DESIDERATUM
Autoren: Rachel Anton und Laura Blaurosen
RaValliano@aol.com
und Mezzo4@aol.com
Titel:
Desideratum II: Gefunden
Originaltitel: Desideratum II: Found
Rating:
NC-17
Kategorie:
S, A, R
Schlüsselwörter: MSR, Angst
Spoiler: Gehen wir sicher und sagen 5.
Staffel und FTF.
Dementi: Uns gehören Mulder, Scully,
Skinner, Bill und Maggie Scully und der Begriff von Charles Scully nicht. Alle
anderen Charaktere sind unsere eigenen.
Verteilung: überall, solange unsere Namen
und unsere e-mail-Adressen dabei stehen
Zusammenfassung: Wie weit kann man im Namen
der Liebe gehen?
Wie immer, danke an Amy für Ansporn und Rat
Übersetzung: ClaudiaQueequeg (queequeg@myrealbox.com) und Sylvia (aktex_sm@hotmail.com)
*****
Desideratum
II: Gefunden
Kapitel 1/11
Freitag, 5 Uhr morgens
Georgetown Medizinisches Zentrum
Mulder rutschte an dem harten
Krankenhausstuhl hinunter und versuchte die Augen geschlossen zu halten. Nur
für eine Minute. Er wusste, dass er etwas Schlaf brauchte. Er lief schon auf
der Reserve. Schon bevor sie sie gefunden hatten, hatte er zwei Tage lang nicht
geschlafen und das war bereits fast achtundvierzig Stunden her. Doch selbst
jetzt war er zu verspannt, viel zu vollgepumpt mit Adrenalin, um sich fallen zu
lassen.
Scully war noch bewusstlos. Die Ärzte
schienen zu denken, dass das okay war. Sie hatte eine große Menge von
Halluzinogenen in ihrem Blut und hohes Untergewicht, doch sie sagten, dass sie
sich um das alles kümmern würden. Dass sie früh genug aufwachen würde, sobald
ihr Körper sich die Zeit genommen hatte, sich zu erholen und sie wieder zu
Kräften gekommen war. Sie würde wieder okay sein. Das war es, was sie sagten.
Zumindest körperlich. Psychisch... das war eine andere Sache. Eine, über die
sich Mulder nur kurz erlaubt hatte zu spekulieren. Bei so einem Trauma war es
schwer einzuschätzen, was für eine Art von psychologischem Schaden
zurückbleiben würde. Es hing von den Dingen ab, die Jane zu ihr gesagt oder ihr
angetan hatte. Und es gab keinen Weg, das herauszufinden, bis sie aufwachen und
es ihm erzählen würde. Wenn sie es ihm erzählte.
Mulder hatte keine Ahnung, ob sie es tun
würde. Die Wahrheit war, dass er nicht einmal überrascht wäre, wenn sie ihn nie
wiedersehen wollte. Letztendlich war diese Sache, mehr oder weniger, nur wegen
ihm geschehen. Er hatte diese psychotische Schlampe in ihr Leben, in ihrer
beider Leben, gebracht. Er war es gewesen, auf den sie so fixiert gewesen war,
den sie durch Scullys Entführung zu bekommen versucht hatte.
Bei der weiteren Durchsuchung ihrer Wohnung
wurden neben ihrem kleinen Schrein für Mulder noch einige andere persönliche
Dinge von ihm entdeckt. Es schien, als ob sie durch ihre Schnüffelei und
anderen Zudringlichkeiten genug über ihn gemutmaßt hatte, um zu wissen, dass
das einzige Hindernis zwischen ihr und dem Objekt ihrer Begierde Scully war.
Sie wusste, möglicherweise besser als jeder andere, wie er für Scully empfand.
Möglicherweise weit besser, als Scully selbst es wusste. Das machte Mulder
krank genug, um sich zu übergeben. Und er hatte sich übergeben. In den
vergangenen Stunden war er zwischen Scullys Bett und der Toilette hin und her
gewandert.
Es war, als ob seine schlimmsten Ängste zur
Realität wurden. Zum millionsten Mal. Jemand hatte Scully benutzt, um an ihn
ranzukommen. Hatte sie verletzt, um ihn zu manipulieren. Er fragte sich, warum.
Warum war es das Los seines Lebens, dass die Menschen,
die er liebte, seinetwegen endlos gefoltert wurden? Dieses Mal war es nicht das
Konsortium oder irgendeine dunkle unbekannte Macht gewesen. Es ist seine
verdammte Putzfrau gewesen, um Himmels willen. Werden sie jemals sicher sein?
War denn die ganze Welt gegen sie?
Mulder seufzte und rutschte wieder
unbehaglich umher. Zumindest würde er sie endlich sehen können. Als die Ärzte
ihre Untersuchungen beendet hatten, hatten sie ihm erklärt, dass es, bis sie
aus der Intensivstation verlegt werden konnte, nur der unmittelbaren Familie
gestattet war, sie zu sehen. Er würde es niemals schaffen, den selbstgefälligen
Blick, den ihm Bill Scully deswegen zugeworfen hatte, zu vergessen. Charlie
hatte ihn verteidigt, hatte vehement protestiert, dass Mulder zur Familie
GEHÖRTE, doch niemand sonst hatte dieser Feststellung zugestimmt.
Deshalb hatte er gewartet, bis Mrs. Scully,
Bill und Charlie nach Hause gegangen waren und dann damit begonnen, die größte
Krankenhausszene in seiner langen Geschichte von Krankenhausszenen zu machen.
Er schaffte es, sie zu überzeugen, dass sie immer noch in Gefahr war und dass
er ihr persönlicher FBI-Leibwächter wäre. Nachdem er lange genug herumgebrüllt
und mit seiner Marke herumgewedelt hatte, wurde ihm schließlich der Zugang
gewährt und seitdem war er an ihrer Seite.
Scully bewegte sich im Schlaf. Es war die
erste Bewegung von ihr, die er, seitdem sie in Ohnmacht gefallen war, gesehen
hatte. Er hielt ihre Hand noch fester in der seinen. In den vergangenen neun
oder zehn Stunden hatte er sie gehalten und gehofft, dass sie es fühlen konnte,
dass es irgendeine Art von Rettungsleine für sie sein könnte.
Er überprüfte die Monitore, an die sie angeschlossen
war. Die Linien bewegten sich und zuckten in der verhältnismäßigen Dunkelheit
des Raumes. Sie wachte auf. Oder zumindest glitt sie nun von ihrer
Bewusstlosigkeit in das Schlafstadium.
Mit seiner freien Hand berührte er leicht
ihr Gesicht.
"Scully? Bist du da?" Ihre Haut
war kalt und klamm. Als er sie berührte, zuckte sie. Der ruhige, friedliche
Ausdruck auf ihrem Gesicht veränderte sich. Sie sah angespannt und beunruhigt
aus.
"Scully, es ist okay. Du bist
okay." Er beugte sich über sie und flüsterte in ihr Ohr. "Shhh, es
ist jetzt okay." Ihr Körper zuckte und bevor er überhaupt wusste, was
geschah, begann sie wild um sich zu schlagen. Sie sah aus, wie er während
seiner schlimmsten Alpträume, schlug blindlings nach unbekannten Angreifern und
zog an den Bettlaken. Und an ihrer Infusion. Gott, ihr Gips! Sie war überall.
Und sie würde sich noch verletzen, wenn er sie nicht aufhielt.
Mulder tat das einzige, woran er denken
konnte. Er kletterte zu ihr in das winzige Bett, nahm sie in seine Arme und versuchte
verzweifelt, sie aufzuwecken.
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"Du denkst, du kannst mir so
einfach entkommen, du kleine Schlampe?"
Scully öffnete ihre Augen, um Jane
wiederzusehen, ihre Augen blickten wilder denn je. Scullys Herz hämmerte vor
Sorge, was diese Frau ihr wohl als nächstes antun könnte. "Nein, bitte,
Jane. Bitte nicht."
Doch wohin war Mulder gegangen? Sie hätte
schwören können, dass er gerade da war. Und Charlie? Es war Charlies Stimme,
die sie gehört hatte. Und Mulder. Mulder hatte versprochen nicht zu gehen...
"Mulder, wo ist Mulder?"
"Er ist, verdammt noch mal, nicht hier.
Er kümmert sich nicht um DICH!" schrie Jane. "Verflucht seist du,
Dana Scully. Verflucht seist du, du hässliche Hexe." Sie sprang auf
Scully, nagelte sie mit ihrem Bein an das Bett, ihr Knie war gegen Scullys
Brustbein gepresst und schnürte ihr den Atem ein. "Du schlechtes,
hässliches Stück..." Sie packte sie am Hals und drückte zu.
"...NICHTS!"
"Nein." Scully versuchte zu
schreien und griff nach Jane, schlug mit ihren Fäusten wild nach ihr und wand
sich. Sie konnte Jane nicht abschütteln, konnte nicht atmen. "Nein, nicht,
gottverdammt! Lassen Sie mich in Ruhe, bitte,"
schrie sie. "Nein, bitte, bitte, Aufhören. Hören Sie auf! NEIN!"
"SCULLY!" hörte sie, aber es war
nicht Janes Stimme die sie hörte. "Nein! Lass mich in Ruhe!" schrie
sie und schlug weiter mit ihren Fäusten um sich. "Scully, bitte, öffne
deine Augen. Öffne deine Augen und sieh mich an."
Langsam bemerkte sie Mulders Gegenwart. Er
lag neben ihr und hielt sie noch an ihren Armen. Scully starrte ihn an, die
Augen für einen Moment lang geweitet vor Terror. Gott sei Dank, er war hier. Er
war hier. Oh, danke Gott. Sie konnte es nicht verhindern und fing an zu weinen.
Und begann bald, zu Hyperventilieren. Mulder; sie musste ihm von ihr erzählen.
"Mulder, lass nicht zu..." Sie
keuchte zweimal. "Sie...sie- lass nicht zu, dass sie mir noch mal wehtut.
Mulder, sie hat mir wehgetan." Da sie unfähig war, ihren Atem unter
Kontrolle zu bringen, hörte sie auf zu sprechen.
"Scully, komm schon, du musst dich
entspannen. Komm schon, *atme* mit mir, atme." Er nahm einen tiefen
Atemzug und drückte sie an sich, dann ließ er ihn langsam hinaus. "Ein.
Aus. Ein. Aus. Niemand wird dir noch wehtun,"
flüsterte er ihr ins Ohr.
"Wo ist sie, Mulder, wo ist sie? Du
musst-" "Die Polizei hat sie weggebracht. Sie wird dir nicht mehr
wehtun. Das kann sie nicht. Du bist jetzt im Krankenhaus." Er streichelte
rhythmisch ihre Haare.
Scully rückte weg, sah ihn an und versuchte,
sich auf ihn zu konzentrieren, um sicher zugehen, dass er real war. Im Zimmer
war es dunkel und inzwischen war ihr ein wenig bewusst, dass sie in einem
Krankenhausbett war. Warum Mulder neben ihr im Bett lag, wusste sie nicht, doch
er war es ganz sicher. Sie kannte seine Gestalt besser als jede andere. Und sie
war froh, dass er hier war.
Sie konnte ihn nicht völlig klar sehen,
"Ich dachte," schluchzte sie, "Ich
dachte, dass du mich nicht finden wirst. Ich dachte, dass du mich nicht finden
wirst."
"Gott, Scully, es tut mir so..."
Einen Moment hielt er inne und sah in ihr verletztes Gesicht. "...so
leid."
Scully konnte sich nicht vom Weinen
abhalten. Zum Teil aus Erleichterung und zum Teil aus noch vorhandenen
Angstgefühlen. Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
"Mach weiter und weine, Scully," hörte sie ihn leise sagen. "Tu es
einfach."
"Geh nicht, Mulder. Versprich mir, dass
du nicht gehen wirst." Sie bewegte ihren linken Arm so, dass sie ihn noch
näher halten konnte und wimmerte leise an seiner Brust.
"Ich werde nirgendwohin gehen,
Scully."
Nach wenigen Augenblicken fragte sie,
"Mulder?" "Ja?" "Wie spät ist es?"
Sie fühlte, wie er zitterte. "Du hast
keine Ahnung, wie froh ich bin, dass du mich das fragst."
"Du bist so einfach zufrieden zu
stellen," murmelte sie, als er sie sachte zurück
in die Kissen legte und sich neben ihr ausstreckte.
"Ruh dich jetzt nur aus, Scully. Ich
werde hier sein."
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Samstag
12:35
Mulder ging nervös durch den Korridor zu
Scullys Zimmer. Sie war nun endlich aus der Intensivstation verlegt worden und
fühlte sich vermutlich etwas besser. Es war das erste Mal, dass er sie, nachdem
sie ihr Bewusstsein wiedererlangt hatte, wach sehen würde. Er konnte nicht
verhindern, dass er sich darüber Sorgen machte, wie ihr emotionaler Zustand
wohl sein würde. Wahrscheinlich würde sie sich sehr seltsam fühlen. Sie erholte
sich von Wochen voller Halluzinogene und wurde gleichzeitig mit Schmerzmitteln
und Valium vollgestopft. Ganz zu Schweigen von den Erinnerungen. Und an der
Spitze des Ganzen konnte er nicht verhindern, sich zu fragen, wie sie für ihn
empfand, jetzt da sie ihr Bewusstsein vollständig wiedererlangt hatte.
Erinnerte sie sich an ihren Streit? Hasste sie ihn noch dafür?
Glücklicherweise war sie alleine, als er in
ihr Zimmer kam. Keiner der Scullys war irgendwo zu sehen. Sie saß aufrecht in ihren Bett und starrte aus dem Fenster. Ihr gebrochener Arm
war bis zur Schulter in Gips und wurde in einer Schlinge gehalten. Dünn und
blass sah sie aus. Als sie sich zu ihm umdrehte waren ihre Augen glasig.
"Mul'r, biss du das?" "Ja, ich
bin’s." Er setzte sich ans Bett und nahm die Hand ihres ungebrochenen
Armes. "Wie geht es dir?"
Scully war sich nicht sicher, was sie darauf
antworten sollte. Sie fühlte sich ganz gut, doch irgendwo in ihrem Hinterkopf
verstand sie, dass das wegen der Medikamente war, die die Ärzte in ihren Körper
pumpten.
"Mmm ...okay". Er wirkte auf sie
sehr verschwommen, doch sie konnte sehen, dass er nicht okay war. "Wie
geht’s dir?"
Mulder lächelte und gluckste. "Es geht
mir gut, Scully. Mach dir deswegen keine Sorgen."
"Warum lachst du? Dass iss nich
lustig." Sie hatte einen abrupten und seltsamen Gedankenblitz, eine
Erinnerung an etwas von Jane, etwas, dass sie gesehen hatte. "Mul'r, dein
Arm, wie geht’s deinem Arm?"
Einen Moment lang sah er sie seltsam an.
"Gut...Scully, es ist gut..."
Ein weißer Fleck glitt in das Zimmer. Die
Krankenschwester. "Das iss meine Krankenschwester ...Mulder."
"Wie fühlen Sie sich, Miss
Scully?"
"Ich bin Ärztin, Schwester. Gut, nicht
nur Ärztin. Sie sind meine Krankenschwester und ich bin die Ärztin. *Eine*
Ärztin. Und eine FBI-Agentin auch. Wissen Sie das, Schwester? Wissen Sie
das?"
Während sie weiterbabbelte, bemerkte Scully
die Frau, die ihren Blutdruck maß kaum. "Mulder ist mein Partner. Er ist
ein guter Partner. Ich liebe ihn."
"Stimmt das?" fragte die
Krankenschwester abwesend.
"Ja. Hey, Mulder." Sie wandte sich
ihm zu. "Mach den Mund zu, Mulder. Hey, Mulder, " sagte sie wieder,
"Das ist meine Krankenschwester. Sie ist eine gute Krankenschwester.
Bringt mir Vicadin." Sie schloss ihre Augen. "Ich liebe sie."
"Das Vicadin erzielt definitiv seine
Wirkung," sagte die Krankenschwester zu Mulder,
als sie Notizen auf Scullys Krankenblatt machte. "Sie sollte jetzt für ein
Weilchen schlafen."
Mulder beobachtete, wie sich Scullys
Gesichtszüge völlig entspannten, als sie in den Schlaf glitt. Er sah die
Krankenschwester ein wenig misstrauisch an.
"Sie scheinen sie ja mit Drogen
vollzupumpen." Das war die Untertreibung des Universums. Sie hatte ihm
gerade ihre Liebe erklärt und sein Herz dazu veranlasst, einen dreifachen
Purzelbaum zu schlagen, bis er erkannte, dass hier das Vicadin und nicht Scully
sprach. Er mochte das nicht. Es machte ihn nervös, sie so außer Kontrolle, so
neben sich selbst zu sehen. "Ist das normal?"
Die Schwester verdrehte die Augen.
"Gestern waren Sie es, der sich darüber beklagte, dass sie zuviel
Schmerzen hat und wir ihr nicht *genug* Drogen geben. Ich sagte dann zu Ihnen
und ich sage Ihnen das auch jetzt, dass alles, was wir für sie tun, die übliche
Prozedur ist." Sie tätschelte seine Hand, um trotz ihres offensichtlichen
Ärgers Mitgefühl zu zeigen. "Sie wird wieder in Ordnung kommen, Sir.
Einfach in Ordnung." Sie verließ das Zimmer, ohne sich damit zu befassen,
Mulder davon zu überzeugen, dass er gehen sollte. Es schien die Mühe nicht wert
zu sein.
Scully begann ein wenig zu schnarchen und er
lächelte. Scully schnarchte nie und nimmer. Sie war weit davon entfernt. Er
gähnte, rieb sich mit seiner freien Hand die Augen und begann gerade, sich in der
Lage zu fühlen, zu schlafen.
Mulder lehnte sich nach vor, legte seinen
Kopf auf das Bett neben Scullys Arm und drückte, bevor er seine Augen schloss,
einen leichten Kuß auf ihr Handgelenk. "Wir werden es besser machen,
Scully. Ich verspreche es."
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22:50
"GEHEN SIE ZUM TEUFEL NOCH MAL WEG VON
MIR!" schrie Scully und setzte sich im Bett gerade auf.
Scully zitterte und schwitzte fast so, wie
er sie bei Jane gefunden hatte. Er kletterte, so gut er konnte, zu ihr in das
Bett und zog sie an sich. Sie lehnte ihre Stirn an seine Brust und keuchte
weiter.
"Ich..., begann sie und fühlte, wie die
Tränen zu fließen begannen. "Es war, ich sah, oh,
Mulder." Sie gab den Versuch auf, zu sprechen und ließ stattdessen ihre
Schluchzer hinaus.
"Shh, Scully,"
flüsterte er, ihre Haare rhythmisch streichelnd. "Lass sie einfach los,
Scully. Lass sie los."
Scully nickte an seiner Brust. "Ich
versuche es," sagte sie zwischen ihren
zurückgehaltenen Tränen kaum hörbar. "Ich versuche es so sehr."
Um ihre Tränen besser zurückhalten zu
können, brachte ihre Hände an ihr Gesicht. Deswegen wollte sie nicht weinen. Es
war albern. Dumm. Warum sollte sie jetzt weinen? Sie war in Sicherheit. Mulder
war hier bei ihr und auch in Sicherheit. Warum sollte sie also weinen?
Scully begann sich zu entspannen und genoss
das Gefühl von Mulders Wange, die über ihren Haaransatz strich. Er sprach etwas
leise vor sich hin. Sie war sich nicht sicher, was er da sagte. Doch es
beruhigte sie trotzdem. Sie war in Sicherheit und alles würde wieder normal
werden.
Doch es würde nie wieder dasselbe sein.
Nein, das würde es wegen ihren Gesicht nicht. Ihrem
hässlichen, verunstalteten Gesicht.
Scullys Herz begann zu pochen, sie setzte
sich wieder kerzengerade auf das Bett und riss sich von Mulder los.
"Scully-"
"Mulder, bitte geh jetzt."
"Was-"
"Mulder, *geh* bitte." Sie drehte
sich ganz von ihm weg und schluckte noch mehr Tränen hinunter. Schloss ihre
Augen und betete, dass er sie nicht ansah. Gott, er hatte die ganze Zeit ihr
abstoßendes, entsetzlich vernarbtes Gesicht gesehen. Das schöne Gesicht, von
dem er ihr gesagt hatte, dass er es so sehr liebte.
Mulder fühlte, wie Panik in ihm hochstieg.
Schließlich passierte es. Sie erinnerte sich an das, was er gemacht hatte, wie
er sie in jener Nacht behandelt hatte. Sie wollte ihn nicht mehr in ihrer Nähe
haben.
Nach einigen Momenten sagte er, "Scully
...Scully, ich wusste nicht... nun, ich weiß immer noch nicht, nur ich will
...ich *muss* mich entschuldigen. Für das, was zwischen uns passiert ist. Für
das, was ich versuchte dir -anzutun-."
Oh Gott, wovon redete er da? War sie so
schrecklich verunstaltet, dass er nicht fähig dazu war, es auszusprechen?
"Mulder, ich will, dass du gehst."
Sie wird ihm nicht vergeben. Und er konnte
ihr dafür nicht mal die Schuld zuschieben. Wer könnte das schon vergeben? Er
verdiente ihre Vergebung nicht. Er verdiente es nicht einmal, mit ihr im
gleichen Raum zu sein und sie wusste das.
Lange Zeit schwieg er und schien einfach nur
auf dem Rand des Bettes zu sitzen, regungslos. "Scully, sieh mich bitte
an, würdest du mich bitte zumindest ansehen? Sieh mich an und sag mir, dass du
mich nicht hasst."
Scully drehte ihren Körper zu ihm und
versuchte, aufzusehen. Ihre Hände bedeckten weit mehr als jede Seite ihres
Gesichtes, so als ob sie sich vor der Sonne schützen wollte. Sie konnte es
jedoch nicht ertragen, ihn anzusehen. Nicht, wenn sie so wie jetzt aussah.
"Scully. *Bitte*." Er fasste sie
an der rechten Schulter und drehte sie herum, damit sie ihn ansah. Sie ließ
ihren Kopf noch weiter sinken.
"Mulder, nicht. Sieh mich nicht
an." Gott, es war noch schlimmer als er dachte. Sie wollte nicht einmal,
dass er sie ansah. Wahrscheinlich hatte sie Angst davor, dass er sie wieder
belästigen würde, wenn er sie ansah.
"Dich nicht ansehen? Warum? Warum soll
ich dich nicht ansehen?"
Sie schluckte schwer und trotzdem entrang
sich ihr ein Schluchzen.
"Scully bitte. Sprich mit mir. Was ist
los? Warum willst du nicht, dass ich dich ansehe?"
"Du WEISST, warum!" weinte sie in
ihre Hände. "Wegen dem, wie ich aussehe. Wegen...wegen dem, was sie mir
angetan hat. Meinem Gesicht. Geh jetzt einfach, Mulder." Sie schluchzte
leise noch mehr.
Einen Moment lang war er völlig verwirrt.
Dann erinnerte er sich an etwas, dass ihr Arzt gesagt hatte. Jane hatte sie
unter Drogen gesetzt. Halluzinogene. Es war durchaus möglich, dass Scully Dinge
gesehen hatte, die nicht da waren.
"Scully, da ist nichts verkehrt an
deinem Gesicht. *Nichts*." Sein Ton war mitfühlend. Er log, damit sie sich
besser fühlte. "Es ist nur ein wenig zerkratzt, das ist alles. Es wird
heilen und dann wieder wie früher aussehen."
Scully fühlte, wie Mulder ihre Wange
streichelte, zuckte zusammen und riss sie weg. Endlich sah sie ihn an.
"SAG es einfach! Mulder. Sag es mir einfach! Sag mir, was dir die Ärzte
erzählt haben. Sag mir, dass ich nie wieder wie vorher aussehen werde. Warum
kannst du es nicht einfach sagen, Mulder? Lüg mich nicht an, verdammt noch mal!
Bitte, lüg mich nicht an!"
Mulders Augen waren geweitet und getrübt.
"Das würde ich nie, Scully."
Das war die Wahrheit, sie wusste es einfach.
Er konnte es nur einfach nicht über sich bringen, es ihr zu sagen. Doch sie
wusste es besser. Sie konnten es nicht wiederherstellen, sie wieder so aussehen
lassen, wie zuvor.
"Scully, die Narben werden heilen. Sie
waren alle-"
"Verdammt, Mulder, sie hat
Hydrofloridsäure in mein GESICHT geschüttet! Überall." Eine Vorstellung
davon, wie sie jetzt aussah, erschien vor ihrem geistigen Auge und sie weinte
noch mehr.
"Scully, das hat sie nicht. Es war
Peroxid, Scully. Wasserstoffperoxid. Und deine Wunden werden noch besser
heilen, weil sie das getan hat."
"Verdammt, Mulder. Ich glaube, dass ich
den Unterschied zwischen diesen beiden Substanzen kenne. Also hör jetzt auf, es
zu leugnen, Mulder. Hör einfach auf."
Mulder seufzte einmal und ermutigte sie,
sich wieder hinzulegen. Sie gab nach, drehte sich sofort von ihm weg, brachte
ihre Hand zurück an ihr Ohr und zog ihr Haare über ihre Wange, um sie zu
bedecken. Er sagte, dass er bald zurückkommen würde, doch es kümmerte sie
nicht. Als die Tür sich schloss, fühlte sie noch mehr Tränen in sich
aufsteigen.
Scully war beinahe eingeschlafen, als sie
ein Geräusch hörte. Sie blickte auf und sah, wie sich ihr eine dunkle Gestalt
näherte. Sie zuckte zusammen und setzte sich verteidigend auf.
"Hier, wirf einen Blick darauf,
Scully".
Mulder hielt einen Spiegel vor ihr Gesicht.
Ihr Atem beschleunigte sich und sie geriet in Panik. Sie konnte es nicht sehen.
Sie würde das nicht tun können.
"Nein."
"Scully, schau einfach hin und du wirst
es sehen. Du wirst sehen, dass du bis auf ein paar blaue Flecken nicht anders
aussiehst." Er war sich sicher, dass es besser werden würde, sobald sie
einen Blick darauf geworfen hatte. Es würde sie in die Wirklichkeit
zurückbringen. Zurück zu ihm. Auch wenn sie ihn dafür hasste. Wenigstens wäre
sie dann Scully.
"Ich sagte NEIN Mulder!" schrie
sie und begann danach zu schlagen. Sie riss ihm den Spiegel aus der Hand, warf
ihn quer durch das Zimmer an die Wand, damit er auf dem Boden zerbrach. In
tausende irreparable Stücke zerbrach. Zerstört.
Sie weinte nun unkontrollierbar. Mulder
versuchte verzweifelt, sie zu trösten, doch sie schrie ihn nur an, aufzuhören,
sie in Ruhe zu lassen und schlug weiter auf ihn ein.
"Was zur Hölle geht hier drinnen
vor?" schrie die Krankenschwester, als sie das Zimmer betrat.
Bevor Scully es bemerkte, waren ein Arzt und
zwei Krankenschwestern im Zimmer, hielten sie nach unten und einer von ihnen
stach ihr mit einer Nadel in den Arm.
Und Mulder ging. Sie streckte ihre Hand nach
ihm aus, um ihn zum Bleiben zu bringen.
"Mul ...Mul..
" sie versuchte nach ihm zu rufen, aber er war, bevor er sie hören konnte,
gegangen.
Ende Kapitel 1/11
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Kapitel 2/11
Sonntag
8:00
"Dana? Dana Liebling, ich bin es. Kannst
du mich sehen? Bist du wach?"
"Mmm... was?" Scully zwang ihr schweren Lider auf. Sie fühlte sich leer. Als wenn kein
Leben mehr in ihrem Körper war und ihr Körper fühlte sich an, als ob er mit
Zement gefüllt war.
"Mulder?" Er war fort. Wohin?
"Nein, ich bin es, Mom. Liebling, wie
fühlst du dich?"
"Mmm... trunken, schwindlig," seufzte sie.
Ihre Mutter nahm neben dem Bett Platz. Sie
hielt Scullys Hand, wenigstens schien es so, dass sie es tat. "Mom?"
"Ja?"
"Warum geben sie mir... warum geben sie
mir weiterhin Beruhigungsmittel?"
"Oh, Dana, Schatz. Dr. Lacuesta ist
hier. Er will mit dir reden."
Reden? Worüber zur Hölle? Alles was sie
wollte, war wieder schlafen. Und sie wollte, dass Mulder wieder bei ihr im
Zimmer war. Wohin war er überhaupt gegangen? Er hatte versprochen, zu bleiben.
Er hatte es versprochen.
"Mom, ich möchte nicht Dr. Lacuesta
hier haben, sondern ich will, dass Mulder zurückkommt. Warum ist er..."
Sie hielt inne, als Schwäche begann, sie zu überwältigen.
"Ms. Scully, wie geht es Ihnen?"
Scully wünschte, die Leute würden aufhören,
ihr alle paar Sekunden die gleiche verdammte Frage zu stellen. Sie fühlte sich
beschissen, sie sah beschissen aus. Oh Gott, ich sehe beschissen aus...
"Dana, Liebling, wir wollten dir etwas
zeigen, dir zeigen, dass mit deinem Gesicht alles in Ordnung ist. Dass diese...
Frau... sie hat dein Gesicht nicht ruiniert."
"Ich möchte es nicht sehen, Mom. Ich
will nicht."
Scully hörte, wie der Doktor ihr
verschiedene mit Ja oder Nein zu beantwortende Fragen darüber stellte, wie sie
sich fühlte und ob sie über irgendetwas reden wollte. Das wollte sie definitiv
nicht. Sie wollte mit niemandem reden.
"Okay, Dana, ich werde Ihnen einen
Spiegel in die Hand geben. Sie können die Augen solange zulassen, wie Sie
wollen. Ich möchte nur, dass Sie ihn halten."
Scully konnte nun ihren Körper spüren, weil
er von innen nach außen erzitterte. Nein! Wir sind besser als das. Stärker. Es
ist nur ein Spiegel. Ein Spiegel. Alles was du zu tun hast, ist ihn in der Hand
zu halten.
Sie fühlte, wie ihre Mutter ihre linke Hand
nahm und den Griff des Spiegels hineinlegte. "Okay, Dana? Du hast es nun
in der Hand. Du hast die Kontrolle."
Mom hatte recht. Sie hatte die Kontrolle
über die Situation. Es war ihre Wahl, hinzusehen oder nicht. Sie konnte hinsehen.
Sie würde es tun.
Langsam öffnete sie die Augen und spähte
vorsichtig in den Spiegel. Normal. Sie sah aus, wie sie selber. Keine
Verbrennungen, keine Abschürfungen. Nur ein paar Schnitte, wie Mulder es ihr
gesagt hatte. Mulder hatte es ihr gesagt und sie war noch ausfallend gegen ihn
geworden. Wie eine Wahnsinnige. Wie Jane.
"Mom. Ich... ich..."
Tränen liefen über ihre Wangen und sie
spürte, wie ihre Mutter sie in die Arme nahm. "Dana,"
sagte sie in ihr Ohr. "Du musst mit jemandem reden."
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10:00
Mulder erwachte benommen und sah zwei große
Gestalten, die sich über ihn beugten. Seine Augen konzentrierten sich
schließlich und er erinnerte sich daran, wo er war. Er begriff, dass er irgendwann
letzte Nacht in dem kleinen Sessel vor Scullys Krankenzimmer eingeschlafen sein
musste. Die Krankenschwester hatte ihn nach dem Zwischenfall mit dem Spiegel
hinausgeworfen und er hatte die ganze Nacht hier draußen gesessen.
Die Gestalten, die vor ihm standen, waren
Charlie und Bill Scully. Charlie rüttelte ihn leicht an der Schulter, um ihn
aufzuwecken und Bill starrte ihn mit kaum verhohlener Empörung an. Zum ersten
Mal seit langer Zeit machte sich Mulder Gedanken über sein Aussehen. Er hatte sich
seit ungefähr einer Woche nicht rasiert und seit Tagen die gleichen Sachen an.
Was eine Dusche war, daran konnte er sich kaum mehr erinnern. Er erkannte, dass
er wahrscheinlich eher wie ein Obdachloser als ein FBI-Agent aussah, und wohl
auch so roch. Und genauso sah Bill Scully ihn an, als wenn er ein Obdachloser
wäre, der in einer Mülltonne lebte. Aber mit weniger Mitleid und mit mehr Hass.
"Mulder, wir wollen hineingehen und ein
bisschen bei Dana sein. Willst du uns begleiten?" Das war natürlich Charlie.
Mulder hörte Bill irgendetwas leise über letzte Nacht brummen und er begriff,
dass der Doktor ihnen erzählt haben musste, was passiert war. Traurig
schüttelte er den Kopf.
"Ich kann nicht."
Charlie kreuzte die Arme vor der Brust und
blickte mürrisch drein. "Was meinst du damit, du kannst nicht? Komm schon,
Mann, steh auf." Er deutete mit dem Kopf auf Scullys Tür.
"Ich meine, dass ich nicht kann. Ich
werde sie nur wieder wütend machen. Der Doktor hat mich hinausgeworfen."
Er wünschte, sie würden beide verschwinden und ihn allein lassen, weil er
begann, daran zu ersticken, wenn er wieder über alles nachdachte. Das letzte,
was er jetzt brauchte, war Bill Scully, der sah, wie er zusammenbrach.
Aber Charlie gab nicht auf. Er griff Mulders
Ellbogen und zog daran. "Ach hör doch auf, Mulder. Komm..."
"Nein! Begreifst du das nicht? Sie will
mich nicht sehen. Sie will nicht, dass ich sie sehe. Ich kann nicht."
Bill rollte mit den Augen. "Er hat
recht. Jetzt lass uns einfach reingehen." Er warf Mulder einen letzten Blick
zu und stolzierte in Scullys Zimmer. Charlie begann, ihm zu folgen und dann sah
er zurück zu Mulder.
"Lass ihn nicht gewinnen."
"Ich ka..."
"Tu es einfach nicht. Egal, wie."
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"Mulder?" rief sie und zwang sich,
die Augen zu öffnen. Durch einen Schleier hindurch sah sie einen Mann vor sich
stehen.
"Hey, Dana. Ich bin’s, Bill. Du siehst
furchtbar aus," sagte er lachend zu ihr.
"Wo ist Mulder?" verlangte sie zu
wissen und versuchte, den Raum um Bill herum zu erkennen. "Mulder...
Mulder sollte da sein – hier. Wo hast du ihn hingeschickt?"
"Er ist jetzt nicht hier, Dana. Aber
ich bin es. Und Charlie." Sie blickte ihn prüfend an, als er lächelte. Es
war der selbstgefälligste Blick, den sie je gesehen hatte. Er hatte irgendetwas
mit Mulder angestellt. Besser, er brachte ihn zurück. Mulder war der einzige,
der ihr helfen und sie retten würde.
"Zum Teufel, Bill,"
schrie sie. "Hol jetzt Mulder her, gottverdammt! Wo hast du ihn
hingeschickt, Bill? *WO? DU MUSST IHN HERBRINGEN!"
Scully drehte den Kopf zur Seite und sah
einen dunkelhaarigen, großen Schatten. Mom? Mulder, vielleicht? Nein, Charlie.
Charlie. Ich liebe Charly. Er wird Mulder finden. "Wo ist er,
Charlie?" fragte sie mit Verzweiflung in der Stimme. "Du musst ihn
für mich hierher bringen. Jetzt! Jetzt, verdammt."
"Okay, Dana, okay. Ich hole ihn für
dich. Beruhige dich. Er ist nur draußen."
Dana ergriff seine Hand und zog daran.
"Er sollte hier sein. Er hat gesagt, dass er hier bleibt."
Sie sah Charlie, der zur Tür ging und
irgendetwas wild herausstieß. Es hörte sich so an, wie ‚Beweg deinen verdammten
Hinter jetzt hier herein!’, aber Charlie würde nicht so mit Mulder reden. Oder?
"Scully?"
Gott sei dank, er ist immer noch hier. Gott
sei dank. "Mulder? Oh Mulder." Sie sah ihn sich langsam auf sie zu bewegen,
wie ein Schatten, ähnlich der Formen, die ihre Brüder angenommen hatten. Aber
sie wusste, dass er es war. Gott sei dank. Als er ihre Hand nahm, zog sie ihn
zu sich herunter und hielt ihn am Nacken fest. "Du solltest nicht
weggehen, Mulder. Du hast gesagt, dass du bleibst. Du musst hier bleiben."
"Okay, okay, ich bin hier. Kann ich mir
den Stuhl nehmen?"
Scully nickte und so setzte er sich neben
sie. Er war sowohl froh darüber, dass sie nach ihm gerufen hatte, als auch
verängstigt. Hatte sie die letzte Nacht vergessen? Sie war so widersprüchlich.
Es sah ihr einfach nicht ähnlich.
"Mulder... ich habe gesehen... ich habe
hingesehen. Sie haben mich dazu gebracht. Es tut mir leid, Mulder..." Sie
verstummte und er sah, wie Tränen begannen, über ihr Gesicht zu laufen. Sie
erinnerte sich. Das war ein gutes Zeichen.
"Wer hat dich dazu gebracht,
Scully?"
"Der Doktor. Meine Mom. Sie haben mir
mein Gesicht gezeigt. Es tut mir so leid." Wieder nahm er ihre Hand und
wischte mit seiner freien Hand über ihre Wange.
"Shh... es ist okay."
"Ist es nicht... ich war so
fürchterlich zu dir. Mulder, es ist nicht okay!" Sie schoss hoch in eine
sitzende Position und ihr Gesichtsausdruck wurde wieder wild.
"Hey, nein, shh..." Mulder legte
seine Arme um sie und zog sie an sich. Scully schluchzte an seiner Schulter und
er begann sie zu wiegen, in dem Versuch sie zu beruhigen. Er wusste, sie musste
erschrocken darüber sein, die Kontrolle verloren zu haben, wie er es gewesen
war.
Aus den Augenwinkeln heraus sah er Charlie,
der Bill anschubste und in Richtung Tür nickte. Er hoffte, dass Bill auf ihn
hören würde, aber in seinem Herzen wusste er, dass es nicht so sein würde.
Nachdem, was passiert war, sah es nicht so aus, als wollte Bill ihn jemals
wieder mit seiner Schwester allein lassen.
"Ich... ich weiß nicht, warum... ich
habe nicht... Gott, es tut mir so leid..." Sie keuchte und verschluckte
sich an ihren Tränen, als sie versuchte, die Worte hervorzubringen. Er zog sich
ein wenig zurück und nahm ihr Gesicht in seine Hände, sie dazu zwingend, ihm in
die Augen zu sehen.
"Es ist okay, Scully. Es ist
okay." Sie atmete tief ein und schien sich ein wenig zu beruhigen. Einen
langen Moment küsste er sie zärtlich auf die Stirn, dann erinnerte er sich
daran, dass Bill und Charlie immer noch im Zimmer waren und zog sich befangen
zurück.
"Hey, du standest unter Drogen," scherzte er und sie lächelte. Sie lächelte
tatsächlich. Und sein Herz hüpfte und sprang und er vergaß alles und jeden. Er
hatte sie zum Lächeln gebracht. Es war das erste Mal, seit er sie gefunden
hatte, dass er diesen wunderschönen Ausdruck auf ihrem Gesicht sah. Und dann,
noch außergewöhnlicher, lachte sie. Es war ein kurzes Lachen, mehr ein
Schnaufen als alles andere, aber es war das bezauberndste Geräusch, das er je
gehört hatte. Sie war so großartig, so perfekt. Mit einem Stich in seinem
Herzen erkannte er, dass er es ihr sagen musste. Dass sie genau wissen musste,
wie perfekt sie war.
"Scully, ich hoffe, du weißt, dass es
mir egal wäre. Ich meine, wenn sie das mit deinem Gesicht getan hätte, was du
geglaubt hast, es wäre mir egal. Ich hoffe, dass du dann immer noch wolltest,
dass ich dich ansehe." Er hörte einen schweren Seufzer hinter sich und
drehte sich um. Bill war immer noch da und sah ihn finster an, aber Charlie war
gegangen. Mulder bemerkte, dass seine Hände zu Scullys Hals und Schulter
herabgeglitten waren und er hätte sie beinahe weggezogen. Aber es schien so
tröstlich für sie, und das war wichtiger als Bills Meinung.
Er wandte sich ihr wieder zu und sah, dass
sie immer noch lächelte. Sie nickte. "Ich weiß. Ich meine... ich hätte es
wissen müssen... ich weiß, dass du immer da sein wirst und mein Freund
sein..."
"Nein, Scully..." Sie hatte es
noch nicht verstanden. Er beugte sich so dicht an ihr Gesicht heran, wie er konnte,
ohne sie tatsächlich zu küssen und flüsterte. "Das meine ich nicht. Ich
meine, das ist alles wahr, aber was ich meine ist, egal was passiert, Scully,
für mich... wirst du immer die schönste Frau sein. Auf der ganzen Welt."
Scully schluckte und ihre Augen füllten sich
wieder mit Tränen. Aber sie lächelte immer noch dieses perfekte Lächeln.
"D... danke,"
stieß sie hervor. Sie sah glücklich aus. Endlich, endlich hatte er das richtige
getan. Ein paar Minuten schwiegen sie beide, starrten sich nur an und grinsten.
"Mulder..."
"Ja?"
"Du riechst."
Er nickte lachend. "Gut beobachtet,
Agent Scully."
"Geh nach Hause, Mulder. Geh nach Hause
und nimm ein Bad oder so. Du verpestest die Luft..." Sie lehnte sich in
die Kissen zurück und wedelte mit Nachdruck vor ihrer Nase herum.
"Scully, ich will dich nicht allein
lassen..."
"Mulder, geh nur, mir wird es gut
gehen. Ich bin müde... bitte geh. Kümmere dich ein bisschen um dich selbst.
Bitte."
Ihre Augen fielen zu und sie schien wieder
einzuschlafen. Noch einmal murmelte sie, "Bitte,"
und er nickte.
"Okay, Scully. Aber ich bin wirklich
bald zurück." Mulder nahm ihre Hand und zog sie an die Lippen. Unter Bill
Scullys irritiertem Blick drückte er einen sehnsüchtigen Kuss auf ihre
Handfläche und ging.
xxxxxx
17:45
Charlie brachte seine Mutter in das Zimmer
seiner Schwester. Er beobachtete ihr Gesicht, als sie Scullys betrachtete, all
die Blutergüsse und Schrammen. Ihr Blick wandelte sich innerhalb von
Augenblicken von traurig zu besorgt und dann beinahe zu verärgert. Sie ging
hinüber zu Scullys rechter Seite und er setzte sich in den Sessel, der zu
Mulders Sessel geworden war.
Nach ein paar Minuten bewegte sich Scully
und erwachte langsam. Zuerst sah sie Charlie und bemühte sich darum, ihn klarer
zu sehen. Er sah zu, wie ihre Augen aufleuchteten, soweit es die Schwellung in
ihrem Gesicht erlaubte. Mit einem Lächeln erwiderte er das Aufleuchten.
"Hey, Knastbruder,"
begrüßte sie ihn mit wackliger Stimme. "Hast du dich unerlaubt von der
Truppe entfernt?"
Charlie nahm ihre Hand und gluckste ein
wenig. "Nein, glaub es oder nicht, ich habe regulären Urlaub. Wirklich.
Wie fühlst du dich?"
"Verletzt. Müde. Wo – weißt du, ob
Mulder hier ist?"
Charlie erinnerte sie daran, dass Mulder
ihrer Anweisung gefolgt und nach Hause gegangen war.
"Bist du nicht hungrig, Liebling? Dein
Mittagessen hast du kaum angerührt."
"Hey Mom." Scully drehte sich um
und begrüßte ihre Mutter. "Nein, mir geht es gut. Ich bin wirklich nicht
hungrig."
Maggie lächelte sie an und strich ihr mit
der Hand durchs Haar. Sie schüttelte den Kopf.
"Was... was für ein Mensch..."
"Ein extrem kranker Mensch. Einer, der
einige ernsthafte emotionale Probleme hat."
"Und das gibt ihr das Recht, dir das
anzutun?"
