auf die Lippe und versuchte, nicht aufzuschreien.

 

"Was ist los, Mulder? Magst du es nicht?" murmelte sie, während sie begann, sanfte Küsse auf seinem Hals zu verteilen. Ihre Lippen fühlten sich wie Samt an seiner rauen Haut an und er packte ihren Pyjama noch fester, um sich davon abzuhalten, ihr entgegen zu zucken. "Willst du mich nicht?" flüsterte sie in sein Ohr. Er ließ ein Wimmern hören, als sie begann, an seinem Ohrläppchen zu saugen und nickte.

 

"Also, was ist es dann, Mulder? Was stimmt nicht?" Ihre Hände glitten über sein Gesicht und seinen Hals und seine Brust. Er spürte ihre Finger, die unter sein T-Shirt rutschten, und er ergriff sie, bevor sie ihn umbrachten.

 

"Scully.. wir sind... wir sind im *Krankenhaus*."

 

Den letzten Teil flüsterte er, als wäre es ein schmutziges Wort, und sie lachte.

 

"Es ist ein Krankenhaus, Mulder, keine Bibliothek. Du musst nicht flüstern."

 

Er konnte es nicht glauben. Was zur Hölle MACHTE sie? Konnte sie tatsächlich wollen, dass sie es hier taten? Wenn sie immer noch krank war? Das konnte unmöglich so sein und dennoch war es so. Gesegneter Weise ließ sie sein Ohr los und sah ihm in die Augen. Er wurde beinahe ohnmächtig angesichts des Hungers, den er in ihrem Gesichtsausdruck entdeckte.

 

"Scully... Gott. Was... was, wenn wir erwischt werden?"

 

Sie zuckte mit den Schultern. Zuckte einfach mit den Schultern, als wäre es letzten Endes völlig egal.

 

"Mulder, und was ist, wenn sie uns erwischen?"

 

"Dein Bruder wird mich erstechen, sie werden uns einsperren, es gibt einen Riesenskandal, wir verlieren unsre Jobs..."

 

"Mulder, nun mach mal halblang," lachte sie. "Sie sperren die Menschen nicht ein, nur weil sie Sex miteinander haben."

 

Sex. Oh Gott. Sie wollte wirklich Sex haben. Gleich hier.

  

Ende Kapitel 10/11

XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX

Kapitel 11/11

 

"S... Scully... hummm..."

 

"Was ist los, Mulder? Hast du Angst?" fragte sie schelmisch, als sie ihre unverletzte Hand zu dem obersten Knopf ihres Pyjamaoberteils gleiten ließ. Nein Scully. Tu das nicht. Gott nein.

 

"A... Angst? Ähm, n... n... nein. Ähm, natürlich nicht."

 

"Also, wenn du keine Angst hast und du mich willst, wo liegt dann das Problem?" Eins, zwei, drei, vier... die Knöpfe sprangen schnell hintereinander auf und er schloß seine Augen, stieß ein leises Gebet aus, damit sie aufhörte.

 

Doch als er mit der Zeit seine Lider wieder öffnete, war das Oberteil völlig verschwunden und sie saß stolz da, lächelte ihn an.

 

"Gefällt dir mein Körper nicht?" fragte sie ihn grinsend. Es war offensichtlich, dass sie verdammt gut wusste, dass das nicht der Fall war. Musste ziemlich deutlich sein, so wie er ihre vollen, runden, perfekten Brüste anstarrte, so wie er keuchte, Jesus, er sabberte womöglich.

 

"Gefällt dir mein Körper, Mulder? Ich weiß, dass du ihn schon einmal gesehen hast, doch da war er ganz blau."

 

"Huuummmmaaaa"

 

Oh Mann, das war nicht gut. Er war bereits unfähig dazu, zu sprechen und er hatte sie noch nicht einmal berührt. Alles woran er in diesem Moment denken konnte und einem wirklichen Wort auch nur im entferntesten ähnelte, war yum. Yum, yum, yum....

 

"Mulder? Ist das ein ja?"

 

"Yuhummmmm..."

 

"Vielleicht solltest du einen genaueren Blick darauf werfen. Ich verstehe wirklich nicht, was du meinst." Sie setzte sich auf ihre Knie auf und unterbrach den süßen Kontakt ihrer Unterkörper und seine Erektion protestierte heftig zuckend. Dann bewegte sie sich näher auf ihn zu und noch ein wenig höher hinauf und bevor er wusste, was los war, baumelte die Spitze ihres rosig pinken Nippels vor seinem Gesicht.

