Note: This translation is posted without author's permission. I regard this piece as veryvery good and not to mention important in the world of fan fiction. It's wonderfully written and one of the best character studies I have ever read. Lydia, if you read this, *please* don't be angry at me for posting this without your knowledge! I just had to translate it, your story is *awesome*!!

 

DANCE WITHOUT SLEEPING

von Lydia Bower

( bower@cu-online.com )

 

 

aus dem Englischen übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de >

*** überarbeitet 2017 ***

 

Dies hier ist das erste Stück einer Serie, die von Scullys Krebs handelt, wie er ihr Leben verändern könnte und wie sie damit umgeht. Die Geschichte ist in der Ich-Form erzählt und jedes Kapitel ist eine Art Tagebucheintrag. (...) Keine richtige X-Akte, es sei denn, man betrachtet Scully als eine.  Das hier ist eine Charakter Studie. Feedback aller Art ist herzlich willkommen.

Disclaimer: Die Figuren in dieser Story gehören nicht mir, obwohl ich es mir oft wünsche. Sie gehören dem Schöpfer aller Schöpfer, 1013 Productions und Fox Broadcasting. Außerdem gehören sie Gillian Anderson und David Duchovny.

Danke an Melissa Etheridge für den Titel und den gleichnamigen Song, durch den er entstanden ist.

Anmerkung von dana d.: Hier ist eine der ersten Geschichten, die ich je gelesen habe. Ich habe sie auf Empfehlung einiger Freunde gelesen und ich wurde nicht enttäuscht. Es ist ein wundervolles Stück, sehr überzeugend und einfühlsam geschrieben und beschreibt auf realitätsnahe Weise eine Möglichkeit wie Scully mit ihrem Krebs leben und fertig werden könnte.  Nicht umsonst ist Dance Without Sleeping eine der meistdiskutierten Stories im Cyberspace, die viel Anerkennung gefunden und so manche Auszeichnung gewonnen hat.

Ein GROSSES Dankschön möchte ich hier an Lydia richten, die mit dieser Story die Fan Fiction Welt bereichert hat; Kristin, meine One And Only Beta-Leserin; und G-Woman—für alles, nicht nur die Ü-Hilfen ;) Und jetzt auf geht's—legt genug Taschentücher bereit, nehmt Euch Zeit und taucht in die Welt von Lydias schönster X-Files Story.

 

Klasse: S, A, letztendlich MSR

Wertung: Hmm.. PG-13, für diesen Teil jedenfalls. Das wird sich aber im Verlauf der Story zweifellos noch ändern.

Zusammenfassung: Scully lernt mit dem Krebs zu leben und wieder die Kontrolle über ihr Leben zu erlangen.

 

 

Dance Without Sleeping I

von Lydia Bower

( bower@cu-online.com )

 

Es hat überhaupt nichts mit Hellsehen zutun. So lebhaft und impulsiv er auch sein kann, Mulder ist trotzdem durchschaubar geworden. Und ich weiß immer, wenn er mich anruft.

"Ich bin in einem Stück nach Hause gekommen, Mulder", sage ich ihm am Telefon ohne ein großartiges Hallo vorher.

"Spooky, Scully", antwortet er.

"Nein, das heißt 'Spooky' Mulder."

Er lacht. Für einen Moment ist es still und ich kann ihn mir ganz deutlich vorstellen. Wer braucht schon Bildtelefone? Mulder und ich bestimmt nicht.

"Hey", sagt er, "ich habe gerade eine Pizza fürs Abendessen geholt. Genug für zwei. Wie wär's, wenn ich vorbeischneie und wir essen sie zusammen?"

"Mulder, sie wird eiskalt sein, wenn du hier ankommst."

"Nein, das wird sie nicht."

Ich hebe eine Augenbraue.  "Wo bist du?"

"Sieh' nach", sagt er. Ich trete ans Fenster und spinkse durch die Gardine.

Mulders Auto steht auf der anderen Straßenseite. Er lehnt an der Motorhaube, Telefon am Ohr, und sieht mich an. Ich kann den weißen Pizzakarton auf der Motorhaube liegen sehen.

Ich lächle ihm zu. Er muss es gesehen haben, denn er grinst zurück und ich sehe, wie er auf den Knopf auf seinem Telefon drückt, als im selben Moment die Verbindung beendet wird.

Es ist mittlerweile zu einem eingespielten Rhythmus geworden. In den zwei Monaten seit Penny Northern gestorben ist und ich mich entschieden habe, wieder zu arbeiten, haben Mulder und ich eine stille Vereinbarung getroffen: er hat versprochen, mich nicht anders als sonst auf der Arbeit zu behandeln, wofür ich mich von ihm in unserer Freizeit bemuttern lassen muss. Es ist schwer, diese Abmachung einzuhalten—für uns beide. Ich kann hier nur für mich sprechen, und ich weiß nicht, ob er es verstehen würde, aber es ist nicht so, dass ich die Zeit, die wir zusätzlich miteinander verbringen, nicht schätze. Ich tue es, mehr als ich es je vor mir zugeben würde. Es ist nur so, dass es Nächte gibt, in denen ich nichts weiter tun möchte, als mich mit dem Gedanken an meinen bevorstehenden Tod zusammenzurollen und mich bittere Tränen vergießend in einem Loch zu verkriechen. Und das tut man nicht so leicht in Gesellschaft. Vor allem nicht, wenn diese Gesellschaft Fox Mulder ist.

Ich höre das Klopfen an der Tür und senke genervt meinen Kopf. Ich muss es ihm geradeheraus sagen—die Andeutungen haben nichts gebracht. Ich schließe auf und lasse ihn herein, während ich vor ihm her ins Wohnzimmer zurück laufe.

"Mulder, benutze doch von jetzt an deinen Schlüssel. Du brauchst nicht zu klopfen". Ich setze mich wieder in die Ecke der Couch, kreuze meine Beine unter mir und sehe zu ihm auf. Er sieht mich an, während er sich herunter beugt, den Pizzakarton auf dem Wohnzimmertisch abstellt und dann seinen Mantel auszieht.

"Bist du sicher?"

"Ja, ich bin mir sicher. Benutze deinen Schlüssel. Ich sehe keinen Sinn darin, jedes Mal aufstehen zu müssen, wenn wir doch beide wissen, dass du es bist."

Er schaut weg. "Aber was wenn.... ich meine, du könntest gerade im Badezimmer sein, oder dich umziehen oder so...."

"Dann fange ich eben an, die Türen zu schließen."

"Ich will dich nicht erschrecken."

"Ich habe keine Angst vor dir, Mulder."

"Das ist nicht, was ich...." Er verstummt und sieht mich wieder an. Ich merke, dass Mulder es wieder einmal geschafft hat zu wissen, was ich denke; oder zumindest verdammt gut zwischen den Zeilen gelesen hat. Und gerade in diesem Moment fällt mir auf, was genau er darin gelesen haben könnte. Bis vor kurzem hat es an Mulder viele Dinge gegeben, die mir Angst gemacht hatten. Doch jetzt ist das anders. Ich habe keinen Grund mehr, Angst zu haben. Mein Leben ist zu einer Abfolge einfachster Dinge geworden - ein dunkler Tunnel meiner Seele. Es gibt Mulder, mich, die Arbeit und den Krebs. Und ich lege all mein Vertrauen und meinen Glauben in die ersten drei.

Was den Krebs betrifft, fange ich an, meine Krankheit kennenzulernen und ich lerne langsam, mich damit abzufinden. Wo vorher Angst war, ist jetzt Wut. Und mit der Wut kommt die Kraft.

Ich sehe zu, wie Mulder einige Sekunden braucht, um diese neue Seite an mir zu verarbeiten, die ich ihm offenbart habe. Wie so oft in letzter Zeit. Ich war immer direkt mit ihm gewesen, wenn es um unsere Arbeit geht. Jetzt merke ich, wie ich außerhalb unseres Jobs ebenfalls so handele. Ich habe keine Zeit, um den heißen Brei herum zu reden.

Seine Augen ändern ihren Farbton, eine schwache aber merkliche Veränderung von braun zu grün. Er hebt einen Mundwinkel in einem schiefen Grinsen und nickt langsam. "Das ist gut, Scully. Da bin ich froh." Er dreht sich um und geht in die Küche, und ich höre ihn murmeln, "Das ist gut."

Dann höre ich das leichte Klicken von Gläsern. "Wasser, Eistee oder Saft?" ruft er.

"Wein. Im Kühlschrank ist in der unteren Schublade eine Flasche. Der Korkenzieher ist...."

"Ich weiß", ruft er zurück. "Ich hab' ihn schon. Ein Gläschen Wein, kommt sofort."

Ich beuge mich nach vorne und hebe den Deckel der Pizzaschachtel. Das warme, würzige Aroma von zerlaufenem Käse strömt zu mir hoch, und ich hebe mein Kinn, um zu schnuppern. Meine Hälfte ist mit Champignons, Zwiebeln und grünem Pfeffer. Mulders Hälfte hat noch Schinken dazu.

Mrs. Bottenfield, die Frau von gegenüber, hatte mich am Tag zuvor bei den Briefkästen angesprochen, ob der "nette junge Mann, mit dem Sie arbeiten", bei mir eingezogen war. Ich kann gut verstehen, warum sie diesen Eindruck hat. Es sieht offensichtlich ganz so aus. Mulder verbringt viel mehr Zeit, hier als bei sich zu Hause. Er hat ein eigenes Schrankfach für einen oder zwei seiner Anzüge, eine Schublade für seine Socken, Unterwäsche und Krawatten und ein weiteres für seine Jeans, T-Shirts und Hosen. Er hat eine eigene Zahnbürste und Rasierklingen hier und ein altes Paar Turnschuhe im Schuhschrank. Seine halbe CD- und Videosammlung steht neben meiner im Regal. Jedes Mal, wenn er etwas Neues herbringt, fragt er zögerlich und verlegen, ob er es hier lassen dürfe. In letzter Zeit war er so umsichtig und höflich gewesen, dass ich gut Lust bekommen hatte, ihn auf der Stelle zu erwürgen. Ich vermisse den streitlustigen, arroganten Mistkerl, der er manchmal sein kann. Ich glaube, ich werde ihm das mal sagen müssen.

Er kommt mit zwei Weingläsern in einer und einem Stapel Servietten in der anderen Hand aus der Küche. Er reicht mir eins der Gläser und setzt sich neben mich auf das Sofa. "Brauchst du noch etwas, Scully?"

"Nein."

"Sicher?" fragt er und steht schon fast wieder. "Ich hole dir noch schnell einen Teller."

"Willst du dich nicht *endlich* hinsetzen?!" keife ich, viel lauter als beabsichtigt.

Mulder murmelt ein leises "'Kay", und setzt sich wieder hin, mir zugewandt. Er sieht mich leicht erschrocken an.

"Tut mir leid, Mulder. Ich wollte dich nicht anschreien", sage ich automatisch, aus reiner Gewohnheit. Aber das ist überhaupt nicht wahr.

"Nein. Weißt du was? Es tut mir nicht leid. Du treibst mich zum Wahnsinn, Mulder."

Stille. Er wischt sich den Mund ab und steht auf, während er sich nach seinem Mantel umsieht. "Ich, äh, ich glaube, ich sollte lieber gehen."

Ich warte förmlich darauf, dass er sauer wird, oder dass ich ihm ansehen kann, dass er beleidigt ist. Mulders Körpersprache kann einem ganze Geschichten erzählen, wenn man nur weiß, wo man hinsehen soll. Ich kann ihm nur Resignation ansehen, und das macht mich traurig.

Ich sehe ihn fassungslos an. "Ich will nicht, dass du gehst. Das wollte ich damit nicht sagen."

"Und was wolltest du sagen, Scully?" Seine Stimme ist ruhig, kontrolliert. Ah, da ist es: seine Stimme. Der Ärger.

"Ich will, dass du aufhörst, mich zu behandeln als würde ich sterben." Jetzt spitzt er die Ohren. Er wirbelt herum und starrt mich an.

"Was?"

"Du hast schon richtig gehört." Ich stelle mein Weinglas zurück auf den Tisch und schnappe mir ein Stück Pizza, wovon ich herzhaft abbeiße und so mit vollem Mund nichts weiter mehr sagen kann. Seine Neugier gewinnt, wie immer, und es braucht nur wenige Sekunden, bis er sich wieder hinsetzt und mir beim Kauen zusieht. "Nimm dir ein Stück Pizza, Mulder, bevor sie kalt wird."

Er brummt leise, was ich als Verwirrung auffasse. Er drückt seinen Nasenrücken mit Daumen und Zeigefinger und greift dann nach einem Stück Pizza. Wir werfen uns gelegentlich Blicke zu, während wir wortlos beide je zwei Stücke essen, und ich sehe ihm an, dass er langsam die Geduld verliert.

Ich spreche langsam, um die richtigen Worte zu finden, denn ich will nicht, dass er es in den falschen Hals bekommt. "Mulder, wir beide wissen, was mit mir los ist und wir wissen, dass dieser Krebs mich umbringen wird. "

Mulder hebt ein drittes Stück hoch und legt es sogleich wieder hin. Er starrt auf einen Punkt irgendwo im Zimmer und wischt sich gedankenverloren die Hände an einer Serviette ab. "Aber wir wissen auch, dass die letzten Tests kein weiteres Wachstum des Tumors gezeigt haben. Ich habe nicht ein einziges Mal Nasenbluten in den letzten zwei Wochen gehabt. Ich schlafe gut, ich esse", ich deute auf die Pizza, "relativ gut. Ich bin okay, Mulder."

"Was ist mit den Kopfschmerzen?"

Die neuesten Anzeichen meiner Krankheit haben mir während der letzten zwei Wochen zu schaffen gemacht. Dumpfe, hämmernde Kopfschmerzen in der Mitte meiner Stirn, genau über dem Tumor. Ich habe es meinem Arzt noch nicht gesagt, und ich hoffe, dass Mulder nicht fragt, ob ich es getan habe. Ich werde ihn nicht anlügen—nicht in dieser Sache. Das bin ich ihm schuldig.

Und außerdem weiß er genauso viel über meine Krankheit wie ich. Ich kann ihm nichts mehr verheimlichen. Ich habe schon lange aufgegeben, die Nächte zu zählen, die er im Esszimmer über meinem Laptop verbracht und das Internet nach brauchbaren Informationen durchforstet hat. Sogar Byers hat sich für ihn in jede medizinische Datenbank der Vereinigten Staaten und mehr als nur einige in Übersee gehackt. Der Tisch ist überfüllt mit Ausdrucken und Medizinbüchern, Testergebnissen und den Resultaten meiner letzen Blutabnahme. Mulder könnte eine brauchbare Krankenakte über mich zusammenstellen, wenn es nötig wäre.

Er nimmt sich diese Sache genauso zu Herzen wie alles, was ihm nahe geht.  Mulder ist wie ein Hund mit einem Knochen, den er energisch gegen jeden verteidigt, der ihn ihm wegnehmen will.

"Sie sind auszuhalten", sage ich. "Die Schmerztabletten helfen recht gut."

Ich kann ihm nicht länger in seine gepeinigten Augen sehen, und ich atme tief durch, um den Drang zu unterdrücken, ihn trösten zu wollen. *Ihn* trösten zu wollen. Ist das nicht verdreht? Ich bin diejenige, die krank ist, doch ich mache mir mehr Sorgen um Mulder als um mich selbst. Ich ziehe die Knie an meine Brust und lege meine Arme darum.

"Mulder, ich möchte, dass du weißt, wie sehr ich es schätze, was du in den letzten Monaten für mich getan hast. Nein, sei bitte ruhig und lass mich ausreden, ja? Ich weiß nicht, wie ich das alles ohne dich schaffen würde. Du bist für mich da gewesen, wann immer ich dich gebraucht habe. Du hast es irgendwie geschafft, bei der Arbeit all deine Ängste außen vor zu lassen und mich die Dinge so machen zu lassen, wie ich sie tun muss. Aber ich kann nicht mehr, Mulder. Ich hab's satt, dass sich mein Leben nur noch um meine Krankheit dreht. Das ist alles, womit wir uns beschäftigen, alles, worüber wir reden, wenn wir nicht arbeiten—und manchmal sogar *wenn* wir arbeiten. Wenn du nicht gerade damit beschäftigt bist, mehr Informationen über Scanlon herauszubekommen, bin ich es, die über Listen der neuesten Medikamente sitzt, die mir vielleicht helfen könnten. Es dreht sich einfach alles darum, und ich hab es verdammt satt, verstehst du?"

Ich weiß wirklich nicht, ob er es tut. Mulder hat sein Leben einer einzigen Sache gewidmet, er hat sich völlig von ihr vereinnahmen lassen—doch jetzt bestimmt noch etwas anderes sein Leben. Er hat die zusätzliche Bürde geschultert. Vorher waren es nur Mulder und Samantha. Jetzt gibt es drei.  Ich bin zu Mulders Lebensaufgabe geworden.

Er überrascht mich mit seiner Antwort. "Ja, Scully. Ich verstehe, was du meinst. Glaubst du es ist einfach, jeden Tag weiterzumachen? Ich habe dreiundzwanzig erschöpfende Jahre hinter mir, willst du etwa tauschen?"

Er versucht überhaupt nicht, seine Bitterkeit zu überspielen. Vielleicht weil er weiß, dass ich es nicht persönlich nehmen werde. Aber er hat die Frage gestellt, und sie verdient eine Antwort.

"Ich wäre froh, wenn ich dir einige dieser Jahre abnehmen könnte, Mulder." Seine Augenbrauen ziehen sich in Traurigkeit zusammen, und er seufzt, "Aw, Scully, das weiß ich." Und dann rutscht er zu mir herüber und nimmt mich in die Arme. Er hält mich fest und zieht mich zu sich. Ich lege meinen Kopf an seine Brust und fühle sein Kinn auf meinem Kopf. Ich muss etwas darüber sagen, von Mulder umarmt zu werden. Er tut es wie kein anderer. Es gibt keinen anderen. Die Umarmungen meiner Mutter sind geradezu beängstigend in ihrer Intensität, und ich kann jedes Mal die Angst in ihr spüren. Mulder hält mich leicht, aber bestimmt. Und seine Umarmung hat etwas sehr Beruhigendes. Er baut mich wieder auf, macht mich wieder stark. Ich wünschte, ich hätte es darauf ankommen lassen und es schon vor Jahren herausgefunden.

Mulder hat mir eines Nachts mal etwas über Mauern des Bewusstseins und des Herzens erzählt, und warum wir sie aufstellen. Ich glaube, es war in derselben Nacht, in der er mich aus dem Krankenhaus in Allentown nach Hause gebracht hat. Er hat davon gesprochen, warum wir sie brauchen, und davon, wie sie uns beschützen. Und er hat mir gesagt, dass wenn einige dieser Mauern nicht mehr gebraucht würden, sie unter ihrem eigenen Gewicht zusammenfallen.

Ich denke in letzter Zeit oft an Mulder, wenn ich nachts in der dunklen Stille in meinem Bett liege. Und wenn ich ganz angestrengt lausche, kann ich hören wie diese Mauern zerfallen.

Als er weiter spricht, ist seine Stimme flüsternd und honig-warm. "Was sollen wir also machen, Scully?"

Ich drehe mein Gesicht, bis meine Nase genau unter dem Knoten seiner Krawatte in seinem Hemd vergraben ist. Er riecht so gut. Sein Herz schlägt gegen meine Wange.

Ich löse mich ein wenig und seine Arme geben mir den Freiraum. Mulder hält mich nie zu fest. Er lässt mir immer Bewegungsfreiheit. Manchmal nehme ich es mir richtig übel, dass ich den Platz ausnutze, den er mir gibt. Manchmal nehme ich es ihm übel, dass er ihn mir lässt.

"Ich möchte mein Leben leben, Mulder. Das ist alles. Ich möchte wieder normal sein und das tun, was andere Leute tun. Ich möchte etwas machen, dass mich vergessen lässt, und wenn es nur für eine kurze Zeit ist, dass dieses.... diese Dinge.... uns wie ein zweiter Schatten verfolgen. Ich möchte wieder glücklich sein."

Ich sehe auf und sehe ihn mit diesem verdammten Gesichtsausdruck auf mich herab blicken. Als ob er es nicht verdienen würde, dieselbe Luft wie ich zu atmen, und als ob er lediglich auf den verhängnisvollen Schlag wartet, von dem er weiß, dass er kommt. Dieser Ausdruck bricht mir das Herz.

Ich hebe meine Hand zu seiner Wange in der Hoffnung, den Schmerz und die Schuldgefühle, die ich darin sehe, von ihm nehmen zu können. Er schließt seine Augen und atmet zitternd aus. Ich nehme meine Hand wieder herunter und sehe fort. Seine Intensität macht mir nicht länger Angst, doch sie lässt mich immer noch stocken. Er würde mich völlig verschlingen, wenn ich es zulassen würde. Ich frage mich, warum ich es nicht tue.

Die Mauern zerfallen.

Ich kann seinen Blick auf mir fühlen, doch ich wage es nicht, ihn zu erwidern. "Was macht dich glücklich?" fragt er.

Ich lächele verschämt. "Ach, es ist albern."

"Unmöglich. Nichts, was du möchtest, könnte albern sein."

Ich muss ein wenig lachen. Ich setze mich auf und stütze meine Ellbogen auf meine Knie. Mulder legt seine Hand auf meinen Rücken und fängt an, in kleinen, gemächlichen Kreisen meine Wirbelsäule zu massieren.

"Ich möchte.... ich möchte Zuckerwatte essen und Karussell fahren. Ich möchte einen Garten pflanzen und zusehen wie er wächst. Ich möchte ihn pflegen und mit bloßen Händen in der Erde graben. Ich möchte ein Baby in meinen Armen halten und alten Menschen zuhören, wie sie Geschichten aus ihrem Leben erzählen. Ich möchte irgendetwas Langes und Gewagtes anziehen und in teure Nachtclubs gehen und die ganze Nacht zu langsamer Musik tanzen. Ich möchte atemberaubenden Sex haben. Nur ein einziges Mal möchte ich das Tuscheln und die Blicke hinter meinem Rücken ignorieren und allen sagen, sie können mich mal. Ich möchte ein festliches Abendessen mit bloßen Händen essen und Tonnen an Schokolade in mich hineinschlingen. Ich will die Leute zu fassen kriegen, die mir Monate meines Lebens gestohlen haben, und sie dazu zwingen, mir zu sagen, warum sie mir das angetan haben! Ich will mein Leben zurück. Ich will alles zurück, was sie mir genommen haben!"

Ich bin in Tränen aufgelöst. Still rollen sie mein Gesicht hinunter und brennen auf meinen Wangen. Es sind Tränen purer Wut.

Ich kann Mulder neben und leicht hinter mir spüren. Seine Bewegungslosigkeit motiviert weder meine Tränen, noch trocknet sie sie. Ich merke, wie schwer es mir fällt, mich gehen zu lassen und zu weinen. Ich weiß auch wie es Mulder trifft, es mit ansehen zu müssen. Seine Schuldgefühle und meine Tränen sind wie Säure für seine Seele, sie zerstören ihn genauso wie meine Krankheit mich vielleicht irgendwann zerstören wird.

Er beendet die sanfte Massage auf meinem Rücken, und als er seine Hand wegnimmt, vermisse ich augenblicklich ihre Wärme. Doch ich muss nicht lange warten—seine Hand streicht gleich darauf die feuchten Strähnen aus meinem Gesicht mit einer Berührung, die so leicht ist, als wäre sie gar nicht da.

"Es tut mir leid, Scully."

Seine Stimme bricht inmitten seiner Worte, und ich finde etwas Stärke in seiner Schwäche.

"Mir auch, Mulder. Mir auch."

Ich stehe auf, nehme die beiden leeren Weingläser vom Tisch und trage sie wieder zurück in die Küche, wo ich sie nachfülle. Der Wein ist blassrosa— und ich sehe plötzlich Melissas Gesicht vor mir, ihre geröteten Wangen. Ich muss mich auf den Rand des Küchentisches stützen, schließe meine Augen und konzentriere mich auf das Bild meiner Schwester in meinem Kopf, das mein Bewusstsein von ihr geschaffen hat. Ich muss daran denken wie sie gestorben ist und stelle mir die Frage, ob das nicht der bessere Weg wäre. Wie würdest du dich entscheiden, Dana Katherine? Die schnelle Kugel oder der langsame Verfall deines Körpers? War sich Melissa je bewusst, was mit ihr geschehen war, als sie im Krankenhaus um ihr Leben gekämpft hat? Sind auch ihr die Menschen, die sie liebte erschienen wie mir? Oder ist alles in einem einzigen Moment verschwunden? Bewusstsein, Gedanken, Gefühle?

"Nein", beginne ich, doch dann merke ich, dass diese geflüsterte Erklärung meine eigene ist. Ich werde mich nicht dem Tod beugen. Es gibt noch zu viel Leben in mir. Es schreit nach einem Versprechen, das ich gebe. Abermals. Es ist die ununterbrochene Schlacht, die ich mit mir selbst führe—zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Ich danke meinem Vater dafür, dass ich die nötige Entschlossenheit und Hartnäckigkeit von ihm erben konnte. Ich werde nicht aufgeben. Ich möchte noch so viel machen. Ich möchte Blumen und Zuckerwatte und Sonnenschein. Ich möchte kerzenbeleuchtete schummrige Räume und sanfte Musik und Wein. Ich will Antworten und Lösungen und Puzzles, die ich zusammensetzen kann. Ich will die Arme eines Mannes um mich spüren, seine bloße Haut an meiner, fühlen, wie seine Hände meinen Körper entflammen. Ich will, dass Mulder dieser Mann ist. Ich will in seinen Armen schlafen und erwachen. Ich möchte lachen, weinen, schreien, singen. Ich will Schmerz empfinden und Freude und alle Empfindungen dazwischen. Ich will mein Herz schlagen und meine Lungen atmen fühlen.

Ich will.

 

 

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Dance Without Sleeping II

Fleisch und Knochen

by Lydia Bower

( bower@cu-online.com )

Wertung: ein wenig R für Sprache und Inhalt

 

 

Vor kurzem hatte ich wieder Nasenbluten. Es war das schlimmste Bluten überhaupt. Und natürlich ist es genau mitten in einer Zeugenbefragung während des letzten Falles passiert. Die Befragung war eher eine Routinesache gewesen als ein Versuch, irgendwelchen mark- und beinerschütternden Wahrheiten aufzudecken. Ich war mir schon ziemlich sicher, dass wir keine Entführung von Außerirdischen vor uns hatten, sondern schlichtweg Kidnapping mit Lösegelderpressung. Die ganze Geschichte mit der Entführung war nur ein Vorwand, um die Aufmerksamkeit von dem Kindermädchen Carrie Russel und ihrem Freund abzulenken. Sogar Mulder war klar, dass der Fall eine Niete war, und dass das FBI keine Zuständigkeit hatte.

Ich saß Carrie Russells bester Freundin gegenüber, als mir plötzlich unheimlich schwindelig wurde. Nur einige Momente später floss das Blut. Und dieses Mal waren es keine Tropfen—es floss aus mir heraus, als ob jemand die Schleusentore geöffnet hätte, über meinen Blazer und meine weiße Seidenbluse. Das Mädchen mir gegenüber hat sich furchtbar erschrocken.

Mulder hatte sich gerade etwas aufgeschrieben und nur mit einem Ohr zugehört, was vor sich ging, bis er den Aufschrei der Zeugin hörte. Er sah mich an und riss vor Schreck die Augen auf. Er sprang von seinem Stuhl auf und war unmittelbar neben mir, als das Mädchen rückwärts von mir wich. Ich nehme ihr nicht übel, dass sie Angst hatte.

Ich war wie versteinert, meine Hand unter meiner Nase in dem Versuch, die Flut aufzufangen. Es war als ob mein Leben gerade aus mir heraus floss. Das Mädchen fing an, um Hilfe zu schreien, und ich bekam mit, dass Mulder sie mit dem Kommentar, jemand würde sich bei ihr melden, aus dem Zimmer schickte. Mulder beugte sich zu mir, nahm vorsichtig meine Hand weg und ersetzte sie durch ein Taschentuch, das er in letzter Zeit immer bei sich getragen hatte. Es ist komisch, aber ich habe nie Taschentücher bei mir. Ich vergesse sie einfach immer. Mulder nicht.

"Mein Gott, Scully", murmelte er. Mit der anderen Hand fasste er an meinen Nacken. "Hier, beug deinen Kopf ein bisschen zurück."

Ich tat es und wurde ein paar Sekunden später von Hustenkrämpfen geschüttelt, als das Blut meine Kehle herunter floss und ich fast erstickte.