Scully seufzte. "Nein, das gibt es ihr
nicht," antwortete sie. "Aber darum bekommt
sie nun auch die Hilfe, die sie braucht."
"Hilfe?" Maggie Scully
verschränkte die Arme und drehte sich weg. "Sie sollte lebenslänglich
eingesperrt werden. Solche Menschen verdienen keine *Hilfe*."
"Mom,"
unterbrach Charlie seine Mutter, um sie von einer Tirade abzuhalten.
"Müssen wir Dana jetzt mit all dem belästigen?"
Ihre Mutter atmete tief ein und sprach
schnell und nervös. "Es ist nur, dass ich... ich nicht anders kann, als
mich immer wieder zu fragen, wenn du niemals..." Sie verstummte.
"Mom? Wenn ich niemals was?"
"Unwichtig, Charlie hat recht. Lass uns
nicht jetzt darüber reden. Erst muss es dir besser gehen."
"Nein, Mom, sag es einfach. Welchen
Unterschied macht der Zeitpunkt?"
Ihre Mutter seufzte wieder und Scully
spürte, wie Charlie in diesem Moment ihre Hand drückte und so seine
Unterstützung ausdrückte.
"Dana, ich kann gut verstehen, dass dir
dein Job sehr wichtig ist. Ich weiß, dass du ihn als den wichtigsten Teil
deines Lebens empfindest. Aber Liebling, genau das ist es, du *hast* vielleicht
kein Leben mehr, wenn du so weitermachst. Wenn du mit..."
"Mom, worauf genau willst du
hinaus?" Jetzt fühlte sie Charlies andere Hand auf ihrem Unterarm.
"Willst du damit sagen, ich sollte aufhören, mit Mulder zu arbeiten?"
"Mom, nicht. Nicht jetzt," bat Charlie. Er wusste nur zu gut, was seine Mutter
dachte. Jedes Mal, wann immer er mit ihr sprach, schien ihre Unterhaltung
darauf hinauszulaufen, ob Dana die Arbeit machen sollte, die sie tat, oder
nicht. Und besonders ging es dabei um die Rolle von Mulder, die er bei all dem
spielte.
"Ich lehne es nur ab, ein weiteres
meiner Kinder zu überleben," erwiderte sie mit
zitternder Stimme.
"Nun, wenn du darauf wartest, dass ich
dir zustimme, vergiss es. Es ist einfach nicht... es wird nicht passieren,
Mom."
Scully sah Charlie an. Sein Blick offerierte
ihr Kraft und Mitgefühl und für den Bruchteil einer Sekunde begriff sie, wie
sehr er Mulder ähnelte. Scully spürte wieder, wie Charlie ihren Arm und ihre
Hand drückte, sie diesmal sanft hielt. Er konnte fühlen, wie sie zitterte.
Einen Moment lang starrte er seine Mutter an, forderte sie im Geiste dazu auf,
damit nicht weiterzumachen.
"Na ja, ich kann nichts ausrichten,
wenn ihr zwei euch so gegen mich verbündet. Das konnte ich noch nie." Noch
einmal seufzte sie und fügte hinzu, "Das wichtigste ist jetzt, dass du
wieder gesund wirst."
"Da stimme ich zu,"
meinte Scully. "Wirklich, Leute, mir geht es nicht so schlecht, ich bin
nur ein bisschen schwach, das ist alles."
"Das ist alles?" fragte Charlie.
"Ja."
Charlie sah seine Mutter an und sie nickte
ihm wissend zu. Dana verdrängte es, wie sie es in Situationen wie dieser immer
gemacht hatte, Situationen, in denen sie sich machtlos fühlte. Sie spielte sie
herunter, als würden sie nichts bedeuten.
Beinahe Charlies Gedanken lesend, gab ihnen
Scully eine plausible Erklärung. "Wenn man den Tropf abnimmt, dauert es
eine Weile, bis man sich wieder daran gewöhnt, feste Nahrung zu sich zu nehmen.
Die Schmerzmittel können den Appetit genauso vermindern wie sie die normalen
Schlafmuster stören können."
Charlie nickte langsam und ihre Mutter
drückte ihre Hand. "Es geht mir gut. Es wird mir gut gehen. Alles ist
unter Kontrolle. Danke für deine Besorgnis."
"Gut,"
meinte Maggie Scully. "Dann werden wir dich eine Weile ausruhen
lasen."
"Ich bin in einer Sekunde bei dir, Mom," rief ihr Charlie zu, als sie das Zimmer verließ. Er
drehte sich zu Scully zurück und lächelte.
"Danke Charlie. Für alles. Für das, was
du für mich getan hast... für Mulder. Danke."
Er beugte sich zu ihr herab und küsste ihr
Haar. "Deswegen bin ich hier."
"Was denkst du?"
Charlie lächelte. "Ein wirklich
großartiger Kerl, Dana. Wirklich großartig. Er sorgt sich sehr um dich.
Sehr."
Scully spürte, wie Wärme durch ihren Körper
rieselte und dann eine extreme Sehnsucht. Sie konnte seine Rückkehr kaum
erwarten. Tatsächlich fühlte sie sich mehr und mehr unwohl dabei, dass er so
lange weg war. Als Charlie das Zimmer verließ, schickte sie ihm liebe Grüße an
seine Familie mit.
Scully schaltete den Fernseher an und
begann, sich blindlings durch alle 79 Kanäle zu zappen, wieder und wieder. 2,
3, 5, 6, 8, 12, 13, 16, 17, 18, 21... Bald unterschied sie nur noch als die
Nummern, die in der Ecke des Fernsehbildschirms aufleuchteten.
Etwas, dass ihren Kopf leer machte, so dass
sie nicht nachdachte. So dass sie sich nicht erinnern konnte.
xxxxxx
18:25
Halb gehend und halb laufend kam Mulder den
Flur zu Scullys Zimmer entlang. Er war in einer weit besseren Stimmung, als er
es lange Zeit gewesen war. So wie sie ihn gebeten hatte, war er für ein paar
qualvolle Stunden nach Hause gegangen. Lange genug, um zu duschen, sich zu
rasieren, die Zähne zu putzen und sein schmutziges T-Shirt und die Jeans gegen
ein Paar respektablere Jeans und ein weißes Oberhemd zu tauschen, und ein
bisschen von dem Rasierwasser zu benutzen, das Scully jedes Mal zum Lächeln zu
bringen schien, wenn sie es in der Luft roch.
Mulder wollte sie wieder zum Lächeln
bringen. Er wollte gut aussehen und riechen und einfach *perfekt* für sie sein.
Diese Nacht wollte er zu etwas besonderem machen. Etwas, das sie vergessen
ließ, dass sie in einem Krankenhausbett lag, ihr half, den Grund zu vergessen,
warum sie hier war und er wollte, so nahm er an, wiedergutmachen, wie er sie
behandelt hatte, bevor diese ganze Sache begonnen hatte. Er wollte ihr die
Nacht bereiten, die er ihr eigentlich hätte bereiten sollen und er wollte sich
für das entschuldigen, was sie statt dessen bekommen
hatte. Ein bisschen Spaß. Und Normalität. Gott, wie sehr sie beide wieder ein
bisschen Normalität brauchten.
Scully schien sich besser zu fühlen. Klar,
sie war immer noch ein bisschen benommen von den Schmerzmitteln, aber an diesem
Morgen schien sie klarer und mehr sie selbst zu sein, als er sie lange Zeit
gesehen hatte. Sie hatte gelächelt. Sie hatte gelacht. Sie hatte so etwas wie
eine normale Unterhaltung mit ihm geführt. All das deutete er als gutes Zeichen
und als Wink, dass es an der Zeit war, mit ihrer Genesung zu beginnen.
Der erste Schritt dazu war, sie dazu zu
bringen, dass sie sich sicher und glücklich und wohl fühlte. Er wusste, dass
sie Krankenhausessen, Neonlampen und Desinfektionsgeruch hasste, all diese
Dinge, die sie daran erinnerten, dass sie nicht zu Hause war, sondern in einer
kalten, sterilen Einrichtung. Er wollte das besser für sie machen, wenn auch
nur für eine Weile. Duftkerzen, ein CD-Player und einige ihre Lieblings-CDs mit
klassischer Musik und ihr absolutes Lieblingsessen, Chicken Lo Mein von ihrem Lieblingschinesen,
sollten dabei helfen. Er hoffte nur, dass sie es nicht als einen weiteren
Verführungsversuch ansehen würde.
Mulder wollte nur, dass sie zur Abwechslung
mal ein anständiges Essen bekam. Sie war so mager. Und er war es eigentlich
auch. Seit langer, langer Zeit hatte keiner von beiden ein gutes Mittagessen
genossen. Als er ihre Tür erreichte, ließ der Duft, der aus der Tüte kam, ihm
das Wasser im Munde zusammenlaufen.
Mulder klopfte leicht an die Tür und war
glücklich und überrascht, ihr "Herein" in einer klaren und fröhlichen
Stimme zu hören. Als er die Tür öffnete, fand er sie im Bett sitzend und CNN
schauend, ihre Augen klar und ein Lächeln auf dem Gesicht.
"Hey, sieh dich an."
Befangen gluckste er. "Sieh mich an?
Sie *dich* an. Du scheinst dich sehr viel besser zu fühlen."
"Nur weniger unter Drogen." Sie
sah auf ihre Füße herab und er konnte spüren, dass sie ein wenig verlegen
darüber war, wie sie sich benahm. Er nahm das als ein weiteres gutes Zeichen,
ein Anzeichen dafür, dass sie zu ihm zurückkehrte.
"Was ist in der Tüte, Mulder?"
Mulder grinste selbstzufrieden und begann,
seine Überraschungen auszupacken. Zuerst stellte er den CD-Player auf das
Fensterbrett und machte leise Musik an. Dann holte er die Kerzen heraus und
stellte sie ebenfalls auf das Fensterbrett.
"Mulder, was bedeutet das alles? Du
kannst keine Kerzen in einem Krankenh..."
"Shh... ich werde nichts verraten, wenn
du es nicht tust." Sie lächelte. Er zündete die Kerzen an und schaltete
das grelle Oberlicht aus. Eine Sekunde hielt er inne und sah sie an,
überwältigt davon, wie wunderschön sie im Kerzenlicht aussah. In der Hoffnung,
sich für einen Moment abzulenken, drehte er sich um und schaltete den Fernseher
aus.
"Ich hab eine kleine Überraschung für
dich, Scully." Vor Aufregung platzte er beinahe.
"Oh wirklich? Was für eine..." Ihr
Gesichtsausdruck änderte sich plötzlich, als er näher kam und sich zu ihr aufs
Bett setzte. Sie sah angespannt aus und einen Moment fürchtete er, dass sie glaubte,
er wolle sich wieder über sie hermachen.
"Mulder, was ist das für ein
Geruch?"
"Ich habe gerade erst geduscht, Scully.
So schlimm kann es noch nicht sein..."
"Nein, es... es riecht... ich..."
Mit einer schwungvollen Bewegung holte er
einen weißen Karton aus der Tüte. "Tata! Ist das der Geruch, auf den du
anspielst?" Er erwartete ein Lächeln, breit wie seines, aber ihre einzige
Reaktion war ein stummes Nicken.
"Es sind Lo mein Nudeln, Scully! Aus
diesem Restaurant an meiner Straße." Er öffnete den Karton und hielt ihn
ihr hin, um ihr den Inhalt zu zeigen. "Sieh!"
Scully nickte wieder und lächelte schwach.
Er hätte schwören können, dass sie ein wenig zurückzuckte und dass da eine Spur
von Panik auf ihrem Gesicht war. Aber das ergab keinen Sinn. Warum sollte
chinesisches Essen sie in Panik versetzen? Bestimmt war sie glücklich, zur
Abwechslung etwas richtiges zu essen, etwas
vertrautes. Das musste er sich eingebildet haben. Seine Wahrnehmung musste
durch das Flackern der Kerzen ein wenig verzerrt gewesen sein.
Mulder nahm ein Paar Essstäbchen aus der
Tüte und steckte sie in die Nudeln. Vor ein paar Monaten hatte sie es endlich
geschafft, ihm beizubringen, diese Dinger zu benutzen und er wollte es ihr ein
bisschen zeigen.
"Die sind für uns, Scully. Ich dachte,
wir könnten sie miteinander teilen. Zum Abendbrot. Weißt du?" Aus
irgendeinem Grund hatte er das Gefühl, dass er in einer fremden Sprache mit ihr
redete. Ihre Augen waren aufgerissen und sie reagierte überhaupt nicht. Er
dachte an seinen Fehler mit dem Spiegel und fragte sich kurz, ob er etwas
ähnlich idiotisches tat. Aber das war unmöglich, oder?
"Hast du bereits zu Abend gegessen,
Scully?" Sie schüttelte rasch den Kopf. Und Mulder fragte sich, ob sie
vielleicht Angst hatte, zu essen. Ob sie glaubte, es würde sie krank machen,
nachdem sie so lange gehungert hatte. Aber nur ein paar Bissen würden genügen,
um mit einer normalen Ernährung zu beginnen.
"Nun, dann hau rein." Er wickelte
ein paar Nudeln um die Stäbchen, genauso wie sie es ihn gelehrt hatte, und
schaffte es sogar, ein Stückchen Fleisch einzuwickeln.
"Ich hab auch noch nichts von dem
Hühnchen gegessen, also will ich auch keine Beschwerden hören." Mulder
hielt die Stäbchen hoch und bewegte sie auf ihr Gesicht zu. Er wusste nicht, ob
sie es ablehnte, sich von ihm füttern zu lassen, aber sie schien auch keinerlei
Anstalten zu machen, es selbst zu tun. Vielleicht bereitete ihr Arm ihr
Schwierigkeiten.
"Willst du etwas, Scully?"
"Ich... ich bin... wirklich nicht
hungrig..." Scully schüttelte den Kopf und drückte sich noch weiter in die
Kissen.
Mulder zuckte mit den Schultern und schob
sich das Essen in den Mund. Gott, es war wirklich gut. Scully musste es
probieren. Sobald sie es probiert hatte, wäre es okay. Sie würde sich damit
voll stopfen wollen. Er wollte es sicher.
"Mmm, das ist großartig, Scully. Du
weißt nicht, was du verpasst." Er steckte die Stäbchen in den Karton und
holte etwas mehr für sie heraus. "Komm schon, Scully. Versuch es. Nur ein
bisschen."
"Ich... ich kann nicht... ich..."
"Sicher kannst du, Scully. Es wird gut
sein. Es wird dir nicht wehtun, ein bisschen zu essen." Er schob den
Karton und die Stäbchen ein bisschen näher an ihr Gesicht. "Komm schon,
Scully, mach die Luke auf und lass das Flugzeug herein." Er begann, die
Geräusche eines Flugzeuges nachzuahmen, was, wie er erkannte, vollkommen
idiotisch war.
Scully öffnete ihren Mund ein Stückchen und
er ergriff die Gelegenheit, um ihr aufgeregt ein Stückchen Hühnchen und ein
paar Nudeln hineinzuschieben. Er hatte es als Einladung genommen. Aber
wiedereinmal erkannte er beinahe sofort, dass er sie vollkommen missverstanden
hatte.
Ende Kapitel 2/11
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 3/11
Sobald das Essen in ihrem Mund war, verzogen
sich ihre Lippen zu einer Grimasse des Ekels. Sie machte ein dumpfes, würgendes
Geräusch und anstatt zu schlucken, spuckte sie das Essen auf das Bettlaken.
"Scully ...was...,"
Ohne es zu verstehen hielt er ihr den Karton noch näher hin. Scully wimmerte
und Tränen strömten ihr über das Gesicht. "Scully, Gott, was ist
denn?" Mulder rückte noch näher und streckte seine freie Hand aus, um ihr
Gesicht zu streicheln. Sie biss sich auf die Lippe und er hörte sie keuchen.
"Warum weinst du Scully?" flüsterte er außer sich. "Was ist
los?"
"Halt es fern von mir!" schrie sie
auf und schlug ihm mit ihrem unverletzten Arm den Karton aus der Hand, warf den
Inhalt in Mulders Gesicht, auf seine Jeans, den Boden, das Bett, praktisch
überall hin.
Mulder saß lange Zeit sprachlos und
unbeweglich mit offenem Mund da. Er sagte sich selbst, flehte sich an, nicht zu
weinen. Nicht jetzt. Nicht vor ihr. Sie brauchte seine Stärke. Stärke,
verdammt. Doch er spürte ein kaum unterdrücktes Schluchzen der Verwirrung und
der Ratlosigkeit in seiner Kehle. Was in Gottes Namen war los mit ihr? Und wie hatte
er es denn nun wieder geschafft, die Dinge so königlich zu verderben? Als er
hierher gekommen war, ging es ihr gut. Richtig gut. Sein Versuch, sie
aufzuheitern, war überflüssig und offensichtlich völlig kontraproduktiv
gewesen. Irgendwie hatte er es geschafft, sie wieder zur Verzweiflung zu
treiben.
"Mulder...ich...Gott, ich weiß nicht,
warum..." Ihre Stimme brach und sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen.
Scully schien über ihre Tat genauso verwirrt zu sein wie er und ließ ein
elendes Stöhnen hören. Er griff nach ihr, um sie zu halten, doch dann erinnerte
er sich, dass er voller klebrigen Zeugs war und ließ es sein.
"Was in aller Welt..." Beide
drehten sich um, um eine zornige Krankenschwester am Eingang stehen zu sehen.
Sie drehte das Licht an, verschaffte sich einen Überblick und bedachte Mulder
mit einem bösen Blick. Böse blies sie die Kerzen aus. "Sir, Sie werden
jetzt gehen müssen, damit ich diese Unordnung beseitigen kann. Und bitte,
bringen sie nicht wieder Kerzen hierher."
Scully blickte auf und schüttelte ihren
Kopf. "Er war nicht... er hat nicht..." Mulder zuckte mit den
Schultern und bot ihr den besten Versuch eines Lächelns, den er aufbieten
konnte.
"Es ist okay. Ich...ich sollte gehen.
Ähm, vielleicht versuchen wir es das nächste Mal mit Pizza." Als er sah,
wie die Schwester eine weitere Nadel in Scullys Arm stach, versuchte er, nicht
zusammenzuzucken, dann drehte er sich um und ging.
xxxxxx
Charlie verdrehte wegen seiner Tochter
frustriert seine Augen. Sie hatten die alte Diskussion darüber, wo Pele bleiben
würde, wenn Rena und er in den Urlaub fahren. Seine Wahl war bei Großmutter,
ihre war alleine zu Hause. Es war eine ermüdende Übung und er hatte keine Lust
dazu, sich im Moment damit zu befassen.
"Sieh mal, Schätzchen, wir sind hier,
um Tante Dana zu besuchen, lassen wir das also vorläufig sein und geben wir ihr
etwas Frieden." Als sie sich dem Zimmer seiner Schwester näherten, wurde
er durch einen ungewöhnlichen Anblick vom Thema abgelenkt. Ein Mann ging über
den Korridor auf sie zu, über und über mit Nudeln bedeckt. Für einen Moment
befürchtete Charlie, dass es ein Patient aus der Psychiatrie wäre, der
herumlief. Aber als er näher kam, erkannte er, dass es Mulder war.
"Mulder? Bist du das? Was zum Teufel
ist mit dir passiert?"
Mulder wischte sich eine Nudel aus dem Auge
und Charlie schnaubte. Was für einen lächerlichen Anblick er doch abgab. Doch
es dauerte nur einen Moment, um zu sehen, dass Mulder nicht amüsiert war.
Tatsächlich sah er so aus, als ob er im Begriff wäre, zu weinen.
"Ich glaube nicht, dass deine Schwester
chinesisches Essen sehr mag."
Pele kicherte und Charlie brachte sie zum
Schweigen. Es war nicht mehr komisch.
"Dana hat das getan?"
"Ich weiß nicht mehr, was ich noch tun
kann, Charlie. Alles ist falsch..." Er brach ab und schüttelte ärgerlich
den Kopf. "Ich muss einfach von hier verschwinden. Alleine, dass ich hier
bin, verletzt sie schon."
Charlie stöhnte innerlich auf. Er wusste,
dass Mulders Gegenwart das einzige war, das Dana entspannte und tröstete.
"Mulder, nein. Geh nicht. Sie braucht dich hier."
"Braucht mich? Meinst du das verdammt
noch mal ernst?" fragte er zornig. Dann warf er einen Blick auf Pele, so
als ob er sie das erste Mal bemerken würde und räusperte sich.
"Entschuldigung." Pele zuckte nur mit den Schultern und grinste.
"Ja, ich meine das ernst. Sie fühlt
sich nicht sicher, außer wenn du um sie bist."
"Charlie, ich habe keine Ahnung, was
sie fühlt. Alles was ich weiß ist, dass sie sich jedes Mal, wenn ich in ihrer
Nähe bin, am Ende tausendmal schlimmer fühlt." Er wirkte auf Charlie wie
ein weinender kleiner Junge und einen Moment lang war er verärgert. Aber Mulder
sah so erbärmlich aus, dass es schwierig war, auf ihn böse zu bleiben.
"Sieh mal, Mulder, geh dich einfach mal
sauber machen oder so. Ich will mit dir über das alles reden, doch ich kann dir
nicht mal in die Augen sehen, da sie mit Nudeln bedeckt sind."
Mulder zuckte hilflos mit den Schultern und
murmelte "was auch immer", als er zum Waschraum davon schlurfte.
xxxxxx
19:45
Als er zurückkam sah Mulder, dass Charlie
gegangen war und seine Tochter alleine auf der Couch vor Scullys Zimmer saß. Er
fühlte sich jetzt, wo er sich etwas gesäubert hatte, weniger idiotisch, doch er
fühlte sich immer noch am Rande irgendeines Ausbruches. Schreien oder Schießen
oder ein Loch in die Wand treten. Alles zusammen vielleicht. Das letzte, was er
gebrauchen konnte war, dass ein dreizehnjähriges Kind darin verwickelt wurde.
Er lächelte und begann, an ihr vorbei zu
gehen, doch sie rief ihm zu.
"Mister Mulder, mein Dad ist meine
Mutter suchen gegangen. Er meinte, ich soll Ihnen sagen, dass Sie hier auf ihn
warten sollen, damit Ihr miteinander reden könnt."
"Oh..." Er sah sich nach einem
anderen Sitzplatz um. Da war wirklich nirgendwo einer, bis auf die schmale
Couch, auf der Pele saß. Mulder setzte sich ans andere Ende.
Mulder blickte über die Couch auf das
Mädchen neben ihm. Er war unsicher, was genau er mit ihr reden sollte. Bei
jugendlichen Mädchen hatte er sich nie besonders wohl gefühlt. Es war die
einzige Sorte Kinder, mit denen er fürchterlich schlecht auskam. Er wusste
nicht, ob es deswegen war, weil sie ihn an Samantha oder an seine lahmen
Versuche, eine Freundin zu finden, als er in dem Alter war, erinnerten. Egal
wie, er war bei ihnen ganz verlegen.
Und dieses Mädchen war kein gewöhnlicher
Teenager. Dieses Mädchen wies nur wenig Ähnlichkeit mit dem Kind auf, das ihm
Charlie auf dem Bild, das gerade erst letztes Jahr aufgenommen wurde, gezeigt
hatte. Sie hatte die schwarzen, gelockten Haare und die feinen Gesichtszüge,
doch dieses Mädchen sah mehr wie eine Frau als ein Kind aus. Sie trug, soweit
Mulder es sehen konnte, nicht einmal Make-up, doch sie schaffte es trotzdem,
wie eine ungefähr Achtzehnjährige auszusehen.
Die Art, wie sie gekleidet war, war nicht
gerade hilfreich. Mulder wäre nicht soweit gegangen, ihre Erscheinung als
nuttig zu bezeichnen, doch sie war wirklich sehr ungehemmt mit ihrem Körper.
Pele hatte eine Grazie und einen totalen Mangel an Ungeschicklichkeit, was
vollkommen unvereinbar mit ihrem Alter war. Er erinnerte sich an Charlies Worte
über seine Tochter und fragte sich, ob auch Scully so gesegnet gewesen war.
Mulder blickte zu ihr herüber, um zu
entdecken, dass sie offen zurückstarrte. Er grinste und winkte ihr dümmlich zu.
"Wie geht’s?"
Ihr Gesicht leuchtete auf und sie rutschte
ein wenig näher zu ihm. "Es geht mir gut, wie geht es Ihnen...Agent
Mulder?"
"Nur Mulder ist okay." Ihr Lächeln
wurde noch breiter. Er hätte schwören können, dass sie mit den Wimpern
klimperte, doch er sagte sich, dass er sich das einbildete. Sie war doch noch
ein Kind, um Himmels willen.
"Also, Sie arbeiten mit Tante Dana für
das FBI, stimmt’s?"
"Ja, das stimmt."
"Das muss sehr...aufregend sein."
Ihre Stimme nahm einen tieferen Tonfall an und er fühlte eine seltsame,
unerklärbare Reaktion. Sie klang sehr nach Scully. Sehr.
"Ähm...manchmal. Ich schätze, dass man
es aufregend nennen könnte."
"Gefährlich, hmm?" Sie leckte ihre
Lippen und überkreuzte ihre Beine in seine Richtung. Ihr Rock wurde verdammt
kurz. Und ihm wurde klar, dass er sich nichts einbildete.
"Ähm...manchmal."
"Ich denke, dass es schon sehr erregend
ist, speziell die Art der Arbeit, die Ihr zwei macht. Ich finde Parapsychologie
absolut faszinierend." Er konnte nicht verhindern, dass ihm
sein Kiefer herunterklappte. Dieses Mädchen konnte nicht dreizehn sein. Im
Leben nicht.
"Oh wirklich?"
Sie nickte und rutschte noch ein oder zwei
Zentimeter näher. "Ja, ich denke die Arbeit, die Sie machen, ist einfach
erstaunlich." Er begann sich nun wirklich zu wünschen, dass sie eine
andere Stimme hätte. Wenn er seine Augen schließen würde, könnte er sich fast
vorstellen, dass es Scully wäre, die hier saß und mit ihm redete. Als ob Scully
jemals mit jemandem so schamlos flirten würde. Er sagte sich, dass sie das
nicht würde, doch Charlies dumme Geschichte suchte ihn immer noch heim.
Pele lehnte sich noch ein wenig näher und er
fühlte ihre winzigen Finger seinen Bizeps umfassen.
"Sie müssen eine Menge trainieren. Ist
das wegen dem Job oder weil es einfach Spaß macht?" Er zog seinen Arm
sanft weg und rutschte noch ein wenig weiter die Couch hinunter.
"Es ist, ähm...Ich mache es nicht...
" Mulder verfluchte sich im Geiste selbst. Er wurde tatsächlich rot. Und
stotterte.
"Mulder?"
"Ja?" Er hatte fast Angst. Wie
hatte er zulassen können, dass ein Kind ihn innerhalb von fünf Minuten in einen
verlegenen, sprachlosen Dödel verwandelte. Mulder vermutete, dass es nicht
gerade hilfreich war, dass sie ihn in einem so verwundbaren Moment getroffen
hatte. Er fühlte sich wie ein Dummkopf.
"Kann ich Ihre Pistole sehen?" Sie
flüsterte diese Bitte verschwörerisch, so als ob sie einen Plan aushecken
würden, die Schule zu schwänzen oder einen Joint hinter der Zuschauertribüne zu
rauchen oder so etwas.
"Ähm,...ich denke..." Mulder
fasste in sein Halfter, zog die Waffe heraus und hielt sie ihr hin. Er hielt
seine Hand auf den Abzug und überprüfte, ob sie gesichert war.
"Wow,"
keuchte sie und strich mit ihren Fingern über den Lauf. "Sie ist
verdammt...groß." Guter Gott. Lieber Gott im Himmel. Scully konnte nicht
so gewesen sein. Keiner, der dreizehn Jahre alt war, konnte so sein. Er
vermutete, dass er altmodisch war, doch Kids in dem Alter sollten Barbies
sammeln und Typen namens Corey in Jugendzeitschriften anhimmeln.
"Ugh...Pele... " Beunruhigt
stellte er fest, dass seine Stimme krächzte. Sie rutschte herüber, bis sie an
seine Seite gepresst war. Ihre Hände glitten immer noch über seine Pistole. Er
nahm sie ihr aus den Händen und steckte sie zurück in das Halfter.
"Ja, Mulder?" Sie blickte ihn an,
ihre großen scullyartigen Lippen waren teilweise geöffnet, so als ob sie darauf
warten würde, dass er sie küsste oder so. Woher war dieses Kind gekommen? Dann
erkannte er etwas wirklich Beunruhigendes. Sie könnte seiner eigenen Phantasie
entsprungen sein. Er erinnerte sich an die Nacht mit Charlie zurück, an dieses
verdammte Bild und an seine Phantasien über eine pubertierende Scully. Es war
ihm sogar zu diesem Zeitpunkt pervers vorgekommen. Doch nun, da er mit dem
Bild, das er beschworen hatte, tatsächlich konfrontiert wurde, war ihm klar,
dass es nicht nur pervers war. Es war ekelhaft.
"Du bist viel zu jung, um mit Pistolen
zu spielen, denkst du nicht?"
"Oh, ich habe eine zu Hause. Aber die
ist nicht so schön wie diese." Er nahm an, dass sie von einem
Luftdruckgewehr sprach, wie es Scully besessen hatte, als sie noch ein Kind
war. Und das sie von ihren Brüdern bekommen hatte. Er hoffte jedenfalls, dass
sie davon sprach.
"Also, ähm...Pele, kennst du
irgendwelche Jungs in deinem Alter?" Das war das einzige, woran er in
Bezug auf einen Rat noch denken konnte. Sie zeigte ein empörtes Gesicht,
rümpfte ihre Nase und zog ihre verdammte Augenbraue in die Höhe.
"Natürlich tu ich das, aber die sind so
unreif und langweilig. Haben nichts interessantes zu
sagen, keine Lebenserfahrung. Ich wette, Sie könnten mir jede Menge
interessante Geschichten erzählen, nicht wahr, Mulder?" Er saß nun gegen
die Armlehne gepresst und konnte nirgendwohin ausweichen. Nervös sah er sich um
und hoffte, dass irgendjemand kommen und ihn retten würde. Wünschte sich, dass
sein Handy klingeln und diese bizarre Szene unterbrechen würde, doch der
einzige, der ihn anrufen würde, war Scully.
"Nun, nicht wirklich, nein. Nichts, was
jemand Normalen jedenfalls interessieren würde."
"Oh, ich bin nicht normal, Mulder.
Überhaupt nicht. Normal heißt für mich langweilig. Erzählen Sie mir eine
Geschichte über ihre Arbeit? Was war der gefährlichste Fall, den Sie je gehabt
haben." Das musste er diesem Kind zugestehen, sie wusste, was sie tat.
Sicher, jedes Wort, das aus ihrem Mund kam, war ein Klischee, doch dafür gab es
einen Grund. Diese Zügel waren überbeansprucht, weil sie funktionierten. Nicht
viele Männer können widerstehen, sich selbst und ihre "männlichen" Attribute
zu verherrlichen. Mulder fühlte eine plötzliche und überwältigende Sorge für
dieses Mädchen. An wie vielen Männern hatte sie diese Prozedur schon
ausprobiert? Wie viele davon hatten, so wie Mulder, gewusst, wie alt sie
wirklich war? Wie viele davon waren verzweifelt in ihre Tante verliebt gewesen
und wehrten den Gedanken, sie auszunutzen, ab?
"Du willst darüber nichts hören. Ich...
"
"Haben Sie eine Freundin, Mulder?"
Das war die schlimmste aller Fragen. Er hatte
keine Ahnung, wie er sie beantworten sollte.
"Sie müssen Tonnen davon haben."
"Ähm...nicht wirklich, nein."
Falsche Antwort. Sie rutschte unglaublich nah und rieb ihren Fuß an seiner
Hüfte.
"Ich kann mir nicht vorstellen,
warum."
"Ach, weißt du, das liegt
wahrscheinlich an meiner Nase, ich versuche, es nicht persönlich zu
nehmen." Mulder lachte nervös. Pele war über seinen Versuch von Humor
nicht amüsiert. Plötzlich sah sie sehr ernst aus.
"Sie haben eine wunderbare Nase. Ihr
Gesicht hat viel Charakter. Und außerdem, Sie wissen, was man über Männer mit
großen Nasen sagt..."
"Pele!" Mulder stieß einen Atemzug
aus, von dem er noch nicht mal bemerkt hatte, dass er ihn anhielt. Charlie war
hier um ihn zu retten.
"Pele, geh zu deiner Mutter und lass
den netten Mann in Ruhe!" Sie starrte ihren Vater zornig an und verdrehte
in einer beängstigend vertrauten Art ihre Augen.
"Aber Dad..." heulte sie.
"Kein aber. Sie wartet unten im Foyer
auf dich. Sie wird dich zurück zu deiner Großmutter bringen." Pele rümpfte
ihre Nase und streckte die Zunge hinaus.
"Ich habe Oma so satt."
"Ja, ja. Das haben wir alle. Geh
einfach da hinunter." Pele seufzte und ging zum Fahrstuhl. Bevor die Türen
sich öffneten, drehte sie sich um und winkte.
"Bye Mulder. Es war wirklich nett, mit
Ihnen zu plaudern."
Mulder zappelte herum und murmelte etwas unverständliches und sie verschwand. Charlie schüttelte den
Kopf und drehte sich zu Mulder um.
"Entschuldige deswegen. Ich hoffe, sie
hat dich nicht gestört."
Mulder zuckte mit den Achseln. Er war sich
nicht sicher, wie er darauf antworten sollte. Sie hatte ihn nicht wirklich
gestört, sondern nur daran erinnert, wie verdreht er doch innerlich war. Kein
Wunder, dass er Scully nicht helfen konnte. Sie wusste, was er war. Ob sie es
nun zugab, oder nicht, sie hatte möglicherweise mehr Angst vor ihm als vor
Jane.
"Sie ist, ähm...ein sehr interessantes
Kind."
Charlie schnaubte und setzte sich hin.
"Ich schätze, interessant ist auch eine Art das auszudrücken. Ich weiß
nicht. Ich denke, sie wird mich, noch bevor ich vierzig bin, an den eines Herzinfarktes treiben. Ich weiß einfach nicht
mehr, was ich noch tun kann, weißt du. Ich möchte kein Tyrann wie Daddy sein,
doch was zum Teufel soll ich sonst tun? Ihr Verstand ist, verdammt noch mal, zu
alt für ihren Körper."
Mulder wünschte sich, er könnte in
irgendeiner Weise elterlichen Rat anbieten, doch er hatte keine Ahnung, wie man
mit geilen Teenagern umgehen könnte. Er hatte schon selbst genug Probleme
damit.
"Was denkt ihre Mutter?"
Charlie zuckte mit den Schultern. "Das
gleiche, wie ich. Wir versuchen, ihr soviel Freiheiten zu geben, wie wir
können, ohne sie wild werden zu lassen. Doch es gibt auch Momente, in denen uns
danach ist, sie in ihrem Zimmer einzusperren und ihr einen Keuschheitsgürtel
anzulegen. Und sie ist in einem Alter, in dem sie noch nicht einmal mit Rena
reden will und das ist für sie ein wenig frustrierend." Charlie seufzte
schwer und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. "Das ist jedoch ein anderes
Thema und nicht das, worüber ich mit dir sprechen wollte."
Mulder rutschte befangen umher. Er wusste,
worüber Charlie sprechen wollte, und er verspürte keinen Wunsch, das überhaupt
zu diskutieren.
"Ich denke, dass wir über Dana reden
müssen." Charlie hielt und betrachtete Mulder besorgt. "Ich glaube
nicht, dass es ihr besser gehen wird. Ich meine, da ist ein größerer Schaden,
als wir zuerst dachten."
"Nein...sie, es ging ihr gut. Als ich
vorhin bei ihr war, und sogar an diesen Morgen, ging es ihr besser. Es wird ihr
besser gehen. Es geht ihr gut. Es liegt an mir."
Charlie rollte mit den Augen und seufzte.
"Mulder, das ist einfach nicht wahr. Ihr Arzt hat mit heute erzählt, dass
sie überhaupt nichts gegessen hat. Sie legt kein Gewicht zu oder gewinnt auch
nicht an Stärke zurück und sie redet mit niemanden
über das, was passierte. Sie lehnt es ab, mit einem Psychologen zu
sprechen..."
"Sie braucht keinen Psychologen. Da ist
nichts verkehrt bei ihr. Alles was sie braucht ist, dass ich sie in Ruhe
lasse."
"Hörst du mir überhaupt zu? Es wird ihr
nicht besser gehen! Ihr Körper erholt sich nicht. Ihr psychischer Zustand hat
sich nicht verbessert. Da stimmt etwas wirklich nicht. Sie sollte jetzt schon
fast soweit sein, das Krankenhaus zu verlassen. Doch das ist sie nicht, sie
wollen sie hier nicht rauslassen, weil sie einfach hinfallen würde, sobald sie
das Bett verlässt. Hast du das kapiert?"
Mulder zuckte zusammen und schloss seine
Augen. Er wollte das nicht glauben. Es war viel einfacher, ihm die Schuld für ihr
merkwürdiges Verhalten zuzuschieben, als zu denken, dass mit ihr etwas
ernsthaft nicht stimmte.
"Warum hat mir das niemand
gesagt?"
"Ich weiß es nicht, ich schätze, weil
du in ihren Augen nicht zur Familie gehörst. Aber ich erzähle dir das, weil ich
glaube, dass du der einzige bist, der ihr helfen kann. Du bist der einzige, auf
den sie hört."
"Nun bist du derjenige, der es nicht
kapiert, Charlie. Ich versuche, ihr zu helfen. Das ist alles, was ich getan
habe. Es funktioniert nicht. Sie hat Angst vor mir."
"Nein, hat sie nicht. Warum sollte sie
vor dir Angst haben?"
Mulder starrte für einen Augenblick
ausdruckslos auf die Wand. Charlie wusste es nicht. Er verstand es nicht. Weil
er keine Ahnung hatte, was Mulder seiner Schwester angetan hatte. Mulder gefiel
der Gedanke, ihn über die Details zu informieren, nicht.
"Sie hat sie einfach. Und sie will mit
mir genauso wenig über das alles reden, wie mit irgend jemand anderen."
"Gut, dieser Teil könnte stimmen, Aber
sie will nicht, dass du denkst, sie würde nicht klarkommen. Sie hat große Angst
davor, du könntest denken, sie sei schwach oder hilflos."
Mulder nickte betrübt. Sie hatte es ihm
niemals gezeigt, wenn sie Hilfe brauchte, wenn sie Angst hatte oder traurig
war.
"Nun, versuch wenigstens, sie dazu zu
bringen, dass sie mit jemand anderem spricht, einem Therapeuten oder ihrem Arzt
oder...ich weiß nicht, irgendjemanden."
"Ich...ich werde es versuchen, denke
ich," stimmte Mulder zu. Aber in seinem Herzen
wusste er, dass es ihr sehr viel besser gehen würde, wenn er an dieser
Situation überhaupt nicht beteiligt wäre.
xxxxxx
Dienstag
13:30
Rena Scully führte ihren Sohn an der Hand in
Scullys Zimmer. Als sie sah, dass Dana schlief, beugte sie sich zu ihrem Sohn
hinunter und ermahnte ihn, ruhig zu sein. Der Mann an Danas Seite war, wie sie
nur annehmen konnte, der berühmt-berüchtigte Mulder. Er saß auf einem Stuhl
direkt neben dem Bett über sie gebeugt, eine Hand hielt Danas, mit der anderen
strich er ihr in einem stetigen Rhythmus übers Haar. Sein Blick war voller
Sorge und intensiver Bewunderung.
Charlie Jr. seufzte und riß Mulder aus
seiner Trance. Als er lächelte und Rena begrüßte, sah er leicht verwirrt und
vielleicht sogar etwas befangen aus.
"Mr. Mulder?" vermutete Rena und
bot ihm die Hand an. "Ich bin Rena Scully."
"Ja, ja. Charlies Frau. Ich habe Sie
beide von dem Foto, dass er mir gezeigt hat,
erkannt." Sie lächelte und nickte, als er ihre Hand schüttelte.
"Bitte, Sie können mich nur Mulder nennen."
Rena lächelte und blickte auf Dana herab,
die im Schlaf sehr flach atmete. "Wie geht es ihr?"
Mulder seufzte und blickte ebenfalls zu Dana
herüber. "Sie ist okay, ihr Arm heilt und so, aber..." Er seufzte und
brach wieder ab. Dana zuckte und stöhnte im Schlaf und Mulder ließ seine Hand
wieder über ihr Gesicht und ihr Haar gleiten, was sie zu beruhigen schien.
Er war über ihren emotionalen Zustand sehr
besorgt, das war ein Eindruck, den Rena mehr als deutlich erhielt. Sie musste
nicht einmal fragen, was es war, woran er sich eben selbst gehindert hatte, es auszusprechen.
Zusammen mit diesem Eindruck hatte sie auch das starke Gefühl, dass er eine
intensive Schuld für das, was mit Dana geschehen war, in sich trug. Für viele
Dinge, die mit ihr geschehen waren.
Mulder hielt nun seine Augen auf Dana
gerichtet. "Sie wissen, dass es das Beste ist, was Sie jetzt für sie tun
können." Bei Renas Bemerkung hoben sich Mulders Augenbrauen und seine
Augen blickten etwas zu ihr auf, doch er hob den Kopf nicht ganz.
"Sie so zu berühren. Wenn sie schläft,
leise mit ihr zu sprechen. Es gibt keine bessere Therapie, als die Berührung
eines anderen Menschen. Besonders die eines Liebenden."
Er lächelte betrübt, sah wieder zu ihr auf,
seufzte und sagte leise, "Danke. Vielen Dank."
Aus dem, was ihr Charlie über diesen Mann
erzählt hatte, wusste Rena, dass er all die Ermutigung brauchte, die er
bekommen konnte. Besonders, wenn es sich auf die Familie bezog. Wie sie selbst
wurde Mulder von der Scullyfamilie nicht mit offenen Armen aufgenommen. Doch er
schien es viel persönlicher zu nehmen, als sie es je getan hatte.
Für einen Moment lang war sie versucht, ihm
zu versichern, ihn wissen zu lassen, dass nichts von dem seine Schuld war, doch
sie hielt ihre Zunge in Zaum. Er musste seine ganze Anstrengung auf Danas
Genesung konzentrieren. Das war wirklich der einzige Weg, wie es ihr besser
gehen würde oder könnte.
In die Stille des Raumes hinein fragte
Mulder leise, "Glauben Sie...glauben Sie, dass sie jemals wieder dieselbe
sein wird?"
Rena war sich nicht sicher, wie sie ihm eine
ehrliche Antwort geben könnte. Es lag nicht an ihr. Statt
dessen fragte sie ihn, "Glauben Sie, dass sie das wird?"
Mulder blickte auf und sah sie jetzt direkt
an, seine Augen waren angesichts ihrer Frage scheinbar voller Zweifel.
"Mulder, ich denke..."
"...zappelte und wackelte und sich in
ihr verhedderte..."
Charlie Jr. wurde anscheinend schon dieses
Besuches müde und beschloss, sich selbst mit den Plastikactionfiguren die er
bei sich hatte, zu unterhalten. Selbstvergessen sang er ein gerade erst
gelerntes Lied, mit dem es ihm gelungen war, seine Familienmitglieder in
letzter Zeit in den Wahnsinn zu treiben, indem er es immer wieder wiederholte.
"Charles, nicht so laut, mein Liebes," bat Rena fest.
Der Junge bestätigte es seiner Mutter nicht
offiziell, sondern fuhr damit fort das Lied in einem lauten Flüstern zu singen.
"... sie schluckte die Fliege... nein, warte... sie schluckte das Pferd,
um das Hündchen zu bekommen, um die Spinne zu bekommen, die zappelte und
wackelte und sich in ihr verhedderte..."
Als er seine eigene Interpretation des
Liedes weitersang, konnten sowohl Rena als auch Mulder nicht anders, als leise
in sich hineinzulachen.