 

Was auch immer von seinen rationalen Gedanken in seinem Gehirn zurückgeblieben war, verließ ihn nun vollständig und er nahm diese kleine Knospe in seinen Mund, er kapitulierte. Er hatte sowieso niemals wirklich eine Chance gehabt. Es gibt nicht viele lebendige Männer, und möglicherweise auch nicht viele Frauen, die dem hier widerstehen könnten. Sie bebte und stöhnte und er ließ eine Hand über ihren nackten Rücken gleiten, zog sie näher zu sich heran.

 

Sie schmeckte so gut, so süß und sauber und fruchtig und sobald er sich selbst hatte kosten lassen, konnte er nicht genug bekommen. Er wusch ihre Nippel mit seiner Zunge, streifte sie mit seinen Zähnen, saugte an ihnen wie ein kleines Baby.

 

Sie stöhnte bei den Empfindungen, überwältigt von dem Gefühl seines heißen, verlangenden Mundes auf ihr. Endlich, endlich war er da. Sie fühlte sich so, als ob sie schon ewig gewartet hätte. Seine Arme waren um ihren Rücken geschlungen und sie verschob sich ein wenig, ermutigte ihn, seine Hände zu ihrem Hintern zu bewegen, sie unter ihre Pyjamahose gleiten zu lassen, doch sie klammerten sich an Ort und Stelle fest. Sie hatte sich noch nie so verzweifelt nach etwas gesehnt. Sein Widerstreben und seine Angst waren liebenswert, doch genauso frustrierend. Was musste sie denn noch alles tun, um ihm zu sagen, dass es jetzt okay war, dass sie ihn wollte? Sie wünschte sich zum millionsten Mal, dass sie ihn in dieser Nacht nicht weggestoßen hätte. Sie begann, sich mit seinen Wahnsinn mehr zu identifizieren, als sie es je gewollt hatte.

 

Dann machte er ein gedämpftes, brummendes Geräusch und ihr wurde klar, dass er vielleicht nicht mehr so widerstrebte. Vielleicht war er im Moment so versunken darin, ihre Brüste zu verschlingen, dass er an nichts anderes mehr denken konnte. Obwohl sie die Aufmerksamkeit, die er diesem besonderen Teil ihrer Anatomie zuwandte, genoss, war es an der Zeit weiterzugehen.

 

Sie zog sich zurück und ihre Brust glitt mit einem lauten Plop aus seinem Mund und sie rutschte zurück nach unten, in eine sitzende Position. Saß genau dort, wo sie sitzen wollte. Sie presste sich gegen seine Erektion und fing sein Stöhnen mit ihrem Mund auf.

 

Küsste sie, er küsste sie. Küsste Scully. Scully küsste ihn. Er wusste, dass er normalerweise ein ziemlich guter Küsser war, doch er fand, dass er sich in Scully völlig verlor. Alles woran er denken konnte war, sie zu schmecken, so weit, wie es möglich war, in sie zu dringen. Finesse wurde dem Verlangen geopfert und er schlug mit seiner Zunge in ihren Mund. Es gab Gründe, warum er das nicht geschehen lassen, sich selbst nicht so hinreißen lassen sollte, doch er konnte sich nicht an sie erinnern, er wollte es nicht. Es fühlte sich so verdammt gut an.

 

Trotzdem musste sie von ihm runter. Sie bewegte sich auf seinem Schoß herum und saugte an seiner Zunge, streichelte sie mit ihrer eigenen und er konnte ihre nackten Brüste, die sich fest an ihn pressten, durch sein T-Shirt hindurch spüren und ihm wurde in dem Moment klar, dass er keine Unterwäsche trug, da ihm die saubere ausgegangen waren und er verfluchte sich selbst dafür, dass er seine Wäsche nicht erledigt hatte, da er ihre Hitze fast durch die Seide und den Stoff seiner Khakihose spüren konnte und er würde nicht dazu fähig sein, das noch eine Minute länger durchzuhalten, ohne sich selbst völlig in Verlegenheit zu bringen.

 

Er stieß sanft gegen sie, beabsichtigte sie herumzurollen, so dass sie auf dem Rücken liegen und er etwas mehr Kontrolle über die Situation haben würde. Als sie auf die Matratze zurückfiel, drehte sich ihr Arm unter ihr und sie ließ ein kleines 'Au' aus. Sie bereute es sofort.

 

Er war in weniger als einer Sekunde von ihr runter. Völlig von ihr runter, vom Bett runter, auf seinen Füßen, keuchend und mit dem Kopf schüttelnd.

