DICH ZU LIEBEN
(Originaltitel: Loving You )
von Leyla
Harrison
aus dem Englischen
übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de
>
*** überarbeitet 2017 ***
1. Mai 1996
Dementi: (Disclaimer): Die
Charaktere des Fox Mulder und Dana Scully gehören Chris Carter und 1013 Productions, aber ich leihe sie mir für meine Absichten in
dieser Geschichte aus. Ich hoffe, nichts durch meinen Post hier zu gewinnen,
außer vielleicht wieder so nette und unterstützende Worte
wie bei meinen Stories in der Vergangenheit. An
dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mir in Bezug auf meine
Geschichten geschrieben haben... Ihr X-Philes von der Newsgroup seid unglaublich, und wenn ich bisher nicht so liebe
Antworten bekommen hätte, hätte ich bestimmt nicht wieder gepostet.
Mehr Disclaimer: Diese Geschichte
ist gewertet R (ab 16) wahrscheinlich NC-17 (ab 18) für sexuelle Situationen.
Ich weiß es noch nicht genau, da ich sie noch nicht zu Ende geschrieben habe.
Alle, die nicht möchten, dass zwischen Mulder und Scully eine Beziehung
entstehen soll (und was zum Teufel ist eigentlich mit Euch los?), sollten jetzt
aufhören zu lesen.
Noch mehr Disclaimer: Diese
Geschichte enthält Tonnen von Angst... Mulder und Scully Angst. Tonnen und
nochmals Tonnen von Angst. Und Tonnen von Handlungssträngen.
Und jetzt, auf geht's!!!
Alle Kommentare, Lob und Beschwerden
(bitte nicht so hart, ich bin ziemlich sensibel) zu starbuck72@netaxis.ca (Anm.: bitte e-mailt der Autorin NUR auf
Englisch!!!)
SCULLYS APARTMENT
10. Juni 1996
22.00 Uhr
Scully saß zusammengerollt in
einer Ecke ihrer Couch umwickelt von einer Decke wie in einer Schutzhülle. Sie
war vom Büro sofort nach Hause gefahren und hatte eine ganze Stunde auf dem
Trainingsrad verbracht, bis sie vollkommen erschöpft war. Es hatte aber
geholfen. Als sie kurz vor der Erschöpfung stand, raste ihr Puls und sie hatte
schwer atmend aufgehört. Es war trotzdem ein gutes Gefühl - ein völliges
Hochgefühl und ein Gefühl der Freiheit, das sie beruhigte. Dann war sie zu
ihrer Couch gestolpert, einem ihrer Lieblingsplätze, hatte den Fernseher auf
CNN geschaltet, die Lautstärke gedämpft und war eingedöst. Es war ein langer
und unglaublicher Tag gewesen, und sie brauchte etwas Zeit, um sich zu
entspannen. Um über einige Dinge nachzudenken. Etwas Zeit, um die Ereignisse
des Tages aus ihrem Kopf zu bekommen.
Mulder hatte sie an diesem
Nachmittag im Büro beinahe geküsst.
Er war so dicht dran gewesen.
Sie bekam wieder Panik bei dem
bloßen Gedanken daran, so dass sie nicht wusste, wie sie damit umgehen sollte.
Sie hatten sich den ganzen Tag nur angeschrien als Folge einer langen Woche und
der üblichen unterschiedlichen Ansichten. Sie hatten eigentlich gar keinen
richtigen Fall im Moment, und Mulder hatte aus irgendeinem Grund darauf
bestanden, alte Angelegenheiten aus früheren Zeiten wieder auszudiskutieren.
Angelegenheiten, über die sie lieber nicht sprechen wollte.
Aber für ihn war es wie ein
Spiel, und als der späte Nachmittag anrückte, hatte er die Grundregeln
festgelegt.
Es war ganz einfach. Wer hat in
den letzten zwei Jahren mehr durchstehen müssen? Wer hat am meisten leiden
müssen? Er grub wieder den Tod ihres Vaters hervor, seine Schwester, die gar
nicht seine Schwester war, Melissas Tod, der Mord an seinem Vater, Scullys
Entführung... all die Dinge, die sie versuchte, hinter sich zu lassen. Es war
schon grausam genug, es in Gedanken wieder durchleben zu müssen, geschweige
denn, es sich von ihm anhören zu müssen.
Was ist nur in ihn gefahren?
hatte sie sich auf dem ganzen Weg nach Hause gefragt. Er hatte sich so seltsam
benommen. Als ob er fast Spaß daran gehabt hätte, alles wieder hervorzurufen.
10. JUNI 1996
EINIGE STUNDEN ZUVOR FBI HAUPTGEBÄUDE, WASHINGTON DC
"Es reicht, Mulder",
giftete sie ihn an, und wollte das Büro verlassen, als Mulder ihr mit der Erinnerung
an ihre Entführung zusetzte. Er hatte sie angestarrt mit seinen braunen Augen,
die normalerweise warm waren, die jetzt aber kalt wie Eis Löcher in sie hinein
brannten. "Hast du nie irgendwelche Zweifel?" hatte er sie gefragt
und sie hatte entschieden den Kopf geschüttelt. "Fragst du dich nie, ob es
nicht viel mehr gibt, als das, was wir gesehen haben?"
Sie hatte ihre Sachen genommen
und versucht, diese Unterredung zu beenden.
"Ich gehe nach Hause. Ein
schönes Wochenende, Mulder."
"Du hättest erschossen
werden können anstatt Melissa. Die Kugel war für dich bestimmt", hatte er
mit flacher Stimme gesagt. Seine Stimme hatte so schnell umgeschwungen, dass
sie es nicht erwartet hatte. Der Tod ihrer Schwester war ihr immer noch frisch
im Gedächtnis und es war das einzige, bei dem sie noch sehr empfindlich war.
Die Blätter, die sie in ihre
Tasche stecken wollte, glitten ihr aus der Hand und flatterten auf den Boden.
"Verdammt", fluchte sie. Sie beugte sich hinunter, hob sie auf und
versuchte, sie wieder in Ordnung zu bringen. Er war augenblicklich an ihrer
Seite und half ihr.
"Es tut mir Leid",
sagte er und seine Stimme war weicher. "Scully, es tut mir leid." Er
berührte ihre Hand, mit der sie die Blätter hielt und sie hielt inne und sah
ihn an. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter entfernt und sie konnte
seinen Atem schwach und warm auf ihrem Gesicht spüren. Er sah sie an und sie
erwiderte seinen Blick, unfähig sich zu bewegen oder zu sprechen.
Sie erkannte den Ausdruck in
seinen Augen wieder, obwohl sie ihn noch nie in einer solchen Intensität
gesehen hatte. Es war ein Ausdruck voller Sehnsucht. Der Griff seiner Finger an
ihrem Handgelenk half ihr, ihr Gleichgewicht beizubehalten. Sie konnte die
Wärme seiner Haut tief in sich hineinströmen fühlen. Sie war ihm so nahe;
alles, was sie hätte tun müssen, war, sich ein wenig nach vorne zu lehnen und
ihre Lippen hätten sich berührt.
<Es war genau das, was du
immer wolltest.>
Sie erschrak ob der plötzlichen
Welle ihrer Gefühle. Aber andererseits hatte sie schon immer gewusst, was sie
wirklich für Mulder empfand.
Mulder sah sie an. Er konnte das
intensive Blau ihrer Augen sehen als ob er sie zum allerersten Mal sehen würde.
Ihre Unterlippe war voll und warm. Wenn
er doch nur...
Mulder hob seine Hand und strich
mit seinem Daumen langsam über ihre Lippen auf eine Weise, die man als nicht
anders als gefühlvoll interpretieren konnte. Er fühlte ihre weichen Lippen und
wollte sie an sich ziehen und seinen Mund gegen ihren pressen. Scullys Augen
weiteten sich, als ob sie genau sehen konnte, was er dachte, was er wollte.
"Scully", flüsterte er sanft.
Er berührte ihre Wange, ihren Unterkiefer, ihren Hals.
Ihre Haut brannte wie Feuer durch
seine Berührung. Für einen Moment wollte sie ihn mehr als alles andere, aber im
nächsten bekam sie schreckliche Angst. Erschrocken wich sie von ihm. Mulder
schaute schuldbewusst auf den Boden und wich ebenfalls zurück. Er wusste, dass
er die unsichtbare Grenze überschritten hatte, die sie zwischen sich aufgebaut
hatten.
Scully stand auf und strich sich
eine Strähne hinter ihr Ohr. Sie konnte ihn nicht ansehen. Sie wusste, was sie
in seinen Augen sehen würde, wenn sie es tat. Sie wollte auch nicht, dass er
sie ansah. Er würde dasselbe in ihren Augen sehen. Das Verlangen füreinander,
das so urplötzlich vom tiefsten Innern an die Oberflächen getreten war, war nun
schwer zu verbergen.
Scully stopfte die Blätter zurück
in ihre Tasche. Sogar mit dem Rücken zu ihm konnte sie seine Augen auf ihr
fühlen. Sie konnte immer noch die Wärme auf ihrem Gesicht spüren an der Stelle,
an der er sie berührt hatte; ihre Lippe, die er nur Momente zuvor berührt
hatte, zitterte leicht. "Wir sehen uns später", schaffte sie zu sagen
und lief aus dem Büro.
SCULLYS APARTMENT
10. Juni 1996
23.00 Uhr
Das Klopfen an der Tür schreckte
Scully aus ihren Gedanken. Es war eigentlich gar kein richtiges Klopfen;
vielmehr ein hartnäckiges Hämmern. Sie
sprang von der Couch und eilte zur Tür. Sie machte nur kurz Halt, um ihre Waffe
von der Küchentheke zu holen. Sie prüfte, ob sie geladen war und näherte sich
dann vorsichtig der Tür. Das Hämmern hörte nicht auf. Sie wollte schon fragen,
wer es war, als sie eine Stimme hörte: "Komm schon, Scully, ich weiß, dass
du da bist. Mach die Tür auf."
Sie schaute durch den Spion, um
sicher zu gehen. Es war Mulder. Zugegeben, er sah ein wenig zerzaust aus... es
war aber vielleicht nur durch die Verzerrung im Spion. Sie schloss die Tür auf
und öffnete sie.
Mulder war wirklich zerzaust, es
war nicht die Verzerrung gewesen. Er hatte getrunken. Seine Augen wurden weit, als er sie sah. Sie
sah an sich herunter und verstand warum. Sie trug immer noch die Sachen, die
sie auf dem Trainingsrad getragen hatte. Eine schwarze Radlerhose und einen schwarzen
Sport-BH. Sie blickte zurück zu Mulder, dessen Augen jede ihrer Kurven hungrig
in sich aufsaugten. Sie winkte ihn herein und eilte ins Schlafzimmer, um sich
etwas über zu werfen. Das erste, das sie fand war ein Sweatshirt, also zog sie
es sich schnell über den Kopf. Ein Blick in den Spiegel auf dem Weg zurück ins
Wohnzimmer verriet ihr, dass sie immer noch rot war.
Mulder stand immer noch an der
Tür und sah auf etwas in ihrem Bücherschrank. Er drehte sich um, als er sie
wieder ins Zimmer kommen hörte. "Scully, hör zu—" fing er an, aber sie
schnitt ihm das Wort ab. "Mulder,
was machst du hier? Es ist schon spät."
Ihre Stimme war völlig neutral,
bemerkte er. Er konnte trotz des Nebels in seinem Gehirn durch die drei Wodkas an
der Bar sehen, dass ihr Gesicht immer noch rot war. Nachdem er sie an der Tür
gesehen hatte, hatte er die größte Mühe, ruhig zu atmen. Sie war ein Traum.
Sexier als er es sich je in seinen wildesten Phantasien vorgestellt hatte.
In all diesen Phantasien hatte er
es sich nie ausmalen können, wie sie mit so wenig an aussehen würde. Zugegeben,
er hatte sie bei ihrem ersten Fall praktisch nackt gesehen, aber das war sehr
lange her und unter völlig anderen Umständen. Damals war er noch nicht verliebt
in sie gewesen.
Und jetzt hatte er gesehen, was
sie normalerweise so gut verborgen unter ihrer Arbeitskleidung verbarg. Die
Radlerhosen verbargen nicht viel ihrer Beine. Und sie hatte tolle Beine. Fit
und muskulös ohne prahlend zu wirken.