"Scheint ein gutes Kind zu sein," bemerkte Mulder anerkennend.
Rena lächelte stolz. "Er passt sich
wirklich seinem Namen an. Er *ist* mein kleiner Charlie. Er hat die besten
Qualitäten seines Vaters angenommen."
Als sie beide den Jungen beim Spielen
beobachteten, merkten sie zuerst nicht, dass Scully begonnen hatte, sich viel
schwerer als zuvor in ihrem Schlaf herumzuwerfen. Erst als sie anfing, laut zu
stöhnen, wurde ihre Aufmerksamkeit auf sie gelenkt.
"Shhh, Scully, du bist okay, du bist
okay. Ich bin hier bei dir." Mulder sprach in ihr Ohr und benutzte beide
Hände um ihr Gesicht zu streicheln.
Aber sie ließ sich nicht beruhigen.
"Nein... bitte... nicht. *Bitte*."
"Ich kannte 'ne Dame, die eine Spinne
verschluckte, die zappelte und wackelte und sich in ihr verhedderte...,"
sang Charlie weiter im Hintergrund. Rena schimpfte wieder mit ihm, weil er so
laut war, doch Charlie wusste, dass die Aufmerksamkeit seiner Mutter im Moment
geteilt war. Also zog er es vor, nicht auf sie zu hören und sang weiter.
"...sie schluckte die Spinne, um die
Fliege zu fangen..."
Scully warf sich im Bett herum, ihr
Gesichtsausdruck vor Schmerz verzerrt, ihre Wangen tränenüberströmt.
"Scully, ich bin hier. Scully...," rief Mulder nun schon
verzweifelter.
"Nein, bitte... kann nicht..."
Dann hustete und hyperventilierte sie, als ob sie sich übergeben würde.
"...Ich weiß nicht, warum die Dame 'ne Fliege
schluckte..." Rena packte Charlie am Arm, zog ihn an ihre Seite und
erinnerte ihn heftig an ihre vorherige Anweisung. Er kicherte und beendete das
Lied trotz des Befehles seiner Mutter.
"Vielleicht wird sie STERBEN!"
"NEIN!" Scully fuhr kerzengerade
im Bett hoch und schrie. "AUFHÖREN AUFHÖREN NEIN!!" Ihre Augen waren
weit offen und sie sah Charlie direkt an, als sie schrie. "LASSEN SIE MICH
GEHEN, VERDAMMT NOCH MAL!!"
Der kleine Charlie war zu Tode erschrocken
und ließ sofort seine Unterlippe hängen. Er schmiegte sich an die Hüfte seiner
Mutter, die Tränen begannen zu fallen und er verbarg sein Gesicht.
Scully selbst weinte und zitterte und es war
sowohl für Rena als auch für Mulder offensichtlich, dass sie eigentlich noch
mitten in ihrem Alptraum gefangen war. Rena hob ihr schluchzendes Kind hoch und
trug es aus dem Zimmer.
Mulder schüttelte Scully und rief ihren
Namen. Schließlich wachte sie auf und sie brauchte nur einen Augenblick, um zu
erkennen was passiert war. Sie sah Mulder an und brach in seinen Armen
zusammen.
Er hielt sie eng an sich und versuchte sein
Bestes, um sie zu beruhigen. "Was zum Teufel ist los mit mir,
Mulder?" schluchzte sie an seiner Brust. "Ich bin so müde," flüsterte sie. "Wann kann ich mich
ausruhen?"
Ende Kapitel 3/11
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Kapitel 4/11
Dienstag
19:30
Mulder rieb sich die Augen. Erst jetzt kam
es ihm in den Sinn, wie müde er war. Und dass ihm alles wehtat. Die
Beschwerden, die das Schlafen in Krankenhaussesseln mit sich brachte, hatten ihn
voll erwischt. Sein einziger Gedanke beim Schlafen im Krankenhaus war auf
Scullys Bequemlichkeit gerichtet, nicht auf seine.
Er betrat das Wartezimmer, das in den
letzten Tagen von Scullys Familie vereinnahmt worden war. Auf einer der Couchen
in der Ecke schlief Rena, an Charlies Schulter gelehnt. Charlie erkannte Mulder
schläfrig und Mulder nickte. Er wollte sich nur für ein oder zwei Minuten auf
die andere Couch im Raum legen, als er Charlie Jr. auf dem Boden bemerkte, der
in die im Fernsehen laufende Folge von Scooby Doo versunken war.
Gott, er sah aus wie sie. Sehr sogar. Er sah
auch aus, wie seine Eltern, aber er ähnelte Scully auf so viele Arten. Die Form
seines Gesichtes, der Bogen seiner Augenbrauen. Im Gegensatz zu seiner
Schwester hatte Charlie Jr. die meerblauen Augen seines Vaters geerbt, deren
Schattierung er mit seiner Tante teilte. Augen, die nun mit Tränen gefüllt
waren.
Mulder sah wieder zu den Eltern des Jungen
hin. Beide waren nun eingeschlafen und Charlie schnarchte leise, während er unbewusst
das seidige schwarze Haar seiner Frau streichelte. Mulder kniff die Augen
zusammen. Große Klasse, ihnen die Ferien zu verderben und indirekt das Trauma
ihres Kindes zu verursachen.
Konnte er in dieser Woche womöglich
jedermanns Leben verderben?
Mulder wusste genau, wie sich klein Charlie
fühlte. Nur dass Charlie es nicht besser gewusst hatte. Mulder hatte es.
Ein Bild von Scullys ärgerlichem Gesicht kam
Mulder in den Sinn. Sie hatte so recht gehabt. Jane hatte ihn manipuliert, jede
seiner Schwächen ausgenutzt. Er hatte es nicht kommen sehen. Scully hatte es
und er hatte beschlossen, sie wieder einmal zu ignorieren.
Nie wieder, Scully, ich verspreche es. Von
jetzt an wollte er zuhören. Gott verdammt, und wenn es ihn umbrachte, er würde
auf jeden ihrer Atemzüge hören.
Mulder setzte sich neben Charlie auf den
Boden. "Magst du Scooby?" fragte er.
Charlies Blick blieb weiter auf den
Bildschirm gerichtet und er nickte kurz.
"Weißt du,"
meinte Mulder in dem Versuch, ihn abzulenken. "Deine Tante Dana erinnert
mich immer an Velma."
"Sie ist hässlich,"
erwiderte Charlie leise und atmete heftig ein.
"Ja." Mulder gluckste leise.
"Aber sie ist die clevere, wie Velma. Tante Dana ist immer diejenige, die
unsere Fälle löst. Unsere Geheimnisse." Gott, das war die reine Wahrheit.
Mulder war nach Weinen zumute.
'Komm zurück zu mir, Scully.'
Charlie saugte an seinen Lippen und seine
Mundwinkel gingen noch weiter nach unten. Er schniefte kurz und wischte sich
über die Augen. Dann schnappte er nach Luft und sein Kinn zitterte, als eine
Träne über seine Wange lief. Es war jetzt offensichtlich für Mulder, dass er
versuchte, nicht zu weinen.
"Hey,"
sagte Mulder. "Hey, Kumpel, es ist okay. Wein ruhig, wenn du willst."
Charlie schüttelte grimmig den Kopf und rieb
sich mit den Fäusten die Augen. "Kann nicht. Soll nicht."
"Du sollst nicht?" Mulder konnte
nur schwer glauben, dass Charlie und Rena ihm das beigebracht haben sollten.
"Wer sagt, dass du nicht weinen sollst?"
Charlie schob seine Unterlippe hervor und
schluchzte. Sich die Nase wischend erklärte er, "Onkel Bill. Ich habe
geweint, weil ich mich wirklich schlecht fühle, weil, weil ich Tante Dana böse
gemacht habe und sie wirklich krank ist und..." Er konnte kaum noch
sprechen. "Onkel Bill hat gesagt, dass ich ein großer Junge bin und kein
Baby mehr und dass ich ungezogen war, weil ich nicht auf Mami gehört habe und
dass ich, dass ich nicht weinen soll!"
Seine Geschichte war zu Ende und die
Schleusen waren geöffnet. Mulder ermutigte Charlie, sich an ihn zu lehnen und
zu Mulders totaler Überraschung schlang der Junge seine Arme fest um seine
Taille.
Rena bewegte sich im Schlaf und Mulder
drehte sich um, um sie anzusehen. Augenscheinlich befriedigt, dass ihr Baby
nicht in Gefahr war, entspannte sie sich wieder in den Armen ihres Mannes. Als
Mulder merkte, dass sein Hemd nass wurde, redete er leise auf den kleinen
Charlie ein. "Ist okay, Charlie. Lass es raus. Jeder sollte ab und zu
weinen."
"Ich wollte sie nicht traurig machen.
Ich wusste nicht, dass das Lied ihr wehtun und sie noch mehr krank machen
würde." Die Worte kamen stoßweise zwischen Schluchzern heraus.
"Ich weiß, dass du es nicht wolltest.
Das weiß ich."
"Es tut mir wirklich sehr leid."
"Das weiß ich." Mulder sah sich
nach etwas um, das helfen würde, damit der Junge sich besser fühlte. "Hey,
willst du vielleicht ne Coke oder so etwas?" Charlie löste sich von ihm
und zeigte sein geschwollenes, tränennasses Gesicht. Aber da war jetzt auch ein
Hauch von Glück in seinen Augen zu sehen. "Kann ich eine Dose für mich
allein haben?"
Während sie auf die Tür zu dem Raum
zugingen, in dem sich die Getränkeautomaten befanden, hielt sich Charlie an
Mulders Hand fest, als wäre es die natürlichste Sache der Welt für ihn. Mulder glaubte,
dass ihm tatsächlich das Herz aufging. Als sie den Raum erreichten, hüpfte
Charlie.
Er sprang vor Mulder auf und nieder.
"Kann ich das Geld hineinwerfen? Ich will das Geld allein reintun.
Bitte?"
Mulder zauberte hinter Charlies linkem Ohr
ein 25-Cent-Stück hervor. Charlie riss die Augen auf und schnappte nach Luft.
Als er sich hinter das Ohr griff, um nach mehr Geld zu sehen, griff Mulder
hinter Charlies rechtes Ohr und fand ein weiteres 25-Cent-Stück.
"Wow,"
war alles, was Charlie hervorbringen konnte.
"Komm her, Kind,"
meinte Mulder, als er Charlie hochhob, so dass er den Schlitz für das Geld
erreichen konnte. Charlie warf die beiden Geldstücke ein, drückte heftig auf
den Coke-Knopf und freute sich leise, als er die Dose fallen hörte.
Die beiden neuen Freunde setzten sich an
einen runden Tisch, der in dem Raum stand. Der kleine Charlie nahm zwei große
Schlucke aus seiner 'ganzen Dose' und Mulder sinnierte darüber, wie diese
einfache Sache den Jungen glücklich zu machen schien. Und dass Mulder etwas
damit zu tun hatte, machte es noch besser für ihn.
"Aber erzähle nicht Mom und Dad, dass
ich dir die Coke gegeben habe, wenn du sie nicht haben sollst,"
scherzte Mulder.
"Mami macht es nichts aus. Mulder," begann er, wurde aber durch einen Rülpser unterbrochen.
"Tschuldigung. Mulder, denkst du, äh, denkst du, dass es Tante Dana wegen
mir schlechter geht?"
Mulder war sich nicht ganz sicher, ob er
ausreichend qualifiziert war, diese Frage zu beantworten, da er sich gerade
über die gleiche Sache Sorgen machte. Anstatt zu antworten, machte er einen
Vorschlag. "Würdest du dich besser fühlen, wenn wir hochgehen und uns bei
Tante Dana entschuldigen würden?"
Charlie sah plötzlich erschrocken aus. Er
blickte mit gesenktem Kopf in seine Coke-Dose. "Ich möchte nicht."
Mulder wollte auch nicht. Endlich konnte
Mulder sich mit jemandem in dem ganzen Chaos verbünden. Leider war dieser
Jemand ein Fünfjähriger. Oder vielleicht war es gar nicht so schlecht. Wie auch
immer, es begann Mulder klar zuwerden, dass Scullys Bruder letzte Nacht recht
gehabt hatte. Irgend etwas war wirklich nicht in
Ordnung mit Scully und es war mehr als nur seine eigene Dummheit.
"Es ist schwer, ich weiß, wie du dich
fühlst. Du fühlst dich dumm. Verlegen. Es tut dir leid. Ich fühle genauso. Ich
hab deine Tante Dana auch zum Weinen gebracht."
"Wirklich? Das hast du? Was hast du
gemacht?"
"Äh..." Er versuchte eine
Erklärung zu finden, die ein Kind möglicherweise in der Lage war, zu verstehen.
"Ich habe versucht, ihr ein paar Nudeln zu essen zu geben und irgendwie
habe ich sie damit erschreckt." Wenn das nur die einzige Sache wäre, die
er getan hatte. Aber er wollte einen Fünfjährigen nicht mit Geschichten von
Entführungen und wahnsinnigen Jägern und vergewaltigenden Partnern
traumatisieren.
Charlie verzog das Gesicht. "Die
Nudeln? Das ist albern. Wer hat Angst vor Nudeln?" Er begann zu kichern
und Mulder legte ihm einen Finger auf den Mund.
"Shh, ich weiß, es ist schwer zu
verstehen. Ich verstehe es selbst nicht ganz, aber aus irgendeinem Grunde haben
sie sie erschreckt. So wie dein Gesang."
Charlie nahm einen weiteren Schluck von
seiner Coke und sah Mulder mit einem nachdenklichen Gesichtsausdruck an.
"Onkel Mulder?"
Mulder erschrak, als er hörte, dass der
Junge ihn Onkel nannte und er brauchte eine Sekunde, um zu reagieren. "Äh,
ja Charlie?"
"Glaubst du, dass die Nudeln sie wegen
ihrer schlechten Träume erschreckt haben?"
xxxxxx
Scully tastete im Schlaf nach Mulders Hand.
Unfähig, sie zu finden, erwachte sie mit einem heftigen Keuchen. Für den
Bruchteil einer Sekunde fürchtete sie, dass sie wieder bei Jane war, dass das
Aufwachen in Mulders Armen vor einer Weile nichts weiter als eine weitere
Halluzination gewesen war.
Dann hörte sie eine Stimme. Die Stimme eines
kleinen Kindes.
"Du bist dran. Du bist dran."
"Einen Moment, Charlie. Deine Tante
Dana wacht auf."
"Oh-oh, ich habe vergessen, zu
*flü-stern*," erwiderte der Junge mit einem
Flüstern, das lauter war, als die Worte, die er vorher gesprochen hatte.
Nun erkannte sie die beiden. Es war Mulder,
der mit Charlies Jungen auf dem Boden saß. Ein Kartenspiel war für ein Spiel
auf den Fliesen verteilt.
Mulder stand auf und setzte sich zu ihr aufs
Bett. Er beugte sich vor und strich ihr ein paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.
"Wie geht es dir?" fragte er mit leiser Stimme.
Sie lächelte ein bisschen und entgegnete,
"Wie ich sehe, hast du jemand anderen zum Spielen gefunden, während ich
geschlafen habe."
Mulder sah zu Charlie Jr. hin. "Ja,
aber er mogelt noch mehr als du," neckte er sie.
"Tu ich NICHT!" protestierte
Charlie laut.
"Shh, Junge,"
belehrte in Mulder. "Sie werden uns hier noch rauswerfen." Er fuhr
Charlie durchs Haar, als der zu ihnen ins Bett kletterte.
Charlie kletterte über das ganze Bett, um
seine Tante Dana zu umarmen. "Ich liebe dich, Tante Dana." Seine
Stimme klang traurig für sie. Eine Weile hielt er seinen Kopf an ihrer Schulter
verborgen und bald spürte sie, wie es dort feucht wurde.
"Charlie?" Sie sah Mulder fragend
an. Er zuckte mit den Schultern und dann erinnerte sie sich augenblicklich
daran, was passiert war. "Liebling, was ist los?"
"Tut mir leid,"
schluchzte er an ihrem Hals. "Ich wollte dich nicht traurig machen," schniefte er. "Ich bin ein lieber Junge, ich
wollte nicht unartig sein, oh..." Er brach ab und weinte heftig. Scully
streichelte mit ihrer gesunden Hand seinen Rücken und drückte ihre Wange auf
seinen Kopf.
"Ist okay, Charlie,"
flüsterte sie. "Du bist ein lieber Junge." Jetzt hatte sie selber
Tränen in den Augen. "Ich habe einfach nur wirklich schlechte Träume, das
ist alles. Es ist nicht deine Schuld." Sie küsste ihn auf den Kopf.
"Nicht deine Schuld."
"Ich bin kein Baby,"
wimmerte er.
"Nein, das bist du nicht. Du bist ein
großer Junge. Du bist ein wundervoller Junge. Und ich liebe dich sehr."
Er löste sich von ihr und Scully erblickte
seine roten Augen, seine tränenüberströmten Wangen. Er schniefte zweimal.
"Ich liebe dich auch sehr."
"Gut,"
erwiderte sie lächelnd.
"Du bist nicht mehr böse mit mir?"
fragte er ein letztes Mal.
Sie kicherte durch die Nase und schüttelte
ihren Kopf. "Nein. Du hast nichts falsch gemacht, Süßer. Du wusstest es ja
nicht."
Er lächelte und beugte sich zu ihrem Gesicht
herab. "Küsschen?"
Scully lachte wieder leise und stimmte zu.
"Küsschen."
"Mmmah!" rief er aus, als er sie
flüchtig auf den Mund küsste.
"Mulder, gibst du mir bitte ein
Kleenex, ja?" bat sie ihn leise. Während sie es von ihm entgegennahm,
sagte sie zu Charlie, "Komm her, damit ich dir das Gesicht saubermachen
kann." Er gehorchte ihr glücklich und saß still, als sie ihm die Tränen abwischte
und die laufende Nase putzte. "Wie seid ihr beide überhaupt hier
hereingekommen? Die Besuchszeit ist seit Stunden vorbei."
Charlie zog sich zurück. Der Gedanke, ihre
Frage zu beantworten, schien ihn zu begeistern, als er sich hinkniete und tief
einatmete.
"Onkel Mulder hat mich
hergebracht!" erklärte er stolz.
"Onkel Mulder?" fragte sie und sah
diesmal Mulder an. Der zuckte nur mit den Schultern.
Charlie nickte entschieden. "Ja-ja-ja!
Wir haben versucht, uns an den Ladies an diesem, äh, Empfangsding
vorbeizuschleichen, aber eine von denen meinte 'Hey, er kann hier nicht rein.'
Aber Onkel Mulder hat gesagt, hey." Er hielt inne, um ihr Gesicht zu ihm
zu drehen, so dass sie ihn anstelle von Mulder ansah.
"Tante Dana, Tante Dana," bettelte er um ihre Aufmerksamkeit. "Onkel
Mulder, er, äh, hat zu der Lady gesagt 'Er ist mit mir hier.' und sie war...
und sie kümmerte sich nicht darum und, äh, also hat Onkel Mulder sein
Ausweis-Ding herausgeholt und gesagt 'Fox Mulder, FBI,' und so weiter, und so
sind wir hier hereingekommen."
Scully versuchte ihr Bestes, um nicht
angesichts des Vortrages des Jungen in einen Lachanfall auszubrechen. Er schien
ziemlich beeindruckt von seinem neuen Onkel zu sein, wie er so dasaß, seine
Hand hochhaltend, Mulders Stimme und seine Stellung so gut er konnte
imitierend. Mulder hatte im Moment ihren Bruder als klein Charlies Helden
ersetzt.
"Nun, dann bist du auch ganz schön
wichtig, Mr. Scully." Sie piekte ihn in den Bauch und er kreischte lachend
auf. Er hatte seinen ganzen Kummer von vorher bereits vergessen.
"Leise, Charlie, du bringst uns sonst
wirklich noch in Schwierigkeiten," scherzte
Mulder wieder und sie tauschten, sich gegenseitig neckend, ein paar 'äh-häs'
aus.
Plötzlich hielt Charlie inne und schien sich
an etwas zu erinnern. Er drehte sich zu Mulder um und bat ihn, sich nahe
heranzubeugen, so dass er ihm etwas zuflüstern konnte.
"Hey-hey-hey, keine Geheimnisse," scherzte Scully.
Mulder lächelte über ihre Bemerkung, während
er Charlie zuhörte, was der ihm erzählte. Dann wurde Mulders Gesicht plötzlich
sehr ernst.
"Mulder? Was? Was ist los?"
"Äh..." ächzte er.
"Komm schon, du hast es VERSPROCHEN!
Nun mach es!" hetzte ihn Charlie auf.
Mulders Gesicht war rot und verschwitzt.
Scully begann sich nun Sorgen zu machen.
"Ich soll..." Er zögerte.
"Ich habe ihm versprochen, dass ich..."
"Tante Dana, das mit den Nudeln tut ihm
wirklich leid." Augenscheinlich war die Spannung zuviel für Charlie.
Scullys Gesicht sah nun aus wie Mulders und
ihr Herz schlug schneller. Sie hatte den Vorfall schon beinahe vergessen.
Obwohl sie sich ziemlich unwohl dabei fühlte, auch nur daran zu denken, gab sie
ihren Neffen nach. "Äh...Es ist okay, Mulder. Ich verzeihe dir."
Die Beiden sahen sich unbehaglich an. Scully
konnte sich nicht entscheiden, ob es besser war, dass Charlie im Raum war oder
nicht. Mit klein Charlie dabei würde Mulder wenigstens
nicht versuchen, in sie zu dringen, versuchen, mehr Fragen darüber zu stellen,
was bei Jane passiert war.
Charlie tätschelte Mulders Arm. "Es ist
okay, Onkel Mulder. Sie hat nur einfach im Moment schlechte Träume. Es wird ihr
bald besser gehen."
Charlie blickte weiter zwischen beiden hin
und her. Ihm wieder nachgebend, sagte Scully zu Mulder, "Es ist in
Ordnung."
"Und nun Küsschen!"
Welch unschuldige Bitte. Er hatte keine
Ahnung, worum er sie bat. Für Charlie waren 'Küsschen' nur eine Art der
Versicherung, dass alles wieder in Ordnung war. Alles ist vergeben, alles
besser, es wird dir gut gehen.
Mulder schenkte Scully ein dümmliches
Grinsen und beugte sich rasch nach vorn, um seine Lippen kurz über ihre Stirn
zu streifen. "Nein, nein, NEIN! Das ist kein Küsschen!" rief Charlie
mit Frustration in der Stimme.
Als Mulder sich zurückzog, beantwortete
Scully den Ausdruck auf seinem Gesicht. Seufzend meinte sie. "Küsschen ist
auf den Mund."
"Ja, ja. Du musst sie auf den *Mund*
küssen, du Dummer," entgegnete Charlie sachlich,
als er an Mulders Arm zog. "Du sagst 'Küsschen?', Onkel Mulder, und Tante
Dana sagt 'Küsschen' und dann küsst du sie auf den Mund und dann, und dann,
dann ist ALLES besser!"
Mulder sah aus, als würde er ohnmächtig
werden. Lange Zeit starrten sie einander nur schweigend an, als ob sie im Kopf
eine das Leben verändernde Entscheidung durcharbeiteten. Scully wurde sehr
warm, als sie sah, wie sich Mulders Brust rasch hob und senkte. Er öffnete
seinen Mund, aber es kam kein Ton heraus.
"Kommt *schon*! Jesus, ihr beide
braucht ja ewig!" forderte Charlie.
Mulder schien immer noch Schwierigkeiten zu
haben. Charlie flüsterte laute Worte der Ermutigung. "MACH SCHON!"
Sie beobachtete, wie ein zartes Lächeln
seine Mundwinkel nach oben zog.
"Küsschen?" wagte es Mulder und
das Wort blieb in seiner Kehle hängen.
"Küsschen,"
erwiderte sie und er beugte sich ihrem Gesicht entgegen.
Außer dass Mulder noch mehr Schwierigkeiten
mit dieser scheinbar einfachen Leistung hatte. Kurz vor ihrem Gesicht hielt er
inne und versuchte, zu entscheiden, ob er sich nach rechts oder nach links
lehnen sollte. Scully hob ihren Kopf ein wenig an, um ihm zu helfen, und als
sie es tat, stieß seine wundervolle große Nase gegen ihre, was Mulder ein
bisschen erschreckte und ihn leicht die Balance verlieren ließ und so endete es
damit, dass er förmlich in ihren Mund hineinfiel und viel härter zudrückte, als
er vorhatte.
"Mmm... au,"
schrie Scully auf, als ihre Stirn gegen seine stieß und ihre Zähne aufeinander
trafen.
"Oh, Scully, oh, Scully, es tut mir so
leid. Bist du in Ordnung? Hmm? Alles klar?" fragte er, während er sich
seinen Kopf rieb.
"Ja, ich... was?" Scully drehte
sich zu ihrem kichernden Neffen um. "Worüber lachst du so?"
"Onkel Mulder,"
antwortete er und lachte noch mehr. "Er kann keine richtigen 'Küsschen'
geben!"
Scully drehte sich zurück und sah Mulder an.
Er atmete schwer und sein Gesicht war röter, als sie es jemals gesehen hatte.
Mulder schnappte sich den Jungen und sagte,
"Oh ja, du glaubst, das ist lustig? Du lachst so gern, hmm? Ich werde dir
zeigen, worüber du lachen kannst!"
Er fuhr fort, den kleinen Charlie zu
kitzeln, bis er schrie "Onkel!" Scully war es leichter ums Herz, als
es seit langer Zeit gewesen war. Die Art, wie Mulder mit ihrem Neffen umging,
war so ein wundervolles Zeichen und sie erinnerte sich an das Gefühl der
Sorglosigkeit. Scully vermisste das. Sie wusste nicht, wann ihr Körper sich für
welches Gefühl entscheiden würde. Bestimmt wusste sie, dass sie an dieser
Entscheidung keinen Anteil mehr hatte.
xxxxxx
Mittwoch
13:40
Die Tür ging auf und Scully sah ihre
Schwägerin den Raum betreten.
"Hey. Wie fühlst du dich?"
Scully grinste und zuckte mit den Schultern.
"Es tut mir leid. Ich bin sicher, es
macht dich krank, das immer wieder gefragt zu werden."
Scully nickte. "Ein kleines bisschen.
Ja." Unbewusst blickte Scully über Renas Schulter.
"Mulder ist auf dem Weg nach oben," erklärte Rena.
"Was? Oh." Sie hätte wissen
müssen, dass Rena ihre Gedanken lesen würde.
"Er hat einen neuen Partner gefunden,
glaube ich. Mulder zeigt ihm noch einmal die Babys. Charlie ist einfach
fasziniert von kleinen Kindern und bevor du noch ein Wort sagst, die Antwort
lautet nein."
Scully lachte. "Wie geht es denn klein
Charlie? Ist er wieder in Ordnung, nachdem, was gestern passiert ist?"
"Ja. Tatsächlich glaube ich, dass er
schon wieder alles vergessen hat. Mulder allerdings..."
"Rena, ich muss dir sagen, dass mir
wirklich leid tut, was passiert ist. Ich weiß nicht, warum..."
Rena schüttelte den Kopf. "Es ist nicht
deine Schuld. Aber weißt du, Dana..."
Scully fürchtete sich davor zu fragen, was
Rena dachte. Rena hatte einfach den Bogen heraus, genau zu wissen, was den
Leuten durch den Kopf ging. "Was ist los, Rena?"
Rena seufzte. "Wahrscheinlich geht es
mich nichts an, aber..." Sie hielt inne und setzte sich neben sie in den
Sessel, der Mulders neues Bett geworden war. Rena nahm Scullys Hand und sah sie
ernst an. Scullys Herz begann zu hämmern. "Dana, ich weiß, du hast mit
niemandem darüber gesprochen, was dir passiert ist, noch nicht einmal mit dem
Psychiater. Nicht einmal mit Mulder."
Nicht das. Nein. Scully musste sie von
diesem Thema abbringen. "Rena, ich weiß deine Sorge zu schätzen, wirklich,
das tue ich, aber da gibt es wirklich nicht viel zu sagen. Ich habe der Polizei
gesagt, was passiert ist, als ich dort war und das ist wirklich alles, was dazu
zu sagen ist. Es ist wirklich nicht nötig. Ich... ich muss einfach meine Kraft
wiedergewinnen."
Rena schloss die Augen und seufzte wieder in
der gleichen Weise, wie es ihre Mutter vorher getan hatte. Sie wünschte, jeder
würde sie damit in Ruhe lassen. Der einzige Mensch, der nicht wegen irgend etwas in sie drang, war Mulder.
"Dana, wenn du es nicht für dich selbst
tun willst, dann überlege es dir wegen Mulder. Hast du ihn dir mal angesehen?
Er sieht krank aus. Er kümmert sich nicht um sich selbst, weil er sich solche
Sorgen um dich macht. Möchtest du, dass er im Krankenhaus endet?"
"Natürlich will ich das nicht.
Natürlich nicht. Ich sehe nur nicht, wie es hilfreich sein kann, das alles
wieder aufzuwärmen."
Rena nickte und wurde still. Sie sah Scully
ein paar Mal an, was bei ihr eine nun schon sehr vertraute Nervosität
hervorrief. Wo zur Hölle war Mulder?
"Dana, es liegt mir fern, ungebetene
Ratschläge zu geben, aber ich liebe dich und ich möchte, dass es dir besser
geht. Glaub mir, wenn ich dir sage, dass es dir nicht besser gehen wird, bis du
dich damit beschäftigst. Ich denke, das weißt du. Und du musst eines Tages
damit ins Reine kommen."
Scully schwieg weiter. Sie wollte nichts von
dem, was Rena vorschlug. Es war nicht nötig, nichts davon. Sie war in Ordnung,
sie fühlte sich gut. Sie musste nur nach Hause gehen und nicht mehr daran
denken.
"Ich liebe dich auch Rena. Ihr seid
alle so lieb, dass ihr hier seid. Aber es gibt wirklich keinen Grund für dich,
hier zu sein," stellte sie fest. "Wo hast du
gesagt, ist Mulder hingegangen?"
"Ich werde ihn suchen gehen. Aber
versprich mir, dass du darüber nachdenkst, was ich gesagt habe."
Scully nickte ihr unaufrichtig zu, als sie
das Zimmer verließ. Nur solange, bis Rena Mulder hierher zurückbrachte. Dann
würde ihr Herz aufhören, zu rasen.
Ende Kapitel 4/11
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Kapitel 5/11
Margaret Scullys Haus
Dienstag, 19:40
Die Stille im Raum war ohrenbetäubender als
die lauteste Explosion, die Mulder je gehört hatte. Er sah sich am Tisch um und
fragte sich wieder, warum er zugestimmt hatte, hierher zu kommen. Dann blickte
er in Charlie Juniors grinsendes Gesicht gegenüber und
erinnerte sich, dass er wegen ihm hier war, um ihn bei Laune zu halten.
Als Rena und Charlie an diesem Abend mit
ihren Kindern das Krankenhaus verlassen wollten, hatte sich der kleine Charlie
zu Mulder umgedreht und ihn gebeten, mit ihnen 'zum Abendessen bei Gammy zu
kommen'. Mulder hatte den älteren Scully hilfesuchend angeblickt, doch Charlie
hatte nur mit den Achseln gezuckt und blöde gegrinst. Er hatte fast glücklich
darüber ausgesehen, jemanden zu haben, mit dem er das Leid teilen konnte.
Mulder hatte gewusst, dass das eine wirklich
schlechte Idee war, doch er hatte nicht das Herz dazu gehabt, den kleinen
Charlie zu enttäuschen. Der Junge hatte wegen dieser ganzen Sache so aufgeregt
gewirkt.
Mrs. Scully hatte etwas weniger begeistert
ausgesehen, als er mit Charlie und seiner Familie aufkreuzte, doch sie war sehr
höflich gewesen, anders als Bill, der es sogar ablehnte, ihn anzusehen, seitdem
er gekommen war.
Wieder sah er sich am Tisch um und
überblickte die seltsame Szene. Bill und Charlie saßen an den beiden Enden des
rechteckigen Tisches. Beide schaufelten das Essen in sich hinein und sagten
nichts. Keiner von ihnen schien bereit zu sein, mit jemand anderem am Tisch
Augenkontakt aufzunehmen. Ihm gegenüber, zwischen seiner Mutter und Mrs.
Scully, saß der kleine Charlie.
Und ihn hatte man neben Pele gesetzt. Er war
sich nicht sicher, wie das passiert war. Es machte ihn jedoch noch nervöser,
als er schon war. Jedes Mal, wenn er sich drehte, sah er, wie sie ihn auf ihre
Ellbogen gestützt mit einem Blick anstarrte, der, wie er vermutete, der Versuch
eines verführerischen Blickes einer Dreizehnjährigen sein sollte.
"Können Sie mir die Erbsen reichen,
Mulder?" fragte Pele. Es war das erste, das er jemanden in einer sehr
langen Zeit sagen gehört hatte. Er suchte den Tisch nach den Erbsen ab, und
stellte fest, dass sie genau vor ihm standen. Sie hätte sie verdammt einfach
selbst erreichen können.
Dennoch reichte er sie ihr zu. Ihre Hand
strich an der Schüssel leicht über seine und sie seufzte. Es war bizarr. Seine
Berührung schien auf sie den gleichen Effekt zu haben, wie Scullys auf ihm.
Mrs. Scully sprang auf, so als ob sie sich
plötzlich an etwas erinnern würde. Sie verließ für einen Moment das Esszimmer
und kam mit einer Flasche Wein zurück. Etwas davon goss sie in jedes Glas, bis
auf das von Charlie junior und Pele. Als sie sich wieder hinsetzte, hielt Pele
ihr Glas gereizt ihrer Großmutter hin.
"Würdest du mir bitte auch etwas einschenken,
Oma?"
"Ähm, es tut mir leid, Kleines, du bist
ein wenig zu jung..."
"Das ist okay,"
warf Rena ein, "wenn sie will, kann sie etwas haben. Es ist nur ein wenig
Wein."
Mrs. Scully schürzte die Lippen und warf
Rena einen zornigen Blick zu. Dann sah sie Charlie an. "Ist das auch für
dich in Ordnung, Charles?"
"Hmm?" Charlie brummte in seinen
Teller, "Ja, das ist okay." Er sah immer noch nicht auf oder hörte
damit auf, sich Essen in das Gesicht zu schaufeln.
Bill murmelte etwas unverständliches.
Etwas, dass nur Charlie zu hören schien. Er hob schließlich den Kopf und warf
seinem Bruder den bösesten Blick zu, den Mulder jemals an Charlie gesehen
hatte.
"Wie war das Bill? Würdest du das uns
allen gerne mitteilen?"
Bill sah tatsächlich einen Moment lang verlegen
aus. Mulder konnte nur vermuten, dass er irgendwas gemeines
über Rena oder Pele gesagt hatte.
"Also, darf ich jetzt, oder was?"
fragte Pele ungeduldig.
"Pele, frag höflich,"
ermahnte Rena sie.
"Entschuldigung, darf ich bitte ein
wenig Wein haben?" Mrs. Scully blickte mürrisch drein und füllte ihr das
Glas bis zur Hälfte.
Als diese kleine Krise vorbei war, fühlte
sich Mulder entspannt genug, um einen großen Schluck von seinem Glas zu nehmen.
Er wünschte, er hätte eine ganze Flasche gehabt, bevor er hierher kam. So
unbehaglich gefühlt hatte er sich nicht mehr, seit er einmal gezwungen gewesen
war, mit seiner eigenen Familie zu Abend zu essen.
Noch eine lange Stille ging vorüber, durch
nichts unterbrochen, bis auf das Geklapper von Silberbestecken und
Kaugeräusche. Besonders sein eigenes. Er hatte das Gefühl, als ob jeder am
Tisch es hören könnte.
Nicht, dass sich irgendwer um sein dummes
Kauen kümmern würde. Sie schienen vollkommen damit beschäftigt zu sein, ihren
Ärger aufeinander auszuleben. Er fühlte sich, als ob er zwischen zwei sich
bekriegende Zeltlager geraten wäre.
Mulder fragte sich, ob sich diese Leute
immer auf diese Art verhielten, wenn sie zusammenwaren, oder ob es seine
Gegenwart war, die die Dinge auf diese Art beeinflusste. Irgendwie hatte er das
starke Gefühl, dass die Spannung immer da war, obwohl er zu den Schwierigkeiten
beitrug. Es schien zwischen ihnen zu brodeln. Er fragte sich, wie es wäre, wenn
Scully da wäre. Jede Situation erschien erträglich, wenn sie da war. Doch
gleichzeitig hatte er das Gefühl, dass sie so still und nervös wie jeder andere
sein würde und das wäre für ihn nicht im entferntesten
angenehm. Er fühlte einen plötzlichen und willkürlichen Ärger gegen alle,
einschließlich sich selbst, aufsteigen. Wie konnten sie es nur wagen, hier mit
ihren kleinen Differenzen und kindischen Feindseligkeiten herumzusitzen,
während Scully in einem Krankenhausbett lag und ihre Unterstützung mehr als
alles andere benötigte.
"Ich wünschte, Tante Dana wäre hier.
Wann wird es ihr besser gehen?" platzte Charles Junior plötzlich heraus.
Mulder war schockiert darüber, wie die Gedanken des Jungen seine eigenen
widerspiegelten. Er war wirklich die einzige Person, auf die Mulder sich noch
beziehen konnte.
Keiner beantwortete seine Frage. "Onkel
Mulder, weißt du es?" Mulder sah dem Jungen in die Augen und schüttelte
betrübt den Kopf.
"Nein, nein, ich weiß es nicht,
Charlie. Es tut mir leid."
Aus den Augenwinkeln heraus sah er, wie sich
Mrs. Scully und Bill ansahen und er wusste genau, was sie dachten. Es sollte
ihm leid tun. Es war alles seine Schuld.
Plötzlich fühlte er etwas auf seinem Bein
unter dem Tisch. Er zuckte fast zusammen und dachte, dass es möglicherweise
irgendeine unbekannte Kreatur wäre, doch dann wurde ihm klar, dass es Peles bloßer
Fuß war, der die Rückseite seines Beines entlang fuhr. Verdammt, sie versuchte
mit ihm zu füßeln. Hastig zog er sein Bein weg und versuchte, sich darauf zu
konzentrieren, schnell zu essen, damit er schnell hier rauskommen und zu Scully
gehen konnte.
Rena wandte sich ihrem Sohn zu und
streichelte ihm übers Haar. "Wir sind nicht sicher, wann es Tante Dana
besser gehen wird, mein Schatz. Doch alleine das Wissen, dass du dich sorgst,
hilft ihr."
"Wirklich? Ehrlich?"
Sie nickte und lächelte. "Ehrlich. Hand
aufs Herz." Sie küsste ihn auf die Stirn und er schien etwas erleichtert
zu sein.
"Mommy, warum zauberst du nicht einfach
für sie?"
Mulder sah Rena neugierig an.
"Zaubern?"
"Oh Mann, nicht das schon wieder," grunzte Bill.
"Wovon redet er?" fragte Mulder.
"Ich war genauso wie Tante Dana krank
und Mommy hat es weggezaubert!" verkündete Charlie aufgeregt.
"Das war kein Zaubern, Liebling," sagte Rena leise zu ihm.
"Nun, was war es?" Mulder selbst
wurde ziemlich aufgeregt. Für ein Kind konnte jede Art von Hilfe wie ein Zauber
erscheinen. Vielleicht war Rena irgendeine Art von Traumatherapeutin,
vielleicht wusste sie etwas, was Scully helfen könnte.
"Müssen wir das beim Abendessen
besprechen?" fragte Mrs. Scully hoffnungsvoll. Sie schien zu spüren, dass
dies ein heikles Thema war. Mulder kümmerte das nicht. Wenn es Scully helfen
würde, was das nicht wichtig.
"Ich habe alles aufgegessen, Oma! Schau
mal!" Charlie junior hielt seinen leeren Teller zur näheren Inspektion
hoch und Mrs. Scully nickte stolz.
"Ja, das ist wunderbar, Schätzchen. Das
ist Omas guter Junge!"
"Bring deinen Bruder bitte nach oben,
Pele," sagte Charlie zu seiner Tochter. Pele
verdrehte ihre Augen und seufzte melodramatisch.
"Werdet ihr euch wieder wegen Mom’s
blöder Therapiesache streiten?"
"Tu es einfach." Mit einem
weiteren Seufzer erhob sich Pele vom Tisch und warf Mulder einen verärgerten
Blick zu.
"Also, sind Sie eine Therapeutin oder
so?" fragte Mulder, als die beiden Kinder gegangen waren.
"Oder so..." murmelte Bill.
"Sieh dich vor." Charlie starrte
Bill wütend an und richtete seine Gabel auf ihn.
Mrs. Scully räusperte sich und faltete
nervös ihre Hände auf dem Tisch. "Bill, Charles, bitte. Wir können das
hier jetzt nicht brauchen."
"Ähm, ich bin keine richtige
Therapeutin." Sie blickte in die Runde und erwog, ob sie das jetzt
diskutieren sollten oder nicht. Ihre Augen trafen sich mit Mulders und er sah
sie flehend an.
"Was dann, Rena? Bitte, wenn es Scully
helfen könnte, dann muss ich es wissen."
Sie seufzte und nickte.
"Vor ein paar Jahren hatte ich mit
Charlie junior einen Autounfall. Er war von dieser ganzen Sache ziemlich
traumatisiert, hatte schreckliche Alpträume und schlafwandelte. Eines Nachts
hatten Charlie und ich beinahe gleichzeitig eine Herzattacke, als wir ihn
draußen vor unseren Pool stehend fanden. Ich war mit dem Therapeuten, bei dem
er in Behandlung war, nicht gerade zufrieden und dazu kam noch die Tatsache,
dass es Charlie kein bißchen besser ging. Schließlich machte ich mich daran,
nach anderen Möglichkeiten für ihn zu suchen. Ich überprüfte einige alternative
Methoden und fand etwas, das in Charlies Fall tatsächlich wirkte."
Mulder lehnte sich eifrig über den Tisch.
Das klang tatsächlich nach etwas wichtigem. Etwas, das helfen könnte.
"Also, was haben Sie getan? Denken Sie
wirklich, dass es Scully helfen könnte?"
"Allmächtiger Gott! Dana will mit
diesem ganzen New Age Mist nichts zu tun haben. Warum zur Hölle, mussten Sie
sie auf dieses Thema bringen?" fragte Bill ärgerlich.
Charlie schlug mit seiner Handfläche auf den
Tisch und brachte damit das Geschirr zum Klappern. Mrs. Scully zuckte auf ihrem
Platz zusammen und vergrub ihren Kopf in ihren Händen.
"Ich hab dir gesagt, dass du deinen
verdammten Mund halten sollst."
"Charlie, bitte,"
flehte Mrs. Scully hinter ihrem Schild.
Rena lehnte sich zu ihrem Mann hinüber und
legte ihre Hand auf seine. "Es ist okay. Es ist in Ordnung. Lass es mich
Mulder erklären."
xxxxxx
20:10
Scully öffnete den braunen Umschlag, der ihr
am frühen Abend gebracht worden war. Sie hatte es geschafft, die
Polizeiberichte aufzuspüren, die über Jane Harris aufgenommen wurden. Als eine
Kollegin vom F.B.I sie im Auftrag ihres Departments angerufen hatte, um zu
sehen, wie es ihr ginge und sie fragte, ob es irgend etwas gab, was sie für sie
tun könnte, hatte Scully ihr Angebot sofort angenommen.
Alles war da, Polizeiberichte, Fotos,
Fingerabdrücke und alle anderen Einträge, die Teil der Fahndungsakte waren, die
über diese Frau angelegt worden war. Scully hätte sich dafür selbst in den Hintern
treten können, dass sie in dem Moment, als sie ein eigenartiges Gefühl wegen
dieser Frau hatte, nicht überprüft hatte, ob da irgendwelche Vorstrafen waren.
Sie hatte davon jedoch abgesehen, weil sie sich wie eine eifersüchtige
Xanthippe gefühlt hätte. Trotzdem hätte es keinen Unterschied gemacht, wenn sie
es getan hätte. Der Name, der in diesem Bericht angegeben war, war Jane
Elisabeth Walters und nicht Harris.