 

Sie hätte über das lächerliche Bild, das er abgab, gelacht, er stand nach vorne gebeugt da, die Hände auf den Knien, sein Ständer ließ den Schritt seiner Hose auf eine fast obszöne Art und Weise wie ein Zelt wirken, wenn es doch nur komisch gewesen wäre. Doch das war es nicht wirklich. Ihr war zum Heulen zumute. Warum hatte sie es zugelassen, Schmerzen zu zeigen?

 

"Mulder..."

 

"Scully das... wir können nicht... ich kann nicht... wir müssen aufhören."

 

Nein! Sie weigerte sich, das geschehen zu lassen. Sie war nicht soweit gekommen, um jetzt aufzuhören.

 

"Mulder, es ist in Ordnung. Es ist okay. Bitte, komm zurück."

 

Er schüttelte wieder heftig mit dem Kopf. Das konnte nicht weitergehen. Er würde ihr wehtun. Er würde sterben. Das musste aufhören.

 

"Ich kann nicht... kann dir nicht so wehtun. Ich WILL nicht!"

 

Ihm wurde klar, dass er ohne Grund schrie und fast ununterbrochen zitterte und drehte sich von ihr weg. Er musste hier raus, musste sich von diesem Brennen in seiner Leistengegend Erleichterung verschaffen, so dass er wieder wie ein verdammter Mensch handelt könnte.

 

"Mulder, du hast mir nicht wehgetan. Ich hab mir selbst ein wenig wehgetan. Es ist jetzt besser. Es ist nichts. Geh nicht, Mulder. Hör nicht auf."

 

Sie bettelte und sie wusste das. Er hatte sie zu einer bettelnden Masse reduziert. Doch was konnte sie sonst tun? Mulder hatte sich ganz von ihr weg gedreht und sich an die Fensterbank gegenüber dem Fußende ihres Bettes gelehnt, sein Rücken war gebeugt und sein ganzer Körper zitterte. Sie konnte ihn immer noch heftig atmen hören. Er versuchte so sehr, das Richtige zu tun. Und es zerstörte sein letztes bisschen an klarem Verstand.

 

Es verlangte ihn danach, sie zu nehmen, so wie sie es brauchte, von ihm genommen zu werden. Es war Zeit, es ihm wirklich zu zeigen, ihn dieses Verlangen wirklich sehen zu lassen.

 

"Mulder..." seufzte sie und er brannte bei dem Laut. Er hörte, wie sie sich ein wenig hin und her bewegte, das schwache Geräusch von Seide, die über Haut glitt und einen weiteren Seufzer. Sie zog die Hose ihres Pyjamas aus, er wusste es einfach. Blauer Streifen, blauer Streifen, blauer Streifen, sieh nicht hin, dreh dich nicht um, wenn du hinsiehst, bist du ein toter Mann, blauer Streifen, blauer Streifen, blauer Str...

 

"Mmmmmulder... ich brauche dich. Ich brauche dich hier."

 

Es war Neugierde, ein brennendes Verlangen, es zu wissen, das es ihm wirklich antat. Er wusste, dass sie jetzt möglicherweise nackt war. Doch da war noch mehr. Er hörte sie seufzen und wie sie sich hin und her bewegte und er musste es wissen, er musste es sehen.

 

Mulder warf einen nervösen Blick über seine Schulter und sein Herz blieb völlig stehen. Er hatte recht gehabt. Sie war völlig nackt, saß aufrecht gegen das Bettende gelehnt da, ihren Kopf hatte sie zurückgeworfen und ihre Beine an den Knien gebeugt, gespreizt, ihr gebrochener Arm ruhte an ihrer Seite und ihre gesunde Hand... Gott, ihre gesunde Hand, sie war zwischen ihren Beinen. Sie berührte sich verdammt noch mal selbst, masturbierte genau vor seinen verdammten Augen, mitten in dem verdammten Krankenhaus.

 

Das musste die verrückteste Sache sein, die sie je getan hatte. Sie konnte kaum glauben, dass sie die Kühnheit dazu hatte. Doch es war nicht wirklich Courage, sondern Verzweiflung, die sie soweit getrieben hatte. Sie war bereit, alles zu tun.

 

Es fühlte sich gut an, sich selbst so zu spüren, doch es war nicht gut genug. Sie brauchte seine Hände, seinen Mund. Obwohl seine Augen fast genauso gut waren. Er hatte sich ganz umgedreht um sie anzusehen, fast in Zeitlupentempo und hatte sich nach vor gebeugt, umklammerte seine Knie, so als ob er mächtig vermöbelt worden wäre, seine Augen verließen niemals ihren Körper.

 

Er sah total verwirrt aus, fast als ob er Schmerzen hätte. Er tat ihr fast leid. Fast.