Der Sport-BH ließ nicht mehr viel zur Vorstellung übrig. Ihre Schultern
und ihr Bauch waren sichtbar und ließ ihn die genaue Form ihrer Brüste
erkennen.
<Sie ist allererste Sahne.>
"Mulder?" fragte sie.
Er sah auf.
"Scully, ich will mit dir
darüber reden, was heute früh im Büro passiert ist."
Scully verschränkte defensiv die
Arme vor der Brust. Es kam ihr vor, als hätte sie überhaupt nichts an wegen der
kurzen Hose und weil sie barfuß war. Das Sweatshirt war das Beste, das sie
hatte nehmen können, denn sie hatte ihren Bademantel nicht finden können, als
sie ins Schlafzimmer gerannt war. "Da gibt es nichts zu reden,
Mulder", antwortete sie.
"Doch es gibt etwas",
kam seine Antwort. "Ich hätte all diese Dinge nicht sagen sollen, Scully.
Ich war nicht ich selbst."
<Natürlich warst du es.>
"Mulder, du bist betrunken.
Wir können morgen darüber reden." Mulder machte einen Schritt auf sie zu
und sie wich zurück, deutlich. "Ich würde gerne jetzt darüber reden",
sagte er und versuchte, seine Stimme stabil zu halten. Alles, woran er denken
konnte, seit sie aus dem Büro gelaufen war, war an ihre Haut. Wie weich sie war
und warm. Wie sich ihre Lippe unter seinem Daumen angefühlt hat. Wie sehr er
sie hatte küssen wollen. Wie sehr er sie jetzt küssen und sie auf dem Boden
lieben wollte.
"Mulder—" sagte sie und
legte ihren Kopf auf die Seite.
"Scully, bitte. Ich muss mit
dir darüber reden."
Sie konnte ihm die Bitte nicht
abschlagen und sie beide wussten es. Sei seufzte und willigte ein. "Ok,
also rede."
Er erstarrte. Was sollte er
sagen? Alles, das er sich zuvor an der Bar ausgedacht hatte, war wie
weggeblasen. "Scully, was vorhin zwischen uns passiert ist...",
begann er und kramte in seinem Gedächtnis nach Worten.
"Was vorhin passiert ist, hätte nicht
passieren sollen", log sie. "Es hätte nicht passieren dürfen. Das
wissen wir beide, Mulder."
Mulder sagte nichts. Er hatte sie
so oft "Es geht mir gut" in demselben Ton sagen hören, dass er
wusste, dass sie log.
"Scully, wir wollten, dass
es passiert", sagte er leise. "Zumindest ich wollte es. Und ich
wollte, dass noch mehr passiert." Mulder gratulierte sich selbst zu der
Idee trinken zu gehen, bevor er hier her gekommen ist. Seine Nerven würden ohne
den Alkohol jetzt bestimmt blank liegen, nachdem er dies gesagt hatte. Es half
ihm, ruhig zu bleiben. Doch gleichzeitig fürchtete er, dass er ohne seine
natürlichen Hemmungen zu viel sagen würde.
Scully zog bei seinen Worten
scharf die Luft ein. "Mulder, es gibt nichts zwischen uns. Gar
nichts." Sie wusste, dass sie genau das Gegenteil meinte und, was viel
schlimmer war, sie wusste, dass es sich so anhörte, als ob sie lügen würde. Sie
wusste, dass es ihn verletzte, was sie gesagt hatte. Aber sie konnte dies nicht
tun. Sie konnte nicht zugeben, dass sie
Gefühle für ihn hatte. Es war zu gefährlich.
<Worüber machst du dir Sorgen,
verdammt noch mal? Dass sie es beim FBI herausfinden? Oder hast du nur Angst
davor, ihm deine Verletzlichkeit zu zeigen?>
Mulder durchquerte den Raum mit zwei langen
Schritten und nahm sie in die Arme, bevor sie reagieren konnte.
"Mulder!" rief sie überrascht, als er eine Hand um ihre Hüfte und die
andere Hand an ihren Nacken legte und ihr mit den Fingern durch das Haar
fuhr. "Was tust du da?" Sie
wollte ihn schlagen, sich aus seiner Umarmung befreien, aber sie konnte es nicht.
Sie wollte es nicht. Sie war wie benommen, weil sein Körper so nahe an sie
gepresst war.
Mulder wollte sie in diesem
Moment küssen, aber er hielt sich zurück.
"Nichts zwischen uns?" fragte er sarkastisch, fast wütend.
<Wie konnte sie das nur denken?> Er beugte sich herunter und strich mit
den Lippen über ihre Stirn. Dann bedeckte er ihre Schläfen und ihre Augen mit
federleichten Küssen. Er fühlte, wie sie in seinen Armen zitterte. Sie hatte
ihre Arme um seine Hüften gelegt und hielt ihn fest. Er wusste, dass sie nicht
verhindern konnte, was passieren würde. Keiner von beiden wollte aufhören.
Mulder fürchtete, dass sie ihn
jeden Moment fort stoßen könnte, aber sie tat es nicht. Er ließ seine Hand von
ihrem Hals zu ihrem Kinn gleiten und hob es ein wenig an, so dass sie ihm in
die Augen sah. "Nichts zwischen uns, Scully?" fragte er wieder, seine
Stimme immer noch schneidend. Er wusste, dass er sie jetzt küssen musste. Es
war ihre Strafe, und obwohl er sie wollte, wollte er es sanft angehen lassen.
Doch zugleich wollte er sie überwältigen.
Sie schüttelte unmerklich den
Kopf. Er beugte sich noch tiefer und berührte ihre Lippen mit seinen, zart,
ganz zart, so dass er sich gar nicht sicher war, ob er sie überhaupt berührt
hatte. Aber er fühlte ihre Lippen unter seinen. Es war wirklich. Der Kuss war
sanft, für einen Moment jedenfalls.
Sobald Mulder sie küsste, war es,
als ob etwas in ihm losbrechen würde. Er ergriff Besitz von ihren Lippen und
hörte sie nach Luft schnappen, als er seine Zunge zwischen ihre Lippen schob
und heftig ihren Mund erkundete. Er warf seinen Körper auf sie mit einer Kraft,
von der er nicht gewusst hatte, dass er sie verwenden würde. Sie taumelten
gegen die Wand. Scully fühlte die Härte der Wand an ihrem Rücken, aber Mulder
hörte nicht auf, sie zu küssen.
Scully legte die Hände an seinen
Kopf, um ihn wegzuziehen, doch sie schaffte nur, ihre Hände in seinen Haaren zu
verstricken, so dass er sie mit noch mehr Leidenschaft und Heftigkeit küssen
konnte. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Hals und inhalierte den Duft ihrer
Haut, er fuhr mit den Händen an ihren Seiten herunter und zog das Sweatshirt
hoch, das sie vor nur einigen Minuten so hastig angezogen hatte. Er legte seine
Hände auf ihren warmen Rücken und konnte den weichen Stoff ihres Sport-BHs
fühlen. "Das ist es, das du willst,
hab ich Recht?" fragte er, aber er klang nicht mehr ärgerlich.
Scully fühlte, wie seine Erektion
gegen ihren Schenkel drückte und sie wusste, dass wenn sie ihn nicht bald
stoppen würde, würde sie es nicht mehr können. Sie wusste, dass sie es wollte,
aber ein Teil von ihr hatte Furcht, es ihm zu sagen.
Seine Hände glitten nun über ihre
Hüften und an ihrem Gesäß entlang. Sie war hilflos in seiner Umarmung. Seine
Lippen fanden wieder ihren Mund und er küsste sie abermals, er küsste sie auf
eine Weise, die jeden guten Grund aufhören zu wollen, aus ihrem Gehirn
verbannte. "Mulder", flüsterte sie zwischen ihren Küssen.
Er erzitterte, als er sie seinen
Namen sagen hörte, weil er wusste, was kommen würde. Er zog wieder an ihrem
Sweatshirt, diesmal mit der Absicht es auszuziehen. Wortlos ließ er sie gerade
mal so lange los, um es über ihren Kopf zu ziehen. Er warf es achtlos zu Boden.
Mulder starrte sie an und saugte ihren Anblick in dem Sport-BH
in sich auf, der sich bereits in sein Gedächtnis eingebrannt hatte.
Auf einmal war Scully schüchtern
und wollte schützend ihre Arme vor sich verschränken. "Nein, nicht",
hielt er sie davon ab. Er nahm ihre Hände und senkte sie wieder. "Du bist
wunderschön", sagte er leise. Er küsste ihren Hals und fuhr mit einem
Finger an den Rändern des Kleidungsstückes entlang, das sie zuvor verstecken
wollte.
Mulder merkte, dass es keine
Häkchen am Rücken hatte, deshalb hob er es über ihren Kopf und schnappte nach Luft,
als er ihre Brüste sah. Er beugte sich herunter und hob eine zu seinem Mund.
Mit der Zunge fuhr er über ihre bereits harte Brustwarze. Sie stöhnte und
schloss die Augen.
Jeder Nerv in Scullys Körper war
angespannt und sie reagierte viel sensibler auf jede Berührung und jede seiner
Bewegungen. Er versuchte, sie von ihrer Radlerhose und Unterwäsche zu befreien
und zog beides herunter, als er sie wieder leidenschaftlich küsste. Sie tastete
nach seinem Gürtel, doch sie fand seine Erektion und ließ ihre Finger
vorsichtig darauf spielen. "Oh Gott", flüsterte er. Scully öffnete
langsam seinen Reißverschluss.
Was zum Teufel machen wir hier?
dachte Mulder. Er wollte, dass ihr erstes Mal so... anders sein würde als das.
Aber was hier passierte, war völlig außer Kontrolle. Scully atmete schwer und
war offensichtlich sehr erregt. Er riss
ihre Radlerhosen den Rest des Weges herunter, ohne den Kuss länger als eine
Sekunde unterbrechen zu müssen. Er fühlte, wie hart er war, es war fast
schmerzhaft.
Er tastete nach ihr und fand sie
bereits feucht. Als seine Finger sie berührten, seufzte sie.
"Mulder", sagte sie wieder mit erstickter Stimme. Er fuhr mit einer raschen Bewegung in sie
hinein und sie griff seine Schultern und keuchte. Er sah sie voller Ehrfurcht
an. Sie war so unglaublich schön, dass er fast auf der Stelle gekommen wäre,
aber er konnte sich gerade noch mit dem letzten Rest seiner Willenskraft
aufhalten.
Scully fühlte, wie er anfing,
sich zu bewegen. Langsam zuerst, doch dann nahm sein Tempo zu. Sie schloss die
Augen. Zum Teil, weil sie sich aufrecht an der Wand liebten mit dem Rest ihrer
Kleider um ihre Knöchel verstreut, und weil sie sich bloßgestellt fühlte. Aber
dieses Gefühl verging, als sie ihrem Höhepunkt näher kam. Sie wusste, dass wenn
sie ihre Augen öffnete, sie sehen würde, wie er sie ansah. Sie wollte, dass er
den Moment sah, in dem sie ihre Augen öffnete und kam.
Seine Bewegungen wurden
schneller, kurze, schnelle Stöße. Sie hörte Stöhnen. War er es oder sie? Sie
wusste es nicht. Es war ihr egal. Sie hielt ihn fest an sich gepresst und
öffnete die Augen. Sie genoss es zu sehen, dass als sie über alle Grenzen fiel,
als ihr Orgasmus begann, seiner ebenfalls einsetzte.
"Dana", keuchte er,
"Dana, ich liebe dich, ich liebe dich." Er kam mit einem letzten Stoß
und hielt sie fest, als sie sich um ihn herum verkrampfte.
"Mulder, oh Gott,
Mulder!" schrie sie, als ihr Orgasmus sie schüttelte.
Es war still für einige Momente
und ihr Atem beruhigte sich. Dann, endlich, bewegte sich Scully. Mulder verließ
ihren Körper. Sie zerrte an ihrer Radlerhose und zog sie hoch. Sie sah in nicht
an. Er zog seine Jeans wieder an.
"Scully", sagte er und
kam sich plötzlich vor, als ob er sie betrogen hätte. "Scully?"
Sie drehte sich zu ihm um,
nachdem sie ihr Sweatshirt wieder angezogen hatte. In ihren Augen waren Tränen.