Die Unterlagen sagten auch aus, dass sie in
eine Privatschule auf Rhode Island, einer anspruchsvollen, vorbereitenden High
School, gegangen war und anschließend Yale besucht, das Studium jedoch
anscheinend nicht beendet hatte.
Scully blätterte sich durch die anderen
Unterlagen und stieß auf ein Dokument, auf dem "Psychologische
Einschätzung" stand. Sie hatte bereits ein Psychologisches Gutachten? So
schnell? Das erschien Scully merkwürdig, doch nachdem sie weitergelesen hatte,
sah sie, dass das Datum vom Juni 1996 war. Es war ein Gutachten, um darüber zu
entscheiden, ob sie für die Entlassung aus dem Mayland State Hospital geeignet
wäre. Sie wurde 1993 anscheinend von ihrem Vater dorthin gebracht, aus Gründen
die Scully anhand der Informationen, die sie hatte, nicht bestimmen konnte. Es
wurde bestimmt, dass sie entlassen wurde, jedoch ihre therapeutische Medikation
und die regulären Sitzungen mit ihrem Psychiater fortsetzen müsse.
In der Aussage, die Jane den
Bundesermittlern hinsichtlich des letzten Vorfalles gegeben hatte, erfuhr
Scully, dass Jane zuerst über verschiedene Hilfsgruppen für UFO-Entführungsopfer
im Internet an Informationen über Mulder gekommen war. Dann fuhr sie damit
fort, nach weiteren Informationen über Mulder zu suchen und machte so seine
Wohnadresse ausfindig. Mittels des gesammelten Wissens hatte Jane sich eine
Geschichte ausgedacht, von der sie hoffte, dass sie dadurch Mulders
Aufmerksamkeit gewinnen und sein Interesse erwecken würde. Das Protokoll ihres
Geständnisses zeichnete das ständige Wiederholen auf, wie sehr sie Mulder
lieben würde und dass sie glaubte, das was sie getan hatte, wäre ihre
Verantwortung für sie beide gewesen. Sie schien zu glauben, dass Mulder so wie
sie fühlte und dass er es mit der Zeit auch zugegeben hätte.
Scully schloss ihre Augen und seufzte einmal
tief auf. Janes geistesgestörter Gesichtsausdruck schlich sich wieder in ihr
Gedächtnis. Sie sagte sich selbst, dass es vorbei war, dass es keinen Grund
dazu gab, überhaupt noch daran zu denken, und das Bild verließ ihren Kopf, doch
ihr Körper zitterte.
Wo zur Hölle war Mulder? Sie konnte sich
nicht vorstellen, dass er so lange bei ihrer Mutter bleiben würde.
Ihren Atem anhaltend, riskierte sie einen
Blick auf die Polizeifotos. Bilder von jeder Ecke der Wohnung waren in der
Akte. Als sie ein Bild von Janes Wandschrank sah, der voller Dinge war, die
Scully als Mulders Eigentum erkannte, schrak sie zusammen. Sie seufzte und
zitterte wieder. Armer Mulder. Wenn sie nur früher etwas gesagt hätte. Wenn sie
doch nur verlangt hätte, dass er diese Zusammenarbeit mit Jane beendet,...
Scully blätterte zum nächsten Foto und
fühlte, wie ihr ganzer Körper erstarrte. Es war von dem Zimmer, von dem Zimmer,
in dem sie gelebt hatte, in dem sie, wie es ihr schien, monatelang gestorben
war. Sie war nicht auf dem Bild, doch Scully sah sich dort, an das Bett
gefesselt, schwitzend, blutend, schreiend, in den unerträglichsten Schmerzen,
die sie je erfahren hatte. Hilflos. Sich fragend, ob sie dort sterben würde, ob
sie durch zehntausend kriechende Insekten, die sämtliche Beweise dafür, dass
sie jemals dort gewesen war, vernichten würden, bei lebendigem Leibe verspeist
werden würde.
Etwas kitzelte sie am Rücken ihres Halses
und sie zuckte zusammen, strich sich völlig außer sich mit der linken Hand
darüber und über ihren Rücken. Dann steckte sie das Bild zurück in den Umschlag
und zwang sich selbst dazu, zu vergessen. Sie betete, dass Mulder einfach in
diesem Moment durch die Tür kommen würde, so dass sie schlafen könnte, das alles vergessen könnte.
Dann hörte sie vor ihrer Tür entfernte und
allmählich zunehmende Schritte, die sich ihrem Zimmer näherten und plötzlich
vor der Tür stoppten. Schnell stopfte Scully die Unterlagen zurück in das
Kuvert und schob es unter ihr Kissen.
Doch Mulder kam nicht hinein.
"Mulder?" rief sie zögernd. "Mulder, komm doch rein. Bitte.
Mulder?"
Immer noch nichts. Doch sie war sich sicher,
dass da jemand draußen war. "Wer ist da? Hallo?"
Immer noch keine Antwort. Sie erwog kurz,
nach der Schwester zu läuten, doch sie konnte es nicht über sich bringen, dies
wegen einem so absurden Grund zu tun. Scully fürchtete schon, dass sie knapp
davor stand, in die Psychiatrie verlegt zu werden. Keine Notwendigkeit, die
Leute denken zu lassen, dass sie sich nicht wieder unter Kontrolle bringen
könne.
"Mulder? Bist du das? Bitte, antworte
mir." Scully atmete jetzt schwer. Es war so still in dem Krankenhaus, so
als ob sie die einzige hier wäre, zumindest in diesem Teil des Krankenhauses.
Sie machte das Licht aus.
Es bewegte sich. Es schien, als ob sich ein Schatten
vor der Tür bewegen würde. Ein Gedanke kam ihr. Was, wenn Jane befreit worden
wäre? Wenn der richtige Anwalt den richtigen Richter überzeugt hatte, könnte
sie bis zur Verhandlung aus dem Gefängnis raus sein. Sie könnte heute Abend
erst entlassen worden sein, bevor Mulder die Möglichkeit hatte, es ihr zu
sagen, bevor der Agent, der ihr den Briefumschlag gebracht hatte, es wusste.
Sie schaltete den Fernseher ein und suchte
verzweifelt nach irgendwelchen Nachrichten über dieses Verbrechen. Sie zappte
krampfhaft durch die Sender, nur um Diskussionssendungen und
Nachrichtenmagazine zu finden.
Jane spielte mit ihr, da war sich Scully nun
sicher. Wollte sehen, wie lange es dauern würde, bis sie es nicht mehr
aushalten und nach einer Schwester rufen würde. Jane wusste, dass ihre Familie
und Mulder nicht in der Nähe des Krankenhauses waren und hatte die Gelegenheit
ergriffen. Scully würde keine Schwester rufen. Auf keinen Fall würde sie es
zulassen, dass diese Frau sie in den Verfolgungswahn trieb.
Also wartete sie, mit abgeschalteten
Licht und gedämpfter Lautstärke des Fernsehers lauschte konzentriert. So war es
in jener Nacht geschehen, erinnerte sich Scully. Wissend, dass etwas nicht ganz
stimmte, noch dort liegend, sich nicht bewegend, nicht handelnd und angegriffen,
bevor sie überhaupt denken konnte.
Was, wenn Jane sich bereits Mulder
geschnappt hatte? Auf dem Weg zurück in das Krankenhaus, um wieder bei ihr zu
sein, von der Strasse gedrängt. Wenn sie ihn dafür verdammte, dass er ihre
Pläne vermasselt hatte und ihm sagte, während sie ihm eine Pistole an die
Schläfe hielt, dass Scully als nächstes dran wäre und ihm dann mit Scullys
eigener Waffe durch die Stirn schoss, nur um in ein Loch in dem Boden geworfen
und einen Monat später gefunden zu werden.
Scully erkannte, dass ihr nun Tränen das
Gesicht hinunter liefen. Nein. Wir können es schaffen! Du bist ein trainierter
F.B.I. Agent, du kannst sie überlisten, sie überwältigen. Scully schwang ihre
Beine über die Bettkante, um zum zweiten Mal seit ihrer Rettung zu gehen. Sie
war sich sicher, dass sie laufen könnte, wenn es nötig wäre, und dass sie
weggehen könnte. Doch sie stand zu schnell auf und lehnte sich wieder ins Bett
zurück. Ihre Beine zitterten wie die eines jungen Hundes. Zwei beruhigende
Atemzüge später versuchte sie, weiterzugehen.
Als sie sich mit sorgfältiger Langsamkeit
zur Tür bewegte, fühlten sich ihre ganzen Poren so an, als ob sie zittern
würden. War das Jane, die sie draußen lachen hörte? Sie sagte sich, dass sie
sich nicht darum scherte, selbst wenn ihr Magen grollte und ihre Beine
gummiartiger wurden. Geh einfach zur Tür und sieh nach, ob sie da ist. Geh
einfach zur Tür und du wirst es wissen.
Als sie die Tür erreichte, lehnte sich
Scully gegen die Wand und rang nach Atem. Es war still draußen, doch das machte
sie noch sicherer, dass Jane dort draußen war. Die Wand als Stütze benutzend,
öffnete sie die Tür und fiel prompt zu Boden, erschöpft und schwitzend.
"Oh mein Gott!" hörte Scully eine
Frau sagen, als sie auf dem Boden lag und versuchte, wieder zu Atem zu kommen.
Die Schwester half ihr auf und ermutigte
sie, sich auf sie zu stützen, damit sie Scully zurück zum Bett bringen konnte.
"Sagen Sie..." Scully atmete aus. "Sagen Sie den Ärzten nichts.
Sie werden es ihnen nicht sagen, oder doch? Bitte. Ich bin nicht verrückt, das
bin ich nicht."
"Ich weiß, Dana,"
sagte die Frau zu ihr. "Aber Sie müssen sich von dieser Angst befreien,
Dana. Oder sie wird Sie zerstören."
Die Stimme der Schwester war in der
Gelassenheit, die sie in Dana hervorrief, dunkel vertraut. Dana vertraute der
Stimme und so versprach sie ihr, dass sie nun Hilfe suchen würde. Sie wusste,
dass es schon lange an der Zeit war. Sie würde es jemanden erzählen.
xxxxxx
Mulder saß am Rande des Lehnstuhles in Mrs.
Scullys Wohnzimmer und versuchte sein bestes, um das, was Rena ihm zu erklären
versuchte, zu verstehen und zu akzeptieren. Charlie und sie saßen auf der Couch
und Bill ging im Hintergrund auf und ab. Mrs. Scully räumte, mit Peles
widerwilliger Hilfe, noch die Reste des Abendessens weg.
"Jetzt steckt Dana in einer Falle fest,
in der sich die traumatischen Ereignisse und die Bilder in ihrem Verstand
wieder und wieder wiederholen. Möglicherweise lösen sich ihre Träume nicht in
sich selbst auf und so ist es ihr nicht möglich, in den REM-Schlaf zu gleiten.
Ich bin sicher, dass ich Ihnen die Wichtigkeit dessen nicht erklären
muss."
Mulder nickte. Soviel wusste er. Basiswissen
in Psychologie.
"Was diese Therapiemethode bewirkt, ist
diese Augenbewegung herzustellen, während der Patient wach ist. Dana und ich
würden uns zusammen für ein Bild entscheiden, das eine bestimmte Bedeutung in
diesem Erlebnis für sie hat und dann muss sie sich auf diese Szenerie
konzentrieren, auf dieses Bild; es wieder und wieder in ihrem Kopf wiederholen."
Mulder begann sich wegen dieser ganzen Sache
ziemlich unwohl zu fühlen. Er erinnerte sich an den Spiegel, an das Essen, das
er ihr gebracht hatte und daran, welch schlimme Panik diese Dinge in ihr
ausgelöst hatten. Und jetzt schlug Rena vor, dass sie wieder an diese Dinge
denken sollte? Wenn es das war, was sie sagte, dann war er sich nicht sicher,
ob er diesen Anblick ertragen könnte.
"Dann bewege ich meinen Finger vor
ihren Augen, so 12 bis 24 mal. Das dauert ungefähr 30
bis 60 Sekunden würde ich sagen. Dann, wenn die Szenerie aufgebaut ist, bitte
ich sie, tief einzuatmen und ihren Geist vollständig von irgendwelchen Gedanken
zu befreien. Dann würden wir darüber reden, wie sie sich wegen dieser
'Szenerie' fühlt, welche Emotionen sie beschwört und ob sie irgendwelche neuen
Ängste oder Gefühle ans Licht bringt."
Rena hielt inne und wartete auf Mulders
Reaktion. Als er nichts sagte, fuhr sie fort. "Wir würden dann zu einem
weiteren Bild übergehen und den ganzen Prozess wiederholen. Die Dauer des
ganzen hängt davon ab, wie lange sie über jedes Bild sprechen möchte."
Mulder zog seine Brauen zusammen und sagte
ungeduldig, "Wie unterscheidet es sich davon, sie einfach dazu zu bringen,
über das, was sie stört, auch zu sprechen?"
"Nun, die Theorie ist, dass, wenn ich
meine Finger, so wie ich es gesagt habe, vor ihren Augen bewege, es die
schnelle Augenbewegung des Schlafes auslöst und das irgendwie die schreckliche
Erinnerung freilässt, die sich immer weiter wiederholt."
Alles im allem erschien es für Mulder ziemlich
seltsam zu sein. Es schien etwas zu sein, über das Scully lachen würde, etwas,
das bei ihr nie funktionieren würde, da sie nicht daran glauben würde, dass es
das könnte. Doch er stellte auch fest, dass Rena immer begeisterter zu werden
schien, als sie es ihm erklärte. Sie schien sich selbst immer mehr davon zu
überzeugen, dass dies Scully helfen könnte. Er begann bereits zu bereuen, dass
er sie dazu gebracht hatte, darüber zu sprechen.
"Ähm, danke dafür, dass Sie es mir
erklärt haben, Rena, aber ich denke nicht, dass es für Scully geeignet
wäre."
Charlie zog seine Augenbrauen in die Höhe
und warf Mulder einen nicht gerade angenehmen Blick zu. "Was meinst du mit
'nicht geeignet'? Ich habe gesehen, wie sich mein Sohn innerhalb von zehn Tagen
von einem geistig verwirrten zu einem normalen dreijährigen entwickelte. Was
bringt dich dazu, zu denken, dass es für meine Schwester nicht richtig ist?
"
"Ich meine doch nur, dass ich wirklich
nicht denke, dass es in ihrem Fall funktionieren könnte."
Rena atmete tief ein. "Ich gebe zu,
dass es ein wenig unkonventionell klingt, doch sie muss sich irgendwie da
durchkämpfen, oder sie wird niemals Ruhe finden, niemals heilen."
"Sich durch was durchkämpfen?"
fragte Bill, als er sich einen Drink einschenkte. "Alles was sie tun muss
ist, wieder mit dem Essen zu beginnen und aus diesem Krankenhaus zu kommen. Sie
braucht keine Therapie, oder was auch immer das ist, was du tust, Rena, sie
muss nur einen klaren Kopf bekommen, sie braucht jemanden, der einfach zu ihr
geht und ihr sagt: Schau, entweder du isst oder du stirbst. So einfach ist
das."
"Bill, das ist nicht so
einfach..." begann Rena.
Mulder unterbrach sie, "Entweder du
isst oder du stirbst? Was für eine Hilfe soll das denn zum Teufel noch mal
sein?" Er konnte nicht glauben, dass ihr eigener Bruder so gedankenlos und
grausam sein konnte.
"Eine bessere Hilfe, als diese..."
Charlie stoppte Bill mit einem einzigen Blick. "Eine bessere, Hilfe als
sie sie anbietet."
"Zumindest versucht sie, zu helfen. Es
ist mehr, als du tust, Bill," knurrte Charlie.
"Dieser Mist wird ihr nicht im
geringsten helfen..." murmelte Bill in sein Glas.
Mulder begann sich über das ganze Getue
ziemlich zu empören. Sie brauchte ihre Hilfe, Renas "Zauber" oder
Bills Schikane, nicht.
"Sehen Sie, die Sache ist die. Ich
kenne Scully und ich bin Psychologe und ich weiß genug, um zu wissen, dass eine
Therapie nicht funktioniert, wenn der Patient nicht daran glaubt..."
"Psychologe?" schnaubte Bill,
"Sie sind kein Psychologe. Verdammter Leonard Nimoy da drüben..."
"Hey!" Alle drehten sich um, um
Pele, die auf der Türschwelle stand, anzusehen. Mrs. Scully stand hinter ihr.
"Mulder ist ein Psychologe! Er ist ein Parapsychologe!"
Mulder schüttelte seinen Kopf.
"Eigentlich bin ich das nicht wirklich, ich... "
"Und außerdem hat er Recht, Moms dummes
Zeugs wird bei Tante Dana nicht funktionieren. Es mag Charlie vielleicht
geholfen haben, doch Charlie war drei! Tante Dana ist eine Erwachsene. Sie
braucht eine Therapie für Erwachsene. So wie..." sie sah Mulder scharf an
und senkte ihren Blick, "So wie Mulder sie ihr geben könnte."
"Pele!" schimpfte Mrs. Scully.
"Jesus Christus, Charlie, was für eine
Art Mädchen ziehst du hier auf?" tadelte Bill. Daraufhin stand Charlie auf
und es sah fast so aus, als ob er bereit dazu wäre, seinem Bruder gegenüber
handgreiflich zu werden.
"Oh Gott, beruhigt
euch Leute, das ist nicht das, was ich meinte, okay? Ich meinte nur, dass er
Psychologe IST, dass er ihr vielleicht auf eine *normale* Art helfen
könnte." Sie sagte den letzten Teil mit einem übertriebenen Tonfall direkt
zu ihrer Mutter.
"Pele, geh nach oben,"
befahl Charlie, seine Augen fest auf Bill gerichtet.
"Dad, ich habe ein Recht darauf, hier
zu sein! Ich bin ein Teil dieser Familie! Ich bin praktisch ein Erwachsener!"
"Geh jetzt nach oben, verdammt noch
mal!"
Pele schien zu bemerken, auf welche Art die
Fäuste ihres Vaters sich ballten und öffneten, die rote Farbe, die sein Gesicht
bekam und die große Vene, die auf seiner Stirn pochte, da sie sich umdrehte und
zur Treppe lief.
"Du entschuldigst dich besser dafür, du
selbstgerechter Mistkerl..."
"Charlie bitte!" Völlig außer sich
lief Mrs. Scully an Charlies Seite und fasste ihn an die Schulter. "Bitte,
lass es einfach. Ihr beide."
Mulder stand auf und machte sich bereit, zu
gehen. Hier gingen Dinge vor, die nichts mit ihm zu tun hatten, Dinge, die ihn
nichts angingen und er musste zurück zu Scully.
Charlie drehte sich zu ihm um, "Mulder
warte, geh noch nicht. Ich glaube wirklich, dass du darüber etwas nachdenken
solltest. Ich denke, dass es Dana wirklich helfen könnte."
"Er soll darüber noch etwas
nachdenken?" fragte Bill sarkastisch. "Wer zum Teufel ist er, dass er
diese Entscheidung treffen kann? Er gehört nicht zur Familie, das hat nichts
mit ihm zu tun."
"Wart eine Minute, Bill," warf Mrs. Scully ein und für eine Minute dachte
Mulder, dass sie ihn tatsächlich verteidigten könnte. "Ich glaube nicht,
dass wir Renas Idee so einfach fallen lassen sollten. Ich sah, wie es bei dem
kleinen Charlie funktionierte und ich denke, dass wir vielleicht noch darüber
nachdenken sollten..."
"Entschuldigung!" Rena stand auf
ihren Füßen und sah plötzlich äußerst böse aus. "Hat irgendwer von euch
die Tatsache in Betracht gezogen, dass es Danas Entscheidung sein muss? Ich
denke, dass wir sie fragen sollten, was sie tun möchte."
Im Zimmer wurde es sofort still. Sie sahen
sich alle gegenseitig an und stimmten Rena gleichzeitig stumm zu, dass sie
Recht hatte.
"Sie hat völlig Recht,"
sagte Mrs. Scully schließlich. "Wir brauchen unsere ganze Kraft dazu, Dana
da durchzuhelfen." Sie hob ihre Hand, um Bill vom Sprechen abzuhalten.
"Das ist Danas Entscheidung. Und wir
können nicht für sie da sein, wenn wir uns gegenseitig an die Kehle springen.
William und Charles, offen gesagt wäre euer Vater sehr beschämt über die Art
und Weise, wie ihr Zwei euch aufgeführt habt." Sie stockte. "Lasst es
bitte beiseite und helft eurer Schwester."
Sie stand eine Weile da und betrachtete ihre
Söhne und schien auf eine Entschuldigung zu warten, die gewechselt werden sollte.
Schließlich schloß sie ihre Augen, seufzte und schüttelte ihren Kopf. "Ich
werde versuchen, jetzt etwas zu schlafen und schlage Euch vor, das auch zu tun.
Ich werde Euch alle in der Früh sehen." Sie ging an Mulder vorbei und
sagte, "Fox."
Er nickte und dankte ihr für das Abendessen.
Für einen Moment lang war er unsicher darüber, wie er sich verabschieden
sollte. Nun, da die ganze Aufregung vorbei war, begann er sich unruhig dabei zu
fühlen, nicht bei Scully zu sein. Sehr unruhig. Fast so, als ob er sie rufen
hören konnte. Oder es fühlte. Oder etwas in der Art.
Er drehte sich um, um leise zu gehen und
Rena führte ihn nach draußen. "Ich denke, dass es funktionieren könnte,
Mulder," sagte sie zu ihm, als sie die Vordertüre
öffnete. "Doch sie braucht Sie dabei. Ich denke ein Teil ihres Problems
ist, dass sie nicht dazu fähig ist, Ihnen ihre Verletzlichkeit zu zeigen. Sie
muss wissen, dass Sie nicht denken, dass sie schwach ist, dass Sie glauben,
dass sie sich selbst unter Kontrolle hat."
"Ich *glaube* das,"
erklärte er nachdrücklich.
Sie nickte. "Gute Nacht, Mulder. Ich
werde Sie morgen sehen. Versuchen Sie bitte, sich auszuruhen."
Sie schloss die Tür und er war wieder
alleine. Nun, nicht wirklich alleine. Scully war hier bei ihm. Er konnte das
Gefühl, das scheinbar zu ihm gehörte, doch zugleich auch nicht, nicht
abschütteln. Konnte das wirklich sein, oder war es nur die Kombination von
hoher Belastung und zuwenig Schlaf?
Doch es war da draußen, in der Atmosphäre.
Sie flehte ihn an, zurückzukommen. Er hastete zurück ins Krankenhaus.
Ende Kapitel 5/11
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Kapitel 6/11
22:15
Mulder schlich sich leise in Scullys Zimmer.
Das einzige Licht kam von den stummen Szenen, die über den Fernsehbildschirm
flackerten und Scully schien in ihrem Bett eingeschlafen zu sein. Mulder
fühlte, wie tiefe Erleichterung sein Herz erfüllte. Gott sei dank, sie war in
Ordnung. Er war sich die ganze Zeit, seit er Mrs. Scullys Haus verlassen hatte,
sicher gewesen, dass irgend etwas nicht stimmte. Aber
sie war hier und ruhte behaglich.
Er ließ die Luft aus, von der er nicht
wusste, dass er sie angehalten hatte und setzte sich neben das Bett. Im blauen
Schein des Fernsehers sah sie friedlicher aus, als er sie lange Zeit gesehen
hatte. Scully lag auf der Seite, auf ihrem gesunden Arm. Ihr gebrochener Arm
lag vor ihrem Körper. Mulder beugte sich vor, um ihre Augen genau zu sehen und
bemerkte, dass da keine wie auch immer geartete Bewegung unter ihren Lidern
war. Rena schien wenigstens damit recht zu haben. Sie schlief, aber sie ruhte
sich nicht wirklich aus.
Zum ersten Mal bemerkte er wirklich, wie
eingefallen und blass ihre Wangen waren, wie die Knochen an ihrem Hals und an
ihrer Brust durch die Haut zu stechen schienen. Sie begann, unterernährter
auszusehen, als zu der Zeit, als er sie bei Jane gesehen hatte. Jetzt mochte
sie friedlich aussehen, aber er wusste, dass sie innerlich keine Ruhe fand.
Mulder streckte seine Hand aus, um ihr Haar
zu streicheln. Er musste sie berühren, musste wissen, dass sie wirklich noch
hier war und als er sich vorbeugte, erregte etwas seine Aufmerksamkeit, das auf
dem Nachttisch lag. Er nahm den Berg Papier in die Hand und begann, ihn
durchzublättern. Es war Janes Akte.
Gott verdammt, wer zur Hölle hatte ihr die
gegeben, fragte er sich wütend, als er die Seiten durchlas. Das konnte
unmöglich gut für sie sein, dieses Zeug zu lesen. Er hatte das Gefühl, dass er
wusste, warum sie es tat. Wahrscheinlich bildete sie sich ein, wenn sie diesen
ganzen Fall auf eine losgelöste, objektive Weise betrachtete, würde sie das
davon befreien. Dass sie in der Lage sein würde, die Ereignisse abzuschütteln.
Er kannte diese Technik gut. Er hatte dasselbe mit der Akte seiner Schwester
millionenfach versucht und mit Scullys Akte, als sie das erste Mal verschwunden
war. Es hatte nicht funktioniert. Tatsächlich hatte es dazu geführt, dass er
sich tausend Mal schlechter fühlte.
Mulder dachte wieder an Renas dummen
Vorschlag. Das letzte, was sie brauchte, war all die grauenvollen Dinge noch
einmal zu durchleben. Am Ende würde es ihr nur wehtun, so wie diese verdammte
Akte wieder und wieder zu lesen. Er stopfte die Papiere in seinen Mantel.
"M... Mulder..." murmelte Scully
abwesend in ihrem Schlaf. Er sah ihr wieder ins Gesicht. Sie war nicht länger
ruhig. Ihre Gesichtszüge zeigten Besorgnis. Mulder ging hinüber auf die andere
Seite und legte sich neben sie ins Bett. Er drehte sich auf die Seite und legte
von hinten seinen Arm um ihre Taille.
"Ich bin hier, Scully, bei dir."
Er vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und drückte sie beruhigend.
"Mulder... tut mir leid..." Ihre
Augen waren immer noch geschlossen und er konnte nicht sagen, ob sie noch
schlief oder nicht.
"Was tut dir leid, Scully? Du hast
nichts verkehrt gemacht," flüsterte er ihr ins
Ohr.
"Ich... ich brauche Hilfe. Werde sie
annehmen, Mulder. Versprochen."
Er lächelte und küsste ihre Wange. "Das
ist gut, Scully. Ich bin wirklich froh, das zu hören." Und er war wirklich
froh. Er hoffte nur, dass sie die Hilfe fand, die sie tatsächlich benötigte.
xxxxxx
Mittwoch
12:15
"Also, wann willst du anfangen,
Dana?"
"Womit anfangen?" Rena und Scully
fuhren beide herum, um Mulder anzusehen, der auf der Schwelle zu Scullys Zimmer
stand.
"Mulder, Rena und ich haben uns
unterhalten..."
"Oh, wirklich?" Mulder sah Rena misstrauisch
an. Sie würde nicht. Sie konnte nicht. Mit Sicherheit hätte sie es im
wenigstens zuerst gesagt.
"Ja, und sie hat mir diese
Therapiemethode erklärt, die sie bei Charlie Jr. angewandt hat und sie ist,
äh... sie ist ein wenig unkonventionell, aber ich habe mich entschlossen, sie
auszuprobieren."
Mulder stand da mit den Händen in den
Taschen und wippte leicht auf den Absätzen hin und her. Er bemühte sich, einen
neutralen Gesichtsausdruck aufrechtzuerhalten. Vor Scully wollte er nicht
ausrasten.
Ihr schien der ganzen Sache ziemlich viel
Hoffnung zu geben, was seinen Ärger noch verstärkte. Warum stiegen ihre
Hoffnungen wegen etwas, das nicht funktionieren würde, was vielleicht sogar
damit enden würde, sie noch mehr zu verletzen?
Aber das schlimmste bei alledem war, dass
sie ihn so ansah, als erwartete sie, dass er aufgrund ihrer Entscheidung eine
Party schmeißen würde. Er erinnerte sich daran, was sie ihm letzte Nacht
versprochen hatte. Sie hatte gesagt, dass sie Hilfe annehmen würde und er war
glücklich darüber gewesen. Tat sie das hier nur, um ihr Versprechen zu halten,
um ihn um jeden Preis zufrieden zustellen, sogar um den ihrer eigenen Vernunft?
Rena lächelte ihn nervös an und er erwiderte
es mit einem angespannten Grinsen. Ihm war wirklich danach, ihr dieses dumme
Lächeln direkt aus dem Gesicht zu schlagen.
"Das ist, äh... das ist großartig,
Scully."
"Möchtest du hören, was diese Therapie
beinhalten wird?"
Mulder wollte es aus Scullys Sicht hören. Er
wollte wissen, wie Rena es ihr erklärt hatte und ob sie ihr tatsächlich
dasselbe erzählt hatte wie ihm. Wenn ja, dann konnte er nicht glauben, dass sie
so einfach zugestimmt hatte.
Aber zuerst musste er etwas loswerden.
Etwas, das herauszuplatzen drohte, wenn er nicht bald hier herauskam.
"S... sicher, Scully, vielleicht
später. Aber zuerst muss ich wirklich eine Minute mit Rena reden –
draußen." Er drehte sich zu Rena um und sah, dass sie bereits ärgerlich
war. "Wenn das in Ordnung für Sie ist, Rena?"
Sie nickte und wandte sich wieder Scully zu.
"Ich sehe dich später."
"Okay, ich möchte so schnell wie
möglich anfangen. Am besten heute Nachmittag, wenn das in Ordnung ist."
Rena und Mulder tauschten einen weiteren
angespannten Blick aus und Rena drückte Scullys Hand. "Sicher, Dana, wann
immer du willst."
Beide verließen das Zimmer und Mulder
schloss die Tür hinter ihnen, so dass Scully nicht in der Lage sein würde, irgend etwas davon mitzubekommen. Er drehte sich zu Rena um
und sie sah ihn beinahe selbstgefällig an.
"Sie haben wirklich Nerven. Was zum
Teufel denken Sie sich eigentlich?" Mulder sprach leise, aber heftig.
"Ich denke, dass ich hier anscheinend
der einzige Mensch bin, der Danas Bestes im Sinn hat. Sie wissen genau, dass es
ihr NICHT helfen wird, wenn Sie sich SO benehmen."
Sich so benehmen. Was für eine
selbstgerechte kleine Rotzgöre. Er konnte nicht glauben, dass sie die Frechheit
besaß, ausgerechnet ihm vorzuwerfen, er würde nicht daran denken, was das Beste
für Scully war. Es war alles, woran er dachte.
"Und Sie glauben, hier hereinzukommen
und ihr all dieses verrückte Zeug aufzuschwatzen, wenn sie sowieso sehr
verletzbar ist, ohne es erst mit mir zu besprechen, wird ihr helfen? Was haben
Sie gemacht, Rena? Vor der Tür gewartet, bis ich fort war, damit Sie sich
hinter meinem Rücken hineinschleichen konnten?"
Rena verdrehte die Augen. "Gott, Sie
sind wirklich paranoid, nicht wahr? Das ist keine gottverdammte Verschwörung,
Mulder."
Verdammt sei sie, dass sie das tat. Sie
kannte Scully nicht. Nicht so wie er. Sie hätte mehr mit ihm darüber reden müssen.
Er wusste, dass er recht hatte. Er hätte derjenige sein müssen, der Scully
fragte, ob sie es versuchen wollte. Er wäre in der Lage gewesen, zu sagen, wie
sie wirklich darüber dachte. Aber sie war einfach vorgeprescht und hatte ihre
Nase da hineingesteckt, wo sie nicht hingehörte. Er war nicht paranoid, Sie
wusste, wie er darüber dachte und sie hatte ihn absichtlich nicht in die
Diskussion einbezogen. Nun war die Entscheidung gefallen und er war vollkommen
ausgeschlossen gewesen.
"Wissen Sie, Mulder, ich kann nicht
glauben, das von Ihnen zu hören. Ich hatte wirklich begonnen, einen tiefen
Respekt für Sie zu entwickeln, aber jetzt bin ich mir überhaupt nicht mehr so
sicher."
Was zur Hölle sollte das bedeuten? Weil er
ihr nicht zustimmte, respektierte sie ihn nicht mehr? Weil er sie auf ihr
idiotisches, gedankenloses Benehmen ansprach, war er ihrer Achtung nicht wert?
"Soll mich das zum Weinen bringen?
Bitte hören Sie auf, Rena, Sie verletzen meine Gefühle."
"Mulder..."
"Wissen Sie was, ich gebe einen Dreck
auf Ihren Respekt. Glauben Sie, ich respektiere Sie nach all dem noch? Es
interessiert mich nicht, ob Sie mich respektieren. Alles was mich interessiert,
ist Scullys Sicherheit und ich glaube nicht, dass Sie bei Ihnen sicher
ist."
"Ist es wirklich das, Mulder? Oder ist
es, weil Sie nicht derjenige sind, der die Entscheidungen trifft, derjenige,
der sie kontrolliert?"
"Sie kontrollieren? Was zur Hölle soll
das bedeuten? Ich habe niemals versucht, Scully zu kontrollieren. Und wenn Sie auch
nur irgendetwas von ihr verstehen würden, dann wüssten Sie auch, dass niemand
im Ernst auch nur versuchen würde, sie zu kontrollieren. Ich..." Mulder
atmete tief ein und versuchte, sein Temperament unter Kontrolle zu bringen. Er
war gefährlich nahe an einem Zusammenstoß mit dieser Frau. Sie hatte verdammt
noch mal keine Ahnung, wovon sie sprach oder womit sie es hier zu tun hatte.
"Ich versuche, sie zu beschützen. Vor IHNEN."
"Vor mir." Rena schnaufte und
schüttelte den Kopf. "Sie sind wirklich kein bisschen besser, als Bill,
wissen Sie das? Genau die gleiche chauvinistische, herablassende, herrische
Einstellung, nur in anderer Verpackung."
Das war es. Das Ende. Er würde nicht hier
stehen und sich solchen Mist von dieser Frau anhören. Sie wusste nichts von
ihm. Sie wusste gar nichts.
"Das ist ein Schlag unter die
Gürtellinie und es beweist nur, dass Sie GAR NICHTS von mir oder von Scully
oder von all dem hier verstehen." Seine Stimme wurde immer lauter, genau
wie die von Rena.
"Nun Mulder, die Art, wie Sie sich
aufführen... um Gottes Willen, sie gehört Ihnen nicht. Sie ist eine erwachsene
Frau. Wenn Sie nicht auf mich hören wollen, warum versuchen Sie dann nicht, mit
ihr darüber zu reden? Ich bin sicher, Sie werden begreifen müssen, dass sie
sehr wohl in der Lage ist, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen."
Gerede über Herablassung. Sie behandelte
ihn, als wäre er irgendein mittelalterlicher Ehemann, der den Unterschied
zwischen einer Frau und einem beweglichen Gegenstand nicht begreifen konnte.
"Ja, ja, das ist sie, aber die
Tatsache, dass sie diesem Blödsinn zugestimmt hat, beweist nur, dass sie sich
im Moment nicht in ihrem normalen geistigen Zustand befindet. Sie sucht
verzweifelt nach Hilfe und Sie nutzen das aus. Haben Sie ihr auch nur die
Hälfte von dem Mist erklärt, den Sie mit ihr vorhaben?"
"Natürlich habe ich das. Ich habe ihr
mehr Details erzählt als Ihnen und sie ist offen genug dafür, um es zu
versuchen. Warum können Sie das nicht sein? Ich dachte, Sie wären ein
Befürworter solcher Dinge. Haben Sie nicht selbst eine Hypnotherapie
mitgemacht?"
"Das hat nichts mit dem hier zu tun!
Wie können Sie es überhaupt vergleichen..." Er presste seine Fäuste in dem
Versuch zusammen, sich davon abzuhalten sie zu schlagen. Wie konnte sie es
überhaupt wagen, das zur Sprache zu bringen? Was zur Hölle ging sie das überhaupt an? Und es erinnerte ihn nur an die Zeit,
als er Scully unter Hypnose erlebt hatte. Wenn Rena etwas plante, was dem auch
nur vage ähnelte, dann würde das nur über seine Leiche passieren.
"Ich werde das nicht zulassen, Rena.
Ich werde Sie das nicht mit ihr machen lassen. Das ist Blödsinn!" Er
schrie nun und stieß seinen Finger in ihr Gesicht.
"Hey, nehmen Sie die Finger von mir!
Haben Sie überhaupt vor jemandem Respekt? Ich weiß, dass Sie sich selbst nicht
respektieren, aber das gibt Ihnen nicht das Recht, andere Menschen so zu
behandeln. Ich verschiebe meinen Urlaub nicht, um bei meiner Schwägerin zu
sein, damit ich mich so behandeln lassen muss."
"Oh, bitte vergeben Sie mir. Ich wollte
Ihnen nicht Ihren verdammten Urlaub und Ihr verdammtes perfektes Leben mit
Scullys kleinen Problemen verderben!" Unglaublich. Was für ein
unglaubliches Weibsstück. Sie hatte keine Ahnung, was sie durchgemacht hatten
und warum er soweit gehen musste, um Scully zu verteidigen.
"Verdammt, das habe ich nicht
gemeint..."
"Was zur Hölle meinen Sie dann? Geben
Sie überhaupt irgendetwas auf sie oder tun Sie das nur, um sich der verdammten
Familie Ihres Mannes gegenüber zu beweisen?"
Rena hob abwehrend ihre Hände hoch.
"Nicht, versuchen Sie nicht einmal... Sie haben keine Ahnung, wovon Sie
sprechen und darüber hinaus geht es Sie gar nichts an."
"Richtig, ich habe keine Ahnung, wovon
ich spreche. Ich weiß nicht, wie das ist, wenn die gesamte Familie des
Menschen, den man liebt, einen bis auf die Knochen hasst. Keine verdammte
Ahnung." Er hatte geglaubt, sie und Charlie wären anders. Dass er ihnen
vielleicht, nur vielleicht, trauen konnte und dass sie ihn akzeptierten und
einen Platz für ihn hatten. Offensichtlich hatte Rena aber genauso wenig
Interesse daran, ihn einzubeziehen, wie alle anderen.
"Mulder, wir schweifen vom Thema ab.
Wenn Sie zurücktreten würden und sich selbst für zwei Sekunden
vergessen..."
"Wovon zum Teufel reden Sie? Das hat
NICHTS mit mir zu tun. Es geht um Scully. Sie sind diejenige, die an sich
denkt. Was zur Hölle glauben Sie, soll geschehen, wenn Sie diese Sache beginnen
und sie wird hysterisch? Haben Sie überhaupt eine Ahnung, wie man damit umgeht?
Sie sind, verdammt noch mal, kein Psychologe!"
"Mulder, beruhige dich." Es war
Charlie. Er kam auf sie zu und stellte sich zwischen sie.
"Vielleicht habe ich nicht den
akademischen Grad, den Sie haben, aber ich weiß eine Menge mehr über reale
Menschen und ihre Gefühle als Sie!"
"Rena, komm schon..." Charlie legte
den Arm um seine Frau und rieb ihre Schulter. Sie riss sich von ihm los.
"Charlie, nein. Er glaubt, die ganze
Welt dreht sich um ihn und seine Bedürfnisse. Er hat keine Ahnung..."
"Weißt du, was sie mit deiner Schwester
vorhat?" verlangte Mulder wütend zu wissen.
Charlie hob die Hände. "Seht mal, ich
weiß nicht, was zur Hölle hier los ist, aber ihr beiden müsst euch jetzt sofort
beruhigen oder wir werden hier noch alle rausgeschmissen."
Rena zuckte mit den Schultern und wandte
sich der Tür zu Scullys Zimmer zu. "Von mir aus. Ich habe wichtigere Dinge
zu erledigen."
Mulder hielt sie ungestüm am Arm fest.
"Ich möchte nicht, dass Sie in ihre Nähe gehen, verdammt."
"Oh, hey." Charlie zog Mulders Arm
von Rena fort. "Ich glaube nicht, dass du das tun willst." Mulders
und Charlies Blicke trafen sich und Mulder gab klein bei. Er wollte das nicht
tun. Wirklich nicht.
Er schloss die Augen, atmete tief ein und
versuchte, sich ein wenig zu beruhigen.
"Komm, Rena, warum gehen wir nicht etwas
essen und versuchen, uns ein bisschen abzukühlen?" Rena seufzte und
nickte.
"Gut. Aber ich komme zurück."
xxxxxx
14:30
"Okay, bist du bereit?"
Scully schob sich hoch, als Rena das
Kopfteil ihres Bettes hochklappte. Scully seufzte tief und antwortete,
"Ja... ja. Was muss ich zuerst machen?"
"In Ordnung, bitte denk daran, Dana,
einige dieser Sitzungen werden vielleicht andere Gefühle wecken, andere
Erinnerungen, die vielleicht etwas mit dem Bild zu tun haben, auf das du dich
konzentrierst, vielleicht auch nicht." Sie sah Scully ernst an. "Sie
sind vielleicht unerwartet und schmerzvoll. Du verstehst das, du bist darauf
vorbereitet, ja?"
Scully nickte, obwohl sie sich sehr davor
fürchtete, dass sie ihre Schwägerin womöglich tatsächlich anlog. Für eine
Millisekunde erwog sie, zu kneifen, aber sie zwang sich dazu, ruhig zu bleiben.
Sie sah einmal auf die Uhr und dann zur Tür. Rena legte ihre Hand auf Scullys
Arm und drückte ihn leicht. Sie wusste, dass sie immer noch hoffte, Mulder
würde sich zeigen.
"Es wird dir gut gehen. Ich habe jedes
Vertrauen in dich," versicherte ihr Rena.
"Jetzt, auf der Grundlage dessen, was wir besprochen haben, möchte ich mit
dem Anfang beginnen, mit dem Zeitpunkt, als du einen Moment frei warst, aber
Jane dich überwältigt hat. Okay? Du fühlst dich hier sicher, oder? Du sagst
mir, wenn es nicht so ist."
"Gut. Es geht mir gut."
"Ich möchte, dass du dich auf diesen
Moment konzentrierst, darauf, was du gesehen hast. Lass es wieder und wieder in
deinem Kopf ablaufen, schließe jedes Detail ein, an das du denken kannst.
Verweile dort."
Scully versetzte sich zurück in Janes
Apartment. Wie sie die Fotos ansah..., den Telefonhörer hochnahm, um Mulder
anzurufen, damit er ihr half... Janes ‚Was zu Hölle ist hier los!’... ihre
Lähmung, der stechende Schmerz in ihrem Arm. Ihr Herz pochte rasend.
"Okay,"
hauchte sie. "Ich hab es."
"Halt es fest und erzähl mir, was du
über das, was passiert ist, denkst."
"Ich hätte..." Sie verstummte und
kniff einmal kurz die Augen zu.
"Hättest was?"
"Ich hätte es nicht zulassen dürfen.
Ich habe es zugelassen. Ich bin nicht sofort von dort verschwunden. Meine
Schuld, es war meine Schuld, dass ich nicht fort konnte. Ich habe zu lange
gewartet."
"Gut, Dana, das ist gut." Rena
beobachtete sie und versuchte, ruhig zu bleiben. Scully begann an den Schläfen
ein wenig zu schwitzen und heftig zu atmen. "Und jetzt, wie fühlst du dich
deswegen?"
"Wütend. Ein bisschen frustriert."
"Wo in deinem Körper empfindest du
das?"
"In meinem Bauch." Sie hatte keine
Ahnung, warum sie dazu neigte, das zu sagen.
"Bleib in dem Bild, bleib in dem Gefühl
und bewerte es für mich. Auf einer Skala von null bis zehn schätze dieses
Gefühl ein, mit zehn für das schlimmstmögliche Gefühl und null für gar kein
Gefühl."
"Oh...mm... n... neun. Neun." Sie
schrak zurück und wischte sich über die Augenbraue.
