GEBLENDET VON WEISSEM LICHT

(Originaltitel: Blinded By White Light)

von Dasha K.

 

aus dem Englischen übersetzt von Sylvie < aktex_sm@hotmail.com >

 

Summary: Was sind wir anderes, als die Summe unserer Erinnerungen?

Classification: SRA

Rating: NC-17 für Erwachsenenthemen, wenn du unter 18 bist, bitte lies etwas anderes.

Keywords: Ah, aber damit würde man aus der Schule plaudern, nicht wahr?

Bleibt gelassen, niemand wird vergewaltigt, stirbt oder wird verletzt.

Spoiler: keine

Feedback: Bitte dashak@aol.com

Disclaimer: Die Charaktere sind Schöpfungen von CC und Company. Ich habe mir einige Elemente aus dem Hintergrund von Marge Piercys hübscher Geschichte "Er, sie und es" geborgt. Sie hat großzügig zugegeben, daß sie bei William Gibson geborgt hat, also gehe ich davon aus, daß alles frei zugänglich ist.

Vielen Dank an meine Editoren und lieben Freunde Gwen und Plausible Deniability.

Mehr Anmerkungen und Danksagungen am Ende der Geschichte.

 

Ein anderes Lied

Ich will nicht länger wiederholen

unausgesprochene Worte.

Aber in Erinnerung an dieses Nicht-Treffen

werde ich eine wilde Rose pflanzen.

 

Da das Wunder unseres Treffens

leuchtete und summte,

wollte ich nicht zurückgehen

nach irgendwo von hier.

Glück vor die Pflicht zu stellen

war meine bittere Freude.

 

Ich sprach mit jemandem, mit dem ich nicht sollte ich sprach lange Zeit.

Laß Begierden, die eine Antwort fordern

die ersticken, die verliebt sind,

aber wir, mein Darling, sind nur Seelen

am Rande der Welt.

 

Anna Akhmatova

 

 

 

GEBLENDET VON WEISSEM LICHT  --  TEIL 1

 

 

Eines Nachts, kurz nachdem ihre Tochter Julia geboren wurde, konnte sie nicht schlafen. In der Dunkelheit hörte sie John sich umdrehen und sie wußte, daß er auch noch wach war.

"Honey?" fragte sie seinen stillen Rücken.

"Ja?" murmelte er mit belegter Stimme.

Sie wußte nicht, warum sie es gefragt hatte. Es war etwas, worüber nicht gesprochen wurde. Man erwähnte es einfach nicht.

Sie drehte sich auf den Rücken und blinzelte in die Dunkelheit.

"Woran erinnerst du dich?" flüsterte sie. "Woran erinnerst du dich aus dem Vorher?"

John atmete in einem langen Zug aus, aber er sagte nichts. Sie berührte seine Schulter und er zuckte zusammen.

"Woran erinnerst du dich?" wiederholte sie.

"Ich erinnere mich an gar nichts."

In dem Moment hörte sie Julias Weinen aus dem Babymonitor und setzte sich auf. "Ich gehe," sagte sie und verließ das Zimmer.

Sie erwähnte das Thema nie wieder.

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Sie lief über den verlassenen Heldenplatz, ihre Absätze klapperten über die makellosen Vierecke aus Beton. Es war noch früh und der Platz war noch nicht von Menschen bevölkert, die unterwegs zur Arbeit waren.

An ihrer heißen Tasse Tee nippend überdachte sie die Frage, die sie John vor zwei Jahren gestellt hatte.

Woran erinnerst du dich?

Woran erinnere ich mich?

Sie erinnerte sich an die Gerüche der Straße, an die Abgase der vorbeifahrenden Autos, an einen Stand, an dem fettige Hot Dogs verkauft wurden, an den Gestank überlaufender Müllbehälter.

Sie erinnerte sich an den Lärm, an das Geplapper auf den Straßen in vielen verschiedenen Sprachen, an Fetzen von Rockmusik aus den offenen Fenstern eines Wohnhauses, an die Sirenen von Polizeiautos.

Sie erinnerte sich an sich selbst, sehr jung, ein Kostüm tragend, sich selbst im Spiegel anstarrend und sich fragend, ob sie ein professionelles Bild abgab.

Stücke und Teile, Ausschnitte und Fetzen der Erinnerung. Nichts paßte.

Es war für jeden anderen das gleiche, das wußte sie. Aber das machte es nicht leichter.

Sie seufzte und trat durch die Glastüren des East Side Health Buildings, strebte entschlossen ihrem Ziel entgegen.

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Dr. Hanley goß eine Tasse Kaffee ein und bot ihr eine an. Sie setzte sich in den Ledersessel am Fenster und schüttelte auf ihre Teetasse deutend den Kopf.

Die Ärztin saß hinter ihrem Schreibtisch und schob sich ein paar umherflatternde Strähnen ihres blonden Haares aus dem Gesicht. "Wie war die Woche, Dana?"

Sie seufzte. "Sie war okay. Die Arbeit war stressig gewesen. Wir sind im Labor auf ein paar Probleme mit unseren Proteinproben gestoßen, aber es scheint sich von selbst zu ordnen."

"Und das Leben zu Hause?" Dr. Hanley tippte etwas in ihr Notebook.

"Gut," sagte Dana. "Ich habe John nicht sehr oft gesehen durch die späten Stunden im Labor, aber es geht uns gut. Julia hatte wieder eine Menge kleiner Wutanfälle und es ist wahrscheinlich deswegen, weil ich nicht genug Zeit mit ihr verbracht habe."

"Haben Sie vor, das zu ändern?"

"Heute abend gehe ich mit ihr nach der Arbeit in den Park. John wird etwas zum Abendessen besorgen und dann werden wir wie eine normale Familie zusammen essen. Ich habe Harold gesagt, daß ich in dieser Woche ein paar Nachmittage freinehmen werde, damit sie nicht den ganzen Tag in der Primary Care bleiben muß. Obwohl ich weiß, daß es eine großartige Einrichtung ist, mag ich es nicht, wenn sie die ganze Zeit dort ist. Sie ist noch nicht einmal drei."

Ihre Therapeutin lächelte. "Es ist schwierig, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Es klingt so, als würden Sie ein paar richtige Schritte tun, um es hinzubekommen."

Dana nickte. "Ich versuche es, aber es ist schwer. Manchmal habe ich das Gefühl, daß John mehr Zeit mit Julia verbringt, wegen seines Berufs und auf Grund der Tatsache, daß er einen Teil seiner Arbeit zu Hause erledigen kann. Und manchmal wünsche ich mir, meine Mutter wäre da, um mir einen Rat zu geben."

"Ich glaube, wir alle wünschen uns, daß unsere Mütter da wären." Dana wußte, daß Dr. Hanley selbst zwei kleine Söhne hatte. Ihr Bild stand auf ihrem Schreibtisch, zwei engelhafte Jungen, die grinsten und ihre Fußbälle festhielten.

Sich in das Leder des Sessels zurücklehnend schloß Dana die Augen. "Ich hatte letzte Nacht einen von diesen Träumen."

Die Stimme der Ärztin war sanft. "Erzählen Sie mir davon, Dana."

"Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, daß es nicht nur ein Traumbild ist, sondern etwas aus dem Vorher durchsickert. Es war eine Woche lang jede Nacht beinahe derselbe Traum."

"Was passiert?"

"Ich stehe auf einem Flur. Es ist eine Art Krankenhaus oder Klinik, glaube ich. Ich meine, es sieht anders aus als die Krankenhäuser, die ich kenne, aber es hat diese Atmosphäre, wissen Sie? Ich kann das Antiseptische riechen. In meinem Traum habe ich einen Bademantel an und mir ist so kalt und ich zittere vor Angst und Trauer."

"Worüber sind Sie traurig?"

Sie schüttelte den Kopf. "Genau das ist es - ich habe keine Ahnung. Ich bin erschrocken und mein Mund ist trocken, aber dann kommt er und er hält mich fest, streichelt mir über das Haar und irgendwie fühle ich mich besser. Ich sage etwas zu ihm, aber ich kann mich nie daran erinnern, was und dann erwidert er irgend etwas. Und dann küßt er mich auf die Stirn, sehr sanft, und an diesem Punkt wache ich immer auf."

"Wer ist der Mann, Dana?"

"Ich habe keine Ahnung." Sie biß sich frustriert auf die Lippen. "Ich kann sein Gesicht nicht wirklich sehen. Er ist groß und hat dunkles Haar, aber das könnte jeder sein. Alles was ich weiß ist, daß ich ihm vertraue und seine Gegenwart mich tröstet."

Letzte Nacht, nachdem sie den Traum hatte, war sie aus dem Bett geklettert und ins Wohnzimmer gegangen. Sie wanderte wieder und wieder durch den kleinen Raum, versuchte nachzudenken, ihr Gehirn dazu zu zwingen, sich an sein Gesicht zu erinnern. Es klappte nicht und schließlich schlief sie auf der Couch ein, eine von Julias Babydecken über ihrem Körper.

Niemand sprach darüber und sie hatte keine Ahnung, ob andere dieselben Träume aus der Vergangenheit hatten, denselben Kampf um ihre Erinnerungen führten.

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Offiziell war es so - die Behandlung der Seuche hatte den Nebeneffekt, daß die meisten der Erinnerungen aus der Vergangenheit verloren gingen. Die Überlebenden konnten nicht um die Vergangenheit trauern. Ehefrauen, Ehemänner, Kinder, für immer gegangen.

Während sie nach der Arbeit in die U-Bahn einstieg, dachte sie zum achttausendsten Mal in dieser Woche darüber nach. Beinahe zehn Prozent der Welt hatten überlebt, aber sie taten es nur mit Fragmenten ihrer Erinnerung.

Sie hatte eine Mutter, einen Vater, womöglich Schwestern und Brüder.

Vielleicht einen Ehemann. Kein Kind, ihre gynäkologischen Untersuchungen bevor sie schwanger geworden war, hatten ergeben, daß sie nie zuvor ein Kind geboren hatte.

Sie war Ärztin gewesen, das wußte sie, Pathologin. Ihre Ausbildung und ihre Fähigkeiten funktionierten noch, als sie nach ihrer Behandlung in der Klinik erwachte.

Sie wußte, daß sie vierzig Jahre alt war und daß ihr Geburtstag der 23.

Februar 1964 war.

Früher lebte sie an der Ostküste, einer Stadt, die Washington D.C. hieß. Es war die Hauptstadt der Vereinigten Staaten von Amerika. Sie konnte sich noch an die stattlichen Gebäude und Denkmäler erinnern, die sie durch die Fenster eines Autos gesehen hatte.

Und ihr Name war Dana Katherine Scully.

Diese Fetzen der Erinnerung hatten unbeschädigt überlebt. Natürlich gab es nur sehr wenige offizielle Akten, die übriggeblieben waren. Sie waren in Flammen aufgegangen.

Das war es, dachte sie mit einem Seufzer, als sie sich auf einen der blauen Plastiksitze des U-Bahn-Wagens setzte und dieser sich mit einem Windzug in Bewegung setzte. Das war die Summe von fünfunddreißig Jahren.

Es hatte einen Krieg gegeben zwischen der Erde und den Feinden. Eine schnelle Sache, die das meiste der Erde in ein paar Tagen Feuer zerstörte.  Krankheit breitete sich aus wie ein Waldbrand und tötete noch mehr der Überlebenden des Kampfes. Und dann kamen die Anderen und retteten sie alle.

Sie konnte sich an nichts davon erinnern. Ihr Leben begann an dem Morgen, als sie in der Klinik erwachte, im künstlichen Sonnenlicht blinzelnd.

In Wahrheit war sie erst fünf Jahre alt.

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Sie stieg an der Station Morningside aus der U-Bahn und schob sich durch die Menge, die sich auf ihrem Weg nach Hause befand. Außerhalb der Station war die Straße hell wie am Tage, aber als sie nach oben sah, konnte sie den sternenklaren Himmel außerhalb der Kuppel über der Stadt ausmachen.

Es war Februar, also Winter. Manchmal konnte sie sich daran erinnern, als Kind im Schnee gespielt zu haben, eine Handvoll dieses weißen, weichen Zeugs zu etwas zusammengedrückt zu haben, das man Schneeball nannte, und es dann auf andere Kinder geworfen zu haben. Natürlich war die Stadt klimakontrolliert. In einer Kuppel gab es keinen Winter.

Dana konnte sich nicht daran erinnern, wie sich Kälte anfühlte.

Die Straße war voll mit Fußgängern, die noch Anzüge oder einheitliche Arbeitsuniformen trugen, sich unterhielten und lachten und das Abendessen planten. Vor dem Geschäft für Fertiggerichte gab es eine Schlange, was bedeutete, daß heute abend nur wenige Leute Lust zum Kochen hatten. Sie wußte, sie hatte keine. Dana war müde und ihre Füße schmerzten, weil sie die meiste Zeit des Tages an den Versuchsröhren gestanden hatte.

An der Primary Care Nr. 32 stand eine Menge von Müttern und Vätern mit ihrer Nachkommenschaft an der Hand, plaudernd und kleine Hände tätschelnd.  Sie hielt für einen kurzen Schwatz mit Joanne Ling über Schuhe an und ging dann hinein, um Julia abzuholen.

Ihre Tochter spielte mit einem gelben Müllauto, schob es auf dem leuchtend roten Teppich hin und her und machte dabei wrumm-wrumm. Leilah, die Lehrerin der Zweijährigen, kam nach vorn und lächelte. "Sie hatte einen guten Tag, Dana. Wir habe ein bißchen getanzt und sie hat vorgegeben, ein Frosch zu sein."

Dana lächelte die junge Frau mit dem langen dunklen Haar an. "Sie hat letztes Wochenende im Park einen Frosch gesehen und konnte gar nicht mehr aufhören, davon zu erzählen."

Julia sah auf und lächelte, winzige weiße Zähne zeigten sich in ihrem rosigen Mund. "Mami!" rief sie, kam angelaufen und schlang ihre Arme um Danas graue Hosen.

Sie streichelte das hellbraune Haar ihrer Tochter und dachte, wenigstens wird sie aufwachsen mit der Erinnerung an ihre Mutter.

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Der Park war klein, eingebettet zwischen zwei hohen Apartmentkomplexen. Es gab andere, größere Parks in der Stadt, aber sie mochte das persönliche Gefühl dieses kleinen Parks und die Tatsache, daß er nur zwei Blocks von ihrer eigenen Wohnung entfernt war, machten Julia und sie zu häufigen Besuchern.

Dana verbrachte eine Weile damit, Julia auf der Schaukel anzustoßen und dann ließ sie ihre Tochter mit einem kleinen Jungen in ihrem Alter in den Sandkasten laufen und sich gründlich schmutzig machen. Das bedeutete, daß John oder sie heute abend den Sand aus der Wanne kratzen würden, aber Julia liebte es, im Sand zu buddeln.

Sie ließ sich auf einer leuchtend orangefarbenen Bank nieder und genoß das Gefühl, einfach nur dazusitzen und nachzudenken. In der letzten Zeit war es so hektisch gewesen, mit den Forderungen ihres heranwachsenden Kindes und dem immer hektischen Betrieb im Labor. Es war so friedlich, das Grün der Parkbäume zu riechen und zuzusehen, wie Julia mit ihrem neuen Freund lachte.

Im Park waren nur ein paar Menschen. Oftmals begegnete sie hier ihren Nachbarn und sie verbrachte eine gesellige Zeit damit, über Kindererziehung zu diskutieren. Heute abend waren nur eine einsame Frau auf der anderen Seite des Parks, die in einem Magazin las, und zwei Männer, die ihre Babys im Kinderwagen schoben, da. Sie konnte das Krachen eines Baseballs gegen einen Schläger und das jungenhafte Lachen vom Feld hinter ihr hören.

Sie sah überrascht auf, als sie den Klang einer männlichen Stimme vernahm.

"Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich hierher setze?"

Er war ein großer Mann, schlank und mit einem schlichten grauen Anzug bekleidet. "Natürlich nicht," sagte sie.

"Es ist der beste Platz, ein Auge auf Adam zu haben. Er ist der im Sandkasten."

Sie lachte. "Also werde ich nicht die einzige sein, die heute abend Sand unter den Fingernägeln hervorkratzt. Er spielt mit meiner Tochter Julia."

Der Mann lächelte, ein warmes schiefes Lächeln, das seine ansehnlichen Gesichtszüge erleuchtete. Dana vermutete, daß er etwa in ihrem Alter war, vielleicht einige Jahre älter. Er hatte Lachfältchen um seine grau-grünen Augen und ein paar graue Strähnen in seinem dunklen Haar. Sie hatte selbst ein paar graue Haare, aber ihre Friseurin deckte sie einmal im Monat mit warmem Kastanienbraun ab.

"Ich bin froh zu sehen, daß Adam eine neue Freundin gefunden hat. Wir sind erst vor einem Monat hierher gezogen und er hatte eine schwere Zeit, sich in seiner neuen Primary Care anzupassen. Er liebte seine alte Lehrerin und der Wechsel hat ihn wirklich umgeworfen."

"Von wo sind Sie hergezogen?" Aus irgendeinem Grunde machte sie der Mann neugierig. Sie war niemand, der einem Fremden eine Menge persönlicher Fragen stellte, aber die Frage kam aus ihrem Mund, bevor sie darüber nachgedacht hatte.

"Boston," sagte er und rückte an seiner metallgefaßten Brille. "Meine Frau ist der neue Dekan an der Schule für Bildung an der Universität. Wir haßten es, umzuziehen, aber schließlich, die Städte sind doch alle ziemlich gleich, nicht wahr?"

"Ja, ich vermute es," sagte Dana. Sie hatte die Stadt nur wenige Male verlassen, einmal für ihre Hochzeitsreise nach Miracle Beach und zweimal zu Konferenzen in Chicago. Aber er hatte recht - eine Stadt unter der Kuppel war wie die andere. Leise, sauber, friedlich. "Was arbeiten Sie?"

"Ich bin Entwicklungspsychologe. Ich arbeite mit Kindern im Schulalter und ich konnte in das Schulsystem hier wechseln, als Sarah ihren neuen Job bekam. Und Sie?"

Sie drehte sich zu ihm um und studierte verstohlen sein Gesicht. Etwas darin erinnerte sie an ihren Mann, vielleicht die Intensität seiner Augen oder die Linie seiner Unterlippe. Interessant, dachte Dana. "Ich arbeite in der medizinischen Forschung. In einem Labor, das angeborene genetische Schäden untersucht, ein Erbe der Seuche."

"Das muß faszinierend sein," sagte er und nickte dabei.

"Das ist es." Und dann erklang ein Heulen aus dem Sandkasten, als Julia dem kleinen Jungen mit dem lockigen Haar ihre Plastikschaufel auf den Kopf klatschte.

"Julia!" rief sie.

"Ich nehme an, das ist unser Zeichen," sagte der Mann und stand auf, um seinen Sohn zu beruhigen.

Sie seufzte und ging zu ihrer anscheinend gemeingefährlichen Tochter. Die Schrecklichen Zwei, dachte sie reumütig.

Als sie den Park mit Julia im Schlepptau verließ, kam ihr in den Sinn, daß sie den Namen des Mannes gar nicht kannte.

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Nachdem Julia gebadet hatte und im Bett lag, rollte sich Dana auf der Couch zusammen und begann, sich durch das Fotoalbum auf dem Telebildschirm zu klicken. Heute abend schien die Wohnung aus irgendeinem Grund besonders gemütlich zu sein. Die Vorhänge waren geschlossen, die funkelnden Nachtlichter der Stadt blieben draußen und das Wohnzimmer wurde durch das Licht der Lampe erhellt. Durch die offene Badezimmertür konnte sie John hören, der die Badewanne sauber machte. Er hatte den kurzen Strohhalm gezogen.

Die Fotos begannen, gleich nachdem sie John getroffen hatte. Es gab Fotos von ihren Verabredungen, sie beide auf Parties, auf Konzerten, einander anlächelnd im öffentlichen Schwimmbad.

Die Zeit ihrer Umwerbung war kurz gewesen. In diesen frühen Tagen, als jedermann in der Stadt so verzweifelt versuchte, sich zu binden, eine Familie zu haben, gab es eine dreimonatige Warteliste für die Hochzeitszeremonie im Saal des Friedensrichters. Sie hatte John im August auf einer Party kennengelernt und im Dezember waren sie verheiratet. Auf den Fotos sah sie strahlend und ein wenig verlegen aus ihrem langen weißen Kleid, sich vor dem Hochzeitszimmer an Johns Hand klammernd. Sie sahen beide trunken und erhitzt aus auf ihrer Hochzeitsparty, umgeben von ihren Freunden von der Arbeit.

Ihr Gesicht war ernst auf dem Foto, auf dem sie ihre Heiratsurkunde unterschrieben. Obwohl John und sie nur einen Monat, nachdem sie sich kennengelernt hatten, beschlossen zu heiraten, nahm sie die Bindung ernst.  Als sie vor Friedensrichter McLean geschworen hatte, John Rosen zu lieben, zu ehren und zu beschützen, hatte sie es so gemeint.

Letztendlich war er alles, was sie hatte.

Dana klickte weiter zu den Fotos von ihr selbst im Park sitzend und hochschwanger. Während dieser Monate sehnte sie sich nach der Mutter, an die sie sich nicht erinnern konnte. Es war unheimlich, für ihr ungeborenes Kind verantwortlich zu sein, zu wissen, daß sie bald die schreckliche Verantwortung hatte, Mutter zu sein. Wie konnte sie ihrem Baby eine Mutter sein, wenn sie sich nicht einmal daran erinnern konnte, wie es war, eine Mutter zu haben?

Und dann gab es buchstäblich hunderte von Fotos von Julia. Sie zeigten sie, wie sie von einem blutverschmierten schreienden kleinen Geschöpf in der Entbindungsklinik zu einem kleinen Mädchen mit glatten braunen kinnlangen Haaren heranwuchs, das seine Zunge in die Kamera streckte.

John tappte ins Zimmer und setzte sich neben Dana. "Gott, sie ist schön, nicht wahr?" sagte er in einem Ton voller Ehrfurcht.

Sie drehte sich zu John um und zeichnete mit ihrem Zeigefinger die Linie seines Wangenknochens nach. "Was glaubst du, nach wem sie kommt? Nach dir oder nach mir?"

Er grinste. "Sie hat dein Lächeln, aber meine Nase."

"Gott sei dank," lachte sie. Sie haßte ihre Nase und hatte überlegt, sie in einer der chirurgischen Boutiquen, die wie Pilze aus dem Boden geschossen waren, richten zu lassen. Es schien eitel zu sein, also war es nur eine Phantasterei.

"Ich liebe deine Nase, Dana." John küßte sie auf den Nasenrücken und sie seufzte vor Vergnügen. Es war Wochen her, seit sie sich geliebt hatten.  Ihre Terminkalender waren so voll gewesen, daß sie zu müde für etwas anderes als halbherziges Streicheln in der Nacht waren.

Sie schaltete den Telebildschirm aus und wandte sich ihrem Mann zu, über die Art lächelnd, wie seine Augen gleichzeitig müde und erregt blickten.

"Laß uns ins Bett gehen," sagte sie.

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In dieser Nacht hatte sie einen neuen Traum.

Sie schlief mit jemandem, aber es war nicht John. Es war ein anderer Mann.

Der gesichtslose Mann mit den dunklen Haaren und den sanften Händen.

Es war am Morgen und sie lagen in einem Bett, das Dana nicht vertraut war, aber es roch für sie nach Zuhause, nach ihrem eigenen Körper, ihrem Parfüm und dem Geruch seiner Haut. Er roch nach Schlaf. Gott, er fühlte sich so gut an, wie er sie langsam in der frühen Morgensonne berührte und sie mit üppigen Lippen küßte. Sie liebte ihn. Oh, wie sie ihn liebte. Nur ihn.

Der Mann hielt sie fest und küßte sie, nachdem sie zusammen gekommen waren und sagte, "Ich werde das niemals vergessen, Scully."

Seltsam, er nannte sie bei ihrem Nachnamen.

Dann erwachte sie, kerzengerade sitzend und mit klopfendem Herzen. Nach ein paar Minuten der Verwirrung kletterte sie aus dem Bett. John, der immer schlafen konnte, bewegte sich nicht, nicht einmal nachdem sie über ihre Laufschuhe auf dem Boden gestolpert war.

Im Badezimmer putzte sie sich die Zähne, trank ein Glas Wasser und starrte ihr Spiegelbild an.

Ich frage mich, wieviele Liebhaber ich gehabt habe, dachte sie.

In jeder Hinsicht war John ihr erster gewesen und sie seine erste. Aber es hatte sich augenblicklich vertraut angefühlt, als John in ihrer ersten gemeinsamen Nacht in sie eingedrungen war. Der Rhythmus fühlte sich an, wie etwas, das sie von früher kannte. Und als sie sich seinem Körper entgegenbäumte und bei ihrem Orgasmus aufschrie, hatte sie das Gefühl eines deja vu, das sie häufig heimgesucht hatte in den Monaten, seit sie in der Klinik aufgewacht war.

Dana schüttelte den Kopf und gelobte damit aufzuhören, von der Vergangenheit besessen zu sein. Es war nicht gesund, es war nicht fair gegenüber John und Julia und dem neuen Leben, daß sie sich in den letzten fünf Jahren aufgebaut hatte. Andere Menschen lebten ihr Leben und schufen sich einfach ihre neuen Erinnerungen. Sie mußte dasselbe tun.

Ich möchte mich nicht an dich erinnern, sagte sie schweigend zu dem Mann aus ihren Träumen.

Sie kletterte wieder ins Bett und drückte sich an Johns warmen, nackten Rücken. Sie klammerte sich an ihn, wie an eine Sicherheitsdecke.

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Am Sonntagmorgen erwachte Dana bei strahlendem, künstlichem Sonnenschein, der durch die Fenster fiel. Johns Arm lag um sie und er summte leise ein Lied, das sie vertraut fand, aber nicht benennen konnte.

"Was singst du?" murmelte sie und barg ihr Gesicht in seinem sandfarbenen Haar, das nach Kamillenschampoo roch.

John schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht," sagte er einfach.

Es war lustig, wie Dinge wie dieses einfach kamen. Eines Nachts, ein paar Monate, nachdem sie die Klinik verlassen hatte, war sie auf einer Party in der Fellowship Hall gewesen. Dort gab es ein Klavier und die elfenbeinfarbenen und ebenholzfarbenen Tasten faszinierten sie. Sie setzte sich nieder und ließ ihre Finger über die kühlen Klaviertasten gleiten.  Plötzlich begannen sich ihre Finger zu bewegen und ein Lied zu formen. Sie konnte Klavier spielen. Irgendwo in ihrer Vergangenheit hatte sie Klavierunterricht gehabt.

Dana streckte sich und gähnte und genoß das Gefühl, nicht aufstehen zu müssen, um zur Arbeit zu gehen. Sie waren mit Julia bei einem Barbecue gewesen, das Deborah, die Leiterin von Johns Büro veranstaltet hatte und sie war nicht vor Mitternacht ins Bett gekommen. Normalerweise wäre ihre Tochter schon wach und würde schreien, um auf sich aufmerksam zu machen.  Aber sie konnte Julias gleichmäßigen Atem durch den Monitor hören.

John kuschelte sein stachliges Gesicht an ihren Hals und sie brummte und spürte, wie ihre Nerven zum Leben erwachten.

Seine Stimme war so leise, daß sie ihn beinahe nicht hörte. "Bist du glücklich, Dana?"

Ihre Augen wurden größer. "Was meinst du?"

John rückte von ihr ab, setzte sich hin und starrte aus dem Fenster. "Bist du glücklich? Mit mir, mit uns?"

Sie setzte sich auch auf. "Wovon sprichst du? Du weißt, daß ich glücklich bin mit dir."

"Es ist nur..." Er verstummte und drehte sich mit zusammengezogenen Augenbrauen zu ihr um. "Du hast so viele schlechte Träume gehabt, du schienst so in Gedanken in den letzten paar Monaten. Ich habe Angst, daß du nicht länger glücklich bist."

Sie war keine so gute Schauspielerin, wie sie glauben wollte.

Dana hüllte sich in die Decke und berührte leicht seinen nackten Arm. "Ich bin sehr glücklich mit dir, John. Daran hat sich nichts geändert. Aber ich habe diese Träume und ich denke, sie sind über das Vorher."

Er nickte. "Ich wünschte, du könntest sie loslassen."

"Die Vergangenheit?"

"Ja. Dana, es tut dir nicht gut, darüber nachzudenken, zu versuchen, dich zu erinnern."

Ihre Augen schließend, wünschte sie, sie könnte es einfach beenden. Aber sie konnte nicht. Es war außerhalb ihrer Kontrolle.

Sie brauchte eine Weile, um die Worte zu finden. "John, möchtest du dich niemals erinnern?"

Ihr Ehemann zögerte nicht einmal mit der Antwort. "Ich möchte nicht um etwas trauern, das ich niemals wieder haben kann."

Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob John eine Frau gehabt hatte, eine Familie. Sie wollte wissen, wie er als Junge gewesen war, wer das erste Mädchen war, das er geküßt hatte.

John beugte sich zu ihr und küßte sie auf die Wange. "Du mußt sie loslassen, Dana. Du hast jetzt ein neues Leben. Die Vergangenheit sollte in der Vergangenheit bleiben."

Sie nickte und lächelte ihn an. Seine Gesichtszüge waren ihr vertraut geworden und sie liebte sie.

Dennoch, als sie sich zurücklegten und unter der Decke aneinander kuschelten, gingen ihr dieselben Fragen weiter durch den Kopf.

Wen habe ich geliebt - vorher?

Wer bist du?

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Julia hörte aufmerksam zu, während Dana ihr "Jerry, das blaue Raumschiff"

vorlas. Mit molligen Fingern zeigte sie auf die richtigen Bilder, wenn Dana

sie fragte, welches der Satellit war, welches die Startbahn und welches der

Mond. Zu beobachten, wie die Intelligenz ihrer Tochter von Tag zu Tag

wuchs, war erstaunlich. Es war schwer zu glauben, daß das stramme kleine Mädchen an ihrer Seite, das einen roten Kordsamtoverall trug, als einzelne Zelle in Danas Körper begonnen hatte.

Gegenüber im Zimmer saß John in seinem schwarzen Schreibtischsessel aus Leder, seine Augen waren geschlossen und das Verbindungskabel klemmte hinter seinem Ohr. Er war tief versunken im Netz. Nichts anderes als ein Ellbogen in seinen Rippen würde ihn aufscheuchen, solange er in tiefer Versunkenheit war.

Dana kam zur letzten Seite. "Und dann flog Jerry hoch in den Himmel und der Mond begann, für ihn zu klatschen." Julia applaudierte anstelle des Mondes.  Es war ihre Lieblingsgeschichte.

Mit einem verärgerten Geräusch in seiner Kehle drückte John die Taste am Computer, mit der die Verbindung aufgehoben wurde und klemmte das Kabel ab.

"Irgend etwas nicht in Ordnung?" fragte sie von ihrem Platz auf dem Teppich.

Er richtete sich zu seiner vollen, schlaksigen Größe auf und begann, durch das Wohnzimmer zu wandern. "Es ist das Team in Sao Paolo. Sie haben alles versaut."

"John!" Sie zeigte auf Julia, die fasziniert schien von dem neuen Vokabular ihres Vaters.

"Entschuldigung." Er setzte sich auf den Boden zu ihnen und zog an Julias mit einem roten Gummiband zusammengehaltenen Pferdeschwanz. "Dana, es gibt gewaltige Probleme auf der Baustelle. Ich muß morgen dort hinfliegen."

Während Johns Beruf als Bauingenieur bedeutete, daß er einen großen Teil seiner Arbeit von zu Hause aus über das Netz erledigen konnte, so mußte er dennoch Zeit auf seinen Baustellen verbringen. Dana akzeptierte das als Tatsache, aber dennoch stöhnte sie. "Für wie lange?"

Er schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht. Eine Woche, vielleicht zwei Wochen."

"Und da führt kein Weg dran vorbei?"

"Kein Weg." Er küßte sie auf die Wange. "Ich mache es wieder gut, wenn ich zurück bin. Vielleicht können wir beide ein paar Tage frei nehmen und sie zusammen verbringen."

Dana zwang sich zu einem Lächeln. "Du machst es besser wieder gut..."

"Ein Grund mehr, mich mit dem Nachhausekommen zu beeilen," lachte er und schaukelte Julia in seinem Schoß.

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Später am Nachmittag, nachdem John Julia mitgenommen hatte, um mit ihr Zutaten für das Abendessen zu kaufen, stieg Dana in die U-Bahn und fuhr zum Fluß, um ein bißchen zu laufen. Am fernen östlichen Ende der Stadt gelegen, war der Fluß ihr Lieblingsplatz für einen einsamen Lauf.

Sie hatte nicht oft die Möglichkeit zu trainieren, nicht seit Julia da war, aber sie liebte es, sich selbst anzutreiben und sich vollkommen lebendig zu fühlen, während ihr Körper sich auf der Laufstrecke bewegte.

Das Flußufer war voll mit Läufern, Familien auf Fahrrädern und Paaren, die Kinderwagen in der Sonntagsnachmittagssonne schoben. Dana dachte über die Tatsache nach, daß die meisten Kinder unter fünf Jahre alt waren, Produkte der neuen Familien, die entstanden waren, nachdem die Anderen gekommen waren. Nur sehr wenige Kinder, die jünger als sechzehn, siebzehn Jahre waren, hatten den Krieg und die Seuche überlebt.

Nun war die Stadt voll im Familienfieber. Jeder wollte ein Baby. In ihrem Labor drehten sich die Pausengespräche um das Stillen, die Behandlung von Unfruchtbarkeit und das Üben, aufs Töpfchen zu gehen. Neuerdings schien sich Danas gesamtes gesellschaftliches Leben um Babypartys und Namensgebungen zu drehen.

Dana lief zu der baumbegrenzten Böschung des Flusses und sah dem trägen Fließen unter sich zu. Der Fluß kam von Draußen, aber zuerst ging er durch eine Kläranlage, um Krankheitserreger und Verunreinigungen herauszufiltern.

Während sie ihre Oberschenkelmuskulatur dehnte, sah sie nach links hinüber und entdeckte eine vertraut aussehende Figur, die ebenfalls Dehnübungen machte. Es war der Mann, den sie in der Woche zuvor im Park getroffen hatte.

Sie ging hinüber und tippte ihn an die Schulter. Er drehte sich um und grinste sie an, glücklich überrascht, sie zu sehen. Er trug ein ziemlich verschlissenes blaues T-Shirt und Jogginghosen, die aussahen, als hätten sie schon bessere Tage gesehen. Dana mochte es, daß er nicht das Gefühl hatte, er müßte eine perfekt zusammenpassende Trainingskleidung tragen, wie so viele andere Läufer am Fluß.

"Ich erkenne Sie," sagte er und hielt ihr seine Hand hin. "Aber ich habe nie Ihren Namen erfahren."

"Dana Scully," sagte sie und schüttelte seine Hand. "Und Sie?"

Der Mann ließ ihre Hand los und beugte sich stark nach vorn, um sich zu dehnen. "Fox Mulder, aber Sie können mich Mulder nennen. Ich mag meinen Vornamen nicht besonders."

Sie grinste. "Fox," wiederholte sie. "Sie haben recht, aus irgendeinem Grunde paßt er wirklich nicht zu Ihnen. Haben Sie darüber nachgedacht, ihn zu ändern? Ich meine, es ist nicht so, daß es irgend jemanden durcheinander bringen würde."

Er sah sie aus erstaunten Augen an und ihr Gesicht begann, rot zu werden.  Mist, sie wußte besseres als ihn ausgerechnet an das Vorher zu erinnern. Es war äußerst unhöflich. Aber Mulder lächelte schief und kam aus seiner Dehnübung hoch. "Nein, ich bin zu faul, um mich an einen neuen Namen zu gewöhnen."

"Wie weit haben Sie vor, zu laufen?" fragte sie.

"Ich bin ein bißchen aus der Form. Seit wir umgezogen sind, hatte ich keine Möglichkeit zu laufen, also denke ich an drei Meilen oder so. Warum? Wollen wir zusammen laufen?"

"Warum nicht?"

"Ich persönlich kann mir keinen Grund denken, also los."

Sie machten noch ein paar Minuten Dehnübungen und machten sich dann auf zu einem leichten Lauf über den gewundenen Weg. Sie hatte das Gefühl, daß er langsamer lief, als es für ihn üblich war, aber sie war froh, daß es ihnen die Möglichkeit gab, miteinander zu reden ohne zu sehr außer Atem zu geraten.

"Ich hatte gehofft, Ihnen wieder über den Weg zu laufen, Dana," sagte er, geschickt einer schwangeren Frau mit einem kleinen Jungen im Kinderwagen ausweichend. "Ich wollte Sie um eine Verabredung bitten."

Sie blieb beinahe stehen und spürte, wie sich ihre linke Augenbraue von sich aus nach oben bewegte. "Eine Verabredung?" Sie hatte doch erwähnt, daß sie verheiratet war, richtig?

Er schnaubte lachend. "Ja, eine Verabredung zum Spielen. Adam und Julia schienen ganz gut miteinander auszukommen."

"Bis sie ihm mit ihrer Schaufel auf den Kopf klopfte."

"Adam mag angriffslustige Ladies."

"Dann wird er Julia lieben. Sie kann manchmal ein Scheusal sein."

"Nein," sagte Mulder. "Sie erkundet im Moment nur ihre Selbständigkeit. Das typische Verhalten Zweijähriger."

Sie folgten dem Weg eine weitere Meile und dann machten sie eine Schleife zurück zum Denkmal für die verlorenen Seelen. Sie war froh darüber, daß sie sich dort nicht aufhielten. Aus irgendeinem Grund ließ sie die gigantische Statue aus Granit, die einen Mann und einen Frau zeigte, die in den Himmel sahen und augenscheinlich um ihre verlorenen Angehörigen trauerten, zittern.

Als sie ihren Ausgangspunkt erreichten, kauften sie sich eine Flasche Wasser an einem Erfrischungskiosk und setzten sich auf eine niedrige Steinmauer, von der aus man über den Fluß sehen konnte.

"Ich mag es hier," sagte Mulder und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

"Es ist einer der wenigen Plätze, die sich real anfühlen."

"Was meinen Sie mit real?" Dana hatte das unbehagliche Gefühl, daß sie wußte, worüber er sprach.

"Nun, real wie die Welt einmal gewesen sein muß. Es fühlt sich an wie Erinnerungen daran, daß ich im Vorher gelaufen bin."

Ihr Atem kam in einem heftigen Zug heraus. "Niemand spricht jemals über das Vorher."

Er nickte. "Ich weiß. Da funktionieren klassische Verleugnungsmechanismen.  Es ängstigt die Menschen, ihre Vergangenheit zu erforschen, sich hinzusetzen und über die Tatsache nachzudenken, daß sie ein Leben vor diesem hier hatten. Es scheint einfach so mächtig."

Sie nickte.

"Es tut mir leid," sagte er. "Wir müssen nicht darüber reden, wenn es Sie ärgert. Ich meine, wir kennen einander nicht besonders und da komme ich und gehe auf empfindliche Themen los."

Ein kleines Lächeln begann sich auf ihren Lippen zu formen. "Nein, es ärgert mich nicht, wirklich nicht. Ich habe nur niemals mit jemandem darüber geredet. Mein eigener Mann will es nicht einmal mit mir diskutieren."

"Sarah will es auch nicht. Ich bekomme nur diesen steinernen Blick von ihr, wenn ich auf dieses Thema komme. Manchmal sehe ich sie an und frage mich, woran, wenn überhaupt, sie sich erinnert."

Dana beobachtete eine kleine Gruppe von Teenagern aus einem der

Jugendhäuser, die Wandersachen anhatten und von einer athletischen jungen

Frau angeführt wurden, die ziemlich beunruhigt aussah, angesichts ihrer

Verantwortung. "Gott, ist jede Beziehung so?" fragte sie. "Einer sieht den anderen an und fragt sich, wer warst du, bevor ich dich kannte?"

"Ich wünschte, ich wüßte, wer ich gewesen bin," sagte Mulder und trank sein Wasser aus.

"Ich auch."

Sie starrten einander einen langen unbehaglichen Augenblick an, als wären sie sich dessen bewußt, daß sie gerade Geheimnisse geteilt hatten, die nicht gerade angemessen waren für neue Bekanntschaften.

Mulder sprang von der Mauer und sah auf seine Uhr. "Ich sollte wirklich zurückgehen. Wie ist Ihre Nummer? Wir können die Verabredung zum Spielen treffen."

"Ich habe nichts, um sie aufzuschreiben."

Er schenkte ihr ein schiefes Lächeln, das ihn um Jahre jünger aussehen ließ. "Ich habe ein gutes Gedächtnis, ich werde sie mir merken."

Sie nannte ihm ihre Nummer und er machte sich auf den Weg in Richtung U-Bahn mit einem lebhaften Winken.

Lange Zeit saß sie auf der Mauer, beinahe gelähmt vor Erstaunen.

Vorher, dachte sie. Er wollte über das Vorher reden.

Sie war sich nicht sicher, ob es Angst oder Hoffnung war, was sie fühlte.

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In dieser Nacht setzte sie sich, nachdem John und Julia ins Bett gegangen waren, an den Schreibtisch und begann eine Liste.

Dinge, die ich kenne:

- mein Name

mein Geburtsdatum

die Stadt, in der ich einmal gelebt habe

meine medizinischen Fähigkeiten und Kenntnisse, aber nicht, wo ich sie erworben habe

Ich hatte einmal eine schwere Verletzung im Bauchbereich. Ich habe eine Narbe und es scheint, daß es sich um eine Schußwunde handelte.