 

Sie wusste dass er von dort, wo er stand und von der Art, wie sie dasaß, absolut alles sehen konnte, was sie tat, jede Bewegung ihrer Finger, jedes Detail des intimsten Ortes ihres Körpers. Keine Geheimnisse mehr. Sie dachte, wenn du dabei bist es zu tun, kannst du es genauso gut gleich ganz machen.

 

Mit ihrer Hand zog sie für ihn ihre Falten auseinander, zeigte ihm ihre Klitoris und umkreiste sie sanft mit ihrem Mittelfinger.

 

"Mmmmulder, das fühlt sich so gut an..."

 

Er kaute auf der Innenseite seiner Wange, versuchte Blut zu schmecken, um etwas anderes zu fühlen. Dünne blaue Irgendwas... woran zum Teufel sollte er gleich denken? Gott, es war einfach zuviel. Er fragte sich, ob es für eine Erektion möglich wäre, tatsächlich aus eigenem Antrieb durch einen Reißverschluss zu brechen. Es fühlte sich an, als ob es ihn tatsächlich ziehen würde, quer durch den Raum und an das Fußende ihres Bettes, um ihr näher zu sein.

 

Er schmeckte etwas Metallisches in seinem Mund, doch da hatte er schon wieder vergessen, was er versucht hatte zu tun.

 

"Mulder... oooh Gott... ich brauche dich, Mulder," stöhnte sie und sein Verstand wurde durch das Bild von dem, was sie brauchte, überflutet, was sie sich vorstellte, fühlte, wollte. Mit einem Stöhnen sank er am Fußende ihres Bettes auf die Knie. Er hörte seine Knie auf dem Boden knacken, doch er spürte es nicht.

 

Mulder könnte ihr das geben. Das würde okay sein. Es musste ihr nicht wehtun. Nur diese eine Sache.

 

Scully fühlte seine Hände an ihren Knöcheln. Er zog an ihr und sie glitt hinunter zum Bettrand. Ihre Beine baumelten über die Seite und ihr Schritt war nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Als sie da war, zog er ihre Hand von ihrem Körper.

 

"Hör auf, Scully. Hör auf. Du musst damit aufhören," keuchte er und drückte ihre Hand auf die Matratze hinunter. Sie lächelte. Endlich. Und dann keuchte sie selbst und als sie fühlte, wie sein Mund sie bedeckte, besuchten ihre Augen ihren Hinterkopf.

 

Nur diese eine Sache, sagte er sich selbst nochmals, als er seine Zunge wieder und wieder über ihre Klitoris gleiten ließ. Nur diese eine Sache und sie wird glücklich sein und ich werde glücklich sein und dann kann ich gehen. Nach Hause gehen, in das Badezimmer gehen, irgendwohin gehen, es ist verdammt egal wohin. Doch nicht hier, nicht hier, nicht hier. Sie würde nachher möglicherweise einschlafen. Wenn er es wirklich gut machte, würde sie hinterher einfach einschlafen, so wie er es nach einem erstaunlichen Orgasmus immer tat.

 

"Ah Mulder... Gott... oh Baby... ja..."

 

War sie das? Sprach sie mit ihm? Es funktionierte. Es funktionierte tatsächlich. Sie mochte es. Es war zuviel. Warum musste sie so viel Krach machen? Nannte ihn BABY? Jesus Christus. Er ballte eine Hand zur Faust und stieß mit der anderen in sie, um sich selbst davon abzuhalten, seine Erektion zu berühren.

 

Blaue Streifen und weiße Wände. Planet der Affen. Hör einfach dem 'Planet der Affen' statt ihr zu.

 

'Hüte dich vor der Bestie, da sie des Teufels Schachfigur ist...'

 

Es war Cornelius. Er mochte Cornelius. Denk an Cornelius. Cornelius wusste eine Menge über Bestien. Vielleicht konnte er helfen.

 

Sei keine Bestie, sei aufmerksam, denk nicht daran, was du tust, was sie sagt, wie sie riecht, wie ihr Saft dein Kinn hinunterläuft und an deinen Bartstoppeln hängenbleibt, komm verdammt noch mal nicht in deinen Hosen.

 

"Gott, Mulder... so gut, das fühlt sich so gut an..."

 

Oh Scully, halt die Klappe, halt die Klappe, ich liebe dich, aber halt die Klappe! Bitte! Er fragte sich, wie lange das dauern würde, wie viele Minuten er zuhören musste, wie sie diese Dinge zu ihm sagt.

 

Plötzlich und unerwartet wurde Scullys ganzer Körper völlig steif. Das war es, oh Gott, das war es wirklich. Schon?