"Jetzt erzähle mir, wie du lieber
darüber fühlen würdest, was an diesem Tag geschah."
Scully atmete tief und sagte, "Ich
hatte keine Wahl. Sie... äh... sie hat mich überrascht. Ich hätte keine Zeit
gehabt, fortzukommen."
"Gut." Renas Stimme blieb im
Gegensatz zu Scullys gepressten Worten immer ruhig. Sie zwang ihren Körper, um
Scullys Willen ruhig zu bleiben. "Nun sag mir, auf einer Skala von eins
bis sieben, mit sieben für die Wahrheit, wie würdest du den Wahrheitsgehalt
dieser Aussage einschätzen?"
Rena nutzte diesen Augenblick, um alles, was
Scully gesagt hatte, auf einem Notizblock des Krankenhauses aufzuschreiben.
Nach einem kurzen Schweigen entschied Scully, "Drei."
xxxxxx
Mulder spuckte das halb gekaute Stückchen
Gummihühnchen in seine Serviette. Das Essen in dieser Krankenhauscafeteria war
so ziemlich das schlimmste, das er je erlebt hatte. Und es half auch nicht,
dass sein Magen bereits verstimmt war.
Seit seiner Auseinandersetzung mit Rena
waren bereits ein paar Stunden vergangen. Er wusste, dass sie ihre
‚Therapiesitzung’ mit Scully begonnen haben musste.
Nachdem er durch das Krankenhaus gestapft
war, nach allen möglichen Sachen getreten und vor sich hin geschimpft hatte,
war er in die Cafeteria gegangen, um sich hinzusetzen und ein Weilchen
nachzudenken. Er hatte nur ein paar Augenblicke halbwegs rationaler Überlegung
gebraucht, um zu begreifen, dass er wegen Rena ein bisschen überreagiert hatte.
Immer noch war er wegen der ganzen Sache beunruhigt, aber er wusste, dass er
wirklich auf einem niedrigen Niveau reagiert hatte, und zwar mehr, weil er
ausgeschlossen worden war als wegen der tatsächlichen Fakten.
Aber auch mit dieser Erkenntnis fühlte er
sich nicht bereit, dem ganzen Prozess tatsächlich zuzusehen. Und er glaubte
wirklich nicht, dass sein dasein Scully helfen würde. Das war, so erkannte er,
sein wahres Problem damit. Er konnte nicht bei ihr sein. Er würde nichts mit
ihrem Heilungsprozess zu tun haben. Und das, so nahm er an, sollte so sein.
Seine Versuche, ihr zu helfen, waren trostlose Pleiten gewesen. Mit Rena war
sie besser dran, mit jemandem, der halbwegs bei Verstand war. Jemandem, der
nicht indirekt in erster Linie für das ganze Trauma verantwortlich war, von dem
sie sich zu erholen versuchte.
Mulder war eifersüchtig auf Rena, das
erkannte er nun auch. Das war mit ein Grund dafür,
warum er so wütend gewesen war. Er war eifersüchtig auf die Macht, die sie in ihren Händen hielt, ihr Zauber, ihre Fähigkeit, Scully
zu helfen. Er wünschte, er wüsste, wie er es tun könnte.
Und er war auch eifersüchtig auf das, was er
ein 'verdammtes perfektes Leben' genannt hatte. Charlie und sie führten das
Leben, nach dem er, wie es schien, schon eine Ewigkeit auf der Suche war. Das
Leben, das er mit Scully wollte, tatsächlich aber nie bekommen würde. Zu dieser
Art Stabilität, dieser Art Normalität und Ausgeglichenheit war er nicht fähig.
Aber Scully war es, sie war es und sie verdiente es. Er hielt sie davon ab. Und
er nahm es Rena übel, dass sie ihn daran erinnerte. Und in einem Moment
vollkommener Selbstehrlichkeit fand er heraus, dass er tatsächlich fürchtete,
Scully würde beginnen, mit Rena über ihr Leben zu reden, dass sie begonnen
hatte, zu fühlen, dass sie ein Leben wie Rena führen wollte und Mulder ihr das
niemals geben konnte. Er hatte Angst davor, dass Rena Scully zeigen würde, dass
sie Mulder überhaupt nicht brauchte.
Mulder zuckte auf seinem Stuhl zusammen, als
seine Grübeleien unterbrochen wurden. Plötzlich spürte er einen stechenden
Schmerz in seinem Arm und eine tiefe, schwindelerregende Angst. Er blickte auf
seinen verletzten Arm herab. Lange Zeit hatte er ihm nicht wehgetan. Und der
Schmerz war anders als vorher. Es war mehr ein innerer Schmerz.
Er schloss die Augen und hinter seinen
Lidern sah er etwas seltsames. Es war Janes Apartment.
Es war ihr Schreibtisch, bedeckt mit Fotos von ihm. Die Vorstellung war so
real, so lebhaft und sie verursachte Angst in seinem Herzen. Er begann zu
schwitzen und heftig zu atmen, nur indem er daran dachte.
Seine Augen flogen auf und er sah sich außer
sich in der Cafeteria um. Was zur Hölle passierte mit ihm?
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Es war an der Zeit für das, worauf klein
Charlie als seine Mamis 'Zauber' verwies. Sie bat Scully eindringlich, auf ihren
Finger zu achten, ihm zu folgen, während er vor ihrem Gesicht hin und her
wanderte. Scully fuhr fort, zu hecheln und Rena war erleichtert, als sie bis
zur Zahl 30 gezählt hatte. Sie ließ ihre Hand sinken und Scully schloss die
Augen.
"Okay, Dana, reden wir darüber, was dir
gerade durch den Kopf geht."
"Ich war... dort, in Janes
Schlafzimmer. Ich äh... Dort waren Fotos von Mulder, sie war uns gefolgt – ihm,
sie war Mulder gefolgt." Sie zog ihre Lippe nach innen und ein Schluchzen
kam aus ihrem Mund. "Aber sie ergriff mich und ich konnte nicht... Ich
konnte ihm nicht helfen. Sie hat mir den Arm gebrochen, so dass ich ihm nicht
helfen konnte..." Scully verstummte und begann zu weinen.
"Sie... ich konnte mich nicht bewegen,
es ging alles so schnell. Ich hatte nie eine Chance."
"Tief atmen, Dana. Du sagtest, du
hättest es nicht zulassen dürfen. Es war deine Schuld, dass du nicht
fortgingst. Glaubst du das immer noch?"
Scully schniefte, ein bisschen gefasster als
vorher. "Nein, ich hatte gar keine Chance. Sie war... sie hat mir den Arm
gebrochen."
Rena war beinahe erschrocken, Scully schien
es beinahe sofort geholfen haben. Sie wiederholten das mit den Fingern bis es
schien, dass Scully ein bisschen ruhiger geworden war. Rena war nun davon
überzeugt, dass die Sitzung weitaus einfacher und sogar effektiver gewesen
wäre, wenn Mulder da gewesen wäre. Was ein weiteres Problem war, das sie
ebenfalls aufarbeiten mussten, dessen war sie sich sicher. Diese Angst, dass es
Mulder war, der sich in immanenter Gefahr befand.
"Du ruhst dich eine Weile aus, okay?
Ich werde etwas zum Abendbrot essen gehen, aber wenn du mich brauchst, dann
lass mich ausrufen oder so. Zögere nicht."
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Rena ging mit ihrem Essenstablett auf der
Suche nach einem Tisch durch die Cafeteria. Sie kam an einem Mann vorbei, der
mit dem Kopf in den Händen und einem vollen Teller vor sich dasaß. Es dauerte
nur eine Sekunde, bis sie erkannte, dass es Mulder war. Seit ihrer
Auseinandersetzung hatte sie nicht mit ihm gesprochen und die Aussicht, wieder
in seiner Nähe zu sein, machte sie ziemlich nervös. Er war in seinem Ärger so
unvernünftig gewesen, beinahe außer Kontrolle.
Nach dem, was Charlie sagte, war er
normalerweise wirklich nicht so. Er stand nur ziemlich unter Druck. Aber Rena
glaubte nicht, dass das als Entschuldigung ausreichte und sie fürchtete sich
beinahe davor, mit ihm zu reden. Aber dennoch, er war hier.
"Mulder?" Er sah auf und sie
bemerkte, dass seine Augen rot waren.
"Oh. Hey." Er sah beinahe verlegen
aus, nicht gefährlich, also setzte sie sich hin.
Einen Moment saßen sie schweigend da, beide
unsicher, was sie sagen sollten und beiden war extrem unbehaglich zumute. Rena
fühlte sich wegen einiger Dinge, die sie ihm gesagt hatte, schlecht und sie
hatte das Gefühl, dass sie den Ball ins Rollen bringen sollte, indem sie sich
entschuldigte, aber es schien ihr, dass er ihr das zuerst schuldete.
"Also, äh... wie war die erste
Sitzung?" fragte er und, so bemerkte sie, da war kein Sarkasmus oder Ärger
in seiner Stimme. Er schien tatsächlich ein bisschen verängstigt.
"Gut, eigentlich. Es ist nur ein
Anfang, aber ich glaube, es lief sehr gut." Sie wusste, dass es besser
gelaufen wäre, wenn Scully gewusst hätte, dass sie Mulders volle Unterstützung
hatte, wenn er währenddessen für sie da gewesen wäre, aber sie glaubte nicht,
dass es eine gute Idee wäre, das jetzt anzubringen.
Mulder nickte und räusperte sich.
"Also, äh, geht es ihr gut?"
"Sie scheint in Ordnung zu sein. Im
Moment ruht sie sich aus."
"Gut. Das ist gut." Sie verfielen
in ein weiteres unbehagliches Schweigen und Rena begann nervös, in ihrem Essen
herumzustochern. Nach ein paar Minuten blickte sie wieder auf und sah, dass
Mulders Augen mit Tränen gefüllt waren und er seine Serviette in den Händen zerknüllte.
"Mulder..."
"Es tut mir leid,"
stieß er hervor. "Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich weiß es
wirklich zu schätzen, was Sie für sie zu tun versuchen und ich hatte... ich
hatte unrecht. Einfach wirklich unrecht..."
"Mulder, es ist okay..."
"Nein, ist es nicht. Das ist es nicht.
Ich habe mich scheußlich benommen."
"Wir haben beide einige dumme Dinge
gesagt."
"Ich nehme an, dass..." Er blickte
traurig nach unten. "Ich will sie nur zurück, Rena. Ich will sie so sehr
zurück. Und ich will ihr helfen. Ich will es besser machen, aber ich kann
nicht. Ich kann es nicht." Seine Stimme brach und Tränen begannen, seine
Wangen hinabzulaufen.
"Alles, was ich mache, ist verkehrt und
ich kann ihr überhaupt nicht helfen und ich vermute, dass ich einfach, dass ich
einfach die Tatsache hasse, dass ihr jemand anders helfen kann und ich nicht.
Dass sie womöglich jeden anderen braucht und nicht mich..." Endlich ein
bisschen Ehrlichkeit. Das konnte Rena verstehen. Sie griff über den Tisch und
nahm seine Hand in ihre. Er zitterte.
"Mulder, sie braucht Sie. Und Sie
helfen ihr. Ohne Sie würde ihr nichts von alledem helfen. Sie braucht Sie mehr
als alles andere. Ihre Liebe und Ihre Unterstützung sind wirklich die EINZIGEN
Dinge, die sie braucht. Keinerlei Therapie wird irgendetwas Gutes bewirken ohne
das." Augenblicklich erkannte sie ihren Fehler. Sie hätte seine Rolle in
alldem von Anfang an deutlicher machen sollen.
"Mulder, ich muss mich auch
entschuldigen. Ich glaube, ich habe Ihnen unbedacht das Gefühl gegeben,
ausgeschlossen zu sein und das ist überhaupt nicht der Eindruck, den ich
erwecken wollte. Sie müssen ein Teil davon sein oder es wird nicht
funktionieren."
Mulder schüttelte den Kopf und entzog ihr
seine Hand. Er begann, sich ärgerlich das Gesicht zu reiben. "Nein. Sie hatten
recht, es zu tun. Ich kann ihr nicht helfen. Alles, was ich mache ist, ihr
jedes Mal wehzutun, wenn ich in ihrer Nähe bin. Das beste,
was ich für sie tun konnte war, mich da verdammt noch mal herauszuhalten."
"Mulder, um Gottes Willen..." Rena
machte einen tiefen, beruhigenden Atemzug. Sie bemühte sich, geduldig mit ihm
zu sein, aber seine Selbstverachtung war eine hartnäckige, frustrierende Kraft,
mit der man rechnen musste.
"Alles was Sie tun müssen, ist fünf
Minuten mit ihr reden, um zu erkennen, wie wichtig Sie für sie sind, wie sehr
Ihre Anwesenheit und Ihre Unterstützung für sie zählt. Jedes Mal wenn ich da
war und Sie nicht, waren ihre ersten Worte 'wo ist Mulder?' Sie wird
hysterisch, wenn sie glaubt, Sie könnten in irgendwelchen Schwierigkeiten
stecken. Ein Teil ihres Traumas ist es, zu fühlen, dass Sie in Gefahr sind und
sie kann Ihnen nicht helfen. Mulder, sie braucht Sie gerade jetzt. Vielleicht
mehr als sie Sie jemals in ihrem Leben gebraucht hat." Rena wusste nicht,
was sie noch sagen sollte, um ihn zu überzeugen. Es schien so offensichtlich
für sie zu sein. Der Mensch, den man mehr als jeden anderen liebte, der Mensch,
den man mehr als sein Leben liebte, so wie er offensichtlich Dana liebte, das
war der einzige Mensch, der einem jemals wirklich helfen konnte, wenn es darauf
ankam. Warum war das so ein Geheimnis für Mulder?
Er sah sie prüfend an und schniefte.
"Aber das tue ich bereits. Ich meine, ich kann gar nicht anders. Ich
möchte wissen, was ich tatsächlich TUN kann. Wie kann ich es besser
machen?"
"Sie müssen gar nichts tun, Mulder. Sie
einfach lieben. Das ist alles. Da sein. Sie halten, mit ihr reden und sie
wissen lassen, dass Sie bei ihr sein werden, egal was geschieht, dass Sie ihre
Entscheidungen unterstützen und dass Sie wollen, dass es ihr besser geht."
"Ich habe all das getan." Rena
seufzte verärgert. Er wollte eine tatsächliche Aufgabe. Gut, sie hatte eine für
ihn, aber es war vielleicht das schwierigste, worum sie ihn bitten konnte.
"In Ordnung, dann kümmern Sie sich um
sich selbst, Mulder. Essen Sie, schlafen Sie, entspannen Sie sich, sehen Sie
sich irgendeinen Film an oder so, hören Sie auf, sich selbst für alles
Schlechte, das ihr passiert ist und für jede Niederlage, die sie nun erlebt,
verantwortlich zu machen. Wenn Sie nicht gesund sind, wird sie es auch nicht
sein."
"Ich verstehe nicht... wie soll ihr das
helfen?"
"Mulder, Dana ist nicht die einzige,
die gesund werden muss. Sie sind beide krank und es ist die gleiche Krankheit.
Sie teilen sie. Bis es einem von Ihnen besser geht, wird der andere immer krank
sein. Je mehr Sie tun können, um sich selbst zu helfen, desto besser wird sie
sich fühlen."
Er sah sie an, als würde sie versuchen, ihm
zu erklären, dass die Erde eine Scheibe war. Wie konnte irgendjemand so
dickköpfig sein?
"Mulder, glauben Sie nicht, dass Sie
sich besser fühlen, wenn sie aus dem Krankenhaus heraus kommt, wenn sie
aufhört, diese Träume zu haben und wieder zu essen beginnt?"
"Natürlich, aber..."
"Nun, es funktioniert in beiden
Richtungen."
Ende Kapitel 6/11
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Kapitel 7/11
Donnerstag
9:40
"Mulder? Was tust du denn hier?"
Scully richtete sich im Bett auf und legte
die Pathologiezeitschrift, die sie in den letzten zwei Stunden versucht hatte
zu lesen, auf das Nachtkästchen. Rena würde jeden Moment hier sein und sie war
sich nicht so sicher, ob es gut wäre, wenn Mulder während der Sitzung, um sie
herum war.
"Ich äh, ich bin gekommen, um äh,
einfach bei dir zu sein."
"Oh." Meinte er, dass er bleiben
würde, oder wusste er nicht, dass Rena hierher kam? "Mulder, du weißt,
dass Rena jede Minute kommen wird, oder nicht?"
Mulder sog seine Lippen ein und nickte
stumm. "Hey, Scully," begann er in seiner
wirklich berühmten unfeinen Art, das Thema zu wechseln. "Du siehst... das
ist erstaunlich... doch du siehst hundertmal besser aus, als gestern." Er
brach ab und starrte sie nur kopfschüttelnd an. Seine Augen wanderten zum Tisch
und er sah ihr Frühstücksgeschirr, bis auf die Melonen in der Obstschale war
alles aufgegessen.
"Scully,... du hast... gefrühstückt," stellte er völlig verwundert fest. Er sah sie noch
prüfender an und studierte ihre Gesichtszüge, so als ob er sicher gehen wollte,
dass sie real war. "Mensch, Scully... ich kann es einfach nicht glauben.
Wie... wie fühlst du dich?"
"Ähm, tatsächlich..." Sie stockte
und fragte sich selbst, wie sie sich fühlte. "Tatsächlich ist es ziemlich
verblüffend. Ich erinnere mich nicht einmal daran, letzte Nacht aufgewacht zu
sein." Plötzlich kam ihr ein Gedanke. "Mulder, du... du bist letzte
Nacht nicht hier geblieben, oder doch?"
Als sie das fragte, sah er beinahe
erschrocken aus. "Ähm, nein, das bin ich nicht. Ähm...der kleine Charlie
wollte sehen, wo wir arbeiten und da hab ich ihn mit in unser Büro
genommen."
Scully lächelte. "Oh, ich wette, das
hat ihm gefallen."
"Ja,"
erwiderte Mulder, ebenfalls lächelnd. "Er war ganz schön fasziniert von
dem ganzen Zeugs dort. Er dachte, der Plattwurmmann wäre 'Neato', also habe ich
ihm ein Bild von ihm ausgedruckt, damit er es mit nach Hause nehmen kann."
Scully zog ihre Augenbrauen hoch und rümpfte
die Nase. "Oh, meine Mutter wird davon begeistert sein."
"Nun, jedenfalls hab ich ihn dann mit
in mein Apartment genommen und dort ist er auf meinem Sofa eingeschlafen. Ich
habe es nicht übers Herz gebracht, ihn zu wecken, also so habe ich ihn in
meinem Bett schlafen lassen und bin die Nacht bei ihm geblieben. Es... äh... es
tut mir leid, dass ich nicht zurückgekommen bin."
"Nein, bitte, das muss es nicht," versicherte sie ihm. Sie war entzückt darüber zu
hören, dass er etwas normales mit seiner Zeit
angefangen hatte und er selbst sah jetzt hundertmal besser aus, da er bei sich
zu Hause geschlafen hatte. "Ich hoffe, dass du nicht deprimiert bist, wenn
ich dir sage, dass ich dich nicht mal vermisst habe."
"Das ist okay. Irgendwie... irgendwie
hab ich das wohl gewusst."
Sie lächelten sich an und dann schwiegen
sie. Scully versuchte sich dazu zu bringen, Mulder vorzuwarnen, dass Rena jede
Sekunde kommen würde, doch etwas in ihr hoffte, dass er seine Meinung einfach
ändern und bleiben würde. Obwohl sie schon riesige Fortschritte gemacht hatte,
fühlte sie sich wegen der Sitzung schon ein wenig nervös.
Als sie hörten, wie sich die Tür öffnete,
zuckten sie zusammen. Scully blickte Mulder an, der Rena als erstes begrüßte.
Ihr Herz hämmerte und schrie Mulder an, er solle doch bitte bei ihr bleiben.
"Guten... Morgen,"
erwiderte Rena Mulders Gruß und stand dann unbehaglich am Fußende des Bettes.
Einen Moment später warf sie einen Blick auf Scully und ihre Augen weiteten
sich. "Dana, sieh dich an! Mein Gott! Hast du dich angesehen?"
Scully lächelte ein wenig und sah Mulder an.
"Nein, doch Mulder hat es und er hatte so ziemlich die gleiche
Reaktion."
"Ich glaub es einfach nicht. Ich meine,
wow... was für ein Unterschied."
"Rena, denkst du nicht," begann Scully, "dass es einfach von dem kommt,
was wir getan haben?"
Rena ließ ihre Schultern einmal nach hinten
kreisen und hob ihre Hände. "Ich... ich kann mir nicht vorstellen, was es
sonst gewesen sein könnte. Haben sie deine Medikation oder irgendwas anderes
verändert?"
"Nein. Aber ich habe gestern Abend und
heute Morgen etwas gegessen."
Rena stand da und schüttelte den Kopf.
"Nun, es ist sicherlich eine deutliche Verbesserung. Und doch..." Sie
zögerte und sah Mulder und dann wieder Scully an. "Ich denke nicht, dass
wir es schon völlig geschafft haben. Es sind erst ein paar Tage gewesen."
"Ich weiß,"
stimmte Scully zu. Sie wartete darauf, dass Rena neben ihr Platz nehmen würde,
doch sie stand bloß da, so als ob sie auf die Erlaubnis warten würde.
"Ähm..." begann Rena, "Vielen
Dank dafür, dass Sie Charlie letzte Nacht mitgenommen haben, Mulder. Er kann
gar nicht aufhören, über Sie zu sprechen, wissen Sie. Ich denke, sein Vater
macht gerade ein verfrühtes Leeres-Nest-Syndrom durch."
Mulder lachte und erklärte ihr, dass das
überhaupt kein Problem war und dann wurde das Trio wieder still. Schließlich
sprach Mulder. "Äh, also äh... fangen Sie jetzt an?"
"Ja, ich hoffte..." Rena brach ab.
"Soll ich mich woanders hinsetzen? Oder
ist es hier in Ordnung?"
Scullys Herz machte vor Freude einen Satz.
Er würde bleiben, er sorgte sich, er wollte da sein. Bewusst entschloss sie
sich, diese Sitzung erfolgreich werden zu lassen, sie wirklich effektiv zu
machen.
Rena setzte sich neben sie und legte ihren
Notizblock weg. Sie warf noch einen letzten Blick auf Mulder und wandte sich
dann an Scully.
"In Ordnung, Dana, heute möchte ich
darüber sprechen, was an dem anderen Tag mit dem Spiegel geschah."
Scully fühlte, wie sich ihre Schultern
anspannten. Sie konnte das schaffen, sogar wenn Mulder hier war. Sie stieß
einen Atemzug aus und sagte, "Ja. Gut."
"Also, geh zu dem Tag zurück, an dem es
geschehen ist. Der Tag, an dem Jane dich mit dem Messer angegriffen hat.
Erinnere dich an das, was du gesehen hast, was du fühltest, auch die Gerüche,
an die du dich erinnerst."
Sowohl Mulder als auch Rena beobachteten
Scully, als sie die Augen schloss und eine sehr lange Zeit nachdachte. Nach
einer Minute oder so zog sie ihre Augenbrauen zusammen und atmete aus. Rena
betrachtete das als ihr Stichwort.
"Okay, was fühlst du gerade?"
"Ich kann nicht glauben, dass mir das
passiert, dachte ich. Ich konnte nicht glauben, dass diese Frau wirklich so...
bösartig sein konnte." Sie brach ab und atmete aus. "Wenn sie mir das
antut... Was... was tut sie dann Mulder an? Sie wird mich umbringen, ich werde
es ihm nie sagen können. Ich hätte es ihm schon vor langer Zeit sagen
sollen..."
"Okay, halt dich daran fest, Dana, halt
das fest. Wie fühlst du dich? Welche Gefühle weckt das in dir?"
"Traurig. So absolut traurig. Bedauern.
Bedauern, das ich in meinem Herzen fühlen kann. Bedauern darüber, dass ich es
ihm nie gesagt habe. Wenn ich es ihm gesagt hätte, wäre ich niemals in diese
Situation gekommen."
Rena nickte, als sie sich Notizen machte.
Scully bewertete ihre Empfindungen und wischte sich den Schweiß von ihrer
Augenbraue. Dann bat Rena sie, "Jetzt sag mir, wie du dich wegen dem, was
dir passiert ist, fühlen möchtest."
"Ich möchte fühlen...Ich möchte wissen,
dass es nicht meine letzte Chance war. Es würde nicht meine letzte Chance sein.
Sie war nicht vorbei." Sie sah Rena an, jedoch auf eine bestimmte Weise
beinahe durch sie hindurch, so als ob sie in ihrem Kopf die Ereignisse auf
einem unsichtbaren Monitor wieder abspielen würde.
"Okay, sieh auf meine Hand, in
Ordnung?" bat Rena sie und Scully griff nach Mulders Hand, streckte sich
fast, um danach zu tasten. Schließlich nahm er ihre Hand und sie hielt sich
fest, während sie Renas Finger beobachtete.
Doch plötzlich zuckte Scully zusammen. Sie
machte ein keuchendes Geräusch und ihre Augen weiteten sich. Dann zog sie ein
fürchterliches Gesicht und würgte. Sie entriss Mulder ihre Hand und ließ ihren
Kopf auf die Seite des Bettes fallen.
Mulder sah Rena voller Angst an und lief um
das Bett herum, an die andere Seite. Sie erbrach sich nicht, würgte nur
trocken. "Scully... Scully, was ist denn? Was ist los?"
"Da waren Käfer... Maden," weinte sie. "Sie hat mich damit gefüttert, sie
waren überall... ich habe sie gegessen. Oh Gott." Sie setzte sich auf und
ihre Augen waren rot und verweint. "Es war schrecklich... sie... lachte
mich aus und verspottete mich und ich dachte... Mulder, ich dachte, dass du
mich niemals finden würdest... ich wollte so nicht sterben... Nicht bevor
ich..."
Mulder kletterte zu ihr ins Bett, so dass er
seine Arme um ihre Schultern legen konnte.
"Okay, Dana, lass uns mit diesem Bild
arbeiten," sagte Rena. "Ich weiß, dass es
weh tut, doch wir müssen es rauslassen. Sieh mich jetzt an. Sieh auf meinen
Finger."
Als Mulder sie festhielt, nickte sie und kam
Renas Bitte nach. Sie versetzte sich zurück in Janes Wohnung, gefangen und
verängstigt, mit schlimmen Schmerzen und blutend. Sie erlebte es noch einmal,
sie blickte auf diese Erinnerungen, sie wiederholte sie, wieder und wieder. Sie
würde Jane bezwingen.
Bevor Scully überhaupt darüber nachdenken
konnte, senkte Rena ihre Hand. Scully war jetzt bewusst, dass ihr Körper in
Schweiß gebadet war. Sie hatte keine Ahnung, welchen Effekt diese Erinnerungen
auf ihren ganzen Körper hatten, ganz zu schweigen von ihren Gefühlen.
"Okay?" Es war Mulder, der genauso
schwer atmete, wie sie selbst.
"Ja."
"Okay, dann sag mir, was du lieber
wegen dem, was dort passierte, empfinden würdest."
"Ich bin stärker als sie, und Mulder
wird in Sicherheit sein."
Rena sagte ihr, als sie ein weiteres Mal
ihre Finger vor Scullys Augen bewegte, dass sie sich auf diese Worte
konzentrieren sollte. Beinahe sofort spürte Scully, wie sie sich entspannte,
ihr Griff um Mulders Hand lockerte sich merklich. Durch seine Anwesenheit war
es einfacher, diese positiven Worte zu glauben. Zum ersten Mal seit langer Zeit
war sie absolut sicher, dass sie beide wirklich und wahrhaftig in Sicherheit
waren.
Samstag
10:00
Scully wälzte sich immer wieder in ihrem
Bett herum. Sie fühlte sich unruhig. Seitdem Mulder sie letzte Nacht verlassen
hatte, hatte sie versucht, zu schlafen, doch es gelang ihr nicht. Scully war
gelangweilt und des ewigen Herumsitzens in einem Krankenhausbett müde.
Mulder war seitdem auch noch nicht
zurückgekommen. Da er aussah, als ob er lange Zeit nicht anständig geschlafen
hatte, hoffte Scully, dass er sich entschieden hatte, eine Couch in einem
Warteraum zu finden, auf der er schlafen konnte. Vielleicht holte er das
Versäumte jetzt nach.
Es kam ihr so vor, als würde sie sich in
seiner Abwesenheit nicht mehr so unruhig fühlen. Sie dachte an die vergangene
Nacht zurück, als sie die Tür hinter Mulder zufallen hörte, doch keine Panik
dabei fühlte.
Sie hörte das Klicken der Tür und drehte
sich schnell um. "Mulder?"
"Nein, es tut mir leid, es sind nur
Charlie und ich, niemand besonderes,"
entschuldigte sich Rena.
"Knastbruder!" rief Scully aus,
während sie ihren gesunden Arm um ihren Bruder legte.
"Sieh dir das Lächeln an," lobte Charlie. "Das habe ich lange nicht gesehen.
Wie fühlst du dich?"
Scully überlegte einen Moment lang. Sie
fühlte sich spürbar anders, als sie sich gestern gefühlt hatte. Eigentlich
fühlte sie sich großartig. Leichter. Und die Schmerzen, die sie hatte, seitdem
sie sich im Krankenhaus befand, schienen auf wunderbare Art und Weise
nachgelassen zu haben. Verblüffend.
"Ich fühle mich..." Rena und
Charlie sahen sie an, gespannt auf die Erklärung die sie jetzt machen würde.
Scully kicherte ein wenig in sich hinein. "Leute, ich fühle mich
großartig. Es ist unglaublich." Sie stockte und da kam ihr eine Idee.
"Wisst ihr, was ich jetzt tatsächlich gerne tun würde?"
"Was denn, Dana?" fragte Charlie
aufgeregt.
"Ich möchte versuchen, zu laufen," erklärte sie.
"Laufen? Bist du sicher?" fragten
Rena und Charlie gleichzeitig.
Scully nickte. "Ja, ich bin sicher. Ich
glaube, dass ich es schaffen kann. Zumindest ein kleines Stück."
Rena lächelte. "Ich denke auch, dass du
das kannst."
Charlie und Rena standen an jeweils einer
Seite von Scully, um sie zu stützen, als sie vom Bett aufstand. Charlie war
äußerst nervös, doch das wurde durch Renas Gleichmut gegenüber Danas kleinem
Wagnis abgeschwächt.
Als sie die Tür erreichten, wandte sich
Scully an ihren Bruder und sagte, "Ich bin bereit. Du kannst loslassen.
Bleib nur hier, um mich aufzufangen, okay?"
Charlie gab nach und Scully ging den
Korridor entlang, weg von ihrem Zimmer. Eine der Krankenschwestern hielt an,
applaudierte Scully zu ihrer Besserung und betonte, wie unglaublich das war.
So albern es auch war, Scully fühlte ihre
Brust vor Stolz schwellen. Etwas hatte geholfen, was auch immer es gewesen sein
mag. Sie fühlte sich anders, sie erlangte wieder ihre Kontrolle zurück. Überall
an ihrem Körper spürte sie es. Ein gutes Gefühl, nicht das schreckliche Gefühl,
das sie so lange gehabt hatte, seit dem Tag, an dem sie Jane Harris, oder wie
zum Teufel ihr Name gewesen sein mag, getroffen hatte.
xxxxxx
Zum millionsten Mal stieg Mulder in den
Fahrstuhl, um zu Scullys Zimmer zurück zu gehen. Er fühlte wieder diese
vertraute Übelkeit in seinen Eingeweiden. In den letzten paar Stunden hatte er
darüber nachgebrütet, wie er sich für sein Verhalten – für alles –
entschuldigen könnte und entschloss sich, dass er das bald machen würde. Zum
Beispiel heute.
Doch wie zum Teufel sollte er beginnen? Und
was, wenn er dort auf Bill oder Charlie oder ihre Mutter oder irgendwen treffen
würde? Er wusste, dass er dann kneifen würde. Und wenn Rena da wäre, würde er
sich wegen der ganzen Sache wieder schuldig fühlen. Nun, jedenfalls noch
schuldiger.
Scheiße, Scheiße, Scheiße und Scheiße,
dachte er, als die Fahrstuhltür aufglitt. Irgendwie hatte er sich gewünscht,
dass sie sich nie öffnen würde, dass er steckenbleiben würde und dann hätte er
einen guten Grund gehabt, das Unvermeidliche aufzuschieben.
Mulder ging zu Scullys Zimmer, nur um es
leer vorzufinden. Scheiße, Scheiße. Wo zum Teufel war sie? Hatten sie sie
verlegt? Wohin? In die Psychiatrie? Oder vielleicht mussten sie eine
Notoperation durchführen, weil einige unerwartete Komplikationen aufgetaucht
waren? Dieser verdammte Bill verschwieg diese wichtige Sache vor ihm, so als ob
Mulder für Scully nichts bedeuten würde. Als ob sie ihm nichts bedeuten würde.
Bereit dazu, diesen verdammten Bill
ausfindig zu machen und den Verstand aus ihm herauszuprügeln, stürmte er aus
dem Zimmer und den Gang hinunter. Und da sah er sie. Das wunderschöne rote Haar
und diese winzige Gestalt, die er so bewunderte.
Und ihr Gesicht. Sie lächelte vor... könnte
es vor Stolz sein?
Mulder, ich kann laufen, sagte sie mit ihren
Augen. Er hörte es laut und deutlich. Und alles, was er tun konnte war, einfach
dazustehen und zu fühlen, wie ein Teil seiner Seele aus seinem Gefängnis
befreit wurde. Sie lächelte noch breiter und er fühlte sein Herz in seinem
Bauch schlagen.
Er stand weiter da, wie erstarrt, als sie
auf ihn zukam. Seine Beine zitterten so stark, dass er glaubte, er könnte
hinfallen, wenn er versuchen würde, sich zu bewegen. Also wartete er. Und als
sie bei ihm war, schlang sie ihren linken Arm um ihn und presste ihre Wange an
seine Brust. Mulder legte seine Arme um sie und versuchte, seinen Körper um sie
zu wickeln, damit sie fühlen konnte, was er fühlte. Diese Erleichterung, dieses
Glück, das er in jeder Zelle seines Körpers empfand.
Zu seiner Verwunderung blieb sie in seinen
Armen und lehnte ihren Körper gegen seinen. Er glaubte, sie wartete darauf,
dass er etwas sagte und sprach.
"Scully..."
Doch sie schüttelte ihren Kopf. "Nein
Mulder, nicht jetzt. Lass es einfach nur so sein."
"Was immer du willst, Scully. Was immer
du brauchst."
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19:30
Mulder starrte ausdruckslos aus dem Fenster
und sah nichts. Sein Magen grollte unangenehm und seine Füße tappten in einen
endlosen Rhythmus auf den Boden. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er
das letzte mal so nervös gewesen war.
Er kaute auf dem Fingernagel seines Daumens.
Praktisch war er an diesem Punkt schon bis zur Nagelhaut abgebissen. Der Klang
des zweiten Zeigers, der um die Uhr auf der Wand kreiste, erschien ihm
übermäßig laut und warf in seinen Ohren und seiner Brust ein Echo. Jede
Sekunde, die verstrich, war eine weitere Sekunde näher an der Sekunde, in der
Scully aufwachen würde.
Er blickte sie an und war sich sicher, dass
sie dabei war, ihre Augen zu öffnen, doch sie schlief noch fest. Gott sei Dank.
Mulder begann die Worte zu wiederholen, die
er in Gedanken schon fast hundert Mal ausprobiert hatte. Es war eine schöne
Rede voller Schwung und Herzschmerz. Sie war relativ kurz, doch dramatisch
genug. Er hatte sie solange geübt, bis sie perfekt war und sobald sie aufwachen
würde, wäre er bereit dazu, sie zu halten.
Wochen hatte er dazu gebraucht, nur um die
richtigen Worte zu formulieren, die klarste und aufrichtigste Art zu finden, um
sein Bedauern über die Art und Weise auszudrücken, wie er sich ihr gegenüber
benommen hatte, bevor Jane sie entführt hatte. Und es war schließlich an der
Zeit, sein Innerstes vor ihr zu offenbaren. Er hoffte nur, dass sie ihn nicht
unterbrechen würde, weil er dann womöglich den Faden verlieren würde. Und wenn
es vorbei war, konnte er nur beten, dass sie ihm vergeben würde.
Mulder fühlte sich, als wäre er zwölf Jahre
alt und lieferte gerade seinen ersten mündlichen Bericht ab.
'Scully, ich würde gerne meine aufrichtigste
Entschuldigung dafür ausdrücken...'
"Einen Penny für deine Gedanken."
Sein ganzer Körper zuckte auf dem Stuhl zusammen und er musste sich tatsächlich
davon abhalten, aufzuschreien.
Sobald er seinen Atem wieder unter Kontrolle
hatte, sah er sie an. Das orangefarbene Licht des Sonnenunterganges, das durch
das Fenster hereinschien, warf eine Glut, die ihre Haut so wunderbar wie
flüssiges Feuer aussehen ließ. Ihre Haare waren verwuschelt und ihre Augen
schläfrig. Sie setzte sich auf und streckte ihren ungebrochenen Arm über ihrem
Kopf aus und die Seide ihres Pyjamaoberteils spannte sich über ihren Brüsten.
Und er vergaß jedes einzelne Wort seiner Rede.
"Äh, wie lange bist du schon
wach?" fragte er dümmlich.
"Seitdem du hereingekommen bist," antwortete sie lächelnd.
Großartig, das war einfach großartig.
"Oh," war alles, was er sagte.
"Mulder, gibt es etwas, was du mir
sagen willst?"
Scully war die ganze Zeit wach gewesen und
hatte ihn heimlich beobachtet, wie er über etwas nachdachte und an seinen
Fingern kaute. Sie wusste, dass er durcheinander war, nicht nur, weil sie sehen
konnte, wie sich seine Brust schnell hob und senkte, sondern auch weil sie es
fühlen konnte. Tief in ihrem Bauch, ein Gefühl, das sie fast krank machte.
"Wir müssen jetzt nicht darüber reden,
Scully."
"Das müssen wir nicht, doch es wird uns
nicht wehtun, oder doch?"
Okay, sie war wieder in ihrem hartnäckigen
Scullymodus. Mulder konnte damit umgehen. Er zuckte mit den Achseln und starrte
wieder aus dem Fenster.
"Mulder?"
"Es ist nichts, Scully, wirklich."
"Es wird mir besser gehen,
Mulder."
Als er sie das sagen hörte, grinste er sich
selbst zum Trotz. Er drehte sich zu ihr um und als er sah, wie bestimmt und
stark sie zu sein schien, wurde sein Grinsen breiter. "Das weiß ich,
Scully."
Sie erwiderte sein Lächeln, erleichtert,
dass ihre Gesundheit oder die Behandlungsmethoden nicht länger der Grund für
seine Sorgen waren. Doch da war etwas anderes und sie musste herausfinden, was
es war.
"Also, was ist es dann? Was ist
los?"
Das Grinsen verschwand, und er seufzte
wieder. "Scully, es ist nicht...mach dir deswegen einfach keine Sorgen,
okay?"
Scullys Herz begann nun zu rasen und eine
Million schreckliche Szenarien schossen ihr durch den Kopf. "Nein Mulder,
es ist nicht okay. Du beginnst, mir Angst zu machen." Sie starrte ihn mit
Furcht in ihren Augen an.
Mulder drehte sich zum Fenster um. "Es
ist nichts. Wirklich."
"Mulder, da ist offensichtlich etwas,
sonst würdest du nicht mit diesem Ausdruck auf deinen Gesicht dasitzen."
Dieser Ausdruck? Er überprüfte sein Spiegelbild
im Fenster. Kein Ausdruck. Nur sein üblicher leerer Gesichtsausdruck.
"Scully, welcher Ausdruck? Ich habe
hier nur gesessen."
"Du hast diesen Ausdruck, Mulder."
Kein anderer würde es sehen, doch sie tat es.
"Scully, da ist kein Ausdruck."
"Mulder, da ist einer! Ich sehe ihn
genau jetzt." Verdammt sei sie dafür. Sie war dabei, ihn dazu zu treiben,
aus dem Fenster zu springen, damit er ihrem prüfenden Blick entgehen konnte.
"Scully, was glaubst du zu sehen? Du
kennst mich so gut, was denkst DU, was mit mir los ist?"
Er bemerkte den schelmischen Blick in ihren
Augen und die Art, wie sich ihre Lippen zu einem Grinsen kräuselten.
"Mulder, das frage ich mich schon seit Jahren." Wenn sie seine Laune
etwas aufhellte, würde er sich hoffentlich etwas behaglicher fühlen und reden.
Aber statt dessen
schwieg er nun ganz, nahm seine Beobachtung des Nichts vor ihrem Fenster wieder
auf. Sie seufzte und sagte zu ihm, "Mulder, so wie ich das sehe, gibt es
etwas, das dich sehr beschäftigt und ich möchte nicht in dich dringen, doch da
du neben meinem Bett sitzt und darüber nachbrütest, bin ich nun doch etwas
neugierig."
Gott, was zur Hölle sollte er ihr sagen?
Warum hatte er sich diesen Mist nicht aufgeschrieben? Wie konnte er auch nur
anfangen, es zu erklären...
Scully kam ein Gedanke. Vielmehr ein Bild
oder ein Eindruck, als ein Gedanke. Sie sah sich gegen ihren Küchenschrank
gedrückt, sie konnte den Kaffeesatz riechen, sie konnte sie laute Worte
wechseln hören.
Sie atmete schwer aus. "Mulder, ist
es...denkst du...denkst du über diese Nacht nach? Diese Nacht in meinem
Apartment?"
Seine Kinnlade klappte vor Schreck herunter.
Wann zum Teufel hatte sie diese verdammte hellseherische Fähigkeit bekommen und
warum hatte sie ihm nichts davon erzählt? Die Schuld, die Verdorbenheit, sie
musste von seiner ganzen Seele ausstrahlen. Er schloss den Mund und atmete tief
ein. Mit geschlossenen Augen, unfähig dazu ihr in die Augen zu sehen, nickte
er.
"Oh Mulder, es ist nicht...es ist nicht
mehr wichtig. Ich...es macht mir nichts mehr aus." Er war zu ihr gekommen,
weil er bereit dazu war, sich mit ihr zu lieben und sie hatte ihn aus einem
dummen Grund weggestoßen. Sie hatte ihm nie gesagt, dass ihr das Ganze leid
tat. "Das Ganze macht mir nichts mehr aus... Jane, die dumme Anhörung...es
ist nicht wichtig..."
Nein, Gott nein, sie verstand es nicht. Es
war genauso, wie in jener Nacht. Sie vermied das eigentliche Thema, das
eigentliche Problem. Er musste es ihr erklären. "Scully, es ist nicht nur
das, ich meine, mir tut es leid. Ich hätte dir zuhören sollen..." Er
riskierte einen Blick auf sie. Sie sah so... so... besorgt aus. Wegen ihm. Das
konnte er nicht ertragen. Er stand auf und wandte sich ab, in Richtung Fenster.
"Ich hätte wegen Jane auf dich hören sollen. Du hattest Recht, wie üblich,
und ich hätte das wissen müssen. Doch das ist es nicht... es ist mehr als das,
Scully."
Für alles, was in jener Nacht passiert war,
wollte er die Verantwortung übernehmen. Offensichtlich war da noch mehr, was
sie ihm erklären musste, mehr, damit er verstand, warum sie so auf ihn reagiert
hatte. Etwas, vor dem sie immer Angst gehabt hatte, es ihm gegenüber zuzugeben.
"Mulder, ich war so sauer auf dich, weil, ich weiß nicht, ich hatte ein
schlechtes Gefühl wegen Jane und ich dachte..." Sie verstummte und lachte
nervös. "Ich dachte, dass da vielleicht... vielleicht war da... ähm, ich
weiß nicht, ich dachte, dass sich zwischen euch beiden vielleicht noch was
anderes abspielen würde."
"Scully... wie... warum?" Sie
konnte unmöglich gedacht haben, dass er und Jane... oh Gott, hatte sie das
tatsächlich gedacht?