Ich beugte mich wieder nach vorne, und das Blut spritze aus meinem Mund auf den Tisch vor mir.

"Scheiße, Scheiße, Scheiße", konnte ich Mulder sagen hören, immer und immer wieder, und ich hob meine Hand, um seinen Wortschwall zu stoppen. Das Husten hörte abrupt auf, genau wie das Blut, das in einer Sekunde in Strömen aus mir heraus floss und in der nächsten war es, als ob jemand den Hahn zugedreht hätte.

Ich fing an, mich mit dem Taschentuch ein wenig abzuwischen. "Es ist schon okay, Mulder. Es hat aufgehört. Ich bin okay."

"Quatsch! Ich bringe dich ins Krankenhaus."

"Nein, das wirst du nicht", widersprach ich leicht außer Atem. "Es geht mir gut. Es gibt keinen Grund warum...."

Die Tür flog auf und ich sah einen der Detectives in der Türe stehen.  "Alles in Ordnung hier drinnen?" fragte er Mulder. "Das Mädchen, das Sie gerade befragt haben, sagte...." Und dann sah er von Mulder zu mir und starrte mich an. Gott, ich hasse das.

"Wo ist die nächste Notaufnahme?" sagte Mulder viel lauter als nötig.

"Ähm...." stotterte der Mann, während er abwechselnd Mulder und mich anstarrte, und ich versuchte Mulder zu versichern, dass er dafür wirklich keinen Anlass gab.

"Ein Krankenhaus!" schrie Mulder und ignorierte mich. "Wo ist das nächste verdammte Krankenhaus?"

Der Detective erwachte aus seiner Starre. "County General. Ungefähr zehn Meilen von hier. Soll ich einen Notarzt rufen?"

"Nein!"

Beide starren mich an. "Ich gehe in kein Krankenhaus", sagte ich zu Mulder, und betonte dabei jedes einzelne Wort. "Es geht mir gut."

Mulder und ich fochten eine stumme Schlacht zwischen uns aus, als der Detective von einem Bein aufs andere tretend daneben stand, uns ansah und auf eine Antwort wartete. Mulder schloss die Augen und ich wusste, dass ich gewonnen hatte. Mit einer Handbewegung schickte er den Detective fort. Der Mann sah uns noch einmal an, bevor er aus dem Raum trat und bedachtsam die Türe hinter sich schloss.

 

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Mulder steht vor mir, Hände an den Hüften, und sagt kein Wort. Ich wage einen Blick zu ihm und sehe, wie er nach oben guckt, offenbar völlig fasziniert von den von Wasserflecken übersäten Deckenkacheln. Mit einer raschen Bewegung zerrt er den Stuhl von der anderen Seite des Tisches herüber und setzt sich falsch herum drauf, seine Hände über der Rückenlehne gefaltet. Er räuspert sich.

"Wann war das letzte Mal?"

"Ich weiß nicht." Ich kann ihn nicht ansehen. "Vor ein paar Wochen, vielleicht."

"Vielleicht?" Er ist wütend und erschrocken. "Wie lange ist es her?"

Warum komme ich mir jetzt wie ein Kind vor, das man bei etwas Verbotenem erwischt hat?

"Ich weiß es nicht, okay? Ich schreibe es nicht jedes Mal auf, Mulder!"

"Das solltest du aber. Alles schriftlich festhalten, Agent Scully."

Ich schaue auf und weiß genau, wie ich jetzt aussehen muss. "Ich brauche keine Predigt, Mulder. Wenn du etwas Nützliches tun willst, kannst du mir aus dem Waschraum ein feuchtes Tuch oder sowas holen. Ich würde mich gerne etwas frisch machen, bevor ich hier raus gehe."

Ich sehe an mir herunter und zupfe an meiner Bluse. Ein dunkelroter Streifen zieht sich über ein ganzes Stück, den ich niemals wieder rausbekommen werde. Noch ein Opfer.

Mulder steht auf und hebt mit einer Hand den Stuhl, so dass er ihn frustriert wieder auf den Boden knallen kann. Das Glas in der Türe klirrt, als er den Raum verlässt und die Türe fester als nötig hinter sich zuknallt.

Wenigstens hat er nicht versucht, auf Biegen und Brechen seinen Willen durchzusetzen. Und das habe ich bei ihm schon gesehen.

Ich warte auf seine Rückkehr und fummele mit dem Taschentuch herum, bevor ich vergeblich versuche, die Akte vor mir von den Blutspritzern zu befreien. Ich weiß ja, dass ich bei dieser Riesenmenge an Blut besorgter sein müsste als ich es bin, aber alles woran ich denken kann, ist der Anflug von Wut in Mulders Augen. Eigentlich bin ich erleichtert. Es bedeutet, dass er wieder zu mir zurückkehrt, dass er wieder zeigt, was er fühlt. Es ist ein unvermeidlicher Schritt in seinem Kummer, und ich bin froh, es zu sehen.

Er kommt mit einem warmen, feuchten Waschlappen zurück, den er mir wortlos reicht. Er sieht überall hin nur nicht zu mir, während ich mein Gesicht und meine Hände abwische. Ich versuche erst gar nicht, den Schaden auf meiner Bluse und meinem Blazer zu beseitigen. Der Blazer ist schwarz, also habe ich keine großen Befürchtungen, dass ich auf dem Weg zurück ins Motel Blicke auf mich ziehen werde und richtig geknöpft sollte er den Fleck auf der Bluse eigentlich verdecken. Ich greife nach meiner Handtasche, doch dann fällt mir ein, dass ich sie im Kofferraum des Wagens liegen gelassen habe. Ich stehe auf und teste erst, ob meine Beine mich aufrecht halten, bevor ich vom Tisch wegtrete. Mir ist nicht mehr schwindelig.

"Mulder, ich habe keinen Spiegel. Ist alles weg?"

Er dreht sich zu mir, seine Arme vor der Brust verschränkt. Ich beobachte seine Augen, als sie über mein Gesicht gleiten. "Hier ist noch etwas über...." Er schüttelt den Kopf und streckt eine Hand aus, als er näher zu mir kommt. Ich lasse den Waschlappen los und beobachte ihn, als er ihn an eine Stelle genau über meiner Lippe bringt. Seine Augen sind grundlose, graue Tiefen. Ein kleiner Muskel zuckt in seinem verbissenen Gesicht.  Vorsichtig tupft er mit zwei Fingern mein Gesicht ab, und ich fühle mich plötzlich, wie ich hier so stehe und ihm dabei zusehe, an meinen Vater erinnert, an die Art wie er mich immer sauber machte, nachdem ich wieder mal nicht vernünftig Eis essen konnte.

Mulder lässt seine Hand fallen und tritt einen Schritt zurück. "So gut wie neu", sagt er, als er den Lappen auf den Tisch wirft.

Ich muss lächeln. Er lächelt zurück, wenn auch gequält.

"Wenn es doch nur so einfach wäre", seufze ich.

"Ja." Er fängt an, unsere Sachen aufzusammeln und hält für einen Moment inne, als er die Akte vom Tisch nimmt und sie zuklappt. Er stopft alles in meine Aktentasche und greift nach meinem Mantel. "Komm, Scully, lass uns hier verschwinden."

Er hilft mir in den Mantel und schnappt sich dann seinen eigenen. Dann öffnet er die Tür und hält sie für mich auf, seine Hand an meinem Rücken.

Als wir wieder im Motel ankommen, möchte er, dass ich mich hinlege. Ich protestiere, dass ich überhaupt nicht müde bin, doch das kümmert ihn wenig.

Ich ziehe mich um und wasche mein Gesicht, bevor ich ins Bett krieche. Ich drehe ihm den Rücken zu und starre auf die Vorhänge, die er vor dem Fenster zugezogen hat. Ich kann den Fernseher leise in seinem Zimmer hören. Trotz meiner Widerrede dauert es nicht lange, bevor mir die Augen zufallen und ich in diesen betäubenden Zustand falle, in dem man nicht ganz wach ist und noch nicht schläft. Ich kann Mulder zwischen unseren Zimmern hin und her laufen hören, und als ich Stücke von einseitigem Gespräch wahrnehme, merke ich, dass er Reisevorbereitungen trifft. Er will mich bestimmt so schnell wie möglich aus Iowa zurück nach DC schaffen. Glücklicherweise werden wir in den Ermittlungen nicht länger gebraucht. Ich frage mich, was er wohl machen wird, wenn wir an einer X-Akte arbeiten und so etwas passiert. Wird er darauf bestehen, dass ich nach Hause fahre? Werde ich alleine zurück fahren müssen, oder wird er mitkommen? Wird er bleiben, um der Sache weiter nachzugehen—wie er es getan hatte, bevor ich ihm zugeteilt worden bin? Ich grübele.

Und dann grübele ich nicht mehr, denn der Schlaf hat sein Recht gefordert.

 

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Als ich langsam aufwache, ist das erste, was ich bemerke, der fettige Geruch von Brathähnchen. Draußen ist es dunkel und das Zimmer ist in den Schein einer einzigen Lampe gehüllt. Ich rolle mich aus meiner zusammengekauerten Position und recke und strecke mich. Als ich meinen Kopf drehe, sehe ich Mulder an dem kleinen Tisch auf der anderen Seite des Zimmers sitzen. Der Tisch ist bedeckt mit Kentucky Fried Chicken-Tüten, Cola-Bechern und einer Tüte Sonnenblumenkerne, die natürlich nicht fehlen darf. Mulder hockt über meinem Laptop und hämmert mit seinem perfektionierten Einfingersuchsystem auf die Tasten ein. Er hat seine Brille aufgesetzt und seine Haare fallen ihm ins Gesicht. Er hat sich auch umgezogen, und jetzt statt des Anzuges Jeans und ein T-Shirt an. Seine großen Füße stecken in riesigen weißen Socken. Auf einmal hört er auf zu tippen und sieht zu mir herüber, bevor ich mich an ihm sattsehen konnte.

"Hey, Scully." Er nimmt die Brille von seiner Nase und grinst mich breit an, so dass mein Herz schneller zu schlagen beginnt. Das Blatt hat sich gewendet und es sieht so aus, als würde ich den Abend mit einem gut gelaunten Mulder verbringen. Das ist zwar schön, aber auf der anderen Seite frage ich mich, was der Grund dafür ist.

"Wie fühlst du dich?"

Ich setze mich auf und lehne mich zurück ans Kopfende des Bettes. "Gut", antworte ich. "Ich fühle mich richtig gut." Und es stimmt. "Wie lange habe ich geschlafen?"

Er wirft einen Blick auf die Uhr. "Fast zwei Stunden. Du hast geschlafen wie ein Stein, Scully. Ich glaube, du hast dich nicht ein einziges mal bewegt—es sei denn, ich war gerade weg."

Ich stehe auf und gehe zu ihm. "Was machst du gerade?"

Er blickt zu mir auf und ich kann seine Augen funkeln sehen. Er sieht wie zwölf aus. "Ich schreibe nur gerade etwas wegen diesem Nicht-Entführungsfall zu Ende. Unser Flug geht morgen um 7.15 Uhr. Ich habe dir ein Grillhähnchen-Sandwich und Krautsalat geholt. Wenn du Glück hast, ist das Sandwich noch warm. Ich habe es doppelt einpacken lassen—ich wusste ja nicht, wie lange du schläfst. Setz dich und hau rein." Er greift über den Computer und schiebt den Krempel zur Seite, um mir Platz zu schaffen.

Spontan hebe ich meine Hand und tätschele sein Haar. Er grinst mich an als ich mich neben ihn setze und das Sandwich auswickele, das er aus seiner Tasche hervorkramt. Dann taucht der Krautsalat auf, den er von seiner Verpackung befreit und neben die Styropor-Kiste stellt. Nicht gerade eine Gourmetmahlzeit, aber ich habe solchen Hunger, dass mir das völlig egal ist.

Er nimmt eine Cola Light aus dem Eiscontainer, macht sie auf und stellt sie vor mich hin. Dann legt er eine Serviette dazu. Ich senke meinen Kopf und lächele, wohl wissend, dass meine Haare es verbergen.

"Was ist?" fragt er, augenblicklich aufmerksam.

"Danke, Mulder." Ich sehe ihn an.

"Wofür?"

Ich deute auf den Tisch und meine formlose Mahlzeit. "Hierfür. Dass du dich so sehr um mich kümmerst. Es heißt ja, Ärzte seien die schlimmsten Patienten. Ich kann hier für niemand anderen sprechen, aber auf mich trifft das zu. Du musst das alles nicht machen, nichts davon, und ich..."

Ich verstumme, als er seine Hand auf meine legt. "Doch, das muss ich", sagt er ernsthaft. "Ich muss es. Nicht, weil es meine Pflicht ist, sondern weil ich es tun möchte. Also muss ich es tun."

Gut, dass ich die MulderSprache fließend beherrsche.

Wir lächeln uns an. Mulder beendet seinen Arbeitsbericht und speichert ihn ab, wonach er den Laptop zuklappt und ihn beiseite legt. Er platziert seinen Ellbogen auf dem Tisch, stützt sein Kinn in seine Hand und sieht mir beim Essen zu, wobei er mir eine lächerliche Story von einer Familie in Kansas erzählt, die behauptet, von kleinen grauen Männchen besucht worden zu sein, die ihnen beim abendlichen Familiengelage Gesellschaft geleistet haben. Er erzählt von Fingerabdrücken, die keine richtigen Fingerabdrücke waren— zumindest keine menschlichen—und seltsam verbrannten Muster in dem nahegelegenen Grasfeld, wo sie wohl gelandet sind, und wie es Sichtungen über Lichter am Himmel in dieser Nacht gegeben haben soll. Ich fühle mich viel zu wohl, um ihm zu widersprechen, und bin viel zu mitgerissen von seinem Enthusiasmus, und so mache ich bei seinen Kommentaren und Spekulationen nur entsprechende Gesichter.

Ich liebe diesen Mann.

Nach dem Essen entscheide ich mich für ein langes heißes Bad. Ich dusche zuerst und lasse dann die Wanne voll laufen. Darin versinke ich dann soweit, bis es mir das Wasser bis zum Kinn steht. Dann fange an, meinen Körper zu inspizieren. Meine Füße sind klein und wohlgeformt. <"Ich wusste nicht, ob Sie mit Ihren kleinen Füßen an die Pedale kommen">. Meine Waden sind einen Tick zu schwer, aber sie sitzen auf schlanken Knöcheln. Meine Schenkel sind schlank und muskulös, obwohl es dafür eigentlich keinen bestimmten Grund gibt. Heutzutage halte ich mich nur fit, indem ich Mulder hinterher jage. Meine Hüften sind leicht gerundet, mein Bauch flach, meine Taille schmal genug, um stolz darauf zu sein. Meine Brüste sind klein, aber schön anzusehen und sie sitzen immer noch hoch genug, um Männeraugen auf sich zu ziehen. Meine Arme sind schlank und leicht bemuskelt, meine Hände klein aber stark. Alles in Allem kann ich mich nicht beklagen.

Doch dann strömen unerwartet Tränen über mein Gesicht, als mir die Wirklichkeit bewusst wird: unter dieser Haut und diesen Muskeln ist ein Eindringling, dessen Dasein ich Tag für Tag fühlen kann. Mein Körper verrät den Tumor noch nicht, doch ich weiß, dass dieser Tag einmal kommen wird. Ich muss an schlaffe Muskeln und eingefallene Wangen und Augen denken; stumpfes und sprödes Haar, das büschelweise ausfällt; Schmerz und Leid; stetiges Verlieren des Halts an der Realität und langsames Verblassen des scharfen, wachen Verstands, auf den ich so stolz bin.

Ich möchte nicht sterben—obwohl es nicht das ist, was mir Angst macht.

Ich habe keine Angst vor dem Tod. Was mir Angst macht, ist die Ungewissheit, die vor mir liegt, die unmittelbare Zukunft. Ich möchte nicht krank und auf andere angewiesen sein. Ich will meine stählerne Kontrolle über mein Leben nicht verlieren.

Ich öffne den Stöpsel in der Wanne und bleibe noch liegen, bis das ganze Wasser um mich herum versickert ist. Ich genieße die kühle Luft, die mehr und mehr meine Haut erfasst, je weiter das Wasser sinkt. Meine Brustwarzen verhärten sich und ich bekomme eine Gänsehaut. Ich genieße jeden Moment.

Mulder liegt auf meinem Bett, als ich aus dem Badezimmer komme, trocken, gekämmt und fertig fürs Bett. Er hat seine Arme hinter seinem Kopf verschränkt und sieht fern. Ich sehe auch hin und erkenne John Carpenters Version von "Das Ding."

"Das Original ist besser", informiere ich Mulder.

"Ja, aber der Ekelfaktor in diesem hier ist viel höher", witzelt er. Ich kann mich an eine Zeit erinnern, in der Mulder beim Anblick einiger der Leichen, die wir untersuchen müssen, kreideweiß geworden ist—genau wie ich es von Zeit zu Zeit wurde. Jetzt passiert es nicht mehr so oft. Er ist immun geworden gegen die hässliche Realität der Vergänglichkeit von Fleisch und Knochen, Muskeln und Blut. Mulder hat auf viele Weisen seine Unschuld verloren. Und das macht mich traurig.

Er dreht sich auf die Seite, stützt sich auf seinen Ellbogen und schenkt mir seine Aufmerksamkeit, während er anfängt, an der Ecke seines Daumennagels herumzukauen. Seine Augen sind warm und sein Blick weich und er sieht mich auf die Art an, die ich nur als den "komm und nimm mich" Blick bezeichnen kann. Ich merke, wie sich ein langsames Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitet, als er damit zufrieden zu sein scheint, in nur einigen Sekunden meine völlige Aufmerksamkeit gewonnen zu haben. Er grinst und fragt, "Immer noch voll vom Abendessen, Scully?"

"Warum? Hast du irgendwo noch Eis versteckt?"

"Nein", sagt er und springt vom Bett. "Etwas viel besseres." Er verschwindet in seinem Zimmer und kommt ein paar Sekunden später mit seinem rechten Arm hinter seinem Rücken zurück.

"Mulder..." Der Ton meiner Stimme ist irgendwo zwischen Amüsiertheit und  Beklommenheit.

"Ich, äh..." fängt er an, sagt aber nichts weiter, sondern zuckt nur mit den Schultern. Er holt seinen Arm hinter seinem Rücken hervor und präsentiert meinen Nachtisch.

Irgendwie, im Spätwinter in einem kleinen Kaff in Iowa, hat Mulder es geschafft, Zuckerwatte aufzutreiben. Sie ist sogar blau, meine Lieblingssorte.

"Mulder, wo in Gottes Namen...?"

"Es ist erstaunlich, was man heutzutage in der freundlichen Wal-Mart Nachbarschaft finden kann." Als ich ihm die Zuckerwatte an ihrem langen Stab aus der Hand nehme und anfange, die Plasitkverpackung aufzumachen, fährt er fort. "Tut mir leid, dass ich nicht mit einem Karussell dienen kann, Scully, aber es ist ziemlich schwer, Mitte März eine Kirmes zu finden."

Ich kann mir nicht helfen, meine Augen füllen sich mit Tränen. Mulder sieht es und streckt seine Hand nach mir aus.

"Hey? Alles in Ordnung? Mein Gott, Scully, es tut mir leid. Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen. Ich dachte, du würdest dich freuen. Ich...."

Ich bremse seine unnötigen Entschuldigungen, indem ich zwei Finger auf seine Lippen lege. "Pssst. Es ist wundervoll, Mulder. Vielen Dank."

Er lächelt unter meinen Fingerspitzen und ich lasse sie etwas länger dort liegen als ich sollte. Es scheint ihm nichts auszumachen.

Ich wickele die Zuckerwatte fertig aus und sehe ihn wieder an. "Möchtest du welche?"

"Nein, schon in Ordnung. Ich habe sie für dich geholt."

"Hier, nimm welche." Ich rupft ein dickes Stück aus und halte es ihm hin.  Statt danach zu greifen, lehnt er sich vor, umfasst mein Handgelenk und nimmt meine Finger in seinen Mund. Ich halte still, als er die Zuckerwatte von meinen Fingern saugt, seine Zunge warm und weich an meiner Haut. Er hebt seinen Blick zu mir und ich kann das schelmische Funkeln in seinen Augen sehen—gemischt mit einer kräftigen Dosis Erregung. Es zischt und funkt zwischen uns für endlose Momente, bevor er seinen Blick senkt und zurück zieht. Meine Zungenspitze huscht heraus, um meine Lippen zu befeuchten. Er sieht es. Der Moment endet, als er seine Hand über sein Gesicht legt.

"Ich, ähm, ich gehe...", er nickt in Richtung seines Zimmers, "ich gehe jetzt und versuche zu schlafen. Guten Appetit noch."

Meine einzige Antwort ist ein Nicken. Ich sehe zu, wie er durch die Tür geht, die unsere Räume miteinander verbindet und anfängt sie zuzuziehen. "Nacht, Scully."

"Gute Nacht, Mulder."

Er lächelt mir noch einmal zu und schließt die Türe. Ich setze mich wieder an den Tisch und esse die Zuckerwatte restlos auf und denke daran, wie viel Glück ich doch habe.

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Dance Without Sleeping III

Ablegen der Schalen

von Lydia Bower

( bower@cu-online.com )

 

Wertung: PG-13

 

 

Mulder und ich haben in der vergangenen Woche Streit gehabt. Es hat an dem Morgen angefangen, an dem wir aus Iowa zurück nach Washington DC geflogen sind und hat uns seitdem die ganze Zeit verfolgt. Mein Nasenbluten war eine ständige sichtbare Erinnerung an den Krebs und ich glaube, es hat Mulder schwer getroffen.

Die letzte Unstimmigkeit, die wir hatten, hat mit seinem missmutigen Schweigen angefangen, was dann schnell zu schnippischen Bemerkungen und unhöflichem Benehmen ausgeartet war—von uns beiden. Ich weiß, dass ich ihn ärgere, was ich lieber bleiben lassen sollte, aber ich kann es einfach nicht lassen. Es bringt mich auf die Palme, wenn er sich so von mir isoliert. Ich habe gelernt, mit seiner Wortkargheit und der Feindseligkeit umzugehen, wenn ich gewusst habe, dass der Grund dafür Samantha ist—und mit deren Ergebnis, starker Depressionen und Verzweiflung. Es ist ein sehr persönlicher Schmerz, von dem ich glaube, dass niemand außer Mulder ihn verstehen kann. Also lasse ich ihn in Ruhe. Ich schiebe meine eigenen Gefühle zur Seite und versuche, so gut wie möglich zu verstehen, dass sein Benehmen nicht gegen mich persönlich gerichtet ist. Der säuerliche Humor und beißender Sarkasmus ist Mulders Art, sich gegen den Schmerz zu wehren. Er kämpft Runde um Runde mit seiner Psyche—und möge der Bessere gewinnen. Es ist eine unaufhaltsame, blutige Schlacht, die er von Zeit zu Zeit führen muss.

Aber das hier ist etwas anderes.

Jetzt bekämpft Mulder die Dämonen, die meine Krankheit in ihm geweckt hat. Er ist nicht wütend auf irgendwelche unsichtbaren, unbekannten Mächte, die sich gegen ihn verschworen und ihm seine Schwester genommen haben und mit ihr seine Kindheit und die Chance auf ein normales Leben. Dieses Mal ist er wütend auf das, was mir passiert. Er hasst den Krebs in mir. Er kann ihn nicht direkt angreifen, also tut er das nächst Beste: er lässt es an mir aus.

Ich teile seine Wut. Ich habe meinen Hass schon mehrere Male an mein Inneres gerichtet, seit ich zum ersten Mal meine Diagnose gehört hatte. Es ist eine Art internes, sadomasochistisches "warum ich?" Spiel. Ich weiß, warum ich es spiele. Was ich allerdings noch nicht herausgefunden habe ist, warum Mulder es auch tut. Welcher Aspekt meines möglicherweise frühzeitigen Todes trifft ihn am meisten? Was scheint am unfairsten zu sein? Wie sehen seine Ängste aus? Er hat sie noch nicht mit mir geteilt. Ich habe ihm meine Seele offenbart, doch er hat Schicht um Schicht über seine gelegt. Mulders Seele wäre für den Winter dick genug angezogen. Meine auf der anderen Seite, ist praktisch nackt. Ich glaube, ich bin so ehrlich und mitteilsam mit ihm gewesen wie ich es nur sein kann. Jetzt denke ich, will ich das auch von ihm haben.

Also ärgere ich ihn. Ich spiele seine kindischen Spiele mit. Ich gebe ihm, was er braucht. Ich präsentiere mich als ein Ziel in der Hoffnung, dass mich einige der Widerhaken mit der Wahrheit stechen werden. Ich gebe das, was ich bekomme.

Es herrscht dicke Luft in unserem Büro.

Ich weiß nicht, ob man dasselbe auch sagen könnte, wenn wir zu Hause sind. Mulder hat seit fünf Tagen nicht mehr auf meiner Couch geschlafen. Er hat mich auch nicht besucht. Stattdessen bekomme ich jeden Tag einen Anruf. Plump und simpel. Fragen nach Tatsachen, nicht nach Gefühlen. Wie geht es mir? Habe ich etwas gegessen? Brauche ich irgendetwas? Soll er mich morgen früh abholen?

In jedem dieser Anrufe stecken auch endlose Momente, in denen wir uns nur anschweigen. Wir warten beide darauf, dass der andere die Geduld verliert und die Stille bricht. Ein weiterer Aspekt des Kampfes. Wer wird am längsten aushalten? Mulder ist auf der Gewinnerseite.

Ich kann mich an einen Tag erinnern, gar nicht mal so lange her, an dem wir auch dieses Spielchen gespielt haben—nur andersherum. Ich will nie wieder einen Fuß nach Philadelphia setzen. Und nie wieder den Namen Edward Jerse hören. Das einzig Gute, was aus dieser ganzen Geschichte herausgekommen ist, ist das Tattoo auf meinem Rücken. Das ist das einzige, was ich nicht bereue. Ich werde für immer dieses Symbol der Unsterblichkeit auf mir haben, sogar wenn der Körper, der es trägt verwelkt.

Ich habe Mulder so schlecht behandelt. Ich habe in Rätseln und Metaphern gesprochen. Ich habe ihn herausgefordert und ihn gezwungen. Ich hatte aber auch Angst—obwohl das keine Entschuldigung ist für das, was ich getan habe. Ich weiß überhaupt nichts sicher. Alles, was ich weiß, alles, woran ich mich erinnern kann, sind Leonard Betts' Worte zu mir. Ich hatte sofort gewusst, was sie bedeuten, und ich hatte sofort gewusst, dass es stimmte.  Meine Zeit war abgelaufen.

Also habe ich rebelliert. Gegen Betts' Behauptung und gegen Mulder. Gegen mein Leben wie es gewesen war und wie es jetzt ist. Dumm aber verständlich.

Mulder hatte nie eine Erklärung von mir verlangt über das, was in Philadelphia passiert war, oder wollte meine Gründe wissen für mein kleines Abenteuer, das gefolgt war. Er hat mich auch nie gebeten, das Tattoo sehen zu dürfen.

Er kommt durch die Tür mit einer Handvoll Akten und Papieren. Ich sehe zu ihm auf und warte, ob er mich auch anschaut. Er tut es nicht. Aber er kommt zu dem Tisch, an dem ich arbeite, und legt einige Blätter darauf, völlig in der Akte versunken, die er gerade liest. Ich lege meine Zeitung beiseite und sehe zu, wie er sich auf die Ecke des Tisches setzt. Er kommt mir absichtlich sehr nahe. Jetzt muss ich nur herausfinden, warum.

"Mulder...?"

Er murmelt irgendetwas und dreht sich dann zu mir um—als ob er gerade erst bemerken würde, dass ich da bin. "Du bist noch hier, Scully?"

"Nein. Ich bin nur ein Hirngespinst von dir."

"Tja, mein Hirngespinst muss jetzt nach Hause und ihre Sachen packen. Wir fliegen morgen früh nach Colorado."

"Aber du hast doch gesagt... Ich dachte, wir würden den Rest des Monats damit verbringen, hier einige Sachen in Ordnung zu bringen."

"Ich habe es mir anders überlegt. Ich muss wieder in den Einsatz." Er wandte sich wieder der Akte zu.

"Ich kann aber nicht", sage ich ihm.

Überrascht fährt er herum, sein Ausdruck eine Mischung zwischen Wut und Besorgnis. "Warum nicht?"

"Weil ich morgen einen Arzttermin habe. Ich wollte es dir eigentlich schon früher sagen. Ich habe es schon mit Skinner abgeklärt, ich werde mir einen Tag frei nehmen."