 

Sie packte seinen Hinterkopf und zog ihn gegen sich und dann, bevor er eine Chance hatte, an Streifen oder Affen oder Bestien zu denken, zitterte und zuckte sie gegen ihm und wickelte ihre Beine eng um seinen Hals und redete mit ihm. Gott, als sie an seinem Gesicht kam, redete sie mit ihm einfach weiter, sagte ihm, wie es sich anfühlte, wie stark sie kam, und das alles in der sanftesten, sexiesten Stimme die er sich vorstellen konnte und sie wimmerte, versuchte nicht, wie am Spieß zu schreien und die Krankenschwestern zu alarmieren.

 

Nachdem, was der längste Orgasmus, den er je gesehen hatte war, seufzte sie und ihr ganzer Körper wurde schlaff. Er zog sich von ihr zurück und plazierte einen zarten Kuss auf ihren Bauch. Es war Zeit zu gehen. Die Frage war, konnte er aufstehen?

 

Mulder, es war Mulder. Danke Jesus, es war Mulder.

 

Sie lag einen Moment lang mit geschlossenen Augen da, sonnte sich in der Empfindung, endlich diesen herrlichen Mund zwischen ihren Beinen gehabt zu haben. Konnte sie von ihrem Leben noch mehr als das verlangen?

 

Ja. Ihn. Sie haltend. Neben ihr. Auf ihr. In ihr.

 

Sie schob sich mit noch geschlossenen Augen hoch zum Kopfende des Bettes und wartete auf ihn. Ein weiterer langer Moment verstrich und er war immer noch nicht da. Sie öffnete ihre Augen, um ihn, mit seinen Händen auf dem Türknauf dastehend, nervös auf sie zurückblickend, zu ertappen. Als er sah, wie sie ihre Augen öffnete, sah er erschrocken aus.

 

"Ich äh... ich dachte, dass du schliefst... schläfst, eingeschlafen bist..."

 

"Mulder, was tust du?"

 

Er zuckte mit den Schultern und ließ den Türknauf los, fuhr sich mit seiner Hand durch sein Haar. Er sah so aus, als ob er nun ernsthafte Schmerzen hätte, seine Augen waren verengt und schielten und er kaute auf seiner Lippe. Sein Körper war immer noch vornüber gebeugt.

 

"Ich habe... äh, gedacht... ich war dabei, zu äh... gehen."

 

"Gehen? Du warst dabei, zu gehen? Mulder... warum?"

 

"Ich muss... ich habe äh... ich habe noch etwas zu erledigen..."

 

Scheiße. Warum schlief sie nicht? Er war sich sicher gewesen, dass sie nach diesem Orgasmus einfach wegtreten würde.

 

"Ich dachte, dass du ähm... müde bist, Scully."

 

"Müde? Nein Mulder. Ich bin nicht müde. Nicht im geringsten. Tatsächlich fühle ich mich sehr angeregt, erfrischt."

 

Großartig. Angeregt. Das war einfach großartig.

 

"Mulder, du wirst dieses Zimmer nicht wirklich einfach so verlassen, oder?"

 

"Wie... wie was?"

 

Sie schnaubte ungläubig. Sicherlich war ihm klar, wie er aussah. Diese Hose war wirklich eine schlechte Wahl gewesen. Und was zum Teufel dachte er sich überhaupt dabei? Konnte er möglicherweise immer noch Angst davor haben, dass sie das nicht wollte? Oder hatte er wegen diesem dummen Arm Angst davor, ihr wehzutun? Die Tatsache, dass sie in einem Krankenhaus waren? Das war alles so lächerlich.

 

"Mulder, komm her. Komm her und gib mir zumindest einen Abschiedskuss, bevor du gehst."

 

Oh Scully. Wie soll ich das tun können? Wie soll ich dich wieder küssen und dann überhaupt noch dazu fähig sein, zu gehen?

 

Doch sie sah ihn wieder auf diese Art an und sie musste noch nicht mal bitte sagen und Gott, sie war so verdammt nackt. Nur ein Kuss. Nur ein kleiner Kuss und dann würde er nach Hause gehen. Er konnte einen weiteren kleinen Kuss überleben.

 

Doch er war nicht klein. Es war noch nicht mal ein Kuss. Jedenfalls nicht wie einer, den er jemals hatte. Es war lecken und beißen und schlagen und feucht und wild und es war sie. Es war Scully. Scully ließ ihre Zunge über seine Lippen laufen, seine Zähne, sein Kinn, schmeckte sich selbst auf seinem ganzen Gesicht und zog seinem Kopf zu sich und zum zweiten Mal hatte sie ihn. Er verlor sich selbst und vergaß, wo er war und warum er sie zuvor noch verlassen wollte und die Tatsache, dass sie immer noch krank war, weil er sie wieder küsste und nicht anderes zählte. Nichts anderes existierte.