"Ich weiß, es ist albern..."
"Ja, ja das ist es. Gott Scully."
Wie in Gottes Namen hatte sie das denken können? War es nicht offensichtlich
gewesen, warum er in erster Linie in ihr Apartment gekommen war?
Scullys Wangen röteten sich vor Verlegenheit
über ihr Geständnis. "Ich habe... du schienst mir häufig aus dem Weg zu
gehen. Du warst nicht oft bei mir und schienst immer unaufmerksam zu sein und
ähm, sogar wenn du bei mir warst, nicht wirklich anwesend. Ich konnte einfach
nicht verstehen, warum du mir so aus dem Weg gehen wolltest..."
Er legte seine Hände auf die Hüften und
neigte den Kopf. "Kannst du nicht sehen, warum, Scully?" flüsterte
er.
Scully hörte ihn nicht sprechen, vielmehr
fuhr sie mit ihrer rechtfertigenden Rede fort. "Ich weiß, dass es dumm
war, auf Jane eifersüchtig zu sein, ich meine im Nachhinein ist es
offensichtlich, dass du nichts in der Art mit ihr hattest, doch es war so
frustrierend für mich, dass du mir nicht mehr zuzuhören schienst... das du so
weit weg warst, nachdem wir uns so... nahe gekommen schienen."
Konnte sie tatsächlich geglaubt haben, dass
er ihr aus den Weg gegangen war, weil er NICHT in ihrer Nähe sein wollte?
Konnte sie das als eine Form der Ablehnung angesehen haben? Er verstand nicht,
wie das sein konnte.
"Scully..."
"Ich schätze, dass ich deswegen
wirklich so sauer war. Es war einfach die Tatsache, dass du so in andere Dinge
vertieft schienst, dass du anscheinend den Dingen, die ich dir sagte, keine
Aufmerksamkeit mehr gewidmet hast. Aber ich meine, ich weiß jetzt, dass sie die
Dinge so manipuliert hat, damit es so erschien..."
"Verdammt Scully, verstehst du das
nicht?" Er drehte sich wütend zu ihr um. Es ging nicht um Jane. Warum
konnte sie das eigentliche Thema nicht ansprechen? Warum konnte sie nicht
sehen, wer er war?
"Was verste..." Seine Augen waren
wild und für einen Augenblick dachte sie, dass er sie packen und durchschütteln
würde.
"Ich bin dir absichtlich aus den Weg gegangen, Scully. Um zu vermeiden, dass ich genau
das tue, was ich in dieser Nacht beinahe getan habe!" Gott hilf ihr, sie sah tatsächlich verwirrt aus.
"Was hast du beinahe getan,
Mulder?"
Sie beobachtete ihn, als er seine Hände
zweimal durch sein Haar laufen ließ, der Ausdruck auf seinem Gesicht war so
gequält, als ob er von einem Auto angefahren worden wäre. Mulder kniff die
Augen zusammen und drehte sich laut seufzend von ihr weg.
"Scully, es hat nichts mit Jane zu tun,
oder etwas anderem. Es ist..." Er drehte sich wieder zu ihr um und zeigte
mit beiden Händen auf sein Herz, "Ich bin es, Scully. Es ist das, was in
mir ist."
Scully war völlig verwirrt. "Was in dir
ist? Was soll das heißen?"
Er verdrehte die Augen und warf seine Hände
hoch. "Das, wovor ich Angst hatte, es dir anzutun, Scully. Das, was ich
getan habe! Jesus Christus!"
"Was du getan hast?" Mulder begann
sich zu fragen, ob er ihr ein Diagramm zeichnen musste. Er ballte seine Fäuste,
um sich davon abzuhalten, sie durchzuschütteln.
"Du... du meinst das Küssen?
Küssen. Das Küssen. So wollte sie es also
nennen. Sie sah so aufrichtig aus, so als ob sie wirklich denken würde, dass es
das war. Er konnte es nicht ertragen. Er konnte es einfach nicht ertragen. Als
er ein frustriertes und ungläubiges Schluchzen in seiner Kehle spürte, biß er sich
auf die Lippen.
"Das Küssen?" würgte er hervor und
wandte sich ab. "Ja, ich... ich schätze, dass man es so nennen könnte.
Wenn du nett bist."
Deswegen machte er solche Sorgen. Ein wenig
ungläubig lachte sie in sich hinein. "Nun Mulder, es ist, ähm, es ist
nicht genauso, wie ich mir unseren ersten Kuss vorgestellt hatte, doch... nun,
die Dinge entwickeln sich bei dir nie so, wie erwartet."
Ihr erster Kuss? Was zum Teufel stimmte
nicht mit ihr? Sie sprach so darüber, als ob das irgendein unschuldiges Küsschen
in einem Rosengarten gewesen wäre. Hatte sie das Vergangene in ihrer Erinnerung
revidiert, oder versuchte sie ihn vor der Wahrheit zu schützen? Oder machte es
ihr wirklich nichts aus? Hatte er sie manipuliert und ihren Verstand bis zu dem
Punkt vernebelt, an dem sie alles, was er ihr antat, vergessen würde?
"Verdammt Scully, ich habe dich
praktisch vergewaltigt! Stört dich das nicht?" Mulder umklammerte die
Fensterbank mit seinen Fäusten, brauchte eine Stütze. Er fühlte sich, als ob
er, nachdem er die Worte tatsächlich gesagt hatte, in Ohnmacht fallen könnte.
"Weil es mich stört, Scully," wimmerte er.
"Es stört mich sehr."
Ende Kapitel 7/11
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Kapitel 8/11
Er hatte versucht, sie in jener Nacht zu vergewaltigen.
Der Gedanke war so fremd für sie wie der, dass Mulder versucht, sie
umzubringen. Tausende Empfindungen und Erinnerungen an jene Nacht überfluteten
sie wieder, alle erinnerten sie daran, wie vollkommen erregend es war, seine
Hände auf ihrer bloßen Haut zu spüren, seine warme Zunge, die sich in ihrem
Mund bewegte, sein erregtes Stöhnen, das in ihren Ohren nachhallte. Keines
dieser Gefühle beschrieb für sie irgendeine Art von Vergewaltigung.
Als sie schwieg, war Mulder sich sicher,
dass sie an jene Nacht zurückdachte und es nun so sah, wie es, seinem Glauben
nach, passiert war. Er bereitete sich auf ihren Ärger, ihren Hass, ihre
Bestürzung vor. Warum hatte er zuerst davon angefangen? Es ging ihr schon so
viel besser. Warum musste er sie wieder traumatisieren?
"Vergewaltigung?" fragte sie
schließlich, ihre Stimme voll von Unglauben. "Mulder..."
"Es hätte sehr gut so sein könne,
Scully."
"Nein, Mulder, das ist einfach albern.
Sobald du gehört hast, dass ich sagte aufhören, hast du es getan. Es war nicht
einmal annähernd eine Vergewaltigung, Mulder. Nicht einmal annähernd."
"Ich habe dich angegriffen,
Scully!" schrie er heraus, unfähig zu begreifen, wie sie die Dinge auf
diese Art sehen konnte.
"Nun ja, auf eine Art. Aber Mulder, du
könntest mich nie vergewaltigen. Ich wusste es damals und ich weiß es heute.
Ich hatte keine Angst, Mulder. Du könntest niemals..."
"Sei dir da nicht so sicher,
Scully..."
"Mulder, du könntest es nicht."
Ihre Sorge um ihn kehrte abrupt zurück. Wieder einmal lehnte er es ab, zu
glauben, dass er von Natur aus ein guter Mensch war. Ein Mensch, der es wert
war, geliebt zu werden. "Sieh mich an, Mulder."
Sie ansehen? Wie konnte er?
"Scully, du weißt nicht, du verstehst
nicht, du weißt nicht, was in mir ist, Scully, dieses Krankhafte... ich weiß
nicht einmal mehr selber, wozu ich fähig bin."
"Krankhaft, Mulder, wovon zur Hölle
sprichst du?" Das grenzte schon an Lächerlichkeit. "Welches
Krankhafte?"
"Ich kann es nicht... ich kann es nicht
kontrollieren, Scully... ich kann es nicht beenden,"
stammelte er. Warum konnte sie nicht erkennen, wie kaputt er war? Musste er ihr
jeden kranken Gedanken erzählen, jedes perverse Verlangen?
"WAS kontrollieren, Mulder?"
"Diese Gefühle, dieses... Verlangen,
dieses stetige... Bedürfnis. Gott, Scully, es ist verwirrend, es ist
gefährlich. Ich bin genauso schlecht wie Jane. Schlimmer noch, weil ich dein
Freund sein sollte..."
"Mulder, hör auf. Hör auf damit und
höre mir zu..."
"Nein, Scully, du... du solltest
überhaupt nicht in meiner Nähe sein, es ist nicht sicher. Es ist..."
"Mulder, ich brauche dich auch."
Sie verstand es immer noch nicht. Vielleicht
konnte sie nicht verstehen, was er meinte. Sie konnte ihn nicht in der Art
brauchen, von der er sprach. Nicht Scully. Nicht ihn. Nicht so.
"Scully, ich glaube nicht, dass du mich
verstehst. "
"Ich verstehe dich, Mulder. Ich brauche
nichts und niemanden, aber ich brauche dich. Ich brauche dich so, wie ich es
nie für möglich gehalten habe... verdammt, Mulder, sieh mich an."
Widerwillig machte er auf dem Absatz kehrt,
um sie anzusehen. Seine Wangen waren tränennass wie ihre. Ihre Augen flehten
ihn an, ihr zu glauben.
"Mulder, ICH BRAUCHE DICH."
"Scully... nein."
"Mulder, ja."
Es war die Wahrheit. Wie auch immer sie es
meinte, sie sagte die Wahrheit und es war eine große Sache für sie, das zu
sagen. Es war ein tiefgreifendes Eingeständnis für eine Frau, die von sich
sagte, dass sie niemanden als sich selbst brauchte. Und er spürte es in jeder
Faser seines Daseins. Sie brauchte ihn. Vielleicht nicht in der verdrehten Art,
wie er sie brauchte, aber in irgendeiner Art. Und vielleicht, nur vielleicht,
konnte sie ihn lehren, zu brauchen ohne wehzutun.
Womöglich gab es einen Weg, wie er ihr
zuhören würde. Wenn sie es ihm schließlich sagte, würde es vielleicht seinen Blick
auf sie, auf sich selbst ändern, darauf, was sie für einander bedeuteten.
"Ich..." Sie schluckte und blickte nach unten und er sah, dass noch
mehr Tränen unter ihren geschlossenen Lidern hervorrollten und auf ihren Pyjama
tropften. "Ich liebe dich, Mulder,"
flüsterte sie.
Mit Beinen, die plötzlich wie Gelee waren,
trat er auf sie zu und sie sah wieder auf, als er sich ihr näherte. Sie sah ihm
direkt in die Augen.
"Ich liebe dich. Weißt du das
nicht?" Er wusste es nicht. Nicht wirklich. Zumindest hatte er es sich nie
erlaubt, es zu glauben. Und zu hören, wie sie es ausgerechnet jetzt sagte,
bedeutete alles für ihn, absolut alles. Es war zu viel für ihn.
Mit vor Schluchzen zitterndem Körper fiel er
neben dem Bett auf die Knie und schlang seine Arme um ihre Taille. Wie konnte
sie ihn lieben? Wie konnte sie ihn immer noch lieben? Wie konnte er das jemals
verdienen?
Scully schaukelte ihn sanft, während er in
ihrem Schoß weinte, strich ihm mit den Fingern durchs Haar und flüsterte ihm
Worte zu, die er durch sein eigenes Wimmern nicht hören konnte.
"Es tut mir leid, Scully, es tut mir
leid, es tut mir so leid," wiederholte er wieder
und wieder. Es tat ihm leid wegen allem. Es tat ihm leid, wer er war, dass er
es zuließ, dass sie ihn liebte, obwohl er ihr nur wehzutun schien. Jede
schreckliche Sache, die ihr seit dem Tag, als sie ihn traf, passiert war,
einfach alles tat ihm leid.
"Shh, Mulder, es ist okay, alles ist
okay. Ich liebe dich. Es ist okay."
xxxxxx
Montag
19:30
Rena betrat leise Danas Zimmer. Sie schien
zur Abwechslung tief zu schlafen und Rena wollte sie nicht stören. Rena wollte
sie nur beobachten. Es machte sie glücklich, zu sehen, dass ihre Arbeit
tatsächlich etwas bewirkte.
Aber sobald sie sich in dem Sessel neben dem
Bett niedergelassen hatte, flogen Scullys Augen auf.
"Mulder?" Sie streckte ihre Hand
aus und Rena nahm sie.
"Nein, ich bin es nur, Dana."
Scully drehte sich zu ihr um und lächelte sie schläfrig an.
"Hey, Rena." Sie drückte kurz ihre
Hand und ließ sie dann los.
"Wie geht es der Patientin? Sieht so
aus, als hättest du ganz gut geschlafen."
Dana nickte und gähnte. "Ja, ich nehme
an, es war so. Keine Träume."
"Großartig. Das ist großartig."
Scully sah gut erholt aus und war entspannter,
als Rena sie seit langem gesehen hatte.
"Ja, es fühlt sich ganz gut an."
Scully seufzte tief. "Rena, ich möchte, dass du weißt, wie sehr ich alles,
was du getan hast, schätze. Ich war mir wirklich nicht sicher, ob es
funktionieren würde, aber du hast mir sehr geholfen..."
Rena spürte, dass da am Ende des Satzes eine
Einschränkung hinzugefügt war. Es schien so, als hätte sie etwas im Sinn.
"Hey, es war auch großartig für mich.
Sehr lohnend. Ist da noch etwas anderes, Dana?"
Scully biss sich auf die Lippe und dachte
einen Moment nach.
"Na ja, wie ich gesagt habe, du hast
mir sehr geholfen, aber ich kann nichts gegen das Gefühl machen, dass ich
selbst mehr für mich tun könnte. Ich habe mich gefragt, ob es etwas gibt, das
ich tun könnte, um äh, die Dinge voranzubringen."
Rena nickte verstehend. Sie zögerte nur
einen Moment und atmete tief ein, um zu sprechen. "Ja sicher, da gibt es
schon etwas. Es gibt eine Menge Dinge, die helfen könnten. Hm, manchmal finden
es Patienten sehr hilfreich, wenn sie ein Tagebuch über ihre Träume führen.
Auch sind Körper und Geist vollkommen miteinander verbunden, alles, was du tun
kannst, damit sich dein Körper besser fühlt, ist großartig. Manchmal ist Yoga
sehr hilfreich, ein ausgedehntes Bad, oder du könntest dir einen Masseur kommen
lassen. Sogar..." Rena lachte ein wenig. "Sogar die richtige Art von
Sex kann sehr therapeutisch wirken."
Scully gluckste. "Ja, ich... ich nehme
an, dass es das sein kann, aber äh... aber wahrscheinlich nicht in meiner
besonderen Situation."
Rena blickte auf, vollkommen verwirrt.
"Was meinst du? Haben... haben du und
Mulder nicht miteinander geschlafen, seit es passiert ist?"
Scullys Augen wurden weit und ihr Mund
öffnete sich ein wenig. Sie hatte keine Ahnung gehabt, dass Rena glaubte,
Mulder und sie wären Geliebte. Was bedeutete, dass Charlie es genauso glaubte.
Konnte sie ihn tatsächlich in dieser Weise in Charlies Kopf aufgebaut haben?
"Ich... nein... nein." Scully schüttelte
den Kopf und presste die Finger zusammen.
"Es tut mir leid, das geht mich
wirklich nichts an. Es ist nicht so, dass du dich in der geeignetsten Umgebung
dafür befindest und ich vermute, dass du auch physisch noch nicht wirklich dazu
bereit gewesen bist."
Wenn es nur so einfach wäre. "Äh... ja,
so ist es. Zuzüglich der Tatsache, dass Mulder und ich kein Liebespaar
sind."
Diesmal war es Rena, deren Kinn nach unten
klappte. Wie konnte das möglich sein? So wie sich Mulder verhalten hatte, sie
hatte niemals einen Freund gesehen, der so besitzanzeigend, so treu, so, nun
ja... wie ein Ehemann war. Sie fragte sich, ob Charlie wusste, dass sie kein
Paar waren und wenn ja, wie er es geschafft hatte, zu vergessen, es ihr
gegenüber zu erwähnen. Stillschweigen verfluchte sie ihn dafür, dass er sie
sich so zum Narren machen ließ. Dafür würde er später bezahlen.
"Das seid ihr nicht? Wirklich?"
"Nein, äh... wirklich nicht."
Scully sah plötzlich traurig aus und Rena war es schrecklich peinlich.
"Es tut mir leid, Dana, ich vermute,
ich habe es einfach angenommen, ich meine, er ist so... na ja, ich habe es
einfach angenommen. Wirklich dumm von mir. Ich meine, es ist nicht so
ungewöhnlich für einen Mann und eine Frau, sich so nahe zu stehen, ohne
miteinander zu schlafen. Es ist, nun ja, es ist großartig, dass du das haben
kannst ohne die Komplikationen einer romantischen Beziehung, nehme ich
an." Aber Rena glaubte nicht wirklich, dass es so einfach war.
Scully zuckte mit den Schultern und fuhr
sich mit der Hand durchs Haar. Ihr Magen zog sich zusammen und zum ersten Mal
seit langer Zeit war ihr zum Weinen zumute, aber aus Kummer, nicht aus Angst.
"Ja, äh, es ist... es ist großartig... wirklich unheimlich
großartig." Sie starrte die Blumen auf ihrem Nachttisch an und sah nicht
mehr länger zu Rena.
"Dana, es ist nicht okay für dich,
nicht wahr?"
"W...Was okay?"
"Die Tatsache, dass Mulder und du kein
Liebespaar seid? Es scheint dir unbehaglich zu sein, darüber zu reden."
"Unbeh... nein, nein, es ist in
Ordnung. Natürlich. Ich meine, warum... es ist in Ordnung." Rena hatte sie
sich nie so winden sehen. Es war nicht in Ordnung.
"Dana, ich möchte dich nicht
drängen..."
"Hör zu... danke, danke für deine
Vorschläge, ich werde über alle nachdenken. Du warst wirklich wundervoll, alles
was du für mich getan hast." Scully sah in ihren Schoß und wartete darauf,
dass Rena jetzt ging.
"Dana, verschließ dich deswegen
nicht."
"Weswegen? Wovon sprichst du?"
Rena war mehr und mehr davon überzeugt, dass das lebenswichtig war, dass das
der eine noch übriggebliebene Stolperstein war, den
Dana bezwingen musste.
"Was ich sage ist, wenn es da noch
ungelöste Probleme gibt, mag es helfen, sie zu benennen, einfach ein bisschen
darüber zu reden. Wenn es dir unangenehm ist, mit mir darüber zu reden..."
"Nein, es gibt keine... es ist nicht...
wir haben keine ungelösten..." Scully seufzte und schloss die Augen. Ihr
unfreiwilliges Zölibat konnte unmöglich irgendetwas mit dem Grad ihrer Heilung
zu tun haben. Dieses in sie Dringen war so gar nicht Renas Art und Scully
begann sich wirklich, ernsthaft unbehaglich zu fühlen.
"Es ist in Ordnung, es hat... es hat
nichts damit zu tun."
Rena beugte sich herüber und nahm wieder
ihre Hand. "Es hängt alles zusammen. Alles in deinem Leben hat damit zu
tun."
"Rena... ich will nicht... es ist
nicht..." Rena entdeckte etwas panikartiges in
Scullys Augen. Sie erkannte den Ausdruck aus ihren Sitzungen wieder. Es war der
Blick, den sie hatte, wenn etwas zur Sprache kam, womit sie überhaupt nicht
umgehen wollte. Etwas, das sie ernsthaft zurückhielt.
"Dana, du musst nicht mit mir darüber
reden. Es ist technisch gesehen kein Teil deines Traumas oder von irgendetwas.
Alles, was ich sagen will ist, dass es vielleicht hilft, dir etwas von der
Seele zu nehmen. Es mag dich innerlich ein bisschen freier machen."
Scully war sich nicht völlig sicher, ob sie
das teilen sollte, was sie ihm Sinn hatte. Wenn sie es nicht einmal mit Mulder
teilen konnte, wie zur Hölle sollte sie dann mit Rena darüber reden? Ganz zu
schweigen von der Tatsache, dass sie selbst nicht einmal genau wusste, was sie
wirklich empfand.
Manchmal hatte sie gewünscht, dass sie
jemanden hätte, um darüber zu reden. Neuerdings hatte sie sich dabei erwischt,
wie sie in ihrem Apartment laut mit absolut niemandem redete, wenn dies an ihr
zu nagen begann. Und sie würde niemals mit ihrer Mutter über ihr Sexualleben
reden, besonders wenn es irgendetwas mit Mulder zu tun hatte, oder eben nicht
mit ihm. Nebenbei war da immer die Sorge, dass sie loslaufen und Bill alles
erzählen würde. Aber konnte sie wirklich über so etwas mit der Frau ihres
Bruders reden?
"Es muss nicht wie eine Therapie sein,
Dana. Einfach als Freunde. Ich wäre glücklich, nur zuzuhören." Scully zog
ihre Schultern ein wenig hoch und atmete ein, als würde sie sprechen wollen,
aber sie stoppte sich selbst. Rena war schrecklich traurig darüber. Sie schien
wirklich nicht das Gefühl zu haben, dass sie irgendjemandem auch nur in den
einfachsten Dingen trauen konnte. "Und ich verspreche, keine ungebetenen
Ratschläge, keine Beurteilungen. Du erzählst nur."
Dana lächelte zaghaft und zuckte wieder mit
den Schultern. "Na ja, wie ich schon sagte, da ist nicht wirklich etwas zu
sagen, keine wirklichen Probleme oder Fragen oder..." Sie seufzte tief und
schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht, Rena, es ist natürlich alles sehr
kompliziert."
"Okay, das ist ein Anfang. Kompliziert
inwiefern?"
"Ich weiß nicht, Mulder und ich sind...
wir haben eine Menge zusammen durchgemacht. Wir stehen uns sehr nahe." Sie
legte eine lange Pause ein und Rena fragte sich, ob das alles war, was sie
sagen würde.
"Richtig, das habe ich wohl
bemerkt."
"In einer der ersten Nächte, nachdem
ich Mulder traf, ging ich in sein Hotelzimmer, vollkommen von Sinnen wegen
dieser albernen Moskitostiche." Sie schüttelte den Kopf und zeigte hinter
sich, über ihre Schulter. "Und ich ließ meinen Bademantel fallen und stand
nur in Unterwäsche da und ließ ihn meinen Rücken untersuchen." Scully
fühlte sich sehr unsicher, weil sie das schließlich jemandem erzählt hatte. Sie
hatte es noch niemandem erzählt, nicht einmal Charlie, und sie hatte es auch
nie vorgehabt. Aber sie erzählte es nun Rena, weil es irgendwie alles
zusammenhing.
"Ich weiß, dass das wahrscheinlich
seltsam für dich klingt, aber ich weiß nicht..." Ungläubig über sich
selbst schüttelte sie den Kopf, als ob sie erst in diesem Moment die Bedeutung
hinter dem, was sie in jener Nacht getan hatte, begriff. "Das zeigt, wie
sehr ich ihm vertraut habe. Von Anfang an. Ich meine, das ist wirklich nicht das,
was eine Agentin bei ihrem ersten Fall mit ihrem neuen Kollegen tun sollte.
Auch eine Art, einen ersten Eindruck zu hinterlassen, hm?"
"Oh, ich bin sicher, dass du einen
Eindruck hinterlassen hast, Dana," scherzte Rena.
Sie konnte nicht anders. Sie versuchte, sich Mulders Gesicht in diesem Moment
vorzustellen und das Bild, das ihr in den Sinn kam, war einfach unbezahlbar.
Scully lächelte und nickte, ihre Schwägerin
immer noch nicht direkt anblickend. "Ich nehme an, ich tat es auf eine
Art. Aber ich *wusste* einfach, dass ich bei ihm sicher war, dass er deswegen
nicht schlecht von mir denken würde." Ihr Herz schlug schneller und
schneller, als dieses neue Bewusstsein ihr mehr und mehr deutlich wurde.
"Also, das war jedenfalls der Anfang
und seitdem habe ich das Gefühl, dass mein Vertrauen in ihn mit jedem Tag noch
mehr wächst. Ich meine, ich habe niemals geglaubt, dass ich jemandem so sehr
vertrauen kann, wie ich ihm in dieser ersten Nacht vertraut habe, aber es
wächst einfach mit jedem Tag."
Rena wusste das bereits. Sie hatte das
intensive Vertrauen zwischen ihnen von dem Moment an, als sie sie das erste Mal
hier in ihrem Zimmer zusammen getroffen hatte, gespürt. Es war die
offensichtlichste Sache der Welt.
"Also... hast du dich zu ihm hingezogen
gefühlt?" fragte Rena. Sie erkannte, dass es nicht die feinste Art war,
sie dazu zu bringen, darüber zu sprechen, aber es schien so, dass Scully ein
bisschen Ermutigung brauchte.
Scully errötete ein wenig und fummelte mit
der Decke herum. Ihre Seele schrie ein wiederhallendes 'Ja', aber noch hielt
sie es zurück. "Äh... nun, ja. Ich meine... wer wäre das nicht,
oder?" Sie lachte nervös und Rena erwiderte es.
"Ich... ich war es, von Anfang an. Aber
es schien etwas zu sein, dass ich einfach ignorieren sollte. Ich meine, am Anfang
haben wir oft miteinander geflirtet, aber ich hatte das Gefühl, dass es nicht
wirklich angemessen gewesen wäre, es darüber hinaus weiterzutreiben. Ich hatte
gerade erst mit diesem Job begonnen und ich wollte das nicht gefährden. Und
nebenbei, er schien so von seiner Arbeit besessen zu sein, davon seine
Schwester zu finden, ich glaubte nicht, dass da in seinem Leben Platz für diese
Art von Beziehung war. Ich glaubte, dass ich immer nur an zweiter Stelle kommen
würde."
Rena konnte nur schwer glauben, dass Scully
das jemals gedacht hatte. Es war so krass offensichtlich, dass sie nicht nur an
erster Stelle stand, sondern tatsächlich die einzige Priorität in Mulders Leben
besaß.
"Also hast du es nie gezeigt, dass du
dich zu ihm hingezogen fühltest?"
"Oh nein. Ich meine, ich glaube, er
wusste es. Es war wahrscheinlich offensichtlich. Aber ich habe nie darüber
geredet." Sie sagte diese Worte mit einem Hauch Reue in der Stimme.
"Wir kamen uns wirklich schnell sehr
nahe und dann war er plötzlich das wichtigste in meinem Leben. Ich weiß nicht
einmal richtig, wie oder wann das passierte. Ich hatte es nicht geplant und es
erschreckte mich, als ich das erste Mal begriff, dass es wahr war, aber dennoch
war es einfach eine Tatsache in meinem Leben. er war alles für mich. Ist... er
ist es immer noch."
"Ich glaube, dass du das auch für ihn
bist, Dana."
Scully lächelte. "Ja, ich nehme es an.
Ich weiß nicht, das war Teil des Problems. Ich begann, es zu erkennen und es
erschreckte mich."
"Warum?"
Scully bereitete sich darauf vor, Rena etwas
zu erzählen, was sie sich noch nicht einmal selbst eingestanden hatte. Immer
darauf bedacht, ihre Bettdecke zusammenzufalten, versuchte sie, das alles in
tatsächliche Worte zu fassen.
"Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich
vermute, es war deswegen, weil es das so real machte. Es ist, als wären
wir..." Sie verstummte in dem Versuch, bessere Worte zu finden. "Ich
begann, zu spüren, wie sehr wir Teil des anderen waren, wie sehr wir
tatsächlich in dem anderen lebten und nur füreinander existierten. Es ist ein
wenig erschreckend, das herauszufinden."
Rena kannte dieses Gefühl selbst nur zu gut.
Es war erschreckend, das Gefühl zu haben, als würde man völlig von seiner
Beziehung, der Liebe für einen anderen verschlungen werden. Sie setzte ihre
übereinander geschlagenen Beine wieder nebeneinander auf den Boden und beugte
sich ein bisschen näher zu Scully heran. "Dana, wie lief es zwischen euch,
unmittelbar bevor das passierte? Vor Jane?"
"Hm... schwer zu beschreiben, wirklich.
Ein paar Monate zuvor haben Mulder und ich so etwas wie eine Zerreißprobe
durchgemacht." Rena versuchte, darüber nicht zu lächeln. Wann machten die
beiden mal keine Zerreißprobe durch?
"Ich.. ich habe damals beinahe
gekündigt und Mulder, er..." Scully hielt auf der Suche nach den richtigen
Worten inne. "Er war unglücklich über meine Entscheidung."
"Darauf wette ich."
"Er, äh, er hat ein paar Dinge gesagt
und er... nun, er hat versucht, mich zu küssen."
"Versucht? Hast du ihn
aufgehalten?"
"Nein, so war es nicht. Ich
wurde..." Dana gluckste und schüttelte den Kopf. "Ich wurde von einer
Biene gestochen, genau bevor sich unsere Lippen berühren konnten. Und das
nächste, woran ich mich erinnere, war Mulder, der mich in der Antarktis
wiederbelebte."
"Eine Biene? Das ist es, was euch beide
dahin gebracht hat?" Diesmal konnte Rena nichts dagegen tun, sie musste
lachen. Wie glücklos konnte man sein? Sie stellte keine weiteren Fragen,
trotzdem wusste sie, was immer die beiden dorthin gebracht hatte, es konnte
immer noch lebensbedrohlich für sie sein. Rena glaubte, dass Scully nicht
einmal Charlie sehr viel von dieser Geschichte erzählt hatte.
"Nun, das ging alles vorbei und unsere
Partnerschaft ging weiter, wie sie vorher funktioniert hatte, alles war ein
bisschen, äh... angespannter, nehme ich an."
"Und was hat er gesagt, als ihr darüber
geredet habt?"
"Geredet?" Scully sah vollkommen
verwirrt aus.
"Ihr habt nicht..."
"Nein, nein, wir haben nicht darüber
geredet. Das tun wir niemals wirklich." Oh mein Gott. Rena begann, den Umfang
der Verdrängung zu verstehen, mit dem sie es hier zu tun hatte.
"Wir haben einfach weitergemacht."
"Dana, äh..." Sie versuchte, über
einen Weg nachzudenken, das auszudrücken, nach etwas, womit sie zu Scully
durchdringen konnte, ohne ihr tatsächlich eine Schlag
zu versetzen.
"Da ist etwas zu Zurückhaltung zu
sagen, dazu, Dinge sich entwickeln zu lassen und äh, die Spannung zu erhalten,
aber... nach sechs Jahren kann die Spannung in Frustration, an der Grenze zum
Wahnsinn, umschlagen"
Scully kannte diesen Wahnsinn gut. Er
beschäftigte ihre Hände fast jede Nacht. "Glaubst du, das weiß ich nicht?
Rena, es gibt Tage, da ist alles, woran ich denke, was wäre wenn..." Sie
verstummte und wurde rot. "Auf jeden Fall entluden sich die Dinge aggressiv,
soweit es die Nacht, bevor Jane mich entführte, betraf."
"Was ist passiert?"
"Mulder kam in mein Apartment.
Betrunken. Sehr, sehr betrunken."
"Oha."
"Ja, oha. Um damit zu beginnen, ich war
total sauer auf ihn wegen einer albernen Sache im Büro, die Einzelheiten sind jetzt
wirklich unwichtig. Wir haben tatsächlich über das geredet, was in dieser Nacht
passiert ist, aber der Punkt ist, er hat mich in jener Nacht geküsst. Er hat
mich geküsst und mich berührt und diese... Sachen zu mir gesagt." Sie
machte eine Pause, weil sie sie brauchte. Ihre Erinnerung spielte ihr diese
Momente jetzt wieder vor und sie fühlte sich schwach angesichts der
Empfindungen. Warum hatte sie ihn weggestoßen? Ihre Augen schließend, atmete
sie aus. "Gott, Rena, die Sachen, die er zu mir gesagt hat."
"Also was..."
"Es war falsch. Es war der falsche
Zeitpunkt. Ich war wütend auf ihn, weil er mich im Büro hatte hängen lassen,
und ich habe geglaubt, er will mich nur davon ablenken. Wir hatten einen
fürchterlichen Streit und ich hab ihn aus meinem Apartment geworfen."
Je mehr Rena über ihre Beziehung lernte,
desto mehr begann Mulders schuldbeladene Psyche Sinn für sie zu machen. Er
musste sich wegen dieser Nacht die ganze Zeit gequält haben.
"Wie ich schon sagte, wir haben darüber
geredet, ein bisschen zumindest, aber der Punkt ist, er hat das schlechteste
Timing der Welt, Rena."
"Okay, aber mochtest du, was er mit dir
gemacht hat? Ich meine, ich weiß, dass du wütend auf ihn warst, aber
wie..." Durfte sie es wagen, sie das zu fragen? "War es ein gutes Gefühl,
Dana?"
Scully spürte, wie ihr ganzer Körper bei
Renas Frage warm erschauerte. Sie nickte widerwillig. "Das war mit ein Grund dafür, warum ich so wütend war, denke ich. Ich
sollte böse sein. Und er ruinierte meinen ganzen Plan."
Kontrolle. Es drehte sich wieder alles um
Kontrolle. Es war offensichtlich für Rena, dass Scully nicht bereit war, es
geschehen zu lassen, es sei denn, es geschah zu ihren Bedingungen und sie
entschied, wann es Zeit war.
"Also, er hat ein schlechtes Timing,
Dana. Dann entscheidest du eben über den Zeitpunkt."
"Was... was meinst du?" Scully
wurde wieder rot. Das Problem war zunehmend klar geworden. Sie wusste genau,
warum Rena sie in diese Richtung lenkte. Um ihr zu zeigen, dass keiner von
beiden es geschehen lassen würde, es sei denn, Scully nahm die Sache in die
Hand. Aber sie hatte immer noch Angst.
"Ich meine, du brauchst nur zu
entscheiden, dass diese Nacht die Nacht ist. Du kündigst es an 'Ich werde mit
diesem Mann schlafen und nichts wird mich aufhalten' und dann tust du es einfach.
Es ist offensichtlich, dass er mehr als bereit und gewillt ist, Dana."
Tu es einfach, hä? "Aber wie weiß
ich... wann tue ich..."
"Wann immer. Es ist egal. In einer
Woche, morgen, verdammt, warum nicht heute Nacht?"
"H... heute Nacht?"
"Oder du kannst einfach warten, bis ihr
beide in einem Altersheim seid."
Ende Kapitel 8/11
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Kapitel 9/11
Rena hatte vollkommen recht. Es gab keinen
Grund, der gut genug war, um die Dinge so zu lassen, wie sie waren. Und es gab keinen
Grund, sich davor zu fürchten. Es war Mulder, ihr Partner, ihr liebster Freund.
Ihr Geliebter. Von diesen Moment an und für immer, um ihn zu lieben und von ihm
alleine geliebt zu werden...
"Ähm...Dana?"
"Hä, oh, richtig,"
sie räusperte sich und lächelte selbstbewusst. "Es ist nur... es ist
kompliziert."
"Wieder mal kompliziert. In Ordnung, na
schön. Wenn es für dich zu kompliziert ist, dann denke ich, dass du nichts tun
solltest. Ich meine, hey, du verpasst eine der tiefsten und bedeutungsvollsten
Beziehungen, die es in der Geschichte der Welt möglicherweise je gab, ganz zu
schweigen von der Chance, einen Waschbrettbauch zu küssen, aber das alles ist
nicht wichtig."
"Ich..." Dana brach ab und ihre
Augen wurden wieder glasig. Waschbrettbauch. Ja, Mulder hatte ganz sicher
einen, wunderschön getönt und fest und sie sah sich selbst rittlings auf ihm
sitzen, sich mit ihren Händen auf diesem Teil seines Körpers aufstützend, dabei
fühlend, wie sich die Muskeln unter ihren Fingern bewegten, wenn er aufwärts gegen
sie stößt...
"Du... du hast seinen Bauch
gesehen?"
Rena lachte und schüttelte ihren Kopf,
"Aber ich bin Künstlerin, erinnerst du dich? Ich habe eine höllische
Phantasie."
Dana seufzte, stellte sich immer noch vor,
wie das Leben aus ihr rausgebumst wird und lehnte sich zurück in die Kissen.
Ihr war jetzt ziemlich warm und sie fühlte sich viel entspannter als zuvor, als
sie diese Unterhaltung begonnen hatten. "Rena, ich weiß, dass du glücklich
verheiratet bist und so, doch – hast du gesehen, wie
sein Hintern in Jeans aussieht?"
Rena nickte begeistert. Die Frau, die das
nicht bemerkt, müsste tot sein. "Er hat einen großartigen Hintern, Dana.
Und seine Lippen..."
Bei Renas Andeutung schlug ihr das Herz in
der Kehle. Scully stöhnte und schloss ihre Augen. Sie erinnerte sich sehr gut
an diese Lippen, wie sie an ihrem Nacken knabberten und sich auf den ihren
anfühlten. Gott, wie sehr sie sich wünschte, das wieder tun zu können.
"Rena, bitte, erwähne das nicht mal."
"Warum nicht? Er ist dein, alles was du
tun musst, ist ihn dir zu nehmen. Diese Lippen könnten dir gehören, Dana. Und
ich wette, dass er tut, was auch immer du willst, das
er mit ihnen tut."
Scullys Augen flogen auf und ihre Haut nahm
eine noch tiefere Nuance aus purpurrot an. Sie zwang sich, nicht laut
aufzustöhnen und sich selbst damit in Verlegenheit zu bringen. "Rena, hast
du eine Ahnung, wie oft ich ihn nackt gesehen habe?"
Rena lachte, "Nein, Dana, das tu ich
nicht, doch ich wette, dass du es gezählt hast, hmm?"
"Ich meine, meistens war er fast tot
und ich habe einen Katheder gesetzt oder so, doch trotzdem..."
Arme Frau. Rena konnte sich nicht
vorstellen, mit dieser Art der Frustration und der Versuchung Tag für Tag zu
leben. Sie musste die Zurückhaltung einer Nonne haben.
"Ich habe bemerkt, dass du meistens
gesagt hast," bemerkte sie.
"Ähm, nun... da war ein Mal. Es waren
nicht gerade die günstigsten Umstände für mich, doch Mulder war ähm... ziemlich
gesund." Die Winkel von Scullys Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, das
fast lüstern war.
"Ähm, Einzelheiten bitte."
"Nun, als ich in Janes Wohnung war,
diese Bilder von Mulder, von denen ich dir erzählt habe, dass sie sie
hatte?"
Rena nickte und zuckte zusammen. Dana schien
dazu fähig zu sein, ohne irgendwelche Schwierigkeiten über die ganze Situation
zu sprechen, und das machte Rena sehr froh.
"Jedenfalls war da eines dieser Bilder,
nun es war tatsächlich eine ganze Serie von Bildern..." Scully sah sich
nervös um, so als ob sie Angst davor hätte, dass jemand zuhören könnte.
"Nacktbilder von ihm?"
"Ja. Doch das ist nur ein Teil
davon." Sie legte ihren Handrücken an ihre Wange, um zu fühlen, wie warm
sie geworden war. "Er hatte, ähm, naja, ich sollte dir wahrscheinlich
nichts darüber erzählen..."
"Verdammt, Frau! Mach keine
Scherze."
"Er hatte, ähm, irgendwie
masturbiert." Scullys Stimme krächzte bei dem letzten Wort des Satzes.
"Irgendwie." Rena stellte
beunruhigt fest, dass sie das bloße Denken daran, ein wenig antörnte.
"Okay gut. Nicht irgendwie.
Richtig."
"Richtig?"
"Richtig."
"Oh Jesus, Dana." Rena atmete aus.
Sie fragte sich, ob sie diese Bilder irgendwie zwischen ihre Finger bekommen
könnte. Glücklich verheiratete Frau, du bist eine glücklich verheiratete Frau, erinnerte sie sich selbst. Wenn diese Unterhaltung beendet
war, würde sie sich Charlie schnappen und ihn dazu bringen müssen, sie daran zu
erinnern.
"Rena, normalerweise bin ich nicht, ich
meine, normalerweise ist mir das nicht wichtig..."
"Ja?"
"Nun, was ich sagen will ist, dass ich
im Allgemeinen kein großer Fan des männlichen Geschlechtsorgans bin, doch, wie
soll ich das nun ausdrücken..."
"Eindrucksvoll?"
Danas Augen wurden weit und sie nickte
begeistert. Sehr eindrucksvoll.
"Ich verstehe. Jedenfalls hast du’s gut
gemacht."
"Ich kann es nicht glauben, dass ich
immer noch daran denken muss, Rena. Ist das seltsam, was denkst
du?" Ich meine das jetzt nicht nur als eine körperlose Sache, sondern die
ganze Sache, das ganze Bild."
Seltsam? Rena selbst konnte nicht aufhören,
an das Bild denken und sie hatte es nicht mal gesehen. "Nein Dana, das ist
nicht seltsam. Überhaupt nicht."
"Er war nur so... so..."
"Heiß?" Scully errötete noch mehr
und nickte. Heiß. Dasselbe Wort hatte sie benutzt, um ihrer Schwester den Mann
zu beschreiben, in den sie in der High School verknallt gewesen ist. Doch Mulder
war heiß. Und er machte sie auch heiß. Die ganze Zeit. "Ich frage mich,
woran er dabei gedacht hat, weißt du?"
"Mmmm... ich würde hier eine Vermutung
wagen und sagen: An Dich!"
"Ich weiß nicht..."
"Dana, du musst alles sein, woran der
Typ jemals denkt."
Scully schüttelte ihren Kopf und runzelte
die Stirn. "Ich bin mir dessen nicht so sicher. Ich meine, er hat die
größte Sammlung von Pornofilmen, die ich je in meinen Leben gesehen habe."
"Wirklich? Das ist sehr
interessant."
Scully hob eine Augenbraue. "Warum ist
das interessant?"
"Nun, tatsächlich aus zwei Gründen.
Erstens zeigt es, dass er sich selbst mit etwas anderem als einer anderen Frau
erleichtert und zweitens zeigt die Tatsache, dass du davon weißt, dass er nicht
versucht, es vor dir zu verheimlichen. Es zeigt, du sollst wissen, dass er zum
einen nicht schwul ist und es zum zweiten nicht mit irgendeiner anderen
treibt."
Scully starrte wieder mit diesem glasigen
Blick aus dem Fenster. Sechs Jahre. Es war durchaus möglich, dass er die ganze
Zeit, in der er ihr Partner gewesen war, mit keiner Frau geschlafen hatte. Sie
hatte sich das immer gefragt. Besonders in letzter Zeit. Es schien so, als ob
er jedes Mal, wenn sie ihn ansah, eine Erektion irgendeines Grades hatte und es
war beinahe unmöglich geworden vorzugeben, dass sie es nicht bemerkte.
"Also Dana, fühlst du dich, weil du an
diese Bilder denkst, schlecht oder so?"
Scully wurde durch diese Frage aus ihren
Gedanken gerissen.
"Nein, nein, nicht wirklich schlecht.
Ich weiß nicht, was es ist, wirklich. Ich meine, ich fühle mich irgendwie so,
als ob ich ihn verletzt hätte, oder etwas in der Art. Oder vielleicht fühlt er
sich schuldig wegen der Art und Weise, wie ich sie gesehen habe." Sie
lachte nervös. "Ich kann nicht glauben, dass ich dir etwas davon
erzählte."
Ihn verletzt? Rena versuchte, sich Mulders
Reaktion auf die ganze Sache vorzustellen, und sie war sich relativ sicher,
dass die Verletzung seiner Privatsphäre das letzte wäre, woran er denken würde.
Der arme Kerl würde wahrscheinlich auf der Stelle tot umfallen.
"Nun, wenn du dich deswegen schuldig
fühlst, sag es ihm. Beichte es." Rena versuchte, bei der Vorstellung von
Mulders Gesichtsausdruck, während er Danas Geständnis hörte, nicht zu lachen.