An meinem unteren Rücken habe ich ein kleines Tattoo, eine Schlange, die sich in den Schwanz beißt.

Ich war niemals schwanger vor Julia.

Ich kann Klavier spielen, aber nicht sehr gut.

Ich bin keine gute Tänzerin

Ich bin Rechtshänderin.

Ich muß einmal Deutsch gelernt haben, weil ich eine Menge von dem Tele-Programm verstehe, das aus der Gegend kommt, die einmal Deutschland war.

Ich habe einmal im Schnee gespielt.

Ich glaube, ich hatte einmal einen Geliebten mit dunklem Haar. Er nannte mich bei meinem Nachnamen.

Ich lese gern, besonders Romane und medizinische Journale.

Ich habe meinen Kaffee schon immer mit Milch gemocht, keinen Zucker. Es gab einmal eine bestimmte Art, Kaffee zu machen und ich habe sie wirklich gemocht, aber ich kann mich nicht erinnern, was drin war.

Ich mag würzige Speisen, besonders chinesisches Essen.

Ich genieße es, zu laufen und es scheint etwas zu sein, das ich gewohnt war, häufig zu tun.

Am Wasser empfinde ich es am friedvollsten, besonders am Fluß.

Ich weiß, wie man kocht und kann mich noch an Rezepte erinnern.

Ich war vielleicht einmal religiös. Manchmal kommen mir ein oder zwei Zeilen eines Gebetes in den Sinn.

Ich habe zur Arbeit Kostüme getragen im Vorher.

 

Sie starrte auf ihre Liste und bemühte sich sehr, sich an mehr zu erinnern.  Es gab andere Dinge, an die sie sich hin und wieder erinnerte, aber sie waren ein kurzes Aufblitzen, das nur einen Moment dauerte.

Das ist es also, dachte sie. Die Summe von fünfunddreißig Jahren?

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Am Morgen duschte sie und begann, sich für die Arbeit anzuziehen. Sie hatte ihre Routine, einen morgendlichen Rhythmus, der so eingefleischt war, daß sie nicht darüber nachdenken mußte - sie stand einfach auf und tat es.

Bevor sie duschen gegangen war, hatte sie eine Kanne Kaffee gekocht. Nun nippte sie an der blau und goldenen mexikanischen Kaffeetasse, während sie ein schwarzes Kostüm und eine cremefarbene Seidenbluse zum Anziehen auswählte. Im Hintergrund erklang Geplapper aus dem Radio, als sie schwarze Nylonstrümpfe anzog und ihre Jacke zuknöpfte.

Ihr Haar war ein bißchen länger. Es hatte die ärgerliche Angewohnheit, sich zu wellen und sie mußte Styling lotion hineinkämmen und es über einer Rundbürste fönen, um es in dem ordentlichen Bubikopf zu halten, den sie bevorzugte. Schließlich deckte sie ihr Gesicht mit einem matten Puder ab, benutzte ein wenig braunen Mascara und bemalte ihre Lippen mit einem natürlichen beige-pinkfarbenen Lippenstift. Ohrringe, Uhr und sie war fertig zum Gehen.

Plötzlich wurde ihr etwas bewußt und ihre Hand griff an ihren Hals. Ihre Halskette, ihr kleines goldenes Kreuz an einer Kette - wo war es? Sie legte ihre Kette niemals ab, nicht einmal zum Schlafen oder Duschen.

Nur zweimal in ihrem Erwachsenenleben hatte sie ihre Kette verloren. Beide Male hatte er sie gefunden und für sie aufbewahrt.

Panik machte sich in ihrer Kehle breit, als sie auf der Frisierkommode, den Bettdecken und im Badezimmer suchte. Die Kette und das Kreuz waren nirgendwo zu finden.

Das kann nicht sein, dachte sie. Meine Mutter hat mir das Kreuz zu meinem fünfzehnten Geburtstag geschenkt. Es ist der einzige materielle Gegenstand, der mir wirklich etwas bedeutet.

Sie konnte sich daran erinnern, im Krankenhausbett in den Kissen gelegen, die vertraute Kühle des Kreuzes an ihrem Hals gespürt und gedacht zu haben, er hat es die ganze Zeit für mich aufbewahrt...

Und nun war es weg.

 

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Die Welt veränderte sich und löste sich auf und Dana fand sich in einem Bett wieder, in ihrem eigenen Bett und ihr Mann tätschelte ihr ängstlich die Schulter.

"Bist du nun wach?" fragte er, seine Augen groß und erschrocken.

Sie blinzelte unter matten Augenlidern, völlig verwirrt. Was war real und was war Traum?

Ja, es war ein Traum gewesen, dachte sie, eine weitere mögliche Erinnerung, die sich als Traum verkleidete.

John schaltete die Nachttischlampe an. "Du hast wieder im Schlaf gesprochen und etwas über eine verlorene Halskette gemurmelt." Er küßte ihr Haar, das feucht von Nachtschweiß war. "Hast du geträumt, daß du deine Korallenkette verloren hast?"

Sie schüttelte den Kopf. "Nein. Es war ein kleines goldenes Kreuz an einer Kette. Meine Mutter hatte es mir geschenkt."

"Deine Mutter?" Seine dunklen Augenbrauen gingen in die Höhe.

"Ich glaube, daß mein Traum eine weitere Erinnerung an das Vorher war."

"Oh, Dana," seufzte John und zog sie fester in seine kräftigen Arme. "Ich hasse es, zu sehen, wie du dich quälst."

"Es ist in Ordnung." Sie atmete seinen vertrauten Geruch tief ein und ihr Herzschlag begann, ruhiger zu werden. "Ich denke, ich will mich erinnern."

Ich hasse es, ein weißes Blatt Papier zu sein, dachte sie.

John nickte. "Ich verstehe nicht, warum du dich erinnern willst. Ich will es verstehen, aber ich kann es nicht."

"Ich weiß, daß du es nicht kannst," flüsterte sie. "Ich weiß, daß es dich ängstigt. Es ängstigt mich ebenso."

"Warum tust du es dann? Es ist nicht gesund. Und es ist irgendwie nicht fair Julia und mir gegenüber oder dir selbst gegenüber. Das hier ist jetzt dein Leben."

Ein kurzer Anflug von Ärger überkam Dana. Sie erinnerte sich daran, was Mulder nach ihrem Lauf gesagt hatte - es ist einfach zu mächtig. Ja, es war gewaltig, darüber nachzudenken, daß ein ganzes Leben ausradiert worden war, aber warum konnte John ihr Verlangen zu wissen nicht verstehen?

Sie fragte sich, ob ihr Mann sie letztendlich wirklich kannte.

Jedoch war 3.00 Uhr früh nicht die Zeit, diesen Punkt zu diskutieren, besonders wenn John am Morgen nach Sao Paolo flog. Das Adrenalin war aus ihrem Körper verschwunden und sie fühlte sich plötzlich erschöpft. Alles was sie wollte war, unter die Decke zurückzuschlüpfen und in einen traumlosen Schlaf zu versinken.

Dana rutschte auf der Matratze herunter und schloß die Augen. "Laß uns weiterschlafen, John."

Sie betete darum, daß sie nicht träumen würde.

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Mit einem Leuchten in ihren goldbraunen Augen schoß Julia gekonnt ein Stückchen Käseomelett von den Zinken ihrer Kindergabel aus Plastik quer durch den Raum. "Julia," ermahnte John sie mit zusammengezogenen Augenbrauen. Aber Dana lehnte sich einfach  zurück, nippte an ihrem Kaffee und lächelte.

Nachdem sie aufgewacht waren, hatte John sich über das Netz mit dem Flughafen in Verbindung gesetzt und herausgefunden, daß sein Flug um drei Stunden verschoben worden war, wegen schlechten Wetters. Außerhalb der Kuppel zogen bedrohlich aussehende Sturmwolken am Himmel dahin und sie sahen so aus, als wären sie bereit, Schnee auf die klare, abgerundete Oberfläche fallen zu lassen, der schmelzen und heruntergleiten würde.

Da sie ein bißchen Zeit totzuschlagen hatten, liefen sie sieben Blocks zu Fuß zum Greenlawn Corners Café. Es war ein gemütliches Plätzchen mit kaum zwanzig Tischen. Sie hatten selten die Gelegenheit, als Familie auswärts zu essen, aber dies war ein Platz, der zwanglos genug war, ein geräuschvolles, chaotisches, tapsiges Kleinkind zu beherbergen und die Küche servierte eine durchschnittliche Portion Huevos Rancheros. Und Dana mochte die im Hintergrund plappernden Kellnerinnen und das wertlose Hologramm von Affen, die auf Reben herumsprangen - es gab dem Restaurant so ein karikaturhaftes Dschungelgefühl.

Sie blickte durch den Raum auf ein junges Paar, das zerzaust und erhitzt aussah, als hätten sie letzte Nacht nicht besonders viel Schlaf gehabt. Die Frau, die mit dem Gesicht zu ihr dasaß, war groß und prächtig mit einer langen schwarzen Mähne, die über ihren schlanken Rücken fiel. Sie lächelte ihre Geliebte, eine kleinere Frau mit kurzem blondem Haar, mit bezaubernder Sinnlichkeit an.

Ich erinnere mich an diese hitzigen Tage der ersten Liebe, dachte Dana, stocherte in dem Dotter ihrer Eier herum und sah zu, wie es sich mit dem leuchtenden Rot der Salsa vermischte.

Sie berührte Johns Hand. "Erinnerst du dich an das erste Mal, als wir hierher kamen?"

Er setzte seine Kaffeetasse ab und blinzelte sie an. "Das erste Mal?"

Gegen den Drang ankämpfend, die Augen zu verdrehen, sagte Dana, "Du weißt schon, das erste Mal..."

Ein Ausdruck von Panik erschien auf seinem Gesicht, als wüßte er, daß er in Schwierigkeiten geraten würde. John zuckte mit seinen breiten Schultern.  "Das erste Mal?"

Sie klopfte ihm auf die Hand, was Julia auf ihrem Hochstuhl dazu brachte, zu kichern.

"Dana, du mußt mir weiterhelfen," sagte John, seine Niederlage eingestehend. "Du weißt, daß ich in solchen Sachen nicht gut bin."

"Das erste Mal," wiederholte sie und senkte ihre Stimme, als wenn Julia sie tatsächlich verstehen könnte. "Denk darüber nach, John. Erinnerst du dich an dein altes Apartment, bevor wir geheiratet haben? Erinnerst du dich, daß es gleich hier um die Ecke war? Komm schon - Chris, Mike und du und eine ganze Menge schmutziger Wäsche auf dem Boden?"

Johns Augen wurden größer und er begann zu kichern. Sie nahm eine Gabel voll Ei und Tortillas in den Mund und lächelte triumphierend.

"Jetzt erinnere ich mich," flüsterte er. "Das erste Mal kamen wir hierher nach unserer ersten gemeinsamen Nacht."

Sie waren wie die beiden Liebenden dort drüben im Raum gewesen. Schwindelig davon, herauszufinden, daß das Vergnügen ihres sein könnte. Und überrascht, daß ungeachtet der Leere, die ihre Geschichte war, sie Liebe finden konnten und fanden.

"Und dann kamen wir gleich her, nachdem wir erfahren hatten, daß ich schwanger war," sagte Dana.

John legte mehr Eistückchen auf Julias Teller. "Für eine kleine Eckkneipe ganz schön viele Erinnerungen."

Dana nickte und goß ihnen Kaffee aus der Kanne auf dem Tisch nach.

"Da wir von schwanger reden," meinte John und schob seinen Teller weg.

"Hast du noch einmal darüber nachgedacht, ein zweites Kind zu haben?"

Jeder verbliebene Hunger flüchtete bei Johns Worten.

Obwohl er mit ihr zusammen bei den Tests war, die endlosen Runden von Arztbesuchen mitgemacht und ihre Hand gehalten hatte während der laparoskopischen Behandlungen und Zelltherapien, fragte sie sich manchmal, ob ihr Mann wirklich verstand, wie schmerzhaft der ganze Prozeß gewesen war, zu versuchen schwanger zu werden. So viel schien auf dem Spiel zu stehen. Sie hatte es gehaßt, ihn zu enttäuschen mit ihrer Unfähigkeit, Kinder zu bekommen.

Sie konnte sich noch mit vollkommener Klarheit erinnern, wie sie auf dem Tisch gelegen hatte nach dem dritten Versuch einer Invitro-Befruchtung, ihre Zähne zusammengebissen und stumm geleiert hatte ichwillichwillichwillichwill...

Es tut weh, etwas so sehr zu wollen.

Und es ist möglicherweise noch schmerzvoller, zu erkennen, wieviel von ihr selbst und ihrer Ehe durch den Aufwand in Anspruch genommen worden war.

Dana legte ihre Gabel nieder und berührte Johns Hand, die auf dem glänzenden schwarzen Tisch ruhte. "Ich denke viel darüber nach," sagte sie, ihre Stimme ruhig haltend.

Sein Gesichtsausdruck war erwartungsvoll. "Irgendein Ergebnis?"

Ich wünschte, ich könnte sein wie du, John, dachte sie. Dein Verstand geht sorgfältig von Punkt A nach Punkt B und kommt bei Punkt C an, vollkommen klar. Im Grunde deines Herzens bist du Mathematiker. Während ich Logik und Sinn brauche, um mich über den Tag zu bringen, das Leben ist komplizierter für mich.

Sie sah auf die Reste ihres Frühstücks herab. "Nein," sagte sie. "Kein Ergebnis. Ich weiß nicht, ob ich das alles noch einmal durchmachen will.  Ich weiß nicht, ob ich es kann."

Ich weiß nicht, ob ich das durchstehen kann, mich wie eine Versagerin zu fühlen, wenn meine Periode kommt, dachte sie. Ich weiß nicht, ob ich es ertragen kann, in die Notaufnahme gebracht zu werden wegen einer weiteren Fehlgeburt. Ich weiß nicht, ob ich meine ganze Zeit damit verbringen kann, meinen Körper dafür zu schelten, weil er mich verraten hat.

Dana sah Julia an, die in den Grenzen ihres Hochstuhls mit den Füßen trat in dem verzweifelten Versuch, zu entkommen und sich mit eiverschmierten Fingern durch die Haare fuhr.

Sie sah ihren Mann an und ergriff seine Hand. "Ich weiß nicht, ob ich es kann," wiederholte sie.

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Den ganzen langen Flur entlang hopste Julia wie ein Frosch. Es verlangsamte ihr Fortkommen ein wenig, aber es störte Dana nicht. Das Gehopse ihrer Tochter sorgte für lustige Abwechslung.

Am Ende des Flures hielten sie an und klingelten an der Tür zu Nr. 1582.  Einen Augenblick später wurde die Tür geöffnet und zeigte eine hochgewachsene Frau mit einem athletischen Körper und kurzem lockigem, braunem Haar. Die Frau trug einen blaß cremefarbenen Hosenanzug, der ihre olivenfarbene Haut und ihre dunklen Augen unterstrich. Sie lächelte. "Sie müssen Dana sein," sagte sie mit einer leisen, melodischen Stimme. "Ich bin Sarah Morelli."

"Es ist nett, Sie kennenzulernen," sagte Dana und sie schüttelten sich die Hände. Sarah hockte sich hin, so daß sie mit Julia auf Augenhöhe war. "Und das ist Julia, vermute ich?"

Julia machte ein gequältes Gesicht und versteckte ihren Kopf in den Falten von Danas Rock.

"Sie ist scheu bei Fremden," sagte Dana entschuldigend.

"Ich kann das verstehen. Ich bin genauso." Sarah erhob sich und öffnete die Tür weiter. "Kommen Sie herein. Die Wohnung ist noch nicht ganz eingerichtet. Wir waren so beschäftigt, seit wir eingezogen sind."

Das Wohnzimmer war fast so wie Danas eigenes - ein mittelgroßes Zimmer mit einer kleinen Ecke für den Computerschreibtisch, beigefarbenem Teppich und einem die ganze Wand einnehmenden Fenster, das die glitzernden Lichter der Stadt bei Nacht zeigte. An einer Wand standen ein paar Umzugskartons übereinander und das Zimmer machte noch einen leeren Eindruck. Es gab keine Bilder an der Wand und nur sehr wenige dekorative Gegenstände, die auf eine lange Anwesenheit in der Wohnung hinwiesen.

"Honey," rief Sarah. "Dana und Julia sind hier."

Mulder trottete aus der Küche, er trug ein Paar abgetragene Jeans und ein graues T-Shirt mit Farbflecken. Sein kurzes Haar stand in alle Richtungen ab. "Hey," begrüßte er sie. "Entschuldigung, daß die Wohnung so chaotisch ist. Ich war heute den ganzen Tag häuslich. Aus irgendeinem Grunde hatte ich die geniale Idee, daß ich Küchenschränke anbauen könnte."

Julia hing weiter an ihrem Bein wie eine Klette und starrte die seltsamen Leute um sie herum an.

"Ist es ein schlechter Zeitpunkt? Wir können an einem anderen Abend wiederkommen..."

Er schüttelte den Kopf. "Ich habe gerade aufgehört. Adam ist schon ganz aufgeregt, mit Julia zu spielen."

Wie auf ein Stichwort erschien der kleine Junge aus dem Flur und rannte auf Julia zu. Er starrte seinen neue Freundin aus schokoladenbraunen Augen, die wie die seiner Mutter aussahen, an.

"Adam, erinnerst du dich an Julia?" fragte Sarah und ließ ihre Finger durch die Locken ihres Sohnes gleiten. "Sie ist hier, um mit dir zu spielen."

"Ich habe Werkzeug," kündigte Adam Julia an, die begann, auf den Ballen ihrer kleinen in Turnschuhen steckenden Füße zu wippen.

"Geh und zeige es Julia," sagte Mulder und gab ihm einen kleinen Schubs.

Die beiden Kinder liefen aus dem Zimmer.

"Er ist neuerdings besessen von seinem Werkzeug," lachte Sarah. "Wir haben all die Arbeit in der Wohnung gemacht und er verschwand mit dem Werkzeug, egal wie gut wir es vor ihm versteckten. Wir haben es in seinem Bett gefunden. Als Kompromiß haben wir ihm einen Satz Werkzeuge aus Plastik zum spielen gekauft und das scheint ein akzeptabler Ersatz zu sein."

"Adam schläft sogar mit seinem Werkzeug," sagte Mulder und zog eine Grimasse.

Sarah ergriff eine braune Lederaktentasche vom Tisch. "Ich muß gehen," sagte sie. "Dana, ich wünschte, ich könnte bleiben, aber die Treuhänder treffen sich heute abend in der Universität."

"Wir müssen das wiederholen, wenn John von seiner Dienstreise zurück ist," sagte Dana.

"Hört sich gut an." Sarah küßte ihren Mann flüchtig auf die mit abendlichen Bartstoppeln bedeckte Wange. "Ich habe das Gefühl, daß es spät werden wird.  Also warte nicht auf mich."

Mulder grinste. "Meine Frau ist einfach unsagbar wichtig..."

"Und vergiß das nicht eine Minute," warnte ihn Sarah, als sie zur Tür hinaus ging.

Die Tür schloß sich mit einem sanften Geräusch und Mulder sagte, "Lassen Sie uns gehen und nachsehen, was unsere schrecklichen Kinder angestellt haben."

Adams kleines Schlafzimmer war hellblau gestrichen und es befand sich ein Kinderbett darin, auf dem eine Decke mit einer knallbunten lustigen Maus darauf lag. Auf dem Boden attackierten die beiden Kinder bunte Plastikbausteine mit ihrem Werkzeug, das ganze begleitet von viel Geschrei.  Sie waren so beschäftigt, daß sie nicht einmal zu ihren Eltern aufsahen.

"Sie haben sich noch nicht gegenseitig umgebracht," sagte Mulder in einem Martini-dry-Ton. "Ich vermute, das ist ein gutes Zeichen. Warum nehmen wir uns nicht ein bißchen Elternauszeit? Wenn wir Schreie der Agonie hören, können wir jederzeit reingehen."

In der kleinen Küche zeigte Mulder mit verlegenem Stolz die neuen weißen Küchenmöbel und setzte den Wasserkessel für Kaffee auf. "Ich freue mich, daß Sie kommen konnten," sagte Mulder und suchte im Kühlschrank nach Milch.  "Sarah und ich haben noch nicht so viele Freunde gefunden. Es war schwer, unseren Freundeskreis in Boston zurückzulassen."

"Ich kann mir nicht einmal im Ansatz vorstellen, hier herausgerissen zu werden." Sie machte eine unbehagliche Geste mit der Hand. "Das hier ist...  das ist alles, was ich jetzt kenne."

Der glänzende schwarze Kessel begann zu pfeifen. Mulder schaltete die Wärmezufuhr ab und goß das heiße Wasser in eine Glaskanne, die mit drei Zentimetern Kaffee gefüllt war. Der würzige Geruch des Kaffees zog durch den Raum, als Dampf aus der Kanne stieg.

"Es ist schön, endlich wieder richtigen Kaffee zu haben," sagte er und drückte auf den Kolben, um den Kaffee zu filtern. "Dieses Ersatzzeug, das wir von den Anderen bekommen haben, hat niemals richtig geschmeckt."

Dana nickte zustimmend und folgte ihm ins Wohnzimmer, wo sie sich auf die braun und weiß gestreifte Couch setzten.

Mit einem kleinen Seufzer, den Dana nicht recht einordnen konnte, goß ihr Mulder eine Tasse Kaffee ein, reichte sie ihr und erlaubte ihr, sich selbst die Milch dazuzugeben. Er sah sich im Zimmer um und sagte, "Ah, häusliches Glück."

Dana pustete in ihren Kaffee und genehmigte sich ein anerkennendes Schnüffeln. Kaffee war erst seit dem letzten Jahr wieder zu bekommen und sie betrachtete ihn immer noch als Genuß.

"Ist es das?" fragte sie. "Ist das häusliches Glück?"

Sie konnte nicht genau begreifen warum, aber Fox Mulder brachte sie dazu, daß sie persönliche Fragen stellen wollte.

Er lehnte sich in die Kissen zurück. Undeutlich konnte Dana ihre Kinder hören, die immer noch die Bausteine mit dem Werkzeug bearbeiteten und lachten.

"Ich nehme an, daß es auf eine Art häusliches Glück ist," sagte Mulder.

"Auf eine Art? Wie ist das zu verstehen?"

Mulder grinste und setzte seine Tasse auf den Couchtisch. "Ich habe eine Frau, die ich liebe, einen hübschen Sohn, Arbeit, die ich interessant und herausfordernd finde, aber..." Er verstummte.

"Aber?"

"Stört es Sie, wenn ich für einen Moment persönlich werde, Dana?" fragte er und beugte sich etwas näher zu ihr. Sie stellte sich für einen Moment vor, daß sie seine Haut riechen könnte.

"Nein, ich habe nichts dagegen."

"Sehen Sie, ich habe so eine Art, die Leute abzuschrecken. Ich ängstige sie, indem ich die falschen Fragen stelle und die falschen Sachen sage." Seine Lippen verzogen sich zu einer Grimasse. "Ich will Ihnen das nicht antun."

"Sie schrecken mich nicht ab," sagte sie. "Ich neige dazu, das entgegengesetzte Problem zu haben. Es ist schwer für mich, mich jemandem zu öffnen."

Mulder sah sie leicht ungläubig an. "Wirklich? Sie schienen mir nie so zu sein."

Dana wand sich unbehaglich auf ihrem Sitz. Es gab keine logische Erklärung dafür, warum sie sich bei diesem Mann so ungewöhnlich wohl fühlte und so willig war, mit ihm zu reden. Es gab Menschen in ihrem Leben, bei denen es sofort Klick machte. Meghan, ihre Partnerin im Labor, war so einer. John war ein weiterer. Vielleicht war es eine Sache von geheimnisvoller zwischenmenschlicher Chemie.

Sie beschloß, die Unterhaltung zum Ausgangspunkt zurückzubringen. "Also, Sie haben von häuslichem Glück gesprochen..."

Mulder sah auf seine Hände, die mit gespreizten Fingern auf seinen Knien lagen. Es waren große Hände und es sah aus, als ob sie stark wären, von blaßgoldener Farbe und durchzogen von auffälligen Adern.

"Ich sollte glücklich sein," sagte er schließlich. "Ich bin glücklich, meistens. Aber neuerdings befallen mich diese - Ängste. Ich kann Ihnen nicht sagen warum. Ich sehe mich in meinem Leben um und alles ist einfach gut, aber innen drin, es ist, als ob ich in tiefer Trauer um etwas bin."

Sie atmete hastig aus und erkannte, daß sie ihn angehalten hatte. "Oder um jemanden."

"Oder um jemanden," wiederholte Mulder. "Es ist frustrierend, nicht in der Lage zu sein, sich zu erinnern. Ein Teil von mir möchte verzweifelt wissen und der andere Teil..."

"Muß vorwärts gehen," fiel Dana ein.

Mulder sah sie aus erstaunten Augen an. Sie bemerkte, daß der Ring um seine Iris von dunklem Grün war, aber winzigste Flecken von Grau und Gold enthielt, wie die bunten Plastikscherben in Julias Kaleidoskop.

"Genau so ist es," sagte er.

Ihre Stimme war ein Flüstern. "Ich fühle genauso, Mulder."

Er nickte. "Wir leben in einer Welt des Verdrängens. Jedermann lebt jeden Tag sein Leben und versucht vorzutäuschen, daß die Vergangenheit unwichtig ist. Die Feinde niemals kamen, der Krieg und die Seuche niemals stattgefunden haben. Wir haben immer in diesen Städten gelebt und die Anderen waren immer unsere Verbündeten und unsere Handelspartner gewesen.  Wen interessiert es, was mit uns im Vorher passiert ist?" Seine Stimme hatte eine Spur von Bitterkeit, wie der Kaffee, den Dana nippte.

Sie war erstaunt, die Gedanken, die ihr so viele Jahre durch den Kopf gegangen waren, von einem anderen Menschen ausgesprochen zu hören.

"Hey," sagte er und berührte leicht ihren Arm. Dana konnte die Hitze seiner Handfläche durch ihren Pullover fühlen. "Es tut mir leid. Ich neige zu solchen Tiraden. Normalerweise ist Sarah da, um mich zum Schweigen zu bringen."

"Es ist in Ordnung. Wirklich. Das hätte ich sein können, die genau das gleiche sagt."

Dana beobachtete, wie er nervös seine Zunge über seine Unterlippe gleiten ließ. Mulder sah wieder auf seine Hände. "Ich muß einfach die Wahrheit wissen. Es wird wahrscheinlich nichts ändern oder mich glücklicher machen, aber wenigstens wüßte ich es."

Ein empörter Schrei kam aus dem Schlafzimmer und Julia kam heraus gerannt, ihre Zöpfe flogen hinter ihr her und sie barg ihren Kopf in Danas Schoß.

"Was ist los?" fragte sie und rieb ihrer Tochter über den Rücken, einen Seufzer unterdrückend. Es war schwer vom Reden über das Vorher in den vollen Mami-Modus überzugehen.

Julia sah mit tränenschimmernden Augen zu ihr auf. "Er hat meine Bausteine genommen!"

Mulder schüttelte den Kopf und stand auf. "Es sieht so aus, als wäre die Erwachsenenauszeit vorbei - alle zehn Minuten davon."

Scully grinste, sie wußte, wie selten diese Zeiten waren.

Er ging in die Küche. "Das einzige, was diese Kabbelei beenden wird, sind Kekse," sagte er über seine Schulter.

Dana lächelte enttäuscht und sah in das runde Gesicht ihrer Tochter.

Ja, wirklich häusliches Glück.

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Es war zwei Uhr und sie konnte nicht schlafen. Nachdem sie sich ein weiteres Mal sinnlos im Bett umgedreht hatte, setzte sich Dana auf und knipste die Nachttischlampe an.

Das Apartment war zu still ohne John. Es war schwer für sie zu schlafen ohne die Wärme seines Körpers neben ihr. Oder vielleicht war es der Kaffee, den sie bei Mulder getrunken hatte. Wie auch immer, ihr Geist würde nicht ruhig genug werden, um ihr zu erlauben, in den Schlaf zu gleiten.

Einen Augenblick überlegte Dana, ob sie eins von den Schlafpflastern nehmen sollte, die ihr Dr. Hanley verschrieben hatte. Sie machten nicht abhängig, aber sie hatten dennoch den unangenehmen Effekt, daß sie sich am Morgen wie betäubt fühlte. Sie hatte für morgen den ganzen Tag schwierige Laborarbeiten auf dem Plan und sie würden sich nicht machen lassen, wenn sie gähnte und durcheinander war.

Sie fragte sich, ob John verärgert wäre, wenn sie ihn mitten in der Nacht in seinem Hotel in Sao Paolo anrufen würde. Mit einem Seufzer entschied sie, daß es so wäre.

Ihre Ärztin hatte ihr einige mentale Übungen beigebracht, die sie versuchen sollte, wenn sie einen ihrer Anfälle von Schlaflosigkeit hatte und Dana meinte, daß es nicht schaden würde, wenn sie eine davon ausprobierte.

Sie schaltete das Licht aus, drehte sich auf die rechte Seite und rollte sich in Fötusposition zusammen.

Sie gönnte es sich, langsam und gleichmäßig zu atmen und versuchte, sich an eine Zeit zu erinnern, in der sie sich absolut ruhig und in Frieden fühlte.  An eine Zeit, in der sie nichts anderes als glücklich war.

Einatmen. Ein glücklicher Ort.

Ausatmen. Genau in diesem Bett.

... daliegend, halb im Schlaf, betäubt von den Nachwirkungen von Lust und Erschöpfung. Johns warmer Körper neben ihr, noch glänzend von Schweiß, seine Brust an ihrem Rücken, ein Arm über ihren Körper gelegt und seine Hand, die auf der kleinen anschwellenden Kugel ihres Bauches ruhte.

Und ihre Augen kämpften darum, offen zu bleiben, sich zu erinnern und die süße Zufriedenheit dieses Momentes zu schmecken, seinen warmen Atem, der an ihrem Ohr kitzelte und ihren Körper, der noch glühte von ihrem Orgasmus.  Schließlich, endlich nach fast einem Jahr Versuche, schwanger zu werden, nach oft schmerzhaften Tests und Prozeduren, experimenteller Eizellenregenerierungstherapie wuchs und gedieh ihr Baby nun in ihrem Körper, beinahe fünf Monate alt. Und sich zu lieben kann wieder das Teilen von Zuneigung, das Geben und Nehmen von Lust sein und nicht mehr die Beschäftigung mit der Fortpflanzung.

Sie hörte zu, wie Johns Atem in das Schlafmuster glitt - langes Einatmen von Sauerstoff, langsames Ausatmen von Kohlendioxyd.

Schließlich, endlich...

Dana spürte, wie der Schlaf nach ihr griff wie in dieser wunderbaren Nacht Jahre zuvor und ein schwaches Lächeln formte ihre Lippen, als sie begann, in den Schlaf zu sinken. Tiefer und tiefer, dunkler und dunkler, schließlich kam der Schlaf.

 

... nicht heute Nacht, Scully, es ist noch nicht die Zeit dafür, laß uns einfach einander warm halten, bitte, mir zuliebe, noch eine Nacht, ich möchte noch einen neuen Morgen mit dir erleben...

 

Ihre Augen flogen auf in der Dunkelheit des Schlafzimmers und sie kämpfte darum, zu atmen. Was, was, was verdammt war das? Es war ein tiefes kratzendes männliches Flüstern gewesen, als ob jemand mit ihr im Bett gewesen wäre.

Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie kletterte mit zitternden Beinen aus dem Bett und schaffte es gerade bis zur Toilette, bis sie sich übergab.

Sie legte ihre Wange gegen die Kühle der weißen Schüssel, schloß ihre Augen und kämpfte gegen die schleichende Welle der Übelkeit.

Ich will das nicht, nicht heute Nacht, dachte sie. Alles was ich will, ist schlafen.

Schließlich stand sie auf, putzte sich die Zähne und trank ein Glas kaltes Wasser.

Sie wollte nicht mehr nachdenken.

Ihre Niederlage eingestehend öffnete sie den Medizinschrank über dem Waschbecken und holte die Schachtel mit dem Schlafpflaster heraus.

Zehn Minuten später erreichte die Droge ihren Blutkreislauf durch die Haut an der Innenseite ihres Armes und sie verlor sich in einem schweren, traumlosen Schlummer.

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"Ich habe da diese Theorie," sagte Mulder und platschte mit seinen nackten Füßen im Wasser herum. "Möchten Sie sie hören?"

Sie waren im City Center Park, dem größten Parkgelände, mehrere Quadratmeilen in der Mitte des Geschäftsbezirks gelegen. Sarah und die Kinder waren am anderen Ende des großen Springbrunnens aus Marmor und ließen Plastiksegelboote im seichten Wasser schwimmen. Adam und Julia hatten sich nackt ausgezogen und waren naß und glänzend wie kleine Seehunde.

Mulder und Dana hatten ihre Schuhe und Socken ausgezogen und ihre Hosen aufgerollt und genossen das Gefühl des kühlen Wassers an ihren nackten Füßen, während sie Sandwiches aßen.

Sie zog eine einzelne Augenbraue hoch, unfähig eine Anmerkung zu machen, weil sie an einem Bissen ihres Truthahnsandwiches kaute. Sie schluckte und sagte, "Sie scheinen eine Menge Theorien zu haben, Mulder."

Es war so problemlos und nett, einfach im Park herumzuhängen, umgeben von Bäumen und Gras und Familien, ihre Tochter, die fröhlich im Wasser herumplanschte. Die seltsamen Ereignisse zwei Nächte zuvor schienen beinahe so, als wären sie nicht passiert.

"Es ist irgendwie eine seltsame Theorie," sagte Mulder und knüllte das Papier, in das sein Sandwich eingewickelt war, zusammen. "Ich habe sie noch nie jemandem erzählt."

Warum erzählst du sie dann mir und nicht deiner Frau, dachte sie. Aber sie kannte die Antwort - Sarah wollte nicht über diese Dinge diskutieren, genauso wenig wie John.

"Schießen Sie los," sagte sie.

"Welches Jahr haben wir?" fragte Mulder.

Sie sah ihn verwirrt an. "Es ist 2004," sagte sie in einem Ton, der unausgesprochen ein ‚natürlich' hinzufügte.

"Und Sie sind sich sicher?"

"Natürlich bin ich sicher. Es ist das, was mir mein Kalender und mein Computer sagen..."

Mulder drehte den Kopf und sah sie seltsam intensiv an. "Das ist das, was sie uns sagen, aber haben Sie Geduld mit mir, Dana. Wir wissen, daß die Anderen die Überlebenden gerettet haben. Wir wurden in Stase gehalten, gegen die Seuche behandelt und erwachten in einer Phase, in der wir uns in den neuen Städten wiederfanden, die die Anderen für uns geschaffen hatten."

Dana nickte. Das waren alte Neuigkeiten für sie.

Er platschte ein bißchen mehr mit seinen Füßen im Wasser. "Die Zeitleiste sagt, daß wir drei Monate in Stase waren. Was ist, wenn das nicht wahr ist?"

Sie spürte, wie sich ihre Brauen zusammenzogen. "Warum sollte es nicht wahr sein?" Sie beobachtete, wie Sarah Julia durch das Wasser in ihre Arme zog und hörte das glückliche Lachen ihrer Tochter.

"Ich weiß nicht." Mulder schüttelte den Kopf, als wenn er ebenfalls durch seine eigene Theorie verwirrt wäre. "Es scheint mir nur eigenartig zu sein, daß die Anderen so gut zu uns gewesen sind und so wenig als Gegenleistung erbeten haben. Sie retteten uns, halfen uns, etwas Ähnliches wie unsere frühere Welt wiederzuerschaffen und gaben uns Autonomie. Ihre Motive waren gänzlich uneigennützig gewesen, abgesehen davon, daß sie nun Handel mit uns betreiben und Zugang zu einigen benötigten Naturressourcen der Erde haben."

"Und Sie zweifeln an ihren guten Absichten? Glauben Sie nicht, wenn die Motive der Anderen nicht ehrenwert wären, daß sie schon ihr wahres Gesicht gezeigt hätten? Es sind bereits fünf Jahre."

Mulder kicherte. "Ich mag die Art, wie Sie mich herausfordern, Dana."

Sie lächelte darüber. "Also, was hat das zu tun mit der Zeitleiste?"

"Es ist nur etwas, worüber ich hin und wieder nachdenke. Was, wenn wir länger als drei Monate in Stase gewesen sind? Es hätte ein Jahrhundert sein können, sogar noch länger, trotz allem, was wir wissen."

"Zu welchem Zweck?" Sie nahm einen großen Schluck ihrer Limonade und sah wieder in sein ernstes Gesicht.

"Jeder," sagte Mulder und zuckte mit den Schultern. "Experimente, die Sammlung genetischen Materials... Ich habe sogar in Erwägung gezogen, daß es möglicherweise gar keine Feinde gab oder einen Krieg oder die Seuche.  Vielleicht wurde der Rest der Welt von den Anderen getötet oder mitgenommen. Welche Möglichkeit haben wir, zu wissen, was wahr ist? Niemand kann sich erinnern."

Ein Frösteln durchlief Dana, als sie über seine Worte nachdachte. Aber sie schüttelte es ab. Mulder hatte recht gehabt, es war eine seltsame Theorie.  "Es ist ziemlich weit hergeholt," sagte sie.

"Ja, ich weiß. Aber so arbeitet mein Verstand."

"Es ist eine beunruhigende Idee." Es war schwer, sich vorzustellen, daß alles, was sie als Fakten kannte, gänzlich falsch sein könnte.

"Ich wollte Sie nicht erschrecken. Nach allem, was wir gesehen haben, sind die Anderen die guten Jungs. Wie ich sagte, ich entwickle einfach diese Ideen."

"Ich mag es," sagte sie und sah auf die blassen Formen ihrer Füße unter Wasser. "Es ist erfrischend, über diese Dinge reden zu können und zu wissen, Sie denken nicht, ich bin verrückt."

"Sie sind diejenige, die denken müßte, ich bin verrückt. Aber Sie tun es nicht."

"Sie sind nicht verrückt," sagte sie.

Mulder berührte ihre Hand leicht mit seiner und sie spürte, wie etwas Elektrisierendes in ihren Arm schoß. Es war das Bewußtsein, die plötzliche Erkenntnis, daß der Mann, der neben ihr saß, ein attraktiver Mann war. Er starrte sie mit einem Ausdruck an, der ihr gestattete, die Sexualität in dem Mann zu sehen, die Leidenschaft, die hinter seinem schrägen Humor und seinen komischen Ideen existierte. Mulder sah sie an, als wäre sie in diesem Moment der einzige Mensch auf Erden. Denk das nicht, sagte sie zu sich selbst und zwang sich, zu seiner Frau am anderen Ende des Springbrunnens zu sehen, die bis zu den Knien ihrer Jeans naß war und mit den Kindern spielte.

Er schien zurückzukehren zu dem Verständnis, wo sie wirklich waren. Er schwang seine Beine aus dem Springbrunnen und schüttelte das Wasser von seinen Füßen. "Sie haben Handtücher mitgebracht, richtig?"

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Als Julia und sie nach Hause kamen, war eine Notiz von John auf ihrem Mailserver, der sie um einen Anruf in seinem Hotel bat. Sie badete Julia schnell, las ihr eine Geschichte vor und ließ ihre Tochter im Licht ihres Bud-die-Eidechse-Nachtlichtes schlafen.

Sie saß vor dem Telebildschirm und drückte die Nummer von Johns Hotel in die Fernbedienung. Nach einer Minute waren sie verbunden und das Bild ihres Mannes, der seinen Pyjama anhatte und auf der Kante seines Hotelbettes saß, erschien auf dem Bildschirm. Er lächelte, als er sie sah. "Hey Baby, ich vermisse dich," sagte er.

"Ich dich auch."

"Ich habe heute abend zweimal versucht, dich anzurufen. Wo warst du?"

Sie wußte, er fragte nicht aus Mißtrauen sondern aus Neugier, aber die Frage verursachte ihr ein seltsames Gefühl. "Eine Verabredung zum Spielen.  Ich habe vor ein paar Tagen ein nettes Paar, Sarah und Mulder, getroffen.

Wir waren heute abend mit den Kindern im City Center Park."

"Oh, ich vermisse sie so sehr. Ist sie im Bett?"

Dana nickte. "Ja. Möchtest du, daß ich sie für dich aufwecke?"

"Nein. Laß sie schlafen."

"Hast du immer noch vor, Sonnabend zurückzukommen?" Nur sechs Tage, sagte sie sich. Das ist nicht so lange.

John verzog das Gesicht und fuhr sich mit den Fingern durch sein braunes Haar, welches begann, würdevoll zurückzuweichen. "Deshalb habe ich angerufen. Das Projekt ist wirklich verdorben. Ich habe 16-Stunden-Tage auf der Baustelle verbracht. Ich glaube nicht, daß ich schon zurückkommen kann.  Es wird noch einmal zwei Wochen dauern."

"Zwei Wochen?" Sie versuchte, nicht allzu enttäuscht zu klingen, aber es gelang ihr nicht.

"Ich weiß, Dana und ich fühle mich schrecklich. Ich vermisse Julia und dich so sehr. Und ich weiß, daß ich deinen Geburtstag verpasse."

Das war richtig. Sie hatte vollkommen vergessen, daß Sonntag ihr Geburtstag war.

"Oh nun, wir können ihn feiern, wenn du zurück bist."

Er lächelte sie an, ein süßes und schuldbeladenes kleines Lächeln. "Das werden wir, Honey, darauf kannst du zählen."