Er klappt die Akte zu und sieht auf eine Stelle am anderen Ende des Raumes—er sieht überallhin, nur nicht zu mir. "Irgendwas, was ich wissen müsste?"

"Nein, es ist nur eine Untersuchung." Ich wäge meine Möglichkeiten ab und biete ihm an, "Wenn du bis übermorgen warten willst oder morgen Abend einen Flug nehmen willst...?"

"Nein. Ich fahre alleine." Seine Antwort ist unmittelbar und sein Ton lässt keine Widerrede zu.

Ich ziehe meine Unterlippe in meinen Mund und kaue darauf herum. Tu mir das nicht an, Mulder. Schließe mich nicht völlig aus.

"Ist es so wichtig, dass es nicht einen Tag warten kann?"

Er steht vom Tisch auf und lässt sich in seinen Stuhl fallen. "Vielleicht nicht für dich, Scully, aber für mich."

Mulder ist eingeschnappt. Ich erwarte geradezu, dass er seine Unterlippe vorschiebt und wie ein Kind schmollt.

Ich unterdrücke meine Gereiztheit. "Könnte ich mal die Akte sehen?"

Ich kann ihm förmlich das "Nein" von den Lippen ablesen. Aber er presst sie zusammen und setzt ein gelangweiltes Gesicht auf. "Sicher."

Er streckt mir die Akte entgegen gerade soweit wie sein Arm reicht und zwingt mich dazu aufzustehen und sie mir abzuholen. Er hält sie sogar noch fest, während ich daran ziehe und lässt mich sie geradezu erkämpfen. Unsere Blicke treffen sich und wenden sich gleichzeitig wieder ab. Der kurze Kontakt ist elektrisiert mit Spannungen aller Art.

Ich stelle mich vor ihn und mache die Akte auf. Rinder Verstümmelungen. Ich will laut auflachen, aber ich tue es nicht, weil es genau das ist, was er will. Er will, dass ich mich mit ihm streite. Er will, dass ich ihm rationale, faktengetreue Argumente dafür präsentiere, nicht dorthin zu gehen—oder zumindest zu warten, bis ich mit ihm fahren kann.

Er will, dass ich ihn bitte zu bleiben.

Doch das kann ich nicht, weil ich nicht weiß, warum er das will.

Also gebe ich ein neutrales Brummen von mir und gebe ihm die Akte zurück, mein Gesichtsausdruck gelassen und entspannt. "Wie lange wirst du also weg sein?"

Ich kann einen Hauch von Enttäuschung in seiner Stimme hören. "Keine Ahnung. Zwei oder drei Tage."

"Bleibst du über das Wochenende?"

"Rocky Mountains, Scully. Pferde. Ranches. Tote Kühe. Was kann ein Mann mehr wollen? Vielleicht kaufe ich mir einen Cowboyhut und ein paar Sporen und mache ein oder zwei hübsche junge Fohlen an."

"Denk an safe Sex, Mulder."

"Immer", sagt er mit einem Anflug von einem Lächeln. "Nichts ist safer als allein."

"Ich hoffe, du versuchst hier nicht, meine Sympathien zu gewinnen."

"Warum sollte ich das wollen?"

Er sieht zu mir auf, seine Augen die Farbe von Bernstein. Sie schonen mich nicht. "Ich gehe jetzt nach Hause, Mulder. Viel Spaß wünsche ich."

Als ich meinen Mantel anziehe und zur Tür heraus gehe, ruft er mir hinterher, "Ich rufe dich an."

Das hätte er gar nicht zu sagen brauchen. Er hat sich wenigstens ein Lächeln verdient. Ich schenke ihm eines und trete aus der Tür. Ich sehe mich nicht um, ob er es erwidert.

 

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Um 3.15 Uhr nachts klingelt das Telefon. Keine Frage, wer es ist. Er hat nicht eher angerufen—ganz und gar nicht in dem Rhythmus der letzten Woche.

"'Lo."

"Hey, Scully, ich bin's."

"Hoffentlich hast du einen guten Grund, Mulder." Ich höre nichts weiter als den schwachen Klang seines heftigen Atems am anderen Ende. "Mulder? Ist alles in Ordnung?"

"Was? Oh. Ja. Ich konnte nur... ich kann nicht schlafen."

"Ein Alptraum?" Er hatte schon lange keinen mehr gehabt; zumindest nicht dass ich wüsste. Ich glaube nicht, dass er je jemandem von seinen Alpträumen erzählt hat, und ich kann mir nicht vorstellen, dass er irgendjemanden außer mir um diese Zeit anruft.  Ich bin der Schlächter von Mulders Mitternachtsdämonen.

"Äh, nein... diesmal nicht. Diesen hatte ich in hellwachem Zustand."

Ich setze mich auf und schwinge die Beine aus dem Bett. Mulder spricht nie in diesem Ton, es sei denn, es ist etwas wirklich Schlimmes oder Wichtiges los.

"Mulder, was ist los?"

Lange Zeit herrscht Stille, bevor ich ihn einatmen höre.  "Es tut mir leid, dass ich so ein Idiot gewesen bin, Scully", sagt er.

"Mulder, du..."

Er schneidet mir das Wort ab und seine Rede strömt nur so aus ihm heraus. "Nein, ich weiß, dass ich einer gewesen bin, und ich kann mir nicht helfen, obwohl ich weiß, warum ich es mache, und ich weiß, dass es falsch ist." Er hält inne lange genug, um Luft zu holen." Aber es ist nur so.... Verdammt, Scully, ich habe schreckliche Angst um dich. Und um mich. Ich komme mir nur so vor, dass egal was ich tue, es nicht genug ist, und dass ich dich im Stich lasse. Und ich... ich will dich nicht verlieren, Dana. Das ist alles."

"Komm rüber, Mulder." Mein Herz bricht und setzt sich zugleich wieder zusammen. Mulder sieht gerade seinen schrecklichsten Ängsten entgegen und mehr—er teilt sie mit mir. Ich will nicht, dass er jetzt allein ist. Ich muss jetzt bei ihm sein, ich muss ihn sehen, ihn berühren.

"Nein, Scully, ich kann nicht."

"Dann komme ich zu dir." Ich bin bereits aus dem Bett und suche nach meinen Klamotten.

"Nein. Nein, das möchte ich nicht. Es ist mitten in der Nacht."

"Das ist mir egal", sage ich. "Ich kann in einer halben Stunde da sein."

"Nein!"

Ich halte inne, mitten in der Bewegung, meine Hose anzuziehen und lasse mein  Schweigen die Frage stellen.

"Das wäre keine gute Idee, Scully. Ich bin mir nicht sicher, ob ich nicht etwas sehr Dummes tue und ich will nicht alles noch schlimmer machen."

"Ich habe dir doch gesagt, Mulder, ich habe keine Angst vor dir."

Ich glaube nicht, dass unser Gespräch für andere Leute viel Sinn ergeben würde; es stecken viel zu viele unausgesprochene Gefühle darin—und was wir nicht sagen ist wichtiger als jedes Wort, das wir äußern.

Sein plötzliches, kurzes Lachen hallt in meinen Ohren. "Verstehst du denn nicht, Scully? Es ist genau anders herum. Du erschreckst mich."

Das wirft mich nun völlig aus der Bahn. Meine offene Hose fällt an meinen Hüften herunter. Ich taste hinter mich und finde den Stuhl, auf den ich niedersinke.

Bin ich etwa die einzige Barriere zwischen uns gewesen? Bin ich das immer gewesen?

"Scully, bist du noch da?"

"Ja.... eine Sekunde, Mulder..." Ich kann im Moment nicht sprechen. Ich bin gerade mit meiner Epiphanie beschäftigt.

Ich bin noch nie physisch sehr offen gewesen. Ich finde es immer schwer, von anderen berührt zu werden oder andere zu berühren; ich bin eben so. Und ich habe mir nie wirklich die Zeit genommen zu lernen, wie man richtig flirtet. Ich war zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt—mit Ambitionen und Zielen. Ich bin immer stolz auf meine Fähigkeit gewesen, Mulder nicht zu sehr an mich heran zu lassen. Ich versuche, nicht über seine Witze zu lachen oder ihm irgendwelche Anspielungen entgegen zu werfen. Das ist der Grund warum wir uns auf unsere Arbeit konzentrieren können.

Ist es vielleicht möglich, dass Mulder überhaupt keine Ahnung hat, wie sehr ich ihn liebe?

Mensch, Scully, warum hast du so lange gebraucht? fragt die kleine böse Stimme in meinem Kopf. Okay, ich kann mich selbst nicht ändern, aber ich kann ändern, was ich tue.

Der Countdown läuft, Scully. Du hast bald keine Zeit mehr.

"Mulder?" frage ich langsam und zögerlich. "Um wie viel Uhr fliegst du?"

Er lacht etwas verwirrt. "Halb zehn. Warum?"

"Meine erste Untersuchung ist nicht vor elf. Ich fahre dich zum Flughafen."

Vielleicht weil es eine Feststellung war und keine Frage, macht er es mir nicht besonders schwer. "Okay, Scully." Ein Moment Stille. Dann, "Aber du weißt, ich muss nicht wirklich gehen. Wir können ein oder zwei Tage warten."

"Nein. Ich möchte, dass du gehst, Mulder. Du solltest gehen. Du brauchst etwas Zeit."

Auch hier widerspricht er mir nicht. Er weiß, dass ich recht habe.

"Also... dann sehen wir und um halb neun?"

"Ja, halb neun. Koch' schon mal Kaffee, ja?"

"Ich werde sogar mein Captain Crunch mit dir teilen."

Ich lächele zum ersten Mal in dieser Nacht. "Nein, danke, ich verzichte."

"Nacht, Scully."

"Nacht, Mulder."

 

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Mulder ist spät dran. Er öffnet die Tür, barfuß, mit offenem Gürtel und ohne Hemd. Seine Haare sind zerzaust und er hat sich noch nicht rasiert.

Er sieht wundervoll aus. Ich hatte noch nie Probleme damit gehabt, ihn mir als einen etwas unordentlichen, jungenhaften Professor-Typ vorzustellen— der Typ, auf den ich im College gestanden habe.

"Ich bin spät dran", wirft er mir entgegen und läuft zurück ins Badezimmer.

"Der Kaffee ist in der Kanne."

Eine Viertelstunde und eine Tasse Kaffee später sind wir aus der Tür und auf dem Weg zum Flughafen. Mulder sagt nicht viel und ich bin viel zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt, um das Schweigen zu brechen. Wenn man die Tatsache nicht beachtet, dass Mulder meine rechte Hand jedes Mal, wenn ich sie nicht gerade am Lenkrad habe, berührt. "Zufälliges" Vorbeistreifen. Sanft und vorsichtig.

Der Flughafen ist brechend voll und wir brauchen Ewigkeiten, um durch die Security zu kommen—wie immer. Mulders Flug wird gerade angekündigt, als wir durch das Gate rennen. Wir halten einige Meter vor dem Gang an, der in das Flugzeug führt, und Mulder kramt nach seinem Ticket.

Wir stehen da und sehen uns an. Es ist schwerer, als ich gedacht hatte. Die Lautsprecher erinnern die Passagiere an ihre letzte Gelegenheit, an Bord zu gehen.

Mulder greift nach meinem Arm. "Wenn du irgendetwas brauchst, wenn irgendwas passiert, das ich wissen müsste, ruf mich an."

"Ich komme schon klar, Mulder."

"Versprochen?"

Ich lächele ihn an. Ich will meine Arme um ihn werfen. "Versprochen."

Er nickt. Er ist froh. "Ich ruf' dich heute Abend an."

"Okay."

Er zögert für eine oder zwei Sekunden, setzt dann seine Tasche ab und öffnet seine Arme. Gerade so weit, dass es eine Einladung ist. Ich schlinge meine Arme um ihn und halte ihn fest. Er steckt seine Nase in mein Haar und flüstert, "Bye."

"Bye."

Mulder hebt seine Tasche auf und geht zwei lange Schritte rückwärts, bevor er sich umdreht und sich auf den Weg zur Rampe macht.

"Mulder." Meine Stimme ist schrill, und er dreht sich augenblicklich um, einen fragender Ausdruck auf seinem Gesicht.

Die Worte purzeln nur so aus mir heraus. "Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich dich liebe."

Mein Herz rast, meine Knie sind Pudding und mein Mund ist knochentrocken.

Er starrt mich mit offenem Mund an. Zuerst sehe ich es in seinen Augen und sehe dann wie hypnotisiert, wie sich ein Lächeln auf seinem Gesicht formt, das zu einem breiten Grinsen wird. Er stellt seine Tasche ab und ist mit vier langen Schritten bei mir. Er hält mein Gesicht in seinen Händen und küsst mich geräuschvoll auf den Mund.

Der Kuss ist zugleich erfüllend und quälend, und er dauert nicht annähernd lang genug. Er löst sich von mir und gibt mir noch einen kurzen Kuss auf die Lippen, während er "Ich dich auch." murmelt.

Er dreht sich um und ist verschwunden.

Ich bleibe zurück inmitten eines menschenvollen Flughafens und fühle mich allein.

Ich vermisse ihn jetzt schon.

 

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Dance Without Sleeping IV

Der letzte Tanz

von Lydia Bower

(bower@cu-online.com)

 

Wertung: Tendenz zu R

 

 

Meine Wohnung ist zu einem einzigen Schokoladenlagerhaus geworden. Ich habe keine Ahnung, wie er es anstellt, oder wann, aber Mulder hat es geschafft, an allen möglichen und unmöglichen Stellen Schokolade zu deponieren. In meinem Tiefkühlschrank sind immer zwei Packungen Ben & Jerry's Schokoladeneis—die nächste erscheint immer dann, wenn die erste gerade mal halb leer ist. Dann liegt noch Schokolade auf meinem Nachttisch, im Badezimmer, auf dem Wohnzimmertisch und in der Besteckschublade in der Küche. Ich habe schon Schokoladen-Küsschen gefunden, die eine Spur auf dem Boden bildeten, welche zu einer Schüssel voll Snickers führte. Ich finde einzeln verpackte Trüffel in meinem Bücherregal, auf der Stereoanlage, im Medizinschrank und einmal auch auf meinem Bett verteilt. Aber meine Lieblingsschokolade von allen ist die, die ich in der Schublade mit meiner Unterwäsche gefunden habe.

Er hat nie darüber gesprochen. Ich auch nicht. Es ist fast so, als ob es nur so lange etwas Besonderes sein würde, solange wir es nicht ansprechen.

Es gibt auch andere Sachen, über die wir nicht reden—die Unterhaltung am Flughafen zum Beispiel. Ich glaube nicht, weil wir es nicht wollen, sondern vielmehr weil wir es nicht brauchen. Ich glaube, die größte Hürde war, die Worte zu sagen und sie zu hören. Das reicht völlig.

Der Kuss hat sich nicht wiederholt. Das muss sich ändern.

 

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Ich lasse meinen Krebs jetzt strahlenbehandeln. Der letzte Scan zeigte ein minimales, aber definitiv vorhandenes Wachstum des Tumors. Ich kann nicht für immer meinen Kopf im Sand vergraben, das würde im wahrsten Sinne des Wortes mein Leben kosten. Einmal die Woche gehe ich zu einer fünfundvierzigminütigen Behandlung, die ich für die nächsten sechs Wochen machen werde. Die Ärzte wissen und berücksichtigen die Tatsache, dass ich bedingt durch meine Arbeit öfters mal nicht in der Stadt bin, also lassen sie mich immer für eine einstündige Behandlung kommen. Bereits nachdem ich zweimal dort gewesen bin, habe ich gemerkt, dass ich viel schneller müde werde, und dass mein Appetit nicht mehr das ist, was er einmal war. Mulder steckt mir immerzu Essen entgegen, doch er hat sich sehr ruhig verhalten. Immer da, aber ruhig. Unsere Suche nach der Wahrheit und den Antworten geht weiter.

 

XOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOX

 

Zwei Schachteln liegen auf meinem Bett, als ich von meiner Mutter zurückkomme. Wir haben einen netten Samstagvormittag miteinander verbracht, haben Pläne für den Garten für dieses Jahr gemacht und uns Bilder angesehen, die die Jungs von ihren Kindern geschickt haben. Sie werden so schnell groß. Mulder ist nirgendwo zu sehen. Der einzige Hinweis darauf, dass er die Nacht hier verbracht hatte, sind die gefaltete Decke und das Kissen am Ende der Couch—und die beiden Schachteln auf meinem Bett.

Ich mache die größere der beiden auf, und als ich das Papier zurück falte, stockt mir der Atem. Ich greife hinein und befühle den Satin mit meinen Fingern, als ich das Kleid heraushole. Es ist ein schwarzes, bodenlanges Kleid mit tiefem Rückenausschnitt und dünnen Trägern. Auch vorne ist es reichlich ausgeschnitten. Es ist wunderschön. Und sehr, sehr sexy. Ich merke, wie ich rot werde und lege das Kleid vorsichtig wieder in die Kiste und öffne die andere.

Schwarze, fünf Zentimeter hohe Lederpumps mit Knöchelriemchen.

Ich glaube, Mulder will mir damit etwas sagen.

Da bemerke ich den Umschlag, der in dem Schuhkarton steckt und reiße ihn auf. Eine schwarze Fliege und ein Stück Papier fallen heraus. Ich betrachte kurz die Fliege und falte dann das Papier auf.

 

Scully,

Der Ballroom am Regency. Acht Uhr.

Wenn du nicht da bist, verpasst du was. Die Fliege ist die Eintrittskarte.

Mulder

 

Um zwei Minuten vor acht stehe ich in dem Hotel vor den geschlossenen Türen des Ballrooms. Keine Spur von Mulder. Ich hebe meine Hand an mein Haar und prüfe, ob die silberne Spange immer noch meine Haare zusammenhält. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so nervös gewesen bin. Ich verkrafte Nervosität nicht so gut.

Ich sehe an mir herunter und kann nicht anders als zu bewundern, wie gut mir das Kleid passt, wie genau es meine Kurven betont, ohne zu eng zu sein; der einfach Schnitt hebt meine schmale Taille und meine flachen Hüften hervor. Das ist nicht die Art Kleid, die mit einem BH zu kombinieren ist— nicht mit einem solch tiefen Rückenausschnitt. Meine Brustwarzen waren hart gewesen, seitdem ich das Kleid das erste Mal angezogen hatte—das Ergebnis des glatten, seidigen Stoffes, der mit jeder meiner Bewegung über sie gleitet. Es fühlt sich sündhaft gut an. Aus meinem Augenwinkel ich sehe einen Mann, der sich mir nähert. Rasch ziehe ich meinen Mantel wieder zu und blicke auf meine Füße. Sogar die Schuhe passen als hätte ich sie selbst ausgesucht. Mulder hört nie auf, mich in Staunen zu versetzen. Ich warte, bis der Typ an mir vorbei ist, doch er will gar nicht an mir vorbei. Er kommt zu mir und ich drehe mich um.

"Miss Scully?"

"Ja?"

"Haben Sie die Fliege?"

Tu's einfach, Dana, sage ich mir. Ich greife in meine Handtasche und zeige ihm die Fliege. Er lächelt mich an und holt einen Schlüssel hervor, den er mir gibt, und geht.

"Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend, Miss Scully."

Ich befeuchte meine Lippen und atme lang und tief durch, bevor ich den Schlüssel in das Schloss stecke und die Tür öffne. Ich trete ein und höre wie sie hinter mir ins Schloss fällt.

Der Saal ist groß und streckt sich im Zwielicht vor mir aus. Zwei brennende Kerzen stehen auf einem Tisch in der Mitte des Raumes, daneben zwei Stühle. Die weiße Tischdecke reicht bis zum Boden, und ich kann das Porzellangedeck und die kristallenen Gläser glitzern sehen. Ich schlüpfe aus meinem Mantel und lege ihn auf den Stuhl direkt neben der Tür, ebenso wie meine Handtasche. Plötzlich ertönt ein dumpfes, quietschendes Geräusch, und als ich aufblicke sehe ich, wie ein Kronleuchter langsam herunter gelassen wird und mit sanftem Licht den Raum erhellt. Ich stehe genau außerhalb des Kreises, den die Lichter werfen, die nicht hell genug sind, um alle Schatten verschwinden zu lassen, aber genug sind, dass ich sehen kann, wie Mulder aus der Dunkelheit des anderen Ende des Raumes auf mich zukommt.

Ich habe völlig vergessen, wie gut er im Smoking aussieht. Sogar ohne die Fliege, die ich immer noch in meiner Hand halte.

Mit einem schiefen Grinsen kommt er zuversichtlich auf mich zu. Ich warte, bis er den Tisch erreicht hat und trete dann aus dem Schatten ins Licht.  Mulder hält abrupt an und ich muss mein nervöses Lachen zurückhalten. Ich beobachte, wie seine Augen langsam an mir entlang gleiten, an meiner Hüfte und meinen Brüsten hängen bleiben und dann wieder auf mein Gesicht fallen.

Eine angenehme Wärme durchflutet mich. Es ist schon lange her, dass mich ein Mann so angesehen hat. Sogar länger her, seit ich mich für einen Mann so angezogen habe. Ich bin froh, dass Mulder dieser Mann ist.

Ich sehe, wie seine Lippen sich bewegen, als ob er etwas sagen wollte, doch er findet keine Worte. Dann, als ich schon meinen Blick senken will, kommt er noch einen Schritt auf mich zu und murmelt, "Wow."

Ich lächele. "Ist das alles, was du zu sagen hast, Mulder?"

Er schüttelt langsam den Kopf, wobei ihm eine Strähne ins Gesicht fällt.

"Verdammt, bin ich gut."

"Ja, das bist du", räume ich ein. "Ich wusste nicht, dass du so einen guten Geschmack in Frauenkleidern hast; oder dass du so gut im Erraten von Kleidergrößen bist."

Er grinst. "Dafür gibt es Etiketten, Scully", gibt er zu.

"Wühlst du also in meinen Schubladen herum, Mulder?"

Er blickt mir in die Augen und ich grinse verschmitzt. Innerlich stelle ich fest: ich habe nicht vier Jahre mit Mulder verbracht ohne ein paar Dinge über seine spontanen, zweideutigen Erwiderungen zu lernen.

"Hey, Scully? Sprich ein Gebet für mich, ja?"

"Warum?"

"Weil ich das Gefühl habe, als könnte ich heute Abend jede Hilfe gebrauchen, die ich kriegen kann." Er wischt sich über den Mund und streicht sich durch die Haare. Dann tritt er von einem Bein aufs andere und steckt seine Hände tief in seine Taschen, wobei er vor und zurück wippt und sich mit der Zunge über die Lippen streicht.

Ich habe Mulder nervös gemacht. Und irgendwie gibt mir das eine gewisse Befriedigung.

Ich ignoriere jedoch seine Wipperei und sage, "Wenn du mir nicht bald etwas zu Essen gibst, Mulder, falle ich noch in Ohnmacht." Er wacht auf aus seiner Trance, ist  augenblicklich bei mir und nimmt meinen Arm.

"Alles in Ordnung, Scully? Komm, setz dich."

"Es geht mir gut, Mulder. Ich habe bloß Hunger. Oh, warte..." Ich drehe ihn wieder um, so dass er mich ansieht und schwenke die Fliege vor seinem Gesicht. "Lass mich dich erst einmal richtig anziehen."

Ich lege ihm die Fliege um den Hals und stecke sie unter seinen Kragen, wobei meine Fingerspitzen an seinem Nacken entlang streifen. Er zittert  fast unmerklich und legt seine Hände an meine Hüften. Ich konzentriere mich auf das Zubinden, was nicht besonders einfach ist, wenn Mulder seine Daumen ununterbrochen über den Stoff meines Kleides reibt. Ich sehe zu ihm auf und er blickt auf mich herunter. Er blinzelt kurz.

"Fertig", sage ich.

Er lässt mich los und zieht einen der Stühle zurück, auf den ich mich setze. Er schiebt mich an den Tisch und schenkt uns Wein ein. "Dürfte ich Sie heute Abend bedienen, Agent Scully?"

"Sehr gerne, Agent Mulder."

Er nimmt sowohl meinen Salat- als auch Hauptgangteller und geht damit zum Buffet. Jeder einzelne Deckel, den er hochhebt, lässt einen wundervoll riechenden Duft von dem Gericht darunter verströmen. Amüsiert stelle ich fest, dass mir der Magen knurrt. Er kommt mit dem kleineren Teller zurück, auf dem Cäsar Salat aufgehäuft ist, stellt ihn vor mir ab und geht wieder zurück. Der Hauptgang ist als nächstes dran und ich checke kurz, womit Mulder unsere Teller füllt.

Auf meinem ist Hähnchen mit einer, so sieht es aus, Wild-Reis- und Pilzfüllung. Dann ein wenig Spargel, daneben ein paar neue, kleine Kartoffeln mit fehlerloser rötlicher Schale und zwei perfekt geformte runde Austern in halber Schale nach Rockefeller Art zubereitet. Ich kann unmöglich all das essen—aber ich werde meinen Spaß daran haben, es zu versuchen.

Und dann fällt mir auf, dass wir überhaupt kein Besteck haben. Ich sehe auf zu Mulder, als er mit seinem randvoll beladenen Teller zurück kommt.  "Mulder, wir haben gar kein Besteck."

Es stellt seinen Teller ab und sieht mich schelmisch an. Dann kommt er zu meiner Seite des Tisches und schüttelt aufwendig die perfekt gefaltete Serviette auf.

"Wir brauchen kein blödes Besteck."

"Mulder, du erwartest doch nicht von mir, dass ich das alles mit den Fingern esse."

Ein Blick von ihm sagt mir, dass er genau das tut. Er grinst und stellte sich hinter mich, als er mir die Serviette umbindet und sie mit einem leichten Knoten befestigt. Als er sich hinunter beugt, kann ich seinen Atem an meinem Ohr spüren. "Was immer dich glücklich macht, Scully."

Wie kann ich dem nur widerstehen?

Es ist sogar sehr sinnlich, mit den Fingern zu essen. Natürlich haben die Essenshäppchen, die Mulder und ich uns gegenseitig über den Tisch in den Mund stecken auch etwas damit zu tun.

Es ist so schön, mit ihm zu lachen und einfach mal ein bisschen albern zu sein. Das hätte ich lieber tun sollen anstatt mein kleines Philadelphia Experimentes. Lebe und lerne, Dana. Es ist gut zu wissen, dass es noch nicht zu spät dafür ist.

Ich kratze gerade das letzte Bisschen Mousse au Chocolad mit meinen Fingern aus der Schüssel, als Mulder verkündet, "Okay, Zeit zu gehen."

"Wohin?"

"Wirst schon sehen. Vertrau mir, Scully."

Fünf Minuten später führt er mich in eine dunkle Bar voller Qualm und dem Odor von zu vielen Menschen auf einem Haufen. Er nimmt mich zu einem Tisch in einer Ecke und setzt sich auf den Stuhl neben mich.

"Mulder, wo sind wir hier?"

"In einer Bar, Scully. Ist es schon so lange her?"

Ich werfe ihm einen vernichtenden Blick zu.

"Tut mir leid. Konnte nicht anders." Er blickt sich um als er fortfährt.

"Eigentlich war es Frohike, der das hier vorgeschlagen hat."

"Oh Gott, Mulder. Bitte sag nicht, dass die Kellnerin später auf den Tischen tanzen wird."

Er lacht und nimmt meine Hand. "Du traust Frohike eben nichts zu, Scully.  Er weiß, wie viel Klasse du hast. Er würde nie irgendwas Zwielichtiges vorschlagen. Wir sind nur wegen der Musik hier."

"Wegen der Musik?"

Mulder öffnet den Mund, um mir zu antworten, als die Kellnerin neben unserem Tisch auftaucht. Nein, ich glaube nicht, dass sie eine Tischtänzerin ist. Sie ist eine große, schwarze Frau, die mindestens zehn Zentimeter größer und hundert Pfund schwerer ist als Mulder. Er schenkt ihr ein Hundert-Watt-Lächeln und bestellt ein Glas Wein für mich und eine Flasche Samuel Adams für sich, während ich mich in der Bar umsehe. Hinten, auf der anderen Seite des niedrigen Raumes, entdecke ich die Tanzfläche.  Lautsprecher, Mikrofone und Instrumente stehen dort mehr oder minder aufgereiht, und als ich das Geschehen weiter so beobachte, sehe ich, wie einige Männer und eine Frau dort auftauchen und ihre Plätze einnehmen.