"Was habe ich getan?"
fragte er und fühlte sich unmittelbar schuldig. "Scully?"
"Es ist nicht deine
Schuld", sagte sie und Tränen rollten über ihre Wangen. Sie war verlegen. "Es ist nur—all das,
was gerade passiert ist..." Sie wischte sich mit dem Handrücken die Tränen
weg. Durch diese simple Geste wirkte sie sehr zerbrechlich und gleichzeitig
sehr stark. Es sah unheimlich süß aus. Scully rang mit sich selbst, um ihre
Selbstkontrolle zu bewahren.
Sie hatte sich seit Ewigkeiten
gewünscht, ihn zu lieben, aber sie hatte es sich nie vorgestellt, dass es auf
diese Weise passieren würde. Er hat nicht mit ihr Liebe gemacht. Er hat sie
lediglich gevögelt. Und sie hat ihn gelassen.
"Scully, ich weiß, das ist
nicht, was... was ich wollte. Ich meine, doch, ist es", versuchte Mulder
hastig zu erklären, "aber ich wollte nicht, dass es so geschieht." Er
merkte auf einmal, wie schrecklich sie sich fühlen musste. Er hatte sie
benutzt, um mit seinen wirbelnden Emotionen fertig zu werden, die aufgekommen
waren, als er sich betrunken hatte.
Scully wandte sich von ihm ab.
Sie wusste, dass es ihm wehtun würde, aber sie wollte nicht, dass er ihr
Gesicht noch länger sieht. Es tat zu sehr weh. Beide wussten, dass es nicht
mehr rückgängig zu machen war. Scully versuchte, den Kloß in ihrem Hals
hinunterzuschlucken.
Wie konnte sie ihm nur erklären,
warum sie so erschüttert war? Würde er es überhaupt verstehen? Sie bezweifelte es. Wie lange hatte sie sich
das schon gewünscht? Es kam ihr vor wie Ewigkeiten.
Mulder legte sanft seine Hand auf
ihre Schulter. Ihm den Rücken zuzudrehen war das Schlimmste, das sie hätte tun
können. Bitte, Scully, dachte er, wende dich jetzt nicht von mir ab.
"Dana?" fragte er leise und sie drehte sich um. Er sah, dass sie
versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten, dass sie tapfer versuchte,
stark zu bleiben. Und sie so sehen zu müssen brach Mulder das Herz. "Es
tut mir Leid", sagte er sanft und hoffte, dass es helfen würde. "Ich
wollte auch nicht, dass es so passiert."
"Du wolltest also mit einer
Flasche Wein hier her kommen und bei Kerzenlicht romantische Musik auflegen und
tanzen und Wein trinken und mich dann für den Rest des Abends ins Bett
tragen?" fragte Scully aufgebracht.
Mulder starrte sie an, als er
erkannte, dass das ihre Phantasie war.
"Scully, hör zu",
flehte er sie an und nahm sie bei den Schultern. Sie versuchte, sich aus seinen
Armen zu befreien, aber er ließ sie nicht los. "Ich bin verliebt in
dich." Ihre Augen wurden weit, als sie dies hörte, und ihre vollen Lippen
öffneten sich, aber sie sagte nichts. Mulders Aufmerksamkeit richtete sich auf
ihre Lippen, die er nur Minuten zuvor geküsst hatte.
"Scully, ich bin verliebt in
dich", wiederholte er und empfand ein seltsames Gefühl dabei, weil er
nicht glauben konnte, dass er ihr es tatsächlich sagte. "Ich liebe dich
schon so lange, Scully."
"Sag das nicht", warnte
sie ihn, löste sich von ihm und warf sich förmlich mit zusammengezogenen Beinen
auf die Couch.
"Warum nicht?" fragte Mulder.
Er folgt ihr zur Couch und setzte sich ebenfalls vorsichtig darauf. Er ließ
genügend Raum zwischen ihnen, um ihr nicht das Gefühl zu geben, er wolle sie
überrumpeln. "Sag solche Dinge
nicht, wenn du sie nicht ernst meinst, Mulder ", sagte sie und er hörte
das Zittern in ihrer Stimme.
Mulder sah sie unverwandt an.
"Ich meine es ernst", sagte er. "Ich liebe dich."
Scully konnte sich gerade davon
abhalten, ihre Hand vor den Mund zu schlagen. Wenn er mich also liebt, warum
hatten wir dann gerade Sex an der Wand? Warum hat er nicht einfach...
"Ich hatte solche Angst,
Scully, und ich weiß, du auch." Mulder erinnerte sich an den Ausdruck in
ihren Augen einige Stunden zuvor im Büro, als sie so nahe beieinander gewesen
waren und sie ihn voller Furcht angesehen hat wie ein zu Tode erschrecktes
Kind. "Ich glaube, ich konnte mir nichts mehr länger vormachen. Ich konnte
dich nicht nur als meine Partnerin und beste Freundin sehen und nichts
mehr."
Scully verstand. Sie selbst hatte
so lange ihre Gefühle für ihn vor ihm geheim gehalten. Aber umso näher sie sich
gekommen waren, umso schwerer wurde es. Der Gedanke daran, dass sie ihn
verlieren könnte, machte ihr Angst. Der Gedanke, dass er mit einer anderen Frau
sein könnte, verletzte sie. Der Gedanke daran, dass sie getrennt sein könnten,
stach wie ein Schwert in ihr Herz. Und sie hatte nie gewollt, dass er denkt, er
müsse sie beschützen. Scully wollte auf sich selbst aufpassen können. Sie
wollte, dass Mulder wusste, dass er in gefährlichen Situationen auf sie zählen
könnte, ohne ständig über seine Schulter gucken zu müssen, ob es ihr gut ging.
Aber gleichzeitig wollte sie, dass er sie beschützt. Sie wollte, dass er sie
vor all den schrecklichen Dingen beschützt, die sie gesehen hatten, vor all den
Dingen, die sie immer noch in ihren Gedanken verfolgten. Sie wollte abends nach
Hause kommen und sich im Bett an ihn kuscheln. Sie wollte mitten in der Nacht
aufwachen können und ihre Arme um seinen nackten Oberkörper legen, wenn ihn
Alpträume plagten, und sie wollte ihm beruhigende Worte ins Ohr flüstern, um
ihm zu helfen, wieder einzuschlafen. Irgendwo an der Grenze zwischen Partnern
und besten Freunden hatte Scully angefangen, sich ihn als ihren Geliebten
vorzustellen.
Es war nicht nur, weil sie
praktisch fast die ganze Zeit zusammen verbrachten. Es war, weil sie auf eine
seltsame Art und Weise perfekt füreinander waren. Sie hatten außer dem
gemeinsamen Verlangen nach der Wahrheit absolut nichts gemeinsam. Sie hatten
keine gemeinsamen Interessen. Und doch
waren sie wie füreinander gemacht. Sie waren des anderen fehlende Hälfte.
Scully konnte sich vorstellen,
was Mulder in der Zeit durchgemacht haben musste, als sie verschwunden war. Sie
hat genau dasselbe gefühlt, als sie gedacht hatte, er sei tot. Es war, als ob
sie von einem bestimmten, lebendigen Teil von ihr völlig getrennt würde.
"Ich weiß nicht, Scully...
es war so ein schreckliches Gefühl zu denken, ich könnte dich wieder
verlieren... diesmal für immer..." Mulder studierte ihr Gesicht und
hoffte, dass sie verstehen würde.
"Warum also die Befragung im
Büro heute?" fragte sie. "Du weißt genau, dass ich nicht darüber
sprechen möchte, über keines von den Dingen, Mulder. Aber du hast einfach nicht
aufgehört. Du hast immer weiter gestochert."
"Ich weiß, Scully... Ich glaube,
ich hatte gedacht, dass ich dich dazu bringen könnte, dich mir zu öffnen und
mit mir über alles zu reden." Mulder fuchtelte mit den Händen durch die
Luft. "Ich weiß nicht einmal, wie ich das alles erklären kann. Das hier.
Uns."
Scully nickte. Sie konnte es auch
nicht erklären. Aber es war trotzdem keine Entschuldigung für das, was eben
passiert war. "Mulder, was wir gerade getan haben, was gerade passiert
ist, war ein Fehler. Es hätte nie passieren sollen."
Mulders Kopf schoss hoch und er
sah sie an. "Was soll das heißen?" fragte er und in seiner Stimme
lagen Schock und Entsetzen.
"Du weißt, was ich meine. Du
weißt, dass ich Recht habe."
Mulder schüttelte den Kopf.
"Nein, Scully, du hast Unrecht. Was gerade passiert ist... ich weiß, es
hätte nicht so passieren sollen, aber ich bereue es nicht. Nicht für eine
Sekunde."
Scullys Herz schlug wild in ihrer
Brust. "Dann bist du der einzige, der es nicht bereut, Mulder. Ich weiß
nicht, was ich alles tun würde, um die letzte halbe Stunde rückgängig zu
machen." Sie wusste, dass sie log und sie hatte das Gefühl, dass er es
auch wusste. Aber sie versuchte immer noch, ihre Selbstachtung zu bewahren. Sie
würde es nie zulassen, dass sie es vor ihm oder sich selbst zugeben würde, dass
es richtig gewesen war.
Sein Gesicht verhärtete sich und
seine Augen wurden ganz schwarz. "Ich wünschte, du würdest so etwas nicht
sagen, Scully."
Er rutschte auf der Couch näher
zu ihr, aber sie hob ihre Hand, um ihn zu stoppen.
"Nicht."
"Scully—"
"Nein, Mulder. Es ist genug
Schaden angerichtet worden. Geh nach Hause." Er starrte sie an und konnte
nicht glauben, dass sie es ernst meinte. Aber der Ausdruck in ihren Augen war
todernst. Mulder stand auf und ging auf die Tür zu. Er fühlte, wie ihre Augen
ein Loch in seinen Rücken brannten. Bevor er die Tür erreichte, drehte er sich
um und blickte sie an. "Scully, es tut mir Leid. Es tut mir schrecklich
Leid."
Sie nickte.
Mulder wartete für einen
Bruchteil einer Sekunde und hoffte, dass sie ihre Meinung ändert, hoffte, dass
sie nicht mehr böse auf ihn ist. Er hoffte mehr als alles andere, dass sie ihre
Arme öffnen würde und er die Nacht hier mit ihr verbringen könnte. Aber sie tat
es nicht. Stattdessen sah sie ihn mit ihren blauen Augen an, matt und
ausdruckslos. Er drehte sich um und verließ ihre Wohnung.
Im Hausflur lehnte er sich schwer
gegen den Türrahmen ihrer Wohnung. Was war passiert, verdammt noch mal? Er
schloss die Augen.
In ihrer Wohnung zerbrach Scullys
Fassade, die ihr die Kraft verliehen hatte dies alles durchzustehen in tausend
Scherben und sie brach in Tränen aus.
10. OKTOBER 1996
Vier Monate waren seit ihrer
Begegnung verstrichen, und weder Mulder noch Scully hatten es vergessen. Und
obwohl sie weiter lebten, als sei nie etwas geschehen, war es offensichtlich,
dass sich ein Keil zwischen ihnen gebildet hatte. Mulder merkte, dass Scully
sich absichtlich von ihm distanzierte, physisch und psychisch. Wenn sie einen
Fall untersuchten, hatte sie immer einen Vorwand, einen Flug früher oder später
zu nehmen. Sie nahmen nie den gleichen Flug. Sie fuhren nie in demselben
Mietwagen. Auf der Arbeit hatte Scully immer etwas, um das sie sich kümmern
musste, sobald Mulder das Büro betrat.
Alles zwischen ihnen hatte sich
verschlechtert. Scully sah ihn nicht mehr an, scherzte nicht mehr mit ihm. Ihr
einstiger messerscharfer Sinn für Humor war verschwunden. Mulder konnte jeden
Morgen die dunklen Ringe unter ihren Augen sehen. Er hatte sie auch. Er betrank
sich abends, um schlafen zu können und fragte sich, was Scully wohl tat, um
einzuschlafen. Mulder hatte sie zweimal aus dem FBI-Besprechungsraum kommen
sehen und sich den Mut gewünscht, sie anzusprechen.