Ein paar Minuten später, nachdem sie noch ein bißchen geplaudert hatten, sagten sie Auf Wiedersehen und trennten die Verbindung.

Ich habe vergessen, ihm zu sagen, daß ich ihn liebe, dachte sie, als sie von der Couch aufstand und begann, die auf dem Boden verstreuten Spielsachen aufzusammeln. Aber er weiß, wie ich fühle.

Sie beschloß, ihm eine Nachricht über den Mailserver zu schicken, um ihm zu sagen, wie sie fühlte, wenn sie das Wohnzimmer aufgeräumt hatte. Es würde ihre Verbindung festigen, so viele Meilen voneinander getrennt.

Eine Stunde später war sie fast eingeschlafen, als ihr einfiel, daß sie vergessen hatte, die Nachricht zu senden.

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Am nächsten Abend, nachdem sie Julia ins Bett gebracht hatte, machte sich Dana schließlich daran, die Nachricht an John zu schicken. Es war entspannend, nachdem sie den Tag mit einer Präsentation auf einem Seminar in Spina Bifida verbracht hatte, sich in dem bequemen Computersessel zurückzulehnen, die Augen zu schließen und nur die bernsteinfarbenen Buchstaben auf dem schwarzen Hintergrund zu sehen. Ihre Finger tippten automatisch auf der Tastatur, die sie nicht sehen konnte. Sie war mitten in einem begeisterten Abschnitt über ihre Flitterwochen, als eine leuchtend gelbe Seite in ihr Blickfeld eindrang.

*Zentral-Netsystem user fwmulder2411 fragt an user dkscully8732 für

Netspace AE3456-AT*

Seltsam, sinnierte sie, Mulder hatte einen Netspace. Sie erwog kurz, ihre Nachricht zu beenden, aber die Neugier siegte und sie schloß den Mailserver.

Es war selten, daß Dana völlig ins Net eintauchte. Von Zeit zu Zeit mußte sie an Netzwerkkonferenzen oder Meetings teilnehmen, aber sie genoß es nicht, nur zum Spaß vollkommen einzutauchen. Viele Menschen, einschließlich ihr eigener Mann, genossen es, in die synthetische Welt der Unterhaltung, der Nachrichten und Spiele einzutauchen, aber sie störte es ein wenig. Die Welt innerhalb des Net war ihr irgendwie zu real und die Grenze zwischen virtuellem und realem Selbst schien zu verschwommen, um behaglich zu sein.  Wenn sie nach dem Eintauchen einen Holztisch in einem Konferenzraum berührte, fühlte er sich so solide und glatt unter ihren Fingerspitzen an, wie der Tisch in ihrer Küche. Sie wußte, daß sie den Tisch nicht wirklich fühlte, wenn sie eingetaucht war und daß ihr Gehirn einfach durch die Software manipuliert wurde, etwas zu spüren, das nicht wirklich da war.  Jeder, den sie kannte, akzeptierte das Eintauchen in das Net als eine Art des täglichen Lebens, aber Dana zog die prosaische Realität der Welt außerhalb der Computer vor.

Sie atmete tief ein, gab die Adresse zu Mulders Netspace ein und drückte den Netverbindungsknopf. Ein leuchtender Lichtblitz ließ sie zusammenfahren, wie immer, wenn sie eintauchte. Einmal hatte sie Evan, ihren Nachbarn von gegenüber gefragt, warum die Verbindung mit dem Net diesen Blitz produzierte. Er war Systemanalytiker im Zentral-Netsystem, dem öffentlichen Dienstleistungsnetz der Stadt. Evan hatte gelacht. "Es ist alles nur psychologisch. Der Blitz muß nicht sein, aber er führt dazu, daß die Leute glauben, sie gehen wirklich irgendwo hin..." Er hatte ihr angeboten, in das System ihres Computers zu gehen und den Blitz auszuschalten, aber zerstreut wie Evan war, war er niemals vorbeigekommen.

Ihr virtuelles Selbst tauchte in einem langen, metallenen Flur mit einer endlosen Reihe von Türen auf, die alle mit ihrer Netspace-Nummer gekennzeichnet waren. Sie war genau vor AE3456-AT. Die die Tür scannende Software registrierte ihre Anwesenheit und die Tür glitt geschmeidig auf, um ein schwarzes Nichts zu zeigen.

Sich wie Alice im Wunderland fühlend, einem Buch, das sie für Julia gekauft hatte, wenn sie älter war, schritt Dana in die Dunkelheit...

... und fand sich an einem Strand wieder.

Seltsamer und seltsamer, dachte sie. Sie stand an einem dem Wind ausgesetzten Strand, das Meer hatte weiße Schaumkronen und krachte gegen den Sand. Es war so real, daß es Dana den Atem nahm. Sie schwor, daß sie das Salz in der Luft riechen konnte und sie hörte die Schreie der Seemöwen am Himmel. Der Himmel war von einem schweren Grau. Der Wind wehte ihr das Haar ins Gesicht, als sie die Landschaft nach irgendeinem Zeichen von Mulder absuchte.

"Zuviel Wind für Sie?" fragte Mulder.

Sie drehte sich um, er stand neben ihr und sah genauso aus, wie im wirklichen Leben. Mit der richtigen Software zu Hause können Menschen sich beim Eintauchen in jeder Art darstellen, die sie möchten und sie war erleichtert darüber, daß er nicht als gigantisches Warzenschwein oder großer, graugesichtiger Anderer erschienen war. Phantasie war gut und schön, aber genug war genug.

Dana schüttelte ungläubig den Kopf. "Ich habe noch niemals so einen sorgfältig ausgearbeiteten Netspace gesehen. Haben Sie das selbst entworfen?"

"Machen Sie Witze?" Er begann zu lachen. "Ich bin ein ziemlicher Idiot, wenn es um solche Sachen geht. Ich habe einem Designer eine ganze Menge für diesen Netspace bezahlt."

"Es ist wunderschön. Ich habe niemals ein Meer wie dieses gesehen."

Sie begannen, den Strand zum Wasser hin entlang zu gehen. "Dann waren Sie schon einmal am Meer?" fragte er.

"Ja, in meinen Flitterwochen. Wir waren in Neuseeland, in Miracle Beach."

"Dies ist der Atlantik. Bevor Sarah und ich verheiratet waren, fuhr ich mit ihr zu einer Konferenz nach Maine. Dort gibt es einen Kurort nur für hochrangige Beamte. Die Atmosphäre dort ist ungefährlich, so daß man draußen sein kann. Während Sarah mit den Akademikern zusammensaß, habe ich fast meine ganze Zeit am Strand verbracht. Ich habe mich in meinem ganzen Leben niemals so zu Hause gefühlt."

Sie erreichten das Ufer, gerade weit genug entfernt, um zu vermeiden, durch die Brandung naß zu werden, aber alle paar Wellen bekam sie etwas von dem kühlen Sprühregen in ihr Gesicht.

"Kommen Sie oft hierher?" fragte sie.

Er sah in den dunklen Himmel. "Nur, wenn ich nachdenken muß. Es scheint so, daß mir die besten Gedanken an diesem Strand kommen."

"Ich kann verstehen, warum. Es ist friedlich hier."

"Hier erinnere ich mich."

Sie sah ihm in die Augen, die heute so grau waren, wie die Wolken über ihnen. "Erinnern an das Vorher?"

Mulder zuckte befangen mit den Schultern. "Ja. Hier gibt es nichts, das mich beim Nachdenken ablenkt."

Dana nahm eine Handvoll braunen Sand auf und ließ die Körner durch ihre Finger gleiten. Verblüffend, sie konnte tatsächlich jedes einzelne Körnchen fühlen.

Sie hatte eine Frage an Mulder, aber sie wußte nicht, ob sie es wagen konnte, sie zu stellen. Wenn es ihr eigener Mann ihr nicht erzählen wollte, warum sollte es Mulder tun?

Aber sie fragte ihn trotzdem. "Mulder," sagte sie mit kaum wahrnehmbarer Stimme. "Woran erinnern Sie sich?"

Anstatt beleidigt zu sein, wandte er sich ihr zu und lächelte. "Wollen Sie es wirklich wissen?"

Sie nickte.

"Es ist nicht sehr viel," gab er zu. "Nur einige grundlegende Eindrücke.  Ich weiß, ich hatte eine jüngere Schwester und sie hatte dunkles Haar, dunkler als meines. Ich erinnere mich daran, als Kind mit meinem Rad gefahren zu sein und Baseball gespielt zu haben. Und ich erinnere mich daran, an einem Strand gestanden zu haben, der sehr viel Ähnlichkeit mit diesem hier hatte."

"Irgend etwas aus Ihrem Erwachsenenleben?"

"Die meisten meiner Erinnerungen stammen aus der Kindheit. Ich weiß, daß ich eine Ausbildung als Psychologe habe, aber ich glaube nicht, daß ich mit Kindern gearbeitet habe, wie ich es jetzt tue. Kürzlich habe ich mich daran erinnert, daß ich in irgendeiner Art Justizbehörde gearbeitet habe."

"Justizbehörde? Sie waren so etwas wie ein Gesetzeshüter?"

"Irgend etwas in der Art. Da gab es eine Behörde im Vorher, die nannte sich Federal Bureau of Investigation. Haben Sie davon gehört?"

"Sicher. Ich habe darüber gelesen und ich habe einen Film gesehen, der den Krieg überlebt hat, darin gab es ein paar FBI-Agenten."

"Es mag absonderlich klingen, aber ich glaube, ich war einer dieser Agenten. Ich habe dieses kleine Stück Erinnerung, wo ich auf meinen Ausweis blicke."

Ihre Augenbraue ging nach oben. "Haben Sie versucht, nachzusehen, ob noch irgendwelche Aufzeichnungen existieren?"

"Ja, das habe ich." Der Ausdruck auf Mulders Gesicht zeigte seine Enttäuschung. "Die Aufzeichnungen im Net sind nicht zugänglich. Sie sind fest verschlossen und wie ich schon sagte, ich bin kein Computergenie."

Ein Inspirationsblitz durchfuhr sie. "Mulder, ich habe einen Nachbarn, ein Freund von mir. Er weiß alles über Computer. Ich könnte ihn bitten, für Sie nachzusehen."

"Das würden Sie für mich tun?" Seine Augen wurden groß und für einen Moment konnte Dana sehen, wie Mulder als Junge ausgesehen haben muß.

"Ich werde es tun."

Einen Moment hielt er ihre Hand und drückte sie. Bevor sie überhaupt das Gefühl wahrnehmen konnte, ließ er ihre Hand schon wieder los. "Das würde mir eine Menge bedeuten, Dana."

Sie lächelte. "Sie und ich, wir sind uns sehr ähnlich. Wir möchten wissen, mehr als alles andere."

Für einen langen Moment war Mulder still und starrte auf die Brandung.  Schließlich sagte er, "Manchmal glaube ich, wir sind die beiden einzigen Menschen auf der Welt, die das tun."

"Es fühlt sich nicht mehr so einsam an," flüsterte sie.

Dana drehte sich zu ihm, die Brise wehte ihr nun das Haar aus dem Gesicht.

"Warum haben Sie mich heute Nacht hierher gebeten?"

Er grinste befangen. "Weil Sie die einzige sind, die versteht, was dieser Ort mir bedeutet."

Mulder legte seinen Arm um sie, sie standen zusammen im Sand und beobachteten gemeinsam das Meer.

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Die Party war bereits in vollem Gange, als sie die Tür zu Mulders und Sarahs Apartment aufstieß. Menschen, die sie nicht kannte, geschniegelt und gebügelt, standen in kleinen Gruppen zusammen, unterhielten sich und tranken Wein. Die Luft roch nach dem Parfüm der Frauen und im Hintergrund konnte sie das Spiel eines Jazzpianos aus dem Soundsystem hören.

Dana stand im Türrahmen und war sich nicht sicher, was sie tun sollte.  Gewöhnlich, wenn sie mit einem ganzen Raum voller Fremder zurecht kommen mußte, hatte sie John dabei, der sie durch die Menge navigierte und ihr half, sich mit Unterhaltungen herumzuschlagen. Nun war sie auf sich gestellt. Das ist albern, sagte sie sich. Du bist intelligent und unabhängig und du brauchst nicht deinen Mann, um diesen Abend zu überstehen.

Sarah entdeckte sie von ihrem Sitzplatz auf der Couch aus und kam herüber.  Sie sah heute Nacht elegant aus in einem schokoladenbraunen Kleid, das zu ihren Augen paßte und ihre vollen Brüste vorteilhaft herausstellte.

"Ich freue mich, daß Sie gekommen sind," sagte Sarah und hakte sich bei Dana ein. Sie senkte ihre Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. "Das war meine Idee, nicht Mulders. Ich wollte das endgültige Auspacken feiern."

"Wo ist er?" fragte Dana.

"Ich glaube, er schmollt in der Küche. Mulder mag Partys wirklich nicht..." Sie entdeckte neue Gäste, die durch die Eingangstür kamen. "Gut, ich muß gehen und Gastgeberin spielen."

In der Küche war Mulder dabei, Weinflaschen zu öffnen, mit dem Ausdruck intensiver Konzentration auf seinem Gesicht. Bevor sie die Chance hatte, ihn zu begrüßen, sah er zu ihr auf und lächelte.

In dem Moment wünschte Dana, sie hätte etwas zum Anziehen ausgewählt, bei dem sie sich nicht so bloß fühlen würde. Die Einladung hatte Abendkleidung erwähnt und dies war das einzige dezente Abendkleid, das sie besaß. Sie hatte es gekauft, nachdem ihr Körper nach der Schwangerschaft endlich wieder in Form gekommen war. Das Kleid war ärmellos und aus feinem seidig glänzendem Material von sehr dunklem Rot, beinahe maronfarbig. Vorn war es am Hals hoch geschnitten und der Saum reichte bis knapp übers Knie. Aber im Rücken war es tief ausgeschnitten, beinahe bis zu ihrem Tattoo in der Lendengegend. Nun fühlte sie sich seltsam nackt vor dem Auf und Ab von Mulders Augen.

Was zur Hölle geht hier vor sich, dachte sie. Sie fühlte sich ein wenig unbehaglich nach dem süßen kleinen Moment, den sie in jener Nacht in Mulders Netspace geteilt hatten. Zugegeben, wenn man es im Cyberspace machte, zählte es nicht wirklich, aber sie hatte sich so zufrieden und ruhig gefühlt, als sie den Wellen zusahen, sein Arm um sie.

Dana reichte ihm ein in Papier gehülltes Paket und er wickelte eine Flasche Australischen Cabernet aus. Australien hatte während der Invasion relativ wenig Schaden erlitten und seine Weingärten exportierten wieder Wein.

"So viel Wein," sagte er kopfschüttelnd. "Ich kann bereits den Katzenjammer fühlen, den ich morgen haben werde." Er gab ihr ein Glas Rotwein, das er eingegossen und auf ein Tablett gestellt hatte.

Sie nippte an dem Wein. "Sarah sagt, Sie mögen keine Partys."

Mulder zuckte mit den Schultern. "Zu viele Menschen auf einmal - es ist Sinnesüberladung. Ich neige dazu, cholerisch zu werden, wie Adam, wenn er über seine Schlafenszeit hinaus auf ist."

"Da wir gerade von ihm sprechen, wo ist er heute Abend?" Es gab keine Möglichkeit, daß ein Kind während einer Party in einem kleinen Apartment schlafen konnte.

"Es gibt eine nette ältere Dame, sie wohnt im dritten Stock und heißt Rose.  Sie vergöttert Adam und war erfreut, ihn uns heute Abend abnehmen zu können. Wo ist Julia?"

"Sie ist bei meiner Partnerin aus dem Labor. Ihr Mann und sie haben noch keine Kinder und sie mögen es, mit Julia zu üben."

Er grinste darüber und sie dachte darüber nach, wie gefährlich sein Lächeln war. Mulder war heute Abend ganz in schwarz gekleidet - ein schwarzes Hemd, das soweit aufgeknöpft war, daß es ein paar dunkle gelockte Haare zeigte, und schwarze Hosen. Es tat beinahe weh, ihn anzusehen.

Krieg dich in den Griff, sagte sie sich.

"Es freut mich, daß Sie es möglich machen konnten, Dana. Die meisten Gäste sind Kollegen von Sarah aus der Universität. Ich kenne kaum eine Seele."

"Es freut mich ebenfalls." Es war ein freies Gefühl, ohne John oder Julia auszugehen. Ein wenig unheimlich, ja, aber sie konnte sich dunkel an eine Zeit erinnern, in der sie gänzlich allein gewesen war.

Sie mischten sich unter die Menge und wurden bald getrennt. Sie nahm ihren Mut zusammen und machte sich selbst mit einer Gruppe freundlich aussehender Professoren bekannt. Bald schon diskutierten sie alle die anstehenden Wahlen. Im November sollte es die ersten weltumspannenden Präsidentenwahlen geben, dann würde die Amtszeit des Interimspräsidenten Lobacheva enden. Sie stritten über die hauptsächlichen Kandidaten. Ihr Favorit war Hirako Yamaguchi, aber die meisten anderen votierten für Stephen Michaels-St.  Clair. Dana bemerkte zu ihrer Überraschung, daß sie Spaß daran hatte, als sie über die Kandidaten debattierten wie Gelehrte in einem politischen Tele-Programm. Die Unterhaltung in ihrem gesellschaftlichen Umfeld schien sich vollkommen um Wissenschaft und Elternschaft zu drehen. Es war erfrischend, die Agrarreform und die Einsprachen-Gesetzgebung mit intelligenten Menschen zu diskutieren.

Die Party schritt voran und Dana war überrascht, als sie auf ihre Uhr sah, daß es Mitternacht war. Die Menge hatte sich ein wenig gelichtet und sie bemerkte, daß Sarah auf der Couch zusammengesunken war, eingeschlafen durch die Wirkung von zuviel Wein. Mulder war nirgendwo zu sehen. Der Raum war beinahe stickig vor Körperhitze und obwohl ihr Kleid recht knapp war, war Dana heiß. Sie brauchte ein wenig Luft.

Mit ihrem vierten Glas Wein in der Hand ging sie durch die Vordertür hinaus. Gott, ich bin beschwipst, dachte sie im Fahrstuhl, während sie ihr gerötetes Gesicht im Spiegel betrachtete.

Draußen war die Straße still und verlassen, das einzige Geräusch kam von einer Reinigungsmaschine, die den Gehsteig entlang fuhr und dabei Wasser verspritzte. Zwischen Mulders Wohnhaus und dem nächsten gab es einen kleinen grünen Bereich, nicht groß genug, um als Park zu zählen. Es gab nur einen Flecken grünen Grases, ein paar Schaukeln und eine Bank.

Dana setzte sich auf die Bank und sah hinauf zu den Sternen, die hinter der Kuppel glitzerten. Da war ein Lied, an das sie sich erinnerte und das sie jetzt manchmal Julia vorsang. "Funkle, funkle, kleiner Stern, und ich frage mich, was du bist." Sie dachte über die Anderen nach und wie sie die Feinde vertrieben hatten. Wer ist noch da draußen, fragte sie sich und machte die Sternbilder aus. Wir sind definitiv nicht allein.

"Haben Sie sich jemals bei einem Stern etwas gewünscht?"

Sie zuckte ein wenig zusammen, als eine unerwartete Stimme in ihre Träumereien eindrang, aber es war nur Mulder.

Er legte seine Hand auf ihre Schulter. "Entschuldigung, ich wollte Sie nicht erschrecken."

"Flüchten Sie vor Ihrer eigenen Party?" Dana zog eine Augenbraue hoch. "Sie sind ein schlechter Gastgeber."

"Das bin ich." Er setzte sich neben sie und sah in den Himmel hinauf.

"Nun, es war nett von Ihnen, mir eine Geburtstagsparty zu geben."

Mulder drehte sich um, um sie anzusehen. "Es ist Ihr Geburtstag? Das wußte ich nicht."

Sie grinste. "Tja, ich habe es Ihnen nicht gesagt, also machen Sie sich keine Gedanken. Nebenbei, mein Geburtstag ist morgen." Dana sah auf ihre Uhr. "Tatsächlich ist er nun heute."

"Wenn Sie es mir gesagt hätten, hätte ich Ihnen einen Kuchen und ein Geschenk besorgen können."

"Machen Sie sich nicht lächerlich. Ich brauche nichts von all dem. Ich werde ihn morgen Abend bei einer Freundin feiern. Sie kocht für mich."

"Also, wie alt sind Sie?"

Sie blickte ihn verärgert an. "Wissen Sie nicht, daß es unhöflich ist, diese Frage zu stellen, wenn eine Dame ein bestimmtes Alter erreicht hat?"

Mulder schnaubte. "Bitte, Dana, bei Ihnen hört sich das so an, als wären Sie achtzig Jahre alt. Sie sehen keinen Tag älter als neunundsiebzig aus."

Dana machte eine Bewegung, um ihm einen Klaps auf die Wange zu geben, aber er fing ihre Hand ab und umschloß sie mit seiner. Oh, sie konnte nicht atmen. "Kommen Sie schon, raus damit," sagte er grinsend.

Sie zog ihre Hand weg und sagte, "Ich bin einundvierzig."

Er rollte mit den Augen. "Das ist alles? Im Vergleich zu Ihnen bin ich alt, ich bin fünfundvierzig."

Sie lehnte sich zurück und legte ihre Beine übereinander. "Wir werden alt, Mulder."

Manchmal fragte sie sich, wie sie aussah, als sie jung war, bevor sie diese feinen Linien um die Augen hatte, bevor die grauen Haare begonnen hatten, sich in das Rot zu schleichen.

Mit einer kühlen Hand berührte Mulder ihre Wange. "Sie sind eine wunderschöne Frau, Dana, in jedem Alter." Sie hätte über seine Worte gelacht, wenn er sie nicht in so einem leisen, ernsten Ton gesagt hätte.

Dana starrte ihn als, als würde sie ihm nicht glauben und dann sah sie auf ihre zitternden Hände, die ihr Weinglas umklammerten, als wäre es ein Lebensretter.

Seine Finger hoben ihr Kinn an, so daß sie gezwungen war, ihn wieder anzusehen. "Glaubst du mir nicht?" flüsterte er.

Oh, sie konnte die Erregung in seinen Augen sehen, spürte sie praktisch in Wellen von seinem Körper kommen. Als Reaktion darauf prickelte ihre Haut und sie bekam eine Gänsehaut.

Ich muß weg hier, dachte sie, aber sie konnte sich nicht bewegen. Sie fühlte sich wie hypnotisiert durch den hungrigen Ausdruck auf Mulders Gesicht.

Er blinzelte und rückte ein wenig näher. Er wird mich küssen, dachte sie fassungslos. Ich kann das nicht zulassen, ich kann nicht. Aber ein Teil von ihr wollte ihn.

Dana zog sich von Mulder zurück und sie spürte, wie ein befangenes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien.

Sag etwas und entschärfe den Augenblick.

Sie räusperte sich und fragte, "Was geht hier vor, Mulder?"

Er machte ein Geräusch tief in seiner Kehle. "Ich weiß es nicht."

"Ich auch nicht," sagte sie und sah auf die leere Schaukel anstatt zu Mulder. "Aber irgend etwas geht zwischen uns vor."

"Ich kann nicht aufhören, an dich zu denken." Mulder seufzte. "Nicht, seit wir uns das erste Mal trafen. Ich weiß nicht, wie ich es erklären soll, aber ich kann einfach nicht aufhören."

Ihr Mund war trocken und sie nahm einen Schluck Wein, ihr Kopf schwirrte vor zu vielen Gedanken und sie war nicht in der Lage, auch nur einen davon angemessen zu artikulieren.

Sie fühlte seine Hand an ihrem nackten Arm. "Geht es dir genauso?" fragte er mit einer Stimme so zögern, daß sich ihr Herz zusammenzog.

Ich möchte darauf nicht antworten müssen, dachte sie, weil ich dir die Wahrheit sagen muß und wenn ich es tue, weiß ich nicht, was passieren wird.

Der Druck auf ihren Arm nahm leicht zu. "Ist es so?" wiederholte er.

Immer noch wegsehend, nickte sie.

"Ich weiß, daß es falsch ist," sagte Mulder. "Glaub mir, ich weiß es."

Schließlich fand sie den Mut, den Kopf zu drehen und ihn anzusehen. Sie kannte Mulder erst so kurze Zeit, doch sie liebte sein Gesicht bereits jetzt. Aber dennoch, sie konnten das nicht tun. Jetzt nicht, niemals. "Es ist falsch," sagte sie leise.

"Ja," stimmte er zu.

Ich möchte ihn so sehr küssen, dachte sie, nur einmal möchte ich schmecken, wie es ist, ihn zu lieben.

Dana spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen und sie blinzelte sie weg. Sie weinte niemals vor anderen, nicht einmal vor John. Es ließ sie sich schwach fühlen.

"Ich habe einen Mann und ich liebe ihn," sagte sie. "Du hast eine Frau und du liebst sie. Wir... wir können nicht..."

"Du hast recht."

Aber auch wenn sie die richtigen Dinge sagten, seine Finger hatten sich mit ihren verschlungen und ihre Gesichter kamen sich so nahe, daß sich ihre Nasen beinahe berührten. Sie konnte den Wein in seinem Atem riechen.

Die Luft schien Dana dick zu werden, sie schien beinahe vor Spannung zu knistern. Mulders freie Hand legte sich um ihren Nacken und sie spürte, wie sich die winzigen Härchen dort aufrichteten.

"Wir können das nicht tun," flüsterte er, aber seine Lippen legten sich auf ihre.

Sie vergaß zu denken, als er sie küßte, Logik und Verantwortung waren zeitweise eingeschränkt und geknebelt. Ihre Hände legten sich um sein Gesicht, zogen ihn enger an sich heran, um ihn tiefer in ihren Mund zu ziehen. Ihre Zungen berührten sich das erste Mal und sie zuckte fast zusammen bei diesem Kontakt, als eine raue Welle von Erregung durch ihren Körper lief.

Es war fremd, jemanden anderen als John zu küssen, eine fremde Zunge zu fühlen, die sich mit ihrer verflocht, seine weingetränkten Lippen und seinen Mund zu schmecken. Es gab keine Ungeschicklichkeit von Nasen und Lippen, kein Herumtasten, nur einen perfekten, explosiven Kuß, bittersüß vor Sehnsucht und Verlangen.

Sie lösten sich voneinander, nachdem sie sich scheinbar Stunden geküßt hatten, atmeten schwer und starrten einander in erstauntem Schweigen an.

Schließlich sprach Mulder. "Es tut mir leid, Dana. Wir hätten das nicht tun sollen."

Sie nickte, ihre Lippen pochten noch von seinen Küssen. "Vielleicht sollten wir nicht mehr zusammen sein." Sein Gesicht sah so betroffen aus bei ihren Worten, daß sie die Tränen wiederkommen fühlte.

Sie wischte sich mit zitternder Hand übers Gesicht und stand von der Bank auf. "Es ist spät. Ich muß Julia abholen."

Mulder ergriff ihre Hand und drückte sie. "Ich weiß, daß es falsch war, was wir getan haben. Aber ich werde es schwer haben, es zu bereuen."

Irgendwie mußte sie lächeln. "Ich auch. Das ist das Problem, Mulder."

Sie drehte sich um, um zur Straße zu gehen.

"Hey, Dana?"

Sie machte auf dem Absatz kehrt.

Mulder fuhr sich mit den Händen durch das Haar und erreichte dadurch, daß sie in alle Richtungen standen. "Meintest du, was du sagtest, daß wir uns nicht mehr sehen sollten?"

Sie hob ihre Hände in einer fragenden Geste. "Ich weiß es nicht, Mulder.

Ich muß nachdenken."

Die Schwierigkeit war, daß sie möglicherweise den Rest ihres Lebens darüber nachdenken konnte und keine vernünftige Antwort finden würde.

"Ich glaube, wir brauchen beide Zeit," sagte er.

Sie nickte.

"Eins noch," sagte er und erhob sich von der Bank.

"Du bist wahnsinnig schön, wenn du geküßt worden bist..."

Dana konnte nicht anders, sie mußte lächeln, aber sie drehte sich dennoch um und ging davon.

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Allein in ihrem Schlafzimmer eine Stunde später versuchte Dana an alles andere zu denken, nur nicht an den Kuß, den sie mit Mulder geteilt hatte.  Im Geiste ging sie alle Schritte durch zur Vorbereitung von Gewebeproben für einen MCR-DNA-Test. Als nächstes glich sie den Familienhaushalt für März aus, bezahlte die Rechnungen und legte das restliche Geld auf dem Familienkonto zur Seite. Sie machte sogar eine Checkliste der Reinigungsmittel, die sie für die Wohnung einkaufen mußte.

Aber hinter ihren Gedanken war das schockierende Bewußtsein, daß sie Fox Mulder geküßt hatte, wie der Refrain eines nervenden Popsongs, den sie nicht aus ihrem Kopf bekommen konnte.

Sie hatte einen Mann geküßt, der nicht ihr Mann war.

Als sie an jenem Dezembermorgen in der Halle des Friedensrichters ihr Gelöbnis gesprochen hatte, hatte sie es ernst genommen, aber vollkommen mühelos bewältigt. Natürlich würde sie John Rosen lieben, ihn ehren und beschützen, für immer. Und natürlich würde sie niemals einen anderen Mann in Betracht ziehen. Es gab niemand anderen als John. Sie war nicht einmal in der Lage gewesen, sich einen anderen als John vorzustellen.

Nun, Jahre später, war da ein anderer Mann, egal ob es richtig oder falsch war. Mulder war in ihr Leben getreten in einer Reihe von zufälligen Begegnungen und irgendwie war er in den letzten paar Wochen wichtig für sie geworden.

Und nun mußte sie einige Entscheidungen treffen.

Das Problem war, daß sie verdammt noch mal nicht wußte, was sie tun sollte.

Sie berührte ihre Lippen und sie waren immer noch geschwollen von seinem Kuß. Sie hatte niemals einen Kuß erlebt, der sich so angefühlt hatte wie der eine, den sie geteilt hatten. Zugegeben, sie hatte nach ihrer Erinnerung nur zwei Männer geküßt, drei wenn man den Phantomliebhaber aus ihren Träumen mitzählte. Es war eine Explosion unkontrollierter Gefühle gewesen, der Kuß auf der Bank, eine gänzlich berauschende Mischung von Anziehung, Angst, Lust, Scham und Zärtlichkeit. Es war ein einzigartiger Kuß gewesen.

Dana bereute es, mit Julia an jenem Abend in den Park gegangen zu sein.  Wenn sie nicht gegangen wäre, hätte sie Mulder niemals getroffen und nichts wäre passiert. Ihr Leben würde weitergehen auf dem stillen, gleichmäßigen Weg. Sie hätte ihre Forschung gemacht, ihre Tochter erzogen und ihren Mann geliebt. Die Träume und die Erinnerungsstückchen hätten sie weiter heimgesucht, aber sie hätte sie gemeistert. Sie war eine Überlebende.  Nebenbei, sie hatte alles gemeistert, seit sie in der Klinik zurück ins Leben gebracht worden war.

Wenn sie Mulder nicht getroffen hätte, hätte sie niemals begonnen, sich ein Leben vorzustellen, in dem sie ihre Vergangenheit erforschen konnte und den Menschen zurückzugewinnen, der sie einmal war. Mulder hatte ihr die Erlaubnis erteilt, sich nicht zu schämen, weil sie diese Dinge wollte.

Sie rollte sich auf die Seite und schob die Kissen unter ihrem Kopf zurecht. Schließlich gab sie sich selbst gegenüber zu, daß sie Mulder wollte, nicht nur die ungewöhnliche Freundschaft, die sie entwickelt hatten, sondern den Mann selbst.

Niemals vorher hatte sie etwas so sehr gewünscht. Als sie John das erste Mal getroffen hatte, fand sie ihn anziehend, natürlich, aber es war mehr das Verständnis gewesen, daß er ein Mann war, der immer an ihrer Seite bleiben würde, ein Mann, mit dem sie ihr Leben wieder aufbauen konnte.

Mit Mulder bekam sie nun das erste Mal einen Geschmack davon, wie es war, ihn physisch zu kennen und sich nach mehr zu  sehnen.

Dana wollte dieses schwarze Hemd aufknöpfen, daß er getragen hatte und die Haut auf seiner Brust berühren und ihre Finger durch die Haare dort gleiten lassen. Sie wollte wissen, wie sein Körper unbekleidet aussah. Er war ungefähr so groß wie ihr Mann, aber er hatte längere Arme und Beine. Sie stellte sich vor, seine Rippen mit ihren Fingern zu zählen und sie herabgleiten zu lassen zu seinem Nabel, während er stöhnte, weil sie dem Teil von ihm so nahe gekommen war, der am meisten berührt werden wollte.

Ein kleines Stöhnen kam von ihren Lippen, als sie ihre Hand zwischen ihre Beine gleiten ließ. Sie berührte sich nicht oft selbst zum Vergnügen - sie war selten allein und es schien so leer, wenn sie nicht in der Lage war, es mit John zu teilen. Aber nun streichelte sie sich selbst mit drängenden Fingern und stellte sich zum ersten Mal vor, daß sie sich mit jemand anderem als John liebte. Sie malte sich aus, wie sie Mulders Hosen auszog und er vor ihr stand, erigiert und sie mit diesem Blick intensiver Erregung ansah, den er vorhin auf seinem Gesicht hatte.

Und die Realität verwischte mit ihrer Phantasie und sie war da mit Mulder.  Dana berührte sein dichtes, dunkles Schamhaar und bewegte ihre Hand, um seine Hoden zu umfassen und zu streicheln und sie spürte, wie er als Reaktion darauf zitterte. Sie kniete sich hin und ließ ihre Zunge über die Länge seines harten Penis gleiten, während seine Hände in unausgesprochener Ermutigung ihre Schultern packten.

Mit ihrem Mund, ihrer Zunge liebte Dana ihn und zeigte das Gefühl, dem sie schließlich seine Freiheit erlaubte. Er gab kleine Geräusche der Zustimmung von sich, als er in ihren Mund hinein und wieder heraus glitt.

Als Mulder mit einem leisen Schrei kam, kam sie auch, zurück in der Realität auf ihrem Bett, krümmte ihren Rücken und erstickte ihr Stöhnen im Kissen.

Die Uhr an ihrem Bett ging auf drei Uhr, als sie einschlief, brennend vor Scham, brennend vor Ekstase, brennend.

In dieser Nacht träumte sie von einem Feuer. Sie lag an einem kleinen Campingfeuer, zitterte und hustete so heftig, daß sie Angst hatte, sie würde sich eine Rippe brechen. Hier endet es, dachte sie in ihrem Traum, hier enden wir. Ich habe mir niemals vorgestellt, daß das Ende so aussehen würde.

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*** ende teil 1 ***

 

 

 

 

GEBLENDET VON WEISSEM LICHT  --  TEIL 2

 

Autorin: Dasha K. — dashak@aol.com

Übersetzung: Sylvia — aktex_sm@hotmail.com

 

 

XXXXX

Ein paar interessante Dinge passierten am Sonntag morgen.

Zuerst wurde sie gegen sieben durch das Klingeln an der Tür geweckt. Vor der Tür stand ein Lieferbote mit einem Strauß Gewächshausblumen für sie:

Gänseblümchen, Schwertlilien und Maiglöckchen. Dana brachte sie ins Wohnzimmer und fand die Karte, die hinter einem Blütenzweig steckte.

*Für die Frau, die mich alles über die Liebe gelehrt hat. Herzlichen

Glückwunsch zum Geburtstag John*

Der Anflug von Schuld, den sie spürte, als sie die Karte las, war beinahe lähmend. Dana setzte sich auf die Couch und atmete tief ein. Was für eine schreckliche Ehefrau bin ich, dachte sie.

Sie holte Julia aus dem Bett. Nachdem sie den quirligen Tapps angezogen hatte, setzte Dana sie auf den Küchenboden, damit sie mit ihren Plastiktieren spielen konnte. Julia machte Kuh- und Hühnergeräusche, während Dana die Zutaten für Pancakes zusammenmixte.

Gerade als sie die Butter in die Pfanne tat, klingelte es wieder an der Tür, wie auf ein Zeichen. Diesmal war es Evan. Er war jung, erst vierundzwanzig und er wohnte in dem Apartment auf dem Flur gegenüber, ein kleiner Raum, der wie sie wußte mit Postern obskurer Afro-Beat-Gruppen gepflastert war und vollgestopft mit leeren Sushibehältern.

Evan kam öfter an den Wochenenden vorbei auf der Suche nach einem Frühstück und Dana hatte etwas für den jungen Mann mit den ewig zerknautschten Sachen und dem Kopf voller schwarzer und blauer Zöpfe übrig.

"Sind das Pancakes, die ich da rieche?" fragte er und grinste verschämt.

Sie ließ ihn mit einem nachsichtigen Klaps auf den Kopf herein.

Er zauberte ein kleines braunes Paket aus den Falten seiner fleckigen Jacke hervor. "Ich habe dir ein Pfund Speck zum Geburtstag mitgebracht."

Dana lächelte vor Freude. Speck, den ganzen Weg aus Südamerika importiert, war ein teures Vergnügen, das sie sich nur selten zu kaufen erlauben konnte. Der Sojaspeck war ein akzeptabler Ersatz, aber nichts schmeckte so wie der richtige.

Sie gab den Speck in die Pfanne und begann, eine Kanne Kaffee zu kochen, während er Julia auf seinen Knien schaukelte und unsinnige Reime über Roboter zusammenbastelte. Ungeachtet Evans seltsamer Haare und der geschminkten Augen konnte Dana erkennen, daß er das Zeug zu einem exzellenten Vater hatte.

Als der Raum sich mit dem Duft von Speck füllte, hatte Dana das vage Gefühl von Vertrautheit, das sie immer bekam, wenn sie diesen besonderen Duft roch. Er gab ihr das Gefühl von Wärme und Sicherheit und sie mutmaßte, daß Speck ihr bevorzugtes Frühstücksvergnügen als Mädchen gewesen sein mußte.

Evan war bei seinem neunten Pancake, als sie den Nerv hatte, ihn das zu fragen, was ihr schon seit sie die Tür geöffnet hatte, durch den Kopf ging.  Sie kaute den Speck herunter und fragte, "Würdest du mir einen Gefallen tun?"

Er verteilte mehr Ahornsirupimitat auf einen frischen Stapel Pancakes.

"Welche Art von Gefallen, Dana?"

"Ein Gefallen, der mit Computern zu tun hat."

"Das ist die Art von Gefallen, die ich am besten kann."

Evan lebte praktisch im Net. Sie wußte, daß er an manchen Tagen länger als achtzehn Stunden eintauchte und sich nur zum Essen und zur Toilette losmachte. Seinen Job als Systemadministrator konnte er komplett von zu Hause aus erledigen und Dana fragte sich manchmal, ob er das Gebäude jemals verließ, außer für seine gelegentlichen Besuche in seltsamen Underground Dance Clubs.

"Es ist eine persönliche Sache," sagte sie und wählte ihre Worte sorgfältig. "Du mußt es für dich behalten."

"Ich bin eine Seele von Diskretion," sagte Evan in einem spöttisch-ernsten Flüstern.

"Ich habe da diesen Freund und er versucht, seine Vergangenheit zu finden..."

"Du meinst, aus dem Vorher?" unterbrach sie Evan und zog seine dunklen Augenbrauen hoch.

"Ja. Er scheint zu glauben, daß er Agent bei etwas, das sich Federal Bureau of Investigation nennt, war."

"Oh ja, die Feds. Kenne ich."

"Er versucht, Zugang zu den erhaltenen Aufzeichnungen zu bekommen, aber er kann nicht hinein kommen. Glaubst du, du könntest es?"

Evans streckte stolz seine Brust heraus. "Ich kann Zugang zu allem bekommen. Möchtest du, daß ich mich ein wenig umsehe?"

"Könntest du das? Ich möchte dich nicht in Schwierigkeiten bringen."

Er schnaufte. "Hör schon auf. Dies wird schrecklich einfach sein, Dana.  Nebenbei, Wissen ist Macht. Wie ist der Name des Mannes? Ich werde in den Aufzeichnungen danach suchen."

"Fox Mulder," sagte sie und griff nach einem Notizblock auf dem Küchenschrank, um es für ihn aufzuschreiben.

"Betrachte es als erledigt," sagte Evan und stopfte das Papier in seine Tasche. "Ich werde trotzdem ein paar Tage brauchen. Ich arbeite gerade an dieser gewaltigen Interfaceerweiterung."

"Ich danke dir tausendmal."

Evan leckte den Sirup von seiner Gabel. "Es ist das mindeste, was ich tun kann, wo du mich immer durchfütterst."

Sie lehnte sich zurück und empfand Genugtuung in dem Wissen, daß sie Mulder half zurückzugewinnen, was er verloren hatte.

Am Nachmittag machte Julia ein Schläfchen und Dana ergriff die Möglichkeit, ihren Mailserver zu überprüfen. Es war nur eine Nachricht da und die kam von Mulder. Sie atmete tief ein und öffnete den Ordner.

*Ich wünschte, ich könnte unseren Kuß letzte Nacht auf zuviel Wein

schieben, aber ich kann es nicht. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag,

Dana. M*

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"Erzählen Sie mir davon, Dana."

Mit einem kleinen Seufzer nahm Dana einen stärkenden Schluck von ihrem Kaffee und schloß die Augen. Ich bin an einem sicheren Platz, sagte sie sich. Hier kann ich alles erzählen und sie wird mich nicht dafür verurteilen.