Ich bin angenehm überrascht, als ich an meinem Wein nippe und die Band anfängt zu spielen. Sie spielen eine große Bandbreite an Musik—von Blues über Jazz zu Show Musik—und sie spielen gut. Nach einigen Songs beginnt sich die Tanzfläche mit Pärchen zu füllen. Mulder kippt seine Flasche und leert den Rest. Dann greift er nach meiner Hand und zieht mich auf die Tanzfläche, als sie gerade 'Smoke Gets in Your Eyes' anfangen.

Mulder kann auch tanzen. Aber ich glaube, das sollte keine große Überraschung für mich sein. Wenn er etwas anpackt, macht er keine halben Sachen.

Wir bewegen uns gut zusammen; als ob wir schon unser ganzes Leben miteinander getanzt hätten und all die kleinen Nuancen gelernt hätten, die eine tadellose Partnerschaft ausmacht. Ich glaube, das haben wir sogar auch.

Er hält mich fest an sich gepresst, meine Hand in seiner über seinem Herzen, während seine andere Hand an tief auf meinem Rücken ruht—da, wo er sie am liebsten hat. Ich habe meinen Arm unter sein Jackett geschoben und ihn um seinen Hüften gelegt, meine Finger an den straffen Muskeln an seinem Rücken. Ich lege meinen Kopf an seine Brust, als der Song endet und ein weiterer beginnt.  Noch ein langsamer. Ich fühle, wie Mulder seine Lippen auf meine Stirn presst und schließe die Augen. Er legt seinen Kopf auf meinen.

"Bist du glücklich, Scully?"

"Mmmm. Tanz mit mir, Mulder."

"Das tue ich doch." Seine Lippen berühren meine Stirn und ich fühle, wie er lächelt.

"Hör nicht auf." Mir ist ganz warm von dem Wein und dem Essen und dem Mann, den ich in meinen Armen halte. Ich möchte die Zeit anhalten und diesen Moment einfrieren und ihn Mulder schenken. Als ein Andenken. Als eine Erinnerung.

"Niemals?" fragt er.

"Niemals."

"Okay, Scully." Ich höre ein leises Grummeln in seiner Brust und hebe meinen Kopf, um ihn anzusehen.

"Was?"

Er grinst. "Ich stelle mir nur gerade Skinners Gesicht vor, das er macht, wenn wir das erste Mal in sein Büro hineintanzen."

Ich lächele ebenfalls. "Nicht gerade praktisch, was?"

"Nicht für die praktische Agent Scully, nein."

"Ich bin mehr als nur sie, Mulder." Es ist wichtig, dass er das versteht.

"Ich weiß."

"Wirklich?" Ich sehe ihm geradewegs in die Augen.

Mit dunklen Schlafzimmeraugen sieht er zu mir herunter. Er seufzt. Ein tiefes, zitterndes Seufzen, und er zieht mich näher an sich heran. "Scully, wenn du nur wüsstest, wie viel du mir bedeutest..." seine Stimme ist ein dunkles, raues Flüstern "... dann würdest du nicht fragen."

Die Mauern zerfallen.

Die Band hebt das Tempo für den nächsten Song und ich kann sehen, wie die Paare um mich herum ihre Schritte schneller werden lassen und sich dem neuen Rhythmus anpassen. Mulder und ich bewegen uns kaum. Wir tanzen in langsamen, stetigen Kreisen—herum und herum. Meine ganze Welt besteht aus diesem Moment und diesem Mann.

Ich weiß nicht, was nach dem Tod kommt. Mein Glaube lehrt mir ewiges Leben und ich möchte daran glauben. Wenn es einen Himmel gibt und wenn wir für die trauern, die wir zurück lassen, wird es Mulder sein, an den ich am meisten zurückdenken werde.

Ich bin noch nicht bereit zu sterben. Ich will nicht sterben.

Ein Scheinwerfer blitzt auf und beleuchtet eine Spiegelkugel, die von der Decke herunter hängt und wie ein großes Stroboskop Lichtfetzen im ganzen Raum verteilt. Ich hebe meinen Kopf von Mulders Brust und sehe zu der Kugel auf, die sich wild im Kreis dreht. Ich finde sie schlimm und faszinierend zugleich. Irgendetwas an der Art, wie sie glitzert und blinkt bereitet mir Kopfschmerzen und ein Hämmern in den Ohren. Ich merke, wie ich in Mulders Arme falle, als ich auf einmal kaum atmen kann.

In meinem Kopf spielen sich die Bilder wie in einem Film ab. Gesichter umringen mich, sehen auf mich herunter. Verschwommene, nicht wirkliche Gesichter. Bis auf eines. Ich erkenne ihn und schreie vor Schreck auf.

Seltsame Geräusche. Alarmglocken. Ein mechanischer, greller Schrei.

Stimmen. In meinem Kopf. Die mir sagen, ich solle keine Angst haben. Aber ich habe Angst. Oh Gott, ich habe solche Angst.

Ich reiße meine Augen auf und ich sehe, unfähig mich zu bewegen, wie der Bohrer immer tiefer und tiefer und tiefer kommt...

Ich schreie, doch mein Schrei ist tonlos.

"Scully?"

Nein, bitte, tu' mir nicht weh! Warum tut ihr mir das an?

Mein Bauch ist aufgeblasen und schwer.

Stochern. Schneiden. Sie saugen das Leben aus mir.

"Scully? Kannst du mich hören?"

Ich spüre, wie eine Hand mein Gesicht, meinen Hals berührt. Ich schlage sie fort.

Mul-der! Mach, dass sie aufhören!

Penny hält meine Hand.

Es ist vorbei. Es ist alles in Ordnung, Dana. Es ist alles vorbei.

Sie haben mir schreckliche Dinge angetan.

Unvorstellbare Dinge.

"Scully? Oh Gott, nein! Scuh-leee!"

Nicht. Bitte nicht. Nicht noch mehr.

Nein!!!

"Halt aus, Dana. Halt durch, Baby. Hilfe ist schon unterwegs."

Mulder, ich glaube, das hier ist der letzte Tanz.

 

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Dance Without Sleeping V

Dunkelheit kommt

von Lydia Bower

( bower@cu-online.com )

 

Wertung: R für Sprache und Inhalt (immerhin gibt's hier Romance :))

 

 

Ich bade in Licht. Ich schwimme durch endloses Nichts—es gibt nur Licht und die Schwerelosigkeit. Ich kann mich jetzt daran erinnern, was sie mir angetan haben. Jede Zelle meines Körpers spürt die Wucht der Invasion. Aber ich muss mich nicht erinnern. Ich kann einfach nur durch diese bodenlose Weiße gleiten, bis die Erinnerungen verschwinden. Ich öffne bewusst meine Hand und lasse die dünnen Spinnfäden los, die Zeit und Erinnerung zusammen halten; ich gebe sie auf, bis nichts mehr übrig bleibt als Stücke von Erinnerungen, die zu vage sind, um sie festzuhalten und sie näher zu erkunden.

Es ist schwer zu denken. Aber ich versuche es, ich kann mich an einen oder zwei Momente erinnern. Einer voller Trost und einer mit grenzenlosem Schrecken. Ich halte an dem ersten fest und stoße den anderen fort, fort.

Ich fühle jetzt, wie ich mich von dem blendenden Licht und dem Nichts fortbewege, und merke, dass das Licht die Quelle des Bösen ist. Es hält allen Horror, alle Alpträume, alle scharfen und stumpfen Dinge, und Dinge, die mich zugleich füllen und aussaugen. Sie sind in dem Licht: die, die mir all diese Dinge antun, die mir meine Zeit und meine Erinnerungen stehlen. Ich heiße die Dunkelheit willkommen.

Sie bedeckt mich wie ein warmes Laken, umhüllt mich und hält mich in seiner Umarmung fest. Sie flüstert zu mir, bestätigt mir Sicherheit und Trost und das Ende der Pein. Sie bedeutet mir ihr Versprechen in der Wärme einer Hand, die sanft meine hält.

Penny.

Sie ist zu mir gekommen.

Ich verfluche und liebe meine Entführer.

Sie haben Penny erlaubt, zu mir zu kommen.

"Scully?"

Scully? Warum nennt sie mich so?

Ich spüre, wie meine Hand hoch gehoben wird und dann wie weiche Lippen meine Knöchel streicheln, einen nach dem anderen. Ich fühle eine Rauheit an meiner Haut, die wohlbekannt und seltsam zugleich ist.

"Scully, aufstehen."

Und dann weiß ich es.

Mulder.

Ich öffne die Augen und sehe sein Gesicht über mir. Er lächelt mich mit sanften, warmen Augen an.

"Hi."

Ich habe ganz vergessen, wie schön seine Stimme klingt.

Ich hebe meine andere Hand und berühre sein Gesicht, streife mit den Fingern über seine Wange. "Ich wusste, du würdest kommen. Ich wusste, du würdest mich vor ihnen beschützen."

Ich bin ein wenig verwirrt, als sich seine Stirn kräuselt, als ob er Schmerzen hätte. Haben sie ihm auch weh getan? Er dreht sein Gesicht in meiner Hand und küsst meine Handfläche. Er ist so süß, so lieb.

"Scully, weißt du, wo du bist?"

Natürlich weiß ich das. Was für eine dumme Frage. Ich bin.... Die Erkenntnis trifft mich wie ein Eimer Eiswasser. Ich bin in einem Krankenhaus, nicht an diesem anderen Ort. Das rhythmische Piepen und Klappern der Maschinen um uns herum. Das Bett, in dem ich liege, wird von geschlossenen Vorhängen verdeckt. Ich höre Bruchstücke von zwei oder drei verschiedenen Gesprächen und sehe die Silhouetten der Leute, die hinter den Vorhängen hin und her laufen. Ich sehe an mir herunter und erkenne das schwarze Kleid. Dann erinnere ich mich.

"Notaufnahme?"

"Ja. Fairfax Mercy. Kannst du dich erinnern, was passiert ist?"

Ich versuche, mich aufzusetzen und Mulder hilft mir, indem er die Kissen hinter mir aufschüttelt. "Ja. Wir haben getanzt."

Er nickt und setzt sich auf den Rand des Bettes. "Das nächste Mal sag einfach Bescheid, wenn du keine Lust mehr hast, ja? Keine Sturzflüge mehr, um anderen zu sagen, was los ist, okay?" Sein Lächeln versiegt. Er wendet seinen Blick ab und kaut auf der Innenseite seiner Wange herum. "Du hast mir höllische Angst eingejagt, Scully."

"Das tut mir leid." Und es stimmt. Ich wünschte, ich wüsste, was passiert war, aber alles, woran ich mich erinnern kann ist, in Mulders Armen zu sein. Und dann was, Dana? Mein Gehirn lässt die Erinnerungen mehr und mehr fallen, so dass sie nichts weiter sind als Fragmente eines schlimmen Traums.

Ich will es gar nicht wissen.

"Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Ich bin nur sehr froh, dass du wieder hier bei mir bist. Du warst ganz schön weggetreten."

"Wie sind wir hierher gekommen, Mulder? Ich kann mich nicht..."

Ich kann mich nicht erinnern. Wie viele Male habe ich das schon gesagt, seit Duane Barry in mein Haus eingebrochen ist und Monate meines Lebens gestohlen hat? Ich kann es nicht mehr zählen.

Kann es nicht, oder will es nicht?

"Tja, ich habe einen Krankenwagen gerufen, aber der hat zu lange gebraucht, also habe ich dich raus in den Wagen getragen und bin wie der Teufel persönlich gefahren."

Ich lächele ihn sanft an. "Mulder, eines Tages bringt dich deine Ungeduld noch um."

Er zögert nicht eine Sekunde mit seiner Antwort. "Besser mich als dich." Sein Blick löst sich von mir und ich lege meine Hand auf seinen Arm. Für eine Weile sieht er mich wieder an, ein erzwungenes Lächeln auf seinem Gesicht. "Außerdem muss sie mich erst einmal einholen.“

Wir schweigen beide wieder. Mulder kaut auf seinem Daumennagel und ich wringe langsam meine Hände.

"Ich, äh, ich habe dein Kleid von der Schere bewahrt. Ich habe der Schwester gesagt, du seiest FBI Agentin mit Temperament und einer großen Knarre."

Ich blicke herunter auf das Kleid. "Ich habe mich schon gewundert."

"Ich habe eine ganze Predigt über die Regeln in der Notaufnahme über mich ergehen lassen müssen. Du kannst dir bestimmt vorstellen, wie das gelaufen ist."

Wir sehen uns an und grinsen.

"Ich möchte nach Hause, Mulder."

"Erst müssen wir warten, was dein Arzt sagt."

Wann habe ich angefangen, Ärzte zu hassen?

"Ich bin bloß in Ohnmacht gefallen. Es geht mir jetzt gut. Wirklich."

Er blickt mich mürrisch an und zwingt die Worte zwischen seinen eng zusammen gepressten Lippen heraus. "Du bist nicht bloß in Ohnmacht gefallen. Man fällt nicht einfach nur in Ohnmacht, wenn man um sich tritt und schlägt, während man zu Boden geht. Und es geht dir alles andere als gut."

Mein Ärger erreicht das Level von seinem. "Seit wann hast du einen Abschluss in Medizin, Mulder?"

Er dreht sich von mir weg. "Fang jetzt nicht damit an, Scully."

"Hör auf mich zu bevormunden."

Er blickt mich wieder an. "Das tue ich nicht, ich..."

"Doch, das tust du. Niemand weiß besser als ich, welche Symptome ich von meiner Krankheit und der Behandlung, die ich bekomme erwarten kann. Was mir heute passiert ist, hat überhaupt nichts damit zu tun."

"Und was zum Teufel *ist* dann passiert?"

"Ein hallunzinöse Reaktion auf den Stress, die durch visuelle Reize ausgelöst worden ist." Gott, das hört sich lahm an. Mulder sieht mich nur mit einem überlegenen Grinsen an. Ich fühle mich durch sein Schweigen dazu gezwungen, noch mehr zu sagen. Aber das wäre ein großer Fehler.

Endlich bricht er die ungemütliche Stille. "Halluzinationen", wiederholt er.

"Ja."

"Oder unterdrückte Erinnerungen, die wieder an die Oberfläche kommen." Er sagt das nicht als eine Frage. Er sagt mir, was passiert war. Und das Schlimmste ist, er hat recht.

"Was für einen Unterschied macht das, Mulder?"

Bestürzt schüttelt er seinen Kopf. "Es kommt alles wieder zurück, nicht wahr?"

"Vielleicht", antworte ich ausweichend.

"Du musst daran festhalten, Scully—du musst dich daran erinnern, was dir widerfahren ist. An alles."

Eine Verzweiflung liegt in seiner Stimme, die ich noch nicht oft gehört habe. Sie macht mir Angst. "Warum? Warum ist es so wichtig, dass ich mich erinnere?"

Er steht vom Bett auf und dreht mir seinen Rücken zu, seine Hände an seinen Hüften. Ich hören ihn seufzen. "Okay, Scully. Wir spielen es also nach deinen Regeln."

Plötzlich fallen mir wieder Mulders Worte in dem Krankenhauskorridor ein, nachdem Penny gestorben war, und ich höre sie auf eine Art, wie ich sie noch nie zuvor empfunden hatte. Ein eiskalter Dolch der Furcht durchsticht mich. "Du weiß etwas, nicht wahr? Was verschweigst du mir, Mulder?"

Er dreht sich langsam zu mir zurück und ich sehe die Unentschlossenheit auf seinem Gesicht. Und dann sehe ich, wie es zu Erleichterung wird, als der Vorhang zurück geschoben wird und der Arzt sich zu uns gesellt. Ich halte an Mulders Blick fest—ein Versprechen, dass dieses Gespräch noch nicht vorbei ist, sondern lediglich aufgeschoben.

Ich verlasse das Krankenhaus entgegen dem Rat des Arztes, nachdem ich versprochen habe, meinen Onkologen gleich Montag früh zu kontaktieren.  Mulder sagt während der Fahrt nach Hause kein Wort, und ich bin viel zu müde, um das Thema noch einmal aufzugreifen. Oder vielleicht habe ich auch einfach nur Angst; ich weiß es nicht.

Ein schwaches Gefühl von Verzweiflung entsteht in mir und nimmt mehr und mehr zu, je weiter wir uns meiner Wohnung nähern. Ich ziehe mich brav fürs Bett um, während Mulder mir eine Tasse heißen Kräutertee macht. Ich habe keine Ahnung, warum ich diese schlimme Vorahnung habe—ich weiß nur, dass sie mich dazu drängt, alle Vorsicht in den Wind zu schreiben und mich an das zu klammern, was ich brauche, was ich will, bevor es zu spät ist.

Und gerade jetzt brauche ich Mulder.

Ich finde ihn im Wohnzimmer. Er hockt zusammengesunken auf der Couch mit seinem Gesicht in seinen Händen vergraben. Als ich lautlos näher komme merke ich, dass er weint. Vorsichtig lege ich eine Hand auf seine Schulter.  "Mulder?"

Er schreckt auf, sieht zu mir hoch und direkt wieder herunter, als er sich mit dem Handrücken Augen und Nase reibt.

Seine Stimme ist tränenerstickt und leise. "Hey, Scully. Dein Tee ist fertig."

Ich setze mich neben ihn und lege meine Hand auf seinen Schenkel. "Kann ich etwas für dich tun?"

Er hustet ein leeres Lachen. "Das ist eigentlich mein Text. Keine Sorge, Scully, ich bin okay."

"Und das ist mein Text."

Seine Lippen zucken in einem traurigen Lächeln. Meine Arme schmerzen danach ihn zu halten; meine Hände, ihn zu berühren und die Qualen von ihm zu nehmen, die die Ereignisse in seinem Leben auf seine Seele geschrieben haben. Ich möchte die Leere in ihm füllen und ihn zu dem machen, was er zu sein bestimmt ist. Ich möchte, dass er weiß, bevor es zu spät ist, dass er meine Erlösung ist und das kostbarste Geschenk, das ich je bekommen habe.

"Lass mich für dich da sein, Mulder", flüstere ich ihm zu. Ich wende mich ihm zu und nehme sein Gesicht in beide Hände. Ich beuge mich vor und er schließt die Augen, als meine Lippen seine feuchten Wangen streifen, und dann seine Lider, als ich sein Tränen trockne und ihre salzige Süße auf meiner Zunge schmecke.

Ich küsse seine Stirn, die Spitze seiner markanten Nase, das dunkle Muttermal auf seiner Wange und seinen Mundwinkel. Mulder verhält sich völlig still, aber ich kann spüren, wie sein zitterndes Seufzen meine Haut streichelt.

"Lass mich um dich sorgen, Mulder. Lass mich dich wieder glücklich machen."

Ich küsse die Unterseite seines Kiefers und sein Kinn. Meine Finger verflechten sich in seinem samtweichen Haar und ich küsse seine Schläfe und jedes seiner Augenlider. Seinen Mundwinkel.

Und dann reißt er mich an sich, die Bewegung abrupt und schroff. Sein Mund findet meinen und er küsst mich mit rauer Verzweiflung. Es löst ein Echo in mir aus, mit dem ich ihm antworten möchte. Wir geben uns gegenseitig unsere Ängste, als unsere Zungen aneinander prallen und er mich auf seinen Schoß zieht, seine Hand über meinen Rücken und zu meinem Hintern. Greifend.

Stoßend.

Ich fasse zwischen uns und lege meine Hand auf ihn. Er stöhnt in meinen Mund und ruckt mir seine Hüften entgegen, mit verzweifeltem Druck gegen meine Hand. Ich betaste seine Form durch seine Hose, befühle seine Erektion, die unter meinen Fingern zuckt. Er löst seinen Mund von mir und vergräbt seine Zähne in meiner Schulter.

Ich will das. Ich will ihn. Ich will ihn mit einer Gier und einer Verzweiflung, die mir Angst macht. Ich will ihn auf mir und in mir spüren und ihn verschlingen. Ich will seine Hitze und seine Härte und sein Leben in mir. Ich will meinen Unterleib in seinem lebensspendendem Samen baden.  Ich will seine Essenz und seine Stärke. Ich will, dass er sich daran erinnert, wenn ich kalt in meinem Grab liege und er Trost braucht.

Und dann, genauso plötzlich, wie er mich an sich gerissen hat, stößt er mich fort. Er greift nach unten, fasst mein Handgelenk und zerrt meine Hand zurück. Ich sehe in vollkommen überrascht an. In seinen Augen brennt ein dumpfes Feuer.

"Was ist?"

"Wir können das nicht tun, Scully", keucht er atemlos und befeuchtet seine Lippen. Ich beuge mich vor, um ihn zu küssen, doch er weigert sich.

"Willst du mich etwa nicht?"

Er sieht mir in die Augen und lacht ein breites Lachen, das jedoch schnell verschwindet und durch etwas viel Ernsteres ersetzt wird. "Mehr als alles andere. Das weißt du."

"Warum willst du es dann nicht?"

Er dreht sich weg und fährt sich mit der Hand über das Gesicht. Die Sekunden ticken vorüber. Er brummt tief in seinem Inneren. Ich erkenne diesen Ton sofort. Er bedeutet "Ich habe ein Riesenproblem".

"Ich habe Mitleidsvögeln noch nie besonders gemocht, Scully", sagt er dann. "Zu geben oder zu bekommen."

Ich müsste jetzt eigentlich beleidigt sein, und ich öffne auch meinen Mund, um ihm das zu sagen. Aber dann dreht er sich wieder um und sieht mich mit einer solchen Intensität und Sicherheit an, dass ich es nicht schaffe, die Worte über meine Lippen zu bringen.

Er hat recht.

Ich setze mich auf der Couch zurück. Ich bin fassungslos. Und dann ist es mir peinlich. Ich senke meinen Kopf und starre auf meine Hände.

"Hey." Er hebt mein Kinn mit einem Finger und zwingt mich dazu, ihn anzusehen. "Hör zu, wir beide wollen das und wir beide wissen, dass es irgendwann passieren wird. Aber nicht so, Scully. Wenn wir uns lieben, möchte ich, dass es eine Rückkehr ist, nicht ein Abschied. Niemals ein Abschied. Bitte verlange nicht von mir, das zu tun. Bitte verlange nicht, dass ich mich mit weniger zufrieden geben muss, als du mir geben kannst. Ich möchte, dass dies geschieht, weil du dich dazu entschlossen hast zu leben— nicht weil du glaubst, dass du sterben wirst."

Ich fühle, wie die Tränen in meinen Augen brennen und sehe weg. "Du hast recht, Mulder. Es tut mir leid."

Er senkt seinen Kopf und küsst mich sanft, ein langsamer, zögerlicher Kuss, der nach Verlangen und etwas tieferem, länger Währendem schmeckt.  "Entschuldige dich nicht dafür, dass du dich an mich ran machen willst, Scully. Da bekomme ich ja Minderwertigkeitskomplexe."

"Das ist nicht, was ich..."

Er stillt meine Worte mit einem weiteren Kuss. "Ich weiß." Er nimmt mich in die Arme und seufzt tief. Dann lacht er leise und sagt, "Das Leben ist manchmal grausam, was?"

Ich beginne, seinen Gedanken zu Ende zu führen. "Und du bist..."

Er legt sanft aber bestimmt seine Hand auf meinen Mund. "Keine Chance. Versuch es nicht einmal, Scully. Vergiss nicht, ich bin größer als du."

"Drohst du mir etwa, Mulder?"

"Niemals. Ich würde nicht im Traum daran denken. Aber ich bringe dich jetzt ins Bett. Wir hatten beide eine lange Nacht." Er steht auf und hält mir seine Hand hin. "Komm, Scully, ich decke dich zu."

Ich nehme seine Hand und stehe ebenfalls auf. Eine Welle von Liebe durchflutet mich in diesem Moment, die so stark ist, dass ich sie nicht beschreiben könnte, selbst dann nicht, wenn ich es müsste. Ich fühle mich immer so sicher und geborgen, wenn ich bei Mulder bin. Genau die Dinge, die uns vom Rest der Welt unterscheiden, geben uns die Kraft weiterzumachen.

Wir sind beide stärker dadurch, dass wir uns gegenseitig haben. Manchmal denke ich über die Sinnlosigkeit des Lebens nach, über die Anstrengungen, und warum wir immer weitermachen, obwohl wir wissen, dass die Welt sich nicht viel durch die Tatsache geändert haben wird, dass wir hier waren. In diesem Moment beginne ich zu verstehen, dass es eine Ehre ist, einfach zu *leben*, und jemanden zu lieben und geliebt zu werden. Es liegt eine gewisse Würde darin, einen Unterschied im Leben eines anderen Menschen zu machen, selbst wenn dieser Unterschied nur so klein ist wie die Sicherheit, dass dieser Mensch zumindest ein einziges Mal Liebe in seinem Leben erfahren hat.

"Also, Mulder", frage ich, als wir in mein Schlafzimmer kommen. "Ich glaube kaum, dass ich dich dazu überreden kann, heute Nacht hier bei mir zu schlafen. Es ist genug Platz da."

Er lacht leise und zieht die Decke bis zu meinem Kinn. "Führe mich nicht in Versuchung, Scully. Es war schwer genug, das erste Mal nein zu sagen. Ich glaube nicht, dass ich das noch einmal schaffe."

Er sagt es als Scherz, aber ich kann eine versteckte Bitte, ihn zu verstehen, in seiner Stimme hören. Es ist ein fürchterlicher Gedanke und ich sollte mich dafür schämen, aber ich bin irgendwie stolz, dass ich so einen Effekt auf ihn habe. Einen solchen hat er auf mich schon lange Zeit.

Er beugt sich herunter und gibt mir einen Kuss auf die Stirn. "Wir sehen uns morgen."

Ich sehe ihm nach, als er auf die Tür zusteuert. "Mulder....?"

Er dreht sich um und sieht mich an.

Ich versuche, die Worte zu sagen, aber je länger er mich ansieht, desto schwerer fällt es mir. Also sage ich es ihm mit meinen Augen. Ich will dich, Mulder. Heute, morgen, immer. Ich werde ihm das sagen können, sobald ich gesiegt habe.

Einer seiner Mundwinkel hebt sich. "Ich weiß, Scully. Ich dich auch."

Ich schließe die Augen und bete, dass die Nacht uns beiden nur schöne Träume bringt.

Und die Dunkelheit tröstet mich.

 

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Bemerkung der Autorin: Dieser Teil war richtige Schwerstarbeit, Leute. Ich musste hier eine Entscheidung treffen: mein Mentor hat mir einmal gesagt, dass du keine Geschichte erzählen kannst, wenn sie nicht deine eigene Geschichte ist. In solch eine Situation bin ich geraten, als ich darüber nachgedacht habe, was Mulder in dem Lombard Research Center gefunden hatte. Ich habe mir den Kopf zerbrochen über eine mögliche Szene zwischen Mulder und Scully, in der er ihr über ihre gestohlenen Eizellen erzählt... aber ich konnte es einfach nicht schreiben. Es ist nicht meine Geschichte. Und nicht meine Überzeugung zu schreiben. Ich hoffe, Ihr alle könnt das verstehen und seid nicht sauer darüber.

Die letzte Szene könnte unter Umständen einigen zu schaffen machen. Ich möchte hier eben sagen, dass ich mich gerne mit Euch darüber auseinandersetze, wie Mulder in dieser Szene handelt—aber ich werde mich nicht verteidigen, wenn Ihr mit seiner Handlungsweise nicht einverstanden seit. Ich werde nicht leugnen, was mir mein Autorenherz sagt. Ich schreib's wie ich's empfinde. Gespannt? <g> Feedback, wie immer, ist herzlich willkommen. Viel Spaß!

 

Dance Without Sleeping VI

Veritas

von Lydia Bower

( bower@cu-online.com )

 

Wertung: PG-13

 

 

Mulder schläft nicht mehr auf meiner Couch. Als meine Alpträume angefangen haben, ist er in mein Bett umgezogen. Denn die einzige Möglichkeit, dass ich schlafen kann, ohne mitten in der Nacht schreiend aufzuwachen, ist, von ihm gehalten zu werden. Und sogar dann ist es noch schwer. Ich kann jetzt verstehen, wie Mulder gelernt hat, mit so wenig Schlaf auszukommen. Es ist einfach besser, als keuchend und nach Luft schnappend aufzuwachen, mit klopfendem Herzen und brennenden Lungen.

Jedes Mal wenn es mich aus dem Schlaf reißt, nimmt mich Mulder ganz eng und wiegt mich sanft, murmelt leise Worte des Trostes in mein Ohr, bis ich wieder zu Atem komme und meinen Halt an der Vernunft zurückbekomme. Er legt mich dann immer zurück in die Kissen und legt sich eng an mich, mein Rücken an seine Brust gepresst, und lullt mich wieder in den Schlaf. Mulder ist mein Schutzschild gegen meine Träume. Er ist zudem Schlächter meiner Alpträume geworden. Und seltsamerweise hatte Mulder, seit er bei mir schläft, selbst keinen einzigen mehr gehabt. Es ist auch besser so, denn meine Alpträume sind schlimm genug für uns beide.