Er hatte sich noch sie so
verärgert und frustriert und verletzt gefühlt. Er wusste, dass Scully genauso
empfand, aber ihm fiel nichts ein, was er zu ihr sagen könnte. Es gab keinen
Weg, auch nur ein Gespräch mit ihr anzufangen, denn sie waren nie lange genug
in einem Raum.
Sie hat mir nie gesagt, dass sie
mich liebt, dachte er mindestens zehn Mal am Tag.
Er wusste, dass er sich etwas
vormachte, wenn er dachte, dass sie eines Tages wieder zu ihm zurückkehren
würde. Er ging los und kaufte ihr ein Geschenk.
Er brauchte drei Tage zum Suchen
und Nachdenken, bis er das perfekte Geschenk für sie gefunden hatte. Er
entschied sich für einen einfachen Goldring mit einem Diamanten. Er packte das
kleine Ringkästchen in eine braune Box und brachte es eines Morgens vor
Sonnenaufgang an ihre Türschwelle. Am nächsten Morgen, als er zur Arbeit ging,
fand er es ungeöffnet vor seiner Tür wieder. Mulder wusste, dass sie ohne es
geöffnet zu haben keine Ahnung hatte, was in dem Päckchen war. Er nahm es
wieder in seine Wohnung und verstaute es in einer Schublade.
Mulder verbrachte seine ganze Zeit
zu Hause damit, auf der Couch zu liegen und ziellos durch die Kanäle zu zappen.
Er aß kaum. Sogar seine beträchtliche Videosammlung erschien ihm lächerlich und
unnütz. Er hatte kein Interesse mehr daran.
Scully ging es auch nicht viel
besser. Sie warf Mulder Blicke zu, wenn er nicht hinsah, und sie konnte die
Niedergeschlagenheit in seinem Gesicht geschrieben sehen. Skinner hatte sie
schon mehr als einmal zu sich ins Büro gerufen, und verlangte zu wissen, was
mit ihnen los sei. Einmal rief er Scully allein zu sich ins Büro. Er hatte sie
geradeheraus gefragt, was los sei und
Scully hatte ihm versichert, dass alles zwischen ihnen in Ordnung sei
und nahm an, dass er Mulder dasselbe gefragt hatte. Sie sah keinen Grund, warum
Skinner misstrauisch werden sollte.
Scully hielt es im Büro kaum aus.
Jeder Moment mit Mulder war qualvoll für sie. Sie mied das Kellerbüro so oft es
auch ging, obwohl es ihr zu Hause auch nicht viel besser ging. In den ersten
beiden Monaten hatte sie 10 Pfund verloren, weil sie kaum etwas aß. Im dritten
Monat warnte sie ihre Ärztin vor Energieverlust durch mangelhafte Ernährung.
Nachts lag sie meistens wach. Sie war überrascht, dass sie ihn in der Nacht
nicht gehört hatte, als er das Päckchen an ihrer Tür gelassen hatte. Sie wusste
auch ohne einen Absender, dass es von ihm war. Sie ist in dieser Nacht zu
seinem Haus gefahren, ist den Gang zu seinem Apartment hinunter geschlichen und
hatte es nach Mitternacht an seine Tür gelegt. Sie hatte keine Ahnung, was in
dem Päckchen war. Sie wollte es auch nicht wissen.
Manchmal dachte sie an ihn und an
das, was passiert war. Es machte sie meistens jedoch noch depressiver, aber
manchmal, wenn sie sich wieder die Hitze des Sex in Erinnerung rief, hatte sie
Schmetterlinge im Magen vor nervöser Erregung. Sie lag mit zusammengezogenen
Vorhängen nachts in ihrem Bett und ließ ihre Hand in ihren Slip gleiten, tief
hinunter, so dass sie sich berühren konnte. Sie befriedigte sich selbst,
schloss die Augen und stellte sich vor, dass Mulder es tun würde. Es war seine
Hand, die sie so liebkoste und sie stöhnen und sich auf dem Bett winden ließ.
Aber nach ihrem Höhepunkt überkam
sie ein schreckliches Schuldgefühl. Sie lief schluchzend ins Badezimmer und
schrubbte sich unter der Dusche sauber.
Sie wünschte sich sehnlichst,
dass sie die letzten paar Monate zurücknehmen könnte. Ihre Gedanken kreisten
nur um Mulder und um das, was sie so törichterweise weggeworfen hatte.
Natürlich war es nun zu spät,
ihre Meinung zu ändern und ihm zu sagen, dass sie ihn liebte. Sie würde dumm
aussehen. Sie fühlte sich dumm. Sie liebte ihn schon seit einer Ewigkeit schien
es ihr, und nur weil sie solch eine verdammte Angst hatte, verletzlich zu sein,
hatte sie es ihm nie gesagt.
Einen Monat nach dem Vorfall in
Scullys Apartment waren sie auf einen Fall angesetzt worden und Mulder wurde
angeschossen. Eine Streifwunde am Arm.
Panik ergriff Scully in dem Moment, in dem Mulder die Kugel traf und sie
lief zu ihm und berührte sanft sein Gesicht. Für einen Moment fühlte Mulder
keinen Schmerz. Als sie ihn so zart berührte, vergaß er fast all die
schmerzhaften Erinnerungen zwischen ihnen. Der Blick in ihren Augen...
Aber er war genauso schnell
verschwunden, wie er gekommen war. Sie war wieder kühl und distanziert von ihm
gewesen, sobald er im Krankenhaus behandelt wurde. Als sie wieder in DC waren,
hatte sie ihm ein Rezept für ein Schmerzmittel geschrieben, das war alles.
Mulder nahm die Pillen gegen die
Schmerzen und stellte fest, dass wenn er sie mit Alkohol herunter spülte, er
viel besser schlafen konnte. Und so hatte alles angefangen.
FBI-HAUPTGEBÄUDE
2. JANUAR 1997
Mulder hörte Schritte im
Hausflur. Oder bildete er es sich nur ein? Er war sich bei so vielem sicher,
dass es echt war. Er hatte feuchte Hände und ballte seine Fäuste, um das Blut
wieder durch seine Finger fließen zu lassen. Sie kann jede Minute hier sein und
sie wird sehr wütend sein, er wusste es.
Er griff in seine Tasche und
holte das Fläschchen mit den Tabletten hervor.
Etwa fünfzehn Pillen waren noch drin. Ich sollte wohl bald neue holen,
dachte er mit einem bitteren Lachen. Will lieber nicht ohne da stehen. Er sah
auf das Etikett der Flasche, obwohl er es schon etwa tausend Mal studiert
hatte. Darvocet N-100. Bitte um Nachfüllung. Dr. Dana Scully.
Wenn sie nur wüsste, was er tat.
Sie hatte ihm die erste Flasche besorgt, aber er benutzte ihre Karte und hatte
sie bereits schon achtzehnmal auffüllen lassen. In achtzehn verschiedenen
Apotheken in Washington DC. Achtzehn verschiedene Namen der Patienten. Er hatte
alle Verschreibungen selbst abgeholt. Scully wusste nicht einmal davon, dass
alle diese Rezepte auf ihren Namen ausgestellt wurden. Er benutzte ihren Namen
und ihren Doktortitel, um an die Pillen heranzukommen. Zwei Stück alle sechs
oder acht Stunden.
Und dann, weil sie so gut
geholfen hatten, hatte Mulder sie nicht nur als Schlafmittel genommen, sondern
auch, um den Tag zu überstehen. Zuerst nahm er nur zwei oder drei auf einmal.
Doch einige Tage später begann ihre Wirkung nachzulassen, und er schluckte sie den
ganzen Tag über, drei oder vier Stück alle paar Stunden, um das Zittern seiner
Hände zu stillen, das auftrat, wenn er sie nicht nahm.
Als er jetzt das Fläschchen
wieder in der Hand hielt, versuchte er sich daran zu erinnern, wann er das
letzte Mal welche genommen hatte. Diesen Morgen? Nein, es konnte nicht so lange her gewesen
sein. Er blickte auf die Uhr. Dreizehn Uhr. Scully konnte jede Minute hier
sein. Der Gedanke daran brachte seinen Puls vor Nervosität zum Rasen. Er
öffnete die Flasche und schüttete eine Handvoll Pillen aus. Er nahm sich nicht
einmal die Mühe, sie zu zählen, er steckte sie einfach in den Mund und
schluckte einige Male. Dann sah er
wieder auf die Flasche. Es waren noch ein paar drin. Ach, was soll's, dachte er
und schüttete den Rest in seinen Mund und schluckte auch ihn herunter. Er
wusste, dass die Pillen mehr Schaden anrichten würden als Nutzen, denn er hatte
in letzter Zeit nichts gegessen und einen leeren Magen. Aber es war ihm egal.
Er steckte das Fläschchen zurück
in die Tasche und atmete tief durch. "Hey, Scully", grüßte er nervös.
Hatte sie es gesehen?
"Mulder, wo bist du gewesen?
Ich dachte, wir würden uns oben treffen."
"Nein, Scully, ich habe
gesagt hier unten." Seine Stimme war messerscharf. "Im Büro. Hast du
nicht zugehört? Gott, du hörst nie zu, was?"
Scully starrte ihn perplex an.
Seine Augen waren weit aufgerissen und seine Augenränder waren rot. Seine Hände
zitterten und sein Blick wanderte nervös durch den ganzen Raum. Er sah sie
nicht einmal an. Sie hatte schon vor einigen Wochen sein seltsames Benehmen
bemerkt und jetzt wurde ihr mit einem Schlag klar, was die Ursache dafür war.
Sie fühlte sich, als ob ihr jemand in den Magen geschlagen hätte. Wie konnte
sie es nur nicht bemerkt haben? Ganz ruhig, dachte sie. In letzter Zeit war
ihre Aufmerksamkeit nicht gerade auf Mulder gerichtet gewesen.
Der Schrecken dieser
Selbsterkenntnis veranlasste sie, einen Schritt zurückzutreten, weg von ihm.
Mulders Blick schnellte durch diese plötzliche Bewegung von ihr auf sie zu. Sie
erstarrte.
"Was?" fragte er mit
trockener, heiserer Stimme. "Was ist los?" Sie wusste nicht, was sie
sagen sollte. Sie hatte keine Ahnung, was sie ihm antworten sollte. Ihr Hals
war wie zugeschnürt. Wie hatte er es nur vor ihr verstecken können? Wie ist er an
die Tabletten herangekommen, deren Wirkung ihn jetzt offensichtlich so affektierten?
"Was zum Teufel ist los,
Scully?" brüllte er ärgerlich.
"Du nimmst immer noch diese
Medikamente." Sie klang ängstlich und nervös.
"Wovon redest du, verdammt
noch mal?" fragte er. Sie trat noch einen Schritt zurück. Sie überlegte
schon, wie sie es aus dem Raum schaffen könnte, doch dann stoppte sie sich. Es
ist Mulder, schoss es ihr durch den Kopf. Er würde ihr nicht wehtun. Oder doch?
"Mulder, ich weiß, du nimmst
immer noch die Pillen", sagte sie voller Furcht. Sie zwang sich dazu
fortzufahren. "Ich habe gesehen, wie du sie nimmst. Du bist jetzt
irgendwie, ich weiß nicht, nicht ganz du selbst." Er ergriff blitzschnell
ihre Schultern und zerrte sie an sich, bevor sie reagieren konnte. "Was
soll das heißen, Scully? Komm zur Sache, verdammt noch mal!"
Scullys Herz schlug wie verrückt.
Sie war sich sicher, es in dem kleinen Zimmer zu hören. Zum ersten Mal hatte
sie wirklich Angst vor ihm. "Mulder, bitte", flehte sie nervös und
merkte nicht, dass sie einen Teil ihrer Gedanken in Worte fasste. Bitte tu mir das nicht an, dachte sie. Tu es dir selbst nicht an.
"Großer Gott, Scully",
zischte er, sein Gesicht nur Zentimeter von ihrem und sein Griff an ihren Armen
erbarmungslos fest.
"Mulder, du tust mir
weh", schaffte sie zu sagen. Sie versuchte erfolglos, von ihm loszukommen.
"Na und?" fragte er.
"Wen kratzt das? Wach auf, Scully. Das ist halt so im Leben. Man wird halt
verletzt, man muss leiden. Du verletzt mich. Vielleicht verdienst du es zu
leiden." Seine Worte waren wie Schwertstiche.