Die Dinge schienen immer klarer zu sein in den Grenzen von Dr. Hanleys Büro. Die blaßgoldenen Wände und die hängenden Farne waren beruhigend für ihre morgendlich trüben Augen und heute spielte die Ärztin leise Vivaldi auf ihrem Soundsystem. Für eine Stunde alle paar Wochen oder so konnte Dana in einem Sessel sitzen und ohne Störungen erzählen. Das Telefon würde nicht klingeln und Julia konnte nicht nach ihr rufen.

Die Stimme der Therapeutin war sanft. "Ist es schwierig für Sie?"

Sie nickte. "Ich fühle mich schuldig, wenn ich nur daran denke. Ich habe versucht, es aus meinem Kopf zu bekommen, als wäre es nie passiert, aber es schleicht sich in meine harmlosesten Gedanken."

"Verdrängung ist niemals ein Weg, um mit unseren Problemen klarzukommen.  Wenn Sie etwas vergraben, ist es immer noch da und schließlich wird es auftauchen."

Mit anderen Worten, Mulder würde nicht einfach verschwinden. Und John auch nicht.

Fein, sie würde reden. Sie hatte nichts zu verlieren.

Danas Finger tasteten umher, als sie um ihre Worte rang. "Ich habe vorher niemals jemanden wie Mulder getroffen. Ich kann es nicht erklären, aber wenn ich mit ihm zusammen bin, fühle ich mich irgendwie vollkommen, als wenn ich diese letzten fünf Jahre auf ihn gewartet hätte, es aber nie wußte."

Dr. Hanley sah von ihrem Notebook zu Dana auf. "Sagen Sie mir, ob Sie das Gefühl haben, irgend etwas davon hätte mit der Tatsache zu tun, daß John seit fast zwei Wochen weg ist."

"Ich wünschte, es wäre so einfach - daß ich verletzt wäre oder ärgerlich auf John oder rebellieren würde, weil er gegangen ist. Dies hat nichts mit ihm zu tun. Es hat nichts an meinen Gefühlen für John geändert."

"Welches Gefühl gibt Ihnen Mulder im Vergleich zu Ihrem Mann?"

Sie dachte an den Abend, den sie im Park verbracht hatten, ihre Füße im Springbrunnen baumelnd. Wenn sie Mulder niemals wiedersehen würde, würde sie sich immer an den intensiven Ausdruck in seinen Augen erinnern.

"Ich kann sie nicht miteinander vergleichen," sagte Dana. "Sie sind vollkommen verschiedene Menschen."

"Lieben Sie Mulder?"

Achselzuckend sagte sie, "Ich weiß nicht. Ich bin mir überhaupt nicht mehr sicher, daß ich weiß, was Liebe ist. Ich dachte, ich würde John lieben, mehr als alles andere auf der Welt und nun sehen Sie, was passiert ist.  Womöglich bin ich nicht fähig, zu lieben."

"Glauben Sie das wirklich?"

Dana atmete geräuschvoll aus. "Im Moment stelle ich alles in meinem Leben in Frage. Ich dachte, ich hätte alles, was ich wollte. Aber meine Gefühle für Mulder haben mich die Dinge erkennen lassen, die ich niemals gewagt habe, mir zu wünschen."

"So, wie in der Lage zu sein, über Ihre Träume zu sprechen und mögliche auftauchende Erinnerungen?"

"Ja. Ich fühle mich ohne meine Vergangenheit nicht als ganzer Mensch. Aber was sind wir anderes als die Summe unserer Lebenserfahrungen?"

Die Ärztin lächelte. "Ein interessanter Gesichtspunkt."

Gewöhnlich, wenn sie in Dr. Hanleys Büro saß, konnte sie ihre Probleme lösen, wie jemand der stetig an einem schwierigen, verknoteten Seil arbeitete. Diesmal war es irgendwie so, je mehr sie an dem Seil arbeitete, desto fester wurde der Knoten.

Dana sah ihre Therapeutin an. "Grundsätzlich ist es so, daß ich nicht weiß, was ich tun soll. Was denken Sie?"

"Dana." Die Ärztin hob warnend den Finger. "Sie wissen es besser. Meine Rolle ist es nicht, Ihnen zu sagen, was Sie tun sollen, sondern Ihnen zu helfen, Ihre Probleme selbst zu lösen."

Sie zog eine Grimasse. "Also bezahle ich Sie dafür, daß ich meine Probleme selbst löse, hm? Ich sollte in die Psychologie wechseln."

Zu ihren Gunsten lachte Dr. Hanley herzlich.

Dana verließ das Büro der Ärztin mit dem vagen Gefühl, unbefriedigt zu sein. Während es ein gutes Gefühl war, einfach frei zu reden in einer Art, wie sie es nicht einmal mit Meghan tun konnte, war sie dennoch zu keinen tollen Entschlüssen in dem schwarzen Sessel gekommen. Nichts hatte sich geändert.

Mit einem kurzen Seufzer streckte sie ihren Rücken und hob ihr Kinn. Es war nicht mehr die Zeit, über ihre Probleme nachzudenken. Sie hatte Laborberichte zu schreiben, Telefonanrufe zu erledigen, an einem Abteilungsmeeting teilzunehmen. Der Rest des Arbeitstages gehörte nicht ihr.

Dana überquerte den Platz zu ihrem Gebäude und entschied sich, für den Rest des Tages nicht mehr nachzudenken.

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Trotz dessen, was Dr. Hanley an diesem Morgen in der Sitzung gesagt hatte, kam Dana aus dem Labor nach Hause, entschlossen, Verdrängung zu üben.  Mulder hatte sie niemals geküßt und sie hatte diesen Kuß ganz bestimmt nicht erwidert. Nichts war passiert, überhaupt nichts.

Julia war nicht gut drauf an diesem Abend. Zuerst hatte sie einen Wutanfall, weil sie ihre Schulsachen ausziehen sollte und dann einen, weil sie ihre grünen Bohnen zum Essen haben wollte. Sie trat mit den Beinen und schrie, als Dana versuchte, sie in die Wanne zu setzen. John war besser darin, Julia zu beruhigen, wenn sie in dieser Stimmung war und Dana fühlte hilflos die Wucht des übermächtigen Willens ihrer Tochter.

Sie rief John im Hotel an. Dankbarerweise war er zurück vom Abendessen und verbrachte zwanzig Minuten damit, Julia "Jerry, das blaue Raumschiff" vorzulesen, die mit runden Augen vor dem Telebildschirm saß und das Bild ihres Vaters berührte. Er brauchte das Buch nicht, um ihr die Geschichte zu erzählen. Dana und er hatten sich die Worte eingeprägt durch die vielen Wiederholungen.

Ruhig und nun glücklich glitt Julia in Danas Schoß. Dana lächelte John auf dem Bildschirm an, aber ihr Herz klopfte heftig. Konnte John ihr Schuldgefühl irgendwie spüren?

"Nur noch eine Woche," sagte er, immer noch alberne Grimassen für Julia machend, die vor Freude zappelte und kicherte. "Ich kann es nicht erwarten, nach Hause zu kommen. Ich bin das Hotelessen leid und daß es hier so heiß ist."

"Du bist zu sehr an die Klimatisierung der Kuppel gewöhnt."

"Ja, ich bin ein Schwächling. Ich bin Manns genug, um das zuzugeben. Ich möchte einfach nach Hause kommen, einen großen Topf Spaghetti kochen und mit dir und Julia zu Abend essen."

"Ich kann es auch nicht erwarten," sagte sie.

Ja, wenn John zurückkam, würde alles zur Normalität zurückkehren.

Sie ließ Julia in dieser Nacht bei ihr schlafen. Als ihre Tochter eingeschlafen war, strich sie ihr über ihr seidiges Haar und dachte, das ist es, wo ich hingehöre, zu meiner Familie. Sie schlief ein, auf den gleichmäßigen Rhythmus von Julias Atem lauschend.

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Eine sehr heiße Nacht in West Virginia und sie stecken fest in einer Stadt, die so winzig ist, daß das einzige Motel noch nicht einmal eine Klimaanlage hat, nur einen rostigen Ventilator, der lediglich die feuchte Luft in dem kleinen Raum herumwirbelt.

Nachdem sie sich geliebt haben, schläft er auf den schweißdurchtränkten Laken ein und sie geht in das schmuddelige Badezimmer, um zum dritten Mal an diesem Tag zu duschen. Sie dreht das Wasser auf so kalt, daß ihre Haut als Reaktion darauf prickelt und ihre Zähne klappern.

Sie trocknet sich nicht einmal ab, sondern klettert tropfnaß ins Bett. Es bringt ihr einen Moment Erleichterung, als der geräuschvolle Ventilator über ihren kühlen Körper bläst.

Es war ein langer, erschöpfender Tag gewesen und sie sehnt sich nach Schlaf, Sie versinkt gerade in das erste Stadium, als sie es spürt.

Oh Gott.

Siekommensiekommensiekommensiekommensiekommen

Sie sitzt kerzengerade in dem durchhängenden Bett und unterdrückt das Verlangen, zu schreien.

Es ist millionenfach stärker als in der Nacht, in der sie zu der Brücke gerufen worden war. Sie kann spüren, wie es sich in ihrem Nacken zentriert und von dort in ihre Glieder ausstrahlt.

Sie kommen.

Es ist zu spät. Alles was sie getan haben, um dagegen anzukämpfen, war umsonst gewesen. Sie sind fast hier, sie kann ihre kollektive Anwesenheit spüren, sie kommen näher mit jeder Sekunde.

Sie wollte niemals an diesen Tag glauben. Sie forderte Beweise, etwas greifbares, das sie mit ihren eigenen Augen sehen konnte, etwas, woran sie glauben konnte. Anekdoten und schattenhafte Informanten waren nicht genug.  Sogar die verschwommene Erinnerung an irgend etwas am antarktischen Himmel war nicht genug. Nicht einmal ihr Vertrauen und ihr Glauben in den Mann, der neben ihr schläft. Es war zu gewaltig und zu erschreckend für ihre Vorstellung.

"Sie kommen," stößt sie zwischen zitternden Lippen hervor.

Er rollt mit einen Stöhnen herum und knipst die Nachttischlampe an. "Was ist los, Scully?"

Diesmal schreit sie die Worte heraus.

 

Augenblicklich erwachte Dana und blinzelte in die Dunkelheit. Nur ein Traum, dachte sie und berührte Julias Wange. Es war nur ein Traum.

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Am Morgen flocht Dana Julias Haar, während im Hintergrund Newsmorning die Weltnachrichten verlaß. "Zapple nicht," sagte sie zu Julia, die nur dieses eine Mal gehorsam still wurde, während Dana ihr blaue Bänder um die Enden ihrer Zöpfe band.

Weiße und rote Funken begannen plötzlich vor Danas Augen zu tanzen.

Sie wußte, was die Funken bedeuteten. Verdammt, sie bekam eine Migräne. Sie hatte seit Monaten keine gehabt. Wenn sie erst einmal im Anmarsch war, gab es keine Möglichkeit, sie aufzuhalten. Ihr Migranex-Inhalator würde gegen die Schmerzen helfen, aber sie würde für Stunden nicht zu gebrauchen sein unter dem Einfluß der Droge. Die Wellen der Übelkeit stiegen bereits in ihrem Bauch auf und sie begann das Hafermehl zu bereuen, das sie zum Frühstück gegessen hatte.

Dana eilte ins Badezimmer und brachte ihr Frühstück und einen guten Teil ihres Essens vom Abend vorher wieder heraus. Sie blickte von der Toilettenschüssel auf und sah Julia, die sie neugierig anstarrte.

"Mami übergibt sich," erklärte sie.

Sie nickte schwach, das Pochen ließ sich in ihren Schläfen nieder. Nachdem sie sich die Zähne geputzt hatte, saugte sie an der Migranex-Tube aus Plastik und winselte wegen des metallenen Geschmacks des Dampfes.

Sie zog sich wieder ihren Pyjama an, stolperte zur Couch, um Meghan anzurufen und betete darum, daß ihre Partnerin noch zu Hause war.

Meghan antwortete in ihrem pinkfarbenen Bademantel, ihre kurzen, dunklen Haare noch feucht vom Duschen. "Dana, bist du in Ordnung? Du siehst scheußlich aus."

Dana faßte sich an die Stirn, ihre Augen blinzelten im Licht des Telebildschirms. "Eine Migräne," sagte sie. "Ich glaube nicht, daß ich heute ins Labor kommen kann."

"Oh nein," sagte Meghan, Besorgnis auf ihrem runden und hübschen Gesicht.  "Aber mach dir keine Sorgen darüber. Wir arbeiten nur an unseren Vorschlägen für das nächste Jahr, erinnerst du dich?"

Sie nickte, der Schmerz nahm zu, glühend heiße Blitze, die im Gleichklang mit ihrem Herzen schlugen.

"Sweety, ich komme gleich vorbei. Ich muß mich nur schnell anziehen. Ich bringe Julia heute in die Primary Care."

Nachdem sie die Verbindung beendet hatte, rollte sich Dana auf der Couch zusammen und hoffte, daß die Droge schnell helfen würde. Julia tätschelte Danas Arm. "Mami, bist du krank?"

"Ich bin krank," sagte sie und tastete nach der Fernbedienung, um ein Kindercartoonprogramm einzuschalten. Der Klang herumtollender Tiere, obwohl der Ton leise gestellt war, ließ sie winseln. Aber die Cartoons sorgten dafür, daß Julia ruhig blieb und keinen Unfug machte.

Zwanzig Minuten später hastete Meghan herein. Sie hatte eine zusätzliche Zugangskarte zu Danas und Johns Wohnung für den Notfall. Dana war dankbar dafür, weil der Gedanke daran, sich zu bewegen, unerträglich war.

"Meggie!" schrie Julia und Dana stöhnte bei dem Ausbruch.

"Hey, Kleines," sagte Meghan mit sanfter Stimme. "Du mußt jetzt ganz, ganz leise sein."

Meghan ging hinüber zur Couch. "Mach dir um nichts Gedanken," sagte sie zu Dana. "Ruh dich einfach aus. Ich kann Julia heute Nacht mit zu mir nach Hause nehmen. Tom und ich würden sie liebend gern bei uns haben."

Dana nickte. "Danke," brachte sie fertig, zu sagen. "Julia, möchtest du heute Nacht bei Meghan schlafen?"

Julia, die schon einige Nächte bei Meghan verbracht hatte, um ihren Eltern ein bißchen Zeit für sich zu geben, begann bei dem Gedanken hin und her zu springen.

Meghan fand die Decke und breitete sie über Danas Körper aus. Mit der erfrischenden Effizienz, die sie zu einer ausgezeichneten Wissenschaftlerin machte, packte sie eine Tasche mit Sachen und Toilettenartikeln für Julia zusammen.

"Komm, Jules," meinte sie. "Laß uns zur Schule gehen." Sie drückte Danas feuchtkalte Hand. "Ruf mich an, wenn du irgend etwas brauchst."

Mit geschlossenen Augen murmelte Dana. "Ich brauche nur Schlaf." Der Schmerz hatte nachgelassen und langsam nahm das schwere Gewicht der drogenbedingten Müdigkeit seinen Platz ein.

Julia drückte einen feuchten Kuß auf die Wange ihrer Mutter und dann waren sie gegangen. Das Apartment blieb in gesegneter Stille zurück.

Sie wickelte sich in die Decke und schlief ein.

Sie träumte von fallenden Blättern - purpurrot, golden und orange, vom Harken und vom erdigen Geruch des Herbstes.

Als Dana schließlich erwachte, sah sie aus verschwommenen Augen auf die Uhr am Telebildschirm. Es war vier Uhr nachmittags. Beinahe ein ganzer Tag war vergangen, während sie auf der Couch geschlafen hatte. Sie haßte es, einen ganzen Tag so zu verschwenden, aber sie wußte auch, daß es der einzige Weg war, die Migräne vorbeigehen zu lassen.

Der Schmerz war nun vorbei. Sie fühlte sich ein bißchen schwindlig vom Migranex und vor Hunger, aber der Sturm in ihrem Kopf war vorbei.

Sie duschte und wechselte zu T-Shirt und Leggings. In der Küche trank sie eine ganze Flasche Wasser aus, während sie eine Packung Hühnernudelsuppe erwärmte.

Dana hatte sich gerade wieder auf die Couch gesetzt, um ihre Suppe zu essen, als der Telebildschirm einen Anrufer ankündigte. Sie erwog, den Messenger den Anruf entgegennehmen zu lassen, aber sie befürchtete, es könnte die Primary Care oder Meghan sein.

Mulders Gesicht erschien auf ihrem Bildschirm. Aus dem Hintergrund, einem Regal voller Bücher, schloß sie, daß er aus seinem Büro bei der City Edcom anrief.

"Bist du in Ordnung?" fragte er und seine Augen blinzelten hinter der Brille. "Ich habe es im Labor versucht, aber dort hieß es, du wärst heute nicht da."

Danas Hände begannen in ihrem Schoß zu zittern beim Anblick Mulders, beim Klang seiner Stimme. "Ich hatte eine Migräne," sagte sie. "Ich habe geschlafen und nun geht es mir wieder gut."

Er lächelte, seine Unterlippe wurde größer und gab ihm einen leicht dummen, aber entschieden sexy Ausdruck. Sie konnte sich immer noch daran erinnern, wie es sich angefühlt hatte, diese Lippen zu küssen, diese dicke Unterlippe in ihren Mund zu nehmen und daran zu saugen.

"Ich habe... ich habe gehofft, wir könnten heute Abend miteinander reden," stammelte er.

Ich habe dieselbe Wirkung auf ihn, dachte sie.

Dana seufzte. "Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, Mulder."

"Bitte, Dana, wir müssen darüber reden."

Da geht der ganze Verdrängungsplan dahin, dachte sie. Mulder schien es nicht zu verdrängen.

"Du hast recht," sagte sie, ihre Niederlage eingestehend. "Kannst du um sechs vorbeikommen?"

Eine Minute später schaltete sie den Telebildschirm aus und ließ alle ihre Luft aus ihren Lungen entweichen.

Das ist eine gute Sache, sagte sie sich. Wir werden reden und alles ordnen und diesen Kuß hinter uns bringen. Wir sind intelligente, rationale Erwachsene.

Wir wissen beide, was das Richtige ist.

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Obwohl Danas Türklingel präzise um sechs Uhr ertönte, zuckte sie doch bei dem Geräusch zusammen.

Sie atmete tief ein und durchquerte das Wohnzimmer mit vier langen Schritten. Das Apartment erschien ihr leer und sie wünschte, sie hätte den Schutz von Julias Anwesenheit. Es würden nur sie beide sein, allein. Das einzige andere Mal, als sie und Mulder wirklich allein gewesen waren... sie wollte nicht einmal daran denken, was da passiert war, nicht als sie ihre Finger um die Türklinke legte, um zu öffnen.

Mulder trug noch seine Arbeitssachen, einen marineblauen Anzug und eine rote Krawatte. Aber die Krawatte hatte er gelöst und seine Haare standen zu Berge, als wenn er mit den Fingern hindurchgefahren wäre. Er hatte seine Aktentasche in der einen Hand und eine weiße Einkaufstasche mit Henkeln in der anderen.

"Hi," sagte er und ein halbes Lächeln formte sich auf seinen Lippen.

Sie ließ ihn herein. "Was hast du in der Tasche?"

Das Lächeln wurde breiter, aber es war irgendwie verschämt. "Wie geht es deinem Kopf?"

"Ich fühle mich gut, aber du hast meine Frage nicht beantwortet."

Er setzte die Tasche und die Aktentasche auf den Teppich. "Ich mußte wissen, wie du dich fühlst, bevor ich deine Frage beantworte. Bist du bereit, um aus dem Haus zu gehen? Das Europäische Sinfonieorchester gibt ein Freikonzert im City Center Park. Jeanette Paderre, die Cellistin, ist die Solistin. Für den Fall, daß du hingehen wolltest, habe ich kurz angehalten und ein paar Sachen für ein Picknick eingekauft."

Ein Picknick, Musik, der Park - wundervoll. Und sie würden auch nicht allein in ihrem Apartment sein.

"Das hört sich perfekt an," sagte Dana.

Sie nahmen die U-Bahn zum Park und tauchten aus der Center Zone Station auf in den funkelnden Einkaufsbezirk. Er war immer noch voller Menschen auf ihrem Weg von der Arbeit nach Hause und anderen, die den breiten Boulevard entlang wanderten, Eis aßen und einen Schaufensterbummel machten. Sie gingen an großen Tafelglasfensterauslagen mit sündhaft sexy Holo-Modellen vorbei, die in Unterwäsche herumsprangen und darüber bettelte eine Neonreklame, daß man doch Ryoko Dai Schuhe tragen und Lion Lager trinken sollte.

Als sie am Hochzeitsshop vorbeikamen, wandte Dana ihre Augen ab, um den Anblick von Brautsträußen und Schleiern zu vermeiden.

Am Ende des Boulevards befand sich der Nordeingang zum Park. "Das Konzert findet auf der Wiese statt," sagte Mulder, als sie den Steinweg entlang gingen.

Die Wiese war groß, ein sich sanft neigender Hang mit dem Amphitheater auf seinem Grund. Alle Bänke waren besetzt und der Hang war von Konzertgehern bevölkert, die auf Decken saßen und Essen mampften, das sie entweder in den Park mitgebracht oder an den Erfrischungsständen innerhalb des Geländes gekauft hatten.

Sie standen oben auf dem Hang und bewunderten das Spektakel in dem schnell nachlassenden Licht der Dämmerung.

"So viele Menschen," sagte Dana. "Manchmal vergesse ich, daß die Stadt so groß ist."

Mulder nickte. "Aber denk mal daran, um wieviel größer die Welt im Vorher war. Sechs Milliarden Menschen lebten auf der Erde und heute liegt die Bevölkerung bei knapp unter fünfhundert Millionen."

Es gab ein Wort für so eine Vernichtung, so einen Verlust. Dezimierung - drastische Reduzierung der Bevölkerung. Jeder einzelne dieser fünf Milliarden und fünfhundert Millionen Menschen hatte gelebt, gearbeitet, geliebt. Sie hatten Familie und Freunde. Sie hatten eine Geschichte. Und doch schien niemand um sie zu trauern, ausgenommen bedeutungslose Darstellungen wie das Denkmal am Fluß.

Alle Menschen um sie herum lachten und öffneten Saftflaschen, putzten die laufenden Nasen ihrer Kinder, als wenn die Welt nicht zu Ende gegangen wäre und vor fünf Jahren neu begonnen hätte.

Dana schüttelte verwundert den Kopf "Es ist zu viel, um es überhaupt zu begreifen."

"Natürlich gibt es nun sehr wenig Armut oder Kriminalität, besonders in der nördlichen Hemisphäre. Die Rohstoffe werden nicht länger ausgebeutet und möglicherweise kann die Welt wieder ins Gleichgewicht kommen," sagte er und berührte gedankenverloren den lockeren Knoten seiner Krawatte. "Doch war es das wert, so viele zu verlieren?"

Ihre Stimme war ein kratzendes Flüstern. "Nein."

Sie starrte auf die Berührung von Mulders Hand auf ihrem pulloverbedeckten Arm. "Es tut mir leid," sagte er. "Wir sind hier, um Spaß zu haben..."

Dana drehte sich ihm zu und blinzelte. "Ich dachte, wir sind hier, um zu reden."

Sein Gesichtsausdruck wurde ernst, als würde er sich daran erinnern, warum sie hier waren. "Das auch," sagte er leise.

Sie untersuchte die Menge. "Wir werden uns hier niemals hineinquetschen können."

Mulder zeigte nach rechts. "Wie wäre es damit?"

Sie gingen zu einer Reihe großer Eichen, die so aussahen, als wären sie in Jahrhunderten gewachsen, obwohl Dana wußte, daß sie das Produkt genetischer Manipulation waren und nur drei Jahre zuvor gepflanzt wurden. An diesem Ende des Parks waren nur wenige Menschen, obwohl man einen guten, wenn auch entfernten Blick auf das Amphitheater hatte.

Sie breiteten die Decke, die Dana von zu Hause mitgebrachte hatte, unter den Ästen des größten Baumes aus. Mulder holte Brot, Käse, Äpfel, geröstetes Hühnchen und Flaschen mit Wasser aus der Tasche. "Ich wollte etwas Wein mitbringen," sagte er. "Aber ich dachte, mit deiner Migräne wäre das womöglich keine so gute Idee."

Dana brach ein Stück von dem Brot ab. "Wo sind Sarah und Adam heute abend?"

Sie bemerkte, daß ihr Ton ziemlich vorwurfsvoll klang.

"Sie sind heute morgen für ein paar Tage nach Boston geflogen. Angela, Sarahs beste Freundin hat ihr erstes Baby bekommen."

"Oh," sagte sie und schluckte.

Keine gute Wende der Ereignisse, überhaupt nicht gut.

"Deswegen habe ich dich nicht angerufen," sagte Mulder. "So berechnend bin ich nicht."

"Ich habe nicht gesagt, daß du das bist."

"Ich bin kein Typ, der sich mit seiner Frau langweilt und nach etwas Heißem und Verbotenem sucht. Ich wollte niemals, daß das passiert."

"Was passiert?" fragte sie.

Er stieß einen Seufzer aus. "Du hast mich das Samstag gefragt und ich hatte keine gute Antwort. Ich habe seitdem an nichts anderes gedacht und ich habe es nicht herausgefunden. Hast du es?"

"Nein, habe ich nicht."

Ein befangenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. "Dann sollten wir besser etwas essen. Vielleicht finden wir es mit vollem Magen heraus."

Das Orchester begann, sich einzuspielen und Danas Haut kribbelte bei dem Klang. Sie wußte nicht sehr viel über Musik, jedenfalls erinnerte sie sich nicht daran, viel zu wissen. Aber da war etwas erregendes in dem Klang der Musiker, die sich auf ihr Spiel vorbereiteten.

"Hast du sie schon vorher gehört?" fragte Mulder und reichte ihr sein Messer, damit sie ihren Apfel teilen konnte.

"Nein."

"Dies ist ziemlich außergewöhnlich. Es gibt jetzt so wenige Orchester und das ESO gibt ein Freikonzert. Sarah war enttäuscht, daß sie dieses Ereignis verpaßt."

"Es ist das erste Mal, daß ich ein Orchester live erlebe," sagte Dana.

"Das erste Mal, an das du dich erinnerst..." erwiderte Mulder. "Ich frage mich immer, was ich wohl im Vorher gern gehört habe. So wenige Aufzeichnungen haben überlebt. Ich habe versucht, von jedem ein bißchen zu kaufen, um zu sehen, was ich mag."

"Irgendeine Erkenntnis?"

Er grinste. "Erinnerst du dich an Elvis?"

Sie schnaufte lachend. "Leider tue ich das. Ein fetter Typ. Goldmünzen, Las Vegas."

"Das ist er." Mulder senkte den Kopf vor Verlegenheit. "Ich glaube, ich bin sogar mal zu seinem Haus gefahren, Graceland."

"Du machst Witze..."

"Ich wünschte, es wäre so."

"Du bist ein eigenartiger Mann," meinte Dana lachend.

Mulders Gesicht wurde tatsächlich rot, sie bemerkte es befriedigt.

Er räusperte sich. "Ich werde jetzt das Thema wechseln," sagte er, "bevor ich noch mehr in Schwierigkeiten gerate." Mulder griff in die Einkaufstasche und holte eine weiße Schachtel mit einem roten Band hervor.  "Ich habe dir ein Geburtstagsgeschenk mitgebracht, Dana."

"Du mußtest das nicht tun," protestierte sie und nun wurde sie selbst rot.

"Es ist nichts, wirklich." Er gab ihr das Päckchen.

Mit tastenden Fingern löste sie das Band und öffnete die Schachtel. Darin lag ein dickes Buch, gebunden in schwarzes Leder, die Seiten goldgerändert.  Als sie das Buch öffnete, sah sie, daß die dicken, cremefarbenen Seiten leer waren.

"Es ist großartig," hauchte sie.

Nicht nur großartig, sondern auch teuer. Dies war etwas altes. Während es immer noch Magazine und Zeitungen aus Papier gab, gab es die meisten Bücher, ausgenommen die für Kinder, nur noch in elektronischer Form.

"Es gibt eine Fabriketage auf der Westseite der Stadt, wo sie Dinge, die aus dem Vorher gerettet wurden, verkaufen," erzählte Mulder und neigte seinen Kopf. "Ich gehe manchmal dahin, einfach um zu sehen, was es gibt, um zu sehen, ob etwas irgendwelche Erinnerungen weckt. Als ich das Buch gestern sah, wußte ich, daß ich es dir schenken mußte. Du kannst es als Tagebuch benutzen oder um Erinnerungen, die du vielleicht hast, aufzuschreiben."

Heiße Tränen begannen über ihr Gesicht zu laufen und sie versuchte, sie fortzuwischen, bevor Mulder sie sah. Doch es war zu spät.

"Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen," sagte er.

"Es ist okay," entgegnete sie und blinzelte schnell. "Ich bin nur überwältigt, wie wundervoll es ist. Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll."

Mulder griff in die Brusttasche seines Jacketts, das auf der Decke lag und holte ein Taschentuch hervor. Er gab es ihr und sie betupfte ihre Augen.  "Du mußt mir nicht danken, Dana," meinte er.

Der Dirigent trat unter ohrenbetäubendem Beifall des Publikums, der durch das Parksoundsystem noch verstärkt wurde, ans Pult.

Und dann begann die Musik, eindrucksvoll und wunderbar, schwebte sie zu ihnen unter die Bäume. Dana und Mulder wurden still und ließen sich von der Musik berieseln.

Dana schloß ihre Augen und lauschte den Tönen, die sich perfekt zusammenwebten. Wie bemerkenswert das ist, dachte sie. Vor fünf Jahren lag die Welt in Trümmern und nun sitze ich hier unter einer Kuppel und lausche einem Orchester. Wie außergewöhnlich Musik ist, daß ein Musiker mit einem Bogen eine Seite streichen oder ein Rohrblatt schlagen und dabei so etwas Schönes erschaffen kann. Wissenschaft ist wunderbar, aber dies hier ist Alchimie. Musik kann man nicht definieren. Sie ist pure Schönheit, pures Vergnügen.

Nachdem sie mit dem Essen fertig war, legte sie sich auf die Decke zurück und konzentrierte sich auf jeden mitreißenden Ton, den Jeanette Paderre ihrem Cello entlockte. Irgendwo in ihrem Rausch hörte sie, daß sich Mulder ebenfalls niederlegte und bemerkte, daß er nur Zentimeter von ihr entfernt war.

Kann uns irgend jemand sehen, fragte sie sich, aber dann erkannte sie, daß sie ziemlich verborgen in der Dunkelheit unter dem Baum waren.

Nebenbei, wir tun nichts Falsches.

Einen Moment erlaubte sie sich den Luxus, sich vorzumachen, daß Mulder und sie nur ein weiteres Pärchen hier draußen waren, die die Musik und den Park genossen. John und Sarah gab es nicht, hatte es nie gegeben. Es gab nur sie beide.

Mulder drehte sich zu ihr um und als sie ihre Augen öffnete, konnte sie kaum seine Gesichtszüge ausmachen. In seinen Augen glitzerten Tränen.

"Ist irgend etwas falsch?" flüsterte sie.

"Diese Musik, dieses Stück von Dvorak. Es erinnert mich an die Klinik. Ich bin mir sicher, daß es für dich genauso war, aber auf der Station wurde immer klassische Musik gespielt, um uns ruhig zu halten."

Dana nickte. "Ich erinnere mich, im Bett gelegen, die Decke angestarrt und geweint zu haben. Ich weinte drei Tage lang. Das schlimmste war, daß ich nicht begreifen konnte, warum ich so traurig war."

"Ich war aggressiv, beinahe gewalttätig," erinnerte sich Mulder.

Sie berührte seine Schulter. "Das warst du? Du siehst nicht so aus, als könntest du gewalttätig werden."

"Nun, ich war ein paar Tage in der Klinik. Ich kann mich nicht an viel aus diesen ersten Tagen erinnern, aber als ich ging, erzählte mir eine der Schwestern, daß ich beinahe den ganzen ersten Tag, nachdem ich aufgewacht war, geschrien habe. Ich habe geschrien, ‚Wo ist sie? Was habt Ihr mit ihr getan, Ihr Bastarde? Ich werde Euch verdammt noch mal alle einzeln umbringen, wenn Ihr ihr weh getan habt.'" Mulders Stimme war rauh wie Sandpapier in Erinnerung an den Schmerz.

"Hast du dich jemals gefragt, wer sie war?" fragte Dana, absichtlich ihre Stimme sanft haltend.

Mulder schloß seine Augen und sagte lange Zeit nichts und Dana hatte Angst, daß sie das Falsche gesagt und ihn letztlich zu weit getrieben hatte. Das Schweigen zwischen ihnen wurde durch den Klang des traurigen Cellos erfüllt.

Seine Augen öffneten sich wieder. "Ich weiß nicht," überlegte er, "aber sie war alles für mich."

Sie dachte an die, die sie selbst verloren hatte, den Mann, der nur in ihren Träumen lebte. "Hast du jemals von ihr geträumt?"

Er schüttelte den Kopf. "Nein, ich wünschte, ich hätte. Ich träume nicht von ihr, ich erinnere mich nicht an sie, nichts. Überhaupt nichts. Aber ich weiß, daß sie da war."

Dana berührte sein weiches Haar und nickte.

"Kann ich dir ein Geheimnis anvertrauen?" fragte er mit einer Stimme, die kaum hörbar war unter dem Anschwellen der Musik.

"Natürlich," erwiderte sie, aber ihr Herz begann, schneller zu schlagen.

Ich habe neulich diesen Wachtraum gehabt..." Mulder verstummte und er bekam einen verlegenen Gesichtsausdruck. "Nicht diese Art von Wachtraum," beeilte er sich hinzuzufügen.

"Erzähl es mir," forderte sie ihn auf.

"Ich stand an jenem Tag an meinem Netspace-Strand und ich begann mir einzubilden, du wärst die Frau aus dem Vorher, die Frau, die ich liebte."

Sie drehte sich von ihm weg, nicht gewillt, ihn die Tränen in ihren Augen sehen zu lassen. Wie jämmerlich sie waren, dahintreibend und kleine Phantasien übereinander beschwörend, um zu versuchen, das alles zu erklären.

"Das ist nicht möglich," sagte sie. "Es ist statistisch unmöglich, so wunderbar es auch klingt."

Ein Lächeln mit geschlossenen Lippen erschien auf seinem Gesicht. "Ich weiß, es war nur eine alberne Phantasie, die mir durch den Kopf ging. Ich glaube, sie hilft mir, mich weniger schuldig zu fühlen."

Ah, er fühlte es also auch.

"Bist du unglücklich mit Sarah?" wollte sie wissen.

Er schüttelte den Kopf. "Ich wünschte, das wäre die Wahrheit, das wäre viel einfacher. Bist du unglücklich mit John?"

"Nein," erwiderte sie.

Wenn sie mit Mulder zusammen war, konnte sie nicht lügen oder sich an ihre Religion der Verdrängung halten.

Seine Finger glitten über ihre Wange und sie zitterte. "Dana, wenn ich eine Affäre wollte, würde ich irgendeine beliebige Frau finden und sie vögeln.  Ich will das nicht, ich will Sarah nicht betrügen, aber..."

Sie atmete heftig ein. "Aber was?"

"Ich habe mich in dich verliebt." Mulders Stimme war flach, aber in ihr klang die Wahrheit.

Sie setzte sich auf und schlang ihre Arme um ihre Knie, trotz der milden Nachtluft unter der Kuppel zitternd. Hinter ihr raschelte es und sie hörte, wie er sich hinkniete und seine Arme um ihre Hüften legte.

"Es tut mir leid," flüsterte er in ihr Ohr. "Wenn ich aufhören könnte, so zu fühlen, würde ich es tun."

Würde es nicht wundervoll sein, sinnierte sie, während sie auf die strahlenden Lichter des Amphitheaters unten am Hang starrte, wenn wir unsere Gefühle einfach ein- und ausschalten könnten wie den Telebildschirm?  Wäre es nicht angenehm, diese Sache einfach zu beenden, nach Hause zu gehen und mein Leben weiterzuleben wie zuvor?

Sie lehnte sich in die Wärme seiner Brust zurück und wünschte, sie könnten so für immer bleiben, nicht wählen müssen und einfach die Zufriedenheit in der Anwesenheit des anderen genießen.

Er liebte sie. Es war zu groß, um es überhaupt zu begreifen.

Dana löste sich aus seiner Umarmung und drehte sich zu ihm um.

"Ich glaube nicht, daß ich aufhören möchte." Die Worte kamen, bevor sie die Möglichkeit hatte, ihre Bedeutung zu bedenken.

Seine Augen wurden groß. "Zuerst müssen wir beginnen," flüsterte er.

Du kannst gehen, dachte sie, du kannst einfach aufstehen und es sind nur ein paar kurze Schritte bis zum Parkausgang und dann zwei Blocks bis zur U-Bahn-Station. In zwanzig Minuten wärst du zu Hause, deine Ehe und deine Ehre intakt.

Dana berührte Mulders Gesicht, leichte Stoppeln wuchsen auf seiner Oberlippe und an seinem Kinn. Mit den Fingerspitzen zeichnete sie die kräftige, unregelmäßige Linie seiner Nase und den übertriebenen Bogen seiner Unterlippe nach. Er schloß seine Augen und legte den Kopf ein wenig nach hinten.

"Tu das nicht mit mir, Dana," murmelte er. "Nicht, wenn du es nicht so meinst."

"Dies ist die ernsthafteste Sache, die ich jemals in meinem Leben getan habe," flüsterte sie.

Als sie John getroffen hatte, war es ganz natürlich gewesen, ein Ereignis folgte dem anderen. Sie trafen sich, sie verabredeten sich, schließlich schliefen sie miteinander. Nach kurzer Zeit liebten sie einander und beschlossen, zu heiraten. Es war keine Agonie gewesen in ihrer Wahl, John zu lieben. Es brannte nicht wie das hier. Es war warm und tröstlich, wie ein heißes Bad nach dem Aufwachen, wund von einem langen Lauf.

Mulder entflammte sie.

Sie glitt in seine Arme und wollte nur das Feuer wieder entfachen. Ihre Lippen legten sich auf seine und sein Mund öffnete sich unter ihrem. Ein Stöhnen kam tief aus ihrer Brust, als sie wieder das absolut Elektrisierende in den Küssen Mulders spürte.

Vielleicht hatte sie niemals wirklich die Intimität von Küssen betrachtet.  Für sie war es immer eine nette Einleitung zum Sex gewesen. Nun erkannte sie, wie nahe sie ihm war, daß sie das Kratzen seiner Bartstoppeln an ihrer Wange spüren konnte, die rauhe und feuchte Struktur seiner Zunge, als sie über ihre glitt. Unter ihren Händen konnte sie die festen Muskeln seiner Arme spüren und als sie sich in der wachsenden Intensität ihres Kusses gegen ihn preßte, konnte sie ihn an ihrem Bauch hart werden fühlen.

Dana keuchte beinahe bei dem Gefühl der Erregung, das sie durchlief, dem schwindeligen Verlangen und der Erkenntnis, daß Mulder sie wollte. Sie hatte nie gewußt, daß Leidenschaft so stark, so heftig sein konnte, daß sie ihren Willen ausschalten konnte, ihren klaren Verstand, für den sie bekannt war.

Eine Woge von Applaus kam aus der Menge und sie erkannte mit betäubender Verlegenheit, daß sie einen Mann, der ganz klar nicht ihr Ehemann war, in einem öffentlichen Park küßte. Sie waren nicht unbedingt in der Öffentlichkeit, aber das konnte nicht länger so weitergehen, so verführerisch es war, als Mulder ihre Lippen verließ, um an dem Fleisch an ihrem Hals zu saugen.

"Wir können nicht..." flüsterte sie, während sie ihren Bauch gegen seine Erektion stieß.

"Können nicht aufhören," murmelte Mulder, seine Händen wanderten hoch, um sanft ihre Brüste durch das dünne Material ihres Pullovers zu berühren.

"Nicht hier," brachte sie hervor. "Wir können es nicht hier tun."

Sie erkannte, daß sie zuviel Betonung auf das Wort ‚hier' gelegt hatte, als er sie ansah, seine Augen voll wilder Leidenschaft.

"Wohin sollen wir dann gehen?"

Dana neigte den Kopf. "Ich weiß nicht."

"Ich möchte mit dir allein sein," erwiderte er mit einer Stimme, die sie ein Stöhnen unterdrücken ließ.

Mit zitternden Beinen stand sie auf und begann, ihre Picknicksachen zusammenzusuchen. Sie sah auf ihn herab. Mulder kniete immer noch und starrte sie erstaunt an.

"Ich weiß nicht, wohin wir gehen können," meinte sie in einer trotziger Stimme, die sie nicht wiedererkannte. "Aber wir müssen hier weg. Jetzt."

Mit einer Geschwindigkeit, die aus Verzweiflung geboren war, liefen sie hinaus auf den Boulevard.

"Nicht die U-Bahn," sagte Mulder, seine Hand hebend. "Wir nehmen ein Taxi."

Innerhalb von Sekunden hielt ein leuchtend gelbes Fahrzeug quietschend vor ihnen.

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"Willkommen im Metrotaxi!" sagte das Auto fröhlich, als sie sich auf die Rückbank setzten. "Bitte nennen Sie mir Ihr Ziel."

Mulder wandte sich ihr zu, seine Augen lagen im Schatten durch das Dunkel der getönten Autoscheiben. "Wohin?" flüsterte er.

Möglichkeiten gingen ihr durch den Kopf, aber keine schien die richtige zu sein. Wo ist der richtige Ort für Ehebruch? Nicht mein Apartment, dachte sie, und seines auch nicht.