Die blassen Erinnerungen an meine Entführung sind der Grundstein für diese Alpträume. Aber sie sind noch verknüpft mit anderen Erinnerungen; Bilder und Gedanken, die mich nie zuvor belästigt haben—oder vielleicht früher einmal—doch die nach und nach verblichen sind. Jetzt sind sie mit voller Wucht wieder da. Ich träume von Duane Barry und Donnie Pfaster, Robert Modell und Eugene Tooms, Luther Boggs und vom Krebskandidaten. Es sind Monster, jeder einzelne von ihnen, und ich schäme mich dafür, dass sie mir Furcht einjagen können.

Ich wünschte, dass ich wie Mulder nur einen Traum haben würde, nur ein Szenario, das sich immer und immer wieder wiederholt. In dem Fall hätte es wenigstens eine gewisse Konsistenz und ich würde wissen, was mir bevorsteht. Doch meine Alpträume sind so verschieden und individuell wie Schneeflocken, jeder einzelne separat und anders. Jeder einzelne zusammen mit den anderen genug, um mich unter ihrem Gewicht zu begraben.

Jetzt spendet die Dunkelheit nicht länger Trost.

Jetzt gibt es nichts mehr außer Mulder.

 

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Wir sind seit über einem Monat nicht mehr im Einsatz gewesen—ein Rekord. Früher hatte Mulder jede Entschuldigung, jede Gelegenheit genutzt, um uns aus dem Keller heraus in ein Abenteuer zu bekommen. Skinner hat mich Anfang der Woche in sein Büro gerufen und gefragt, ob vielleicht mein gesundheitlicher Zustand der Grund dafür sei. Ich hatte ihm versichert, dass es mir gut ginge; und es stimmt auch. Abgesehen von den Kopfschmerzen und gelegentlichem Nasenbluten fühle ich mich... gut. Ich muss unbedingt ein anderes Wort finden, das hier geht mir langsam auf die Nerven.

Also verbringen Mulder und ich unsere Arbeitstage im Büro. Oder besser gesagt, ich tue es. Mulder verbringt eine Menge Zeit woanders. Er hinterlässt mir die alltäglichen Verantwortungen in unserem Job, was aber okay ist. Ich weiß, dass er die Antworten sucht, die wir brauchen, und ich weiß, dass ich ihn lassen muss. Das hier ist Mulders Suche, und ich kann es ihm nicht verwehren. Ich habe gemerkt, dass mir meine Krankheit, und was sie bedeutet, fast egal ist. Es ist nicht so, dass ich mich geschlagen gegeben habe, ich habe sie vielmehr akzeptiert. Ich denke nicht mehr jede Sekunde daran. Ich habe angefangen, das zu tun, was ich mir nach Pennys Tod geschworen habe: ich mache weiter.

Wenn doch nur die Alpträume verschwinden würden.

Ich verbringe immer noch die meiste meiner Zeit mit Recherchen bezüglich alternativen Möglichkeiten für meine Behandlung. Ich lese Artikel und Magazine und Ergebnisse von klinischen Studien, bis die Worte in meinem Kopf schwirren. Ich spreche mit Ärzten und Wissenschaftlern und ich tue meine Arbeit in der Öffentlichkeit. Das Versteckspielen und die Untergrundarbeit überlasse ich Mulder. Er ist sehr gut in dem, was er tut.

Letzte Woche hatte er Scanlon fast gekriegt. Er war nur etwa eine Stunde zu spät. Eine Stunde. Er hat sich deswegen für ganze zwei Tage herumgequält, bevor ich die Nase voll hatte. Ich habe einen Streit mit ihm angezettelt und ihn mit der Auseinandersetzung als Grund nach Hause geschickt. Es war das erste Mal in über einem Monat, dass er eine Nacht in seiner Wohnung verbracht hatte. Ich habe diese Nacht nicht geschlafen. Ich glaube auch nicht, dass Mulder geschlafen hat. Er hat uns am Mittag des nächsten Tages von oben bis unten angesehen und wir sind zusammen auf mein Bett gefallen und haben bis zum nächsten Morgen ineinander verschlungen durchgeschlafen.

Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie mein Leben ohne Mulder ausgesehen hat.

Ich will mich nicht daran erinnern.

 

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Ich bin vielleicht unfruchtbar.

Hohl. Leer.

Das war es, was Mulder mir offenbart hat. Nachdem er Ewigkeiten in meinem Apartment vor sich her gebrütet hat und ununterbrochen hin und her gelaufen ist, hat er alle Karten vor sich ausgelegt. Alles, was er weiß. Über Dr. Scanlon und darüber, wie tief er möglicherweise in dieser ganzen Verschwörung mit drin steckt, die mit dem Tod der MUFON Mitglieder zu tun hat—unter anderem. Die Kurt Crawford Hybriden. Die riesigen Behälter, in denen mehr von diesen steckten. Der kalte, fleckenlose, stählerne Raum, der bis zur Decke hin mit Schubladen gefüllt war, in denen menschliche Eizellen gelagert wurden—meine auch.

Ich kann diese Informationen nicht ganz verarbeiten. Die Technologie, die es ermöglicht, menschliche Eizellen einzufrieren, existiert überhaupt nicht. Das weiß ich mit Sicherheit. Mein Menstruationszyklus ist so regelmäßig wie ein Uhrwerk, und ich weise keinerlei Anzeichen von Hormonstörungen auf. Ich weiß auch das mit Sicherheit. Es wäre viel leichter, die Behauptungen einfach in den Wind zu schreiben, wenn sie von irgendjemand anderem kommen würden als von der Person, von der sie kommen. Mulder ist der einzige, dem ich vertraue. Er ist zu meiner Wahrheit geworden.

Ich kann verstehen, warum er es so lange vor mir geheim gehalten hatte. Es war ein schreckliches, quälendes Geheimnis. Seine Motive waren vollkommen ehrenwert. Was ich nicht verstehen kann ist, warum er es mir gerade jetzt sagt. Ist das Gewicht zu schwer geworden, um es alleine tragen zu können?  Sind es Schuldgefühle? Mulder tut nie etwas ohne einen bestimmten Grund.

Ich weiß nicht, was ich jetzt empfinden soll. Ich bin betäubt. Leer. Ich habe noch nie darüber nachgedacht, Kinder zu haben. Ich habe mich immer lieber mit meiner Ausbildung und meiner Karriere beschäftigt, und seit ich bei den X-Akten angefangen hatte, schien es sogar lächerlich, überhaupt daran zu denken. Es ist also nicht so, dass ich etwas nachtrauern würde, das ich gar nicht wirklich haben will. Ich hasse bloß den Gedanken daran, dass mir diese Möglichkeit einfach genommen wurde. Noch eine Wahl, die ich nicht selbst treffen kann. Noch weniger Kontrolle über mein eigenes Leben.

Man hat mir auf so viele Arten wehgetan und es erschreckt mich, dass ich möglicherweise immun gegen die Wut werden könnte, die ich eigentlich empfinden müsste. Ob das wohl dieselbe Reaktion ist wie von Leuten in Kriegsgebieten? Bin ich abgehärtet? Bin ich so viel Bösem, Tod und Leid ausgesetzt worden, dass es mich nicht länger berührt, selbst wenn es mich direkt betrifft?

Ich bin so durcheinander. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, was ich fühlen soll.

Ich habe mich selbst verloren.

Wer sind die Männer, die mir das angetan haben? Warum können sie nicht zur Rechenschaft gezogen werden?

Und warum haben sie all das getan? Warum haben sie Penny all das angetan?

Und Betsy. Und allen anderen. Mir. Warum?

Die Antworten scheinen jeden Tag schwerer zu fassen. Irgendwo sind meine Eizellen in den Händen irgendeiner verdeckten Organisation, die in dem Schatten der Lügen agiert und sich einen Dreck um die Menschen kümmern, deren Leben sie zerstören.

Ich will diese Antworten.

Ich will die Wahrheit.

Ich glaube aber nicht, dass ich sie jemals finden werde.

Ich habe die Hoffnung verloren.

 

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Mulder bringt mich noch zum Wahnsinn. Er tritt mir schon den ganzen Tag pausenlos auf die Zehen. Nicht nur wie üblich, dass er auf seine normale besorgte Weise in meiner Nähe ist, nein, er rückt mir förmlich auf die Pelle. Ich stoße ständig mit ihm zusammen. Jedes Mal murmelt er irgendwelche Entschuldigungen und geht zur Seite, doch kurz darauf findet er wieder einen anderen Grund, mir wieder genau im Weg zu stehen, wenn ich mich umdrehe. Ich kann überhaupt keinen Sinn in dem sehen, was er tut, aber er muss einen Grund dafür haben.

Jetzt ist es sogar noch schlimmer, wo wir aus dem Büro und zu Hause sind. Man könnte meinen, dass Mulder bei so viel Platz in meiner Wohnung woanders Platz finden könnte, aber nein, genau neben mir. Er macht mich langsam richtig wütend. Während wir Abendessen in der Küche machen, rempelt er mich dauernd an. Schreckliche Gedanken schießen mir durch den Kopf, als ich nach dem Messer greife, um den Salat zu machen.

Wir setzen uns an den Tisch und essen und am Ende sitze ich mit gekreuzten Beinen auf meinem Stuhl, um Mulder davon abzuhalten, mit mir zu füßeln. Ich greife nach dem Pfeffer und stoße gegen seine Hand. Ich werfe ihm einen bösen Blick zu und bekomme einen totalen Unschuldsblick als Antwort.

Warum tut er mir das an?

Das Maß ist schließlich voll, als wir im Flur aneinander vorbei gehen. Ich bin auf dem Weg in die Dusche und Mulder kommt gerade mit der Nase in einem Buch aus dem Schlafzimmer. Ich bleibe nahe an der Wand, um ihn genug Platz zu geben, aber er steuert geradewegs in meine Richtung, als ob ich ihn wie irgendein Magnet anziehen würde. Er rempelt mich an und ich fauche ihn an.

"Hör endlich auf!" Bevor ich merke, was ich überhaupt tue, schubse ich ihn mit beiden Händen. Fest. Er verliert die Balance, schwankt zurück und knallt gegen die Wand, wobei das Buch auf den Boden fällt. Er sieht mich an und ich kann grimmige Befriedigung in seinen Augen sehen.

Ein Schritt bringt ihn wieder neben mich, und als ich versuche, an ihm vorbei zu kommen, hebt er seinen Arm an die Wand und versperrt mir den Weg.

Ich mache einen Schritt in die andere Richtung, doch er hebt seinen anderen Arm und hat mich jetzt völlig eingesperrt. Er tritt noch einen Schritt näher. "Ist irgendwas, Scully?"

Seine Stimme ist alles andere als humorvoll. All seine vorhergehende Unschuld ist wie weggeblasen.

"Lass mich gehen, Mulder", warne ich.

"Keine Lust."

Er versucht, mir in die Augen zu sehen, aber ich sehe ihn nicht an. Ich starre grimmig auf eine Stelle in der Mitte seiner Brust und schlüpfe dann rasch unter seinem Arm hindurch. Wut steigt in mir auf und brennt in meinem Inneren. Er ist mir genau auf den Fersen, als ich die Richtung ändere und zurück ins Wohnzimmer laufe. Ich kann seinen warmen Atem an meinem Genick spüren. Ich halte an, wirbele herum und stoße ihn noch einmal.

"Ich habe gesagt, hör auf damit!"

"Zwing mich dazu."

Ich grolle und gehe durch das Wohnzimmer zur Couch. Mulder lässt sich genau neben mich fallen.

"Hör zu, Mulder, ich habe keine Ahnung, was für ein Spielchen du hier spielst, aber ich habe überhaupt keine Lust darauf."

Ich rutsche weiter herunter. Er folgt mir. Kann ich ihn nicht einfach erschießen und die ganze Sache abhaken?

"Du hast in letzter Zeit keine Lust auf so einiges, Scully, was?"

Ich kann den Killer-Blick förmlich auf meinem Gesicht fühlen. "Was zum Teufel soll das heißen?"

"Ich verstehe langsam, wie du dir den Namen Ice Queen eingehandelt hast."

Wo zur Hölle kommt das jetzt her?

Ich springe von der Couch auf. "Was??"

Er steht langsam auf, bis ich es bin, die zu ihm aufsieht. Seine Augen sind kalt und sein Gesicht so glatt und ausdruckslos wie Stein. Das ist Mulder von seiner gefährlichsten Seite. "Ooohh", sagt er. "Habe ich doch tatsächlich einen Nerv getroffen?"

"Leck mich, Mulder."

"Was ist los, Scully? Ist das die Art, wie du dich all die Jahre verstecken konntest? Sobald dir die ganze Scheiße zu nahe geht, drehst du dich um und rennst weg. Läuft das so?"

Ich kann nicht glauben, dass ich das gerade gehört habe. Und dann, um alles noch zu schlimmer zu machen, streckt er seine Hand aus und kneift mir in den Arm, genau über meinen Ellbogen. Ich reiße meinen Arm zurück und starre ihn an. Ich bin viel zu geschockt, um etwas zu sagen. Aber ich bin sehr, sehr wütend.

Er starrt mich mit den Augen eines Pitbulls an. "Hast du das gespürt, Scully? Hat das weh getan?" Seine Stimme ist leise und spannungsgeladen.  Ich versuche, in die Küche zu entkommen. Er folgt mir. "Soll ich es noch einmal machen? Nur um sicher zu gehen?" Ich zappele aus seiner Reichweite.  "Wie hat sich das angefühlt, Scully? Hat es so weh getan wie, sagen wir, wie ein Implantat in den Nacken gepflanzt zu bekommen?"

Ich kann nichts weiter tun als ihn anstarren. Ich bin wie benommen.

"Hat es weh getan, Scully, als sie dir all das angetan haben? Warst du bei Bewusstsein bei all diesen Tests?"

Die Worte verlassen meine Lungen als ein Schrei, aber sie kommen heraus als ein Flüstern. "Hör auf."

"Hast du gewusst, was sie tun? Haben sie Nadeln und Sonden benutzt? War da ein Bohrer über deinem Kopf? Warst du gelähmt, konntest du dich nicht bewegen, konntest du nicht etwas Gottverdammtes dagegen tun, dass dieses Ding immer näher und näher kommt?"

"Hör auf."

"Hast du gewusst, was sie tun, als sie dir deine Eizellen entnommen haben, Scully?"

Ich hohle aus und schlage mit aller Kraft zu. Ich will sein Gesicht zerquetschen, diesen Mund zum Schweigen bringen, der einfach nicht still sein will. Ich will das alles nicht fühlen. Ich will überhaupt nichts fühlen.

Sein Arm schießt hoch, um meinen Schlag abzuwehren. Seine Finger winden sich um mein Handgelenk und ich gehe auf volle Attacke. Aber es sind keine geschickten, verteidigenden Bewegungen, die ich mir im Laufe der Jahre angeeignet habe. Das hier ist unkontrolliert und wild und rasend—es sind ziellos umherwirbelnde Schläge eines Kindes, das sich verzweifelt gegen ein Monster wehrt. Mulder lässt mein Handgelenk los und steht völlig passiv da, als ich gegen seine Brust, seine Schultern, seinen Hals, seine Arme aushole; jeder Treffer schürt eine weitere Flamme der Raserei in mir, bis ich schwören könnte, dass ich vor Leben brenne.

Ich hasse die, die mir das angetan haben. Ich hasse sie wie nichts anderes. Wie können sie es wagen? Wie können sie mich so verletzen? Meine Träume und Hoffnungen zerstören? Und Mulders? Sie haben mir alles genommen. Sie haben mir meine Zukunft genommen. Sie haben meine Unsterblichkeit gestohlen. Gott verdamme sie alle! Es ist nicht fair. Es ist einfach nicht fair! Wie konnten sie das nur tun?

Sie werden dafür bezahlen. Ich werde sie verfolgen, und sie werden bezahlen. Ich werde mein Leben nicht einfach so aufgeben. Das hier ist mein Leben und sie können es nicht haben!

Mein ungeschicktes Boxen wird schwächer und ich fühle, wie Mulder mich anfasst. Meine Arme, meine Haare, mein Gesicht, meinen Rücken. Meine Kehle ist ganz rau und ich merke, dass ich all diese Fragen in meiner Wut lauthals geschrien habe.

Mulders Arme umfassen mich nun ganz, als meine Hände endlich still werden und ich meine Arme um seinen Nacken schlinge und an seiner Brust schluchze.

Tiefes, stockendes Schluchzen, das ich mir nicht mehr erlaubt habe seit Pennys Tod. Und mein Schluchzen beginnt, mich mit seiner Wärme zu heilen.

Mulder flüstert mir die ganze Zeit zu. "Das ist mein Mädchen. Lass es heraus, Scully. Lass es raus. Lass dich gehen. Ja, ich weiß, Baby, ich weiß.  Ich bin hier. Ich bleibe bei dir. Ich verlasse dich nicht. Lass es einfach raus."

Langsam sinken wir zu Boden. Ich bin schwach, völlig fertig. Meine Nase läuft und meine Augen sind geschwollen. Mulder dreht mich herum, bis mein Rücken an seiner Brust lehnt und ich zwischen seinen Beinen sitze.

Mit einer Hand lehnt er meinen Kopf an sich, mit der anderen hält er meine Taille. Er legt seinen Mund an meinen Haaransatz, wo er unzählige kleine Küsse platziert und sich bis zu meiner Schläfe hinunter arbeitet. Ich fühle, wie er leise lacht, als er hinter sich greift und das Schränkchen unter der Spüle öffnet. Ich höre leises Rascheln und Reißen und dann reicht er mir ein Papiertaschentuch. Ich wische mir die Tränen aus den Augen und putze mir geräuschvoll die Nase. Dann nimmt Mulder das Tuch wieder und wirft es gekonnt in den Papierkorb. Er streichelt meine Haare. "Sie werden mir mein Leben nicht wegnehmen, Mulder", erkläre ich tränenerstickt. "Nicht ohne den Kampf ihres Lebens."

Er drückt mich und murmelt, "Willkommen zurück, Scully."

Ich atme tief und zitternd ein und frage mich, was eigentlich gerade passiert war. Dass Mulder mich inzwischen so gut kennt und gelernt hat, wie er mich erreichen kann, ist eine Offenbarung. Manchmal kennt er mich besser als ich mich selbst. Niemand hat mich je so berührt; und niemand wird es je tun.

Ich hatte aufgegeben, mich damit abgefunden. Ich war nur zu stur, um es vor mir selbst zuzugeben. Mulder hat das gesehen. Und er hat den Mut gehabt, etwas dagegen zu machen. Er wusste, wie er die Wut in mir ans Licht bringen konnte, die ich so gut in meinem Inneren versteckt hatte. Er wusste, dass wenn ich sie anerkenne und sie herauslasse, sie mich bestärken würde.

Dieses Wissen, dass er so etwas tun kann, sollte mich eigentlich erschrecken. Aber das tut es nicht. Ich habe großes Glück. Und ich habe keine Zeit mehr für meine Furcht.

"Habe ich dir weh getan?" frage ich.

"Nein. Nichts, was ich nicht abschütteln kann. Es ist aber vielleicht doch von Vorteil gewesen, dass ich sämtliche Waffen versteckt habe."

Ich fange an zu kichern. Ja, ihr habt richtig gehört, Leute. Dana Katherine Scully kichert. Und es tut gut. Ich lasse mich mit meinem Lachen gehen, genauso wie ich es mit meinen Tränen getan habe. Vom einem Extrem zum anderen. Das ist es, was man Leben nennt. Ich habe viel zu viel Zeit im dumpfen Land der Toten verbracht. Jetzt ist es an der Zeit, zu leben.

Mulder steht auf und reicht mir seine Hand. Ich ziehe mich hoch in seine Arme und nehme etwas von seiner Kraft in mich auf. Er würde bestimmt lachen, wenn ich ihm sagen würde, für wie mutig ich ihn halte, und es mit irgendeinem blöden Witz über sich selbst abtun. Er kann so schnell die Fähigkeiten in anderen Leuten sehen, nur nicht in sich selbst. Er macht sich auf so viele Weisen klein. Aber er ist stark, und diese Kraft wird ihn nicht verlassen, wenn er sie braucht. Sie ist das, was ihn seit Samanthas Entführung angetrieben hat.

Er gibt mir einen Kuss auf die Stirn und löst sich von mir. "Du hast noch Zeit für eine Dusche, bevor der Film anfängt."

"Was für ein Film?"

"'Krieg der Welten', Scully. Ein Klassiker. Was hältst du davon? Du, ich, die Couch - in einer Viertelstunde. Haben wir eine Verabredung?"

"Kaufst du mir Popcorn?"

"Aber immer doch. Ich hole dir sogar eine Tafel Schokolade."

Wir lächeln uns an. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen und küsse ihn sanft auf den Mund.

"Danke, Mulder".

Er nickt in Richtung des Badezimmers. "Beeil dich. Die Zeit rennt dir davon."

Ich bin schon auf halbem Wege durch den Flur, als ich mich umdrehe und zurück in die Küche gehe. Mulder schüttet gerade Popcorn in die Maschine.  "Hey, Mulder."

Er dreht sich um. "Ja?"

"Ich werde leben."

Mein Statement enthält viele Bedeutungen. Mulder erkennt sie alle in der Sekunde, die unsere Augen brauchen, um sich anzublicken. Er schenkt mir ein schiefes Lächeln.

"Ja. Ja das stimmt."

 

Die letzte Mauer ist zu Staub an unseren Füßen geworden.

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Dance Without Sleeping VII

Place Your Hand

von Lydia Bower

( bower@cu-online.com )

 

Wertung: R, und zwar ein richtiges!

 

 

Nur Mulder ist es zuzutrauen, dass er sich beim Bepflanzen eines Gartens verletzt.

Wir haben den ganzen Morgen und einen Teil des Nachmittags bei meiner Mutter verbracht, wohin wir gerade rechtzeitig zu dem cholesteringeladenen Frühstück mit Eiern, Speck und Hash Browns gekommen sind. Mom hat einfach lustig meinen Rat, nicht zuviel davon in sich hineinzustopfen, ignoriert und einem grinsenden Mulder einen vollbeladenen Teller mit dem Kommentar vorgesetzt, "Fox mag ein richtiges Frühstück, stimmt's Fox?"

Er grinste sie an, schnitt mir eine Grimasse und machte sich an seine Hash Browns mit Unmengen von Ketchup. Mom hat sich lediglich mit einem Lächeln zu uns an den Tisch gesetzt, und abwechselnd von einem zum anderen geschaut. Ich blickte auf meinen Grapefruit-Cornflakesmix herunter und stibitzte ein Stück von dem Speck auf Mulders Teller, wobei meine Hand nur haarscharf einem Klaps entging. Mom sah mich leicht erstaunt an, und ich wusste, dass sie mich bei der nächsten Gelegenheit beiseite nehmen und versuchen würde, Neuigkeiten aus mir herauszubekommen—Neuigkeiten über Mulder und mich. Ich behielt recht. Sie tat es. Direkt nach dem Frühstück.

Ich sagte ihr so nett wie möglich, sich um ihre eigenen Angelegenheiten zu kümmern. Dann hellte sich ihr Gesicht auf und sie umarmte mich kurz. Ich denke, sie muss mir etwas an den Augen abgelesen haben.

Der heutige Tag begann als ein wundervoller Frühlingsmorgen, mit einem strahlend blauen Himmel und warmer Luft, die von dem besonderen Etwas durchflutet war, das von einem neuen Anfang kündete.

Mutter hatte sich entschieden, dieses Jahr ihren Garten zu vergrößern. Ich glaube, ich muss es Mulder gegenüber mal erwähnt haben, denn er bot sofort an, beim Umgraben und Pflanzen zu helfen.

Mom hatte bereits alles vorbereitet und wir konnten direkt anfangen. Nach dem Frühstück und einer zweiten Tasse Kaffee gingen wir also raus, und ich musste als erst einmal feststellen, dass Mulder den Handpflüger misstrauisch beäugte.

Er trat zu mir und flüsterte mir ins Ohr. "Sie will doch nicht etwa, dass ich das Ding da benutze, oder?"

"Mulder, es ist ein ziemlich großes Stück Garten. Du kannst das nicht alles mit dem Spaten umgraben."

"Scully, diese Dinger machen mich seekrank", gestand er. "Das letzte Mal, als ich so eins benutzt habe, war mir zwei Tage lang schlecht."

Ich sah zu ihm auf. Er sah ernsthaft bedrückt aus. "Mulder, wann hast du das letzte Mal so viel Erde umgegraben? Oder noch besser, wann war das letzte Mal, wo du irgendeine Art von Schwerstarbeit geleistet hast?"

Ich hätte lieber meinen Mund halten sollen, denn er fasste das als Herausforderung auf.

Er sichtete einen Spaten und machte sich entgegen Mutters Einwände an die Arbeit. Ich schüttelte nur meinen Kopf und fing an, ein paar Jährlinge in die älteren Beete zu pflanzen.

Nach etwa einer halben Stunde zog Mulder sich bis auf das T-Shirt aus und bat mich um ein Glas Eistee und einem Paar Handschuhe.

Nach einer weiteren Stunde fragte er nach einem Stirnband. Ich warf ihm die ganze Zeit Blicke zu, während er arbeitete, und freute mich im Stillen darüber, dem Spiel der Muskeln an seinen Armen zusehen zu können, und den Anblick zu genießen, wie der Schweiß sein T-Shirt an seine Brust und Rücken klebte und sich in der kleinen Kuhle an seinem Hals ansammelte. Ich wollte meine Zunge dort hinein tauchen und ihn schmecken.

Mom kam aus dem Haus und stülpte mir einen Strohhut über mit der Behauptung, dass meine Wangen von der Sonne ganz rot seinen. Wenn sie nur wüsste...

In zweieinhalb Stunden war das Beet umgegraben und fertig bepflanzt, und zufälligerweise ging Mulder erst dann die Puste aus. Er war ohne Umschweife an die Sache herangegangen, wie er an alles herangeht, was er anfasst. Ich sah zu, wie er den Spaten das letzte Mal in den frisch umgegrabenen Boden rammte und noch ein Glas Eistee leerte. Er zog das Stirnband aus, drehte den Wasserschlauch auf und steckte seinen Kopf unter den kalten Wasserstrahl. Dann schüttelte er sich und die Tropfen flogen ihm in hohem Bogen aus den Haaren. Mulder sieht sehr gut aus, wenn er nass ist.

Er schlenderte rüber zu der Stelle, wo ich saß und setzte sich neben mich ins Gras. Er sah hinauf zum Himmel, der sich inzwischen bewölkt hatte und eine kalte Brise wehte auch. "Sieht ganz nach Regen aus, Scully."

"Höchstwahrscheinlich."

Langsam senkte er sich mehr und mehr, bis er ganz auf dem Boden lag und ich das leise Stöhnen nicht überhören konnte, das ihm entwich. Ich musste innerlich lächeln. "Fix und fertig, Mulder?"

Er faltete seine Arme hinter seinem Kopf und sah zu mir auf. "Wer, ich? Quatsch. Kleinigkeit."

Er schloss die Augen und schlief prompt ein, während ich noch die letzten Petunien pflanzte. Als ich fertig war, huschten bereits schon grelle Blitze über den Himmel, also sammelte ich rasch die Gartengeräte ein. Ich konnte Mom im Küchenfenster uns hinein winken sehen und stupste Mulder leicht mit dem Fuß. Er murmelte etwas, doch alles, was ich verstand war "... noch fünf Minuten."

"Mulder, steh auf. Gleich kommt ein Sturm."

In dem Moment grollte auch schon ein gewaltiger Donner und der Himmel öffnete sich. Ich war im Handumdrehen klatschnass.

"Was habe ich dir gesagt", hörte ich Mulder sagen, als er endlich die Augen auf machte und versuchte sich aufzusetzen. Er lehnte sein Gewicht auf seinen linken Arm, doch der fiel unter ihm zusammen.

"Oh, Mann." Er raffte sich wieder auf, diesmal auf den rechten Arm und kam langsam und stöhnend auf die Füße. Ich musste lachen und er warf mir einen bösen Blick zu.

"Stimmt irgendetwas nicht, Mulder?"

"Sag nicht ein Wort, Scully. Nicht ein Wort."

"Dana, Fox, kommt sofort aus dem Regen raus!" rief Mom als sie ihren Kopf aus der Hintertüre steckte.