"Wovon redest du?"
fragte sie ungläubig.
"Weißt du noch, unser
kleines Date?" fragte er und seine Stimme tropfte vor Sarkasmus.
Scully holte tief Atem.
"Mulder, ich war davon ausgegangen, dass wir beide das vergessen."
"Wie war ich, Scully? Auf
einer Skala von eins bis zehn. War ich besser als deine anderen
Liebhaber?"
Scully entkam seinem eisenharten
Griff mit einer schnellen, kraftvollen Bewegung. Ihre Oberarme taten weh und
sie wusste, dass sie Blutergüsse an den Stellen haben würde, an denen Mulders
Finger sich in ihr Fleisch gegraben hatten. "Das geht dich überhaupt
nichts an", zischte sie und wandte sich zum Gehen. Er sprang sie wieder
an, fasste ihre Schultern und wirbelte sie zu sich herum.
"Mulder!" schrie sie
auf. "Lass mich los!"
Seine Augen wurden weit und er
starrte sie an. Er starrte sie wirklich an, als ob er plötzlich merkte, was er
ihr da antat.
"Oh Gott", flüsterte er
und ließ sie mit einem Mal los. Scully stolperte zurück und versuchte, mit
hastigen Atemzügen an dem Kloß in ihrem Hals vorbei Luft in ihre Lungen zu
pumpen. Mulder tat einen Schritt auf sie zu, doch sie wich weiter zurück. "Scully", sagte er mit erstickter
Stimme und versuchte beruhigend zu klingen. "Scully, es ist ok, ich werde
dir nicht weh tun."
Scully traute ihm nicht. Sie
glaubte ihm nicht eine Sekunde. "Du brauchst Hilfe, Mulder", sagte
sie zu ihm. "Du brauchst Hilfe."
"Ich weiß", murmelte er
hilflos. Er sank auf den Schreibtisch und kümmerte sich nicht um die Blätter,
die dadurch auf den Boden fielen. Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen.
"Ich weiß nicht, was mit mir los ist.", sagte er und seine Stimme war
durch seine Hände gedämpft.
Er sah so müde aus, so fertig,
dass Scully vorsichtig näher kam und eine Hand auf seine Schulter legte.
"Du brauchst Hilfe", wiederholte sie.
Mulder hob seinen Kopf und sah
sie an. "Wirst du mir helfen?" fragte er klein und zittrig. Sie
nickte. "Scully, es tut mir Leid." Er wusste, dass das nicht
annähernd ausreichte, aber er musste es sagen. Er wusste nicht, was ihn dazu
bewegt hatte, so zu handeln und solche Dinge zu sagen.
Nach dieser Entschuldigung nahm
sie ihre Hand wieder von seiner Schulter.
"Was eben passiert ist, hat nichts damit zu tun, was zwischen uns
geschehen ist."
"Scully—"
"Und außerdem, was ich mit
anderen Leuten mache oder nicht mache, sollte dir egal sein."
"Ich weiß, Scully, ich kann
nur nicht..."
"Was kannst du nicht,
Mulder?"
Stille. Er sah auf den Boden, auf
seine Schuhe. "Ich kann es nur nicht verstehen. Ich kann es einfach nicht
vergessen. Ich kann dich nicht vergessen."
"Mulder", warnte sie
ihn.
"Bitte, Scully, lass mich
ausreden", bat er sie. Er sah sie an und sie nickte leicht. Er schluckte.
Ihm war warm und sein Herz schlug schneller.
"Ich kann nicht verstehen,
was wir falsch gemacht haben. Warum es zwischen uns nicht geklappt hat."
Scullys Mund öffnete sich vor
Überraschung. "Was?" fragte sie.
Mulder legte eine Hand auf seine Brust,
als ob er so seinen rasenden Herzschlag verlangsamen und irgendwie den dumpfen
Schmerz kontrollieren könnte, der ihm in die Schultern stach. "Du hättest
mir sagen können, dass du mich liebst... ich habe es nicht verstanden. Ich
dachte, du liebst mich. Es hat wehgetan,
Scully."
"Aber das erklärt immer noch
nicht die Tabletten, Mulder", sagte sie und versuchte krampfhaft, sich
nicht von seinen Worten erweichen zu lassen. "Du hättest mit mir darüber
reden können. Du hättest sie nicht nehmen müssen." Scullys Erscheinung
wurde zunehmend verschwommener vor seinen Augen und er blinzelte einige Male,
um sie wieder klarer zu sehen. "Ist alles in Ordnung?" fragte sie
voller Sorge.
"Es geht mir gut",
versicherte er, obwohl er fühlte wie ihm der kalte
Schweiß auf der Stirn ausbrach.
"Du kannst mir nicht die
Schuld dafür geben, dass du sie genommen hast", fuhr sie fort. "Aber
du konntest..." Sie suchte nach den richtigen Worten. "Du konntest
mir immer vertrauen. Warum hast du nicht mit mir gesprochen?"
"Ich konnte nicht, Scully.
Du weißt, dass ich es nicht konnte." Mulder fühlte, wie der Schmerz seine
Arme herunter wanderte, viel intensiver als zuvor.
"Mulder?" fragte sie
und er sah sie an. Ihr Gesicht schien sich in tausend Stücke aufgelöst zu haben
und ihre Stimme klang wie von weit her. Seine Hand verkrampfte sich an seiner
Brust und er hoffte, der Schmerz dort würde endlich aufhören. Scully sah wie
Mulder vor Schmerzen das Gesicht verzog.
"Mulder", sagte sie und
stand an seiner Seite. Er schien sie nicht zu hören. Sein Blick war leer und
seine Atmung flach. Schnell fühlte sie nach seinem Puls an seinem Handgelenk
und merkte, dass er raste. "Oh Gott!" rief sie und griff nach dem
Telefon. "Hier ist Agent Scully. Schicken Sie sofort einen Krankenwagen
hier runter!"
Während sie das sagte, schnappte
Mulder nach Luft und kollabierte mit geschlossenen Augen auf dem Boden.
Scully ließ den Hörer fallen und
eilte zu ihm. "Mulder?" fragte sie, kniete an seiner Seite und
checkte wieder seinen Puls und Atmung. Nichts. Sie drehte ihn rasch auf den
Rücken, prüfte, ob sein Luftweg frei war und kippte seinen Kopf zurück. Sie
kniff seine Nase zusammen und blies dreimal Luft in seine Lungen. Dann fand sie
die richtige Stelle auf seiner Brust, legte ihre Hände zusammen und pumpte zehnmal.
"Komm schon, Mulder",
flehte sie mit tränenfeuchten Augen. Sie ignorierte sie.
"Gottverdammt, komm
schon!" Sie wiederholte die Prozedur und checkte wieder seinen Puls.
Nichts.
Nein!,
dachte sie verzweifelt, Nein!
MEMORIAL KRANKENHAUS
13. JANUAR 1997
14.00 Uhr
Dana Scully saß auf einem
unbequemen Plastikstuhl, den sie in Mulders Krankenzimmer geschleppt hatte. Er
schlief schon seit sechs Stunden, seitdem er in die Notaufnahme gebracht worden
ist. Seine Diagnose war eine Überdosis Schlafmittel. Die Sanitäter waren im FBI
Gebäude schnell und effizient mit ihrer Arbeit gewesen und hatten seinen
Zustand wieder stabilisiert. Es war immerhin ihr Job, egal unter welchen
Umständen sie ihn taten. Es war allgemein bekannt, dass die Mediziner nie besonders
glücklich über selbst zugefügte Missstände waren.
Als sie in das Büro gekommen
waren, hatten sie Scully in Tränen aufgelöst vorgefunden, wie sie Mulder Erste
Hilfe leistete. Sie hatte es geschafft, sein Herz wieder zum Schlagen zu
bringen und die Sanitäter hatten einen Luftschnitt gemacht und ihn ins
Krankenhaus gebracht. In der Notaufnahme hatten die Ärzte ihm den Magen
ausgespült und aktivierte Holzkohlenflüssigkeit durch einen Schlauch in seinen
Körper gepumpt, um die verbleibenden Reste der Tabletten aufzusaugen. Er hatte
geringe Dosen Methadon bekommen, um ihm gegen die Entzugserscheinungen zu
helfen und war jetzt zur Beobachtung in die Drogen- und Alkoholabteilung
eingeliefert worden.
Scully hatte sich Mulders
kurzlebige Sucht zusammengereimt, nachdem sie die leere Flasche Darvocet in seiner Tasche und zahllose andere in seiner
Schreibtischschublade gefunden hatte.
Die Behauptung, sie sei außer
sich, war eine starke Untertreibung.
Aber ihre Wut war fürs erste verstrichen, und jetzt bangte sie um
Mulders Gesundheit. Sobald es ihm besser geht, wird er dafür büßen, dachte
sie.
Scully hatte das Krankenhaus
darüber informiert, wie Mulder alle Nachfüllungen des starken Schmerzmittels
bekommen hatte. Die Überdosis war schlimm genug für seinen Ruf, sie hatte
keinen Grund gesehen, ihn auch noch mit einem Verbrechen belastet zu sehen.
Ihre Gefühle spielten nun
verrückt, als sie so auf dem Stuhl saß und Mulders stetige Atemzüge
beobachtete. Der Mann auf dem Bett neben ihr hatte ihr Vertrauen und ihren Lizenz
missbraucht mit dem, was er getan hatte.
Doch er war dabei fast
umgekommen. Sie bekam Angst bei dem Gedanken ihn zu verlieren, ohne sich vorher
ausgesprochen zu haben. Mulder war letztendlich der Mann, den sie liebte und
ihr bester Freund.
Scully stand auf. Mulder bewegte
sich auf dem Bett und drehte seinen Kopf etwas, aber er öffnete nicht die
Augen.
"Ich weiß nicht, ob du mich
hören kannst", sagte sie leise, "aber was du heute getan hast, war
unglaublich dumm."
Mulder seufzte, aber Scully
wusste nicht, ob er es tat, weil er sie hörte, oder ob er einfach nur im Schlaf
seufzte.
"Mulder, wenn es dir wieder
besser geht, werden wir über all das reden." Ihre Stimme war fest, aber ruhig.
Sie strich sich unbewusst eine Strähne hinters Ohr. Sie betrachtete ihn für
eine Weile. Zorn stieg wieder in ihr auf, doch sie wollte ihm hier vor den
Krankenschwestern keine Szene machen, die ein paar Meter weiter im Gang
standen.
Mulder drehte sich wieder auf dem
Bett und öffnete seine Lippen. Scully beugte sich hinunter und versuchte, seine
Worte zu verstehen. "Scully..." flüsterte er, seine Stimme belegt
durch die Medikamente. Er öffnete seine Augen nicht.
Etwas in Scully schmolz dahin und
ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie versuchte krampfhaft sie
zurückzuhalten, aber ohne Erfolg.
"Ich liebe dich,
Mulder", flüsterte sie ihm zu und eilte aus dem Zimmer.
MULDERS APARTMENT
20. FEBRUAR 1997
Fox Mulder zappte
schon zum wie es schien fünfzigsten Mal durch die Kanäle. Er war seit drei Tagen aus der Reha entlassen worden und war nun vorübergehend vom FBI
suspendiert.
"Verdammt", murmelte
er, als wieder Reklamen kamen. Er konnte schwören, dass er diesen Werbespot
schon mindestens tausend Mal gesehen hatte, seit er im Krankenhaus gewesen war.
Der Spot war für irgendeine Automarke und eine junge Frau saß hinter dem Steuer
eines silbernen Autos. Das Seitenfenster war offen und ihr kastanienfarbenes
Haar wehte im Wind. Er konnte ihr Gesicht nicht genau sehen, aber die
Atmosphäre des Clips ließ sie glücklich und sorgenfrei erscheinen.
Jedes Mal, wenn Mulder diesen
Spot sah, sah er genau hin. Die Frau hätte glatt Scully sein können. Aber
Scullys Lachen ist viel herzhafter und ihre Augen sind blau, so blau...
Mulder hatte seit dem Tag nichts
von Scully gehört, an dem er im Büro das Bewusstsein verloren hatte. Die
Schwestern und Ärzte im Krankenhaus hatten ihm erzählt, dass sie die ganze Zeit
bei ihm in der Notaufnahme gewesen war, sogar noch danach. Aber er konnte sich
nicht daran erinnern, sie gesehen zu haben. Als er am Morgen nach der Überdosis
aufgewacht war, war sie nicht mehr dagewesen.