"Oh Gott Rena, das könnte ich nicht
tun. Erstens würde es ihn völlig in Verlegenheit bringen. Zweitens würde es
mich völlig in Verlegenheit bringen."
"Davon weiß ich nichts. Du magst
vielleicht recht haben, doch ich denke, dass es ihn zu sehr anmachen würde, um
sich wirklich darüber Sorgen zu machen."
Als eine Welle der Empfindungen über ihre
Brust und ihren Nacken hinablief, atmete Scully tief ein. Ich kann Mulder
anmachen, war der Gedanke der ihr durch den Kopf ging. Guter Gott, sie war sich
nicht sicher, ob sie noch mehr von dieser Unterhaltung verkraften könnte und
Mulder war noch nicht mal im Zimmer.
"Du... du denkst das wirklich?"
"Dana, er ist ein Mann, richtig? Frisch
doch mal mein Gedächtnis auf."
"Nun, ich denke, dass ich genug Beweise
gesehen habe, um das mit einem definitiven ja zu beantworten." Mulder wird
geil. Auf sie. Er bekommt Erektionen. Wegen ihr. Das alles war zu erstaunlich,
um überhaupt daran zu denken. Scullys Augenlider begannen schwer zu werden und
ihr Kopf kreiste ein wenig. Sie fragte sich, wie es sich anfühlen würde....
"Ja, das hast du sicher. Dann, wenn du
eindrucksvoll sagst, ich meine... wirklich?" Rena unterbrach ihre
Phantasien nur, um sie noch mehr zu ermutigen.
"Oh... Rena, Gott, ich habe niemals so
etwas gesehen... wirklich. Wirklich wirklich."
"Wirklich wirklich?" wiederholte
Rena kichernd.
" Wirklich, wirklich, wirklich,
wirklich...." Scully unterbrach sich mit ihren eigenen Lachanfall.
xxxxxx
Als Mulder eintraf, war die Tür zu Scullys
Zimmer leicht geöffnet. Er blieb für eine Minute draußen stehen. Ein seltsames
Geräusch kam von innen. Es war... kichern. Er fragte sich einen Moment lang, ob
man Scully vielleicht in ein anderes Zimmer verlegt hatte und in dieses ein
Mädchen im Teenageralter gezogen war. Scully kicherte nie. Niemals.
Er stieß die Tür ganz auf und entdeckte,
nicht zum ersten Mal, dass er falsch lag. Es war Scully. Sie saß mit ihren
Händen über ihrem Mund, wie ein kleines Mädchen kichernd, aufrecht in ihrem
Bett. Rena saß auf dem Sessel, den er bereits als den seinen betrachtete, und
benahm sich genauso.
Es war bizarr. Es war surreal. Es war die
schönste Sache, die er je gesehen hatte. Was auch immer Rena getan hatte, er
würde ihr immer dankbar sein. Noch niemals zuvor hatte er Scully so herzhaft
kichern gehört. Sie war so entspannt und so offen. Es war eine völlig neue
Seite an ihr. Es war fast so, als ob man sie nackt sehen würde. Und sein Körper
reagierte auf dieselbe Weise, wie er es in dieser Situation getan hätte.
Dankbar darüber, dass er heute Abend seine Lederjacke nicht trug, zog er seinen
Mantel zu und räusperte sich.
"Was ist denn so komisch?" fragte
er. Beide Frauen zuckten beim Klang seiner Stimme zusammen. Scully biß sich auf
die Lippen und hörte auf zu lachen.
"Ähm... n... nichts." Ihre Augen
waren durch etwas, das ziemlich nach Panik aussah, geweitet und ihre Wangen
waren knallrot. Sie sah aus, als ob sie gleich platzen würde. Er sah wieder zu
Rena rüber. Sie lachte immer noch ein wenig und zuckte auf seinen fragenden
Blick hin nur mit den Schultern.
"Nichts, hm? Nun, auf was auch immer
ihr Leute seit, kann ich auch etwas davon abbekommen?"
"Das denk ich nicht,"
antwortete Rena mit noch mehr Gekicher.
Mulder begann sich zu fragen, ob da
vielleicht irgend etwas an seinem Gesicht war, oder
so. So wie sie ihn ansahen, fühlte er sich wie irgendein Versuchsobjekt unter
dem Mikroskop. Er wischte sich mit seiner Hand den Mund ab und ließ eine Hand
durch sein Haar laufen.
"Nun ähm, wenn ich irgendwas
unterbreche, kann ich auch wiederkommen..."
"Nein, wir haben nur geredet. Ähm, Sie
wissen schon, Mädchenzeugs," sagte Rena, als ob
das alles erklären würde. "Ich war eigentlich gerade dabei zu gehen."
"Oh, nun ich habe einen Film
mitgebracht... "
Er war im Begriff, Rena zu fragen, ob sie
bleiben und ihn sich mit ihnen ansehen wolle, doch er bekam keine Chance dazu,
weil beide an diesen Punkt die Fassung zu verlieren schienen. Scully lachte so
sehr, dass ihr die Tränen aus den Augen liefen.
Mulder lachte dümmlich, obgleich er keine
Ahnung hatte, was zur Hölle so komisch war. Er fühlte sich wie ein totaler
Trottel, der nur so herumsteht und nichts tut, während die zwei sich köstlich
unterhielten.
"Okay,"
schaffte es Rena zu sagen. "Nun WEISS ich, dass ich gehen muss."
Mulder war an diesem Punkt fast froh
darüber, sie gehen zu sehen. Sie lehnte sich hinüber und umarmte Scully, die
sich mit ihren Fingern über die Augen wischte und sich ein wenig zu beruhigen
schien. Rena küsste sie auf die Wange und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Scully
nickte und Rena stand auf.
"Ich sehe dich morgen, Dana." Sie
ging an Mulder vorbei und warf ihm einen seltsamen Blick zu und gab dann ein
weiteres schnaubendes Lachen von sich. "Bye, Mulder."
"Ähm, bye." Rena ging und schloß
die Tür hinter sich. Sobald sie sicher außer Hörweite war, drehte Mulder sich
zu Scully um und fragte, "Was zum Teufel war ihr Problem?"
Scully sah noch immer so aus, als ob sie am
Rande eines weiteren Anfalls stehen würde, doch sie zuckte nur mit den Achseln.
Gott, sie war schön. Er hatte sie in seinem Leben noch nie so gesehen. Es
kümmerte ihn nicht einmal, ob sie ihn ausgelacht hatten.
Mulder zog die Videokassette aus seiner
Tasche und hielt sie hoch, "Planet der Affen, Scully." Er hielt seine
andere Hand hoch und zeigte ihr die Papiertüte, "Ich habe sogar etwas
Mikrowellenpopcorn mitgebracht."
Sie grinste und nickte. Gott sei Dank, sie
schien nicht unter irgendeiner Art von Popcorntrauma zu leiden, von dem er
nichts wusste.
"Das ist nett, Mulder, warum schiebst
du sie nicht in den Videorecorder. Schieb sie rein, Mulder." Wow, ein
ganzer Satz. Sie war nun eindeutig sehr viel ruhiger. Er fühlte einen seltsamen
und dummen Stich der Eifersucht in seinem Magen. Was war diese Macht, die Rena
hatte und wie könnte er sie bekommen? Warum hatte er sie in sechs Jahren , in denen er wie verrückt versucht hatte, ihr auch
nur ein Grinsen zu entlocken, noch nie so lachen gesehen? Er wusste, dass es
albern war und er war sehr froh darüber zu sehen, wie gut es ihr ging, doch er
wollte sie immer noch zum Kichern bringen.
Mulder steckte die Kassette in den
Videorecorder und schaltete das Deckenlicht aus, so dass die einzige
Beleuchtung von Scullys Nachttischlampe kam. Er zog seinen Mantel aus und setzte
sich in seinen Stuhl. Dann wurde ihm klar, dass er immer noch erbärmlich hart
war. Vielleicht war es eine gute Sache, dass er Scully nicht dazu bringen
konnte, sich so zu verhalten. Dann hörte er sie ein wenig schnauben, gefolgt
von einem Husten. Oh, verdammt. Hatte sie es bemerkt? Er überkreuzte seine
Beine und stellte die Popcorntüte in seinen Schoß.
Der Film, den er bereits mindestens zwanzig mal gesehen hatte, begann und Mulder fühlte, wie
seine Gedanken fast sofort abschweiften. Zu der selben
Sache abschweiften, auf die er in den letzten achtundvierzig Stunden fixiert
war. Scully liebt mich.
Je mehr Zeit verging, je mehr er es auf sich
wirken ließ, um so erstaunlicher wurde es. Ein Teil
von ihm wartete darauf, dass sie ihre Erklärung zurücknehmen würde, es war die
Hitze des Moments, sie hatte versucht, ihn sich besser fühlen zu lassen, irgend etwas, doch das hatte sie nicht. Es war noch immer da
draußen und es war immer noch die Wahrheit. Und er war immer noch an der Reihe,
es zu erwidern.
Mulder war sich absolut sicher, dass sie
wusste, dass er sie liebte. Jedermann auf der Welt wusste, dass er sie liebte.
Ihre Freunde, ihre Familien, ihre Feinde, jeder. Sie musste es wissen. Doch er
musste es immer noch sagen, um es für sie real und greifbar zu machen.
Es brauchte alle Kraft, die Scully aufwenden
konnte, nicht wieder über ihn zu lachen. Sie wusste, dass er sich über ihren
und Renas kleinen Anfall sehr wohl im Klaren war und sie fühlte sich deswegen
ein wenig schuldig. Bis sie sah, wie sich seine Hose auf eine bestimmte Art
beulte. Sie fühlte, wie sie ein weiterer Schauer durchlief und ein weiterer
Lachanfall drohte über sie hereinzubrechen. Es war bezaubernd, wirklich, wenn
so eine Sache wie eine Erektion auf diese Weise beschrieben werden konnte. Er
rutschte auf dem Stuhl herum, versuchte sein Bestes, um ungezwungen zu wirken.
Scully beobachtete, wie seine Erektion fast noch größer wurde, während er dasaß
und versuchte, sie notdürftig mit der Popcorntüte zu verbergen.
Er hatte so erstaunlich großartige Hände,
dachte Scully bei sich, als sie ihn beobachtete, wie er in der Tüte wühlte und
eine Handvoll Popcorn zu seinem Mund führte. Es war dieses wunderbar fettige
Zeug, das Mulder so mochte, überall auf seinen Fingern war Butter, die seine
Handfläche hinuntertropfte, als er sie zum Mund hob, nur um die fettige Butter
auf seiner vollen Unterlippe zu hinterlassen, glänzend im Licht des Fernsehers.
Scully biss sich auf ihre eigene Lippe, um sich vom Stöhnen abzuhalten.
Heute Nacht, hatte Rena gesagt. Tu es
einfach. Sie wusste, wovon sie gesprochen hatte. Scully wusste nicht, ob sie
noch länger warten wollte.
Mulder stopfte sich seine fünfte Handvoll
Popcorn in den Mund und hatte bemerkt, dass er es in Beschlag nahm. Er drehte
sich zu ihr um und hielt ihr die Tüte hin.
"Möchtest du welches?"
"Äh... s... sicher." Ihr Gesicht
war feuerrot und sie fürchtete, dass Mulder gesehen hatte, dass sie fast an die
Decke gehüpft war. Nope, noch nicht. Ich kann das jetzt einfach nicht tun. Sie
nahm sich eine Handvoll und wandte sich wieder dem Film zu. Sie starrte auf den
Bildschirm und fand ihre Gedanken wieder zurück zu Mulder gleiten. Und zu
seinen vor Butter triefenden Händen und Mund. An ihr. In ihr.
Mulder drehte sich um und hörte Scully an
ihrem Popcorn knabbern. Er beobachtete den Bildschirm, doch er dachte an die
Tatsache, dass die Ärzte heute den oberen Teil ihres Gipses entfernt hatten. Es
begann, ihr gut zu gehen. Teufel, es ging ihr wieder gut. Fast völlig. Es
grenzte an ein Wunder.
Das auf ihren Arm schauen erinnerte ihn an
etwas, das er fast vergessen hatte. Etwas, das sie ihn gefragt hatte, als sie
gefunden wurde. "Wie geht es deinem Arm?" Sie hatte, so oder so,
gewusst, dass er sich seinen Arm verletzt hatte. Er hatte es, seitdem sie ihn
das gefragt hatte, immer im Hinterkopf gehabt, doch er hatte bisher noch keine
Gelegenheit dazu gehabt, mit ihr darüber zu reden.
Er fragte sich, ob jetzt vielleicht ein
guter Zeitpunkt war. Sie schien bereit dazu zu sein, damit umgehen zu können,
darüber zu reden. Wenn sie seine lahme Tirade der Selbstverachtung in der
anderen Nacht durchstehen konnte, konnte sie sicherlich auch damit klarkommen.
Außerdem, vielleicht würde es ihn auf die eine oder andere Art dazu führen,
dass er das sagen konnte was er eigentlich sagen wollte. Es musste eine
Möglichkeit geben "Ich liebe dich so sehr" relativ unauffällig in
eine alltägliche Unterhaltung einfließen zu lassen.
"Scully, woher wusstest du das von
meinem Arm?" fragte er und drehte sich wieder zu ihr um. Er war
überrascht, sie direkt zurückstarren zu sehen. Als er sprach, zuckte sie
zusammen.
"Dein Arm?"
"Ja, du hast mich nach meinem Arm
gefragt, ob er okay wäre, erinnerst du dich?"
Sie dachte zurück, versuchte sich zu
erinnern. Schüttelte zuerst ihren Kopf, führte die Tatsache an, dass sie sie
zuvor auf eine ziemlich starke Medikation gesetzt hatten. Dann fühlte sie
plötzlich eine anfängliche Panik, als die Erinnerung an das, was sie bei Jane
gesehen hatte, schlagartig zurückkam.
"Ich erinnere mich nicht daran, doch
ich..." Sollte sie es wagen, ihm etwas so scheinbar lächerliches
zu erzählen. Aber es war wirklich geschehen, das musste es. Er hatte überall
auf seinem rechten Arm kleine Schnitte und Kerben und da waren immer noch ein
paar Pflaster dort. Sie entschied sich, ihren Gedanken zu beenden. "Ich
erinnere mich daran, gedacht zu haben, dass du ihn dir verletzt hast, als ich
bei Jane war."
Warum hatte sie das gedacht? Mulder wunderte
sich. Er begann ernsthaft zu denken, dass sie eine Art von ungenutzter
psychischer Fähigkeit haben könnte.
"Was meinst du mit denken? War es so
was wie ein Gefühl? Hast du es gesehen?"
Sie sah nach unten und sah plötzlich sehr
traurig aus. Sie fühlte wieder, was sie in dieser Nacht in Janes Wohnung
gefühlt hatte, als sie "gesehen" hatte, wie er sich absichtlich
selbst verletzte. Scully empfand seine absolute Qual, seine äußerste
Verzweiflung.
"Also ist es wahr? Du hast dir das also
wirklich angetan, Mulder?"
"Scully..." Oh Gott. Nein, das ist
nicht die Richtung, die er mit dieser Unterhaltung gehen wollte. Verdammt. Zum
Teufel noch mal. Warum hatte er das aufgebracht? Er war möglicherweise die
einzige Person der Welt, die dazu fähig war, sie von ihrer vorherigen Stimmung
herunterzuholen.
"Mulder warum? Warum wolltest du das
tun?"
"Du... du warst gegangen. Ich dachte...
schau, es ist nicht mehr wichtig, Scully. Ich wollte nur wissen, wie du das
wissen konntest." Er fragte das so, als ob das eine vollkommen
ausreichende und einfache Erklärung wäre.
"Ich bin mir nicht sicher, wie ich das
wissen konnte. Ich meine, ich bin mir nicht völlig sicher, doch ich denke, dass
ich es geträumt habe." Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihm das sonst
erklären könnte. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, wieviel von dem, woran
sie sich von ihrem Aufenthalt bei Jane erinnerte, real oder nur Einbildung
gewesen war.
Geträumt. Mulder dachte an all die Träume,
die er von ihr gehabt hatte, als sie vermisst wurde. Ein Traum hatte ihn zu ihr
geführt. Es war definitiv etwas dran. Er fühlte die vertraute Erregung durch
ihn strömen, ein Geheimnis zu entwirren.
"Mulder, weißt du, das ist wichtig. Ich
will, dass du mir versprichst, so etwas ähnliches nie wieder zu tun."
Obwohl sie wusste, dass er unfähig dazu war, es zu halten, verlangte sie
plötzlich verzweifelt dieses Versprechen von ihm. Es war unglaublich nobel und
wuterregend.
Scully sah so aus, als ob sie gleich weinen
würde und er fühlte sein Herz in eine Million kleine Stückchen zerbrechen.
Niemals wieder, Scully, ich werde dich nie mehr zum Weinen bringen. Er nahm
ihre Hand und lächelte, "Scully, solange du hier und sicher bist, wird es
mir gut gehen."
"Mulder..."
"Was hast du sonst noch geträumt,
Scully?" Er versuchte krampfhaft, das Thema zu wechseln, sie kannte ihn gut
genug, um das zu erkennen. Sie wusste auch, dass er ihr keinesfalls versprechen
konnte, sich niemals wieder selbst zu verletzen, besonders wenn ihr wieder
etwas passieren würde. Doch es jagte ihr immer noch Angst ein.
"Mulder, ich meine das ernst..." fuhr
sie fort.
"Das tu ich auch. Ich hatte ein paar
ziemlich wilde Träume, als du verschwunden warst, Scully. Tatsächlich glaube
ich, dass ich dich letztendlich durch einen Traum gefunden habe. Ich habe dich
in ein paar Träumen bei Jane gesehen, doch ich habe das bis zu dem Tag, an dem
ich dich gefunden habe, nicht erkannt. Ich hatte diesen wirklich lebhaften
Traum, in dem ich in ihrem Garten war und du warst hinter dieser
Glaswand." Er drehte sich vollständig zu ihr um und bemerkte, dass er
seine Finger aufgeregt aneinander drückte.
"Hattest du diesen Traum, Scully?"
Sie seufzte und verdrehte die Augen,
erkannte, dass sie dieses Versprechen nicht bekommen würde. "Ich denke
nicht, dass ich den hatte, nein."
Es gab aber einen Traum, an den sie sich
erinnerte. Ein Traum, der sie, als sie sich wieder daran erinnerte, ihren
Versuch Mulders Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Thema zu lenken, sehr schnell
vergessen ließ. Und sie an die Sache erinnerte, die sie zwischen ihnen heute
Nacht geschehen lassen wollte.
"Und Scully, die seltsamste Sache war,
in der Nacht, bevor wir dich gefunden hatten, haben Charlie und ich dich
GESEHEN." Gott, es war wundervoll, endlich dazu fähig zu sein, mit ihr
darüber zu reden. Er hatte bis jetzt nicht wirklich viel darüber nachgedacht, doch
es war eine so merkwürdige Folge von Ereignissen gewesen.
"Mich gesehen, Mulder?" Sie hatte
ihn in diesem Traum auch gesehen. Doch das war auch alles. Ein einfacher Traum.
Wie konnte Charlie daran beteiligt sein? "Was meinst du?"
"In meiner Wohnung, Scully. Es war so
bizarr. Eine Minute nichts und in der nächsten Minute standst du einfach da und
du hast irgendwie ohne Worte gesprochen, doch wir beide haben dich gehört und
du hast all diese Nummern gesagt und wir wussten nicht, was sie bedeuten, doch Charlie
schrieb sie auf und es stellte sich heraus, dass sie alle eine Verbindung zu
dem Ort, an dem du warst, hatten und zuerst dachte ich, dass du das warst, doch
dann wurde mir klar, dass das nicht sein konnte, da du etwas anhattest..."
Uh –oh. Ihm wurde schlagartig klar, was sie getragen hatte und warum es ihm
zuerst so merkwürdig vorgekommen war. Das war etwas, was er auch nicht
diskutieren wollte. "Ähm, du hattest etwas an, ähm, du hattest etwas an,
was du sonst nie anhast."
"Etwas, was ich sonst nie anhabe? Was
war es?"
Warum oh warum, musste sie den
entsetzlichsten Aspekt von allem, was er sagte finden und sich darauf fixieren?
Nach all den phantastischen Dingen, die er ihr erzählt hatte, wollte sie
wissen, was sie getragen hatte.
"Es... es ist nicht wichtig, Scully.
Der Punkt ist, dass es uns geholfen hat, dich zu finden. Und dann hatte ich
diesen anderen Traum... "
"Mulder? Was hatte ich an?" Sie
konnte kaum glauben, dass es möglich war. Doch sie hatte gesehen, wie Mulder
seinen Arm verletzte. Glaubte sie, dass sie ihn auch in seinem Apartment
gesehen hatte? Am Ende ihres extrem erotischen Traumes? Wenn er ihr das
beschrieb, was sie in ihrem eigenen Traum gesehen hatte, würde sie die
Möglichkeit tatsächlich in Erwägung ziehen müssen.
Sie würde das Thema jetzt nicht fallen
lassen. Aus irgendeinen unbekannten Grund dachte sie,
dass es der interessanteste Teil der ganzen Geschichte war. Er stützte sich mit
seinen Ellenbogen auf die Knie und rieb sich mit den Händen über das Gesicht.
Er murmelte die Antwort in seine Handflächen.
"Was war das, Mulder?"
"Oh Jesus, Scully, es ist so
dumm." Gottverdammt. Er und sein großes, dummes Mundwerk. "Eine
Uniform, Scully, du hattest eine Uniform an."
"Uniform? Was für eine, wie eine
Navy-Uniform?" Scully begann das kleine Spiel, das Mulder versehentlich
angefangen hatte, wirklich zu genießen. Er machte es ihr leicht, für das was
sie geplant hatte.
"Ähm, nein, nicht genauso,
Scully."
"Eine Polizeiuniform?" Sie verbarg
ein leises Kichern mit einem Räuspern.
Er seufzte und schüttelte den Kopf.
"Scully, du bist auf eine Katholische Schule gegangen, richtig?"
Warum tat sie ihm das an? Das alles war so verdammt peinlich.
"Ja. Und..." Sie war sich jetzt
seiner Antwort sicher, doch es war plötzlich sehr wichtig für sie, es ihn sagen
zu hören.
"Nun, es war, ähm... es war so eine
Uniform." Er fühlte, wie er bei der Erinnerung daran rot wurde. Es war so,
als ob sie gerade aus seiner Phantasie gekommen und zum Leben erwacht wäre.
Doch wie hätte er ihr das erzählen können?
"Meine Schuluniform, Mulder?"
"Ja... ja, ich glaube ja."
"Oh..."
Ende Kapitel 9/11
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Kapitel 10/11
Sie schien eine Ewigkeit zu schweigen und er
erwischte sich dabei, wie er nervös auflachte, nur um das Schweigen zu brechen.
"Ich äh... ich habe dir gesagt, es war dumm."
"Nicht unbedingt dumm, Mulder," murmelte sie, während sie es genoss, ihn sich winden
zu sehen.
Okay, also dumm war das falsche Wort, gab
Mulder stumm zu. Wie wäre es mit pervers? Bizarr? Verdreht? Er wusste, dass er
sich deswegen nicht so schuldig und peinlich berührt fühlen sollte. Es war
nicht seine Schuld, dass sie sich so gezeigt hatte. Und Charlie hatte sie auch
so gesehen, also konnte es nichts gewesen sein, was er sich ausgedacht hatte.
Wenn er sich nur nicht einen runtergeholt hätte, als er *so* an sie dachte,
zwei Minuten bevor sie erschien.
"Scully, ich... ich bin mir nicht
einmal sicher, ob ich mich richtig erinnere. Zu der Zeit war ich ganz schön
erschöpft."
"Oh Mulder, ich denke, dass du dich
richtig erinnerst. Ich denke, dass du dich völlig richtig erinnerst." Er
sah zu ihr herüber und sie ließ ihn ihr Lächeln sehen und hoffte, er würde den
Ausdruck in ihren Augen lesen, den sie zu übermitteln versuchte. Er sah
erschrocken aus und für einen kurzen Moment tat er ihr leid.
"W...was meinst du?"
Aber nicht so leid. "Ich habe das
geträumt. Mulder," begann sie in einem sanften,
leisen Ton. "Es war ebenso seltsam. Ich habe geträumt, dass ich dir zu
deinem Apartment gefolgt bin und dann sah ich dich und Charlie. Ich hatte meine
Schuluniform an und ich glaube, ich habe versucht, euch beiden zu sagen, wo ich
war."
Wow. Ganz großes Wow. Sie hatte sich selbst
dorthin geträumt. Irgendwie, auf irgendeine Art kam ein Teil von ihr in jener
Nacht in sein Apartment, hatte ihren Körper verlassen und war zu ihm gekommen.
Es war absolut verblüffend. Einen Moment war er so aufgeregt, dass er die
alberne Schuluniform vergaß und was er gerade getan hatte, bevor sie erschien.
"Scully, worum genau ging es in diesem
Traum, abgesehen davon, in meinem Apartment aufzutauchen?" Er fragte sich,
ob sie sich selbst zum Handeln gebracht hatte in dem Traum oder ob es einfach
passiert war. Lichte Träume vielleicht.
"Äh... es ging um die
Vergangenheit." Scully wusste immer noch nicht, ob sie glaubte, dass sie
tatsächlich zu Mulders Apartment gegangen war. Es war so eine phantastische
Idee. Und Charlie hatte es bisher noch nicht erwähnt, also konnte sie nicht
vollkommen sicher sein, was sie glauben sollte. Aber eine Erfahrung außerhalb
des Körpers oder nicht, es war bestimmt eine Möglichkeit, dass er sich ihr
öffnete.
Mulder saß weiterhin so vornüber gebeugt da
und vergaß, die immer noch anwachsende Schwellung in seinem Schoß zu bedecken.
Er wartete auf weitere Einzelheiten.
"Am Anfang, äh, saß ich, zusammen mit
Missy auf dem Rasen vor dem Haus und Bill und Charlie spielten Ball. Wir hatten
ein Barbecue und ich nehme an, ich war so um die sechzehn."
Seine Augen wurden groß und er fühlte ein
schmerzhaftes Ziehen in der Leistengegend. Das Foto. Jesus Christus! Das war
das Foto. Er empfand eine seltsame Kombination aus Neugier, Erregung und Panik.
Das war unmöglich.
Aber Scully genoss sich nun selbst. Sie war
bereit, loszulassen, auf jede denkbare Art. "Und dann... dann warst du
plötzlich da. Ich lud dich ins Haus ein und dann... dann in mein
Schlafzimmer."
Sie hielt inne, weil er in seinem Sessel vor
und zurück schaukelte, schneller und schneller, beinahe als ob er versuchte,
sich daran zu hindern, seine Hüften in die Luft zu stoßen. Sein Blick war so
verschwommen, dass sie sich nicht einmal sicher war, ob er sie überhaupt ansah.
Sie leckte sich die Lippen, um ihn zu testen und ihm stockte der Atem.
"Mulder, bist du in Ordnung?"
"Mach einfach weiter,"
platzte er verzweifelt heraus. Er musste es wissen, er musste es einfach.
"Bist du sicher?" Sein Körper
schwankte und es fiel im verdammt schwer, nicht vor und zurück zu schaukeln.
Sie fragte sich, ob er es tat, weil er nervös war oder weil es ihm eine Art
angenehme Erleichterung verschaffte.
"Bitte!" Ihre Augen weiteten sich
schockiert angesichts seiner dringenden Forderung und er erkannte, dass er sich
sofort beruhigen musste. Scully dagegen musste auf der Innenseite ihrer Wange
herumkauen, um nicht laut über ihn zu lachen. Die nächsten Worte, die sie ihm
sagen wollte, würden ihn ziemlich hart treffen. Zumindest hoffte sie das.
"Okay, nun, wir gingen nach oben und
du, äh, du hast mir zugesehen, wie ich auf dem Bett lag und mich selbst
befriedigte."
Mulder war sich nicht sicher, was
schockierender war, die Tatsache, dass Scully anscheinend das geträumt hatte,
was in dieser Nacht seine Phantasien waren oder die Tatsache, dass sie einfach
das Wort Selbstbefriedigung ihm gegenüber benutzt hatte. Als Erwiderung starrte
er sie einfach mit offenem Mund an. Unglaublich, das alles war unglaublich.
"Mulder?" Sie hatte ihn. Jetzt
dauerte es nicht mehr lange. Diesmal atmete sie selbst lang und tief aus.
Beinahe spürte sie in ihrer Mitte einen Schmerz vor Verlangen und Erwartung.
"Mulder, was ist los? Willst du den Rest hören? Da war noch mehr..."
Er warf einen kurzen Blick in ihr Gesicht
und sah, dass ihre Mundwinkel in einem seltsamen kleinen Grinsen nach oben
gezogen waren. In ihren Augen stand Herausforderung und etwas anderes, etwas tiefes und dunkles und verdammt unheimliches. Er wollte sie
fragen, was sie noch geträumt hatte, ob sie sich mit ihm auf dem Boden, auf dem
Spültisch, im Sessel ihres Vaters gesehen hatte, aber er war so ziemlich
unfähig, zu sprechen. Die Bilder erschienen von selbst wieder in seinem Kopf
und er war von den Erinnerungen überwältigt.
"Äh... ich. äh..."
"Mulder, was ist los? Hattest du auch
diesen Traum?"
"Äh, nein... nicht genau. Ich meine,
irgendwie ja, aber...Äh..." Gut gemacht, Armleuchter. Warum hatte er nicht
einfach nein gesagt? Oder ja? Nun blickte sie ihn vollkommen verwirrt an und
erwartete von ihm, dass er erklärte, was zur Hölle er meinte.
"Was meinst du mit 'irgendwie
ja'?" Das bisschen Spaß, das sie hatte, war Mulder gegenüber total unfair,
aber es machte sie unglaublich heiß. Es war besser als ein physisches Vorspiel.
Oder zumindest mit Mulder war es das. Sie flehte ihn mit den Augen an,
fortzufahren.
"Naja, es war, äh... es war ein
bisschen anders und nicht ganz das, was man einen Traum nennen kann. Nicht
ganz." Er verdrehte über seine eigene Dummheit die Augen und lehnte sich
im Sessel zurück. Dann erkannte er die Art, wie er sich nun gedreht hatte, um
sie anzusehen. Wenn er sich zu weit zurücklehnte, stach ihr seine Erektion
praktisch ins Gesicht. Er beugte sich wieder nach vorn und kreuzte seine Arme
über den Knien.
Eine überwältigende Hitze überflutete Scully
rasend schnell, als sie begriff, was er ihr da unbedacht offenbarte. Sie würde
nicht in der Lage sein, dieses Spiel noch lange weiterzuspielen. Wenn er nichts
tat, war sie sich nicht sicher, ob sie sich davon abhalten konnte, selbst etwas
zur Erleichterung zu tun. Dennoch machte sie weiter Druck.
"Nun, wenn es nicht ganz ein Traum war,
was war es dann?"
Mulder versuchte sich daran zu erinnern,
warum er diese Unterhaltung in erster Linie begonnen hatte. Wann hatte er
zuerst die Kontrolle darüber verloren? "Äh, es war eine Art von einem...
einem Traum, den man hat, wenn man, äh, irgendwie nicht schläft."
Scully blickte ihn rührend erstaunt an.
"Du meinst einen Tagtraum," bot sie ihm an.
Gut, das war eine Art, es zu bezeichnen.
"S...so was in der Art." Gott, es war heiß hier drin. Er fühlte, wie
Schweißtropfen auf seiner Stirn auszubrechen begannen. Warum starrte sie ihn so
an?
Sie spürte sein steigendes Unbehagen und
setzte zum tödlichen Schlag an. "Oder eher eine Phantasie, Mulder?"
Sie biss sich zum Nachdruck auf die Unterlippe und ihre Augen wurden groß, als
sie die Worte aussprach.
Gott, ihre Stimme. Was machte sie mit ihrer
Stimme. Sie war plötzlich... so anders. Einmal drückte er seine Beine zusammen
und ein Schauer durchlief seinen Körper. Eine Phantasie. Es war so ein
belastetes Wort. In Wahrheit war es genau das gewesen, aber er war sich nicht
sicher, ob Scully das unbedingt wissen musste.
"Äh, ich bin mir nicht völlig sicher,
ob Phantasie eine vollkommen akkurate Beschrei..." sie schnaufte durch die
Nase und er brach, sie überrascht ansehend, ab. Es überraschte sie, wie weit er
es ertrug.
"Ja,"
murmelte er mit einem sich dem Schicksal ergebenden Seufzen. Der Punkt ging an
sie. Wie üblich.
"Ja?"
"Ja. Es war eine Phantasie, Scully.
Okay?" Zumindest lächelte sie immer noch und rief nicht nach der
Sittenpolizei.
"Also war es vollkommen eine Phantasie,
Mulder?" neckte sie ihn.
Mulder fragte sich, ob er darauf antworten
sollte oder ob sie sich nur über sein lahmes Gestotter amüsierte. "Ich...
ich nehme an. Ich weiß nicht, äh, es, äh... es tut mir Leid, Scully." Und
das tat es wirklich. Es tat ihm leid, dass er so ein kranker Typ war und dass
sie das wissen musste.
Scully hustete und lachte gleichzeitig. Nur
Mulder konnte sich bei ihr dafür entschuldigen, dass er erregt war und das
gleiche mit ihr tat. "Es tut dir Leid?"
"Ich wollte nicht, das
es so ist, Scully. Es... passiert einfach manchmal." Oh, großartig. Nun
hatte er zugegeben, dass es nicht nur dieses eine Mal war. Dass das eine
regelmäßige Sache für ihn war. Er begann, auf der Innenseite seiner Wange
herumzukauen, um nicht weiterzureden.
"Mulder, es muss dir nicht Leid tun.
Ich... ich mochte deine Phantasie, Mulder,"
flüsterte sie in einem noch atemloseren Ton in der Hoffnung, sich endlich
verständlich zu machen.
"Oh... oh ja?" quiekte er.
Sie nickte und lächelte warm. "Oh
ja." Ihr Blick wanderte von seinem Gesicht über seinen Körper und
verweilte schließlich in seinem Schritt. Offen starrte sie, wie es schien eine
Ewigkeit, auf die peinliche Beule in seinen Hosen. Als sie ihm schließlich
wieder in die Augen sah, hatte er Schwierigkeiten, zu atmen.
"Also, Mulder, wenn du sagst, manchmal..."
Verdammt! Er hatte schon begonnen zu glauben, dass sie es nicht mitbekommen
hatte. "Bedeutet das oft, Mulder?"
"D...D...D..." Definiere! *De fi
nie re*! Das, was von seinem Gehirn noch übrig war, schrie gequält auf. Sie
reduzierte ihn auf ein stotterndes Etwas mit einem Hirnschaden. "Definiere
oft," schaffte er es schließlich.
"Oh, ich weiß nicht..." Scully
wedelte mit der Hand in der Luft. "Zwei-, dreimal die Woche."
Beinahe hätte er laut losgelacht. Das war
oft? Er nahm an, dass es das für eine Frau vielleicht war. Jedenfalls war es
weniger erniedrigend als die Wahrheit, also nickte er.
"Ja, ja, das, äh, kommt ungefähr
hin." Es war an der Zeit für ein ablenkendes Thema. Das letzte, was sie
diskutieren mussten, waren seine Phantasien. "Also, äh, wie findest du den
Film? Ich weiß, dass du ihn nie ganz gesehen hast..."
"Mulder, bist du dir sicher, dass das
stimmt?" Der ganze Grund, warum sie den Film niemals ganz gesehen hatte,
war der, dass sie sich nie lange genug für ihn interessieren konnte. Im Moment
waren ihr Filme völlig egal.
"Nun, das hast du mir erzählt..."
"Nein, ich meine die Phantasie, Mulder.
Bist du dir sicher, dass es nicht öfter ist?"
Gott, was wollte sie? Seinen Schwanz auf
einem Silbertablett?
"Ich... ähm..." Er lachte, zuckte
mit den Schultern und hoffte, dass das als Antwort genügen würde.
Sein unbehagliches Wimmern als Antwort
machte sie nur noch heißer. Zeit, es weiter voranzubringen. "Mulder,
denkst du jedes Mal an mich, wenn du dich selbst berührst?"
Oh Gott.
Oh Gott, Scully. Was tat sie? Er wusste
nicht einmal, wie er beginnen sollte, eine Antwort auf diese Frage zu
formulieren. Obwohl ein 'ja' wahrscheinlich genug gewesen wäre, war es doch
nicht die ganze Wahrheit. Ehrlich gesagt, war es eher anders herum.
"Weil, Mulder, weiß du was,
ich..." Scully atmete tief ein und blickte auf die Decke herab. "Ich
denke an dich," sagte sie leise. Dann blickte sie
wieder auf und sah ihm in die Augen. "Ich denke an dich jedes...
einzelne... Mal."
Mulder stöhnte angesichts der Vorstellung,
die sie gerade für ihn geschaffen hatte. Scully auf ihrem Bett liegend, nackt,
ihre Hände zwischen ihren Beinen, nach ihm rufend, seinen Namen schluchzend,
als sie sich selbst zum Orgasmus bringt, wieder und wieder und wieder und...
"Mulder?"
"Ähm... äh..."
"Weißt du, ich hab dich gesehen."
Ihn gesehen? Was zur Hölle sollte das? Oh nein. Er dachte zurück an das eine Mal im Büro, als sie zu ihm hereinkam und er sich
während der Dienstzeit geschäftig einen runterholte und auf den Boden eines
Bundesgebäudes spritzte. Sie hatte mitbekommen, was er machte. Das musste es
sein, worüber sie redete.
"Als ich bei Jane war, sie hatte all
diese Fotos von dir."
Jesus Christ. DAVON redete sie? Dieses
verdammte kranke Etwas und ihre verschrobene kleine Bildergalerie. Aber aus
irgendeinem Grund schien es okay für Scully zu sein, darüber zu reden. In der
Tat schien es für sie mehr als okay zu sein.
"Mulder, du bist schön, wenn du dich
berührst." Scully konnte kaum glauben, wie weit sie ging. Es war, als ob
ihr Körper in diesem Moment alle Hemmungen eliminiert hatte, die sie besaß. Es
war ein befreiendes Gefühl. Vielleicht wie nackt durch die Wälder laufen. In
diesem Moment hatte sie keine Angst, irgendetwas falsches
zu tun oder zu sagen. "Ungeachtet der Situation, diese Bilder anzusehen,
hat mich erregt... sehr erregt."
Er senkte den Kopf und lachte nervös. Wer
zur Hölle war diese Frau? Er hatte keine Ahnung, wie er auf diese Äußerung
reagieren sollte.
"Du denkst, das ist lustig,
Mulder?" Soviel zum Thema Befreiung. Sie kam sich plötzlich albern vor,
ihm eines der Dinge zu erzählen, die sie immer am meisten erregten, wenn sie
daran dachte.
"Nein. Scully... nein." Mulder
wollte sich selbst in den Kopf schießen. Tolle Art, zu handeln, wenn sie hier
saß, ihm ihr Innerstes offenbarte und ihm Dinge erzählte, die zu hören er sich
nicht einmal erlaubt hatte, zu träumen.
"Nun, welches Gefühl hast du dabei?
Macht es dich glücklich, Mulder? Erregt es dich?"
Aber das beschrieb es nicht einmal
ansatzweise. Er konnte das schwindelige, betörende Gefühl, das er erlebte, nur
schwer in Worte fassen. Sie wollte ihn. Zuerst liebte sie ihn und nun wollte
sie ihn. Sie wollte ihn so sehr. Und sie sagte es ihm auf jede erdenkliche Art.
Es war der Schritt, auf den er nun seit Monaten gewartet hatte. Es war die Art
von Verführung, die er sich nicht in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hätte.
Es war Scully, die ihre Sehnsüchte und ihre geheimsten inneren Wünsche genau
hier vor ihm ausbreitete. Und alles, was er tun konnte, war seinen Kopf in den
Händen halten und zusehen, wie seine Beine zitterten. Würde er jemals aufhören,
sie zu enttäuschen?
"Irgendwann würde ich es wirklich gern
persönlich sehen, Mulder. Denkst du, du würdest das mögen?" Je mehr sie
das Thema vorantrieb, desto mehr wollte sie es, desto mehr brauchte sie es, ihn
dabei zu sehen. Brauchte sie es, ihn bei dieser Art von Vergnügen zu sehen,
brauchte sie es, dass es ihrer beider Vergnügen war. Nun zitterte ihr Körper.
Wenn er sie noch länger warten ließ, würde sie anfangen zu weinen, dessen war
sie sich sicher.
Mulders Herz raste so schnell bei dem
Gedanken, sich vor Scully selbst zu befriedigen, sie es *genießen* zu sehen,
dass er fürchtete, er würde womöglich einen Herzanfall bekommen. Wenigstens
würde er nicht weit nach einem Arzt suchen müssen. Sie hatte ganz gewiss einen
guten Platz für diese kleine Marilyn-Monroe-Vorstellung, die sie ihm da bot,
ausgesucht.
Mulder hatte immer noch keine ihrer Fragen
beantwortet, aber er nahm an, dass das alles ziemlich offensichtlich war. Er
zitterte ebenfalls und keuchte und seine Haut war wahrscheinlich jetzt
dunkelrot. Das musste aufhören. wenn sie nicht aufhörte, so zu reden, würde sie
ihn ganz schnell umbringen. Er war sich nicht völlig sicher, was sie überhaupt
zu erreichen versuchte. Es war doch nicht so, dass sie tatsächlich irgendetwas
tun konnten. Nicht hier. Versuchte sie, ihn verrückt zu machen?
Mulder wischte sich den Schweiß über der
Augenbraue ab und sah ihr in die Augen. Schwerer Fehler. Schnell wandte er
seinen Blick zum Fernseher.
"Mulder?"
"Das... äh... das ist eine gute Stelle,
Scully... shhh..."
Mulder starrte weiter ausdruckslos auf den
Fernseher und er hörte sie seufzen. Dennoch lehnte er es ab, sich wieder
umzudrehen. Warum konnte sie nicht still dasitzen und sich den Film ansehen?
Er hörte Charlton Heston weiterbrummen.
'... Sich vorzustellen, ich brauche
jemanden. Auf der Erde habe ich es niemals getan. Oh, da waren Frauen. Eine
Menge Frauen. Eine Menge Sex, aber keine Liebe. Sehen Sie, das war die Art
Welt, die wir geschaffen haben. Also bin ich gegangen, weil es niemanden gab,
der mich dort hielt...'
Gott verdammt. Warum hatte er diesen blöden
Film überhaupt ausgesucht? Er begann, sein Unbehagen noch zu mehren, anstatt
ihn davon abzulenken.
Mulder hörte ein weiteres atemloses Seufzen
aus dem Bett und schielte aus den Augenwinkel hinüber.
Ihre Augen waren geschlossen und sie lag in den Kissen auf dem hochgestellten
Kopfteil ihres Bettes. Schlafen, welch gute Idee. Vielleicht war es an der Zeit
für Scully, jetzt zu schlafen. Und an der Zeit für ihn, hier verdammt noch mal
herauszukommen und in den nächstgelegenen Hauswartsschrank.
"Äh, es tut mir leid, Scully. Halte ich
dich wach? Möchtest du dich jetzt ausruhen?"
"Vvvvielleicht..." murmelte sie,
ihre Augen immer noch geschlossen. Sie sah bezaubernd aus, zerzaust und seidig
und... Gott, etwas, was sich jeder Beschreibung entzog. Er wollte nichts mehr,
als zu ihr in dieses Bett zu kriechen, sich unter den Decken, unter ihrem
Körper zu verbergen. Er musste gehen. Sofort.
"O... okay dann, ich denke, ich, äh,
ich werde jetzt gehen, damit du schlafen kannst, Scully."
Er stand auf und bereitete sich darauf vor,
auf Beinen zu gehen, die ihn in diesem Augenblick kaum aufrecht halten konnten.
"Mmmnnnein, Mulder. Ich denke nicht,
dass du gehen solltest."