"Wir kommen schon", rief Mulder. "Auf geht's, Scully, wir wollen deine Mom doch nicht verärgern." Er warf einen Arm um meine Schulter und lehnte sich an mich—doch das diente eher dazu sich zu stützen, als das es eine Geste der Zuneigung war. Langsam gingen wir an dem frisch umgegrabenen Beet vorbei zurück zur Hintertür. Meine Hand lag bereits auf dem Türknauf, als Mulder herumwirbelte und mich zurück zu dem Beet zerrte.

"Was ist los?" fragte ich.

Er hatte diesen Ausdruck auf seinem Gesicht, als ob er sich an etwas Wunderbares erinnern würde.

"Mulder, was ist?" Ich wäre wahrscheinlich viel geduldiger gewesen, wenn wir nicht gerade in strömendem Regen gestanden hätten.

Er griff nach meiner Hand. "Deja vu."

Ich schüttelte den Kopf. "Keine Ahnung wovon du..."

Er grinste mich an wie ein kleiner Junge. "Der hübsche kleine Staat Oregon. Weißt du nicht mehr, Scully?"

Wie könnte ich das vergessen. Nur, damals haben wir im Regen auf einem Friedhof gestanden und in offene Gräber gestarrt. Mulder ist glatt zuzutrauen, dass er sich daran mit einer gewissen Begeisterung erinnert.

Er sah mir in die Augen, als ihm das Wasser nur so von Nase und Kinn rann.

"Das ist ein gutes Zeichen, meinst du nicht auch? Dass wir von Friedhöfen zu Gärten gekommen sind?"

Ich war ernsthaft in Versuchung, ihn auf der Stelle zu küssen, aber ich wusste, dass Mom in der Nähe war und bremste mich. Doch offensichtlich machte Mulder sich darüber überhaupt keine Sorgen: er beugte sich herunter und strich seine Lippen über meine.

Ich schreckte zurück. "Mulder! Mom kann uns sehen."

Er schnaubte. "Als ob sie es nicht wüsste. Deine Mutter ist nicht blind, Scully, oder blöd."

Er hatte natürlich recht. Meine natürliche Abwehr hatte sich nur wieder eingeschaltet. Ich habe mich sehr daran gewöhnt, meine Gefühle für Mulder zu verstecken, wenn andere in der Nähe waren. Ich möchte nur niemandem mehr die Munition liefern, die sie gegen uns verwenden könnten—davon haben sie bereits  genug.

Er grinst mir zu und wir gehen nach einem weiteren Kuss zurück ins Haus.

 

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Mulder hat sich einen Muskel in seiner Schulter oder im Rücken gezerrt; da bin ich mir fast sicher. Er hat zwar kein Wort gesagt, seitdem wir von Mutter zurück sind, aber ich kann es ihm an seiner Haltung ansehen und daran, wie er eine Schulter immer fallen lässt. Er hatte sich nach dem Essen auf die Couch gehauen, aber jetzt liegt er auf dem Bauch auf dem Boden mit einem Arm unter seinem Kinn gefaltet und dem anderen ausgestreckt mit der Fernbedienung in der Hand, während er durch die Kanäle zappt.

Ich sehe von meinem Buch in meinem Schoß auf und sehe ihn über den Rand meines Glases hinweg an. Gib Mulder die Kontrolle über die Fernbedienung und er ist im siebten Himmel. Was auf dem Bildschirm seine Aufmerksamkeit auf sich zieht, lässt darauf schließen, wie es in Mulders Kopf aussieht.

Ein altes Knicks Spiel bekommt ein paar Minuten, dann gehen wir weiter zum History Channel. Eine Dokumentation über den Holocaust, die schnell wieder von der Bildfläche verschwindet und durch eine Abfolge von Werbung, Wettervorhersagen, Sitcoms und Home Shopping abgelöst wird. Dann ein halbes Joan Osborne Video, bevor der Finger schon wieder auf dem Knopf landet.  Learning Channel. Irgendwas über die Paarungsgewohnheiten von großen Tieren, komplettiert mit Filmmaterial über besagte Tiere. Das veranlasst Mulder dazu, sich umzudrehen und verschmitzt in meine Richtung zu grinsen.

Als nächstes hätten wir 'Drei Engel für Charlie'. Gott sei Dank schafft das den Schnitt auch nicht, also: SciFi Channel. Ein kitschiger "Gefahren im All"-Film. Ich höre, wie Mulder angeekelt die Luft aus seinen gespitzten Lippen bläst und wir sind bei AMC. Ah, 'Mr. Blandings baut sein Traumhaus'.

Lass das laufen, Mulder. Er hört zu und die Fernbedienung landet endlich neben ihm auf dem Boden.

Für einige Minuten herrscht Stille, in der ich meine Aufmerksamkeit abwechselnd dem Film und meinem Buch zuwende.

"Hey, Scully?" fragt er, mit den Augen immer noch auf der Mattscheibe."

"Ja?"

"Hast du hier vielleicht irgendwo Voltaren im Haus?"

Ich lasse ein kleines Lächeln um meinen Mund spielen. "Schulter oder Rücken?"

"Ja." Er rückt ein wenig hin und her, um es sich bequemer zu machen.  "Irgendwie sitzen die nicht mehr an den Stellen, an denen sie sitzen sollten."

Ich nehme meine Brille ab und lege das Buch zur Seite, als ich aufstehe.

"Ich sehe mal nach."

Ich komme mit einer Tube Salbe zurück und setze mich neben ihn auf den Boden. "Zieh dein Hemd aus."

"Willst du mich etwa anmachen, Scully?"

"Zieh es einfach aus, Mulder."

Er lacht und versucht gerade das zu tun. Dann, mit meiner Hilfe und etlichem Ächzen und Stöhnen, ist das Hemd von ihm herunter und ich kann die Muskeln an seiner linken Schulter und an seinem Rücken sehen. Ich fange schon an, ihn zu tadeln, doch lasse es dann lieber. Er braucht jetzt Hilfe und keine Predigt.

Ich zögere nur für eine Sekunde, bevor ich mich auf ihn setze, mein Gewicht auf dem unteren Teil seines Rückens. Ich quetsche eine ordentliche Menge Gel aus der Tube und fange an. Er stöhnt sowohl vor Wohlbehagen als auch vor Schmerz, als meine Hände die Salbe in seine Muskeln reiben. Seine Haut ist glatt und warm und meine Hände kitzeln von den Berührungen.

Er hat sein Gesicht zur Seite gedreht und die Augen geschlossen. Ich betrachte sein Profil, während ich ihn massiere, und bewundere die Form seines Gesichtes. Die breite Stirn und seine markant Nase, seine vollen Schmolllippen, die feine Linien seines Kiefers, der jetzt dunkel von seinem Abendbart ist. Das Muttermal, das er als seine dunkle Stelle betrachtet.  Ich habe Mulders Gesicht schon unzählige Male gesehen, doch ich habe mich nie völlig daran gewöhnt. Jedes Mal, wenn ich ihn wieder ansehe, durchfährt mich eine Art leichter Schock, Aufregung.

Ich setze mich zurück auf seinen Hintern und drücke ihn fester auf den Boden, als ich seine Schulter bearbeite. Er macht ein leises Geräusch in seinem Hals, das überhaupt nichts mit Unbehagen zu tun hat. Seine Augenlider flattern auf und schließen sich wieder, und ich fühle die Wärme, die sich langsam aber stetig tief in meinem Bauch bildet und sich immer weiter nach außen und unten ausbreitet. Ich lehne mich vor und zurück, als ich seine Schulter massiere. Die Innenseiten meiner Schenkel streifen gegen seine Hüften, als ich mich bewege. Ich sehe, wie sich die Muskeln in seinen Armen verspannen und sich seine Hände zu Fäusten schließen und sich wieder lösen. Seine Haare sind dunkel und dicht auf seinen Unterarmen, und sie verteilen sich reichlich über die Venen auf seinen Händen. Ich beuge mich noch etwas weiter vor und lege meine Hände auf seine Arme, an seinen Schultern beginnend und immer weiter runter bis zu seinen Händen. Er öffnet seine Fäuste und ich verstricke meinen Finger mit seinen. Er hält sie für einen Moment fest, bevor ich sie wieder an seinen Armen hoch zu seinen Schultern bringe.

"Mulder?" flüstere ich.

Sein leises, heiseres Murmeln lässt eine Welle von Wohlbehagen meinen Körper durchfluten.

"Yeah, Baby. Was ist?"

Ich habe noch nie solche Art von Zärtlichkeiten gemocht. Ich habe mir auch nicht vorgestellt, dass ich mich von irgendjemand "Baby" nennen lassen würde. Aber Mulder sagt es auf eine Art, die einen offensichtlich Allerweltsbegriff zu etwas Besonderem macht. Es hört sich ungefähr so an wie "Scully" von seinen Lippen rollt—es hört sich sehr gut an, wie eine tatsächliche Berührung, die ich sehr schätze.

"Dreh dich um, damit ich dich vorne an der Schulter auch erreiche." Jetzt ist meine Stimme ein wenig fester—aber nicht sehr. Ich verlagere mein Gewicht auf meine Knie und Mulder dreht sich unter mir auf den Rücken. Ich bleibe wie ich bin und schmiere noch mehr von der Creme auf seine Haut, meine Finger sanft, als sie auf die etwas raue, runde Narbe auf seiner Schulter stoßen. Er hat seine Augen jetzt offen und ich merke, wie er mich beobachtet.

Ich knete mit der rechten Hand seine Muskeln, während meine andere auf seiner Brust liegen bleibt, wo die weichen, lockigen Haare zwischen meinen Fingern tanzen, als ich über sie streife. Mulder greift nach meiner Hand, bringt sie an seinen Mund und küsst meine Handfläche. Ich blicke in seine Augen und sehe dort denselben Ausdruck wie vor einiger Zeit in einem kleinen Motelzimmer irgendwo in Iowa—und diesmal kann ich nicht so schnell oder so amüsiert darüber hinweg sehen wie damals. Er sieht mich an, legt seine Hände an meine Hüften und drückt mich sanft zurück in seinen Schoß. Es besteht kein Zweifel daran, was hart und schwer unter mir liegt.

Seine Augen blitzen, und ich fühle, wie er langsam seine Hüften vom Boden hebt und sie gegen mich drückt. "Was haben wir denn hier?" fragt er.  "Siehst du, was du mir antust?"

Ich ärgere ihn mit gespielter Unschuld. "Das war ich?"

"Oh, ja." Wieder stößt er nach oben, dieses Mal etwas schneller. "Alles was du tun musst, ist mich berühren." Er leckt seine Unterlippe. "Berühre mich, Dana."

"Dana?" frage ich.

"Meine Dana. Mein Partner. Meine Scully. Meine Freundin. Meine Liebe. Such dir eins aus."

Ich senke meinen Oberkörper und bringe meinen Mund neben seinen. "Ich nehme alle."

Er hebt seinen Kopf und schnappt nach meinem Mund. Ich weiche aus. Er grinst und folgt mir. Ein paar Momente später brummt er frustriert und hält mein Genick fest, als er mein Gesicht herunterzieht und mein Mund auf seinem landet.

Mulders Kuss ist warm und weich und zärtlich in einer Sekunde, und in der nächsten hart und fordernd. Er streicht mit der Zunge über meine Lippen und saugt sie in seinen Mund. Er legt seine Arme um meinen Rücken und im nächsten Moment liege ich auf dem Rücken und er auf mir zwischen meinen Beinen. Er holt seine Hände unter mir hervor und umfasst meine Schultern. Er rückt ein wenig mit seinen Hüften und der Kontakt raubt mir den Atem. Er hebt eine Augenbraue. Wir grinsen uns an und fangen an zu lachen. Ich fühle mich als wäre ich high. Es sollte illegal sein, sich so gut zu fühlen.

"Passt ziemlich gut zusammen, was?" sagt er, als wir uns etwas beruhigt haben.

"Der männliche und weibliche Körper ist genau dafür ausgestattet, Mulder."

"Vielen Dank, Dr. Scully, für diese Aufklärung."

"Gern geschehen." Ich erhebe und drehe mich ein wenig. Er versteht und rollt auf die Seite, bis ich wieder auf ihm sitze. Seine Hände legen sich auf meine Oberschenkel. Er spreizt seine Finger und lässt sie meine Beine hoch und runter gleiten. Meine Jeans sind langsam entschieden zu unangebracht.

Langsam bewegen sich seine Hände zu meinen Hüften und stehlen sich unter meine locker sitzende Bluse. Er beobachtet mich, als seine Finger an meinen Rippen spielen. Ich beuge mich hinunter und küsse ihn, bevor ich mich wieder aufrichte.

"Und die Menge tobt", stimmt er an. "Mulder hat einen Hit gelandet und umrundet gerade die First Base. Wird er es noch ein weiters Mal schaffen?"

Ich antworte ihm, indem ich beginne, meine Bluse aufzuknöpfen.

Rasch holt er seine Hände aus meiner Bluse und schiebt meine beiseite.

"Nein. Ich möchte das machen."

Ich lasse meine Arme fallen und er löst langsam Knopf für Knopf, sein Blick abwechselnd zu meinem Gesicht und seinen Händen. Als er fertig ist, schiebt er das Kleidungsstück beiseite, so dass ich es abschütteln kann. Ich beobachte ihn, als seine Augen über meine nun unbedeckte Haut gleiten.  Seine Hände tanzen über meinen Rippen und umfassen dann meine Brüste— seine Berührung heiß, sogar durch den Stoff meines BHs.

"Oh, gut", sagt er. "Es ist einer von diesen Frontverschlüssen. Damit komme ich klar."

Ich kann nur grinsen und meinen Kopf schütteln. Wenn ich gewusst hätte, dass es mit Mulder solchen Spaß machen würde, hätte ich es schon vor einer ganzen Weile getan. Alle meine früheren Liebhaber haben Sex immer so ernst genommen. Und ich glaube, ich habe es auch. Mulder ist im Moment viel zu glücklich, um jetzt ernst zu sein. Genau wie ich.

Geschickt öffnet er den Haken meines BHs und ich entledige mich auch dessen. Der Kleiderberg wächst - genau wie etwas anderes, das ich unter mir gegen mich drücken fühle. Seine Hände ertasten meinen Körper und fühlen das Gewicht meiner Brüste, indem sie sie umfassen und heben. Seine Daumen streifen über meine erregten Brustwarzen und ein Stöhnen entkommt mir.

Seine Augen sind schwarze Tiefen des Verlangens und sein Mund kräuselt sich zu einem Lächeln, als er es hört. "Das gefällt dir wohl, Scully?"

Ich schließe die Augen. "Uh-huh."

"Du bist so schön."

Ich mache die Augen wieder auf und hebe in Erwartung eine Augenbraue. "Das ist alles, Mulder?"

"Was hast du erwartet?" fragt er mit einem leisen Lachen. "Etwas wie 'Du hast klasse Titten, Scully'?"

"Habe ich?"

Er lacht kurz und laut. "Ja, Scully, du hast klasse Titten."

"Danke sehr."

"Okay, da wir das jetzt geklärt haben, warum ziehen wir nicht an einen bequemeren Platz um. Zum Beispiel ins Bett?"

Ich habe total seine Verletzung vergessen. "Tut mir leid, Mulder. Tut es sehr weh?"

Er legt einen Finger über meinen Mund. "Pssst. Nicht so laut, sonst hört es dich und fängt wieder an."

"Okay. Wir gehen also ganz leise ins Bett."

"Okay", stimmt er zu. "Ähm, Scully? Du musst zuerst von mir aufstehen."

Ich verrücke meine Hüften und reibe gegen ihn, beuge meinen Oberkörper herunter und drücke meine Brüste gegen seine Brust. Der Kontakt unserer nackten Haut ist elektrisierend  und wir beide atmen schnappend die Luft ein. Ich bekomme einen weiteren Kuss, stehe auf und strecke ihm meine Hand hin. Er nimmt sie und zieht sich mit kaum schmerzverzerrtem Gesicht hoch.

Dann legt er seine Hand auf meine Wange und sieht mir in die Augen.

"Bist du glücklich, Scully?"

Ich brauche keine Worte. Ich sehe ihn an und sage ihm alles.

Er nickt langsam. "Ich liebe dich."

"Ich liebe dich mehr."

"Nein", sagt er und schüttelt den Kopf. "Das glaube ich nicht."

"Ich weiß es, Mulder."

"Beweise es."

"Gerne."

Wir enden eng umschlungen.

Und ich lebe.

Danke, Mulder. Danke, dass du mich liebst.

 

XOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOX

 

Bemerkung der Autorin: Meine Güte, eine ganze Menge von Euch da draußen geben sich nicht so leicht damit zufrieden, die Dinge der Vorstellung zu überlassen und sind fest entschlossen, mich dazu zu bringen, SMUT zu schreiben—diejenigen wissen, wer gemeint ist. ;) Okay, hier sind wir also wieder! Dieser Teil ist NC-17 und ganz bestimmt nichts für Kinder.  Diejenigen unter Euch, die sich das hier nicht gewünscht haben, können diesen Part getrost überspringen, ohne etwas Wichtiges zu verpassen— versprochen. Für diejenigen, die das hier lesen, es geht genau da weiter, wo der letzte Teil aufgehört hat. (...)

Bitte behaltet auch im Hinterkopf, dass das hier Fan Fiction ist. In "Wirklichkeit" wären Mulder und Scully klug genug, Safe Sex zu praktizieren. Allerdings, da das hier *meine* kleine Welt ist, überschlagen wir dieses Thema einfach mal. Bitte tut es aber nicht in Wirklichkeit! Ich habe schon viel zu viele Freunde wegen AIDS verloren, und ich möchte keineswegs noch mehr verlieren. Okay, Ende der Predigt. Noch einmal, es sind die kleinen wertvollen Zeilen Feedback, die die Muse fördern. Meldet Euch! Viel Spaß!

Bemerkung von dana d.: Mann, Mann, Mann, tue ich mich jedes Mal schwer, solche Szenen zu übersetzen. Ich habe ja absolut nichts gegen sie, das gebe ich offen zu, aber sie zu übersetzen bereitet mir regelmäßig Alpträume ;) Nicht zuletzt deswegen, weil man sie gut und gerne als "out of character" bezeichnen könnte, wenn man denn so drauf ist. Ich persönlich tendiere zwar dazu, dass so eine Situation *unter Umständen, vielleicht, eventuell* mal passieren könnte, aber dann nicht so super-datailliert ... hmmm.... Und dieses Baby hier verdient sein NC-17 Etikett zu Recht. Also, wenn Ihr es lesen wollt, macht Euch auf etwas gefasst. Kommentare, gut oder schlecht, gerne auch an mich, unter hadyoubigtime@netcologne.de , doch Beschwerden werden geflissentlich ignoriert...

Jedenfalls möchte ich mich Lydia hier voll und ganz anschließen und davor warnen, Safe Sex außer acht zu lassen. Heutzutage ist es wichtiger denn je.

 

 

 

Dance Without Sleeping VIII

Interludium

von Lydia Bower

(bower@cu-online.com)

 

Wertung: NC-17

 

 

Ich stehe im Türrahmen des Schlafzimmers und sehe zu wie Mulder anfängt, die Kerzen auf dem Nachtisch anzuzünden. Sie stehen schon Jahre da als unverbrauchte Staubfänger, seit ich sie gekauft habe. Ich habe ihr sanftes Licht noch nie gebraucht, das sie jetzt auf mein Bett werfen, und ich frage mich insgeheim, ob ich sie nicht von vornherein extra für diese Gelegenheit gekauft hatte. Ich glaube, ich habe immer gewusst, dass diese Nacht mal kommen würde, ich habe nur nicht erwartet, dass sie gerade auf diese Art und Weise kommen würde.

Ich kenne einige Verführungskünste, aber ich fühle mich auch etwas unbehaglich dabei; die verdeckten und nicht so verdeckten Andeutungen, die damit zusammenhängen. Der kleine Wettkampf, der entscheidet, welcher der Spieler am Ende die Oberhand erhält und die Kontrolle über alles bekommt.  Doch nichts davon ist hier von Bedeutung. Nicht zwischen Mulder und mir.  Wir akzeptieren und lieben die Gleichheit, die wir schon lange teilen. Wir brauchen keine Spielchen.

Er legt die Streichhölzer beiseite und wendet sich mir zu, streckt mir seine Hand hin. "Komm her." Ich bewege mich auf ihn zu, wobei mir bei jedem Schritt das sanfte Wiegen meiner Brüste bewusst ist. Meine Haut kitzelt, und als Mulders Augen mich dort berühren, packt mich die Hitze in ihm fast wie ein wirkliches Streicheln. Meine Finger verschränken sich mit seinen und er zieht mich nahe an sich heran in den sicheren Ort seiner Umarmung.

Seine Hand streichelt meinen Rücken, auf und ab, und seine Finger spielen an meiner Wirbelsäule. Ich fühle, wie ich eine Gänsehaut bekomme, als ich die Arme um seine Hüften lege und meinen Kopf an seine Brust schmiege. Sein Herz schlägt rhythmisch und stark. "Ist dir kalt?" fragt er und reibt meinen Rücken.

"Mmm. Überhaupt nicht."

Ein leises Lachen begleitet ihn, als er sich zurück lehnt und sich an den Bund meiner Hose macht. "Dann brauchst du diese bestimmt nicht, oder?"

Ich spüre, wie die Muskeln in meinem Bauch zucken, als seine Finger unter den Bund rutschen, um den Knopf und den Reißverschluss zu öffnen. Ich ziehe sie rasch über meine Hüften und Beine und nehme mein Höschen gleich mit.

Ich bin fast geschockt, weil ich mich so kühn vorwärts bewege, aber er besteht kein Zweifel daran, dass Mulder gefällt, was ich seinem Blick offenbart habe—kein Zweifel, dass er genauso viel Freude daran hat, es zu sehen wie ich, es ihn sehen zu lassen.

Nackt stehe ich vor ihm und studiere sein Gesicht, als er sich Zeit nimmt, um den Anblick in sich aufzunehmen. Seine Augen flackern über mich, blicken auf meine Brüste, meine Beine, auf die lockigen Haare zwischen ihnen. Dann sieht er mir wieder in die Augen und lächelt anerkennend.

Ohne weiter nachzudenken bringe ich meine Hände voller Sehnsucht nach seiner  Berührung an meine Brüste, viel zu ungeduldig, um auf ihn zu warten.

Ich streife mit meinen Handflächen über meine Brustwarzen und muss, wie er auch, nach Luft schnappen. Meine Hände streichen über meinen Bauch und ruhen jetzt neben meiner empfindlichsten Stelle, meine Finger graben sich in das Fleisch meiner Schenkel. Mulder leckt sich die Lippen und seine Augen treffen kurz auf meine, bevor sie sich wieder nach unten richten. Ich stecke zwei Finger zwischen meine Beine und drücke gegen das geschwollene Bündel Nerven, das sich dort befindet. Ich lasse meinen Kopf zurück fallen und schließe die Augen.

Ich höre Mulders zitterndes Seufzen. "Oh, Scully, du bist ein böses, böses Mädchen."

Ich öffne die Augen und sehe zu, wie er sich rasch seiner Jeans entledigt, während meine Finger ihre süße Tortur fortführen. Ich habe Mulder schon mehr als einmal nackt gesehen, aber es ist etwas anderes, ihn aufrecht und äußerst erregt zu sehen als flach auf dem Rücken und um sein Leben kämpfend.

Er ist schlank und vital und kräftig gebaut. Ich kann mich kaum satt sehen an seinen breiten Schultern, seiner Brust und den Haaren dort, die in eine schmale Spur verwachsen, um dann in den dichten, dunklen Haaren über seinem Geschlecht zu münden. Seine Erektion steht stolz und gerade, umrahmt von schlanken Hüften und den Beinen eines Läufers. Seine Arme hängen an seiner Seite und seine Fäuste öffnen und schließen sich in rhythmischer Spannung.

Er verschränkt seinen Blick mit meinem, bevor er wieder auf meine reibende Hand fällt. Ich bin nass und heiß und hungrig auf seine Berührung. "Ist es das, was du immer machst", fragt er mich, "wenn du alleine bist, Scully?  Denkst du an mich und berührst dich so wie jetzt? Stellst du dir vor, dass ich es bin, der dich so anfasst?"

Das Wort verlässt meine Lippen in einem Seufzen. "Ja."

"Dann lass es mich sein." Seine Hand schließt sich über meiner Brust und sein Mund bedeckt meinen. Und dann sind seine Hände überall, sein Mund ist überall. Ich habe den Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt.  Meine Hände streichen über ihn, gierig und greifend, sie prägen sich die Hitze seiner Haut ein, die Rundung seines Pos, das weiche Haar auf seinen Schenkeln, die Stärke seiner Arme, seinen glatten Rücken.

Er beugt sich tiefer und nimmt eine Brustwarze in den Mund, seine Zunge nass und weich auf meiner Haut. Er öffnet den Mund, um mein Fleisch weiter in sich hineinzuziehen, gierig saugend, und ich sehe wie seine Wangen sich höhlen. Ich fühle, wie etwas in mir freigesetzt wird. Ich greife nach ihm und wickele meine Finger um seine Länge, während meine andere Hand sich in seinen Haaren vergräbt und seinen Mund an meiner Brust festhält.

Mit einer geschmeidigen Bewegung hebt er mich hoch und trägt mich zum Bett, auf das er mich sanft niederlegt und sich dann neben mich legt. Er streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und lässt zärtliche Küsse auf mein Gesicht, meinen Hals, meine Schulter und wieder auf meinen Mund regnen. Ich knabbere an seiner vollen Unterlippe und ziehe sie in meinen Mund, als ich meine Zunge über ihre samtweiche Oberfläche spielen lasse. Wir sind völlig still, die einzigen Geräusche sind sanftes Murmeln und sehnsüchtiges Stöhnen.

Er nimmt seine Lippen von mir und lässt seine Hand über meinen Körper gleiten. Er richtet sich dabei auf seinen Ellbogen und beobachtet, was er tut—sein Blick abwechselnd auf meinem Gesicht und der Haut, die er berührt. Langsame, ruhige Bewegungen. Wir haben überhaupt keinen Grund zur Eile oder müssen uns in irgendeiner neu entdeckten Lust bedrängen. Wir haben alle Zeit der Welt.

Ich streiche mit meinem Finger an der Form seines Gesichtes entlang und hebe mich ihm entgegen, als er über meinen Bauch und dann meinen Schenkel streichelt. Er wiederholt es, diesmal auf der anderen Seite. Er streichelt über meine Rippen, an meinen Brüsten vorbei und umfasst meinen Arm, der über meinem Kopf liegt, streift über seine Länge, bis unsere Finger miteinander verhakt sind, Handfläche an Handfläche.

Er blinzelt, seine Lider schließen sich langsam über seine dunklen, weichen Augen. Er lässt seine Hand wieder auf meine Schulter fallen. "Dreh dich um, Scully." Ich sehe ihn fragend an. "Ich möchte deinen ganzen Körper berühren, alles von deiner Haut fühlen", erklärt er.

Ich drehe mich auf meinen Bauch, lege meinen Kopf auf meine gefalteten Arme und schließe die Augen, als er meine Haare von meinem Genick streicht und seine Hand an meiner Wirbelsäule hinunter gleitet. Dann hört er plötzlich auf und verhält sich völlig still. Ich fühle, wie sich das Bett unter uns bewegt, als er seine Position verändert und will mich schon erheben, als ich seine Lippen weiter unten an meinem Rücken spüre. Das Tattoo. Er hat es gefunden.

Sein Mund verlässt mich wieder und jetzt fühle ich seine Zungenspitze an der Stelle, die er zuvor mit seinen Lippen berührt hat. Er zeichnet die Form des Tattoos mit seiner Zunge nach. Ein heftiges Schütteln ergreift mich.

"Es ist wunderschön, Scully", flüstert er auf meine Haut. Ich kann die unausgesprochene Frage in seiner Stimme ausmachen. Er möchte es wissen, aber er würde mich nie danach fragen. Ich gebe ihm die Antwort.

"Es ist nichts passiert, Mulder. Ich habe nicht mit ihm geschlafen."

Ich höre sein gedämpftes Seufzen der Erleichterung und füge mein eigenes hinzu, als er seine Hand wieder auf meine Haut legt. Ich habe ihm die Wahrheit gesagt, und er glaubt mir. Es gibt nichts weiter zu sagen. Es ist vergessen, als er eine meiner Gesäßhälften in die Hand nimmt und sanft drückt, bevor er wieder an meinem Bein auf und ab streicht. Ich spreize meine Beine ein wenig mehr, als sich seine Finger um die Innenseite meines Schenkels wickeln. Sie wandern höher und streifen mich kurz, bevor er die Kuhle unter meinem Po streichelt. Ich hebe meine Hüften, als seine Hand wieder herunter tastet und seine Finger gegen meinen Eingang flattern, ihn öffnen und kurz in mich eintauchen, bevor sie noch tiefer kommen und auf meiner Klitoris landen.