 

Als er mit ihr zurück in das Bett krabbelte, lächelte sie triumphierend gegen seine Lippen. Ihre Zungen trafen sich in der Luft und sie kletterte wieder auf ihn, stöhnte bei dem Gefühl ihres nackten Körpers an seinem bekleideten. Aus irgendeinem Grund war das sehr erregend. Da war etwas gefährliches, fast obszönes daran.

 

Er schien das auch zu denken, da er erbärmliche, wimmernde Geräusche in seiner Kehle machte und seine Hände mit einer Verzweiflung, die sie noch nie bei jemanden gespürt hatte, über ihren Körper gleiten ließ.

 

Es war an der Zeit. Der arme Kerl hatte lange genug gewartet. Und das hatte sie auch.

 

Sie fasste zwischen ihre Körper, zog an dem Knopf seiner Hose und öffnete den Reißverschluss. Sie war überrascht und erfreut, darunter nichts als Mulder vorzufinden. Abwesend fragte sie sich, wie oft er schon neben ihr gestanden hatte, sie umarmt hatte, mit nichts außer seiner Hose zwischen ihnen.

 

Mulder registrierte kaum, was sie tat, bis er ihre heiße kleine Hand auf seinem Schwanz fühlte. Er wollte damit aufhören, sie zu küssen, um ihr zu sagen, dass sie aufhören sollte, ihn zu berühren, oder er würde eine große Schweinerei machen, doch es fühlte sich so gut an. Es fühlte sich einfach so gut an.

 

Und dann... oh Gott... es war Scully.

 

Sie balancierte auf ihren Knien und positionierte sich selbst über ihm, glitt mit einer einzigen Bewegung hinunter, nahm ihn vollständig in sich auf. Seine Augen sprangen auf und sein Griff an ihrer Taille wurde fester und sein ganzer Körper zuckte heftig unter ihr und er schrie in ihren Mund, Schrie wie eine verdammte Banshee und ihr wurde klar, dass er kam.

 

Es war Scully. Oh Gott, es war Scully und sie fühlte sich so gut an, besser als er je geglaubt hatte, dass sich etwas anfühlen könnte. Es war Scully. Gott, es war Scully.

 

Und er kam. Gott, er kam. Oh Gott.

 

Nein. Oh Gott, nein.

 

Sie fühlte, wie er sich in ihr entleerte und genoß die Empfindung. Als er fertig war, hörte sie auf, ihn zu küssen und sah in sein Gesicht. Seine Augen waren geschlossen und er keuchte schwer. Es war komisch. Das alles war so verdammt komisch. All das Theater, das er darüber gemacht hatte, dass sie in einem Krankenhaus waren und erwischt werden könnten und da war er, schrie sich die Seele aus dem Leib, fast so, als ob er den Schreck seines Lebens hätte. Und all die Zeit, all das Warten und das war’s. Er ist in weniger als fünf Sekunden gekommen. Es war bezaubernd. Und komisch. Gott, es war so komisch.

 

Sie begann, auf ihm zu kichern und als sie damit angefangen hatte, konnte sie nicht aufhören. Sie rollte von ihm runter und brach in einen fürchterlichen Lachanfall aus.

 

Mulder nickte. Das war komisch. Sie lachte völlig zu Recht. Das war möglicherweise das komischste, das sie je gesehen hatte. Er hatte sie schließlich zum Kichern gebracht. Zu schade, dass er sie dabei nicht beobachten konnte, da er es nicht einmal ertragen konnte, seine Augen zu öffnen. Er musste sie fest zusammenpressen, um die Tränen zurückzuhalten.

 

Was zum Teufel? Was verdammt noch mal? Konnte es ein noch erbärmlicheres Individuum geben? War es überhaupt denkbar?

 

Nein. Er war der größte, erbärmlichste Verlierer auf dieser Erde.

 

Was zur Hölle sollte er nun tun? Es ihr wieder mit dem Mund besorgen? Würde sie das nach all dem überhaupt noch wollen? Würde sie überhaupt noch wollen, dass er im gleichen Zimmer war?

 

Gott, warum musste er in allem ein so verdammter Verlierer sein? Sechs verdammte Jahre. Sechs Jahre des Aufbaus, der Erwartung, des Wartens darauf, was der beste Sex in ihrem Leben sein sollte und er hatte, wie eine verdammte sechzehnjährige Jungfrau, in zwei verdammten Sekunden seine Ladung verschossen. Jesus Christus, er war noch nicht mal bei seinem ersten Mal so erbärmlich gewesen.