Sie sagte zu dem Auto, "Cascade Falls Hotel." Sie war viele Male an dem Hotel vorbeigekommen, wenn sie laufen war und es war das erste, das ihr in den Sinn kam.

"Ausgezeichnet. Das Fahrgeld beträgt achtundzwanzig Kreditpunkte."

Mulder drückte seine Handfläche auf die Metallplatte am Armaturenbrett und es summte, als sie sie zum Bezahlen scannte.

"Danke," sagte das Auto. "Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie Ihre Fahrt mit dem Metrotaxi."

Das Auto fuhr auf die Straße und beschleunigte im leichten Abendverkehr.

Dana saß steif da, ihre Wirbelsäule berührte nicht ganz den Autositz.  Jetzt, wo sie unterwegs waren und zum Hotel fuhren, schien alles zu real zu sein. Die Zukunft war hier und sie hatte ihre Entscheidung im Park getroffen. Mulder und sie waren nicht ausgegangen, um zu reden und sie hatten keine Verabredung zum Spielen mit den Kindern. Sie saßen auf dem Rücksitz eines Taxis, das den Südost Parkway entlangglitt, fuhren vorbei an den endlosen Blöcken der aufragenden Wohnhäuser zu einem Hotel, um sich zu lieben.

Mulder drückte ihre Hand und sie bemerkte das Beben in seinen Fingern. "Wir müssen das nicht tun, Dana," flüsterte er, als könnte das Auto sie hören und verstehen.

Sie schüttelte den Kopf, ihre Haarspitzen berührten seine Wange. Es war nun zu spät. Irgendwie hatten sie den entscheidenden Punkt, an dem sie noch umkehren konnten, in dem Moment hinter sich gelassen, als er ihr sagte, daß er sich in sie verliebt hatte.

"Ich möchte es," flüsterte sie zurück.

Er beugte sich näher heran, so daß sein Atem warm an ihrem Ohr war. "Ich habe Angst."

Das ließ sie lächeln, nur ein bißchen. Was für ein seltsames und wunderbares Geschöpf Mulder doch war, so anders als die anderen Männer, die sie kannte. Er war bereit, seine Gefühle zu offenbaren, sein wahres Ich vor ihr zu entblößen, auch wenn es damit endete, daß er ein bißchen albern aussah.

"Ich habe auch Angst," gab sie zu und streichelte seinen Handrücken mit den Fingerspitzen.

Dana lehnte sich an seinen Körper, um ihn wieder zu küssen. Wann immer sie ihn küßte, waren ihre Zweifel und ihre Schuldgefühle in der Lage, taktvoll zurückzuweichen, ersetzt nur durch den ungeheuren Sturm der Liebe, die sie für ihn empfand.

Ja, dachte sie, als ihre Hände in sein dichtes Haar fuhren, ich liebe ihn.  Es ist eine vollkommen andere Art von Liebe, als die, die ich für John empfinde, aber es ist Liebe. Ich weiß es.

Sie war sich nicht sicher, ob sie sich glücklich fühlen sollte oder nicht.

Mulder stöhnte, als sie kleine Küsse auf seine geschlossenen Lider, sein Kinn, das dunkle Mal rechts neben seinen Lippen regnen ließ. "Gott, was machst du mit mir, Dana, es gibt einfach keine Worte..."

"Ich weiß," hauchte sie.

Sie war wild vor Verlangen nach ihm, der urwüchsige Drang, sich zu vereinen, erstaunte sie. Anstatt ihre Augen zu schließen und ruhig seine Berührung hinzunehmen, fühlte sie sich aggressiv und wollte jeden Zentimeter seines Körpers erforschen, ihn berühren und lecken und für sich beanspruchen.

Gott, was machst du mit mir...

Aus den Augenwinkeln sah Dana vage die Nachtlichter der Stadt am Taxi vorbeigleiten, aber sie war sich nur Mulders Nähe bewußt, seines warmen Geruchs nach Parkwiese und männlicher Haut, des Apfelgeschmacks seiner Zunge, als sie sie mit ihrer berührte, des erstaunten Klangs seines Atems, als ihre Küsse intensiver wurden.

Ich wünschte, das hier wäre billig, dachte sie verschwommen, billig und falsch und ich könnte Mulder wegschubsen und meinen rechtmäßigen Platz als loyale Ehefrau wieder einnehmen. Aber das hier ist jenseits von Anziehung, jenseits von verbotenem Sex und Untreue. Was Mulder und ich haben, ist etwas seltenes.

Mulder schob ihr das Haar aus der Stirn und sah sie an.

"Was ist?" fragte sie, unfähig in der Dunkelheit den Ausdruck auf seinem Gesicht zu erkennen.

"Ich kann nur nicht glauben, daß das alles wirklich ist. Ich will es beinahe nicht, aber es ist so." Er nahm ihre Hand, legte sie über sein Herz und sie spürte den gleichmäßigen Rhythmus durch die Baumwolle seines Hemdes. "Mit dir zusammen zu sein, ist wie die Antwort zu finden auf eine Frage, von der ich nie wußte, daß ich sie gestellt hatte."

"Du kannst die Dinge so viel besser ausdrücken als ich," flüsterte sie und küßte ihn wieder. Wenn sie es ihm schon nicht sagen konnte, mußte sie es ihm wenigstens zeigen.

Sie fuhren beide auseinander und sahen auf, als das Auto an die Seite fuhr und hielt. Dana erkannte, daß sie das kleine weiße Hotel erreicht hatten, nur einen Block entfernt von dem Ort am Fluß, wo Mulder und sie zusammen gelaufen waren.

"Liebe Passagiere, dies ist Ihr Ziel," sagte das Auto in einem freundlichen Ton, als sich die Türen automatisch öffneten.

Sie kletterte hinaus auf den Gehsteig und Mulder folgte ihr.

"Einen schönen Abend und vielen Dank, daß Sie mit dem Metrotaxi gefahren sind," sang das Auto, bevor sich die Türen wieder schlossen und es davonfuhr.

Seite an Seite betraten Dana und Mulder die Lobby, in der es nur ein kleines pflaumenfarbenes Sofa gab und eine große beleuchtete Ansichtstafel mit den verschiedenen Raumtypen, die zu haben waren. Sie sah Mulder von der Seite an. "Deine Entscheidung. Ich habe das noch nie zuvor gemacht."

"Hab ich es?" Er berührte die Tafel bei einem Doppelzimmer mit Flußblick.

"Das Cascade Falls bedankt sich für Ihre Wahl," sagte die Ansichtstafel.

"Der Preis für das Zimmer beträgt 325 Kreditpunkte."

Mulder bezahlte.

"Brauchen Sie einen Gepäckservice?" fragte die Tafel.

"Nein," antwortete Dana und fragte sich, wie sie dazu kam, in ein Hotel einzuchecken ohne Gepäck mit einem Mann, den sie erst vor drei Wochen kennengelernt hatte.

Die Tafel summte und im nächsten Moment kam die Schlüsselkarte aus einem Schlitz. "Ihr Zimmer hat die Nummer 724. Einen angenehmen Aufenthalt in unserem Hotel. Für den Gästeservice wählen Sie bitte die 333."

Sie schwiegen im Fahrstuhl auf ihrem Weg nach oben, standen an entgegengesetzten Enden und starrten beide auf die Stockwerknummern, die über der Tür aufleuchteten. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, den langen, stillen Flur entlang zu gehen.

Als sie ihre Tür erreichten, zitterte ihre Hand so sehr, daß sie kaum die Zugangskarte in das Schloß stecken konnte. Die Riegel klickten und die Tür ging auf. Für eine halbe Sekunde wünschte Dana, daß sie in ihrem Apartment wäre, wenn sie hineingingen. Einfach eine weitere Nacht zu Hause, John sitzt auf der Couch und sieht begierig dem Spiel der Japanischen Baseballliga zu und Julia baut auf dem Boden einen Turm mit ihren Bausteinen.

Statt dessen betraten sie ein kleines Hotelzimmer - cremefarbene Wände, dunkelgrüner Teppich und ein großes Bett mit einer Decke, die zu den Wänden paßte. Die grünen Vorhänge waren offen und gaben den Blick auf die Stadtlichter am Fluß entlang frei. Das Fenster war in Wirklichkeit eine Glasschiebetür, die auf einen schmalen Balkon führte, auf dem zwei Sessel und dazwischen ein runder Tisch standen.

Dana ging hinein und zog ihre Schuhe aus. Sie fand die Fernbedienung für den Telebildschirm und schaltete den Messenger Service ein. "Ich muß meine Nachrichten checken, um sicher zu gehen, daß mit Julia alles in Ordnung ist," erklärte sie. Dann tippte sie ihren Zugangscode ein.

"Es sind keine Nachrichten für Dana Scully eingegangen," teilte der Messenger mit.

Sie ging zur Minibar hinüber, nahm eine Flasche Wasser heraus, öffnete sie und trank einen großen Schluck.

"Kann ich dir etwas zu trinken bringen?" fragte sie Mulder. "Ein Glas Wasser, etwas Wein?"

Mulder schüttelte den Kopf, immer noch an der Tür stehend.

Er hat fürchterliche Angst, dachte sie und irgendwie beruhigte sie das.

Sie biß sich auf die Lippe und senkte den Kopf, ihr Haar fiel ihr ins Gesicht. "Du kannst immer noch gehen," bot sie ihm an.

"Nein," erwiderte Mulder mit kratzender Stimme.

"Komm her," forderte sie ihn auf und sofort war er in ihren Armen.

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Sie standen lange Zeit in der Mitte des Raumes und taten nichts anderes, als einander zu halten. Mulder hatte seine Arme eng um ihren Rücken geschlungen und Dana preßte ihr Gesicht in sein Hemd und fühlte sich absolut sicher in der Wärme seiner Umarmung.

Ein Kribbeln lief ihre Wirbelsäule hinauf und sie dachte, hier gehöre ich hin.

Seine Hand streichelte ihr Haar und er murmelte irgend etwas, das sie nicht ganz erfassen konnte.

Dies ist wie in meinem Traum, dachte sie verschwommen. Wie eigenartig.

Sie entzog sich ihm, nur ein wenig, und sah ihm ins Gesicht. Mulder hatte einen leicht verwirrten Gesichtsausdruck, aber sie konnte die Liebe in seinen ruhigen grün-grauen Augen sehen.

"Ich möchte dich kennenlernen," flüsterte sie.

Mulder berührte ihr Gesicht und ließ seine Finger über die Wölbung ihrer Nase gleiten, von der Wurzel bis zur Spitze bis zur Spitze. "Das hast du bereits, Dana," sagte er. "Ungeachtet der kurzen Zeit, die wir einander kennen, du kennst mich bereits besser als irgend jemand auf dieser Welt."

Dana nickte. "Das ist die Tragödie, Mulder, daß wir nicht das bekommen, was wir am meisten brauchen, von den Menschen, die wir lieben..."

"Vorher," flüsterte er. "Du gibst mir das Vorher."

"Ja, aber das führt zu der Frage - sind wir glücklich, einander gefunden zu haben, so daß wir nicht allein mit dem Bedürfnis nach der Vergangenheit klarkommen müssen, oder sind wir dazu verdammt, eine Vergangenheit zu wollen, die wir niemals wieder haben können?"

Er schüttelte den Kopf. "Ich weiß nicht. Ein bißchen was von beidem, nehme ich an."

Sie lächelte. "Alles was ich weiß ist, daß so falsch es auch ist, was du und ich tun, ich glücklich bin, bei dir zu sein."

Mulder beugte sich herab und küßte ihr Haar, dann ihre Stirn und zuletzt ihre Lippen mit tiefer Verehrung. "Ich möchte mit dir zusammen sein," flüsterte er so leise, daß sie seine Wort beinahe nicht hörte.

"Du bist es," sagte Dana und zog ihn an sich, so daß sie sich wieder küssen konnten.

Als ihre Münder sich trafen, tastete Dana nach seiner Krawatte, schaffte es irgendwie, den Knoten zu lösen und die Krawatte von seinem Hemd zu ziehen.  Als nächstes machte sie sich an die Knöpfe seines Hemdes. Sie hatte das verzweifelte Bedürfnis, nun alles von ihm zu sehen, alles von Mulder kennenzulernen. Die frische Baumwolle seines Hemdes glitt mit dem letzten Knopf unter ihren Händen auseinander, sie schob es von seinem Körper und trat zurück, um ihn anzusehen.

Sein Oberkörper war fast so, wie er ihr in ihren Phantasien in jener Nacht erschienen war. Im Lampenlicht schien seine Haut golden und seine Rippen standen mäßig an seiner Brust hervor und gerade so, wie sie es in jener Nacht in ihrem Kopf getan hatte, zählte sie sie mit ihren Fingerspitzen.  Ihre Augen wanderten zu seiner Schulter und sie sah eine kleine, faltige Narbe genau unter seinem Schlüsselbein.

"Das ist eine Schußwunde," sagte sie und berührte sie.

Mulder nickte. "Exzellente Arbeit, Doktor. Ich habe noch eine an meinem Oberschenkel."

"Im Dienst angeschossen?"

"Ich vermute es. Ich muß ein gefährliches Leben gehabt haben. Es ist schwer, es sich jetzt vorzustellen, wenn man bedenkt, wie prosaisch mein Leben ist."

Das Leben im Vorher mußte schrecklich gefährlich gewesen sein, da sie selbst eine Schußwunde hatte. Sie erwähnte sie nicht, weil Mulder sie bald genug sehen würde.

Wie eine blinde Frau, die ein unbekanntes Gesicht erforschte, berührte sie langsam jeden Zentimeter seiner Brust, von der spärlichen Behaarung seines oberen Brustbereiches zu der zusammengezogenen kleinen Vertiefung seines Nabels. Mulder war währenddessen passiv, er stand einfach nur da und erlaubte ihr, ihre langsame Erforschung zu beenden.

Schließlich erreichte sie den Knopf an seiner marineblauen Hose. "Darf ich?" flüsterte sie, plötzlich scheu, als sie sich bewußt wurde, daß sie ihn beinahe nackt vor sich haben würde.

Er nickte.

Sie öffnete den Reißverschluß und schob sie mit gemächlichen Händen nach unten und er zog sie aus. Mulder trug nun nur noch ein Paar hellblaue Boxershorts. Dana bedachte die Tatsache, daß sie noch mit einem Pullover und Jeans bekleidet war und er war beinahe nackt. Es war ein starkes Gefühl, aber sie fühlte sich auch ungleicher, als sie es wollte.  Letztendlich waren sie zusammen hier drin.

Dana wollte ihren Pullover über den Kopf ziehen, als er sie mit seinen Händen stoppte. "Nein," flüsterte er ihr ins Ohr. "Ich will das tun. Ich habe es mir ausgemalt, seit ich dich getroffen habe."

Also war ich nicht die einzige, die Phantasien gehabt hat, dachte sei mit einem kleinen Grinsen. "Was haben wir noch getan, wenn du an uns gedacht hast?" fragte sie.

Zu seiner Ehre begann sein Gesicht, Farbe zu bekommen. "Wie wäre es, wenn ich es dir zeige?"

Er zog an ihrem dunkelbraunen Pullover und sie glitt heraus, die kühle Luft in dem Hotelzimmer ließ sie augenblicklich zittern. Dana sah herab auf ihr von Gänsehaut überzogenes Fleisch und wünschte, sie hätte etwas besseres als den funktionellen weißen Baumwoll-BH und den Slip ausgewählt, die sie trug. Natürlich hatte sie niemals erwartet, daß Mulder sie heute Nacht sehen würde.

Dana glitt aus ihren Jeans und nun waren sie beinahe gleich, sie in BH und Slip, er in seinen Boxershorts. Beinahe nackt, beinahe bloß. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, dachte sie.

Mulder ließ seine Augen über ihren Körper wandern und sie wurde an den umfassenden Blick erinnert, mit dem er sie auf seiner Party in der Küche angesehen hatte. Da hatte sie gewußt, erkannte Dana, daß sie den Weg, dem sie schließlich folgen würden, kannte.

"Du bist schön," verkündete er mit einem Lächeln. "Schön, aber schmal. Ich habe Angst, daß ich dir weh tun werde."

Sie rollte mit den Augen. "In deinen Träumen. Ich bin stärker, als ich aussehe, Mulder."

Wie um es zu beweisen, stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen, ihn wieder an sich zu ziehen und die Wärme seines nackten Fleisches an ihrem zu spüren. Seine Haut war so seidig, beinahe so weich wie die einer Frau oder eines Kindes und sie schwelgte in diesem Gefühl unter ihren Handflächen, als sie seinen Rücken streichelte.

Sie schwankten zum Bett und ließen sich in einem Durcheinander von Gliedmaßen und Haut darauf fallen, ohne ihren Kuß jemals zu unterbrechen.  Er war nun über ihr, erschreckend groß und fabelhaft und ihr stockte der Atem, als sie die Unvermeidlichkeit dessen erkannte, was sie tun würden.

Mulder rollte sie beide auf die Seite und seufzte dabei ein wenig.

Denk nicht nach, erzählte sie ihm schweigend, denn wenn du anfängst nachzudenken, dann werde ich anfangen nachzudenken...

Aber er hörte nicht auf, bewegte sich nur, um ihren BH zu öffnen und ihn mit langsamen Händen wegzunehmen und auf den Boden flattern zu lassen. Er begann ihre Brüste sanft zu berühren, wie er es vorher im Park gemacht hatte und sie wölbte sich seinen Händen entgegen, fühlte die verräterische Feuchtigkeit kommen, als er ihre Brustwarzen streichelte.

Seine Hand wanderte über ihren Bauch und fand die Narbe dort. "Wo wir von Narben sprechen, wie bist du zu dieser gekommen?"

Dana schüttelte den Kopf. "Es ist eine Operationsnarbe, aber sie scheint von einem Schuß zu sein."

"Es muß wahrhaftig eine Schießbude gewesen sein, dieses Vorher..."

Sie konnte sich solch eine gefährliche Zeit nicht einmal vorstellen. Jetzt gab es keine Waffen, ausgenommen die Betäubungspistolen, die die Beschützer trugen. Aber irgendwer, irgendwo, hatte ihr direkt in den Unterleib geschossen. Sie hatte geblutet, es war geheilt und sie hatte überlebt, und nun hatte sie eine kleine Narbe, die sie an ein Ereignis erinnerte, daß sie sich nicht ins Gedächtnis rufen konnte.

Mulder bewegte sich auf dem Bett nach unten, um die Narbe zu küssen und leckte mit feuchter Zunge darüber. Und Dana fand es überraschend erregend, obwohl die Narbe kaum eine erogene Zone war.

"Dreh dich herum," flüsterte er.

"Warum?" Aus irgendeinem Grund verspannten sich ihre Muskeln.

Sein Mund fuhr fort mit seiner feuchten Erkundung ihres Bauches und sie wollte nur, daß er tiefer ging, um sie dort zu lecken, wo sie anfing, vor Erregung zu pochen.

Mulder hob den Kopf. "Ich will alles von dir sehen."

Dana rollte sich folgsam auf die andere Seite. Als sie sein schwaches Keuchen hörte, wußte sie, daß er das Schlangentattoo an ihrem unteren Rücken entdeckt hatte.

Er glitt leicht mit den Fingerspitzen in endlosen Mustern darüber. "Du scheinst nicht der Typ für ein Tattoo zu sein, Dana."

Sie lächelte. "Ich war selbst überrascht, als ich es das erste Mal sah. Ich nehme an, es war von meiner Seite eine jugendliche Unüberlegtheit."

"Es ist großartig - all dieses Rot und Grün und Blau. Und verdammt sexy.  Das ist ein prima Fleck für ein Tattoo, keiner kann es sehen, es sei denn, du bist nackt. Es ist wie eine geheimnisvolle Überraschung für einen Mann, der das Glück hat, dir so nahe zu kommen."

Gegen ihren Willen begann sie sich daran zu erinnern, als John und sie sich das erste Mal geliebt hatten, in jener Nacht vor so vielen Jahren in seinem alten Apartment. John hatte es gesehen und sie neckend "Dana, mein kleiner Seefahrer" genannt. Sie hatte ihn ausdruckslos angestarrt, bis er erklärte, daß Seefahrer dafür bekannt gewesen waren, daß sie mit Tattoos überzogen waren. Es gab kein Verzeichnis, an welche Fakten sich die Menschen erinnerten.

Ich werde John nicht in das hier reinziehen, sagte sie sich und rollte herum, um Mulder wieder anzusehen.

"Nun kennst du mein schmutziges kleines Geheimnis," flüsterte sie.

"Ich will alle kennenlernen."

Als würde sie ihm antworten, zog sie ihren Slip aus und ließ ihn sich zu ihrem BH auf dem Teppich gesellen. "Du auch," sagte sie und streckte ihre Hand aus, um an seinen Boxershorts zu ziehen.

Und dann waren sie schließlich beide nackt, vollkommen entblößt vor den Augen des anderen. Dana ließ ihre Augen über seinen ganzen Körper gleiten - die flachen Muskeln an seinem Bauch, seine kräftigen Oberschenkel, die mit dünnen braunen Haaren bedeckt waren und, oh, sein Penis, der stolz aufrecht stand, als würde er auf ihre Berührung warten. Er war lang und dick und sie konnte nichts dagegen tun, sie streckte ihre Hand aus, um ihn versuchsweise zu berühren. Sie ließ ihre Finger von der Wurzel zur Spitze und wieder zurück gleiten, was Mulder ein leises Stöhnen entlockte.

Mulder küßte sie, seine Zunge glitt in ihren Mund und wieder heraus in einer Art, von der sie wünschte, daß es sein Penis tat. Sie war so feucht geworden, so bereit für ihn, in ihr zu sein.

Während sie seinen Penis streichelte, begann er sie ebenfalls zu berühren.  Seine langen Finger fuhren durch ihre dichten Locken und teilten ihre Lippen. Dana entzog sich seinem Mund und stöhnte, als er sie berührte.

Mulder streichelte sie, genau wie sie sich selbst berührte, genau wie sie es John über die Jahre gelehrt hatte. Zwei Finger umkreisten leicht ihre geschwollene Klitoris, ohne sie direkt zu berühren. Woher weiß er das zu tun, fragte sie sich benommen, als die Lust begann, sich zu verstärken. Wie kann er meinen Körper so gut lesen?

Als sie begann, seine Hoden zu umfassen und sie zu streicheln, warf Mulder seinen Kopf zurück und machte ein überraschtes Geräusch. "Oh, Scully, das fühlt sich so gut an..."

Sie erstarrte, eine Hand um seinen Penis gelegt, ihre Augen weit offen.

Er hatte sie Scully genannt.

"Wie hast du mich gerade genannt?" fragte sie mit leiser Stimme und ihr Herz begann zu klopfen.

Mulder sah sie verwirrt an. "Ich habe dich Dana genannt." Er sagte es mit solcher Überzeugung, daß sie erkannte, daß ihr Verstand ihr einen Streich gespielt hatte.

Ein bißchen Wunschdenken, dachte sie.

Sie zog sich von ihm zurück und mußte beinahe lachen über den erschrockenen Ausdruck auf seinem Gesicht. "Ich gehe nirgendwo hin," erklärte sie. "Ich möchte dir nur in diesem Moment näher sein."

"Du meinst?" Ein freudiges Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

"Ja. Bitte, Mulder, ich will dich in mir."

Mulders Lächeln wurde absolut glückselig, als er sie sanft auf den Rücken legte. "Ist es in Ordnung, wenn wir es so machen?" flüsterte er.

Sie hielt inne, um seine Schulter zu küssen, genau über der Narbe. "Du magst beinahe zwanzig Zentimeter größer sein, aber du wirst mir nicht weh tun."

Letztlich war John so groß wie Mulder und wahrscheinlich zehn Kilo schwerer und sie war immer noch am Leben.

Nein, nicht John, nicht jetzt.

"Und alle anderen aufgeben..." hatte sie an diesem Dezembertag vor dem Friedensrichter gesagt.

Nein, dies ist anders, ich kann es nicht erklären, ich liebe ihn so sehr, ich liebe Mulder.

Mulder glitt zwischen ihre Beine und sie spürte ihn, hart und bereit an ihrem Bauch. Er sah sie aus Augen mit schweren Lidern an und schien auf etwas zu warten.

Er braucht Bestätigung, dachte sie. Ich habe ihm noch nicht gesagt, wie ich fühle, nicht in so vielen Worten. Dann verstand sie, welch ehrenwerter Mann Mulder war, sogar als er tatsächlich seine Frau betrog. Er würde es nur aus Liebe tun.

Dana berührte sein rauhes Gesicht und fühlte ungewollte Tränen in ihre Augen steigen. "Mulder," flüsterte sie und hob ihre Beine, um sie um seinen Rücken zu schlingen. "Ich liebe dich."

Letztendlich war es so einfach, es zu sagen.

Er beugte seine Kopf herab, um sie mit einer sanften Intimität zu küssen, so daß sie nur noch mehr mit ihm zusammen sein wollte. "Dana, ich liebe dich auch," sagte er mit kratzender Stimme in ihr Ohr und sie spürte, wie die Spitze seines Penis begann, gegen ihre Öffnung zu stoßen.

Mulder hielt inne, noch nicht ganz in ihr. "Äh, Dana," meinte er zögernd, "wir haben nicht über Verhütung gesprochen. Hast Du ein Implantat?"

"Es ist in Ordnung," erwiderte sie. "Ich kann nicht schwanger werden ohne medizinischen Eingriff. Wir brauchen nichts."

Er seufzte erleichtert und sie schlang ihre Arme um seinen Nacken. "Bitte jetzt," bat sie. Sie waren so nahe.

Mit einer kleinen Bewegung seiner Hüften stieß er in sie hinein und sie hörte sich ein leises brummendes Geräusch machen bei dem Gefühl. Sie zwang sich dazu, ihre Augen offen zu halten, um sein schönes Gesicht zu beobachten, das sich durch die Lust veränderte, als sie sich zusammen bewegten.

Dana war sich jeder Empfindung nur allzu bewußt, als sie sich liebten - der Schweiß, der seinen Rücken bedeckte, die Art, wie ihm sein Haar in die Stirn fiel, während er in sie hinein fuhr, das totale Gefühl der Vollkommenheit, als er sie wieder und wieder ausfüllte. Das widerspricht allem, was ich kenne und woran ich glaube, dachte sie, während sie sich ihm entgegen wölbte, um seine langsamen, tiefen Stöße zu empfangen, aber dies hier ist absolut richtig.

Sie überraschte sich selbst, indem sie Geräusche machte, indem sie in seinen hungrigen Mund stöhnte. Gewöhnlich war sie niemand, der seine Lust nach außen hin zeigte, der dramatische Stimmübungen während des Sex machte, aber nun war sie hier und schrie mit überraschtem Keuchen und Stöhnen auf, als die Lust in ihr wuchs. Und Mulder beteiligte sich an ihrem Konzert, brummte vor animalischer Erlösung, erhöhte das Tempo und ließ seinen Penis in ihre Tiefen hineingleiten und wieder heraus mit wachsendem Verlangen.

"Das ist... das ist unglaublich," keuchte er und Dana nickte in verblüffter Zustimmung, ihr Becken höher reckend, um ihn tiefer in sich hineinzuziehen.

Ohne Warnung versank der Boden unter ihr, das Gefühl, wie sich ihr Inneres dehnte und pulsierte, ließ sie sogar noch lauter stöhnen, aber sie bemerkte es nicht, kümmerte sich nicht darum, wer sie hörte. Ein Blitz von weißer Hitze, weißem Licht schoß durch sie hindurch und blendete sie, als ihr Orgasmus begann und sie in endlosen Krämpfen beinahe über dem Bett schwebte.

Dana hatte nicht bemerkt, daß sie ihre Augen geschlossen hatte, bis die heftigen Kontraktionen zu sanften Nachbeben abflauten. Ihre Augenlider flatterten auf und sie sah den Ausdruck von Staunen auf Mulders Gesicht.

"Das war das schönste, was ich jemals gesehen habe," sagte er mit gespannter Stimme.

"Ich möchte dich auch sehen," flüsterte sie.

Er schien den letzten Anschein von Kontrolle zu verlieren und stieß so tief in sie hinein, daß es beinahe schmerzte. Aber ein bißchen Unbehagen war es wert, zu sehen, wie seine Augen ins Leere glitten und zu spüren, wie seine Rückenmuskeln sich unter ihren Händen zusammenzogen und schließlich zu hören, wie sich der Schrei aus seiner Kehle löste, als er in ihr kam und sich sein Gesicht in Erlösung verzerrte.

Und dann war das einzige Geräusch im Raum ihr Keuchen, als sie miteinander verschlungen dalagen, immer noch vereint.

Nach einer langen Weile beruhigte sich ihr Atem, sie rollten auf die Seite und Mulder glitt aus ihr heraus. Dana wollte sich schuldiger fühlen, in Tränen ausbrechen wegen des Verrats an ihrem Mann. Aber das einzige Gefühl, das sie hatte, war ihre enorme Liebe zu dem Mann, der ruhig bei ihr blieb, dem Mann, der nun begann, sie zu küssen mit der Mattigkeit der Erfüllung.

Sie lächelte und begann, seine Brust zu küssen und den reichen Duft ihres Liebesspiels einzuatmen.

"Egal, was passiert, Dana," sagte Mulder und zog sie hoch, so daß er seine Arme um sie schlingen konnte. "Ich werde mich immer an das hier erinnern."

"Das werde ich auch."

Für einen Moment lagen sie einfach nur zusammen und sonnten sich in der neuen Intimität, die sie teilten. Später würde es genug Zeit geben, das Brennen der Schuld zu spüren.

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Irgendwie schafften sie es, sich zu trennen und zwischen die Laken zu schieben.

"Wir haben die arme Bettdecke schmutzig gemacht," schmunzelte Dana, als sie die Hitze von Mulders Körper an ihrem Rücken spürte.

"Deswegen haben sie die Wäscherei. Und nebenbei, sie haben recht daran getan, cremefarbene Überdecken gewählt zu haben."

Sie gab einen leisen, überraschten Ton von sich, als er ihr Haar zur Seite schob und begann, ihren Nacken zu küssen. Oh ja, das ist genau die richtige Stelle. Und das Gefühl steigerte sich noch, als seine Küsse in einem bedächtigen Tempo ihre Wirbelsäule abwärts wanderten, Wirbel für Wirbel.

Schon war sie wieder bereit. Sie war noch schweißgebadet und klebrig vom Sex nur Minuten zuvor, aber sie sehnte sich nach dieser unmöglichen Vollständigkeit, die sie gespürt hatte, als Mulder in ihr gewesen war. Ihre Finger ballten sich zu Fäusten und ihr Atem ging schneller, als seine Zunge ihr Tattoo berührte.

Mulder bewegte sich wieder nach oben und sie gab einen enttäuschten Ton von sich, als er sich wieder gegen sie drückte.

"Shh..." sagte er. "Wir haben die ganze Nacht. Es gibt keinen Grund zur Eile..."

Dana gönnte es sich, sich an seinem Körper zu entspannen und jeden Muskel zu lockern. Schweben, sie fühlte sich, als würde sie im Wasser eines ruhigen Teiches schweben.

"Dana," flüsterte Mulder. "Du hast es mir nie erzählt."

Sie hob ihren Kopf vom Kissen. "Was erzählt?"

Mulders Finger glitten durch ihr Haar, was sie daran erinnerte, wie sie eine unruhige Julia nach einem schlechten Traum beruhigte. "Du hast mir nie erzählt, woran du dich erinnerst aus dem Vorher..."

Ihr Mund öffnete sich. "Oh."

"Willst du es mir erzählen?"

John will nicht darüber reden, dachte sie. Ich habe es versucht und er verschließt mir den Mund und manchmal frage ich mich, ob er mich wirklich kennenlernen will oder will, daß ich ihn kennenlerne. Mulder möchte das hören.

Und vielleicht war das der entscheidende Unterschied.

Ihr Kopf fiel zurück auf das weiche Kissen. "In Ordnung," flüsterte sie.

"Ich werde es dir erzählen."

Sie begann mit den einfachsten Dingen, Bruchstücken aus der Kindheit - Geburtstagskerzen auspusten auf einem Clownkuchen, wilde Fangespiele auf einer stillen Straße, in der alle Häuser gleich waren, in einem Bett liegen und zittern, wenn vor den Fenstern der Donner grollt.

Mulder war still, während sie ihre Erinnerungen aufzählte, er streichelte ihr Haar und ließ sie einfach reden.

Ihre Stimme wurde zögernd, als sie zu den wenigen Erinnerungen aus ihrem Erwachsenenleben kam und schließlich zu den Träumen, die sie gehabt hatte.

"Ich träume von ihm," sagte sie. "Immer derselbe Mann, aber wenn ich erwache, kann ich mich nicht daran erinnern, wie er aussieht oder wie seine Stimme klingt. Ich kann mich nur daran erinnern, wie es ist, von ihm gehalten und von ihm geliebt zu werden. Wenn ich in meinen Träumen bei ihm bin, fühle ich mich so... ich fühle mich, als hätte ich alles, was ich auf der Welt brauche."

Dana hielt einen Moment inne und biß sich auf die Lippe. Sie war sich nicht sicher, ob sie mit ihm den Rest ihrer Gedanken teilen sollte.

"Was ist?" fragte er und legte seinen schweren Arm um ihre Taille.

Sie atmete tief ein. "Wenn ich von diesem Mann träume, fühle ich mich so, wie ich mich fühle, wenn ich mit dir zusammen bin, Mulder."

Er kuschelte seine Nase in ihren Hals. "Dana, was ist wenn? Was wenn?"

Was wenn?

Nein.

Sie lächelte, obwohl sie wußte, daß er ihr Gesicht in der Dunkelheit nicht sehen konnte. "Ich wünschte es," sagte sie, "obwohl ich weiß, daß es keine Möglichkeit gibt, daß es wahr sein könnte."

Dana spürte, wie sich seine Brust mit einem Seufzer hob.

"Ich weiß. Aber was wenn wir für eine Minute so tun würden, als ob?"

Sie zog ihre Augenbraue hoch. "Du willst so tun, als ob? Aber es gibt keine Möglichkeit, daß ich mich für dich als französische Jungfrau verkleide."

"Stichel nicht," sagte er. "Nein, mal es dir aus - ich bin der schneidige junge FBI-Agent und du die hübsche kleine Ärztin am Tatort. Unsere Blicke treffen sich über einer kopflosen Leiche und ich bin ein hoffnungsloser Fall..."

Ihr ganzer Körper begann unter hilflosem Kichern zu beben und er lachte mit.

"Du bist... du bist so ein Romantiker, Mulder," keuchte sie unter abflauendem Gelächter.

Seine Finger schlichen sich zu ihrer Brust und begannen, ihre Brustwarzen zu umkreisen. "Das bin ich," flüsterte er in ihr Ohr und dann nahm er ihr Ohrläppchen in seinen heißen Mund und saugte daran.

"Schon wieder?" fragte sie, als sie seinen Penis an ihrem Rücken härter werden fühlte. "Du bist kein Teenager mehr, Mulder."

Er kicherte, ein dumpfes Grollen in seiner Brust. "Unterschätze niemals die Kraft von Training, Vitaminen und der Anwesenheit einer schönen, nackten Frau im Bett mit mir."

Die Glut wurde heißer, sowohl in ihrem Gesicht als auch zwischen ihren Beinen. "Jede nackte Frau?"

Die Baumwolle seines Kissens raschelte, als er seinen Kopf schüttelte.

"Nein. Nur du, Dana."

Was ist mit Sarah, dachte sie verräterisch. Schläfst du mit ihr mit solch einer überwältigenden Leidenschaft und Verehrung? Fühlt sie wie ich?  Bringst du sie dazu, zu kommen, wie ich es tue? Bringt sie dich dazu, zu kommen, wie ich es tue?

Sie zwang ihren Verstand dazu, zu schweigen. Sie waren außerhalb jeglicher Zeit in diesem Hotelzimmer. Sarah und John können in diesem Augenblick nicht existieren.

Mulders Hand forschte zwischen ihren Schenkeln und fand ihre anschwellende Klitoris. Sie summte vor Freude, als sie ihre Pobacken gegen ihn stieß.

"Können wir?" fragte er zögernd.

Sie lachte beinahe. "Mußt du fragen?"

Als sie ihre Knie an die Brust zog, begann er mit schmerzender Langsamkeit in sie einzudringen.

Das einzige Wort, um das zu beschreiben, ist vollkommen, dachte sie. Aber so wundervoll es sich anfühlte, Mulder in sich zu haben, sie brauchte mehr.  Dana stieß ihre Hüften nach vorn und sein Penis glitt heraus.

"Was tust du?" murmelte er mit belegter Stimme.

Sie rollte herum, so daß sie ihn ansehen konnte und drückte ihre Lippen gegen seine. "Ich muß dein Gesicht sehen, Mulder," flüsterte sie.

"Oh ja," hauchte er und drehte sich auf den Rücken.

Ich muß sichergehen, daß du es wirklich bist, dachte sie, als sie die Nachttischlampe anknipste und sich mit gespreizten Beinen auf seinen schlanken Körper setzte. Ich möchte in der Lage sein, mich an jedes Detail dieser Nacht so gut ich kann zu erinnern.

Ihre Finger schlossen sich um seine Erektion und sie drückte sie und beobachtete das daraus resultierende Beben, das seinen ganzen Körper bis hinunter zu seinen zuckenden Zehen durchlief.

"Bitte," sagte er, seine langen Finger zogen sich ruhelos zusammen.

Während es amüsant war, ihre Lust zu verlängern, sehnte sich Dana zu sehr danach, um noch länger zu warten. Jede Zelle ihres Körpers verlangte danach, wieder von ihm ausgefüllt zu werden. Sie erhob sich und dann sank sie wieder herab, ließ alle Luft aus ihren Lungen, als sie auf ihm herabglitt, Zentimeter für Zentimeter.

Sie bewegte sich nicht mehr und beugte sich zu seinem Gesicht herab, ihre Hände gruben sich zu beiden Seiten seines Kopfes in die Kissen. Ihre Zunge widerspiegelte die langsamen Stöße ihrer Hüften. Welch ein Rhythmus, dachte sie, wir passen so gut zusammen trotz unserer unterschiedlichen Größe und der Neuheit dessen. Obwohl es das Elektrisierende dessen gab, frisch verliebt zu sein, fühlte sie sich so behaglich, als würden sie das schon seit Jahren machen. Es gab einfach nicht das übliche Herumtasten und die süße Unbeholfenheit der ersten gemeinsamen Nacht, nein... "Fühlt sich das gut an?" Irgendwie fühlte es sich an, als hätten sie ihre Bewegungen choreographiert, so glatt war die Flut der klaren Lust.

Mulders Hände legten sich auf ihre Schultern, um sie zu halten, während sie ihn mit tieferen Stößen in sich aufnahm. Sein Mund öffnete und schloß sich, als wollte er etwas sagen, aber nicht die Kraft oder die Worte finden können.

Ich weiß, dachte sie, ich habe auch nicht die Worte, um das zu beschreiben.

Wieder bewegte sie sich näher zu ihm und er nahm eine ihrer Brustwarzen in den Mund und ließ seine Zunge leicht über das verhärtete Fleisch gleiten.  Sie keuchte bei dem Gefühl, das dadurch hervorgerufen wurde und stieß ihre Hüften nur noch heftiger gegen seinen Körper.

Er war unglaublich tief in ihr und sie wollte noch mehr, bis es keine Möglichkeit mehr gab zu sagen, wo Mulder endete und sie begann. Wenn sie nur für immer so bleiben könnten.

Danas Oberschenkel begannen zu zittern von der Anstrengung und dem Anwachsen ihres Orgasmus. Ich bin noch nie zweimal in einer Nacht gekommen, dachte sie erstaunt, aber oh, Mulder, was machst du mit mir? Und dieses Mal war die Lust tief und süß, ein einziger langer Strom, der ihren Rücken herauf und ihre Beine herab lief, während sie kleine, atemlose Töne von sich gab.

Mulder stöhnte, als er seine Hüften anhob, um ihr auf halbem Wege entgegenzukommen. "Das ist es, Dana, oh ja, das ist es..."

Das ist es, dachte sie, als ihr Orgasmus seinen Höhepunkt erreichte und dann abflaute. Das ist die Art, wie ich mich die ganze Zeit fühlen wollte, lebendig und vollkommen.

Sie sah an der Art, wie sich seine Augenbrauen zusammenzogen, sein Mund öffnete und er nach Luft rang, daß Mulder sich seinem Orgasmus näherte.  Ihre Hände glitten unter seinen Körper, packten seine Pobacken und zogen ihn enger an sich und er explodierte mit dem Heulen eines Tieres in ihr, als er kam.

Seine Augen flogen auf, lange Augenwimpern flatterten überrascht. Dana sackte auf seiner klebrigen Brust zusammen, die beiden keuchten beinahe in Harmonie. Er schlang seine Arme um ihren Rücken und sagte, "Was werde ich tun, wenn du mich für den Rest meines Lebens geschwächt hast?"

"Es wird dir gut gehen, Mulder." Sie küßte seine verschwitzte Augenbraue und schmeckte das Salz auf ihren Lippen.

"Ich werde zu alt dafür..." murmelte er, aber ein winziges Grinsen auf seinem Gesicht strafte seine Worte Lügen.

"Nein, ich glaube, du hast definitiv bewiesen, daß du nicht zu alt dafür bist." Und sie küßte ihn wieder und sonnte sich in dem Geruch seiner und ihrer Haut, der vom Sex herrührte.

Sie legten sich zurück auf die Seite und sahen einander an. Dana schaltete das Licht aus und zog die Decken über ihre Körper.