Ich stoße hart gegen seine Hand und drehe mich um. Ich will sein Gesicht sehen, wenn er mich berührt. Ich will, dass er mein Gesicht sieht. Ich öffne meine Beine weit und gebe mich seinen Blicken, seinen Händen hin. Seine Finger verweilen da, wo sie sind, und prüfen meine Reaktion. Er sieht mich an, als er mich streichelt und reibt und an mir zieht in verschiedensten Rhythmen und mit unterschiedlichem Druck. Er findet einen Rhythmus und krallt seinen Blick an meinem fest, als ich mich versteife und seinen Arm mit aller Kraft festhalte.

"So?" murmelt er. "Möchtest du so angefasst werden?" Ich kann lediglich nicken.

"Gut." Sein Wort ist ein einziges Streicheln. Er bringt seinen Mund wieder zu meiner Brust und steckt zwei Finger in mich hinein. Behutsam bewegt er sie hinein und hinaus, zuerst langsam, dann etwas schneller. Ich taste nach ihm, doch er rollt seine Hüften fort. "Nein. Lass mich das für dich tun. Ich bin nicht in Eile, Scully."

Er wendet sich meiner anderen Brust zu, als ich mich zurück lege und mich völlig der Magie seiner Berührung hingebe. Seine Finger sind wieder an meiner Klitoris und ziehen mich tiefer und tiefer in eine Welt, in der nichts existiert außer pure Empfindung. Dort gibt es nichts weiter als seinen Mund auf meiner Brust und seiner Hand zwischen meinen Beinen. Ich kralle mich an seinem Rücken und seinem Arm fest und stöhne und rufe seinen Namen. Meine Augen fallen zu, als mich die ersten Wellen meines Höhepunktes erreichen und mich erzittern lassen. Meine Brustwarze ist vergessen, als Mulder mich kurz und heftig auf den Mund küsst. Mit heißem Atem auf meinem Gesicht an treibt er mich an.

"Ja, komm, Scully, komm für mich. Ja, so ist es richtig."

Mein Mund öffnet sich in einem langen, tiefen Seufzen, und ich presse meine Schenkel um seine Hand und reite auf den Wellen, die mich höher und höher und höher tragen. "Mulder", höre ich mich stöhnen. "Oh, Gott."

"Ich liebe dich", sagt er mir atemlos mit rauer Stimme. "Scully, ich liebe dich."

Wieder küsst er mich und ich falle zurück in die Laken und lockere den Griff meiner Beine. Er holt seine Hand hervor, legt sie auf meinen Bauch und malt mit seinen Fingern kleine Kreise auf mir. Ich zwinge meine Augen auf und sehe, wie er auf mich herunter sieht. Seine Pupillen sind weit hinter schweren Lidern. "Mein Gott, du bist so schön. Wir müssen das unbedingt noch einmal machen, damit ich wieder dein Gesicht sehen kann."

Ich hebe eine Augenbraue und greife zwischen uns. Ich nehme ihn in die Hand und kann das Blut pulsieren fühlen, das sein Geschlecht zu einem Schaft aus seidigem Stahl gemacht hat. "Vergisst du hier nicht etwas, Mulder?"

Er sieht an sich herunter und dann wieder hoch zu mir. "Ich habe gelernt geduldig zu sein, Scully. Er läuft uns schon nicht weg."

"Er?"

Mulder runzelt verlegen die Stirn.

"Es?" fragt er.

Ich grinse ihn an. "Hat 'er' einen Namen?"

Mulder scheint keine Antwort darauf zu haben. Er sieht mich nur fragend an.

"Und?"

Ich hätte es nicht für möglich gehalten: Mulder wird rot.

"Vergiss es", sagt er und rutscht zwischen meine Beine.

Ich hebe sie vom Bett und werfe sie über seine Schenkel, als er sich zwischen ihnen hinkniet und sich mit gespreizten Knien auf seine Fersen zurück setzt. Er zieht mich zu sich, taucht seine Finger wieder zwischen meine Beine und verteilt die Feuchtigkeit über mich, die aus mir heraus fließt. Sein Daumen landet auf meine Klitoris und die Erregung beginnt abermals. Doch mein Körper hatte noch nicht genug Zeit, sich von meinem Orgasmus zu erholen, und meine Nerven sind hyper-sensibel. Ich schnappe nach Luft.

Mulder hört augenblicklich auf. "Zu viel?"

Ich sehe ihn an und nicke. "Keine Hände, Mulder."

Das verursacht ein hämisches Glitzern in seine Augen und er rutscht auf dem Bett weiter herunter.

"Dann lass Lippen tun, was Hände tun."

Nur Mulder bringt es fertig, Shakespeare zu zitieren, wenn wir uns lieben.

Mein Lachen erstickt in meinem Hals, als er seinen Mund auf mich senkt.  Weich, warm, sanft erkundend. Lass Lippen tun was Hände tun gefällt mir wirklich gut, recht herzlichen Dank. Er lernt schnell, was ich mag, denn sein Mund und seine Zunge ahmen die Bewegungen seiner Finger zuvor nach.  Mulder bringt mich im Handumdrehen zum nächsten Orgasmus.

Er richtet sich wieder auf und ich schlinge meine Beine um ihn, treibe ihn an, endlich zur Sache zu kommen. Ich spüre eine Leere in mir, die nur er füllen kann. "Uuuhh, Scully, langsam, langsam. Ich möchte mir Zeit lassen."

Ich streiche ihm eine Strähne aus dem Gesicht. "Ich will dich in mir, Mulder. Jetzt. Bitte lass mich nicht warten."

Er kann mir nichts abschlagen. Er greift zwischen uns und führt sich heran. Mit einem schnellen Stoß ist er in mir. Meine Hüften heben sich, um ihn zu empfangen und seine Arme drücken mich fest; einer oben an meinem Rücken, der andere an meine Hüften. Er hält inne und lässt seine Augen zufallen, als ein tiefes Stöhnen ihm entkommt.

Ich hebe meinen Kopf und küsse ihn. Er schlägt die Augen auf und sieht mich mit glasigen Augen an. Sein einziger Kommentar ist ein gehauchtes, "Ooohh."

Ich ziehe sein Gesicht zu mir herunter und küsse seine Wangen, seine Augenbrauen, sein Kinn. "Schön?" frage ich.

"Mmmm. Das Beste. Ich will überhaupt nicht wieder weg. Können wir nicht einfach so bleiben?"

Ich muss kichern. "Keine Chance. Bewegen Sie Ihren Hintern, Agent Mulder."

"Ooohh, ich mag Frauen, die wissen, was sie wollen." Er fängt an sich zu bewegen. Zuerst langsam, wobei er mich ärgert, indem er sich fast völlig aus mir heraus zieht, bevor er wieder zurück stößt. Er fühlt sich so gut an. Wir passen so gut zusammen. Mulder füllt mich bis zum Rande des Unbehagens, aber kein Stück weiter. Ich schließe meine inneren Muskeln um ihn und sein Gesicht erhellt sich mit einem Grinsen. Er bringt seinen Mund an meine Schulter und knabbert an meiner Haut.

Ich will mehr. Ich will, dass er schneller wird, dass er alles gibt, was in ihm ist. Ich umfasse seinen Hintern und treibe ihn an, fester und stärker zu werden. Es wird nie genug sein. Niemals.

Er fasst mich enger und murmelt, "Eine Sekunde", bevor er uns geschickt umdreht, und ich jetzt über ihm bin. Ich setze mich auf und presse meine Hüften gegen ihn, als ich mich zurück lehne und seine Oberschenkel hinter mir umfasse. Er umschließt meine Brüste und kneift sanft meine Brustwarzen.

Der Reiz durchfährt mich wie ein elektrischer Schlag. Seine Hände fallen zu meinen Hüften, als ich mich wieder nach vorn beuge und den perfekten Druck finde. Er hebt mich hoch und knallt mich zurück auf sich, immer und immer wieder. Ich lehne mich hinunter und finde seinen Mund mit meinem. Ich stoße meine Zunge zwischen seine Zähne und duelliere mich mit seiner. Dann kann ich kaum mehr atmen und muss den Kuss unterbrechen. Ich lege meine Stirn an seine Schulter und reite ihn mit fliegenden Hüften, als die Spannungsladung sich abermals in mir sammelt. Mein Gott, werde ich je genug von ihm haben?

Seine Hüften heben und senken sich in hektischer Verzweiflung. Ich sehe auf in seine Augen. Sie sind weich und blicken ins Leere, und ich kann ihm ansehen, dass er sich in der Wucht seines bevorstehenden Höhepunktes verliert.

"Gib es mir, Mulder", verlange ich und umschließe ihn enger mit meinen inneren Muskeln. Sein Gesicht ist gerötet und feucht von seinem Schweiß.

Seine Augen weiten sich eine Sekunde bevor er sie zukneift und seinen Kopf mit einem langen, erlösenden Stöhnen zurück wirft. Noch ein, zwei, drei weitere Stöße und es packt auch mich. Wieder reite ich die Wellen der Ekstase, dieses Mal zusammen mit dem Gefühl seines Samens, der in mich hinein schießt. Ich lasse mich nach vorne auf seine Brust fallen und drücke meine Lippen gegen die weichen Haare dort. Er lockert seinen Griff um meine Hüften und streichelt meinen Rücken.

Ich schließe meine Augen und lasse die Zeit davon rinnen.

Irgendwann später fühle ich, wie seine Hand meine Haare durchkämmt. "Scully? Bist du noch da?"

Ich hebe den Kopf und beginne, von ihm herunter zu rollen, doch er zieht mich wieder hoch und dreht uns beide, bis wir auf der Seite liegen und uns ansehen. Er zieht meine Hüften zu sich, denn er will meinen Körper noch nicht verlassen. Ich schließe die Augen, und er legt zarte Küsse auf meine Lider und auf meine Nasenspitze.

"Wir sind ziemlich gut darin, was?"

Ich sehe ihn an und verliere mich in seinen atemberaubend schönen braunen Augen. "Besser als du erwartet oder besser als du gehofft hast?" frage ich ihn.

Er braucht einige Sekunden, bis es ihm wieder einfällt, aber dann grinst er mich mit einem strahlenden Lächeln an und ich weiß, dass er sich an diese Unterhaltung erinnert. "Sag du es mir."

"Auf jeden Fall atemberaubend."

"Ja?"

"Ja. Du kannst diesen Punkt jetzt auch von deiner Liste streichen, Mulder."

Er weicht mit einem Stirnrunzeln zurück. "Meine Liste?"

"Ja. Du weißt schon, die 'Was macht Scully glücklich'-Liste."

"Bin ich etwa so durchschaubar?"

"Ich fürchte ja. Und ich möchte, dass du weißt, dass ich dich um so mehr dafür liebe, dass du mir all diese Dinge geben möchtest."

Sein Gesicht verliert seinen amüsierten Ausdruck und er wird wieder ernst.

"Ich würde alles für dich tun, Scully. Alles. Du brauchst es nur zu sagen."

"Liebe mich einfach, Mulder. Das ist alles, was ich brauche."

Er drückt mich an sich und hält mich fest. "Immer, Dana. Immer und ewig."

Wir entwirren Arme und Beine und finden bequemere Positionen. Mulder greift nach unten und rettet die Decke, die droht vom Bett zu rutschen. Er deckt uns zu und rutscht herunter, bis sein Gesicht in meinem Bauch vergraben und ein Arm um mich geschlungen ist. Ich lege meine Finger in seine Haare und streichle ihn wie ein kleines Kind.

Dann muss ich kichern, als er ein paar Minuten später einen langen Seufzer los lässt und anfängt, leise zu schnarchen.

Ich weiß nicht, was morgen passieren wird oder nächste Woche oder nächsten Monat. Aber was heute Nacht zwischen uns passiert ist, stärkt meinen Glauben daran, dass solange wir zusammen sind, solange wir ein Team sind, uns nichts etwas anhaben kann. Zusammen sind wir stärker als jeder einzelne von uns je sein könnte. Wir werden alles ertragen. Wir werden die Antworten finden, die wir suchen. Und wir werden uns gegenseitig beschützen.

Die Wahrheit ist da draußen.

Zusammen werden wir sie finden. Und sie wird uns retten.

 

XOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOX

 

Bemerkung der Autorin: Vielen vielen Dank an alle meine Leser. Eure intelligenten und durchdachten Kommentare haben die ganze Schreiberei zu einer einzige Fun-Tour gemacht. Ich erwarte, wieder von Euch zu hören, und danke, dass Ihr bis jetzt mitgefahren seid. <g> Ich habe den Text des Songs unten mit angefügt, für diejenigen, die ihn nicht kennen.

Okay, Leute, schnallt Euch an und haltet Euch fest. Jetzt ist Mulder an der Reihe. :)

Der Teil hier ist für Chris Carter und David Duchovny. Chris, dafür, dass er sich Mulder so vorstellt, wie er es tut; und David, dafür, dass er uns Mulders Menschlichkeit zeigt.

 

 

Dance Without Sleeping IX

Kreise

von Lydia Bower

(bower@cu-online.com)

 

Wertung: R

 

Sie wird nie wissen wie erschrocken ich bin.

Ich hatte schon oft Angst gehabt—eiskalte, richtig böse, ich-pisse-mir-in-die-Hosen-Angst. Nachdem Samantha entführt worden war. Als Scully verschwunden war und wieder aufgetaucht ist. Gott, ich weiß noch, wie ich durch die Gänge der Intensivstation gerannt bin und mich dann über ihr Bett gebeugt habe, um sie zu sehen. Ich konnte ihre Augen nicht sehen -- sie haben verdammt noch mal ihre Augen zugeklebt. In dem Moment habe ich gedacht, dass ich in tausend Stücke zerspringen würde.

Dann bin ich dem Bounty Hunter in der klirrenden, erbarmungslosen Kälte von Alaska begegnet. Das ist noch etwas, das ich mir rot im Kalender markieren kann. Und der brennende Güterwagon in New Mexiko. Das russische Roulette mit Modell, die höllischen Experimente im Gulag, der Horror, der mich überfallen hatte, als ich irgendwo die Überreste eines kleinen Mädchens ausgrub mit dem Gedanken, dass es vielleicht meine Schwester sein könnte.

Ich würde mit Freuden wieder all diese Momente durchleben, um nicht das fühlen zu müssen, was mir in den letzen Monaten zugesetzt hat. Ich glaube nicht, dass ich mehr als nur ein paar Momente Seelenfrieden hatte, seit ich zu Scully in die Onkologie gekommen bin und sie habe sagen hören, "Ich bin an Krebs erkrankt."

Man nehme diese Angst noch mit Schuldgefühlen zusammen und es knallt einem in den Magen. Ich weiß noch, wie ich Scully einmal gesagt habe, dass mir nichts wichtiger ist, als die Wahrheit über die Entführung meiner Schwester zu finden. Doch jetzt gibt es etwas Wichtigeres.

Ich darf sie nicht verlieren. Wenn das passiert, verliere ich mich selbst.

Hört sich an wie eine Ladung melodramatischer Scheißdreck, oder? Aber es ist die reine Wahrheit.

Ich denke oft darüber nach, was in den letzten Monaten zwischen uns passiert ist, und ich verfluche mich für all die verlorene Zeit davor. Es ist beschämend, dass sie mir erst sagen musste, dass sie vielleicht sterben wird, um mich aus meiner Lethargie und Willenlosigkeit herauszutreten. Ich habe mich an den Status Quo gehalten—das hatten wir beide. Es war einfacher, nicht zu tiefen Einblick in das bekommen zu wollen, was wir geworden waren oder was wir füreinander fühlten, als möglicherweise alles zunichte zu machen. Wir hatten angefangen, uns gegenseitig als selbstverständlich zu betrachten. Wir haben aufgehört zu bewundern, wie gut wir miteinander arbeiten, wie Aktion und Reaktion zu einem Instinkt geworden ist. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes Partner geworden. Bei unserem Job kann man von Glück reden, wenn das passiert, was ja auch öfters vorkommt. Aber der große Unterschied zwischen Scully und mir zu allen anderen ist, dass ich sie mit ganzem Herzen liebe—und sie mich.

Ich frage mich, warum wir uns das nicht schon vor Jahren eingestanden haben. Ich bereue die Zeit, die man uns genommen und somit die gemeinsame Freude an der Wahrheit verweigert hat. Aber ich denke, dass alles, was passiert ist, aus einem bestimmten Grund geschehen ist. Ich denke, dass es Schicksal ist. Und dass die Dinge einfach Zeit brauchen.

Ich habe mir an dem Morgen etwas geschworen, an dem ich Scully in dem Flur neben Penny Northern's Todeszimmer in die Arme genommen habe. Es war nichts weiter, als die fest entschlossene Einhaltung des Versprechens, das in meinen hoffnungsvollen Worten lag: ich schwor, dass ich, egal was passieren würde, immer für Scully da sein würde. Ich schwor, ihr Kraft zu geben und Mut und die Gabe, ihre Rage an den richtigen auszulassen. Ich hätte ihr glatt eine Peitsche gereicht und mich von ihr wundprügeln lassen, wenn es ihr geholfen hätte. Das würde ich heute auch noch tun.

Wenn ich nicht gewesen wäre, wäre all das nicht passiert. Ich habe ihr ohne an die Folgen zu denken einen Beweis geliefert, der für alles der Grund war, was seither passiert ist.

Sie wollten Scully aus dem Weg und völlig aus meiner Reichweite haben. Und ich habe ihnen damit geholfen.

Ich freue mich auf den Tag, an dem ich dem zigarettenrauchenden Arschloch eine Kugel in den Kopf jagen kann—mit dem Wissen, dass es gerechtfertigt ist, und dass wir gewonnen haben. Ich kann schon die bittere Zufriedenheit wie Schießpulver auf meiner Zunge schmecken.

Die letzten paar Monate waren voller wunderbarer und voller schrecklicher Momente gewesen. Ich bewundere den Mut, den Scully am Anfang gezeigt hat.  Sie war fest entschlossen gewesen, Haltung zu bewahren, ein Profi zu sein, der mit all dem Leid zurechtkommt, um den verhängnisvollen Schleier ihrer Krankheit beiseite zu schieben wie jemand, der eben mal eben ein Ärgernis abschüttelt. Sie hat getan, als ob überhaupt nichts passiert wäre.

Sie war so stark, und ich hatte solche Angst. Alles, was ich wollte war, mich um sie zu kümmern. Und bei ihr zu sein. Die ganze Zeit. Ich habe mir irgendeine armselige Ausrede einfallen lassen, um nach der Arbeit mit zu uns zu kommen, um bei ihr zu sein.

Ups, ich habe eben "zu uns" geschrieben. Ja, ich glaube, dass ich langsam anfange, ihre Wohnung als unsere zu betrachten. Zur Hölle, ich bin vielleicht mal eine oder zwei Stunden bei mir, weil ich es muss. Oder wenn Scully mich rausschmeißt.

Sie hat mir letzte Nacht ein Geschenk gemacht. Eigentlich mehr als nur eines. Sie hat endlich die Mauern um sich herum fallen lassen und mich in ihr Herz gelassen. Und das hat zu dem zweiten Geschenk geführt. Eine Wunschliste. Unter Tränen, die still und schmerzvoll gefallen waren, hatte sie ihre Bedürfnisse vor mir ausgelegt. Sie hat sich Dinge gewünscht, die ich nie von ihr erwartet hätte. Sie hat mich noch nie so an sich heran gelassen.

Ich kann manchmal richtig begriffsstutzig sein, wenn es um grundlegende Dinge in der Beziehung zwischen Mann und Frau geht. Aber an diesem Abend erkannte ich die Bedeutung ihrer Worte und ich brannte sie in mein Gedächtnis.

Meine Suche ist jetzt eine Suche nach drei Wahrheiten geworden.

Wahrheit für Samantha.

Wahrheit für Scully.

Meine eigene Erlösung.

Das dritte werde ich erreichen, wenn ich die ersten beiden erreicht habe.

Ich muss daran glauben.

Wenn man Scully ansieht, will man gar nicht glauben, dass sie so krank ist.  Sie ist genauso schön wie sie es immer gewesen ist. Vielleicht ein wenig blasser und sicherlich dünner, aber immer noch exquisit. Zuerst habe ich versucht, mir etwas vorzumachen, indem ich mir eingeredet habe, dass es ihr in Wirklichkeit gut geht. Wie kann jemand so gesund aussehen und den Tod vor den Augen haben? Das gelegentliche Nasenbluten am Anfang war ein Schock, aber schon bald habe ich nicht mehr sonderlich viel darüber nachgedacht. Ich habe mir gedacht, wenn sie das kann, schaffe ich es auch. Bis Iowa.

Ich habe noch nie so viel Blut so schnell aus jemandem fließen sehen. Ich habe allen Ernstes gedacht, dass ich sie auf der Stelle in diesem schmierigen Befragungsraum irgendwo in Leckmich, Iowa verlieren würde. Aber dann hat es aufgehört. Einfach so. Als ob jemand auf einen Knopf gedrückt hätte. Ich war noch nie so drauf und dran gewesen, sie da raus zu schaffen und ihren Hintern in ein Krankenhaus zu befördern—mit ihr schreiend und tretend über meiner Schulter. Aber Scully wollte überhaupt nichts davon wissen. Sie saß an dem Tisch, mit einem blutgetränkten Taschentuch an ihr Gesicht gedrückt und gab mir deutlich zu verstehen, dass sie nirgendwo hin gehen würde. Ich war so sauer, ich hätte meine Knarre ziehen können und das ganze Magazin in die Zimmerdecke feuern können. Sah sie denn nicht, was vor sich ging? Hatte sie nicht schon genug Beweise direkt vor sich? Wie oft hatte sie sich schon geweigert zu glauben, und wie oft wird sie es noch tun?

Ich habe sie mit zurück ins Hotel genommen und sie ins Bett gelegt, dann habe ich am Tisch gesessen und sie angesehen, während mir heiße Tränen über mein Gesicht liefen. Und da hat es endlich Klick gemacht: der schreckliche Gedanke, dass unsere Zeit zusammen begrenzt war. Das war sie immer gewesen.  Man weiß nie, wie viel Zeit man mit dem Menschen hat, den man liebt. Aber ich habe erkannt und weiß genau, dass die Augenblicke, die wir zusammen sind, kostbarer und seltener sind, als ich zuerst gedacht hatte. Die Sanduhr läuft und der Tod ist uns auf den Fersen.

Ich war so unverschämt froh, als ich die Zuckerwatte für sie gefunden hatte. Ich war so stolz auf mich. Ich triumphierte, dass ich endlich einen Weg gefunden habe, ihr zu geben, was sie wirklich wollte und dass dieses einfache Geschenk alles wieder gut machen würde. Ja, klar. Fox Mulder, Meister der Selbstillusion, hat wieder einen Treffer gelandet. Es war eine kleine Freude, aber es war etwas Handfestes. Etwas mehr, als stumpfe medizinische Trockenheiten in sich aufzusaugen, die mir nach einer Weile sowieso nichts mehr gesagt haben. Aber diese Freude ist schnell vergangen und mir war nicht bewusst gewesen wie schnell, bis zum nächsten Tag.

Ich bin morgens aufgewacht und mein einziger Gedanke war, Scully so weit wie nur irgend möglich von mir wegzuschieben. Ich wollte nicht zusehen wie sie stirbt. Ich wollte mir nicht einreden, dass alles in Butter war und Friede, Freude, Eierkuchen. Ich konnte nicht ertragen, sie zu lieben und mit ansehen zu müssen, wie sie leidet. Also stieß ich sie fort. Ich kreierte eine Schlucht, wo nie eine hätte sein sollen. Ich habe mich von ihr abgeschnitten und sie dazu gezwungen, dasselbe zu tun.

Oh, ich habe immer noch auf sie acht gegeben. Ich habe sie jeden Abend angerufen. Ich will ja nicht, dass man mir nachsagt, ich würde meinen Job nicht machen. Ich kann mich noch sehr gut an die Schuldgefühle erinnern, als ich dachte, ich hätte Samantha gefunden, nur um sie wieder zu verlieren. Ich kann mich an die Worte meines Vaters erinnern, seine Beschämung und seine Enttäuschung, als ich sie wieder habe gehen lassen.  Ich beginne mich langsam zu fragen, wann die schwere Last der Schuld und der Verantwortung dafür, was meiner Schwester zugestoßen ist, sich von meinem Vater auf mich verlagert hat. Das war noch nie meine Sache gewesen.

Aber irgendwann muss ich angenommen haben, dass sie das war—und mein Vater war nur froh gewesen, sie an mich übergeben zu können.

Wenn ich nicht in meinem Kellerbüro war, habe ich mich fast eine ganze Woche in meiner Wohnung verkrochen und versucht, mit beängstigender Entschlossenheit und bis zum Exzess laut aufgedrehter Musik ('The Dark Side of the Moon' von Pink Floyd) die vorwurfsvolle Stimme meines Vaters zu ersticken, die mich verfolgte. Warum niemand wegen der Lautstärke die Polizei gerufen hat, ist mir ein Rätsel. Vielleicht haben sie das Gerede gehört und hatten zuviel Schiss, dass Spooky Mulder ihnen aufs Dach steigt, wenn sie aufmucken. Manchmal ist mein Ruf eben doch noch zu etwas gut.

Und dann, als mein emotionaler Abstand von Scully noch nicht genug war, habe ich das gemacht, wovon ich wusste, dass es ihr zusetzen würde: ich habe ihren Vorschlag, noch ein paar Tage mit einem Fall zu warten, in den Wind geschrieben und habe sie klar und deutlich wissen lassen, dass ich ihre Hilfe nicht brauchen würde; dass ich es selber könnte und auch tun würde.  Ich wollte sichergehen, dass sie weiß, dass ich auch ohne sie zurecht komme.

Gott, ich war so ein Arschloch. Und ich hatte eine Scheißangst. Ich wollte so sehr, dass sie mich bittet zu bleiben. Ich wollte, dass Scully mir beweist, dass ich nicht der einzige bin, der das Wissen wie schmerzende Nadelstiche ertragen muss, den Menschen, den man am meisten liebt zu verlieren—und die Alpträume, die es mit sich bringt. Ich wollte eine Deklaration. Ich wollte die Worte hören. Ich wusste allen Ernstes nicht, ob das je passieren würde. Und selbst wenn sie sie sagen würde, würde ich den Unterschied zwischen der Wahrheit und einer Lüge erkennen, die sie wählen würde, um es mir leichter zu machen?

Und dann hatte ich etwas, was ich nur als einen Wachtraum bezeichnen kann. Was würde Albert Hosteen wohl dazu sagen?

Ich saß auf der Couch in meinem stockdusteren Apartment, als die endlosen Pink Floyd CDs einen Moment still waren, bevor das nächste Lied angespielt wurde. Da sah ich Scully. Sie lag in einem Krankenhausbett im Sterben. Ihre Wangen und ihre Augen waren eingefallen und dunkel, ihr Körper spindeldürr und schwach, ihr einst glorioses Haar nichts weiter als dünne, stumpfe Strähnen, die von ihrem fast kahlen Kopf herunter hingen. Ich wolle ihr alles sagen, es alles vor ihr ausbreiten. Ich wolle, dass sie es weiß. Aber ich konnte mich nicht bewegen, konnte nicht sprechen. Die Qual unausgesprochener Worte ballte sich in meiner Brust, bis ich mir sicher war, dass ich explodieren würde. Aber ich konnte nicht sprechen. Ich sah, wie sie ihre Hand hob und mich geschwächt bat, sie zu nehmen. Aber ich konnte mich nicht bewegen. Ihre Hand fiel wieder auf die Laken, ihre Augen rollten gen Himmel und sie war tot. Einfach so. Bumm! Nichts blieb mehr übrig.

Ich riss das Telefon vom Tisch und erst beim dritten Klingeln fiel mir ein, wie spät es war. Ich hatte sie aufgeweckt. Und ich sagte es ihr. Ich sagte die Worte. Zumindest einige davon. Ich hab's nicht besonders gut angestellt, ich bin mir wie ein Idiot vorgekommen.

Scully wollte, dass ich rüber komme. Schwerer Fehler. Dann bestand sie darauf, zu mir zu kommen. Erst recht schwerer Fehler. Ich weiß, was passiert wäre, wenn ich sie gelassen hätte. Sie wäre keine zwei Schritte durch die Tür gewesen, bevor ich sie auf den Boden gerissen und mich so tief in ihr vergraben hätte wie ich nur konnte. Ich hätte versucht, das Leben wieder in sie hinein zu vögeln; und in mich. Es war das einzige, an das ich diese Nacht denken konnte. Eine Möglichkeit, zurück zu schlagen und zu deklarieren, dass selbst der Tod sie mir nicht wegnehmen konnte. Instinktives Verhalten, alles auf eine gewisse Weise verständlich. Aber ich wurde als Gentleman erzogen—und Gentlemen nutzen nicht die Frau aus, die sie lieben, nur als Mittel um eigene Ängste und Befürchtungen loszuwerden.