Mulder hatte sie in dem Moment,
in dem er die Augen geöffnet hatte, sofort gesucht.
Irgendwie hatte er gewusst, dass
sie nicht da sein würde. Er hatte ihr so weh getan. Er hatte sie angelogen,
ihren Namen benutzt... er hatte sich an den Tag erinnert, an dem sie sich in
ihrer Wohnung geliebt hatten, und wie sie dann geweint hatte. Wie schrecklich
er sich hinterher gefühlt hatte, als ob er sie bloß als Mittel benutzt hätte,
um seine sexuelle Energie loszuwerden.
Ich habe mich selbst krank
gemacht, dachte er. Wie habe ich ihr das nur antun können?
Mulder ging in die Küche, nahm
sich ein Glas Orangensaft und machte sich Toast. Er hatte versucht, Scully
anzurufen, sobald er telefonieren durfte, doch es war nur ihr Anrufbeantworter
dran gewesen. Er hatte hundert Nachrichten drauf gesprochen, einige flehend,
einige entschuldigend, einige verärgert. Er versuchte auf ihrem Handy
anzurufen, aber das war abgestellt. Er versuchte, Informationen aus Skinner
herauszubekommen, aber dieser weigerte sich strikt, ihm etwas zu sagen.
Die Polizei hatte herausgefunden,
dass Scully die Nachfüllungen für Darvocet bestellt
hatte, und Mulder erfuhr, dass sie ihn nicht verraten, sondern die Schuld dafür
auf sich genommen hatte. Daraufhin hatte er wieder versuchte sie anzurufen.
Anrufbeantworter.
"Scully..." flüsterte
er auf das Band und hoffte, dass sie es hörte.
"Ich weiß nicht, warum du mich
in Schutz nimmst. Ich verdiene es nicht." Sie hob nicht ab und rief auch
nicht zurück. Fünf Wochen waren vergangen ohne auch nur ein Lebenszeichen von
ihr.
An dem Tag, an dem er aus dem
Krankenhaus entlassen wurde, war er geradewegs zu Scullys Wohnung gefahren. Er
fuhr vor ihr Haus und wartete.
Ihr Auto war vor dem Haus
geparkt, aber er konnte sie in keinem der Fenster sehen. Er wusste, dass er
nicht rein gehen und mit ihr reden konnte. Sie hatte es ihm mehr als deutlich
gezeigt, dass sie ihn nicht sehen wollte.
Mulder schluckte den Rest des
Toasts herunter und den letzten Schluck Orangensaft. Sie bedeutet mir alles, dachte er, und ich hab alles versaut.
Und niemand kann daran etwas
ändern. Er seufzte schwer und fühlte den wohlbekannten Schmerz in seiner Brust
wieder aufkommen.
DIE PRAXIS VON DR. ALISA MORGAN
1. MÄRZ 1997
Dana Scully stellte sich
vorsichtig auf die Waage und die Schwester prüfte ihr Gewicht. Die korpulente Frau
in ihren Fünfzigern schnalzte mit der Zunge, als sie die Anzeige auf der Waage
ablas.
"Sie haben vier Kilo
abgenommen seit dem letzten Mal, Dana", sagte sie.
Dana ignorierte sie.
Sie wurde in das
Behandlungszimmer geführt, setzte sich auf den Tisch und wartete auf Dr.
Morgan. Der Anblick ihrer knochigen Knie, die vom Tisch baumelten, nervte sie
und sie kreuzte die Beine unter ihrem Körper, als Dr. Morgan hereinkam.
"Hallo, Dana, wie fühlen Sie
sich heute?" fragte sie freundlich und versuchte, sich nicht die Sorge
anmerken zu lassen, die sie beim Anblick ihrer noch dünner gewordenen Patientin
bekam. Vor zwei Wochen war sie das letzte Mal hier, stellte Dr. Morgan mit
einem Blick auf Scullys Krankenakte fest. Vor sechs Monaten und die sechs Jahre
davor war Scullys Gewicht konstant 55 Kilo gewesen. Vor zwei Wochen wog sie 50
Kilo und jetzt wog sie 46 Kilo.
"Es geht mir ganz gut",
antwortete Scully, "aber ich habe immer noch diese Erkältung. Ich werde
sie einfach nicht los."
"Nehmen Sie regelmäßig Ihr
Vitamin C?" fragte Dr. Morgan und hörte mit dem Stethoskop Scullys Lungen
ab.
"Atmen sie tief ein und
aus."
"Ja", antwortete Scully
zwischen den Atemzügen. "Zweimal am Tag."
Dr. Morgan platzierte das
Stethoskop auf Scullys Brust und hörte ihr Herz ab. "Essen Sie ausgewogene
Mahlzeiten?" fragte sie und bemerkte mit stillem Entsetzten, dass Scullys
Brustkorbknochen extrem knochig hervorstanden.
"Ja", log Scully.
Dr. Morgan richtete sich auf und
zog sich einen Stuhl dicht neben den Behandlungstisch heran. "Dana, ich
bin jetzt schon fünf Jahre Ihre Ärztin. Sie waren immer kerngesund. Aber in den
letzten sechs Monaten habe ich sie förmlich verkümmern sehen. Wir haben alle
Tests durchgeführt und alle Ergebnisse waren negativ. Keine Störungen im
Immunsystem, keine Verdauungs- oder Blutstörungen. Aber sie verlieren immer
noch an Gewicht."
Scully schaute ihre Ärztin mit
müden Augen an. Ich weiß, dachte sie, ich bin völlig gesund.
"Dana, wenn sie wirklich
ausgewogen essen würden", sagte Dr. Morgan ruhig, "würden Sie nicht
46 Kilo wiegen."
Scullys Gesichtsausdruck war
leer. Sie antwortete nicht.
"Dana, ich denke fast, Sie
leiden an einer massiven Essstörung."
"Das ist doch
lächerlich", schnaufte Scully und warf ihr Haar zurück.
Dr. Morgan sah in Danas
eingefallene Augen. "Dana", sagte sie bestimmt. "Ich habe Ihnen
immer gesagt, dass sie immer mit mir reden können, falls irgendetwas los ist.
Haben Sie irgendwelche Probleme, die ihren Appetit schwinden lassen?"
Scully blinzelte. Sie konnte
plötzlich wieder ihren ältesten Feind, Tränen, in ihrem Hals aufsteigen fühlen.
Sie schluckte. Wie konnte sie ihr nur ihre Gefühle erklären? Wie konnte sie die
Depressionen beschreiben, die ihrem Leben alle Energie und Motivation nahm? Wie
konnte sie das alles erklären?
Es stimmte, sie hatte seit Tagen
nichts mehr gegessen. Das Verlangen nach Essen war verschwunden. "Ich weiß
nicht", brachte sie heraus.
"Dana, ich möchte, dass Sie
zu einem Psychologen gehen. Sie können nicht weiter so an Gewicht verlieren.
Das menschliche Herz ist für eine solche Art von Entbehrung nicht geschaffen.
Sie wissen das."
Was Sie nicht sagen, dachte
Scully bitter.
"Ist es ihre Arbeit?"
fragte Dr. Morgan.
Scully nickte. "So könnte
man es sagen." Wissen Sie, Dr. Morgan, mein Partner und ich sind
ineinander verliebt, und wir hatten Sex, aber es war nicht das, was ich mir
erhofft hatte. Ich bekam Angst und warf ihn aus meinem Haus, und dann hat er
Mist gebaut und wurde abhängig. Und dann hat er sich eine Überdosis gegeben,
aber jetzt geht es ihm wieder gut, aber ich komme nicht darüber hinweg. Ich
wurde verdächtigt, meinen Doktortitel missbraucht zu haben, um ihm Medikamente
zu besorgen, obwohl ich es nicht getan habe. Ich wollte nicht, dass die Polizei
weiß, dass er meine Karte dafür benutzt hatte, also habe ich mich schuldig
bekannt und den Job gekündigt, den ich liebe. Ich spreche nicht mehr mit dem
einzigen Menschen auf der Welt, den ich je wirklich geliebt habe, weil ich
gedacht hatte, dass ich mir damit einen Gefallen tun würde, wenn ich ihn nicht
mehr sehen würde. Es tut so weh, bei ihm zu sein und doch nicht bei ihm zu
sein, aber das Problem ist, dass ich ihn immer noch liebe.
Wie zum Teufel sollte sie
erklären können, was mit ihr los war?
Scully schloss ihre Augen vor
Schwäche und versuchte, nicht wieder zu weinen.
"Dana, Ihr EKG zeigt mehr
Veränderungen, seit Sie das letzte Mal hier waren. Ich würde Sie gerne zur
Beobachtung in ein Krankenhaus einweisen lassen."
"Nein!" rief Scully und
öffnete die Augen. Sie stand auf und schwankte ein wenig. "Ich gehe in kein
Krankenhaus."
"Dana", entgegnete Dr.
Morgan. "Sie haben viel zu viel Gewicht verloren und Ihr Herz ist schwach.
Sie sollten sich ausruhen können und nahrhafte Mahlzeiten einnehmen. Und Sie
sollten sich dort untersuchen lassen, um festzustellen, ob Sie nicht an einem
irreparablen Schaden leiden. Wenn Sie sich weigern, kann ich Sie gegen Ihren
Willen einliefern lassen. Bitte zwingen Sie mich nicht dazu."
Scully fühlte, wie ihr die Tränen
die Wangen herunter liefen. Wie ist es bloß dazu gekommen? Sie schwankte und
wollte tief durchatmen, um Luft in ihre Lungen zu bekommen. Aber nichts
passierte. Alles drehte sich und sie kniff ein paar Mal die Augen zusammen,
aber alles wurde schwarz.
1. MÄRZ 1997
23.15 UHR
Mulder zappte
durch die Kanäle, als das Telefon klingelte. Er ignorierte es und ließ den
Anrufbeantworter drangehen. Er hatte schon lange die Hoffnung aufgegeben, dass
Scully ihn zurückrufen würde. "Hi, hier ist Fox
Mulder, ich kann im Moment nicht ans Telefon kommen, aber wenn Sie eine
Nachricht hinterlassen, rufe ich Sie zurück", hörte er seine eigene
Stimme.
"Hey, Mulder, hier ist
Frohike. Hör zu, ich weiß, dass du da bist, also schalte auf die Nachrichten
auf Kanal 10. Ruf mich zurück." Die Stimme des älteren Mannes klang
ungeduldig.
Mulder schaltete auf Kanal 10.
"Mitarbeiter des Memorial
Krankenhauses bestätigen, dass die frühere FBI Spezial Agentin Dana Scully vor
kurzem eingeliefert wurde. Vor einigen Stunden wurde sie in die Notaufnahme des
Krankenhauses gebracht, und obwohl der Sprecher des Krankenhauses, Charles
Smith, nicht preisgeben möchte, woran sie erkrankt ist, bekräftigt er, dass ihr
Zustand ernst ist. Die frühere FBI Agentin wurde vor kurzem von allen
Zuwiderhandlungen und den Anschuldigungen eines Vergehens freigesprochen, die gegen
ihren früheren Partner Agent Fox Mulder erhoben worden waren. Wir werden Sie
auf dem Laufenden halten, sobald wir mehr Informationen über diesen Fall
bekommen. Ich bin Vicki Wilson live vom
Memorial Krankenhaus für die Nachrichten auf Kanal 10."
Mulder war bereits auf den Füßen
und griff nach Mantel und Schuhen. Er hastete aus dem Apartment, ohne sich die
Mühe zu machen, den Fernseher auszuschalten.
MEMORIAL KRANKENHAUS
2. MÄRZ 1997
12.30 UHR
Mulder haute zum dritten Mal auf
den Knopf für den Aufzug. "Komm schon, komm schon", murmelte er
wütend. Er hatte es satt zu warten. Seine Gedanken drehten sich um Scully, die
in ernstem Zustand auf dieser Station lag. Er dachte daran, wie er sie das
letzte Mal auf der Intensiv Station vorgefunden hatte. Damals lag sie im
Sterben und er hatte sie fast verloren. Er hatte fast die Chance verloren, ihr
zu sagen, wie er fühlte.