Mulders Augen fielen beinahe zu vor Erschöpfung, aber er schaffte ein schiefes Lächeln. Er nahm ihre Hand in seine. "Ich habe nie zuvor jemanden so geliebt," gestand er ihr.

Sie schloss ihre Augen. "Nicht einmal Sarah?"

Ein langer Seufzer entrang sich ihm und er schwieg für ein paar Augenblicke. "Nicht einmal Sarah. Aber ich liebe sie, Dana. Ich habe nie aufgehört, sie zu lieben."

Nickend kämpfte sie gegen ihre Tränen an. "Ich weiß, Mulder," flüsterte sie. "Ich liebe John auch."

"Ich will ihr nicht weh tun, ich kann ihr nicht weh tun, sie war so gut zu mir."

Diesmal war sie nicht in der Lage, ihre Tränen davon abzuhalten, über ihr Gesicht zu laufen, als sie an Sarah und John dachte, die sich glücklicherweise dessen nicht bewußt waren, daß sich ihre Ehepartner in jemand anderen verliebt hatten. Hör auf, sagte sie sich, laß ihn dich nicht so sehen, du bist stärker als das. Aber es war nutzlos, sie konnte ihre perfekte Fassade bei Mulder nicht aufrechterhalten. Nicht, wenn sie mit ihm im Bett lag, nackt in seinen Armen, immer noch erhitzt von der Lust, die er ihr gegeben hatte.

"Weine nicht," sagte er und wischte ihre Tränen mit den Daumen weg, als wäre sie ein Kind. "Es wird alles gut werden."

"Nein, das wird es nicht." Sie schüttelte den Kopf.

Dana fühlte sich wie ein verwundetes Tier in der Falle, nicht in der Lage, sich in irgendeine Richtung zu bewegen. Ihre überwältigende Liebe für Mulder war auf der einen Seite und ihre Verpflichtung und ihre Liebe für John war auf der anderen. Sie konnten nirgendwo hingehen, keine Lösung würde ohne tiefen Schmerz für alle Beteiligten sein.

"Bereue das hier nicht," bat er mit kratzender Stimme. "Ich werde nie mehr in der Lage sein, mit mir zu leben, wenn du es tust..."

"Ich tue es nicht, Mulder. Ich liebe dich auf eine Art, von der ich niemals geträumt habe, daß ich einen anderen Menschen so lieben könnte, aber..."

"Aber?" Mulders Stimme war leise.

"Aber du und ich, wir wissen beide, daß wir so nicht wieder zusammen sein können. Nach heute Nacht müssen wir nach Hause gehen und versuchen, unser normales Leben weiterzuleben."

Er rollte sich auf den Rücken und bedeckte sein Gesicht mit seinem Arm. Sie fragte sich, ob er versuchte, seine eigenen Tränen zu verbergen.

"Ich weiß," erwiderte er schließlich resigniert. "Ich weiß, daß es das richtige ist."

"Das ist nicht einfach für mich, das weißt du," sagte sie und strich ihm durchs Haar. "Aber wir haben Familien. Wir haben Versprechen gemacht, die wir respektieren müssen."

Mulder drehte sich zu ihr um und lächelte sie traurig an. "Wir haben Versprechen gemacht, die wir respektieren müssen," wiederholte er.

Danach waren sie still, lagen nur beieinander und wußten, diese Nacht war die einzige, in der sie sich so nahe sein konnten.

Schließlich wurde Mulders Atem gleichmäßig und sie wußte, daß er eingeschlafen war.

Ich will nicht schlafen, dachte sie. Ich will die ganze Nacht wach bleiben und jeden Moment erfassen.

Aber bald schon gab auch sie sich der Erschöpfung hin und ihr Bewußtsein schwand.

Sie hatte in dieser Nacht keine Träume.

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Dana erwachte, bevor es hell war. Die Uhr zeigte fünf Uhr morgens und sie erlebte einen kleinen Schock, als sie erkannte, daß sie in einem Hotelzimmer war, mit Mulder, der neben ihr zusammengerollt dalag.

Was haben wir getan, dachte sie.

Sie kletterte aus dem Bett und ging, schmerzend und klebrig, ins Bad. Das strahlende Licht ließ sie die Augen zusammenkneifen und auch nachdem sie sich an die Helligkeit gewöhnt hatte, sah sie sich nicht im Spiegel an, als sie sich die Zähne mit einer der Gratiszahnbürsten putzte.

Ihre Haut roch nach Mulder, nach dem außergewöhnlichsten Sex, den sie jemals erlebt hatte. Sie wollte diesen Geruch an ihrem Körper für immer bewahren, aber sie stellte dennoch die Dusche an.

Das heiße Wasser fühlte sich erfrischend auf ihren steifen Muskeln an, aber nicht gut genug, um das Schluchzen zurückzuhalten, das sich in ihrer Brust bildete. Die Dusche war schon immer der Ort gewesen, an dem sie sich den Luxus erlaubte, zu weinen. Sie erinnerte sich an jene Morgen nach ihren beiden Fehlgeburten, an denen sie in der Dusche geweint hatte und die Wut und die Traurigkeit mit dem Wasser und dem Shampoo in den Abfluß laufen ließ. Sie hatte den Schmerz losgelassen, um einen neuen Tag zu ertragen, an dem sie den Part der kühlen, rationalen Forschungswissenschaftlerin zu spielen und John eine gute Frau zu sein hatte.

Das einzige Mal hatte John sie wirklich weinen sehen, als er auf Zehenspitzen in das Zimmer in der Entbindungsklinik gekommen war und das winzige, pinkfarben verpackte Bündel gehalten hatte, das Julia war. Sie hatten dann zusammen geweint, als sie ihren wahr gewordenen Traum festhielten.

Nun schluchzte sie, als sie erkannte, daß sie unwiderruflich den Mann liebte, den sie niemals haben konnte. Vor Mulder hatte sie nicht gewußt, wie tief das gehen konnte. Nun würde alles, was John ihr bieten konnte, niemals genug sein.

Aber sie hatte John ihre Loyalität geschworen, ihre Treue, bis der Tod sie trennte und sie hatte niemals ihre Versprechen gebrochen. Sie würde auch das nicht brechen. Es war mit dieser Nacht mit Mulder bis an die Grenze gegangen, aber sie konnte nicht das Band der Ehe zerschneiden.

Zum ersten Mal erfaßte Dana die negative Bedeutung des Wortes Band.

Dies ist die richtige Entscheidung, sagte sie sich und wusch ihre Tränen mit der nach Vanille duftenden Seife fort.

Sie fühlte sich stärker durch ihren Entschluß und ihr Rücken und ihre Schultern streckten sich.

Dana stellte das Wasser ab und griff nach einem Handtuch auf dem Regal neben der Dusche. Sie trocknete sich ab, wickelte sich in das Handtuch und schob den Duschvorhang zur Seite. Mulder stand nackt am Waschbecken und putzte sich die Zähne. Er spülte sich den Mund aus und drehte sich zu ihr um. Seine Augen waren noch nicht ganz wach und er lächelte.

Sie stieg aus der Dusche und er berührte ihre bloße Schulter. "Du bist früh auf," sagte er.

"Ich konnte nicht schlafen."

"Ich auch nicht. Nicht ohne dich."

Dana nickte. "Ich muß nach Hause, mich für die Arbeit umziehen." Sie wandte ihre Augen ab. Es würde es nur noch schwerer machen, zu gehen, wenn sie ihn ansah. Sie würde sich wieder darin verlieren.

Aber Mulder machte einen Schritt nach vorn und nahm ihr Gesicht in seine großen Hände. "Bleib noch ein bißchen länger, Dana. Wir haben Zeit."

Sie sah ihm in die Augen. "Wenn ich bleibe, werde ich mich nie mehr davon erholen."

"Es ist zu spät," sagte er und küßte sie.

Er hat recht, wir werden uns nie mehr davon erholen, dachte sie und sie verließen das Badezimmer und fielen auf die zerwühlten Laken.

Mulder nahm sich Zeit, sie zu erforschen, ihren Körper mit zärtlichen Fingern zu berühren, seine Zunge und seine Lippen über ihre Haut streichen zu lassen - über ihren Hals, ihre Brustwarzen, sogar über die Innenseite ihrer Ellbogen. Ihre Haut summte lebendig und sie spürte, wie die Säfte zwischen ihren Beinen zu fließen begannen.

Seine Hand glitt da hin, wo sie seine Berührung am meisten wollte und Dana wimmerte unter der sanften Fürsorge seiner Finger.

Er erhob sich auf seine Ellbogen, küßte sie und sagte, "Zum Schluß werde ich herausfinden, wie du schmeckst."

"Bitte, Mulder," stöhnte sie.

Dann war sein Mund überall, sein dunkler Kopf zwischen ihren gespreizten Beinen. Die heiße Länge seiner Zunge erforschte sie und sie schrie auf bei dem Empfinden. Er hob einen Moment den Kopf und leckte seine geschwollene Unterlippe. "Du bist so süß," sagte er und fiel wieder über sie her mit hungrigen Schlägen seiner Zunge gegen ihre Klitoris.

Es war beinahe schmerzhaft, wie hart ihr Herz vor Erregung schlug. Mit ihren Händen kontrollierte sie sein Tempo, aber Mulder brauchte ihre Hilfe wirklich nicht. Es war perfekt. Genau wie vorher, schien er instinktiv genau zu wissen, was sie brauchte und wann. Obwohl sie normalerweise die Idee abtat, erwog sie kurz die Möglichkeit psychischer Kräfte.

Gerade als sie den Beginn ihres Orgasmus spürte, schob er zwei lange Finger in sie hinein und sie setzte sich beinahe auf, die Empfindungen, die er hervorrief, waren so mächtig. "Jajajajaja," hörte sie sich selbst unbewußt stöhnen, als der Orgasmus tief in ihr ausbrach.

Ihr Körper bebte noch, als er sich neben sie legte und ihren zitternden Körper hielt und ihr Gesicht mit Küssen bedeckte. "Du bist einfach so...  schön," sagte er.

"Ja, richtig." Es war noch nicht einmal sechs Uhr morgens, ihre Haare waren noch naß und ohne Zweifel in einem schrecklichen Durcheinander und sie hatte noch kein Make-up aufgelegt.

Mulder berührte sie genau über ihrer Oberlippe. "Warum deckst du das ab?" fragte er und deutete auf das kleine Mal.

Sie zuckte mit den Schultern. "Ich mag nicht, wie es aussieht."

"Ich mag es." Er küßte sie und sein Mund schmeckte nach ihr.

Dana schluchzte beinahe, als er wieder in sie eindrang. Sie wußte, daß es das letzte Mal war, daß sie zusammen waren. Es war ein wenig schmerzhaft, sie war wund von der Nacht vorher, aber es fühlte sich auch unglaublich an, ihn in sich zu haben.

"Niemals," ächzte er. "Ich werde das niemals vergessen."

Wo habe ich das schon einmal gehört, fragte sie sich verschwommen, aber es war keine gute Zeit, um zu versuchen, zu denken.

Ihre Schenkel schmerzten, als sie sie hoch um seinen Rücken schlang, aber es war ein schöner Schmerz. Sie hatte Angst, die Augen zu schließen, Angst, sie würde etwas verpassen. Den Rest ihres Leben würde sie diese Erinnerungen an das absolute Glück, sich mit Mulder zu lieben, ertragen müssen.

Ja, die Erinnerungen würden sie wahrscheinlich später mit Schuldgefühlen heimsuchen, aber sie würden sie auch an diese eine Nacht erinnern, in der sie gelernt hatte, wie Liebe sein konnte.

Warum liebe ich dich so sehr, fragte sie sich und küßte jeden Teil seines Gesichtes, den sie erreichen konnte. Wer bist du?

Mulder gab einen erstickten Ton von sich, als er kam und verbarg sein Gesicht an ihrer Schulter. Sie rieb seinen Rücken, als er mit einer unglaublichen Wucht in sie hineinfuhr und sie lächelte durch die Tränen, die ihren Blick verschwimmen ließen.

"Oh," seufzte er. "Es tut mir leid, es war so... schnell..."

"Du mußt dich nicht entschuldigen."

"Aber du bist nicht... ich wollte es diesmal perfekt machen."

Sie verstand, was er nicht sagen konnte - daß sie zum letzten Mal zusammen waren.

"Shh," beruhigte sie ihn und küßte seinen Hals. "Es war wunderbar, schön."

Er gab einen erleichterten Ton von sich und rollte von ihr herunter. "Ich muß dich doch erdrücken."

Tatsächlich hatte sie das Gewicht seines Körpers geliebt, seine festen Muskeln unter ihren Händen, der Geruch von ihm, der sie vollkommen umgab.

Dana wollte es nicht, aber sie sah auf die Uhr. Es war fast 6.30 Uhr, beinahe Zeit zu gehen. Bei dem Gedanken zog sich ihr Magen zusammen und ihr Mund wurde trocken.

Plötzlich schien alles eine schreckliche Bedeutung anzunehmen. Als sie sich in seinen Armen zusammenrollte, begriff sie, daß es das letzte Mal war. Als sie sich küßten und ihre Zungen übereinander glitten, wußte sie, daß sie sich niemals wieder so küssen würden. Sie würde ihn nie wieder schmecken.

"Ich wünschte, es könnte alternative Wirklichkeiten geben," sagte Mulder, seine Augenlider flatterten gegen ihre Wange.

"Warum?"

"Weil ich dann zwei Männer sein könnte. Einer würde dieses Hotel verlassen und zu meinem Leben mit Sarah zurückkehren, glücklich und sich dessen nicht bewußt, daß du existierst, Dana. Und der andere würde ein neues Leben mit dir aufbauen. Jeden Tag, wenn wir von der Arbeit kommen, würden wir uns über unseren Tag unterhalten, während wir das Abendessen bereiten. Und jeden Abend würde ich mit dir ins Bett gehen, dich lieben und mit dir an meiner Seite aufwachen."

Es war eine Vorstellung, sie konnte es nicht einmal ertragen, darüber nachzudenken. "Die Erregung wird nachlassen. Das tut sie immer. Am Anfang ist sie heiß und frisch, nach einer Weile ist es noch schön, aber dann wird es Routine, man kennt einander so gut, daß sich die wahre Erregung verliert."

Seine Stimme war rauh. "Nein. Nicht mit dir. Ich weiß, wir waren nur eine Nacht zusammen, aber irgendwie weiß ich, daß es mit dir immer wunderbar sein würde. Ich könnte deiner nie müde werden, Dana."

Sie blinzelte schnell. "Sag das nicht. Du bringst mich nur wieder zum Weinen."

"Ich weiß. Aber ich kann nichts gegen diese Gedanken tun."

Sie setzte sich auf. "Mulder, ich muß jetzt gehen."

Seine warme Hand berührte ihren nackten Rücken. "Ich hätte nicht gedacht, daß es so hart werden würde."

"Ich weiß." Sie stand auf und ging ins Badezimmer, ohne zu ihm zurückzublicken.

Fünf Minuten später kam sie vollständig angezogen wieder heraus. Mulder saß auf dem Bett, er hatte jetzt seine Boxershorts an und sein Gesicht war in seinen Händen vergraben.

Unter großer Anstrengung schaffte sie es, ihre Stimme ruhig zu halten. "Ich glaube nicht, daß ich es durchhalten würde, wenn wir eine große Abschiedsszene machen."

Er sah nicht auf, aber er nickte.

Sie ging zu ihm hinüber und legte ihre Hand auf seine. Ich liebe diese Hände, dachte sie. Sie sind groß und stark, aber unendlich sanft.

Mulder sah immer noch nicht auf.

"Bitte sag mir, daß wir das richtige tun," flüsterte sie.

Als er sie schließlich ansah, waren seine Augen von einem ganz dunklen Grau, beinahe schwarz und sie glänzten vor Tränen. "Wir tun das richtige, Dana."

Sie nickte. "Ich liebe dich," sagte sie.

Er stand auf und küßte sie, ein langer, tiefer Kuß, der ihr den Atem nahm.

"Ich dich auch," erwiderte er. "Das ist das Problem."

Dana drückte seine Hand ein letztes Mal. Sie straffte sich, als würde sie am Rande eines Sprungbrettes stehen und wissen, daß das Wasser kalt war.  Dann drehte sie sich um und ging zur Tür hinaus.

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Irgendwie überstand sie den Tag mit Kaffee und bloßer Willenskraft.

Sie war einfach zu leer, um irgend etwas zu fühlen oder über irgend etwas anderes als Zellstrukturen und DNA-Daten nachzudenken.

Sie verließ die Arbeit ein bißchen früher und fuhr direkt zur Primary Care, um Julia abzuholen. Ihre Tochter saß an einem der kleinen roten Tische und formte etwas klumpiges aus Modelliermasse.

"Mamimamimami!" schrie Julia, sauste quer durch den Raum und warf sich in Danas Arme.

Dana atmete Julias Duft nach Apfelsaft und Vanillewaffeln tief ein.

Sie war da, wo sie hingehörte.

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Es war lustig, je mehr man sich vormachte, daß das Leben normal war, desto normaler erschien es einem tatsächlich.

Zu Hause bereitete sie Julias Lieblingsessen zu - gegrillten Käse und Tomatensuppe - und machte sich nicht einmal etwas daraus, daß ihre Tochter es schaffte, das meiste von ihrer Suppe auf ihrem Hochstuhl und dem weiß-blauen Linoleum zu verteilen. Julia war aufgeregt, wieder bei ihr zu sein und konnte nicht aufhören, Unsinniges über ihren Tag zu plappern, sogar als sie an ihrem Sandwich kaute.

"Jerry, das blaue Raumschiff" brachte es auf den Rekord von fünfmal Vorlesen. Jede Wiederholung endete damit, daß Julia mit ihrer kleinen, dicken Faust auf das Buch klopfte und freudig schrie, "Mehr Jerry!"

Dana bemerkte, daß sie mit halbem Ohr auf das Telefon lauschte, auf einen Anruf von John und sie war ein bißchen nervös. Aber das Telefon blieb still, die einzigen Geräusche im Apartment waren ihre eigene Stimme, die die Geschichte vorlas, die Reaktionen Julias und der gedämpfte Klang der Musik von einem Ballettprogramm auf dem Telebildschirm.

Sie dachte nicht an Mulder, nicht wirklich. Das forderte eine solche Willenskraft von ihr, daß ihr der Kiefer vom Zusammenpressen weh tat.

Julia marschierte zu ihrem Zeichentisch in der Ecke und kritzelte mit ihren Stiften auf dem Lichtbildschirm herum. Dana saß zurückgelehnt auf der Couch, eine Decke über den Beinen und beobachtete die Konzentration auf Julias kindlichem Gesicht, als das kleine Mädchen vor sich hin summte.

Sie hatte so hart dafür gekämpft, ihre Tochter zu bekommen. Ihre Aufregung über die Aussicht, Mutter zu werden, hatte sich in Ärger und Entsetzen verwandelt, als sie nach monatelangen Versuchen schwanger zu werden, herausfand, daß sie unfruchtbar war. Sie wußte, rein intellektuell, daß die Unfähigkeit ein Baby zu bekommen, sie nicht weniger zur Frau machte, aber das Versagen ihres eigenen Körpers hatte sie trotzdem hart getroffen.

Julia war sich dessen glücklicherweise nicht bewußt, welches Wunder sie war. Sie war erst das sechzehnte Baby in der Welt gewesen, das durch die Anwendung der Zellgenerationstherapie, die die Anderen mitgebracht hatten, geboren wurde. Die Behandlung hatte beinahe Danas und Johns ganzes Vermögen gekostet und fast ihre Ehe beendet, als sich ihre gesamte Partnerschaft nur noch auf die Schwangerschaft konzentrierte. Aber das war es wert gewesen, jeden Cent und jede Minute, die sie in ihr Streben investiert hatten. Ihre Tochter war willensstark, neugierig, intelligent und - stell dich dem - hoffnungslos bezaubernd. Sie hatte Danas Neugier und Johns angeborene Liebenswürdigkeit. Sie war ihrer beider Kind, eine Mischung ihrer genetischen Materialien und ihr ultimatives Vermächtnis an die Welt.

Sie konnte ihre Familie nicht für Mulder verlassen, nicht einmal, wenn er bereit war, seine eigene Familie zu verlassen. Sie würde ihre Tochter nicht einer zerstörten Familie aussetzen und sie zwischen getrennten Apartments hin und her pendeln lassen. Dana wußte nur zu gut, wie es war, vom Schicksal vernachlässigt und unsicher zu sein, ohne die Wärme und das Zusammengehörigkeitsgefühl einer Familie. Sie würde das Julia nicht antun.

Aber eine kleine bohrende Stimme in ihrem Hinterkopf meldete sich und fragte: aber ist es richtig für ein Kind in einer Familie zu sein, in der die Mutter wirklich unglücklich ist?

Die Sache war die, daß sie nicht wußte, ob sie in den Jahren, die kommen würden, unglücklich sein würde. Ja, im Augenblick fühlte sie sich miserabel, aber vielleicht würde es die Zeit heilen. Vielleicht würde sie in der Lage sein, die außergewöhnliche Nacht, die sie mit Mulder verbracht hatte, zu vergessen. Im Moment war der Schmerz so rauh, wie Julias aufgeschlagenes Knie, als sie im Park vom Klettergerüst gefallen war, aber sicherlich würde er mit der Zeit nachlassen. Richtig?

Dana hoffte es inständig und von ganzem Herzen.

Sie war in der Lage, ihre Empfindungen den ganzen Abend unter Kontrolle zu halten und sie aus sicherem, unvoreingenommenem Abstand zu betrachten, bis sie Julia fragte, "Was malst du da, Honey?"

Julia sah vom Lichtbildschirm auf. Von ihrem Blickwinkel von der Couch aus konnte Dana ein vage menschenähnliches Gekritzel in Blau und etwas rundes und braunes sehen. "Das ist eine Dame," sagte Julia, so ernst, als würde sie Testergebnisse wiederholen, "und das ist eine Kartoffel."

Aus irgendeinem Grunde brachte das Dana dazu, in Tränen auszubrechen.

Beunruhigt rannte Julia zu ihr herüber, kroch in ihren Schoß und berührte Danas Gesicht mit ihren kleinen heißen Händen. "Weine nicht," sagte sie in einem Ton, der genauso klang, wie wenn Dana sie wegen ihrer eigenen Tränen beruhigte. "Weine nicht, Mami."

Der Klang ihrer Stimme ließ Dana nur noch mehr weinen.

Schließlich riß sie sich zusammen und küßte Julia auf den Kopf. "Mir geht es gut," sagte sie, zwang sich zu einem Lächeln und wischte ihre Tränen fort. "Manchmal müssen sogar Mamis weinen."

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Gerade als die Sonne untergeht, beenden sie ihre Arbeit und beschließen, ans Wasser hinunterzugehen mit ihrem abendlichen Bier. Beausoleil, der Golden Retriever vom Nachbarn, entdeckt sie und tollt hyperaktiv voraus, bis er die Brandung erreicht.

Die Brise ist ziemlich steif und sie zittert, trotz des irischen Fischerpullovers, der Schweiß vom Harken läßt ihren Körper schnell abkühlen. Sie gehen im Sand und hinterlassen eine Spur Seite an Seite laufender Schuhe, ein Paar große Füße und ein Paar viel kleinere.

Sie bleiben am Rand des Wassers stehen und sehen den Wellen zu. Obwohl sie die meiste Zeit ihres Lebens an den verschiedenen Ozeanen verbracht hatte, ist sie immer wieder überrascht, wieviel Graustufen es im Atlantik gibt.  Die Saison in Marthas Vineyard ist lange vorbei und der Strand ist leer und scheint irgendwie verlassen.

Der Hund kommt aus dem Wasser und versprüht überall Tropfen, als er sein struppiges rotes Fell schüttelt.

Sie dreht sich zu dem Mann um, der neben ihr steht um und beobachtet, wie der Wind sein dunkles Haar zerzaust. Er hatte es im letzten Jahr kürzer getragen und es ließ ihn verletzlicher aussehen.

"Es ist wundervoll," sagt sie und streckt ihren steifen Rücken.

Er lächelt. "Das ist einer von diesen General Foods International Coffee Augenblicken, hm?"

Sie lächelt und hört den nervenden "Feier die Momente in deinem Leben" Jingle in ihrem Kopf. Großartig, nun würde er für den Rest des Tages in ihrem Kopf stecken.

Er dreht sich zu ihr um und legt seine Hand auf ihren Arm. "Dieses Wochenende war wie das normale Leben, das du immer wolltest, Scully."

"Es ist immer gut, aus der Stadt heraus zu kommen."

"Nun, ich schätze es, daß du dein ganzes Wochenende damit verbracht hast, mit mir im Garten zu arbeiten."

Sie lehnt sich enger an ihn und sie wird mit einer schwachen Andeutung seines Schweißes belohnt. "Dafür sind Freunde da..."

Ein neugieriger Ausdruck erscheint auf seinem Gesicht und er drückt kurz ihre Hand, läßt sie jedoch beinahe sofort los, als er sie berührt. Er murmelt etwas, aber sie kann die Worte über dem Rauschen der Wellen nicht ganz verstehen.

"Was hast du gesagt?" fragt sie.

Er sieht ein wenig verlegen aus. "Ich sagte, daß du mein bester Freund bist, Scully."

Sie nickt. "Du bist auch mein bester Freund."

"Es ist ein schwieriges Jahr für uns gewesen, aber ich hoffe, du weißt es noch."

"Das tue ich."

Ohne überhaupt darüber nachzudenken oder über die möglichen Verwicklungen, stellt sie sich auf die Zehenspitzen und drückt einen schnellen Kuß auf seine geschlossenen Lippen. Sie sind kühl und ein wenig aufgeplatzt.

Er macht einen halben Schritt zurück und fährt sich mit den Händen durch sein wirres Haar. Einen Moment fürchtet sie, daß sie alles kaputt gemacht hat, die sensible Balance, die in all ihren Jahren zusammen existiert hat.

Er sieht sie an und fragt, "Was bedeutet das, Scully?"

Das ist das Schwierige mit ihr, ihre Absichten sind für andere immer so kompliziert zu erkennen, sogar für ihn.

Ein einziges Mal beschließt sie, mutig zu sein und direkt ins Herz der Angelegenheit zu gehen. "Ein nicht zu Ende gebrachtes Unternehmen."

"Spielst du auf meinen Flur an?"

Der Kuß, den es nie gab - sie erinnert sich daran, wie an einen seltsamen Traum, den man nur halb im Gedächtnis behält.

Sie nickt.

"Ich habe nicht... ich dachte nicht... ich dachte, es war zu spät für uns... so viele Jahre, so lange..." stammelt er.

"Ich glaube nicht, daß es jemals für irgend etwas zu spät ist," sagt sie, sich der Tatsache bewußt, daß sie lächelt, "besonders für uns. Wir müssen nur sicher sein, daß wir bereit sind."

Der Ausdruck von Erstaunen auf seinem Gesicht ist unbezahlbar. Sie wünscht sich, sie hätte eine Kamera dabei.

Und dann scheint sein Verstand wieder einzusetzen und sein Gesicht scheint weicher zu werden, sein Blick beinahe zärtlich. "Nicht zu spät," antwortet er und kommt auf sie zu.

Dieser Kuß ist anders als der letzte, heftiger, länger, feuchter. Sie genießt seinen einzigartigen Geschmack und das Gefühl der Erfüllung.

Sie sind endlich hier.

Als sie aufhören, um Atem zu holen, muss sie grinsen.

Er berührt ihre Lippen. "Was ist so lustig?"

"Wir sind definitiv bereit, Mulder."

 

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Das Geräusch von Weinen weckte Dana, aber es waren nicht ihre eigenen Tränen, sondern die von Julia.

Sie setzte sich auf und schüttelte ihren Kopf, um wach zu werden, immer noch halb in dem Traum gefangen, den sie gehabt hatte. Das Schlafzimmer war stockdunkel und sie spürte einen leichten Schweißfilm auf ihrem Körper.

Der Strand, der Kuß, die Wellen, Mulder.

Mulder?

Was zur Hölle war das für ein Traum?

Sie kletterte aus dem Bett und ging über den Flur in Julias Zimmer. Ihre Tochter lag auf der Seite in einem Durcheinander von Laken und schluchzte.  Dana setzte sich auf die Kante des kleinen Bettes und berührte das Gesicht ihrer Tochter. "Hast du geträumt, Sweety?"

Das macht zwei, dachte sie.

Julia öffnete die Augen und schniefte. "Wo ist Papi?" fragte sie mit einer kläglichen, kleinen Stimme.

Dana beugte sich herab, küsste Julia, und prüfte gleichzeitig, ob das Bett trocken war. Gott sei dank war es das. "Er kommt bald nach Hause."

"Ich brauche Papi."

"Bald, bald," sang sie und küßte Julia wieder.

Dana hob das kleine Mädchen hoch und wunderte sich darüber, wie schwer sie geworden war. Es war nicht die beste Idee, Julia im Bett der Eltern schlafen zu lassen, aber sie war im Augenblick nicht in der Stimmung für die richtige Kinderpsychologie. Ihre Tochter war gefühlsmäßig erhitzt und hatte schlechte Träume. Julia brauchte Trost und aus diesem Grunde tat sie es.

In dem großen Bett schlief Julia, an den Körper ihrer Mutter gekuschelt, wieder ein.

Gegen den Schlaf ankämpfend, dachte Dana darüber nach, welch seltsame Sache doch das Unterbewußtsein war. In ihren Traum gab es Elemente aus dem Vorher. Es war derselbe Mann gewesen, der ihr in ihren anderen Träumen erschienen war, aber es war auch Mulder gewesen. Und der Strand, an dem sie gewesen waren, hatte schrecklich  Ähnlichkeit mit Mulders Netspace Strand.

Sie hatte Träume wie diesen natürlich schon vorher gehabt, in denen hatte sie in einem Labor gearbeitet, aber das Labor befand sich auf dem Dach ihres Wohnhauses und John war ihr Partner gewesen anstatt Meghan. Im Traum vermischten sich die Dinge immer irgendwie.

Aber... was wenn?

Nein, es konnte nicht sein. Ihr Unterbewußtsein suchte nach einer netten Entschuldigung dafür, was Mulder und sie getan hatten.

Sie konnte und sie würde den verschwommenen flüchtigen Erinnerungen eines Traumes nicht trauen. Es war nicht die Art von Beweis, die sie brauchte.

Wunschdenken, vermutete Dana und drehte sich auf den Bauch, um zu schlafen.

Sie versuchte, sich daran zu erinnern, wie es sich angefühlt hatte, Mulders warmen, festen Körper zu halten, aber sie hatte bereits die Fähigkeit verloren, ihn sich dreidimensional vorzustellen.

Vielleicht war es letztlich ein Segen. John würde in ein paar Tagen nach Hause kommen und sie mußte diese Nacht vergessen, um zu überleben.

Sie schloß die Augen und dachte an alles, nur nicht an Mulder, als sie zurück in den Schlaf glitt.

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*** ende teil 2 ***

 

 

 

 

GEBLENDET VON WEISSEM LICHT  --  TEIL 3

 

Autorin: Dasha K. — dashak@aol.com

Übersetzung: Sylvia — aktex_sm@hotmail.com

 

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"Was möchtest du heute abend essen? Wir können eine Pizza bestellen oder möchtest du Kartoffelbrei..." Dana und Julia betraten das Apartment, später als gewöhnlich wegen eines spontanen Kinderschuheinkaufs. Dana blieb mitten im Satz im Türrahmen stehen. Die Lichter im Wohnzimmer brannten und die Luft roch nach Knoblauch und Tomaten.

Julia begriff es, bevor Dana es tat. Sie riß ihre Arme vor Freude hoch und schrie, "Papi!"

John war zu Hause.

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Danas Herz begann mit übelkeitserregender Unregelmäßigkeit zu schlagen. Oh Gott, John war zu Hause.

John kam aus der Küche, bekleidet mit seinem ältesten Paar Jeans und einem blauen durchgeknöpften Hemd und schwang seine kichernde Tochter in seinen Armen. Er küßte Julia auf den Kopf und sagte, "Oh Jules, ich habe dich so vermißt!"

Welch eine hübsche Szene, dachte Dana und beobachtete ihre Heimkehr mit einer seltsamen Losgelöstheit. Was für eine wunderbare Familie wir abgeben - ein stattlicher Vater und Ehemann, eine hingebungsvolle Mutter und Ehefrau, ein lächerlich entzückendes und frühreifes kleines Mädchen. Was ist falsch in diesem Bild?

Ich bin diejenige, die falsch ist in diesem Bild.

John setzte Julia ab und kam mit einem ungeduldigen Schritt auf Dana zu, seine Augen glänzten vor Gefühlen. "Dana," hauchte er. "Gott, ist das schön, dich wiederzusehen."

Sie atmete tief ein, als er seine Arme um sie legte. Es ist Zeit, neu anzufangen, dachte sie. Das ist dein Mann und du liebst ihn.

Er hob ihr Gesicht zu seinem, um sie mit Lippen, die angenehm nach Tomatensauce schmeckten, zu küssen, während Julia um sie herum kreiste und in ihrem marineblauen Primary Care Trägerkleid herumwirbelnd sang, "Papi ist zu Hause, lalala... Papi ist zu Haaause!"

John sah Dana fragend an, so dass sie sich einen atemlosen Moment fragte, ob er irgendwie alles, was passiert war, in ihren Augen sehen konnte. Aber er fragte nur, "Wie geht es dir, Dana? Du siehst müde aus."

Sie schenkte ihm ein, wie sie hoffte, strahlendes Lächeln. "Mir geht es gut. Ich habe nur nicht so gut geschlafen, während du nicht da warst."

Es war nicht unbedingt eine Lüge.

"Entschuldige, ich habe dich nicht angerufen, als ich ankam. Ich kam mittags an, hab ein Nickerchen gemacht und beschloss, euch mit dem Abendessen zu überraschen."

"Ich war überrascht, richtig."

Das war definitiv keine Lüge.

Er küßte sie wieder und zog an ihrer Hand. "Die Nudeln sind jetzt fertig.

Komm, lass uns essen.

Nach dem Essen blieben die drei noch eine ganze Weile am Küchentisch sitzen und aßen Schokoladeneiscreme. John erzählte eine Menge Geschichten von seinem Aufenthalt in Sao Paolo. Dana fand es faszinierend wie immer, über eine neue Stadt, die entstand, zu hören. Die Anderen hatten die allerersten Städte erschaffen, einschließlich der, in der sie lebten. Aber die Menschen bauten weitere Städte und nutzten dabei die Technologie, die sie von ihren Wohltätern gelernt hatten. John sprach von Hitze und Wind und Moskitos, von Dingen, an die sich Dana nicht mehr wirklich erinnern konnte.

Es war irgendwie traurig, daran zu denken, dass ihre Tochter aufwachsen würde, ohne jemals Kälte oder Regen gespürt zu haben.

Dana vermisste den Regen. Sie konnte sich daran erinnern, in grauen Morgenstunden den Bürgersteig entlang gegangen zu sein, unter ihrem Schirm gezittert und stechende Tropfen kalten Regens ins Gesicht bekommen zu haben.

Julia war beinahe in Johns Schoß eingeschlafen, als er seinen Reisebericht beendete. Ihr Kopf sackte nach unten und flog dann abrupt wieder hoch, als sie erkannte, dass sie eingeschlafen war.

Mit einem zärtlichen Gesichtsausdruck auf seine Tochter blickend, sagte John, "Ich glaube, es ist Zeit, unser kleines Fräulein ins Bett zu bringen."

Der Kopf des Kindes zuckte wieder hoch. "Nicht ins Bett," sagte sie vehement und Dana und John tauschten amüsierte Blicke.

"Ich lese dir eine Geschichte vor..." Weder John noch Dana übertrafen sich mit Bestechungen, um Julia ins Bett zu bekommen.

Julias Augen leuchteten auf. "Jerry?" fragte sie hoffnungsvoll.

"Wir müssen sie nach einem neuen Buch süchtig machen," sagte Dana flüsternd.

John stand auf und warf sich Julia in Feuerwehrmann-Art über die Schulter.  "Wir werden Jerry vorlesen, aber zuerst musst du baden. An dir klebt mehr Spaghetti und Eiscreme, als du tatsächlich gegessen hast." Er stupste sie in die Seite und sie kreischte kichernd.

Deshalb kann ich nicht mit Mulder zusammen sein, dachte Dana, erhob sich und stellte die schmutzigen Teller in den Geschirrspüler. Die einfache Wärme und Gemeinschaft der Familie sind selten und kostbar.

Das ist wahre Liebe auch, ertönte ihre innere Stimme.

Ich will nicht so selbstsüchtig sein, dachte sie, während sie Nudeln und Salat in die Müllentsorgung schaufelte.

Julia rannte kreischend in die Küche, splitternackt, und schlang ihre Arme um Danas Beine. "Nicht baden, nicht baden!" schrie sie.

John schlenderte herein und hielt eine Flasche Shampoo in der Hand. Er blickte ärgerlich drein. "Komm schon, Jules - kein Bad, kein Jerry."

Danas Beine loslassend, ging Julia auf ihren Vater zu und gab sich geschlagen. "Okay, lass uns baden gehen."

"Ich versuche, mich zu beeilen," sagte John nun lächelnd. "Du und ich, wir haben noch etwas nachzuholen."

Es war beinahe drei Wochen her. Sie wusste, John konnte vielleicht an nichts anderes denken, als ins Bett zu schlüpfen und mit seiner Frau zu schlafen. Sie wünschte, sie könnte seinen Eifer teilen, wünschte, der Gedanke würde sie nicht mit einem bangen Gefühl erfüllen.

Sie räumte die Küche zu Ende auf und ging ins Schlafzimmer, um ihren Pyjama anzuziehen. Wenn die Dinge anders gewesen wären, hätte sie vielleicht ihr schwarzes Seidennegligé angezogen oder sie wäre ohne alles ins Bett gegangen, aber sie konnte sich nicht dazu durchringen.

Als sie ins Bett kroch, konnte sie den sanften Bariton von Johns Stimme hören, der Julia vorlas. Dana rollte sich auf die Seite, so dass sie die offene Tür nicht sah und fragte sich, ob Sarah schon aus Boston zurück war.  Sah sich Mulder in diesem Augenblick auch der Aussicht gegenüber, mit seiner Frau zu schlafen? Fürchtete er sich auch?

Genug von Mulder, warnte sie sich selbst. Du musst lernen, ihn zu vergessen.

Es war seltsam paradox, dass sie das Gefühl hatte, sie würde Mulder betrügen. Eigentlich müsste es anders herum sein.

Dana hörte, wie Julias Tür geschlossen wurde und dann Johns Schritte, als er über den Flur in ihr Schlafzimmer kam. Sie versuchte, ihr Herz dazu zu bringen, weniger schnell zu schlagen.

Johns Sachen raschelten, als er sich auszog und sie auf den Stuhl legte. Er öffnete nicht die unterste Schublade der Kommode, um sein T-Shirt und seine Shorts herauszuholen, was immer bedeutete, dass er in der Erwartung ins Bett kam, mit ihr zu schlafen.

Und hatte er nicht das Recht, das zu erwarten? Sie war schließlich seine Frau und sie waren so lange getrennt gewesen.

Sie fragte sich, ob sie sich drücken könnte, indem sie vorgab zu schlafen, aber sie wusste, dass sie es nicht konnte.

John kletterte ins Bett und unter die Decken und rückte an sie heran. Sein Körper war warm und sie konnte seine Erektion durch die Baumwolle seiner Unterhosen fühlen.

Das ist dein Mann, sagte sie sich. Du liebst ihn.

"Dana," flüsterte er ihr ins Ohr. "Ich bin so glücklich, zu Hause zu sein."

Sie rollte herum, um ihn anzusehen und seine vertrauten Gesichtszüge mit den Fingern nachzuzeichnen. Sie hatte diesem Mann ihr ganzes Leben versprochen, sich selbst - ihren Körper und ihre Seele.

Sie begannen, sich zu küssen und ungeachtet ihrer selbst und ihrer Bedenken, spürte Dana, wie die Erregung in ihr wuchs. Was für eine Schlampe bin ich doch, dachte sie, als sie ihre Zunge mit der von John verflocht. Es scheint, als könnte mich jeder Mann jederzeit anmachen.

John drehte sie auf den Rücken und sie sah sein strahlendes Lächeln. "Davon habe ich die ganze Zeit geträumt, als ich weg war," stöhnte er und nahm ihre Brüste in seine Hände. "Ich habe dich so sehr vermißt, dass ich beinahe der Crew gesagt hätte, sie sollten sich zum Teufel scheren und ins nächste Flugzeug nach Hause gesprungen wäre."

Ich wünschte, du hättest es getan, weil wir dann nicht in diesem Durcheinander wären, dachte Dana. Sie stöhnte vor Erregung und Scham, als seine Zunge ihren schlüpfrigen Weg um ihre Brustwarzen nahm und seine Finger in ihre Feuchtigkeit tauchten.

Sie setzte sich ein wenig auf, um ihm seine Unterhosen auszuziehen und umfasste seine Erektion mit der Hand, die seidene Härte sanft drückend. Er seufzte und stützte sich auf seine Ellbogen, um in sie einzudringen.

Dana hörte sich mit keuchender Stimme sagen, "Nein."

"Nein?" Er blinzelte sie verwirrt an.

Sie kroch unter ihm hervor und stützte sich auf ihre Hände und Knie, ihren Po in die Luft hebend.

"Oh Gott, Dana, was ist in dich gefahren?"

Sie wusste es selbst nicht. Sie hatten es nie zuvor so gemacht, in all ihren Jahren zusammen. Es war ihr nicht einmal wirklich in den Sinn gekommen, vor dieser Nacht.

"Du bist erstaunlich," sagte er und rutschte ans Bettende.