Und dann, am nächsten Morgen am Flughafen, gab sie mir den Schock meines Lebens. Sie stand da in dem Terminal, umgeben von Massen von fremden Menschen, und sagte mir mit lauter, deutlicher Stimme, dass sie mich liebt. Scully hat die Worte gesagt. Ich habe dann versucht, ihr mit meinen Lippen den Mund aus dem Gesicht zu reißen. Es ist ziemlich gut gelaufen. Ich habe auf dem ganzen Weg nach Colorado wie ein Idiot gegrinst.

Nicht lange danach hat sie mit Strahlenbehandlung angefangen. Die Ergebnisse ihres letzten Scans und das Wachstum des Tumors waren ein knallharter Schlag in den Magen. Scully hat es nicht erschüttert, wie immer. Manchmal wollte ich sie bei den Schultern nehmen und sie einmal richtig durchschütteln. Ich wollte sie aus dieser logischen, unemotionalen Einstellung rütteln, in die sie leicht fällt, wenn ihr etwas näher geht als ihr lieb ist. Natürlich habe ich es nicht gemacht. Ich habe ihre Wohnung mit Schokolade überfüllt. Das war etwas Konkretes. Etwas, das sie aufheben und in ihren Händen halten konnte. Etwas, das sie daran erinnerte, dass sie noch am Leben war.

Ich habe meine Kreditkarte geschröppt, um ihr ein Kleid zu kaufen und sie zu Tanz und Abendessen einzuladen. Verdammt. Oh, und die Schuhe. Bloß nicht die "komm und nimm mich" Schuhe vergessen.

Das Kleid. Gott.

Sie hat so unglaublich ausgesehen. Besonders, als ich ihr mit bloßen Händen Spargelspitzen gereicht hatte, die sie von meinen Händen in ihren Mund nahm. Ich hatte während des ganzen Abendessens einen gehörigen Ständer gehabt. Es war toll. Das erste Date ist viel einfacher, wenn du schon vorher weißt, dass das Mädchen hinterher mit dir nach Hause geht. Und fünf Jahre Bekanntschaft kommen der Angelegenheit auch zugute.

Ich bin hingegangen und habe Frohike ausgesuchte Videos aus meiner Sammlung gegeben im Tausch für den Tipp mit der Bar, in der wir nach dem Essen gelandet sind. Es ist nicht seine Schuld, dass der Abend so schrecklich ausgegangen ist.

Sie hat so gut in meine Arme gepasst. Wir haben getanzt, bis der ganze Raum verschwand. Es gab nichts weiter als Scully und die Musik. Und dann nichts weiter als Scully. Ich wünschte, ich hätte diese Augenblicke einfangen und zu etwas formen können, das ich ihr geben könnte.

Und dann brach alles zusammen. Ihr Blick war gefangen von der gläsernen Kugel über uns, und ich schwöre auf den Tod, dass ich gesehen habe, wie sie diese Wirklichkeit verlassen hat und in eine andere, dunklere gezogen wurde. Sie rutschte zurück in der Zeit und der Alptraum begann. Sie erschlaffte in meinen Armen für einen endlosen Moment und kam dann kämpfend wie ein Tiger zurück. Sie trat und schlug und verteidigte sich wie wild. Der blanke Horror stand in ihren weit aufgerissenen Augen. Sie keuchte und schnaufte. Und dann gar nichts. Sie verlor das Bewusstsein.

Ich rief den Notarzt und trug sie zwei Minuten später raus zum Wagen. Ich hielt sie dicht an mich gepresst, als ich zum nächsten Krankenhaus raste.  Die Ironie wollte es so, dass es dasselbe Krankenhaus war, in dem Scully beinahe ums Leben gekommen wäre, weil ich einfach nicht gegen Modell ankommen konnte.

Ich glaube, ich war mehr als nur außer mir, als Scully und ich angekommen sind. Ich weiß noch, wie ich eine Schwester angeschrien habe, jetztaufderStelleeinengottverdammtenArztzuholen. Ich stand daneben, als sie Scully untersuchten und bedrohte die Schwester mit dem Tod, wenn eine Schere auch nur in die Nähe von Scullys Kleid kommen würde. Ich weiß noch, wie ich alles und jedem meinen Ausweis ins Gesicht gehalten habe, der die Frechheit besaß, mich zu fragen wer ich bin, oder mir gar befehlen wollte zu verschwinden. Wann habe ich eigentlich angefangen, das verdammte Ding die ganze Zeit mit mir rumzutragen?

Scullys Zustand änderte sich ständig. Alle zehn Minuten oder so kam eine Schwester und sah nach ihr. Es ging ihr gut, körperlich. Es war ihr Bewusstsein, dass sie den Sturzflug in die Leere hinunter zog.

Sie hat viel gemurmelt. Ich konnte zwar nicht viel verstehen, aber ein paar Dinge waren deutlich: Nein. Tut weh. Aufhören. Mulder. Penny.

Ich wusste, welchen Alptraum sie durchmachte.

Dann wachte sie auf und schenkte mir ein einzigartiges Lächeln. Sie sagte, dass sie wusste, dass ich kommen würde, um sie zu retten. Gott. Ich fühlte mich so ohnmächtig, so hilflos. So wertlos.

Ich werde nicht einmal daran denken zu versuchen, die Tonnen an Schuldgefühlen zu beschreiben, die ihre unschuldigen Worte auf mich geladen haben. Sagen wir einfach 'astronomisch' und belassen es dabei.

Sie hatte angefangen sich an das zu erinnern, was ihr passiert war. Und ich musste wissen, an wie viel. Ich wollte ihr nicht sagen, was ich seit ihrer Diagnose herausgefunden hatte, oder ihr etwas von dem kleinen Reagenzgläschen erzählen, das ich in meinem Tiefkühlschrank aufbewahre.  Gott, nein. Alles außer das. Unser kleiner Flirt auf der Bank in Home, Pennsylvania spielte sich immer und immer wieder in meinem Kopf ab. Ich hätte gerne ein paar Jahre später einen oder zwei kleine Über-Scully's gehabt.

Manche Träume sterben einen schlimmen Tod.

Scheiße.

Die, die ihr das angetan haben, sind keine Menschen. Wenn sie es wären, hätten sie ein humanes Ende gewählt und sie einfach umgebracht. Aber nein, sie wollten, dass sie diese Erfahrung bis ans Lebensende verfolgen würde.  Wenn man denkt, es kann nicht mehr schlimmer werden, legen diese Arschlöcher noch einen drauf.

Hey, lasst uns ihr doch mal ein paar Monate klauen. Und wenn wir schon mal dabei sind, warum nehmen wir nicht auch noch ein paar ihrer Eizellen? Hey, lassen wir sie doch an inoperablem Krebs erkranken *und* sie unfruchtbar machen. Ja, klasse Idee! Und hey, wenn irgendjemand Wind von der Sache kriegt, und anfängt herumzuschnüffeln, dann schicken wir einfach unseren medizinischen Spezialisten und lassen sie noch schneller abkratzen.

Gott verdamme sie alle.

Scully hatte nur eine Sekunde gebraucht, um zu merken, dass ich ihr etwas verheimliche. Sie hat mir einen dieser Laserblicke zugeworfen, die eine Erklärung verlangen. Und dann hat sie die Sache einfach fallen lassen. Hat kein Wort mehr darüber verloren. Sie hat da gesessen und der Predigt des Arztes zugehört, sein Angebot, die Nacht unter Beobachtung zu verbringen abgelehnt, ist vom Behandlungstisch gesprungen und hinausgeschlendert, als ob wir mal eben so das verdammte Ritz verlassen.

Sie überrascht mich immer wieder.

 

 

Ende Teil 1 von 2

 

 

Ich habe sie nach Hause gebracht und sie ins Bett geschickt. Ich brauchte ein paar Minuten für mich selbst. Es war einfach nicht fair, dass ihr das alles passierte. Was hat sie getan, um irgendetwas davon zu verdienen?  Nun, Mulder, die Antwort ist nicht schwer zu erraten. Sie musste Spooky nur ein wenig Respekt zeigen. Durchhalten. Mit mir und meinen manchmal etwas weit hergeholten Theorien mithalten. Mir vertrauen. An mich glauben. Mich lieben.

Scully ist sowohl mein Meister, als auch das Instrument meiner Zerstörung. Und sie wissen das. Haben sie es etwa schon die ganze Zeit geplant? Ist das etwa nur ein kranker Joke von irgendjemandem? Bezahle ich für die Sünden meines Vaters?

Ich habe mir mal eingeredet, dass Scully und ich nie den letzten Schritt gehen würden und intim werden. Damals habe ich gedacht, dass wenn sie es herausfinden, sie eine weitere Waffe gegen uns bekommen würden. Und dann in Laufe der Zeit habe ich gemerkt, dass es absolut keinen Unterschied machte. Würde Scullys Tod mich weniger berühren, wenn wir nie erfahren hätten wie es ist, eins zu werden in der Glorie des ewigen Tanzes von Mann und Frau?  Keine verdammte Chance. Scully und ich sind schon seit vielen Jahren Liebende. Die Tatsache, dass wir bis kürzlich keinen Sex hatten, heißt überhaupt nichts. Es gibt sehr viele Arten, jemanden zu lieben und viele Arten, sich zu verbinden.

Die wissen das auch.

Ich wünschte mehr als alles andere, dass Scullys und mein Leben nur uns beiden gehören. Aber das tun sie nicht. Irgendjemand zieht hier die Fäden -- und das schon seit langer, langer Zeit. Also tanzen wir unseren Tanz und warten auf den rechten Augenblick.

In der Nacht hat sie mich weinen gesehen. Und sie hat das getan, was sie immer tut—sie tröstete mich, sie versuchte, mir meinen Schmerz zu nehmen. Sie wollte ihn wegküssen und mich heilen.

Gott.

Sogar jetzt, wo ich hier so sitze, erregt mich der Gedanke an ihre federleichten Küsse auf meinem Gesicht. Verzweiflung und Angst können manchmal sehr erotisch sein. Vor allem, wenn es mit einer kleinen Rothaarigen zu tun hat—in nichts weiter als einem seidenen Pyjama gekleidet, die so gut riecht, dass du weißt, dass sie wie der Himmel selbst schmecken wird.

Der Teufel soll mich holen, wenn ich wüsste, woher ich die Kraft genommen habe, die ganze Sache zu bremsen. So sehr ich sie diese Nacht wollte, so gut sie sich auch angefühlt hat, ich wusste, dass es nicht richtig war. Es war zu hektisch, zu übereilt. In einer Sekunde küsste sie mich, in der nächsten hatte sie ihre Hand in meinem Schritt. Nicht, dass es sich nicht toll angefühlt hätte, das hat es. Es war aber irgendwie nicht Scully.

Ich wollte keine verzweifelte Frau, die an Krebs stirbt. Ich wollte Scully—voller Trotz und Essig und dazu bereit, es mit der Welt aufzunehmen.

Dann wurde alles anders, als Scullys Alpträume anfingen. Die Art, von der man nachts schreiend aufwacht. Sie konnte ohne mich an ihrer Seite nicht schlafen. In dieser Nacht schlief sie neben mir auf der Couch und in der nächsten schliefen wir in ihrem Bett, ohne dass einer von uns es vorgeschlagen hatte. So viele Dinge, die wir uns mitteilen, sind unausgesprochen, aber verstanden. Wie sprechen eine besondere Sprache— das haben wir schon immer.

Wir sind immer auf unseren jeweiligen Seiten auf dem Bett eingeschlafen. Manchmal hielten wir uns an den Händen, manchmal nicht. Aber hinterher endeten sie immer in meinen Armen, auch wenn sich die Träume mal eine Nacht frei genommen hatten. Es hat mich einfach immer auf ihre Seite gezogen, oder ich habe sie zu mir herüber gezogen.

Ich habe mir noch nie große Sorgen über meine morgendlichen Harten gemacht. Ein Mann lernt einfach, damit zu leben. Es ist allerdings verdammt schwer nicht daran zu denken, wenn man direkt an einen gewissen kleinen warmen Hintern gekuschelt aufwacht.

Wenn Scully es bemerkt hatte, und ich kann mir nicht vorstellen, wie sie es nicht bemerkt haben könnte, hatte sie nie ein Wort gesagt, oder sonstwie reagiert. Allerdings macht sie das bei vielen Dingen so.

Sie hat sich mehr und mehr von ihrer Welt entzogen. Sie hatte aufgehört zu lesen oder sich mit mir alte Filme anzusehen. Während der Arbeit verließ sie das Kellerbüro so gut wie gar nicht, und sie lief nicht mehr hinter mir her, wenn ich eine Spur in einem Fall oder sogar in Angelegenheiten, die ihre Krankheit betreffen, verfolgte. Sie stellte mir keine Fragen mehr oder wollte meine Meinung wissen. Sie hörte auf, sich mit mir über meine öfters extremen Spekulationen zu streiten. Sie hatte aufgegeben.

Es hat mir das Herz aus dem Leib gerissen. Sie entglitt mir immer mehr und mehr. Ich habe eine Weile auf dem Problem herumgekaut und habe versucht, zu einer Lösung zu kommen. Ich habe den Gedanken an das Einzige, von dem ich wusste, dass es eine Reaktion von ihr hervorrufen würde, immer vor mir hergeschoben.

Es erschien mir einfach zu grausam. Aber Scully musste es wissen. Sie verdiente es, die Wahrheit zu wissen. Ich legte mir die Entscheidung zurecht, es ihr zu sagen, wiederholte ständig die Banalitäten in meinem Kopf. Ich würde es ihr zuliebe tun. Sie musste alle Informationen darüber haben, und wenn es sie die Wände hochgehen lassen würde, sie wieder zurück zum Leben bringen würde, wäre das sogar ein zusätzlicher Bonus.

Also habe ich ihr alles gesagt. Habe alle Karten vor ihr hingelegt, so faktengetreu und aufrichtig wie ich es nur konnte. Ich habe sie die ganze Zeit angesehen und eine Reaktion von ihr abgewartet. Für einen Augenblick hat es in ihren Augen geblitzt. Es ist so schnell wieder verschwunden, dass ich nicht sicher bin, ob ich es mir nicht bloß eingebildet hatte. Und dann nichts. Gar nichts. Keine Reaktion. Sie hatte auf der Couch gesessen, mit den Händen in ihrem Schoß und absolut gar nichts getan. Das einzige, was sie sagte, war, "Danke, dass du es mir gesagt hast, Mulder." Das war's.

Ich habe sie in Ruhe gelassen. Ich habe versucht, sie abzuschütteln und die ganze Sache unvoreingenommen zu betrachten. Ich habe alle psychologischen Fakten über Dana Scully zusammengetragen und den Knopf gedrückt, dessen Effekt sie endlich aufwecken würde.

Es gibt viele Dinge, die Scully wütend machen. Aber ich weiß mit Sicherheit, dass sie niemand so schnell auf die Palme bringen kann wie ich.  Weil ich weiß, wo ihre wunden Punkte sind. Ich weiß einfach, wo ich zustechen muss, Gott stehe mir bei.

Es war so einfach, wie ihr auf die Pelle zu rücken.

Ich weiß, dass ich diese Tendenz sowieso habe, aber nie ohne Grund und niemals, nur um sie zu ärgern. Ich wusste, dass es sie aus dem Gleichgewicht bringen würde, wenn ich ihr ununterbrochen auf den Geist gehe. Also habe ich das gemacht. Von dem Moment an, in dem wir aus dem Bett gekrochen sind, bis sie es endlich nicht mehr aushielt.

Es hat mir keinen Spaß gemacht. Wie könnte ich Freude daran haben, ihr so etwas anzutun? Ich habe nur eine Sache übersehen: meine eigene Reaktion. Ich habe mich an dem Tag selbst nicht leiden können, und als ich so weitermachte, nahm ich es Scully richtig übel, dass sie mich zu so etwas getrieben hat. Und dann, als sie endlich ausrastete, empfand ich eine gewisse Zufriedenheit. Keine Freude. Zufriedenheit. Da ist ein großer Unterschied.

Ich habe es beinahe zugelassen, dass sie mir genau in die Fresse schlägt. Beinahe. Aber das wäre viel zu früh gewesen, weil sie mich ohne Probleme erledigt hätte—kein Zweifel. Ich musste auf den Beinen bleiben, um ihr ein aufrechtes Ziel zu bieten. Scully schlägt nicht zu, wenn jemand am Boden liegt.

Also habe ich sie für die Sekunde am Handgelenk festgehalten, die es brauchte, den Schalter in ihr umzulegen. Dann habe ich meine Arme hängen lassen und sie drauflos dreschen lassen, mein Kinn nach oben gerichtet und mein Gesicht abgewandt.

Es hat als ein leises Flüstern angefangen, ist zu einem Grollen geworden und ist dann mit Schreien blanker Wut zu Ende gegangen. Die Worte sind einfach aus ihr heraus geflossen. Jede Frage, jedes Statement und jeder Schwur brachten sie wieder ein Stückchen näher zu mir. Ich stand da und empfand die größte Freude meines Lebens, als sie mir ihren Schmerz und ihre Wut ins Gesicht schrie; ich saugte ihre Energie und ihre Rage in mich auf, bis ich satt und schwach davon war. Ich habe sie berührt und mich wieder mit ihr verbunden, als ihre Wunden heilten.

Ich habe sie in die Arme genommen, als sie von ihrem Schluchzen durchschüttelt wurde und wir uns auf dem Boden wiederfanden. Ich hieß sie willkommen zurück mit allem, was ich hatte.

Und dann habe ich sie lachen hören, zum ersten Mal seit Ewigkeiten. Ihr süßes, klares Lachen wird für immer in meinem Ohren sein.

Ich werde nie den Mut und die Stärke von Dana Scully unterschätzen.

Sie hat sich zum Leben entschlossen.

Habe ich schon erwähnt, dass der Geruch von Voltaren zu einem Aphrodisiakum geworden ist? Seltsam aber wahr. Ich glaube, dass keiner von uns damit gerechnet hatte, dass eine unschuldige Rückenmassage so enden würde—und das ist gut. Ich war schon immer spontan gewesen. Ich hätte vielleicht überhaupt keine Probleme bekommen, wenn sie nicht mit gerade dem richtigen Druck und gerade der richtigen Geschwindigkeit auf meinem Hintern herumgerutscht wäre. Das ganze Blut ist aus meinem Kopf in Richtung Süden gesackt und hat sich entschlossen, da zu bleiben. Und dann hat sie sich vornüber gebeugt, und ich konnte ihre Brüste an meinem Rücken spüren. Gott im Himmel. Ich habe geradezu auf eine Ausrede gewartet mich umzudrehen. Allerdings habe ich am Ende gar keine gebraucht. Sie hat mich gebeten. Und ich habe getan, worum ich gebeten wurde.

Sie hat eine Weile mit einer Hand an meiner Schulter herumhantiert, während ihre andere auf meiner Brust ruhte. Die ganze Zeit mit diesem unschuldigen Ausdruck in ihren Augen, der allerdings verschwand, als ich sie zurück in meinen Schoß setzte. Dann wurden ihre Augen auf einmal dunkel und rauchig.

Sie ärgerte mich genug, um das 'Alpha-Männchen' in mir auftauchen zu lassen. Ich habe sie auf den Rücken gelegt und mich bei ihr eingenistet und sie hatte keine Zeit verschwendet, die Führung wieder zu gewinnen. Sie war schon immer gut in Gleichberechtigung gewesen. Wir haben nicht lange gebraucht, um ins Bett umzuziehen.

Es ist ein himmel- und erdeerschütterndes Erlebnis, mit Scully Liebe zu machen. Ich habe mir schon gedacht, dass es etwas Besonderes sein würde, aber ich habe mir nie vorgestellt, in welchem Ausmaß. Und das Komische dabei ist, dass es zum ersten Mal in meinem Erwachsenenleben nicht darum ging, einfach nur zu vögeln. Diese ersten paar Momente, in denen ich mich tief in ihren inneren Kern eingebettet habe, sind intensiver und erfüllender als jeder Orgasmus je sein könnte. Ich lebe dafür, ihr Freude zu bringen und sie sich unter mir winden zu sehen, ihr leises Stöhnen zu hören und sie zu berühren, so dass sie diese kleinen Geräusche von sich gibt, die mich verrückt machen.

Ich liebe die Art, wie sie mich ansieht. Ich liebe die Art, wie sie sich bewegt. Ich liebe die Art, wie ihr Schweiß sich in kleinen Pfützen auf ihrer Brust ansammelt und den Ausdruck voller Leidenschaft in ihrem Gesicht. Ich liebe wie sie seufzt. Ich liebe wie sie kichert, wenn wir uns aneineinander reiben. Ich liebe das Gefühl ihrer Lippen und Zähne an meiner Schulter, meinem Hals, meinem Bauch, auf der Innenseite meiner Schenkel.  Ich liebe die Art wie sie kommt. Ich liebe ich Lächeln. Ich liebe wie sie riecht und schmeckt.

Scully ist ein Geschenk, das ich nie aufhören werde zu öffnen.

Sie werden sie mir nicht wegnehmen. Ich werde es nicht zulassen.

In dieser Woche konnte ich einen weiteren Punkt auf meiner Liste streichen. Dieser hat eine Menge Nachdenken gebraucht, ein wenig Recherche und ein Verabredungsgespräch während der Mittagspause—und sogar dann war ich mir noch nicht sicher, ob es eine so gute Idee war. Ich muss hier etwas klarstellen: *ich* dachte schon, dass es eine gute Idee war, ich wusste nur nicht, wie es Scully sehen würde.

Letzten Sonntag habe ich sie ins Auto gepackt und bin mir ihr zu einem Waisenhaus für aidskranke Kinder gefahren, dessen gesamtes Personal ehrenamtlich dort arbeitete—die meisten Mitarbeiter sind von einem nahe gelegenen Pflegeheim. Dort leben Kinder, die niemand haben will, oder um die sich niemand kümmern kann. Einige von ihnen sind drogenabhängig geboren und jedes der Kinder wird vom Schatten des Todes wie von ihrem eigenen begleitet.

Ich sagte ihr nicht, wohin wir fahren und selbst als wir vor dem gewöhnlich aussehenden Haus vorfuhren, ahnte sie noch nichts. Es war ein typisches viktorianisches Haus inmitten von anderen in demselben Stil. Es war kein Schild an der Vorderseite, nichts, was es von den anderen hätte unterscheiden können. Auf dem Hof waren ein paar Schaukeln und Turngerüste und der Hof war mit Dreirädern übersät. Genau wie bei meinem ersten Besuch, bei dem ich alleine gekommen war, war ich so mitgenommen von der Tatsache, dass es überhaupt keine Zweiräder gab, denn die meisten Kinder wurden nicht alt genug, um damit zu fahren.

Drinnen sah es... sah es eben wie in einem Haus aus, einem Zuhause. Ich führte Scully zur Eingangstüre und ignorierte ihre fragenden Blicke, die sie mir die ganze Zeit zuwarf. An der Tür ließ uns die Leiterin des Heims hinein. Lärm schlug und entgegen. Gelächter und Musik, ein paar Tränen hier und da, das einmalige Getöse, wenn Kinder spielen. Ich beobachtete Scully, als Ramona Beckett ihr erzählte, was dieser Ort war und warum sie hier war. Scully stellte einige Fragen und drehte sich dann zu mir um, ihre Augen so klar wie das Blau eines Bergsees. Ich konnte ihr nur ermutigend zunicken. Sie sah mich für einen Moment an und folgte dann Ramona durch den Flur hoch in den Spielraum.

Ich habe ihr eine Stunde gelassen, bevor ich ihr nach oben folgte. Ich fand Scully in einem Zimmer voller Krippen und Schaukelstühlen. Sie saß in einem von ihnen, ein wunderschönes, schokoladenbraunes Baby in ihren Armen. Sie führte ein ruhiges, aber intensives Gespräch mit einer älteren Dame, die mindestens fünfundachtzig war. Ein weiteres Kind saß auf ihrem Schoß, das sanft von einer faltigen Hand am Rücken gestreichelt wurde.

Endlich blickte Scully auf und sah mich im Türrahmen stehen. Ich kann immer noch nicht ganz bestimmen, was ich in ihren Augen gesehen habe. Ich weiß, dass sie gelächelt hat, aber ich weiß nicht so recht... ich kann nicht...  ich bin mir nicht sicher, was ich in ihren Augen gesehen habe. Meine Augen haben sich mit Tränen gefüllt und mein Hals war wie zugeschnürt. Und plötzlich legte sich des Friedens sanfter Schleier über mich und umhüllte mich völlig.

Ich weiß nicht, was ich getan habe, um diesen Blick zu verdienen. Aber ich werde es herausfinden. Ich möchte wieder so angesehen werden. Noch sehr, sehr oft.

Scully stand auf, legte das Baby in eine der Wiegen und wandte sich dann wieder der alten Frau zu. Sie kniete sich hin und sagte ihr etwas, was ich nicht verstehen konnte—ich brauchte es auch nicht. Sie richtete sich auf und kam durch den Raum auf mich zu. Dann nahm sie meine Hand und führt mich nach draußen.

Scully war still auf dem ganzen Weg nach Hause. Sie sagte nicht ein Wort. Sie hat auch nicht meine Hand losgelassen.

Später ist sie zu mir gekommen, als ich gerade auf einem Stuhl zusammengesunken war und las, und legte ihre Hand auf meinen Arm. Ich habe sie angesehen und sie auf meinen Schoß genommen und sie gehalten, während sie weinte. Es waren gute Tränen, erlösende Tränen. Hoffnungsvolle Tränen.

Ich habe mit ihr geweint. Noch ein erstes Mal. Ich konnte nicht anders. Ich war in diesem Moment so sehr ein Teil von ihr wie ich es bin, wenn wir uns lieben. Ich habe alles mit dieser Frau geteilt. Warum sollte es mit meinen Tränen anders sein?

Dann, nach einer Weile habe ich ihren kleinen, starken Körper hochgehoben und sie zu unserem Bett getragen. Wir haben uns gegenseitig die Tränen getrocknet und haben uns dann langsam und gemächlich geliebt.

Ich kann ihr nicht alles das geben, was ich ihr geben möchte. Ich kann ihr keine Garantien geben—das konnte ich nie. Aber sie hat ihre Entscheidung getroffen, genau wie ich. Und irgendwie, trotz allem Horror und Wahnsinn, den wir durchgestanden haben, trotz der Schläge, die wir ertragen mussten, haben wir unser Leben daraus geformt. Wir haben die Steine von den Trümmern unserer Verluste genommen und einen sicheren Platz gebaut, der nur uns gehört. Wir haben Zuflucht gefunden und mehr Frieden, als wir es je gehofft hätten.

Sie werden nie an das herankommen. Sie können es nicht. Es ist zu tief in uns drin. Ihr Tod, oder meiner, kann uns nicht das nehmen, was wir miteinander geteilt hatten.

Ich glaube, dass die Antwort da draußen liegt. Ich glaube, dass wir sie finden werden, und dass Scully gerettet wird. Und ich weiß, dass sie dafür sorgen wird, dass ich mit ihr gerettet werde.

Bis dahin haben wir ein Leben zu leben. Dinge zu tun und zu erleben. Ich weiß noch immer Dinge, die ich ihr geben will. Ich denke, wir werden damit anfangen, noch einmal auszugehen.

Und dieses Mal werden wir tanzen ohne zu schlafen.

 

XOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOXOX

 

Fortsetzung folgt?

 

DANCE WITHOUT SLEEPING

by Melissa Etheridge

I don't want to talk about it

I've done enough, I think

Don't want to spend more money

Don't want another drink

I would scratch out all the images

If I had the chance

Don't ask me what I'm thinking

Can't you see I only want to dance?

 

CHORUS:

Dance without sleeping

Dance without fear

Dance without senses, no message I hear

Dance without sleeping

I'll dance till I'm numb

Dance till I think I can overcome

 

Walking on the edge of rage and understanding

Between the black and the white

This child is so angry

Alone here tonight

Alarming desperation leads me to believe

With all my shields and protection

It's only me I deceive

 

(CHORUS)

The eyes on the magazine

The voice on the radio

The kiss on the movie screen

This is the story I know

Fathers hold on and they never go

Mothers hold on and they never go

Lovers hold on and they never go

Lovers they come and they never go

 

(CHORUS)