Und jetzt lag sie wieder in einem
Krankenhausbett. Er würde seine Chance verlieren, alles zwischen ihnen wieder
in Ordnung zu bringen.
"Fox?" hörte er eine
Stimme hinter sich. Er drehte sich um und sah Margaret Scully auf sich
zukommen.
"Mrs. Scully", grüßte
er sie. Er wusste nicht, wie viel Scully ihrer Mutter über sie beide erzählt
hatte.
"Fox, es tut mir Leid, dass
Sie den ganzen Weg hierhergekommen sind", sagte sie entschuldigend.
"Oh Gott, komme ich zu
spät?" fragte er voller Schrecken.
Mrs. Scully schüttelte den Kopf.
"Nein, Dana geht es gut. Es stand nicht gut um sie, aber ihr Zustand ist
jetzt stabil. Sie ist sehr krank."
"Was hat sie?" fragte
Mulder.
"Sie leidet an schwerer
Unterernährung. Sie wiegt 45 Kilo." Das Blut wich aus Mulders Gesicht. Er
versuchte sich vorzustellen, wie Scully mit 45 Kilo aussah.
"Sie kann doch
nicht..."
"Wann haben Sie sie das
letzte Mal gesehen?"
"Vor etwa fünf Wochen",
erinnerte er sich, "und sie sah aus, als hätte sie abgenommen, aber nicht
sehr viel." Er erinnerte sich an ihr abgespanntes Gesicht und verfluchte
sich dafür, dass er nicht darauf geachtet hatte, dass die Jacke, die sie am Tag
der Überdosis getragen hatte, viel lockerer gesessen hatte als sonst. Und
Jacketts verbargen die Figur einer Frau. Sie hätte sogar noch dünner sein
können und er hätte es nicht gemerkt.
"Sie ist heute Nachmittag in
der Praxis ihrer Ärztin zusammengebrochen." Margaret Scully sah müde aus.
"Fox, ich weiß, dass zwischen Ihnen beiden etwas vorgeht, aber Dana
weigert sich, es mir zu sagen. Was auch immer es ist, sie hat geahnt, dass Sie
hier her kommen würden. Sie bat mich, Sie nicht zu ihr zu lassen."
Mulder schluckte. Er hätte es
wissen sollen. "Bitte, Mrs. Scully", flehte er, aber sie schüttelte
ihren Kopf.
"So gern ich Sie habe, Fox,
ich muss die Wünsche meiner Tochter respektieren." Er wusste, dass sie ihn
nicht gerne abwies.
"Könnten Sie ihr einen Brief
bringen?" fragte er. Margaret Scully nickte.
"Eine Sekunde", sagte
Mulder und lief zurück zur Rezeption, um Papier und Stift zu holen. Er schrieb,
ohne vorher nachzudenken.
Liebe Scully:
Deine Mutter hat mir gesagt, was
mit Dir los ist. Ich wünschte, Du würdest mich zu Dir lassen, um Dich zu sehen,
um mich davon zu überzeugen, dass es Dir gut geht, aber ich werde Dein
Vertrauen nicht wieder brechen.
Es tut mir alles so leid, Scully.
Ich weiß, das macht es nicht besser, aber es ist die Wahrheit. An jenem Abend
in Deiner Wohnung wollte ich dich lieben, wie Du es Dir immer erträumt hattest.
Es tut mir auch Leid wegen den
Tabletten. Ich weiß überhaupt nicht, wie ich mein Benehmen hinsichtlich dessen
erklären soll. Ich weiß, dass Du wegen mir in den letzten sechs Monaten die
Hölle durchmachen musstest. Ich habe sie auch durchgemacht, aber ich verdiene
es.
Dana, zwei Dinge weiß ich mit
Sicherheit: das erste ist, dass ich Dich noch immer liebe. Dieses Gefühl hat
mich nie verlassen. Ich wünschte, Du würdest mir eine Chance geben, es noch
einmal zu versuchen.
Das zweite ist, dass mir nichts
im Leben wichtig ist außer Dir. Ich würde alles tun, damit Du mir wieder
vertraust. Bitte, Dana, gib mir eine Chance.
Mulder
Mulder faltete das Blatt und gab
es Scullys Mutter. "Ich werde es ihr geben", nickte sie.
"Danke", antwortete
Mulder aufrichtig und Mrs. Scully wandte sich zum Aufzug. "Mrs. Scully", fragte er und sie
drehte sich um. "Wenn ich fragen dürfte...
warum ist Scully nicht mehr beim FBI?"
Margaret Scully sah auf den Boden
und dann wieder auf Mulder. "Sie hat vor zwei Wochen gekündigt. Die
Anschuldigungen waren zu viel für sie, geschweige denn ihr Ruf jetzt." Sie
ließ diese Information sinken. "Passen Sie auf sich auf, Fox", sagte
sie und ließ ihn allein.
Mulder sah schweren Herzens, wie
sie in den Aufzug stieg, der sie zu Dana bringen würde.
INTENSIVSTATION, MEMORIAL
KRANKENHAUS
2. MÄRZ 1997
13.00 UHR
Scully faltete den Brief vorsichtig
wieder und steckte ihn in die oberste Schublade ihres Nachttisches. Sie atmete
tief durch in der Maske, die sie mit dem Sauerstoff versorgte, den sie so
dringend brauchte. Ihre Mutter sah sie an.
"Er sieht furchtbar aus,
Dana. Er wollte so gerne zu dir kommen und mit dir reden. Ich will dich nicht
drängen, aber..."
Scullys Stimme war durch die
Maske gedämpft, also zog sie sie für einen Moment von ihrem Gesicht. "Mom,
ich weiß." Sie atmete einige Züge Raumluft ein.
"Du liebst ihn", sagte
ihr Mutter ruhig. Scully schloss die Augen. Sie war zu müde, um zu weinen. Sie
nickte langsam.
"Aber ich kann nicht, Mom.
Ich kann ihn nicht lieben. Viel zu viel... Viel zu viel ist falsch gelaufen. Es
tut weh."
Ihre Mutter stand auf und trat
zum Fenster. Sie drehte ihr absichtlich den Rücken zu.
"Aber sieh, was es dir
antut, Dana. Du tust dir selbst weh, wenn du dir nicht selber erlaubst, bei ihm
zu sein. Es ist deine Entscheidung", sagte sie und sah sie unverwandt an.
"Du musst dich entscheiden, was schlimmer ist - mit ihm oder ohne ihn zu
sein."
Scully antwortete nicht. Sie
wusste, dass ihrer Mutter Recht hatte.
MULDERS APARTMENT
13. MAI 1997
Mulder hatte es aufgegeben. Er
hatte keine Chance, je wieder beim FBI zu arbeiten, es sei denn, er würde auf
jedes einzelne Mitglied der Kommission ein Attentat ausüben, das gestimmt hatte
ihn zu entlassen. Er wollte auch nicht mit den Einsamen Schützen
zusammenarbeiten, obwohl sie es ihm angeboten hatten. Er unternahm allerdings
ab und zu etwas mit ihnen, um die Langeweile tot zu schlagen. Keiner von ihnen,
nicht einmal Frohike, erwähnte jemals Scullys Namen in seiner Gegenwart.
Mulder hatte keine Chance mehr,
Scully zurückzubekommen. Er hatte kein Wort von ihr gehört, seit er ihr durch
ihre Mutter den Brief geschickt hatte. Er beschloss, sie nicht mehr zu
kontaktieren. Und sein Leben war eine Katastrophe. Er wusste es.
Er hatte keine Arbeit, aber dank
einer kleinen Erbschaft, die ihm sein Vater hinterlassen hatte und einer
beträchtlichen Summe Geld, die er auf verschiedenen Konten gespart hatte,
konnte er überleben. Es gab sowieso kaum mehr etwas, für das er zahlen musste.
Miete, Rechnungen... es waren alles kleinere Geldmengen.
Ihm war alles egal.
Deswegen kümmerte es ihn auch
nicht, wer vor der Türe stand, als es an einem regnerischen Nachmittag
klingelte und er ohne vorher durch den Spion zu schauen die Tür aufmachte.
Vor ihm stand Dana Scully.
MULDERS APARTMENT
13. MAI 1997
Für einige Momente konnte er sie
nur anstarren. Sie war immer noch dünn, ihr Gesicht immer noch abgespannt. Sie
trug Jeans, die lose an ihr waren und einen schwarzen Sweater. Ihr rotes Haar
wurde von einem Haarband zurückgehalten und er sah, dass es etwas von seinem
ursprünglichen Glanz und Fülle verloren hatte. Und ihre blauen Augen waren matt.
Aber das konnte auch an dem Licht des Deckenstrahlers im Flur liegen. In ihrem
Gesicht stand die Traurigkeit.
Sie stand ruhig da und blickte
ihn an. Sie war überrascht und zugleich erschrocken durch das, was sie sah.
Mulder hatte ebenfalls an Gewicht verloren, allerdings noch lange nicht so viel
wie sie. Sein Gesicht war ausgemergelt und er sah aus, als wäre er um zehn
Jahre gealtert. Er war unrasiert und sein Haar war zerzaust. Sein Gesicht war
von Linien überzogen und sie sah die dunklen Ränder um seine Augen.
"Hi",
schaffte er es letztendlich zu sagen. Egal wie erschöpft und müde sie aussah,
für ihn war sie immer noch schön.
Scully nickte und lächelte ein
wenig. "Wie geht es dir, Mulder?"
Mulders Mund war trocken. Er räusperte
sich nervös und vermied es absichtlich, auf diese Frage zu antworten.
"Willst du nicht herein kommen?" fragte er und sie nickte abermals.
Er schloss die Tür hinter ihr und folgte ihr zur Couch. Er beobachtete jede
ihrer Bewegungen. Nachdem er sie so lange nicht mehr gesehen hatte, konnte er
nicht genug von ihr bekommen. Sie war immer noch wunderschön.
<Natürlich ist sie das, du
Arschloch. Sie ist die Frau, die du liebst.>
Scully setzte sich auf die Couch.
Es war anders als all die anderen Male, an denen sie hier gewesen war. Damals
war zwischen ihnen noch alles in Ordnung gewesen und sie hatten sich wohl
zusammen gefühlt. Nun saß sie stocksteif auf der Couch und Mulder saß auf dem
Rand des Tisches, sah sie an und wartete darauf, dass sie etwas sagte.
"Kann ich dir etwas zu trinken bringen?" bot er an. Scully schüttelte
den Kopf.
"Nein, danke." Sie
hatte keine zehn Worte gesprochen, seit sie herein gekommen war. Alles, was sie
denken konnte war, dass sie im selben Raum mit ihm war. In seiner Wohnung. Sie
wollte ihm um den Hals fallen, die Arme um ihn schlingen und sein Herz gegen
ihres schlagen fühlen. Sie hatten sich so vermisst. Sie waren Partner, beste
Freunde und sogar Geliebte, aber sie hatten nie eine Nacht zusammen verbracht
und sich mit nichts als der kühlen Nachtluft zwischen ihnen in den Armen
gehalten.
Mulder entschloss sich, den
ersten Schritt zu machen. Es gab keinen Grund, warum er hier sitzen und sich
quälen sollte, indem er darauf wartete, dass sie ihm sagte, dass sie jemanden
getroffen hatte und heiraten würde, und dass sie das Land verlassen würde.
Obwohl er sie fast ein Jahr nicht mehr gesehen hatte, quälten ihn diese Dinge
immer noch. "Warum bist du her gekommen, Scully?" fragte er.
Sie blickte auf ihren Schoß.
"Ich weiß es nicht", antwortete sie leise. "Ich wollte dir so
viel sagen, Mulder. Mir ist so viel passiert."
Jetzt wird sie es sagen, dachte
er und fühlte den Kloß in seinem Hals. Sie hat jemanden getroffen. Sie hat sich
in jemanden verliebt, aber dieser Jemand bin nicht ich.
Scully sah ihn an, ihre Augen
klar und ruhig. "Ich liebe dich", sagte sie und zuckte hilflos mit
den Schultern. "Bevor alles passiert ist, als es passierte, und auch
jetzt. Ich liebe dich, Mulder."
Mulder starrte sie an und atmete
zitternd ein. Hat sie das wirklich gesagt?
"Scully—"
"Nein, Mulder, lass mich
bitte ausreden." Er nickte und sie fuhr fort.