 

Und sie lachte immer noch. Und er hatte immer noch seine verdammte Kleidung an.

 

Schließlich war er dazu in der Lage, seine Augen zu öffnen und sah an sich hinunter. Die Tränen waren befreit und liefen seine Wangen hinunter, als er sah, wie wahrhaftig lächerlich er mit seinen schmutzigen Hosen und seinem heraushängenden, nun schlaffen Penis aussah. Gott, sie hatte Recht damit, so zu lachen. Er war ein verdammter Witz.

 

Unfähig dazu, die Lage seines unerträglich lahmen und enttäuschenden Penis zu ertragen, fasste er nach unten, zog den Reißverschluss seiner Hose zu und drehte sich um, schwang seine Beine über die Bettkante und wandte Scully den Rücken zu. Er vergrub seinen Kopf in den Händen und befahl sich selbst, mit dem Weinen aufzuhören. Es war möglicherweise das Einzige, das diese Situation noch erniedrigender machen könnte.

 

Durch den Schleier ihres hysterischen Anfalls bemerkte Scully, dass Mulder sich von ihr weg bewegt hatte. Sie schluckte ihr Kichern hinunter und schnaubte, als sie sah, wie er sich über die Bettseite beugte.

 

Sie streckte ihre Hand aus und streichelte sein Haar und er riß sich tatsächlich von ihrer Berührung los. Oh Gott, sie hatte das wirklich verdorben. Gründlich.

 

"Mulder? Mulder, es... es tut mir leid..."

 

"Das braucht es nicht. Es ist komisch. Ich habe gelacht. Wer zum Teufel würde das nicht."

 

Seine Stimme krächzte und sie weinte fast selbst. Natürlich würde er das als eine Art Versagen sehen. Natürlich würde er ihr Lachen als Gespött ansehen. Es war Mulder. Es hätte ihr klar sein müssen.

 

"Mulder, ich habe gelacht weil es... na ja, es war süß."

 

Süß. Sie dachte, es war süß. Genauso wie er es sich erträumt hatte, dass sie ihr Liebesspiel beschreiben würde. Es war für ihn jetzt definitiv an der Zeit, nach Hause zu gehen.

 

"Mulder, es tut mir leid. Ich hätte das nicht tun sollen..."

 

"Du hättest was nicht tun sollen, Scully? Einen erbärmlichen Verlierer bumsen?"

 

Sie verdrehte ungläubig ihre Augen und versuchte, das überwältigende Bedürfnis, ihn besinnungslos zu schlagen, zu unterdrücken.

 

"Ich hätte dich nicht so lange warten lassen sollen, Mulder. Ich hätte dich nicht so necken dürfen. Du warst bereit, als du hierher gekommen bist. Ich meine, es war unvermeidlich..."

 

"Scully, hör auf. Hör einfach auf."

 

Das letzte, was er wollte, war ihr Mitleid und ihr herablassendes Verhalten. Und wenn sie auch nur versuchte, ihm zu erzählen, dass diese Erfahrung für sie sogar ein wenig vergnüglich war, war er sich sicher, dass er sie würgen würde.

 

"Mulder, es ist okay. Ich finde nicht..."

 

"Ich werde jetzt gehen, Scully. Ich muss gehen."

 

Gott, nicht das schon wieder. Wie oft würde sie mit ihm deswegen kämpfen müssen?

 

"Du gehst jetzt? Einfach so? Holst dir einfach, was du brauchst und dann gehst du, Mulder?"

 

"Gott, Scully, es ist nicht... so ist das nicht. Ich muss nur..." Er drehte sich zu ihr um, versuchte sie dazu zu bringen, es zu verstehen. Sobald er ihr trotziges, kleines Gesicht und ihren nackten Körper dasitzen sah, musste er sich wieder umdrehen. Was für ein erbärmlicher Schwanzlutscher er doch war. Er war sich sicher, dass er nie wieder eine weitere Gelegenheit bekommen würde, diesen Körper zu berühren.

 

"Ich kann dir im Moment noch nicht mal ins Gesicht sehen, Scully, ich muss jetzt gehen."

 

Er begann, sich vom Bett zu erheben und sie griff nach seiner Hand.

 

"Verdammt Mulder, ich sagte, dass es okay ist. Ich liebe dich. Erinnerst du dich? Ich liebe dich und ich bin mir sicher, dass du es beim nächsten Mal ähm... auf eine Art und Weise machen wirst, die für dich zufriedenstellender ist."