Sie packte die Laken unter ihren Fingern und wartete auf ihn.

Und dann war Johns Mund an ihr, leckte ihre Säfte, als wäre sie eine exotische Frucht. Ihr Rücken krümmte sich, bis ihre Stirn die Laken berührte, als sie begann, kleine schnurrende Töne, hervorgerufen durch das Gefühl seiner Zunge, von sich zu geben. John hatte sich schwer getan mit Oralsex in ihrer ersten Zeit, aber mit der Zeit hatte er gelernt, ihr einfach zu geben, was sie wollte.

Aber ihr verräterischer Geist wandte sich gegen sie und stürzte sie in eine Phantasie darüber, wie es wäre, wenn die Dinge anders wären.

 

... sie kommen gleichzeitig an der Wohnungstür an, beide in ihren Anzügen und zu Hause von der Arbeit. Sobald sie drinnen sind, ergreift Mulders Mund von ihrem Besitz in einem drängenden Kuss voller Verlangen. "Ich habe den ganzen Tag an dich gedacht," sagt er.

Sie stolpern ins Schlafzimmer und sie zieht ihr Jackett aus und beginnt, ihre weiße Bluse aufzuknöpfen.

"Keine Zeit dafür," sagt er, schiebt ihren Rock hoch und zieht ihr ihre Strumpfhosen aus. Während er ihren Slip auszieht, öffnet sie den Reißverschluss seiner grauen Hosen und er atmet schwer aus, als seine Erektion aus dem Schlitz seiner Boxershorts springt.

Mulder drückt sie spielerisch aufs Bett und sie landet mit dem Gesicht nach unten, ihre Beine zittern in Erwartung.

Es gibt kein Vorspiel, keine Feinheiten zu Beginn, nur das unglaubliche Gefühl seiner Länge, die in sie gleitet. Sie balanciert auf ihren Ellbogen und bäumt sich nach hinten auf, um seine harten Stöße zu empfangen. Ich liebe dich, denkt sie, ich liebe dich, ich liebe dich, ich liebe dich.

Seine Finger schlängeln sich herum und finden ihre Klitoris und ein erstickter Ton kommt aus ihrer Kehle.

"Mehr," schreit sie und presst gegen seine Finger. "Gib mir mehr."

Als sie kommt, ist es keine leise Sache. Die Töne, die sie von sich gibt, sind so kräftig, wie die Explosion, die durch ihren ganzen Körper schießt...

 

Und dann war sie zurück auf ihrem eigenen Bett, blinzelte überrascht und fühlte noch die letzten Wellen ihres Orgasmus und stieß immer noch hervor, "Liebe dich, liebe dich, liebe dich."

"Ich dich auch," keuchte John hinter ihr und stieß schneller in sie.

Er verbarg sein Gesicht in ihrem Nacken, als er kam und mit kleinen manischen Stößen gegen sie drückte, und dann war John still.

Dana hob ihr Gesicht von der Matratze und erkannte, dass sie feucht war von ihren Tränen. Die Scham, von Mulder zu träumen, während sie mit John schlief, drohte sie in hilflosem Schluchzen zusammenbrechen zu lassen, aber sie schluckte schwer und zwang sich, sich zusammenzureißen.

Sie lagen Seite an Seite und küssten sich sanft. "Das war unglaublich," sagte John, immer noch schwer atmend. "Ich habe dich niemals vorher so...  wild gesehen. Du musst mich wirklich vermißt haben, hmm?"

Sie nickte. John hatte recht. Im Bett war sie gewöhnlich passiv und überließ ihm die Führung. Er hatte sich nie beschwert, aber nun fragte sie sich, ob er sie jemals so gewollt hatte, so vollkommen ungehemmt.

"Du steckst immer voller Überraschungen, Dana. Gerade wenn ich denke, ich kenne dich..."

Ich könnte dich wirklich bis zum geht nicht mehr überraschen, dachte sie mürrisch. Aber ich werde es nicht. Nicht jetzt, niemals.

Wie immer schlief John fast augenblicklich ein. Sie konnte nicht, ihr Verstand arbeitete weiter mit grausamen kleinen Schuldgefühlen.

Sie entwand sich seinen Armen, aber John schlief weiter, erschöpft von der Reise und von wildem Sex.

Im Bad nahm sie eine kurze, heiße Dusche, dann wickelte sie sich in ihren Bademantel und ging ins Wohnzimmer. Es war noch nicht einmal Mitternacht.  Sie machte sich eine Tasse grünen Tee, schaltete den Computer ein und klemmte sich das Verbindungskabel hinter das Ohr.

Sie wusste nicht genau, warum sie ihren Mailserver kontrollierte. Es würde keine Nachricht von Mulder da sein, soviel war sicher. Sie hatten sich an jenem Morgen definitiv Lebewohl gesagt.

Dennoch war sie enttäuscht, als sie nichts von ihm in ihrem Posteingang fand.

Sie hatte das Gefühl, als stünde sie neben sich und beobachtete sich selbst, als sie die Koordinaten für Mulders Netspace eintippte. Ihr Net Tracker sagte ihr, dass er nicht online war, aber sie ging trotzdem hin.

Dana stand vor der Tür zum Netspace und fragte sich, ob die Software es ihr erlauben würde, einzutreten. Sie machte einen Schritt nach vorn, wurde von der Dunkelheit verschlungen und dann war sie am Strand.

Diesmal lag der Strand im Dunkeln, das einzige Licht kam vom Vollmond über dem Wasser und dem dichten Himmelszelt darüber mit den leuchtenden Sternen.  Sie sah sich verblüfft um. Es war tatsächlich derselbe Strand, wie der, den sie in der Nacht zuvor in ihrem Traum gesehen hatte.

Wie merkwürdig Träume waren...

Dana zog ihre virtuellen Schuhe und Socken aus und ging über den platschenden, feuchten Sand, die kühlen Wellen umspielten ihre Füße.

Nach einer Weile begann sie zu weinen.

Sie wunderte sich, wie real Tränen im Cyberspace waren.

Als sie die Verbindung schließlich beendete und sie sich in ihrem Wohnzimmer wiederfand, war ihr Gesicht feucht.

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Als der Vormittag in den Nachmittag überging, saß Dana in ihrem kleinen Büro und brütete über einer Rede, die sie auf einem Symposium Ende März halten sollte. Sie sprach nicht unbedingt gern öffentlich vor großem Publikum, aber gleichzeitig freute sie sich auf die Reise mit Meghan zu der Konferenz nach London. Teile der Stadt, einschließlich des Buckingham Palace hatten entweder die Zerstörungen der Invasion überstanden oder waren wieder aufgebaut worden und sie hatte bereits Seiten aus einem Londoner Stadtführer in ihren Handflächencomputer heruntergeladen. Meghan konnte es nie lassen, sie wegen dieser Art übertriebenem Verhalten zu necken.

Nun versuchte sie, sich für einen Spaß als Eröffnung der Rede zu entscheiden. Sie hob den Kopf, als es an der halb geschlossenen Tür klopfte. "Herein," rief sie.

Meghan steckte ihren Kopf herein. "Dana - Fred, Jenny und ich gehen nach unten in den Imbiss zum Essen. Möchtest du mitkommen?"

Sie schüttelte den Kopf. "Das ist die einzige Chance, die ich in dieser Woche habe, an meiner Rede zu arbeiten. Ich werde später etwas essen."

Ihre Partnerin schmollte scheinbar. "Bist du sicher? Wir haben heute noch gar nicht richtig miteinander gesprochen."

"Zu viel zu tun." Dana nahm ihre Brille ab und rieb sich die Augen.

"Okay, in Ordnung. Aber vergiss nicht, dass wir die letzten Ergebnisse um drei mit Fred durchgehen."

"Ich werde da sein."

Mehr Kaffee, dachte sie, nachdem Meghan gegangen war, und goss sich noch eine Tasse aus der Thermoskanne ein. Sie litt an chronischer Schlaflosigkeit und nur massiver Koffeingenuss erlaubte ihr, sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Dana malte sich kurz eine Woche in einem ausgefallenen Hotel aus, allein und weit weg von ihren Problemen und Konflikten, mit nichts anderem als Kauffilmen auf dem Telebildschirm und Schlaf in einem bequemen Bett. Aber das würde nicht passieren. Es war zu viel zu tun.

Es klopfte wieder an die Tür. "Meghan," sagte sie mit einem kurzen Lachen.

"Ich *sagte* dir, dass ich an meiner Rede arbeiten muss."

"Ist es ein schlechter Zeitpunkt, Dana?"

Das Blut wich aus ihrem Gesicht und für einen scheußlichen Moment fürchtete sie, ohnmächtig zu werden.

Oh. Mulder. Was zur Hölle tat er hier?

Er kam herein und schloss die Tür hinter sich. Ihre Augen tranken seinen Anblick - der nervöse Ausdruck auf seinem Gesicht, die Art, wie seine Finger den Griff seiner Aktentasche umklammerten.

"Es tut mir leid, dass ich hier einfach so hereinplatze, aber ich hatte eine Zusammenkunft über die Straße." Er legte seine Aktentasche auf ihren Schreibtisch und öffnete sie. "Du hast dein Geburtstagsgeschenk vergessen, als du gegangen bist."

Sie schloss eine Sekunde die Augen und ließ den Schmerz jenes Morgens durch ihren Körper ziehen. Dana berührte ihre Wange. "Ich kann nicht glauben, dass ich es vergessen habe."

Dana stand von ihrem Stuhl auf und er gab ihr das in schwarzes Leder gebundene Buch. Für einen Moment berührten sich ihre Finger und ein Zittern durchlief sie dabei.

"Ich wollte, dass du es bekommst." Als Mulder sich umdrehte, um zu gehen, streifte sein Blick das gerahmte Foto auf ihrem Bücherregal. Es war ein Foto von John, Julia und Dana, aufgenommen an Julias zweitem Geburtstag.  Dana zündete die Kerzen auf dem Geburtstagskuchen an und John hielt Julia auf seinem Schoß, während das kleine Mädchen kicherte und versuchte, nach den Kerzen zu greifen.

Mulder starrte einen langen Moment auf das Foto. "Also das ist John," sagte er leise.

Sie nickte.

Richtig, John und Mulder hatten sich nie getroffen. Vielleicht war es gut für Mulder, das Foto von John zu sehen, um den Mann in ihrem Leben für ihn so real zu machen, wie es Sarah für Dana war.

Er drehte sich zu ihr um und seine Augen waren unendlich traurig. "Wie geht es dir, Dana?"

Sie zuckte mit den Achseln. "Ich bin in Ordnung."

Er trat ein paar Schritte näher, nahe genug, dass sie ihn riechen konnte oder sich wenigstens einbildete, dass sie es könnte. "Ich nicht," sagte er matt. "Mir geht es nicht sehr gut."

Dana überwand die Entfernung zwischen ihnen mit zwei Schritten. Sie sah in sein schönes, trauriges Gesicht.

"Es braucht Zeit, Mulder."

Er nahm ihre Hände in seine. Seine Hände waren so warm, so warm wie sein Körper in der Mitte der Nacht. "Ich weiß nicht, ob ich dich vergessen kann oder ob ich es überhaupt will."

"Wir müssen," sagte sie mit - wie sie hoffte - Vehemenz, aber gleichzeitig erhob sich ihr rebellischer Körper, um ihn zu küssen.

Nichts hatte sich in den letzten paar Tagen geändert, ihn zu küssen war noch so aufregend und erfüllend wie immer. Mulder zu küssen war alles, jeder Kuss, den sie mit John geteilt hatte, schien dagegen flach und kalt.  Ihr Mund öffnete sich für ihn und sie wimmerten beide leise, als sich ihre Zungen trafen.

Ihre Hände zogen seinen Körper enger an sich, seine Körperwärme strahlte in ihren, seine Erektion schien sie zu verspotten, indem sie sich fest gegen ihren Bauch presste. Sie wollte am liebsten die Tür verriegeln, damit sie ihn wieder haben konnte, um sich selbst für einen kurzen Augenblick darin zu verlieren, Mulder zu lieben. Oder besser noch, den Nachmittag im Cascade Falls verbringen, eingehüllt in die Laken und in einander, um ihre Geheimnisse zu teilen.

Ich liebe John nicht, dachte sie verrückt, nicht so. Ich liebe ihn wegen der gemeinsamen Geschichte und Verantwortung und wegen seiner angeborenen Güte, aber ich werde niemals in der Lage sein, ihn so vollständig zu lieben. Niemals.

Mulder wich schwer atmend zurück und wischte sich mit dem Handrücken ihren Lippenstift von seinem Mund. "Wir können das nicht tun," sagte er mit heiserer Stimme. "Wir können es nicht heimlich tun. Das will ich nicht."

Sie senkte beschämt den Kopf. "Es tut mir leid. Es ist ganz klar, dass wir uns wirklich nicht allein treffen können."

"Ich weiß nicht, was wir tun sollen," sagte er.

War das nicht der Refrain, der ihre Beziehung durchlief?

"Wir müssen John und Sarah eine Chance geben. Das sind wir ihnen schuldig."

Er nickte.

Wenn sie nur weniger edel sein und einfach ihre Fesseln abschütteln und zusammen sein könnten.

"Ich hoffe, wir können es," sagte er und blinzelte seine Tränen fort.

"Ich auch."

Er ergriff seine Aktentasche und verließ ohne ein weiteres Wort ihr Büro.

Dana setzte sich wieder hin und beobachtete ihre zitternden Hände in ihrem Schoß. Sie hatte nicht die Zeit, um zu weinen, sie musste eine Rede schreiben.

Sie nahm einen weiteren Schluck heißen Kaffee und befahl sich selbst, an die Arbeit zurück zu gehen.

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Die U-Bahn war an diesem Abend voll, aber sie schaffte es nach zwei Haltestellen, sich in einen harten Plastiksessel zu quetschen. "Vorsicht bitte, die Türen schließen," erklang die melodische Stimme aus den Lautsprechern. "Die nächste Station ist Binghamton Crossing."

Dana beobachtete die anderen Menschen in der Bahn träge. Einige sahen entspannt und glücklich aus, unterhielten sich oder lasen, andere schienen gestresst zu sein. Sie fragte sich, ob sie so depressiv und abgespannt aussah, wie sie sich fühlte.

Sie wühlte in ihrer Tasche, bis sie dieses Buch gefunden hatte. Welch ein großartiges Geschenk. Schmuck und Parfüm waren nett, aber sie hatte niemals etwas so bedeutungsvolles wie das erhalten. Mulder hatte einfach die unheimliche Fähigkeit, sie zu erkennen, zu wissen, was ihr Herz brauchte.

Dana öffnete das Buch und berührte das dicke, ein wenig raue Papier. Papier wurde nicht mehr so wie dieses gemacht. Es gab keinen Bedarf mehr, weil fast alle Informationen elektronisch übermittelt wurden.

Da stand etwas auf der zweiten Seite geschrieben. Sie unterdrückte ein kleines Keuchen, was den Mann, der neben ihr saß, dazu brachte, sie neugierig anzusehen.

Der Text war in schwarzer Tinte auf die cremefarbenen Blätter geschrieben in einer kleinen und eckigen Handschrift. Sie wusste, es war Mulders Handschrift, obwohl sie sie nie zuvor gesehen hatte.

Furcht mischte sich mit Aufregung, als sie die Worte lass, die dort geschrieben standen.

 

Sehnsucht

Ich sehne mich nach deinem Mund, deiner Stimme, deinem Haar.

Schweigend und hungernd durchstreife ich die Straßen.

Brot wird mich nicht nähren, die Dämmerung stört mich, den ganzen Tag

suche ich nach dem hellklingenden Takt deiner Schritte.

Ich bin hungrig nach deinem weichen Lachen,

deinen Hände in der Farbe wilder Ernte,

hungrig nach den weißen Kernen deiner Fingernägel, ich will deine Haut essen wie eine ganze Mandel.

Ich will den Sonnenstrahl essen, der in deinem wunderbaren Körper flackert,

die souveräne Nase in deinem überheblichen Gesicht, ich will den flüchtigen Schatten deiner Lider essen und ich wandere hungrig umher und schnüffle im Zwielicht und suche nach dir, nach deinem heißen Herzen, wie ein Puma in der Einöde von Quitratue.

Pablo Neruda

 

Es gibt keinen Grund, keine Entschuldigung für unsere Liebe, Dana, aber sie ist unbestreitbar da. Wir haben unsere Entscheidung getroffen und sind entschlossen, sie zu respektieren, aber es ändert nichts an der Art, wie ich fühle und ich vermute, dass es dir genauso geht.

Die Nacht, die wir zusammen verbracht haben, wird die strahlende Erinnerung meines Lebens bleiben.

In Liebe

M

 

Februar 2004

 

 

Als sie das Gedicht zu Ende gelesen hatte, schloss sie das Buch und wandte ihren Kopf herum, um auf die U-Bahn-Wände aus Beton zu starren, die vorbeirauschten, ohne dass sie sie wirklich sah.

‚Die souveräne Nase in deinem überheblichen Gesicht.' Sie berührte ihre Nase, die sie überhaupt nicht mochte, und lächelte.

Mulder, ich wusste nie, wie allein ich war, bis ich dich traf.

"Wir erreichen nun Morningside Heights. Bitte Vorsicht auf der Plattform."

Die helle und überfüllte U-Bahn-Station überfiel ihre Sinne, sobald sie den Zug verließ. Ein stämmiger Mann in einem Trenchcoat rempelte sie an, als er an ihr vorbeiging und sie verdrehte sich beinahe den Knöchel, als sie gegen einen Abfalleimer fiel. Ich muss hier raus, dachte sie, biss die Zähne zusammen und stürzte durch die Menge, vorbei an den leuchtenden Mosaikwänden, die umhertobende Kinder zeigten.

Sie hatte beinahe den Fahrstuhl erreicht, als sie merkte, dass eine Welle von Übelkeit in ihr aufkam, und sie sah unzählige winzige goldene Sterne vor ihren Augen blinken. Nicht schon wieder, dachte sie außer sich, aber ihr Magen zog sich heftig zusammen und sie rannte zur nächstgelegenen Toilette.

Es war trotzdem zu spät. Sie schaffte es nur bis zum Abfallbehälter vor den Toiletten, bevor sie ihren Mageninhalt von sich gab. Scham brannte in ihr, als sie die Blicke der vorübereilenden Passanten auf sich spürte, während sie sich übergab.

Nachdem sie den Kopf von dem Abfalleimer gehoben hatte, sah sie eine vertraute Gestalt neben sich stehen.

"Heiliger Mist," sagte Evan flüsternd. "Bist du in Ordnung, Dana?"

Sie schüttelte den Kopf und spürte, wie die Migräne an Stärke zunahm.

Er fasste sie am Ellbogen und führte sie zu einer Reihe von Plastiksitzen.  "Ich bin gleich zurück," sagte Evan und lief davon, seine Lederjacke flatterte hinter ihm her.

Dana schloss die Augen und versuchte zu atmen, als sich der Schmerz ausweitete.

Evan kehrte mit einem Stapel Papierservietten und einer Flasche Wasser zurück, die er an dem kleinen Erfrischungsstand gegenüber gekauft hatte.  Sie versuchte, dankbar zu lächeln und tastete herum, um den Verschluss zu öffnen. Er wollte sich unter ihren Fingern nicht bewegen und sie schrie beinahe auf vor Frustration.

Ihr unwahrscheinlicher Retter drehte geschickt den Deckel auf und gab ihr die Flasche, sie nahm einen langen Schluck und versuchte, den sauren Geschmack des Erbrechens aus ihrem Mund zu waschen.

"Hast du irgend etwas gegessen, das dir nicht bekommen ist?" fragte er.

Sie schüttelte den Kopf und bemerkte, dass Evan, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hatte, seine Zöpfe aufgelöst hatte und nun leuchtend rote Afrolocken trug, versetzt mit bunten Bändern und Perlen. Sie brauchte eine Liste, um mit seinen ständig wechselnden Frisuren mitzukommen.

"Migräne," erklärte sie achselzuckend. "Die kriege ich manchmal."

"Lass uns dich nach Hause bringen," sagte er und half ihr aufzustehen.

Der Weg zu ihrem Wohnhaus, das nur zwei Blöcke entfernt war, schien eine Ewigkeit zu dauern mit ihrem rebellierenden Magen und dem Pochen in ihrem Kopf. Evan war rücksichtsvoll, passte sich ihrem Schritt an und hakte sie unter, um sie zu stützen.

Im Fahrstuhl taumelte sie gegen die Wand und wünschte, die blöde klassische Schmusemusik würde einfach aufhören.

Evan brachte sie an ihre Tür. "Ich hoffe, es geht dir bald besser, Dana?"

"Danke, dass du mich gerettet hast." Sie drückte seinen Arm, küßte ihn auf die Wange und sah seinen verlegenen Gesichtsausdruck.

"Dabei fällt mir ein, es tut mir leid, dass ich vergessen habe, nach deinem Freund zu sehen. Ich versuche es, so schnell es geht."

"Mach dir darum keine Gedanken." Mulder war nun gegangen. Sie konnte ihn nie wieder sehen. Was in ihrem Büro passiert war, hatte das vollkommen klar gemacht.

Die Tür ging auf und John erschien, bereits in seiner Hausbekleidung. Sein Gesicht wurde blass, als er Dana sah. "Bist du in Ordnung?"

Die Übelkeit kam wieder und sie rannte an ihm vorbei ins Badezimmer. Auf dem Weg dahin hörte sie Evan, der von der U-Bahn-Station und ihrer Migräne berichtete.

Sie stolperte aus dem Badezimmer, drückte auf ihren Migranex-Inhalator und schleuderte gleichzeitig ihre Schuhe von den Füßen. John stand vor dem Bett mit Julia auf dem Rücken. "Wieder eine, hä? Wann war deine letzte Migräne?"

Sie legte die Tube auf den Nachttisch und begann, ihre Bluse aufzuknöpfen.

"Erst vor ein paar Tagen."

"Versprich mir, dass du morgen früh den Doktor anrufst."

Sie nickte und warf ihre Bluse auf den Boden. Normalerweise würde sie die Bluse entweder in den Wäschekorb tun oder in den Kleiderschrank hängen, damit sie nicht knitterte, aber der Schmerz war so schlimm geworden, dass es sie einfach nicht interessierte, was damit geschah. John setzte Julia herunter und reichte Dana einen Flanellpyjama.

Er küßte sie auf den Kopf. "Ruh dich aus," murmelte er. "Ich werde versuchen, Julia ruhig zu halten."

"Ist Mami krank?" flötete Julia.

"Nur ein bisschen," sagte John. "Warum gehen wir nicht und machen Quesadillas?"

Nachdem sie sich umgezogen hatte und ins Bett gegangen war, spürte Dana, wie die drogenbedingte Betäubung einsetzte, aber der Schmerz schien nicht weniger zu werden. Stattdessen hatte sie das Gefühl, als würde ihr Kopf in tausend Stücke zerspringen.

Atme, atme einfach.

Schmerz, Schmerz, geh weg , komm ein anderes Mal wieder.

 

Regen, Regen geh weg, komm ein anderes Mal wieder. Missy und ich singen es auf dem Weg von der Schule zur CCD und rennen durch die Pfützen, bis unsere Hosen nass sind. Mom wird böse sein, aber es macht Spaß, in eine große Pfütze zu springen und Missy vollzuspritzen. Sie schreit mich an und stampft ihre Schuhe auf und spritzt mich auch voll.

Regen läuft an den Fenstern herab, als ich mich auf der Couch zusammenrolle, im Ofen ein Feuer, und versuche, den Schmerz auszuhalten, darauf wartend, dass die Schmerztabletten helfen.

Kann ich dir mein Geheimnis erzählen?

In meiner Tasche ist eine Seitentasche mit einem Reißverschluss und darin befindet sich eine Plastikschachtel mit fünfundsiebzig Schmerztabletten.  Ich habe sie heimlich zur Seite gelegt, ich kann niemandem davon erzählen.

Wenn es zu schlimm wird, wenn ich nicht mehr damit umgehen kann, gehe ich mit der Tasche in ein Hotel. Ich miete mir ein Zimmer, gieße mir ein schönes Glas Wein ein und dann schlucke ich sie, Pille für Pille.

Ich tue es nur, wenn ich muss. Ich muss in Würde sterben.

Ich habe bereits meinen Brief an dich geschrieben.

Gott wird mir vergeben, das weiß ich. Ich kann nicht glauben, dass er es will, dass ich am Ende leide, blind werde, meine motorischen Funktionen verliere, ein hilfloses Geschöpf werde, das ans Bett gefesselt ist und das der Eindringling von innen auffrisst. Gott kann nicht so grausam sein.

Ich werde bis zum Ende kämpfen, aber in dem Moment, wo der Kampf verloren ist, werde ich loslassen.

Ist es wie schlafen?

Bleib heute nacht, bleib bei mir. Morgen früh kannst du in dein Zimmer gehen und dein Bett unordentlich machen, als hättest du tatsächlich darin geschlafen. Ich weiß, dass es gegen geheime Regeln verstößt, aber bleib bei mir.

Hey Scully, wusstest du, dass das Wort für ‚küssen' im Romanischen, der Sprache der Zigeuner, wörtlich meint ‚essen'? Wenn sie sagen wollen ‚ich möchte dich küssen', sagen sie ‚ich möchte dein Gesicht essen'.

Muss ich diese Information wirklich haben?

Ich will dein Gesicht essen. Ich will deine Lippen, deinen Hals, deine Brüste essen.

Wusstest du, dass du im Schlaf sprichst?

Dad, du hast ihn niemals getroffen, aber ich wünschte, du hättest es getan.  Ich weiß, dass du meine endgültige Entscheidung missbilligt hast, den Weg, dem ich beschlossen hatte, zu folgen, aber ich glaube, dass du gleichzeitig stolz auf mich warst. Und ich glaube, du hättest ihn lieben gelernt.  Natürlich ist er nicht wie du, aber hat dieselbe Geistesstärke. Und er liebt mich. Er liebt mich auf eine Art, wie es Jack und Ethan niemals konnten, mit absoluter Bedingungslosigkeit. Und ich liebe ihn vollkommen, weil Mom und dich über die Jahre zu beobachten mich gelehrt hat, das so etwas möglich ist.

Es ist nicht möglich. Ich glaube es nicht.

Die Welt wird nicht untergehen.

siekommensiekommensiekommen...

Steh auf, steh auf, wir müssen laufen, es ist zu spät, wir müssen uns Vorräte nehmen und uns verstecken und tun, was wir können, um zu überleben.

Zwei Tage und zwei Nächte und hier endet alles.

Erinnerst du dich an dieses eine Mal, als wir uns aus dem Staub gemacht haben? Das Wochenende in New York, als wir glücklich in der Anonymität der Menge waren, laufende Fälle ignorierten, in überteuerten Bistros in Choucroute aßen und zuviel Wein tranken und jede Nacht in unser Zimmer im Plaza zurücktaumelten, um uns zu lieben. Die Art, wie der Raum roch, nachdem wir erwachten und den Zimmerservice bestellten, nach Rosen und heißem Kaffee und Zeitung und unserem Schweiß und unserer Liebe in den Laken.

Erinnerst du dich?

Ich erinnere mich.

Vergib mir, Vater, denn ich habe gesündigt. Es sind mehr als fünf Jahre vergangen seit meiner letzten Beichte. Ich habe mich der Sünde des Ehebruchs hingegeben. Ich habe mich in einen Mann verliebt, der nicht mein Ehemann ist. Ich habe gesündigt, aber ich liebe ihn, Vater. Er will meine Geheimnisse kennenlernen und ich möchte seine kennenlernen.

Wenn ich versuchen würde, dir davon zu erzählen, würdest du überhaupt zuhören?

Warum kannst du nicht verstehen, dass ich mich erinnern muss?

Sprich das Gebet der Reue und bete zehnmal den Rosenkranz, Dana. Bitte Gott um Vergebung.

Ich weiß nicht, ob ich will, dass mir vergeben wird. Ich weiß nicht, ob mir vergeben werden muss.

Wir werden zusammensein im nächsten Leben, ich verspreche es.

Ich möchte glauben, Scully.

Ich sehe auf das zerstörte Land unter mir und frage mich, warum es solange gedauert hat, bis ich glaubte.

Als ich erwache, huste ich.

Ich möchte, dass mich meine Mutter ins Bett bringt mit einem Löffel voll Robitussin und einem Heizkissen. Und wenn ich aufwache, möchte ich ihre Hühnernudelsuppe und ihre warme Hand auf meiner Stirn.

Nicht heute Nacht, Scully, es ist noch nicht die Zeit, lass uns einfach einander warm halten, bitte, für mich, noch eine Nacht, ich möchte noch einen Morgen mit dir erleben.

Leg die Waffe weg.

Leg die Waffe weg, du bist stärker als das. Sie Bastard! Ich schlage mit der Hand so fest auf den Tisch, dass ich befürchte, ich habe mir einen Knochen gebrochen, aber ihre Konzentration wird nicht erschüttert, sie sind auf den Tod konzentriert. Lass dich nicht treiben, du bist stärker als das.

Oh Gott, kannst du es hören? Kannst du es kommen fühlen? Die Erde zittert unter uns.

Halt meine Hand, das ist es.

Irgendwie wusste ich immer, dass wir zusammen sterben. So stark wir auch sind, es gibt keinen Weg, dass einer ohne den anderen überleben kann.  Kannst du dir so eine Existenz überhaupt vorstellen?

Wir werden zusammen sein im nächsten Leben.

Es kommt.

Das vorher war nur eine Kostümprobe. Es war einfach Vandalismus. Das hier ist das wahre Ding.

Sieh, der Himmel, wie schön. Es ist einfach... wunderbar...

Halt meine Hand.

Das ist es.

Wir gehen genau hier unter.

Es fühlt sich so intim an.

Wir gehen zusammen unter.

 

Licht auf ihrem Gesicht scheuchte Dana auf und sie fühlte Johns Hand auf ihrer Wange. "Was?" murmelte sie, der Schmerz tobte noch heftig in ihrem Schädel.

"Steh auf, Honey," sagte er mit sanfter Stimme. "Wir müssen dich zum Doktor bringen."

Sie schüttelte den Kopf wie ein störrisches Kind. "Ich brauche keinen Doktor, ich bin..."

John unterbrach sie. "Du blutest."

Sie hob ihre Hand an ihr Gesicht und führte sie instinktiv an ihre Nase.

Als sie die Hand wegnahm, sah sie, dass sie rot von Blut war.

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Später konnte sich Dana nicht mehr an allzu viel von der Fahrt mit dem Taxi in die Notaufnahme erinnern. Sie hatte nur eine flüchtige Vorstellung davon, wie sie ein Bündel Taschentücher an ihre Nase presste und versuchte, gleichmäßig unter dem pochenden Schmerz zu atmen. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, dass John und Julia mit ihr im Auto gewesen waren, oder welche Route sie gefahren waren.

Die Dinge wurden klarer, als sie die Klinik erreichten. Das Wartezimmer war fast leer, aber der diensthabende Krankenpfleger sagte ihnen, nachdem er sie kurz untersucht hatte, dass sie womöglich lange warten müssten. "Es tut mir leid," sagte er und zuckte entschuldigend mit seinen breiten Schultern.  "Wir sind unterbesetzt heute Nacht und wir haben eine Herzattacke, einen Fall von Brandverletzung und eine Überdosis Tabletten."

Sie ließen sich in ihren Sitzen nieder, John legte die schlafende Julia auf zwei Stühle, ihr kleines Gesicht vergrub sich in dem Kissen, das der Pfleger ihnen gegeben hatte. Es war erst kurz nach vier Uhr morgens und John hatte niemanden von ihren Freunden wecken wollen, um auf Julia aufzupassen.

Dana kam sich ziemlich albern vor, in ihrem Pyjama in der Klinik zu sitzen, nur ein Jackett darüber. Sie formte die Taschentücher in ihrer Hand zu einem Ball. Die Blutung hatte aufgehört. Es war kein heftiger Strom von Blut aus ihrer Nase gewesen, nur ein kleines Rinnsal auf dem Weg zur Klinik.

Sie wusste nicht, warum dieses Nasenbluten sie mit einem schleichenden Gefühl der Angst erfüllte. Sie war Ärztin und daran gewöhnt, Blut zu sehen.  Zugegeben, sie war Forscherin und nicht eingebunden in die erste Hilfe für Patienten, aber sie konnte sich an eine Zeit erinnern, in der sie als forensische Pathologin gearbeitet und die Toten aufgeschnitten hatte, ohne darüber nachzudenken.

Der Schmerz in ihren Schläfen hatte endlich etwas nachgelassen, genug, dass sie wieder zusammenhängend denken konnte. Obwohl der Warteraum so gestaltet worden war, dass er so fröhlich wie möglich wirkte, mit Aquarien in den Wänden, bequemen Sesseln in pflaumenfarben und königsblau und einem Regal voller Spielsachen für Kinder, fand Dana ihn deprimierend. Da war ein älteres Paar in der Ecke, das die Köpfe zusammensteckte und in einem verzweifelten Ton miteinander flüsterte. Ein schmerzvolles Stöhnen erklang vom Gang und der Raum roch nach Desinfektionsmitteln.

John entschuldigte sich und ging fort, um einen Telefonanruf zu machen, zweifelsohne erwartete er einen langen Morgen in der Klinik und machte Pläne für Julia und verlegte frühe Zusammenkünfte via Messenger.

Sie fragte sich, ob es John schon in den Sinn gekommen war, dass das hier der Ort war, wo sie nach ihren zwei Fehlgeburten hingebracht worden war.  Beide Male war sie arbeiten gewesen und plötzlich hatte sie starke Blutungen bekommen, beide Male war sie mit der Ambulanz her und rasch in eine Kabine gebracht worden, nur um vom Arzt gesagt zu bekommen, dass es zu spät war - das Baby konnte nicht gerettet werden. Dana streckte die Hand aus und streichelte über Julias feines Haar, ihre Überlebende, diejenige, die lange genug durchgehalten hatte, um leuchtend rosa und schreiend vor Schmach darüber aufzutauchen, in die kalte, strahlende Welt des Kreißsaales gezwungen zu werden.

Es war vor diesen Glastüren gewesen, dass ein Krankenpfleger sie nach ihrer zweiten Fehlgeburt zu einem wartenden Taxi gefahren hatte, John an ihrer Seite. Blass und immer noch schwach hatte sie schweigend im Auto gesessen, aus dem Fenster gestarrt und sich zerstört gefühlt durch ihre Unfähigkeit, dieses Baby zu behalten.

John hatte ihre Hand getätschelt und sie angelächelt. "Es wird gut werden, Dana. Wir werden es einfach noch einmal versuchen."

Sie hatte geschaudert und sich zurückhalten müssen, um ihn nicht anzuschreien. Noch einmal versuchen? Sie konnte das nicht noch einmal tun, noch einmal auf einem Tisch liegen für einen weiteren Eingriff, betäubt durch Sedativa, während der Gynäkologe die Reste ihres Babys aus ihrem Uterus kratzte.

Nie wieder.

Sechs Monate später fuhren sie in die Fortpflanzungsklinik für eine weitere Runde Invitro-Befruchtung.

"Dana Scully?"

Sie sah auf und sah Rebecca Haugen, die Notärztin, die sie schon von ihren zwei Fehlgeburten her kannte, diejenige, die ihr die schlechten Nachrichten schonend hatte beibringen müssen. Sie fragte sich, ob sich die Ärztin daran erinnern würde.

Sie tat es. "Schön, Sie wiederzusehen," grüßte die kleine, stabile Ärztin.

"Ich sehe, Sie haben eine schreckliche Migräne."

"Ja," bestätigte Dana und stand ein bisschen zu schnell auf, weshalb ihr beinahe schwarz vor Augen wurde.

"Vorsichtig," mahnte Rebecca und nahm sie am Arm.

John kam zurück, setzte sich neben Julia und winkte Dana ein kleines Mach's gut zu.

"Sie ist ein großartiges Mädchen," meinte Rebecca lächelnd. "Ich freue mich, dass es bei Ihnen geklappt hat."

Im Untersuchungszimmer sah sich die Ärztin Danas Krankenakte in ihrem Computer an, dann untersuchte sie sie schnell aber gründlich und holte ihre letzte medizinische Geschichte ein. "Was haben Sie gestern gegessen?" fragte sie.

Dana bemühte sich darum, sich zu erinnern. "Morgens hatte ich einen Toast und einen Blaubeerjoghurt. Kein Mittag, ich habe gearbeitet und vergessen, zu essen."

"Und was haben Sie getrunken?"

"Äh... lassen Sie mich nachdenken... morgens eine Tasse Englischen Frühstückstee und dann Kaffee."

Die Ärztin zog ihre dunklen Augenbrauen hoch. "Wieviel Kaffee?"

"Ich bin mir nicht sicher." Dana zuckte mit den Schultern, unfähig sich daran zu erinnern, wieviel in ihre Kanne passte. "Vier, fünf Tassen, glaube ich."

"Dana," seufzte Rebecca. "Sie sind Ärztin, Sie sollten es besser wissen.  Mit Ihrer Migränevergangenheit können Sie nicht mehr als ein, zwei Tassen am Tag trinken, und auch nur dann, wenn Sie ordentlich essen."

"Ich war in der letzten Zeit sehr beschäftigt. Ich brauchte die Energie."

"Nun, Ihre Gesundheit muss an erster Stelle stehen. Jetzt sagen Sie, Ihr Migranex-Inhalator hat dieses Mal nicht besonders geholfen?"

Dana schüttelte den Kopf. "Ich habe zwei Dosen genommen, aber der Schmerz blieb nahezu konstant, auch nachdem ich sie genommen hatte. Ich wurde schläfrig, aber mein Kopf tut immer noch weh."

"Resistenz gegen Migranex ist in einigen Journalen beschrieben. Es gibt ein neues Medikament, Madorex, das war sehr erfolgreich bei schweren Migräneschmerzen gewesen. Ich werde Ihnen eine Dosis davon verabreichen, aber erst nachdem wir Ihnen einen Tropf gegeben haben. Sie sind ganz klar dehydriert durch das Erbrechen und den Verlust an Flüssigkeit."

Sie fürchtete sich, die nächste Frage zu stellen, aber sie musste es wissen. "Was ist mit dem Nasenbluten?"

"Nasenbluten tritt im allgemeinen nicht in Zusammenhang mit Migräne auf, aber es ist bekannt, dass es mitunter passiert. Extra Druck auf Ihre Kapillaren... Aber ich habe in Ihrer Akte gesehen, dass Dr. Young bei Ihnen nie einen kompletten Gehirnscan gemacht hat. Irgendeine Ahnung, warum?"

"Er sagte, meine vorhandenen Migränebeschwerden wären so bilderbuchmäßig, dass er mich nicht einem unnötigen Test unterziehen wollte."

Dr. Haugen lächelte. "Ah ja, sozialisierte Medizin. Obwohl ich wahrscheinlich dasselbe gemacht hätte. Dennoch, es ist das beste, bestimmte Dinge auszuschließen. Ich wette einen Wochenlohn, dass Ihre Migräne vom Kaffee, zuwenig Schlaf und vom Stress herrührt."

Stress war ein mildes Wort für die letzte Woche in Danas Leben.

Die Ärztin fuhr fort, "Ich werde die Krankenschwester holen, damit Sie Ihnen den Tropf gibt und dann möchte ich, dass Sie eine Stunde oder so ruhen, während wir Sie rehydrieren. Dann bringen wir Sie nach oben zum Scannen. Ich möchte Ihnen das Schmerzmittel erst nach dem Test geben, weil es Sie für ein paar Stunden außer Gefecht setzen wird." Sie drückte kameradschaftlich Danas Schulter. "Denken Sie, dass Sie den Schmerz noch ein bisschen länger ertragen können?"

Dana nickte. "Es ist nicht mehr so schlimm wie vorher."

"Gut," sagte Rebecca und verließ den Raum.

Dana lag im Bett und lauschte den Klinikgeräuschen um sie herum, aus dem Tropf lief klare Flüssigkeit in eine Vene an ihrer linken Hand. Die Monitore piepten und durch den Lautsprecher erklang die Ansage "Dr. Patel zur Radiologie, bitte. Dr. Patel zur Radiologie."

Je besorgter sie wurde, desto schlimmer wurden die Schmerzen, das Stechen in ihren Schläfen. Fahr dieses Adrenalinsystem herunter, sagte sie sich, hübsch langsam atmen vom Zwerchfell aus.

Sie versuchte, sich an ihre unzusammenhängenden Träume, die sie nachts hatte, zu erinnern, aber sie waren außerhalb ihrer Reichweite, wie alte Liedertexte, an die man sich nur halb erinnerte.

Ich möchte mich an etwas Schönes erinnern, dachte sie und starrte die Fliesen an der weißen Decke an. Ich möchte eine süße Erinnerung und kein beunruhigendes Aufflackern schmerzhafter Erlebnisse. Ich möchte es ganz und schön...

Dana schloss ihre Augen und nötigte ihr Gehirn, ihr etwas Greifbares zu bringen.

Nur dieses eine Mal funktionierte es.

Sie atmete tief ein und erinnerte sich.

 

Das Geschirr ist vom Tisch in den Geschirrspüler geräumt und die Reste des Truthahns und der Beilagen sind sorgfältig in Tupperware verstaut. Tara und Sally ziehen ihre Mäntel an und machen einen Spaziergang um den Block, um ein bisschen Schwägerinnenklatsch auszutauschen. Die Männer nehmen ihren Kaffee und ihren Kuchen im Wohnzimmer, um das Spiel zu sehen. Dem Geschrei nach zu urteilen, gewinnen die Redskins.