"Ich habe mich in dich
verliebt, bevor wir uns im Büro gestritten hatten. Ich weiß nicht, wann es
passiert ist. Ich weiß, dass ich es mir selbst nicht eingestehen konnte, bis zu
der Sache mit Modell. Da habe ich gewusst, dass ich nicht ohne dich leben kann.
Ich wollte nicht ohne dich leben. Aber wir haben so viel zusammen
durchgemacht... Ich habe immer behauptet, dass es mir gut ging, doch in
Wahrheit hatte ich schreckliche Angst. Ich wollte nicht, dass du mich die ganze
Zeit beschützt. Ich wollte nicht, dass du denkst, ich sei schwach. Ich wollte,
dass du weißt, dass ich dich immer unterstützen würde, das war mein Job. Weil
wir Partner waren."
Mulder nickte. Er erinnerte sich
an den Donnie Pfaster -
Fall, bei dem sie ihm versichert hatte, sie würde damit klar kommen, aber in
Wirklichkeit war sie zu Tode erschrocken. Er konnte sie noch genau mit all den
Wunden und Kratzern vor sich stehen sehen, wie sie versuchte hatte, sich von
den Fesseln an ihren Handgelenken zu befreien. Pfaster
war hinter ihnen gerade festgenommen worden. Mulder hatte ihr ins Gesicht
gesehen und nach einer Bestätigung gesucht, dass es ihr gut ging. Er war nicht
physisch um sie besorgt gewesen, doch emotionell hatte er befürchtet, dass sie
am Rande eines Nervenzusammenbruchs stand. Sie hatte ihn nicht angesehen.
"Es geht mir gut,
Mulder", hatte sie gesagt, ihre Stimme geprägt von den bevorstehenden
Tränen. Sie hatte es in einem Ton geäußert, der sagte, vergiss es, Mulder. Aber
er hatte es nicht vergessen. Er hatte ihr Kinn angehoben, so dass sie ihn
ansehen musste, und sobald ihre Blicke sich getroffen hatten, hatte sie
irgendwie den Mut gefunden, ihm zu vertrauen.
Zu weinen. Sich von ihm in die Arme nehmen zu lassen.
"Weil wir Freunde
waren", fügte sie hinzu. "Und dann, an dem Tag im Büro hast du mich
einfach zu sehr gedrängt. Es hat mich verletzt, Mulder. Als du dich herunter
gebeugt hast, um mir mit den Blättern zu helfen, waren wir so nah... es hat mir
Angst gemacht. Es bedeutete, dass ich mich dir gegenüber öffnen musste. Es
bedeutete, dass ich dich sehen lassen musste, was ich fühlte."
Mulder nickte abermals. "Es
hat mir auch irgendwie Angst gemacht", gab er zu.
"Als du dann abends zu mir
gekommen bist... hatte ich überhaupt nicht erwartet, was passiert ist. Und ich
hatte nicht erwartet, dass es so passiert."
Mulder sah, wie sich ihre Wangen
leicht röteten, als sie dieses Thema ansprach. "Ich wollte dich schon so
lange, Mulder... aber es war überhaupt nicht so, wie ich es mir vorgestellt
hatte."
Scully verstummte. Sie war den
Tränen nahe. Mulder blieb still auf dem Tisch sitzen. Er hatte Angst, zu ihr zu
gehen und sie zu umarmen. Er hatte Angst, dass sie ihn zurückweisen würde, aber
gleichzeitig war er bereit, zu ihr zu gehen, wenn sie es wollte.
"Alles andere... die
Tabletten... die Kündigung beim FBI... ich hatte nichts mehr. Wenn meine
Familie, meine Mutter vor allem, nicht gewesen wären, hätte ich es nicht
geschafft. Meine Gesundheit ging zugrunde. Ich selbst ging zugrunde."
Scully unterdrückte ihre Tränen, um auszureden.
"Etwas, dass mir meine
Mutter im Krankenhaus gesagt hatte, hat für mich alles verändert. Sie sagte,
dass ich entweder ohne dich oder mit dir leiden könne."
"Hört sich nicht an, als ob
ich irgendwelche Vorzüge hätte", sagte Mulder verletzt.
"Nein, das meine ich
nicht", protestierte Scully. "Es liegt nicht an dir. Es liegt an mir, Mulder. Dich zu lieben
bedeutet, mich dir zu öffnen. Ich habe es nur wenige Male in meinem Leben getan
und wurde bitter enttäuscht."
"Jack Willis", riet
Mulder. Und es gab wahrscheinlich noch andere, dachte er bei sich. Er hasste
sie alle dafür, dass sie ihr so wehgetan hatten.
"Als meine Mutter das sagte,
habe ich erkannt, dass wenn ich dir trauen könnte und mich dir öffnen könnte...
könnte ich ein Leben haben. Ich glaubte sogar, dass ich glücklich sein
könnte." Ihr letzter Satz war sehr weise.
"Du hättest glücklich sein
können, wenn ich nicht alles versaut hätte", sagte Mulder leise.
"Und ohne dich", sprach
sie weiter und antwortete nicht auf seinen Kommentar, "ging ich innerlich
zugrunde. Langsam. Und schmerzvoll. Ich brauchte Hilfe, Mulder."
"Du musstest mich
vergessen", fiel er ein.
Sie schüttelte ihren Kopf und ihre
Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
"Ich könnte dich nie vergessen, Mulder. Es gibt nicht genug Hilfe
auf der Welt, die mich dich vergessen lassen würde."
"Was also machst du hier,
Scully? Du hast noch nie lange um den heißen Brei herum geredet."
Mulder war immer noch davon
überzeugt, dass sie am Ende die Bombe platzen lassen würde. "Wie heißt
er?"
Scully sah ihn überrascht an.
"Wer?" fragte sie.
"Wer immer dir geholfen hat,
dich besser zu fühlen. Wer immer es ist, den du so liebst."
Todernst und ohne eine Sekunde zu
zögern antwortete sie ihm. "Fox Mulder."
Er starrte sie an.
"Scully..."
"Ich liebe dich immer noch,
Mulder. Ich kann ohne dich nicht leben. Ich will nicht ohne dich leben. Wenn du
mich noch haben willst", sagte sie und er schnitt ihr das Wort ab.
"Ich habe nie
aufgehört." Mulder stand auf, durchquerte den Raum und setzte sich neben
sie auf die Couch. "Ich werde vielleicht noch etwas Zeit brauchen",
sagte sie. "Ich bin mir nicht sicher, zu was ich bereit bin. Aber ich musste
dir all das sagen. Ich musste sicher sein, dass du es weißt. Ich wollte nicht,
dass du jemand anderes kennenlernst und mich vergisst."
"Es gibt niemand anderen für
mich. Ich könnte dich nie vergessen, Scully.
Nicht für eine Sekunde. Ich habe während des letzten Jahres jeden Tag,
jede Minute an dich gedacht."
Scully nickte. "Ich muss mir
noch über so vieles klar werden."
"Ich werde auf dich warten.
Egal wie lange es dauert. Egal wie lange du brauchen wirst."
"Und mein Leben... es ist
eine Katastrophe. Ich habe keinen Job. Ich lebe bei meiner Mutter..."
Mulder zuckte innerlich zusammen.
Er wusste, wie viel ihr die Arbeit beim FBI bedeutet hatte.
"Es tut mir Leid",
sagte er.
"Es ist nicht alles deine
Schuld", erinnerte sie ihn. "Ich bin ziemlich stur."
Scully stand auf und Mulder
folgte ihr und sah sie an. "Alles, was ich weiß, ist, dass ich dich liebe,
Scully. Alles andere ist mir egal. Sogar die X-Akten. Es ist alles nichts wert,
wenn du nicht bei mir bist."
Vorsichtig näherte sie sich ihm.
"Ich möchte dich festhalten", sagte sie und die Zärtlichkeit in ihrer
Stimme brach ihm das Herz. Wie lange hatte er darauf gewartet, sie das sagen zu
hören? Er nickte und sie schlang die Arme um seine Hüften. Mulder hielt sie
fest an sich gepresst, schloss die Augen und fühlte, wie ein Teil seines
Herzschmerzes hinweg schmolz.
Nach einiger Zeit löste sich
Scully von ihm und sah ihn an. Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen und
küsste ihn. Mulder küsste sie zurück. Sanft, warnte er sich, als er ihre Lippen
fühlte, und es ihn wie mit einem elektrischen Schlag durchfuhr. Sanft.
Sie küssten sich langsam, ohne
Eile. Scullys Kuss sagte ihm ohne Worte, was bevorstand. Mulder fuhr mit den
Händen durch ihr Haar und genoss jeden Moment, jede Bewegung ihres Körpers
neben seinem. Sie legte ihre Arme wieder um ihn und küsste ihn stärker und
intensiver. Scully seufzte leise und lehnt sich gegen ihn. Mulder merkte, wie
es ein wenig außer Kontrolle geriet. Widerwillig machte er sich los.
"Scully", flüsterte er.
"Scully, bist du sicher?"
"Ich bin sicher",
flüsterte sie zurück. "Ich fühle mich besser als ich mich während des
ganzen letzten Jahres gefühlt hatte." Sie küsste ihn wieder und diesmal
hob er sie auf und trug sie ins Schlafzimmer. Vorsichtig legte er sie aufs
Bett. "Ich dachte, du hättest nur die Couch", murmelte sie mit einem
Lächeln. Er schüttelte den Kopf.
"Das ist mein Bett",
sagte er und ihn überkam ein überwältigendes Bedürfnis, es jetzt richtig für
sie zu machen. Er wusste, dass es dieses Mal keine vorschnellen Handlungen oder
Herumfummeln geben würde. Dieses Mal wollte er sie lieben, langsam und
vorsichtig, so lange sie es wollten. Er wollte, dass ihre Phantasien wahr
wurden. Er wollte, dass es perfekt war.
Er legte sich neben sie aufs Bett
und zog sie langsam aus. Sie brauchten keine Worte. Stattdessen hörten sie nur
leises Seufzen, sanftes Stöhnen und ihrer beider Namen in leisem, heiserem
Flüstern.
ZEHN STUNDEN SPÄTER
Mulder erwachte zuerst und
betrachtete Scully fast eine halbe Stunde lang, wie sie zusammengerollt in seinen
Armen schlief. Als sie sich bewegte, lächelte er sie an. Sie öffnete
verschlafen die Augen und küsste ihn. "Guten Morgen", flüsterte sie.
"Eigentlich guten
Nachmittag", sagte er und deutete auf die Uhr. "Wir haben ein paar
Stunden geschlafen."
Sie rollte herüber und streckte
sich. Mulder sah sie an und die Schönheit ihres bloßen Körpers raubte ihm den
Atem. Als sie fertig war, kuschelte sie sich wieder an seine Seite und ihre
warme Haut berührte seine. "Mulder?" fragte sie.
"Hmm?"
"Was war in dem Kästchen,
das du vor meine Tür gelegt hast?" fragte sie und in ihrer Stimme lagen
immer noch die Nachwirkungen ihrer Leidenschaft. Wortlos stand Mulder auf.
"Wo gehst du hin?"
fragte sie und setzte sich auf.
"Ich werde es dir
zeigen", antwortete er und holte das Kästchen aus der Schublade. Er setzte
sich wieder neben sie auf das Bett, als sie es auspackte. Sie fand das kleine
Ringkästchen und hielt inne. Sie sah ihn fragend an. "Nur zu",
forderte er sie auf. "Mach's auf." Scully öffnete es und ihre Augen
füllten sich mit Freudentränen.
"Mulder...", flüsterte
sie. "Oh, Mulder."
Mulder grinste sie an. "Wenn
du bereit bist", sagte er, nahm den Ring aus der schwarzen Samtbox und
streifte ihn ihr über den Finger. "Dana", sagte er und spürte, wie
seine eigenen Tränen aufkamen. "Wenn du soweit bist... würdest du meine Frau werden? Würdest du mich
heiraten?"
Scully zögerte keine Sekunde mit
ihrer Antwort. Sie küsste ihn auf den Mund und flüsterte ihm dann die Antwort
ins Ohr. "Ja."
Mulder küsste sie wieder und
wieder. "Ich liebe dich."
"Ich weiß, Mulder, und ich
liebe dich auch", sagte sie und beanspruchte seine Lippen ganz für sich.
ENDE