 

"Beim nächsten Mal?" Er konnte nicht glauben, dass sie ihm noch eine weitere Chance geben wollte. "Es gibt ein nächstes Mal?"

 

"Oh Mulder," lachte sie. Wie konnte man nur so dumm sein? "Ich hoffe doch sehr, dass es das gibt."

 

Sie berührte sein Gesicht und er war dazu fähig, sie anzusehen und lächelte schwach.

 

"Ich liebe dich, Mulder. Ich weiß nicht, was ich sonst noch sagen kann."

 

"Du könntest sagen, dass das nicht die schlimmste Nummer deines ganzen Lebens war," bot er hoffnungsvoll an.

 

"Ähm... Mulder, das war die schlimmste Nummer meines ganzen Lebens."

 

Er nickte verstehend. Natürlich war es das.

 

"Doch Mulder, es war auch die erstaunlichste Erfahrung, die ich beim Sex je hatte. Die Gefühle, zu sehen, wie sehr du mich wolltest, das war wundervoll," murmelte sie, zog ihn zurück, damit er wieder an ihrer Seite lag. Es war die Wahrheit. Sie hatte in ihrem Leben noch nie so ein unbesonnenes Gefühl von Stärke gespürt. Zu wissen, dass sie das bei ihm bewirken konnte, es war beeindruckend.

 

Er drückte den Knopf an der Seite des Bettes, brachte die Matratze in eine liegende Position und zog die Decke über sie. Dann rollte er sich auf die Seite und schlang seine Arme um sie, vergrub seinen Kopf an ihrer Brust. Vielleicht würde es okay sein. Es fühlte sich okay an. Gott, es fühlte sich besser als okay an.

 

"Das waren erstaunliche zwei Sekunden, Scully, oder nicht?"

 

Als ihre Augen zufielen, nickte sie. "Die besten meines Lebens, Mulder. Mmmm müde. Ich denke, dass die Medikamente ihre Wirkung zeigen."

 

"Bist du sicher, dass es die Medikamente sind und nicht die überwältigende sexuelle Befriedigung, Scully?"

 

"Na ja, ich wollte es dir nicht sagen... ich denke, du könntest zuviel Mann für mich sein, Mulder."

 

Er lachte an ihren Brüsten und drückte sie noch fester. Er fragte sich, wie sie es schaffte, dass alles wieder gut wurde. Er fragte sich, ob es möglich war, sie noch mehr zu lieben.

 

"Willst du dir den Rest des Filmes ansehen, Scully?"

 

Sie antwortete nicht, hoffte, dass er denken würde, sie wäre eingeschlafen und damit sein Quasseln ein wenig einstellen würde.

 

"Scully?"

 

Mulder sah auf und sah, dass ihre Augen geschlossen waren und sie ein friedliches Lächeln auf ihren Lippen hatte. Er blickte wieder zum Bildschirm und sah, wie sein alter Freund Charlton eine Waffe auf Cornelius richtete.

 

'Versuchen Sie nicht, mir zu folgen. Ich kann damit ziemlich gut umgehen,' warnte er.

 

'Dessen bin ich mir sicher. Mein ganzes Leben habe ich auf Ihr Kommen gewartet und es gefürchtet.'

 

Mulder drückte den Aus-Knopf auf der Fernbedienung und fragte sich, warum er nie bemerkt hatte, wie sexuell dieser Film war. Er drehte auch die Nachttischlampe ab und kuschelte sich in der Dunkelheit wieder an Scully.

 

Aus irgendeinem seltsamen Grund begann er wieder, zu weinen. Keine Tränen der Traurigkeit oder der Scham, sondern vielmehr eine neue, seltsame Sache, von der er sich sicher war, sie niemals zuvor gefühlt zu haben. War es Glück? War das dieses seltsame Flattern in seinen Magen?

 

"Ich liebe dich, Scully," krächzte er leise an ihrem Hals.

 

"Ich bin so froh," flüsterte sie zurück.

 

"Hey, du solltest schon längst schlafen. Du hast mich reingelegt."

 

"Mulder?"

 

"Hmm?"

 

"Ich schlafe. Pssst."

 

Er lächelte und presste einen Kuss auf ihre warme, weiche Haut.

 

"Ich liebe dich so sehr," flüsterte er wieder und dieses Mal war sie wirklich eingeschlafen. Er blieb noch für einige Stunden wach, bewachte ihren Schlaf und hielt sie und machte sich selbst und ihr mehrere stille Versprechen, dass er es das nächste Mal viel, viel besser machen würde.

 

Ende: Desideratum II: Gefunden