Ihre Augen waren immer noch geschlossen und
sie bewegte sich, wodurch sich die Decke kräuselte. Was in Gottes Namen tat sie
darunter?
"Ich denke... ich denke, du solltest
bleiben und dich neben mich legen, Mulder."
Sie musste scherzen. Scherzte sie, verdammt
noch mal? Glaubte sie, es würde möglich für ihn sein, neben ihr im Bett zu
liegen und vernünftig zu bleiben, nach allem, was sie ihm gerade erzählt hatte?
"Scully, ich... ich kann nicht... das
ist nicht die beste Idee..."
"Warum nicht, Mulder?" Sie
streckte ihren Arm über ihrem Kopf aus und der Satin ihres Pyjamaoberteils
spannte sich über ihren Brüsten.
"Ich... äh..."
Er versuchte, über eine vernünftige
Erklärung nachzudenken. So oft hatte er im Krankenhaus neben ihr im Bett
gelegen, dass es wirklich nichts gab, was er sagen konnte.
"Mulder, komm schon. Dich neben mir zu
haben, hilft mir einzuschlafen. Bitte?"
Tja, nun war alles zu spät. Es gab keine
Möglichkeit für ihn, ihr irgend etwas abzuschlagen,
wenn sie bitte sagte. Es war selten für sie, dass sie zugab, überhaupt etwas
von ihm zu brauchen, ganz zu schweigen davon, ihn um so etwas zu bitten.
Mulder atmete tief ein, setzte sich auf die
Bettkante und versuchte einen Weg zu finden, wie er sich neben sie legen
konnte, ohne sie irgendwie zu berühren oder die Beule in seinen Hosen zu
offenbaren. Das erste schaffte er, aber nicht das zweite. Wenigstens hatte sie
die Augen geschlossen.
Mit den Armen über der Brust verschränkt lag
er neben ihr und vermied sorgfältig jeden Kontakt mit irgendeinem Teil von ihr.
Seine Beine an den Knöcheln gekreuzt, wippte er nervös mit dem Fuß und wartete
darauf, dass sie einschlief.
Scully wusste, dass sie um nichts in der
Welt so bald Schlaf finden würde. Jetzt war er ihr so nahe, gleich neben ihr.
Sie konnte seine Anspannung und sein Unbehagen fühlen. Sie kamen in Wellen von
seinem Körper. Und sie fragte sich, ob er sie nun, da er hier war, berühren würde
oder ob sie zu drastischeren Maßnahmen greifen musste.
'Das ist ein Irrenhaus! Ein Irrenhaus!'
wetterte Charlton. Mulder konnte dem nur zustimmen. Die ganze Situation war
total verrückt. Jede Minute konnte er einfach explodieren. Ihre Worte kreisten
in seinem Kopf, wie eine dieser wertlosen Seifenopernsoundschleifen. 'Du hast
mir zugesehen, wie ich mich selbst befriedigt habe, ich denke an dich jedes...
einzelne... Mal, irgendwann würde ich das gern persönlich sehen, Mom sagt
immer, spiel nicht Ball im Haus...'
Es war zum Verrücktwerden. Er hatte nicht
einmal Platz in seinem Hirn, um diese Art von Information unterzubringen.
"Mmmulder... dieser Film ist so
langweilig." Scully seufzte, bewegte sich wieder unter der Decke und schob
ihren Körper näher an seinen. Wenn er sie nicht berühren wollte - sie brauchte
es zur Hölle noch mal, ihn zu berühren. Vor Verlangen pulsierte sie förmlich.
Sie drehte sich auf die Seite, um ihn anzusehen und legte ihr Gesicht dicht an
sein Ohr.
"Ich... ich mag ihn, Scully. Es ist ein
sehr guter Film." Seine Stimme wurde höher und klang jämmerlicher mit
jedem Mal, an dem er es schaffte, zu sprechen.
Plötzlich spürte er ihren heißen Atem an
seinem Ohr und fuhr beinahe aus der Haut.
"Mulder, warum hast du nicht einen von deinen
anderen Filmen mitgebracht?" flüsterte sie und wunderte sich über ihren
neugefundenen Mut.
"Andere... Filme?" Sie konnte
unmöglich meinen, was er dachte, dass sie meinte. Konnte sie?
"Du musst einen Favoriten darunter
haben, Mulder."
Warum flüsterte sie auf diese Art? Das
Pochen, das vor langer Zeit in seinem Penis begonnen hatte, begann
auszustrahlen und seinen ganzen Körper zu erfassen. Vergiss die blauen Bälle.
Er würde alles in blau haben, wenn er nicht bald hier herauskam.
"Ich, äh... 2001 ist auch gut."
Sie lachte. Ein leises, kehliges Lachen,
nicht wie das kindliche Kichern von vorhin. "Nicht diese Art Film, Mulder.
Eins von diesen Videos, die in braunem Packpapier an Marty Mulder adressiert zu
dir ins Haus kommen. Du musst einen Favoriten unter diesen Videos haben,
Mulder."
"Ich... hmmmäh..."
"Irgendwann möchte ich es gern sehen,
Mulder."
Sie musste Witze machen. Sie musste verdammt
noch mal einen Spaß machen. Seine Gedanken drehten sich so rasend, dachten sich
ein Bild von Scully aus, die auf seiner Couch saß, sich 'Red Hot Redheads'
ansah und sich selbst berührte, während er zusah, dass er für einen Moment
nicht einmal mitbekam, dass sie das Bett verlassen hatte.
Als er ihre plötzliche Abwesenheit neben
sich bemerkte, war er nur noch verwirrter. Dann sah er sie entschlossen auf die
Tür zugehen. Sie war immer noch einen Spalt breit
offen, seit Rena gegangen war. Sie schloss sie und drehte sich zu ihm um.
Mulder konnte um sein Leben immer noch nicht
herausfinden, warum sie das mit ihm machte. War es irgendeine Art abartiger
sexueller Folter, um ihm die gemeine Art, wie er sich ihr gegenüber benommen
hatte, zurückzuzahlen? War es ein Test, um zu sehen, wie weit sie ihn treiben
konnte, bis er zugriff? Sie musste doch erkennen, was sie mit ihm machte und
dass es keine Möglichkeit gab, dass sie das zu Ende bringen wollte. Nicht
jetzt. Nicht *hier*. Womöglich niemals.
Mit einem seltsamen kleinen Lächeln kam sie
zu ihm zurück und er wunderte sich wieder darüber, sie selbst laufen zu sehen.
Es hatte wirklich etwas. Besonders in diesem seidigblauen Pyjama. Sie war zu
wunderbar, um es in Worte fassen zu können. Er konnte es beinahe nicht mehr
aushalten. Für einen kurzen Augenblick des Aufschubs schloss er seine Augen und
versuchte, seinen Atem zu verlangsamen und seinen rasenden Puls zu beruhigen.
Sobald er seine Augen geschlossen hatte, stürmte ein Sperrfeuer von Bildern auf
ihn ein, eines lebhafter und schmutziger als das andere. Er bemühte sich, dem
Film zuzuhören. Wieder hörte er Charlton Heston und konzentrierte sich darauf.
'Wie wäre es mit einem Kuss, Doktor?' fragte
er
'Aber Sie sind so verdammt hässlich!' war
Dr. Ziras Erwiderung.
In Ordnung, der Film half nicht. Dann
versuchte er, sich eine leere Wand vorzustellen. Ein weißer leerer Raum,
vielleicht mit einem blauen Streifen zum Meditieren. Blauer Streifen, blauer
Streifen, blauer Streifen. Er erkannte, dass er sich die falsche Farbe
ausgesucht hatte, als der blaue Streifen zu Scully in ihrem verdammten blauen
Pyjama, die rittlings auf seinem Schoß saß, mutierte. Die Vorstellung war so
lebhaft, dass sie ihn so erschreckte, dass er die Augen öffnete.
Es war nicht in seinen Gedanken. Sie war da.
Gott, sie war einfach... da. Sie berührte seine verschränkten Arme mit ihren
Händen und begann, sie hochzuheben und auseinander zu ziehen. Zuerst legte sie
seine eine, dann seine andere Hand auf ihre Oberschenkel und nahm sein Gesicht
in ihre Hände. Seine Handflächen bebten und schwitzten und er war sich sicher,
dass er Flecken zurücklassen musste, als er den Stoff ihrer Pyjamahosen mit
seinen Fäusten umklammerte.
"Scu... wa... was tust
du?"
Ihre Lippen waren nur Zentimeter von seinen
entfernt und ihre Finger streichelten sein Gesicht. Wieder lächelte sie und
rieb sich lüstern an seinem Schritt. Er biss sich auf die Lippe und versuchte,
nicht aufzuschreien.
"Was ist los, Mulder? Magst du es
nicht?" murmelte sie, während sie begann, sanfte Küsse auf seinem Hals zu
verteilen. Ihre Lippen fühlten sich wie Samt an seiner rauen Haut an und er
packte ihren Pyjama noch fester, um sich davon abzuhalten, ihr entgegen zu
zucken. "Willst du mich nicht?" flüsterte sie in sein Ohr. Er ließ
ein Wimmern hören, als sie begann, an seinem Ohrläppchen zu saugen und nickte.
"Also, was ist es dann, Mulder? Was
stimmt nicht?" Ihre Hände glitten über sein Gesicht und seinen Hals und
seine Brust. Er spürte ihre Finger, die unter sein T-Shirt rutschten, und er
ergriff sie, bevor sie ihn umbrachten.
"Scully.. wir sind... wir sind im *Krankenhaus*."
Den letzten Teil flüsterte er, als wäre es
ein schmutziges Wort, und sie lachte.
"Es ist ein Krankenhaus, Mulder, keine
Bibliothek. Du musst nicht flüstern."
Er konnte es nicht glauben. Was zur Hölle MACHTE
sie? Konnte sie tatsächlich wollen, dass sie es hier taten? Wenn sie immer noch
krank war? Das konnte unmöglich so sein und dennoch war es so. Gesegneter Weise
ließ sie sein Ohr los und sah ihm in die Augen. Er wurde beinahe ohnmächtig
angesichts des Hungers, den er in ihrem Gesichtsausdruck entdeckte.
"Scully... Gott. Was... was, wenn wir
erwischt werden?"
Sie zuckte mit den Schultern. Zuckte einfach
mit den Schultern, als wäre es letzten Endes völlig egal.
"Mulder, und was ist, wenn sie uns erwischen?"
"Dein Bruder wird mich erstechen, sie
werden uns einsperren, es gibt einen Riesenskandal, wir verlieren unsre
Jobs..."
"Mulder, nun mach mal halblang," lachte sie. "Sie sperren die Menschen nicht
ein, nur weil sie Sex miteinander haben."
Sex. Oh Gott. Sie wollte wirklich Sex haben.
Gleich hier.
Ende Kapitel 10/11
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Kapitel 11/11
"S... Scully... hummm..."
"Was ist los, Mulder? Hast du
Angst?" fragte sie schelmisch, als sie ihre unverletzte Hand zu dem
obersten Knopf ihres Pyjamaoberteils gleiten ließ. Nein Scully. Tu das nicht.
Gott nein.
"A... Angst? Ähm, n... n... nein. Ähm,
natürlich nicht."
"Also, wenn du keine Angst hast und du
mich willst, wo liegt dann das Problem?" Eins, zwei, drei, vier... die Knöpfe
sprangen schnell hintereinander auf und er schloß seine Augen, stieß ein leises
Gebet aus, damit sie aufhörte.
Doch als er mit der Zeit seine Lider wieder
öffnete, war das Oberteil völlig verschwunden und sie saß stolz da, lächelte
ihn an.
"Gefällt dir mein Körper nicht?"
fragte sie ihn grinsend. Es war offensichtlich, dass sie verdammt gut wusste,
dass das nicht der Fall war. Musste ziemlich deutlich sein, so wie er ihre
vollen, runden, perfekten Brüste anstarrte, so wie er keuchte, Jesus, er sabberte
womöglich.
"Gefällt dir mein Körper, Mulder? Ich
weiß, dass du ihn schon einmal gesehen hast, doch da war er ganz blau."
"Huuummmmaaaa"
Oh Mann, das war nicht gut. Er war bereits
unfähig dazu, zu sprechen und er hatte sie noch nicht einmal berührt. Alles
woran er in diesem Moment denken konnte und einem wirklichen Wort auch nur im entferntesten ähnelte, war yum. Yum, yum, yum....
"Mulder? Ist das ein ja?"
"Yuhummmmm..."
"Vielleicht solltest du einen genaueren
Blick darauf werfen. Ich verstehe wirklich nicht, was du meinst." Sie
setzte sich auf ihre Knie auf und unterbrach den süßen Kontakt ihrer
Unterkörper und seine Erektion protestierte heftig zuckend. Dann bewegte sie
sich näher auf ihn zu und noch ein wenig höher hinauf und bevor er wusste, was
los war, baumelte die Spitze ihres rosig pinken Nippels vor seinem Gesicht.
Was auch immer von seinen rationalen
Gedanken in seinem Gehirn zurückgeblieben war, verließ ihn nun vollständig und
er nahm diese kleine Knospe in seinen Mund, er kapitulierte. Er hatte sowieso
niemals wirklich eine Chance gehabt. Es gibt nicht viele lebendige Männer, und
möglicherweise auch nicht viele Frauen, die dem hier widerstehen könnten. Sie
bebte und stöhnte und er ließ eine Hand über ihren nackten Rücken gleiten, zog
sie näher zu sich heran.
Sie schmeckte so gut, so süß und sauber und
fruchtig und sobald er sich selbst hatte kosten lassen, konnte er nicht genug
bekommen. Er wusch ihre Nippel mit seiner Zunge, streifte sie mit seinen
Zähnen, saugte an ihnen wie ein kleines Baby.
Sie stöhnte bei den Empfindungen,
überwältigt von dem Gefühl seines heißen, verlangenden Mundes auf ihr. Endlich,
endlich war er da. Sie fühlte sich so, als ob sie schon ewig gewartet hätte.
Seine Arme waren um ihren Rücken geschlungen und sie verschob sich ein wenig,
ermutigte ihn, seine Hände zu ihrem Hintern zu bewegen, sie unter ihre
Pyjamahose gleiten zu lassen, doch sie klammerten sich an Ort und Stelle fest.
Sie hatte sich noch nie so verzweifelt nach etwas gesehnt. Sein Widerstreben
und seine Angst waren liebenswert, doch genauso frustrierend. Was musste sie
denn noch alles tun, um ihm zu sagen, dass es jetzt okay war, dass sie ihn
wollte? Sie wünschte sich zum millionsten Mal, dass sie ihn in dieser Nacht
nicht weggestoßen hätte. Sie begann, sich mit seinen Wahnsinn mehr zu
identifizieren, als sie es je gewollt hatte.
Dann machte er ein gedämpftes, brummendes
Geräusch und ihr wurde klar, dass er vielleicht nicht mehr so widerstrebte.
Vielleicht war er im Moment so versunken darin, ihre Brüste zu verschlingen,
dass er an nichts anderes mehr denken konnte. Obwohl sie die Aufmerksamkeit,
die er diesem besonderen Teil ihrer Anatomie zuwandte, genoss, war es an der
Zeit weiterzugehen.
Sie zog sich zurück und ihre Brust glitt mit
einem lauten Plop aus seinem Mund und sie rutschte zurück nach unten, in eine
sitzende Position. Saß genau dort, wo sie sitzen wollte. Sie presste sich gegen
seine Erektion und fing sein Stöhnen mit ihrem Mund auf.
Küsste sie, er küsste sie. Küsste Scully.
Scully küsste ihn. Er wusste, dass er normalerweise ein ziemlich guter Küsser
war, doch er fand, dass er sich in Scully völlig verlor. Alles woran er denken
konnte war, sie zu schmecken, so weit, wie es möglich war, in sie zu dringen.
Finesse wurde dem Verlangen geopfert und er schlug mit seiner Zunge in ihren
Mund. Es gab Gründe, warum er das nicht geschehen lassen, sich selbst nicht so
hinreißen lassen sollte, doch er konnte sich nicht an sie erinnern, er wollte
es nicht. Es fühlte sich so verdammt gut an.
Trotzdem musste sie von ihm runter. Sie
bewegte sich auf seinem Schoß herum und saugte an seiner Zunge, streichelte sie
mit ihrer eigenen und er konnte ihre nackten Brüste, die sich fest an ihn pressten,
durch sein T-Shirt hindurch spüren und ihm wurde in dem Moment klar, dass er
keine Unterwäsche trug, da ihm die saubere ausgegangen waren und er verfluchte
sich selbst dafür, dass er seine Wäsche nicht erledigt hatte, da er ihre Hitze
fast durch die Seide und den Stoff seiner Khakihose spüren konnte und er würde
nicht dazu fähig sein, das noch eine Minute länger durchzuhalten, ohne sich
selbst völlig in Verlegenheit zu bringen.
Er stieß sanft gegen sie, beabsichtigte sie
herumzurollen, so dass sie auf dem Rücken liegen und er etwas mehr Kontrolle
über die Situation haben würde. Als sie auf die Matratze zurückfiel, drehte
sich ihr Arm unter ihr und sie ließ ein kleines 'Au' aus. Sie bereute es
sofort.
Er war in weniger als einer Sekunde von ihr
runter. Völlig von ihr runter, vom Bett runter, auf seinen Füßen, keuchend und
mit dem Kopf schüttelnd.
Sie hätte über das lächerliche Bild, das er
abgab, gelacht, er stand nach vorne gebeugt da, die Hände auf den Knien, sein
Ständer ließ den Schritt seiner Hose auf eine fast obszöne Art und Weise wie
ein Zelt wirken, wenn es doch nur komisch gewesen wäre. Doch das war es nicht
wirklich. Ihr war zum Heulen zumute. Warum hatte sie es zugelassen, Schmerzen
zu zeigen?
"Mulder..."
"Scully das... wir können nicht... ich
kann nicht... wir müssen aufhören."
Nein! Sie weigerte sich, das geschehen zu
lassen. Sie war nicht soweit gekommen, um jetzt aufzuhören.
"Mulder, es ist in Ordnung. Es ist
okay. Bitte, komm zurück."
Er schüttelte wieder heftig mit dem Kopf.
Das konnte nicht weitergehen. Er würde ihr wehtun. Er würde sterben. Das musste
aufhören.
"Ich kann nicht... kann dir nicht so
wehtun. Ich WILL nicht!"
Ihm wurde klar, dass er ohne Grund schrie
und fast ununterbrochen zitterte und drehte sich von ihr weg. Er musste hier
raus, musste sich von diesem Brennen in seiner Leistengegend Erleichterung
verschaffen, so dass er wieder wie ein verdammter Mensch handelt könnte.
"Mulder, du hast mir nicht wehgetan.
Ich hab mir selbst ein wenig wehgetan. Es ist jetzt besser. Es ist nichts. Geh
nicht, Mulder. Hör nicht auf."
Sie bettelte und sie wusste das. Er hatte
sie zu einer bettelnden Masse reduziert. Doch was konnte sie sonst tun? Mulder
hatte sich ganz von ihr weg gedreht und sich an die Fensterbank gegenüber dem
Fußende ihres Bettes gelehnt, sein Rücken war gebeugt und sein ganzer Körper
zitterte. Sie konnte ihn immer noch heftig atmen hören. Er versuchte so sehr,
das Richtige zu tun. Und es zerstörte sein letztes bisschen an klarem Verstand.
Es verlangte ihn danach, sie zu nehmen, so
wie sie es brauchte, von ihm genommen zu werden. Es war Zeit, es ihm wirklich
zu zeigen, ihn dieses Verlangen wirklich sehen zu lassen.
"Mulder..." seufzte sie und er brannte
bei dem Laut. Er hörte, wie sie sich ein wenig hin und her bewegte, das
schwache Geräusch von Seide, die über Haut glitt und einen weiteren Seufzer.
Sie zog die Hose ihres Pyjamas aus, er wusste es einfach. Blauer Streifen,
blauer Streifen, blauer Streifen, sieh nicht hin, dreh dich nicht um, wenn du
hinsiehst, bist du ein toter Mann, blauer Streifen, blauer Streifen, blauer
Str...
"Mmmmmulder... ich brauche dich. Ich
brauche dich hier."
Es war Neugierde, ein brennendes Verlangen,
es zu wissen, das es ihm wirklich antat. Er wusste, dass sie jetzt
möglicherweise nackt war. Doch da war noch mehr. Er hörte sie seufzen und wie
sie sich hin und her bewegte und er musste es wissen, er musste es sehen.
Mulder warf einen nervösen Blick über seine
Schulter und sein Herz blieb völlig stehen. Er hatte recht gehabt. Sie war
völlig nackt, saß aufrecht gegen das Bettende gelehnt da, ihren Kopf hatte sie
zurückgeworfen und ihre Beine an den Knien gebeugt, gespreizt, ihr gebrochener
Arm ruhte an ihrer Seite und ihre gesunde Hand... Gott, ihre gesunde Hand, sie
war zwischen ihren Beinen. Sie berührte sich verdammt noch mal selbst,
masturbierte genau vor seinen verdammten Augen, mitten in dem verdammten
Krankenhaus.
Das musste die verrückteste Sache sein, die
sie je getan hatte. Sie konnte kaum glauben, dass sie die Kühnheit dazu hatte.
Doch es war nicht wirklich Courage, sondern Verzweiflung, die sie soweit
getrieben hatte. Sie war bereit, alles zu tun.
Es fühlte sich gut an, sich selbst so zu
spüren, doch es war nicht gut genug. Sie brauchte seine Hände, seinen Mund.
Obwohl seine Augen fast genauso gut waren. Er hatte sich ganz umgedreht um sie
anzusehen, fast in Zeitlupentempo und hatte sich nach vor gebeugt, umklammerte
seine Knie, so als ob er mächtig vermöbelt worden wäre, seine Augen verließen
niemals ihren Körper.
Er sah total verwirrt aus, fast als ob er
Schmerzen hätte. Er tat ihr fast leid. Fast.
Sie wusste dass er von dort, wo er stand und
von der Art, wie sie dasaß, absolut alles sehen konnte, was sie tat, jede
Bewegung ihrer Finger, jedes Detail des intimsten Ortes ihres Körpers. Keine
Geheimnisse mehr. Sie dachte, wenn du dabei bist es zu tun, kannst du es
genauso gut gleich ganz machen.
Mit ihrer Hand zog sie für ihn ihre Falten
auseinander, zeigte ihm ihre Klitoris und umkreiste sie sanft mit ihrem
Mittelfinger.
"Mmmmulder, das fühlt sich so gut
an..."
Er kaute auf der Innenseite seiner Wange, versuchte Blut zu schmecken, um etwas anderes zu fühlen.
Dünne blaue Irgendwas... woran zum Teufel sollte er gleich denken? Gott, es war
einfach zuviel. Er fragte sich, ob es für eine Erektion möglich wäre,
tatsächlich aus eigenem Antrieb durch einen Reißverschluss zu brechen. Es
fühlte sich an, als ob es ihn tatsächlich ziehen würde, quer durch den Raum und
an das Fußende ihres Bettes, um ihr näher zu sein.
Er schmeckte etwas Metallisches in seinem
Mund, doch da hatte er schon wieder vergessen, was er versucht hatte zu tun.
"Mulder... oooh Gott... ich brauche
dich, Mulder," stöhnte sie und sein Verstand
wurde durch das Bild von dem, was sie brauchte, überflutet, was sie sich
vorstellte, fühlte, wollte. Mit einem Stöhnen sank er am Fußende ihres Bettes
auf die Knie. Er hörte seine Knie auf dem Boden knacken, doch er spürte es
nicht.
Mulder könnte ihr das geben. Das würde okay
sein. Es musste ihr nicht wehtun. Nur diese eine Sache.
Scully fühlte seine Hände an ihren Knöcheln.
Er zog an ihr und sie glitt hinunter zum Bettrand. Ihre Beine baumelten über
die Seite und ihr Schritt war nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Als
sie da war, zog er ihre Hand von ihrem Körper.
"Hör auf, Scully. Hör auf. Du musst
damit aufhören," keuchte er und drückte ihre Hand
auf die Matratze hinunter. Sie lächelte. Endlich. Und dann keuchte sie selbst und
als sie fühlte, wie sein Mund sie bedeckte, besuchten ihre Augen ihren
Hinterkopf.
Nur diese eine Sache, sagte er sich selbst
nochmals, als er seine Zunge wieder und wieder über ihre Klitoris gleiten ließ.
Nur diese eine Sache und sie wird glücklich sein und
ich werde glücklich sein und dann kann ich gehen. Nach Hause gehen, in das
Badezimmer gehen, irgendwohin gehen, es ist verdammt egal wohin. Doch nicht
hier, nicht hier, nicht hier. Sie würde nachher möglicherweise einschlafen.
Wenn er es wirklich gut machte, würde sie hinterher einfach einschlafen, so wie
er es nach einem erstaunlichen Orgasmus immer tat.
"Ah Mulder... Gott... oh Baby...
ja..."
War sie das? Sprach sie mit ihm? Es
funktionierte. Es funktionierte tatsächlich. Sie mochte es. Es war zuviel.
Warum musste sie so viel Krach machen? Nannte ihn BABY? Jesus Christus. Er
ballte eine Hand zur Faust und stieß mit der anderen in sie, um sich selbst
davon abzuhalten, seine Erektion zu berühren.
Blaue Streifen und weiße Wände. Planet der
Affen. Hör einfach dem 'Planet der Affen' statt ihr zu.
'Hüte dich vor der Bestie, da sie des
Teufels Schachfigur ist...'
Es war Cornelius. Er mochte Cornelius. Denk
an Cornelius. Cornelius wusste eine Menge über Bestien. Vielleicht konnte er
helfen.
Sei keine Bestie, sei aufmerksam, denk nicht
daran, was du tust, was sie sagt, wie sie riecht, wie ihr Saft dein Kinn
hinunterläuft und an deinen Bartstoppeln hängenbleibt, komm verdammt noch mal
nicht in deinen Hosen.
"Gott, Mulder... so gut, das fühlt sich
so gut an..."
Oh Scully, halt die Klappe, halt die Klappe,
ich liebe dich, aber halt die Klappe! Bitte! Er fragte sich, wie lange das
dauern würde, wie viele Minuten er zuhören musste, wie sie diese Dinge zu ihm
sagt.
Plötzlich und unerwartet wurde Scullys
ganzer Körper völlig steif. Das war es, oh Gott, das war es wirklich. Schon?
Sie packte seinen Hinterkopf und zog ihn
gegen sich und dann, bevor er eine Chance hatte, an Streifen oder Affen oder
Bestien zu denken, zitterte und zuckte sie gegen ihm und wickelte ihre Beine
eng um seinen Hals und redete mit ihm. Gott, als sie an seinem Gesicht kam,
redete sie mit ihm einfach weiter, sagte ihm, wie es sich anfühlte, wie stark
sie kam, und das alles in der sanftesten, sexiesten Stimme die er sich vorstellen
konnte und sie wimmerte, versuchte nicht, wie am Spieß zu schreien und die
Krankenschwestern zu alarmieren.
Nachdem, was der längste Orgasmus, den er je
gesehen hatte war, seufzte sie und ihr ganzer Körper wurde schlaff. Er zog sich
von ihr zurück und plazierte einen zarten Kuss auf ihren Bauch. Es war Zeit zu
gehen. Die Frage war, konnte er aufstehen?
Mulder, es war Mulder. Danke Jesus, es war
Mulder.
Sie lag einen Moment lang mit geschlossenen Augen
da, sonnte sich in der Empfindung, endlich diesen herrlichen Mund zwischen
ihren Beinen gehabt zu haben. Konnte sie von ihrem Leben noch mehr als das
verlangen?
Ja. Ihn. Sie haltend. Neben ihr. Auf ihr. In
ihr.
Sie schob sich mit noch geschlossenen Augen
hoch zum Kopfende des Bettes und wartete auf ihn. Ein weiterer langer Moment
verstrich und er war immer noch nicht da. Sie öffnete ihre Augen, um ihn, mit
seinen Händen auf dem Türknauf dastehend, nervös auf sie zurückblickend, zu
ertappen. Als er sah, wie sie ihre Augen öffnete, sah er erschrocken aus.
"Ich äh... ich dachte, dass du
schliefst... schläfst, eingeschlafen bist..."
"Mulder, was tust du?"
Er zuckte mit den Schultern und ließ den
Türknauf los, fuhr sich mit seiner Hand durch sein Haar. Er sah so aus, als ob
er nun ernsthafte Schmerzen hätte, seine Augen waren verengt und schielten und
er kaute auf seiner Lippe. Sein Körper war immer noch vornüber gebeugt.
"Ich habe... äh, gedacht... ich war
dabei, zu äh... gehen."
"Gehen? Du warst dabei, zu gehen?
Mulder... warum?"
"Ich muss... ich habe äh... ich habe
noch etwas zu erledigen..."
Scheiße. Warum schlief sie nicht? Er war
sich sicher gewesen, dass sie nach diesem Orgasmus einfach wegtreten würde.
"Ich dachte, dass du ähm... müde bist,
Scully."
"Müde? Nein Mulder. Ich bin nicht müde.
Nicht im geringsten. Tatsächlich fühle ich mich sehr
angeregt, erfrischt."
Großartig. Angeregt. Das war einfach
großartig.
"Mulder, du wirst dieses Zimmer nicht
wirklich einfach so verlassen, oder?"
"Wie... wie was?"
Sie schnaubte ungläubig. Sicherlich war ihm
klar, wie er aussah. Diese Hose war wirklich eine schlechte Wahl gewesen. Und
was zum Teufel dachte er sich überhaupt dabei? Konnte er möglicherweise immer noch
Angst davor haben, dass sie das nicht wollte? Oder hatte er wegen diesem dummen
Arm Angst davor, ihr wehzutun? Die Tatsache, dass sie in einem Krankenhaus
waren? Das war alles so lächerlich.
"Mulder, komm her. Komm her und gib mir
zumindest einen Abschiedskuss, bevor du gehst."
Oh Scully. Wie soll ich das tun können? Wie
soll ich dich wieder küssen und dann überhaupt noch dazu fähig sein, zu gehen?
Doch sie sah ihn wieder auf diese Art an und
sie musste noch nicht mal bitte sagen und Gott, sie war so verdammt nackt. Nur
ein Kuss. Nur ein kleiner Kuss und dann würde er nach Hause gehen. Er konnte
einen weiteren kleinen Kuss überleben.
Doch er war nicht klein. Es war noch nicht
mal ein Kuss. Jedenfalls nicht wie einer, den er jemals hatte. Es war lecken
und beißen und schlagen und feucht und wild und es war sie. Es war Scully.
Scully ließ ihre Zunge über seine Lippen laufen, seine Zähne, sein Kinn,
schmeckte sich selbst auf seinem ganzen Gesicht und zog seinem Kopf zu sich und
zum zweiten Mal hatte sie ihn. Er verlor sich selbst und vergaß, wo er war und
warum er sie zuvor noch verlassen wollte und die Tatsache, dass sie immer noch
krank war, weil er sie wieder küsste und nicht anderes zählte. Nichts anderes
existierte.
Als er mit ihr zurück in das Bett krabbelte,
lächelte sie triumphierend gegen seine Lippen. Ihre Zungen trafen sich in der
Luft und sie kletterte wieder auf ihn, stöhnte bei dem Gefühl ihres nackten
Körpers an seinem bekleideten. Aus irgendeinem Grund war das sehr erregend. Da
war etwas gefährliches, fast obszönes daran.
Er schien das auch zu denken, da er
erbärmliche, wimmernde Geräusche in seiner Kehle machte und seine Hände mit
einer Verzweiflung, die sie noch nie bei jemanden
gespürt hatte, über ihren Körper gleiten ließ.
Es war an der Zeit. Der arme Kerl hatte
lange genug gewartet. Und das hatte sie auch.
Sie fasste zwischen ihre Körper, zog an dem
Knopf seiner Hose und öffnete den Reißverschluss. Sie war überrascht und
erfreut, darunter nichts als Mulder vorzufinden. Abwesend fragte sie sich, wie
oft er schon neben ihr gestanden hatte, sie umarmt hatte, mit nichts außer
seiner Hose zwischen ihnen.
Mulder registrierte kaum, was sie tat, bis
er ihre heiße kleine Hand auf seinem Schwanz fühlte. Er wollte damit aufhören,
sie zu küssen, um ihr zu sagen, dass sie aufhören sollte, ihn zu berühren, oder
er würde eine große Schweinerei machen, doch es fühlte sich so gut an. Es
fühlte sich einfach so gut an.
Und dann... oh Gott... es war Scully.
Sie balancierte auf ihren Knien und
positionierte sich selbst über ihm, glitt mit einer einzigen Bewegung hinunter,
nahm ihn vollständig in sich auf. Seine Augen sprangen auf und sein Griff an
ihrer Taille wurde fester und sein ganzer Körper zuckte heftig unter ihr und er
schrie in ihren Mund, Schrie wie eine verdammte Banshee und ihr wurde klar,
dass er kam.
Es war Scully. Oh Gott, es war Scully und
sie fühlte sich so gut an, besser als er je geglaubt hatte, dass sich etwas
anfühlen könnte. Es war Scully. Gott, es war Scully.
Und er kam. Gott, er kam. Oh Gott.
Nein. Oh Gott, nein.
Sie fühlte, wie er sich in ihr entleerte und
genoß die Empfindung. Als er fertig war, hörte sie auf, ihn zu küssen und sah
in sein Gesicht. Seine Augen waren geschlossen und er keuchte schwer. Es war
komisch. Das alles war so verdammt komisch. All das Theater, das er darüber
gemacht hatte, dass sie in einem Krankenhaus waren und erwischt werden könnten
und da war er, schrie sich die Seele aus dem Leib, fast so, als ob er den Schreck
seines Lebens hätte. Und all die Zeit, all das Warten und das war’s. Er ist in
weniger als fünf Sekunden gekommen. Es war bezaubernd. Und komisch. Gott, es
war so komisch.
Sie begann, auf ihm zu kichern und als sie
damit angefangen hatte, konnte sie nicht aufhören. Sie rollte von ihm runter
und brach in einen fürchterlichen Lachanfall aus.
Mulder nickte. Das war komisch. Sie lachte
völlig zu Recht. Das war möglicherweise das komischste, das sie je gesehen
hatte. Er hatte sie schließlich zum Kichern gebracht. Zu schade, dass er sie
dabei nicht beobachten konnte, da er es nicht einmal ertragen konnte, seine
Augen zu öffnen. Er musste sie fest zusammenpressen, um die Tränen
zurückzuhalten.
Was zum Teufel? Was verdammt noch mal?
Konnte es ein noch erbärmlicheres Individuum geben? War es überhaupt denkbar?
Nein. Er war der größte, erbärmlichste
Verlierer auf dieser Erde.
Was zur Hölle sollte er nun tun? Es ihr
wieder mit dem Mund besorgen? Würde sie das nach all dem überhaupt noch wollen?
Würde sie überhaupt noch wollen, dass er im gleichen Zimmer war?
Gott, warum musste er in allem ein so
verdammter Verlierer sein? Sechs verdammte Jahre. Sechs Jahre des Aufbaus, der
Erwartung, des Wartens darauf, was der beste Sex in ihrem Leben sein sollte und
er hatte, wie eine verdammte sechzehnjährige Jungfrau, in zwei verdammten
Sekunden seine Ladung verschossen. Jesus Christus, er war noch nicht mal bei
seinem ersten Mal so erbärmlich gewesen.
Und sie lachte immer noch. Und er hatte
immer noch seine verdammte Kleidung an.
Schließlich war er dazu in der Lage, seine
Augen zu öffnen und sah an sich hinunter. Die Tränen waren befreit und liefen
seine Wangen hinunter, als er sah, wie wahrhaftig lächerlich er mit seinen
schmutzigen Hosen und seinem heraushängenden, nun schlaffen Penis aussah. Gott,
sie hatte Recht damit, so zu lachen. Er war ein verdammter Witz.
Unfähig dazu, die Lage seines unerträglich
lahmen und enttäuschenden Penis zu ertragen, fasste er nach unten, zog den
Reißverschluss seiner Hose zu und drehte sich um, schwang seine Beine über die
Bettkante und wandte Scully den Rücken zu. Er vergrub seinen Kopf in den Händen
und befahl sich selbst, mit dem Weinen aufzuhören. Es war möglicherweise das
Einzige, das diese Situation noch erniedrigender machen könnte.
Durch den Schleier ihres hysterischen
Anfalls bemerkte Scully, dass Mulder sich von ihr weg bewegt hatte. Sie
schluckte ihr Kichern hinunter und schnaubte, als sie sah, wie er sich über die
Bettseite beugte.
Sie streckte ihre Hand aus und streichelte
sein Haar und er riß sich tatsächlich von ihrer Berührung los. Oh Gott, sie
hatte das wirklich verdorben. Gründlich.
"Mulder? Mulder, es... es tut mir
leid..."
"Das braucht es nicht. Es ist komisch.
Ich habe gelacht. Wer zum Teufel würde das nicht."
Seine Stimme krächzte und sie weinte fast
selbst. Natürlich würde er das als eine Art Versagen sehen. Natürlich würde er
ihr Lachen als Gespött ansehen. Es war Mulder. Es hätte ihr klar sein müssen.
"Mulder, ich habe gelacht weil es... na
ja, es war süß."
Süß. Sie dachte, es war süß. Genauso wie er
es sich erträumt hatte, dass sie ihr Liebesspiel beschreiben würde. Es war für
ihn jetzt definitiv an der Zeit, nach Hause zu gehen.
"Mulder, es tut mir leid. Ich hätte das
nicht tun sollen..."
"Du hättest was nicht tun sollen,
Scully? Einen erbärmlichen Verlierer bumsen?"
Sie verdrehte ungläubig ihre Augen und
versuchte, das überwältigende Bedürfnis, ihn besinnungslos zu schlagen, zu
unterdrücken.
"Ich hätte dich nicht so lange warten lassen
sollen, Mulder. Ich hätte dich nicht so necken dürfen. Du warst bereit, als du
hierher gekommen bist. Ich meine, es war unvermeidlich..."
"Scully, hör auf. Hör einfach
auf."
Das letzte, was er wollte, war ihr Mitleid
und ihr herablassendes Verhalten. Und wenn sie auch nur versuchte, ihm zu
erzählen, dass diese Erfahrung für sie sogar ein wenig vergnüglich war, war er
sich sicher, dass er sie würgen würde.
"Mulder, es ist okay. Ich finde
nicht..."
"Ich werde jetzt gehen, Scully. Ich
muss gehen."
Gott, nicht das schon wieder. Wie oft würde
sie mit ihm deswegen kämpfen müssen?
"Du gehst jetzt? Einfach so? Holst dir
einfach, was du brauchst und dann gehst du, Mulder?"
"Gott, Scully, es ist nicht... so ist
das nicht. Ich muss nur..." Er drehte sich zu ihr um, versuchte sie dazu
zu bringen, es zu verstehen. Sobald er ihr trotziges, kleines Gesicht und ihren
nackten Körper dasitzen sah, musste er sich wieder umdrehen. Was für ein
erbärmlicher Schwanzlutscher er doch war. Er war sich sicher, dass er nie
wieder eine weitere Gelegenheit bekommen würde, diesen Körper zu berühren.
"Ich kann dir im Moment noch nicht mal
ins Gesicht sehen, Scully, ich muss jetzt gehen."
Er begann, sich vom Bett zu erheben und sie
griff nach seiner Hand.
"Verdammt Mulder, ich sagte, dass es
okay ist. Ich liebe dich. Erinnerst du dich? Ich liebe dich und ich bin mir
sicher, dass du es beim nächsten Mal ähm... auf eine Art und Weise machen
wirst, die für dich zufriedenstellender ist."
"Beim nächsten Mal?" Er konnte
nicht glauben, dass sie ihm noch eine weitere Chance geben wollte. "Es
gibt ein nächstes Mal?"
"Oh Mulder,"
lachte sie. Wie konnte man nur so dumm sein? "Ich hoffe doch sehr, dass es
das gibt."
Sie berührte sein Gesicht und er war dazu
fähig, sie anzusehen und lächelte schwach.
"Ich liebe dich, Mulder. Ich weiß
nicht, was ich sonst noch sagen kann."
"Du könntest sagen, dass das nicht die
schlimmste Nummer deines ganzen Lebens war," bot
er hoffnungsvoll an.
"Ähm... Mulder, das war die schlimmste
Nummer meines ganzen Lebens."
Er nickte verstehend. Natürlich war es das.
"Doch Mulder, es war auch die
erstaunlichste Erfahrung, die ich beim Sex je hatte. Die Gefühle, zu sehen, wie
sehr du mich wolltest, das war wundervoll,"
murmelte sie, zog ihn zurück, damit er wieder an ihrer Seite lag. Es war die
Wahrheit. Sie hatte in ihrem Leben noch nie so ein unbesonnenes Gefühl von
Stärke gespürt. Zu wissen, dass sie das bei ihm bewirken konnte, es war
beeindruckend.
Er drückte den Knopf an der Seite des
Bettes, brachte die Matratze in eine liegende Position und zog die Decke über
sie. Dann rollte er sich auf die Seite und schlang seine Arme um sie, vergrub
seinen Kopf an ihrer Brust. Vielleicht würde es okay sein. Es fühlte sich okay
an. Gott, es fühlte sich besser als okay an.
"Das waren erstaunliche zwei Sekunden,
Scully, oder nicht?"
Als ihre Augen zufielen, nickte sie.
"Die besten meines Lebens, Mulder. Mmmm müde. Ich denke, dass die
Medikamente ihre Wirkung zeigen."
"Bist du sicher, dass es die
Medikamente sind und nicht die überwältigende sexuelle Befriedigung,
Scully?"
"Na ja, ich wollte es dir nicht
sagen... ich denke, du könntest zuviel Mann für mich sein, Mulder."
Er lachte an ihren Brüsten und drückte sie noch
fester. Er fragte sich, wie sie es schaffte, dass alles wieder gut wurde. Er
fragte sich, ob es möglich war, sie noch mehr zu lieben.
"Willst du dir den Rest des Filmes
ansehen, Scully?"
Sie antwortete nicht, hoffte, dass er denken
würde, sie wäre eingeschlafen und damit sein Quasseln ein wenig einstellen
würde.
"Scully?"
Mulder sah auf und sah, dass ihre Augen
geschlossen waren und sie ein friedliches Lächeln auf ihren Lippen hatte. Er
blickte wieder zum Bildschirm und sah, wie sein alter Freund Charlton eine
Waffe auf Cornelius richtete.
'Versuchen Sie nicht, mir zu folgen. Ich
kann damit ziemlich gut umgehen,' warnte er.
'Dessen bin ich mir sicher. Mein ganzes
Leben habe ich auf Ihr Kommen gewartet und es gefürchtet.'
Mulder drückte den Aus-Knopf auf der
Fernbedienung und fragte sich, warum er nie bemerkt hatte, wie sexuell dieser
Film war. Er drehte auch die Nachttischlampe ab und kuschelte sich in der
Dunkelheit wieder an Scully.
Aus irgendeinem seltsamen Grund begann er
wieder, zu weinen. Keine Tränen der Traurigkeit oder der Scham, sondern
vielmehr eine neue, seltsame Sache, von der er sich sicher war, sie niemals
zuvor gefühlt zu haben. War es Glück? War das dieses seltsame Flattern in
seinen Magen?
"Ich liebe dich, Scully," krächzte er leise an ihrem Hals.
"Ich bin so froh,"
flüsterte sie zurück.
"Hey, du solltest schon längst
schlafen. Du hast mich reingelegt."
"Mulder?"
"Hmm?"
"Ich schlafe. Pssst."
Er lächelte und presste einen Kuss auf ihre
warme, weiche Haut.
"Ich liebe dich so sehr," flüsterte er wieder und dieses Mal war sie wirklich
eingeschlafen. Er blieb noch für einige Stunden wach, bewachte ihren Schlaf und
hielt sie und machte sich selbst und ihr mehrere stille Versprechen, dass er es
das nächste Mal viel, viel besser machen würde.
Ende:
Desideratum II: Gefunden