Ihre Mutter bringt eine Flasche Baileys und gibt einen ordentlichen Schluck davon in ihren Kaffee. Sie sitzen an dem großen Holztisch in der Küche, dem Platz jeder Kindheitsmahlzeit, an die sich Dana erinnern kann.

Maggie sieht sie mit einem Blick an, der Dana sagt, dass sie ein ‚Gespräch' haben werden.

"Erzähl mir von ihm," sagt ihre Mutter und nippt an ihrem Kaffee.

Dana grinst. "Das habe ich bereits getan."

"Sweety, mir fünf Sekunden bevor er und alle anderen eintreffen, zu sagen, dass Ihr ein Paar seid, bedeutet nicht, mir von ihm zu erzählen."

Sie bemerkt, wie wundervoll ihre Mutter heute aussieht in ihrem saphirblauen Kleid, ihr Haar wallend um ihr Gesicht. Während der schrecklichen Jahre, als Melissa und ihr Vater starben, als Dana vermißt wurde und so krank war, hatte Maggie oft verhärmt ausgesehen. Jetzt ist ihr Gesicht gerötet und hübsch und sie ist sichtlich zufrieden, von all ihren Lieben an Thanksgiving umgeben zu sein.

Dana streckt die Hand aus und schneidet sich ein Stück Apfelkuchen ab. "Was möchtest du wissen, Mom? Ich meine, du kennst ihn fast so lange wie ich."

"Sicher, ich kenne ihn. Ich mag ihn. Aber fast immer, wenn ich mit ihm zu tun hatte, war es eine... kritische Situation." Ein schmerzliches Zucken zeigt sich auf Maggies Gesicht. "Was ich wissen möchte ist, was er für dich ist, nun wo ihr zusammen seid."

Dana bemüht sich, Zeit zu schinden, indem sie vom Kuchen abbeißt und versucht darüber nachzudenken, was sie ihrer Mutter sagen soll.

Sie möchte ihrer Mutter nicht davon erzählen, wie sie in dem großen Bett aufgewacht sind in dem Haus auf Marthas Vineyard nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht. Sie öffnete ihre Augen und sah, dass ihre Körper miteinander verschlungen waren wie bei siamesischen Zwillingen. Ihr Kopf lag auf seiner Brust und sie drehte ihn, um einen tiefen Zug seines morgendlichen Duftes einzuatmen. Dabei erkannte sie, dass sie immer gewusst hatte, wie er riechen würde am Morgen, nachdem sie sich geliebt hatten.

Sie will ihrer Mutter nicht erzählen, wie überrascht sie gewesen war, herauszufinden, wie zärtlich sie miteinander sein konnten. Das war zu persönlich. Sie war sich so sicher gewesen, dass alles, was sie gesehen und ertragen hatten, all die Süße in ihnen ausgelöscht hatte. Stattdessen fand Dana heraus, dass sie hinter ihrem zynischen und erschöpften Äußeren eine tiefe Verehrung füreinander hatten.

Sie will ihrer Mutter nicht erzählen, wie lebendig sie sich im letzten Monat gefühlt hat. Sie trägt leuchtendere Farben und höhere Absätze und singt im Auto auf dem Weg zur Arbeit alte Popsongs aus den Achtzigern mit.  Irgendwie hat sie mehr Energie und fühlt sich nicht mehr so niedergeschmettert durch den Kampf.

Sie will ihrer Mutter nicht erzählen, dass sie gelernt hat, dass seine Frau zu sein nichts daran geändert hatte, seine Partnerin zu sein. Sie hatte sich darüber Sorgen gemacht, dass sie ihre Schärfe verlieren würden, das Yin und Yang, das ihre Partnerschaft so erfolgreich macht.

Und ganz besonders will sie ihrer Mutter nicht erzählen, dass sie ungeachtet ihres neugefundenen Glücks in ihrer Verbindung immer noch fürchtet, dass alles eines Tages über ihnen zusammenbrechen wird. Sie hatte gelernt, dass Glück oft vergänglich ist.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Mom," antwortet sie schließlich und spielt mit dem winzigen silbernen Teelöffel. "Ich bin einfach glücklich mit ihm, das ist alles."

"Nun, als deine Mutter ist es meine Aufgabe zu fragen, ob wir bald eine Hochzeit planen."

Dana stöhnt. "Mom, wir haben noch nicht einmal darüber gesprochen. Ich meine, wir haben, aber nur rein theoretisch. Wir haben noch so viel zu tun, noch so viele Dinge zu lernen, bevor wir so weit vorausschauen können."

"Du wirst nicht jünger, Sweety." Maggie schnalzt mit der Zunge.

Dana rollt mit den Augen wie ein verärgerter Teenager.

"Ich möchte dich einfach vor Vater McCue stehen sehen mit meinem Schleier.

Ich habe davon geträumt, seit Missy und du geboren wurden."

Dana tätschelt die Hand ihrer Mutter. "Ich weiß, dass du das tust, Mom.  Aber ich weiß nicht, ob das jemals passiert. Erst mal ist er nicht katholisch. Und in meinem Alter sehe ich irgendwie lächerlich aus mit einem langen Hochzeitsschleier. Ich bin eine Frau in den Dreißigern und keine Jungfrau von Zwanzig."

Ihre Mutter hebt ihre Hand. "Ich muss das nicht hören, Dana."

Etwas rebellisches rührt sich in Dana. "Du kannst schwer erwarten, dass ich in meinem Alter..."

"Eine Mutter kann immer hoffen," sagt Maggie, sittsam ihre Hände auf dem Tisch faltend.

Dana schnauft nur.

Aber dann überrascht sie ihre Mutter mit einem verschmitzten Lächeln.  "Obwohl, er *ist* ein gutaussehender Mann. Wenn ich du wäre, ich würde wahrscheinlich auch nicht in der Lage sein, seinen Annäherungen zu widerstehen."

Sie muss lachen, als sie daran denkt, dass sie es am Ende gewesen war, die sich ihm angenähert hatte. Sie war diejenige gewesen, die ihn am Strand geküsst hat, die ihn an die Hand genommen, ins Haus und ins Schlafzimmer geführt hat, die ihm ins Ohr geflüstert hat, wie sehr sie ihn wollte, hier, jetzt, in ihr, in ihr jetzt. Dana kann noch, wenn sie genau genug hinhört, das Quietschen des Bettrahmens hören, als sie sich zusammen bewegten.

"Du bist furchtbar," sagt sie grinsend zu ihrer Mutter. Zum ersten Mal fühlt sie sich, als wären sie nicht nur Mutter und Tochter, sondern zwei erwachsene Frauen, Freundinnen letztlich.

Maggie drückt ihre Hand und lächelt zurück.

 

Dana öffnete die Augen und wischte die Tränen fort, die ihr über das Gesicht liefen. Ihre Mutter. Sie konnte nun ihre Mutter sehen, Maggies hübsches Gesicht. Sie konnte Maggies Augen in Julias Gesicht sehen.

Es fühlte sich wie ein seltenes und kostbares Geschenk an.

Sie konnte sich immer noch nicht an das Gesicht oder den Namen ihres Geliebten erinnern, aber für einen Moment, ungeachtet des Schmerzes und der Tatsache, dass sie in einer Klinik war mit einem Tropf in ihrer Hand, sonnte sie sich in der Liebe, die sie einst geteilt hatten, und der Liebe, die sie immer noch für ihre Mutter empfand.

Nun hatte sie eine Geschichte, die sie Julia über ihre Großmutter erzählen konnte.

Eine Krankenschwester in weinroter Kleidung kam herein. "Wir nehmen Ihnen nun den Tropf ab und dann bringen wir Sie nach oben."

Als sie am Wartezimmer vorbeigefahren wurde, sah sie John, der in seinem Sessel eingeschlafen war. Julia war nicht mehr da. Meghan musste dagewesen sein, um sie zur Primary Care zu bringen.

Dana lag in der Scannerröhre, hielt den Atem an und versuchte, gegen die Platzangst anzukämpfen. In den letzten Jahren hatte sie alle möglichen schmerzhaften Behandlungen mitgemacht, aber keine hatte sie mit so heftiger Angst erfüllt, wie diese. Mein Gehirn, mein Gehirn, dachte sie krampfhaft, dem Verlangen, da herauszukommen widerstehend. Was zur Hölle ist los in meinem Gehirn?

Die Maschine summte und erwachte zum Leben und ihr Herzschlag eskalierte auf ein beinahe unerträgliches Niveau. Bitte lass es nicht Krebs sein, kein Tumor.

Warum dachte sie an einen Gehirntumor? Sie war niemand, der sich gleich grässliche Konsequenzen vorstellte, dafür war sie zu pragmatisch.

Der Scan endete und sie kam, erleichtert seufzend, aus der Röhre.

Dana wurde in denselben Raum zurückgebracht und ein Pfleger brachte ihr ein großes Glas Apfelsaft und eine Schüssel heißen Haferschleim. "Dr. Haugen möchte, dass Sie etwas essen," sagte er.

Sie aß langsam, ihr Magen war immer noch ein wenig verstimmt und das Kauen ließ ihren Kopf schmerzen.

Als sie ihr Frühstück beendete, kam die Ärztin herein und begann, Tasten auf ihrem Computer zu drücken. Damit brachte sie ein dreidimensionales Bild von Danas Kopf auf den Bildschirm. Dana beugte sich nach vorn, um den Bildschirm zu sehen, aber ohne ihre Brille oder ihre Kontaktlinsen konnte sie keine Einzelheiten ausmachen.

Rebecca setzte sich. "Alles sieht gut aus, Dana. Ich kann kein abnormales Wachstum erkennen, dass das Nasenbluten oder die Migräne verursacht haben könnte."

Erleichterung ging durch jede Zelle ihres Körpers.

"Ich fand trotzdem etwas anderes ziemlich Interessantes." Die Ärztin drückte ein paar Mal auf eine Taste und das Bild drehte sich, um die Rückseite von Danas Kopf zu zeigen.

Das Gefühl von Erleichterung verschwand abrupt.

Die Ärztin deutete auf die Basis von Danas Schädel auf dem Bildschirm, wo ihr Kopf und ihr Hals zusammentrafen. Dana konnte nicht erkennen, worauf Rebecca zeigte.

"Da ist ein kleines Stück Fremdkörper, genau hier."

Dana öffnete den Mund. "Fremdkörper?"

"Es scheint metallisch zu sein, der Resonanz nach zu urteilen. Ich glaube trotzdem nicht, dass es etwas ist, worüber man sich Sorgen machen muss. Es ist wahrscheinlich eine Art Trümmer oder Schrapnell, höchstwahrscheinlich von der Invasion. Ich habe eine Anzahl von Patienten gesehen, die alte Verletzungen hatten, ohne dass sie sich dessen überhaupt bewusst waren, dass sie sie hatten."

Danas Hand glitt zu ihrem Nacken. "Denken Sie, dass man es entfernen sollte?"

"Das ist keine schlechte Idee," sagte die Ärztin achselzuckend. "Aber nicht heute - für heute haben Sie genug durchgemacht. Ich schlage vor, Sie gehen in ein paar Wochen zu Ihrem Hausarzt und lassen ihn sich darum kümmern."

Dana seufzte. Sie wird recht haben.

"Wie sind jetzt die Beschwerden?"

"Besser, aber sie sind noch da."

Rebecca wühlte in einem Schrank und holte eine kleine Schachtel hervor.  "Madorex gibt es in Inhalator-Form, genau wie Ihr Migranex. Ich möchte, dass Sie nur eine einzige Dosis nehmen, es ist sehr stark."

Dana nahm einen Zug. Es schmeckte genauso schlimm, wie ihr altes Medikament.

Der Gesichtsausdruck der Ärztin wurde ernst. "Dana, ich weiß, dass Sie Ärztin sind und all das wissen, was ich Ihnen gesagt habe, aber ich finde, dass Ärzte, einschließlich mir selbst, oftmals die schlimmsten sind, wenn es darum geht, allgemeinen vernünftigen Ratschlägen zu folgen."

Sie grinste befangen, wusste sie doch, dass das, was Rebecca sagte, nur allzu wahr war.

"Durch eine Migräne sagt Ihnen Ihr Körper oft, dass Sie zu viel Stress haben. Sie brauchen mehr Schlaf, müssen besser essen und Ihr Stressniveau senken. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie joggen oder Yoga machen oder jede Woche zur Massage gehen, aber Sie müssen auf sich aufpassen."

"Das werde ich," sagte Dana eingeschüchtert.

"Nun gehen Sie nach Hause und schlafen Sie etwas und ich möchte auch nicht, dass Sie morgen arbeiten gehen."

"Aber ich habe..."

"Ich will es nicht hören. Was immer Sie auf ihrem Plan haben, streichen Sie es. Sie arbeiten unter Ärzten, die werden es verstehen. Verbringen Sie den Tag in der Badewanne oder legen Sie sich auf die Couch und lesen."

Dana wurde plötzlich von dem Medikament schwindlig, so dass die Ärztin einen Rollstuhl für sie hereinholen musste.

Im Warteraum lächelte sie John schief an, der wieder wach war und Kaffee trank.

Er stand auf und küßte sie auf die Wange. "Geht es dir wieder gut?"

"Ja, mir geht es gut," murmelte sie, das Kinn auf der Brust.

Als das Taxi auf die Straße fuhr, lehnte sie sich an Johns kräftige Seite und lächelte.

Er berührte ihre Wange. "Worüber lächelst du? Oder sind es die Medikamente?"

Ihre Augen waren bereits geschlossen. "Ich habe mich an meine Mutter erinnert, John. Wenn ich meine Augen schließe, kann ich ihr Gesicht sehen."

John sagte nur, "Oh."

Sie schlief im Auto ein und das nächste, woran sie sich erinnerte war, dass sie aus einem traumlosen Schlaf in ihrem Bett zu Hause erwachte. Es war sechs Uhr abends und schon dunkel.

Der Schmerz war weg. Sie wollte jubeln über das Gefühl, frei von dem nagenden Schmerz zu sein und über die Tatsache, dass sie auch keine Nachwirkungen der Medikamente spürte. Statt dessen war ihr Kopf klar und sie war hungrig.

Sie nahm eine Dusche, entsetzt darüber, wie sie roch, und wechselte zu Jeans und ihrem ältesten schwarzen Sweatshirt. Dana ging durch das dunkle Wohnzimmer in die Küche, wo sie einen Becher Joghurt verschlang und etwas übrig gebliebene Pasta und fast ein Viertel von Julias Fruchtbowle trank.

Im Apartment war es still und sie fragte sich, wo John und Julia waren.

Sie ging ins Wohnzimmer und hielt mitten im Schritt inne, als sie ein leises Husten in der Dunkelheit hörte.

Dana tastete nach dem Lichtschalter und keuchte, als sie John auf der Couch sitzen sah, sein Gesicht dunkel von Bartstoppeln und seine Augen rot.

In seinem Schoß lag ihr Tagebuch, das ihr Mulder zu ihrem Geburtstag geschenkt hatte.

Sie vergaß, dass sie überhaupt wusste, wie man atmet.

John hob den Kopf und sah sie an, seine braunen Augen bohrten sich direkt in ihre.

Als er schließlich sprach, war seine Stimme flach, aber voll von Leid und Ärger.

"Wer ist er, Dana?"

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Es war einmal eine Zeit, da gab es eine Frau mit Namen Dana, die an ihrem Hochzeitstag vor dem Spiegel stand. Sie trat zurück, um sich in voller Größe einzuschätzen. Von den Satinschuhen an ihren Füßen über das weiße taillierte Empirekleid bis zu den Perlenohrringen war sie mit jedem Zentimeter die strahlende Braut.

Sie hatte keinen Grund, daran zu zweifeln, dass sie eine perfekte Hochzeit haben würde.

An diesem Tag hatte Dana so fest an ihre Hochzeit geglaubt, wie sie daran glaubte, dass die Erde rund war und sich um die Sonne drehte.

Sie glaubte an Worte, wie Liebe, Ehre, Hoffnung und für immer.

Dana hatte an Märchen geglaubt. John Rosen war Prinz Charming und sie war seine Prinzessin und ihre Hochzeit bedeutete, für immer glücklich zu sein.

Ja, an diesem Tag hatte sie an all diese Dinge geglaubt. Es schien so einfach zu sein. Sie hatten sich gefunden, sich buchstäblich gegenseitig aus einem überfüllten Raum herausgepickt. Das erste Mal, als sie John küßte, hatte Dana gedacht, ‚Von nun an werde ich niemals wieder allein sein.' Die gähnende Leere, die sie die ganze Zeit, seit ihrem Erwachen in der Klinik in eine mutige neue Welt hinein, empfunden hatte, wurde durch die Sicherheit, jemandem zu gehören, ersetzt. Sie würde nie mehr mitten in der Nacht nach Atem ringend wach werden und sich fragen, wer zur Hölle sie war.

Es war einmal eine Zeit, da glaubte sie an Märchen.

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Dana sank in den Sessel hinter sich, jeder Knochen und jeder Muskel schmolz dahin.

Nur ein Gedanke durchdrang das geräuschvolle Summen in ihrem Hirn - oh nein, oh nein, oh nein...

"Was machst du damit?" fragte sie und sah auf ihre Hände herab, auf das Band aus geflochtenem Gold an ihrem Ringfinger.

Johns Augen hatten geglänzt, als er den Ring auf ihren Finger schob. "Mit diesem Ring heirate ich dich," hatte er mit einer klaren, freudigen Stimme gesagt.

Er berührte das Buch. "Ich habe in deine Tasche gegriffen, um den Madorex-Inhalator herauszuholen, für den Fall, dass du ihn brauchst."

Ihr fiel nichts ein, was zu sagen wäre. Letztlich konnte sie nicht wirklich ärgerlich darüber sein, dass er in ihre Privatsphäre eingedrungen war.

"Wer ist er?" fragte John wieder, dieses Mal war seine Stimme nur ein Flüstern.

Dana konnte und wollte nicht in sein Gesicht sehen, sie wollte nicht den nackten Ausdruck von Qual und Verwirrung sehen, den es hatte. Es war John niemals in den Sinn gekommen, dass sie fremdgehen würde.

"Bitte, Dana. Ich muss es wissen."

Nein, das musst du nicht, dachte sie. Wir müssen das Band zurückdrehen, die letzten fünf Minuten löschen und weitermachen. Mit der Zeit werde ich Mulder vergessen und wir werden unser Leben leben wie vorher. Wir können eine Schwester oder einen Bruder für Julia haben und sie wachsen und gedeihen sehen. Aber du willst es nicht wissen, John.

Er musste es trotzdem wissen, Dana verstand das. Wenn die Situation anders herum gewesen wäre, hätte sie es auch wissen wollen. John verdiente die schmerzhafte Wahrheit.

Sie brauchte einen Moment, um ihre Stimme wiederzufinden und als sie es tat, war sie unsicher. "Du kennst ihn nicht. Ich habe ihn kurz, bevor du weggefahren bist, getroffen."

"Das ging schnell..."

Sie nickte.

"Natürlich, so ist das bei dir, nicht wahr? Ich meine, es hat auch nicht sehr lange bei dir und mir gedauert."

Dana faltete die Hände in ihrem Schoß. John meinte nicht, was er sagte, erzählte sie sich selbst. Es war sein Ärger, der da sprach und er hatte ganz bestimmt ein Recht, ihn herauszulassen.

Diesmal war Johns Stimme sanfter. "Warum?"

Sie schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht."

Dana hörte ihn aufstehen und seine Schritte auf dem Teppich, als er umherwanderte. "Ich weiß nicht," sagte er, ihre Worte wiederholend. "Das ist alles, womit du herauskommst, um zu erklären, warum du deine Ehe betrogen hast?"

Sie blickte auf und sah auf seinen Rücken, als er am Fenster stand und auf die Lichter der Stadt starrte.

Ihr Mund war so trocken. "John," sagte sie, "ich habe keinen guten Grund.  Ich traf ihn und es war so... stark. Ich habe noch niemals vorher so etwas empfunden."

Als er sich umdrehte und sie den Ausdruck auf seinem Gesicht mitbekam, wünschte Dana, sie hätte ihre Worte weiser gewählt. Er fuhr sich mit den Händen durch seine hellbraunen Haare. "Niemals, hä? Liebst du ihn oder war es nur eine Art Versuch?"

Zu lügen würde so leicht sein, dachte sie. Wenn sie sagte, es wäre nur eine Affäre gewesen, eine heiße, trunkene Nacht, könnten sie das vielleicht mehr oder weniger intakt überleben. John würde lange brauchen, um ihr zu vergeben, doch er würde es tun. Aber einen anderen Mann zu lieben, war unverzeihlich.

Lügen oder nicht lügen, das ist die Frage...

Dana war der Unehrlichkeit müde, müde des bitteren Geschmacks, den die Lügen, die sie John erzählt hatte, in ihrem Mund hinterlassen hatten.

Sie blickte zu John auf und sah ihm in die Augen. Ich bin gewohnt, diese braunen Augen über alle Maßen zu achten, dachte sie.

"Ja," sagte sie mit klopfendem Herzen. "Ich liebe ihn."

Den Ausdruck ‚er sah zerstört aus' hatte sie vorher schon gehört, aber sie hatte tatsächlich noch niemanden gesehen, der zerstört aussah, bis sie ihrem Mann gesagt hatte, dass sie einen anderen liebte. Sein gutaussehendes Gesicht wurde weiß und sie beobachtete, wie seine Schultern bei ihren Worten herunterfielen. Er setzte sich hin, so betäubt, als hätte er einen Schlag auf den Kopf bekommen.

Nun war es John, der auf seine Hände herabsah. "Warum, Dana? Ich habe mich so sehr bemüht, dich glücklich zu machen, der beste Ehemann zu sein, der ich konnte."

"Ich weiß, dass du das getan hast," sagte sie leise.

Seine Stimme sammelte wieder Kraft, als er sie ansah. "Warum liebst du dann einen anderen? Was gibt er dir, was ich nicht kann?"

Ihre Gedanken glitten zurück zu dem, was Mulder ihr gesagt hatte, als sie zum ersten Mal das Hotelzimmer betraten.

"Vorher," sagte sie. "Er gibt mir das Vorher."

John atmete aus. "Oh Gott, das ist es also? Weil ich nicht in die Vergangenheit gehen möchte?"

Dana durchdachte ihre Worte, bevor sie sie aussprach. "John, ich habe mehr als fünfunddreißig Jahre geliebt, bevor ich dich traf. Ich hatte ein Leben - eine Familie, Freunde, einen Beruf, einen Mann, den ich liebte. Ich möchte keine leere Schiefertafel sein. Ich möchte wissen, wer ich war."

Er nickte, ihre Worte verdauend.

"Vielleicht kannst du einfach weitermachen, ich kann es nicht," fuhr sie fort. "Ich hatte mich daran gewöhnt, zu glauben, ich sei selbstsüchtig, dieses Verlangen nach der Vergangenheit zu spüren, aber jetzt glaube ich das nicht mehr. Ich glaube, dass es heilsam ist, meine Erinnerungen zu wollen."

"Und... dieser andere Mann empfindet genauso?"

"Ja."

"Wenn ich darüber reden könnte, würde ich es tun, Dana. Aber ich will es nicht wissen. Ich will einfach vorwärts gehen."

Und das ist unser fataler Mangel, dachte sie.

"Ich weiß, dass du es tust, aber ich kann es nicht. Gestern hatte ich eine wundervolle Erinnerung an meine Mutter und ich war so glücklich, weil ich eines Tages Julia etwas über ihre Großmutter erzählen kann. Sie verdient es, zu wissen, wer sie ist und woher sie kommt."

John sagte nichts, saß einfach nur auf der Couch wie die Hülle eines Mannes und starrte auf einen Punkt gerade über ihrem Kopf.

Sie tastete verzweifelt nach den Worten, die das hier festigen konnten, die die Wunden verbinden und alles wieder in Ordnung bringen würden. Aber sie wusste, dass es diese Worte nicht gab.

Ein paar Tränen begannen, über ihr Gesicht zu laufen, und sie wischte sie weg. "Ich werde ihn nicht wiedersehen," flüsterte sie. "Ich möchte neu anfangen. Ich weiß, dass du wütend auf mich bist, dass ich etwas Schreckliches getan habe und wofür es das wert war, es tut mir leid. Aber ich habe beschlossen, zu bleiben und ich möchte versuchen, dass es funktioniert."

John sagte immer noch nichts.

"Ich liebe dich," sagte sie. "Ich liebe dich und ich möchte unsere Ehe nicht beenden. Wir haben ein Kind, wir haben so viele gemeinsame Jahre und wir haben gemeinsame Erinnerungen."

Er stand von der Couch auf. "Was ist, wenn ich nicht dein Trostpreis sein möchte, Dana?"

Sie seufzte. "Was immer wir tun müssen, um das wieder in Ordnung zu bringen, ich werde es tun."

"Ich kann im Augenblick nicht darüber nachdenken," sagte er, griff seine Brieftasche vom Kaffeetisch und stopfte sie in die Tasche seiner Jeans. "Es ist zu viel, um damit klarzukommen." Er drehte sich um und ging zur Wohnungstür.

"Wo gehst du hin?" fragte sie beunruhigt und sprang von ihrem Sessel auf.

"Wir müssen darüber reden."

"Ich muss darüber nachdenken," sagte er. "Ich werde einen Spaziergang machen, dann werde ich Julia bei Mike und Jody abholen und mit ihr essen gehen."

Sie stand mitten im Raum und kämpfte gegen das überwältigende Verlangen an, ihren Mann jämmerlich anzuflehen, zu bleiben.

"Denk einfach daran, dass ich dich liebe," sagte sie.

Er nickte und ging aus der Tür. Sie wusste, dass er es nicht so meinte, aber er warf die Tür hinter sich zu.

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Sie musste hier heraus. Alles in dem Apartment war deprimierend für sie, die Fotos ihres gemeinsamen Lebens erinnerten sie daran, welch eine Versagerin sie war, welch schreckliche Ehefrau sie geworden war. Die Wände fühlten sich tatsächlich so an, als würden sie zusammenrücken und sie ersticken.

Sobald sie in den Flur hinausgetreten war, erkannte Dana, dass sie nirgendwo hingehen konnte. Ihre Freunde, sogar Meagan, würden nicht verstehen, was sie getan hatte. Sie konnte Mulder nicht sehen. Sie war vollkommen allein.

Dana lehnte sich gegen ihre Tür und schloss die Augen, sie atmete schwer und versuchte, nicht zu weinen. Aber die Tränen kamen, brachen aus ihr heraus, als sie ihre Augen zusammenkniff und sich nach vorn beugte unter der Wucht ihres Schluchzens.

Wenn sie noch an Gott geglaubt hätte, hätte sie jetzt gebetet. Aber es war schwer, an eine höhere Macht zu glauben, nachdem die Welt untergegangen war.

Dana hörte, wie sich die Tür gegenüber öffnete und Musik herausdrang. Es hörte sich an, als wenn eine Katze stranguliert würde, während Rowdys Aluminiummülltonnen mit Baseballschlägern bearbeiteten.

Evans Stimme war sanft, als er ihre Schulter berührte. "Bist du in Ordnung, Dana?"

Mein Ritter in strahlender Rüstung, dachte sie, als sie schniefte. Sie schüttelte den Kopf.

"Wieder Migräne?"

Sie schüttelte wieder den Kopf, unfähig einen zusammenhängenden Satz zu formulieren.

Er nahm sie bei der Hand und führte sie über den Flur in sein Apartment.

"Was immer auch verkehrt ist, wir können es in Ordnung bringen," sagte er.

Dana wischte sich die Augen und lächelte. Sie hatte immer an Evan als einen süßen, aber unreifen Jungen gedacht. Nun erkannte sie, dass er wahrhaftig ein starker Mann war.

Er schaltete seine Stereoanlage aus und das Licht an. Sein Apartment war ein einziges Chaos, wie üblich, überall waren Papier, Fastfoodbehälter und Sodadosen verteilt. Auf dem Futonbett in der Ecke lag eine dünne junge Frau mit langen dunklen Haaren auf ihrem Bauch, die nur einen schwarzen Slip trug. Dana sah, dass sie ein kompliziertes Reben-Tattoo hatte, das an ihrem linken Knöchel begann und sich aufwärts wand bis zum Ende ihres Oberschenkels.

Evans dunkle Haut wurde rot. "Das ist Kitty," sagte er. "Kümmere dich nicht um sie, sie ist irgendwie weggetreten." Er deckte sie mit einer dunkelroten Decke zu.

"Ist sie in Ordnung?"

Er zuckte mit den Schultern. "Ja, wir sind letzte Nacht durch die Clubs gezogen und sie hat zu viel Stoff genommen." Evan schnaufte. "Drogen - fatal für Anfänger."

Dana beugte sich herab und berührte den Rücken des Mädchens unter der Decke. Ihre Atmung schien normal zu sein. "Du glaubst nicht, dass sie eine Überdosis hat, nicht wahr?"

"Nein, sie wird in Ordnung kommen, sie muss sich einfach nur ausschlafen.  Sie war ein paar Mal auf, um zur Toilette zu gehen, schrecklich übelgelaunt."

Er führte sie in die Kochnische, wo das Spülbecken überlief vor schmutzigem Geschirr, ebenso der Mülleimer, der daneben stand. "Entschuldige das Chaos," sagte er. "Die Putzfrau kommt nie vorbei."

Sie fand die Kraft, darüber zu lachen.

"Kann ich dir irgend etwas zu trinken anbieten? Ein Bier?"

"Nein, ich sollte keinen Alkohol trinken mit all den Migränemedikamenten in mir."

"Ich weiß, was du brauchst," sagte er grinsend. "Du brauchst eine heiße Schokolade."

"Heiße Schokolade?"

"Heilt alles, was dich krank macht. Setz dich auf die Couch und ich werde uns eine Tasse davon zubereiten."

Dana räumte einen Stapel Zeitschriften von der Couch, setzte sich hin und schüttelte amüsiert den Kopf über Evans Lebensstil, der meilenweit von ihrem ordentlichen kleinen Leben entfernt war. Oder von dem, was ihr Leben gewesen war... Sie drückte ihren Nasenrücken, um eine neue heftige Tränenattacke abzuwenden.

Evan kam mit zwei dampfenden Tassen zurück. "Ich habe die Tassen sogar abgewaschen für dich, Dana, weil du ein besonderer Gast bist, und im Kakao sind ein paar Marshmallows."

Sie nippte an der heißen, wohlriechenden Flüssigkeit und dachte daran, dass das Julias Lieblingsgetränk war. Sie nannte die Marshmallows ‚Maschmellas'.

Er berührte ihren Arm. "Möchtest du darüber reden?"

"Jetzt nicht," sagte sie und stellte ihre Tasse auf den einzigen Platz auf dem Kaffeetisch, der nicht mit halbvollen Gläsern und verstreuten Disketten bedeckt war.

"Okay," sagte Evan liebenswürdig. "Wie wäre es dann damit - wir gucken einfach nach deinem Freund?"

Sie spürte ein unruhiges kleines Flattern in ihrem Herzen. "Hast du etwas gefunden?"

Er grinste mit schelmischer Freude. "Oh, ich habe etwas gefunden, richtig.  Komm..." Er stand auf, führte sie hinüber zum Computer und zog einen zusätzlichen Stuhl an den Schreibtisch.

Während er wie verrückt auf seine Tastatur hämmerte, setzte sich Dana neben ihn und spürte, wie sich ihr Atem erwartungsvoll beschleunigte.

"Es war leicht, da hineinzukommen," sagte er mit offensichtlichem Stolz.  "Nun, da niemand wirklich auf das Gespeicherte aufpasst, sind die FBI-Sicherheitsvorkehrungen ein Kinderspiel."

Bildschirminhalte blitzten auf, bis er zu einem gelangte, der ‚Humandatenbank' hieß.

Er drehte sich zu ihr um. "Also, ich habe ein paar Dinge gefunden. Ihre Akten sind wirklich chaotisch. Eine Menge Dinge fehlen, zerstört vermute ich. Aber es gibt immer noch Informationen."

Sie schrie beinahe vor Ungeduld. "Hast du meinen Freund gefunden?"

Evans Grinsen wurde breiter. "Nicht genau."

"Was meinst du?"

"Ich habe den Namen Fox Mulder durchgejagt und es kam nichts dabei heraus.  Sogar verschiedene Varianten des Namens habe ich probiert, aber er erschien in keiner der geretteten Akten. Ich dachte schon, dass mein Hackerprogramm vielleicht nicht funktioniert, also habe ich zum Spaß deinen Namen eingegeben."

Dana griff sich an die Brust. "Meinen Namen?"

Er tippte noch ein paar Kommandos ein und eine Akte erschien. "Du warst in der Humandatenbank des FBI."

Fassungsloses Schweigen war eine Untertreibung.

"Das ist eine medizinische Forderung mit Datum vom 16. Februar 1999 an deine Berufsversicherung. Es scheint so, dass du im Januar dieses Jahres im Dienst angeschossen wurdest."

Das ist nicht möglich, dachte sie außer sich, aber sie rückte näher heran, um die Worte auf dem Bildschirm lesen zu können. Dana Katherine Scully sagte die Forderung. Sie enthielt ihr Geburtsdatum, ihre Sozialversicherungsnummer und eine Adresse in Georgetown. Special Agent Dana Katherine Scully. Als ihre Notfallkontaktperson wurde Margaret Scully aufgeführt, Beziehung: Mutter.

Ihre Hand glitt dorthin, wo wie sie wusste, die Narbe an ihrem Körper war.  In der Forderung stand ‚für die Bezahlung der Behandlung einer Schussverletzung im unteren linken Quadranten des Bauchbereiches...  Operation erfolgte im New York University Medical Center.'

Sie drehte sich zu Evan um, der immer noch grinste angesichts seiner Fähigkeiten. "Das kann nicht wirklich sein," flüsterte sie.

"Brauchst du einen Beweis?"

Er klickte auf eine andere Seite und sie keuchte laut.

"Das war auf der Seite der Public Relations Abteilung," sagte Evan.

Die Seite war betitelt mit ‚Washington D.C. Agentin gewinnt den Pathologie Prestige Award'. Es gab ein Foto auf der Seite, unleugbar von ihr, auf dem sie jung und ernst aussah in einem schwarzen Kostüm mit einer weißen Bluse und einer Brille im Gesicht. Sie stand auf einem Podium, augenscheinlich eine Rede haltend.

Sie las den Text. ‚Special Agent Dana Scully wurde am 2. Juni 1998 mit dem Harrington Award für hervorragende forensische Leistungen durch die Nationale Gesellschaft Frauen in der Pathologie ausgezeichnet.'

Das war real. Sie blinzelte auf den Bildschirm und starrte auf ihr eigenes Bild, auf die Dana Scully von vor beinahe sieben Jahren. Viel verändert hatte sie sich nicht in diesen Jahren. Sie trug immer noch denselben Kostümtyp, wenig geändert durch die Mode, und ihr Haar trug sie auch jetzt noch in demselben kurzen Schnitt.

"Ich wollte dich nicht schocken," sagte Evan sanft. "Ich war auch total überrascht, dich zu sehen. Hast du irgendwelche Erinnerungen daran, eine Agentin gewesen zu sein?"

Sie schüttelte den Kopf. Nicht eine einzige hatte sie.

"Ich habe noch ein paar Fotos gefunden, die mit dieser Seite zusammenhängen," sagte er. "Das sind die, die nicht benutzt wurden.  Möchtest du sie sehen, ob etwas deine Erinnerung anstößt?"

"Zeig sie mir," sagte sie.

Es dauerte einen Moment, bis die neue Seite geladen war. "Ihr Server ist ziemlich unzuverlässig," murmelte Evan.

Drei Fotos erschienen auf dem Bildschirm. Das erste war ein weiteres von ihr auf dem Podium, als sie die Plakette von einer Frau mit kurzen grauen Haaren entgegennahm.

Das zweite zeigte sie händeschüttelnd mit einem großen, breitschultrigen Mann, kahlköpfig und mit Brille. "Kommt er dir bekannt vor?" fragte Evan.

"Nein," sagte sie. "Geh runter zum letzten Bild." Nur die obere Kante des Bildes war auf dem Bildschirm zu sehen.

Sie gab keinen Ton von sich, als sie das ganze Foto sah, aber nun verstand sie, warum einige Menschen bei unerwarteten Neuigkeiten in Ohnmacht fielen.

Auf diesem Bild hielt sie ein Glas Wein in der Hand, augenscheinlich auf dem Empfang nach der Preisverleihung. Sie trug das schwarze Jackett nicht mehr und lächelte breit in die Kamera. Ein Mann stand an ihrer Seite, seinen Arm um sie gelegt. Er grinste genauso breit wie sie.

Ein großer Mann mit dunklem Haar. Volle Unterlippe, ziemlich große Nase, schläfrige Augen.

Das konnte nicht wirklich sein.

Das musste ein gut geplanter Schwindel sein, ein Streich von ihrem Freund.

Aber sie wusste, dass es nicht so war. Evan würde ihr das nicht antun. Und nebenbei konnte er es auch nicht. Er hatte den Mann auf dem Foto niemals mit ihr gesehen.

Sie atmete tief ein und überdachte die Bedeutung dieses Bildes.

Der Mann neben ihr auf dem Foto war zweifellos Fox Mulder.

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Sie wanderte durch den kleinen Raum, ballte die Hände zu Fäusten und öffnete sie wieder. Evan beobachtete sie von seinem Computerstuhl aus mit einem beunruhigten Ausdruck auf seinem Gesicht.

Ihr Verstand arbeitete zu schnell, als dass sie mit ihren Gedanken mithalten konnte. Sie stürzten völlig unzusammenhängend auf sie ein.

Vorher.

Mulder.

Ich kannte ihn.

Ich liebte ihn.

Oh Gott.

Er hatte recht.

Meine Träume hatten recht.

Wir kannten einander.

Was zum Teufel.

Wir haben uns wiedergefunden.

Mulder.

Das warst du.

Das warst du das warst du das warst du die ganze Zeit warst du es.

Plötzlich blieb sie stehen und wirbelte herum, um Evan anzusehen.

"Kann ich dein Telefon benutzen?"

Er nickte und erhob sich, um ihr die Fernbedienung von ihrem Platz auf dem Kaffeetisch zwischen einer Schüssel mit Sobanudeln und einer Spule mit Computerkabeln zu geben.

Ihre Hände zitterten so sehr, dass sie kaum Mulders Nummer eingeben konnte.

Oh bitte, sei zu Hause, dachte sie.

Sie atmete voller Verzweiflung und Panik aus, als Sarahs Gesicht auf dem Bildschirm erschien. Es war ihr Messenger Programm. Sarah lächelte in die Kamera und sagte, "Sie sind mit dem Anschluss von Sarah Morelli und Fox Mulder verbunden. Wir können Ihren Anruf im Moment nicht entgegennehmen, bitte hinterlassen Sie eine Nachricht und wir werden Sie zurückrufen, sobald es möglich ist."

"Nein," murmelte Dana flüsternd. "Nimm ab, Mulder."

Sie unterbrach die Verbindung vor dem Signalton und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen.

Sie musste mit Mulder reden. Jetzt.

Und dann kam ihr eine Idee. Sie sah zu Evan auf. "Kannst du deinen Net Tracker aufrufen und nachsehen, ob Mulder online ist?"

Evan sah sie beinahe erleichtert darüber an, etwas tun zu können, um ihr zu helfen. Seine Finger flogen über die schwarze Tastatur. Er drehte sich zu ihr um und grinste. "Er ist online und eingetaucht. Weißt du, wo er sein könnte?"

Dana stand mit zitternden Beinen auf und ging zu Evan und seinem Computer hinüber. "Ich weiß genau, wo er ist," sagte sie atemlos. "Hast du etwas dagegen, wenn ich mit deinem Computer eintauche? Er hat einen Netspace."

Sie spürte die Wärme von Evans Hand auf ihrer. "Ich weiß, es geht mich nichts an, Dana, aber was ist dieser Typ für dich?"

So eine einfache Frage und so eine komplizierte Antwort.

"Er ist alles für mich," sagte sie mit zitternder Stimme. Sie zuckte ein wenig zurück und wartete auf Evans Worte, die sie beschuldigen würden.  Schließlich kannte er John so lange, wie er sie kannte. Manchmal spielten sie zusammen ein bisschen Basketball im Park.

Evan nickte einfach verständnisvoll. "Also kennst du ihn aus dem Vorher."

Sie tippte mit dem Zeigefinger auf das Foto von ihnen. "Scheint so."

Ich kannte dich und ich liebte dich und als ich dich endlich nach fünf Jahren wiedersah, konnte ich mich nicht an dich erinnern.

Dana konnte es gar nicht fassen.

Seine Augenbrauen gingen nach oben. "Wow, das ist einfach irre..." Er gab ihr das Verbindungskabel. "Geh schon."

Sie lächelte. "Danke, Evan."

Nachdem sie ein bisschen mit dem Kabel gekämpft hatte, bekam sie die Verbindung und loggte sich in ihrem Zentralnetsystem Account ein. Dana schloss die Augen und versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, indem sie tief einatmete, aber es funktionierte nicht. Sie hatte die Verbindung.

Mit ein paar kurzen Kommandos, die sie in Evans Computer eingab, war sie in dem virtuellen Flur vor Mulders Tür.

Du schaffst es, sagte sie sich. Sei mutig.

Der Netspace zeigte einen sonnigen Tag, die Luft war warm und die Wellen rollten sanft auf den Sand. Mulder saß mit dem Rücken zu ihr im Sand. Sie schlich sich hinter ihn und berührte seine Schulter.

Den Blick, mit dem er sie ansah, als er den Kopf umwandte, hatte sie nie zuvor bei ihm gesehen. Er war... durchdringend.

Sie öffnete den Mund, aber es kam kein Ton heraus.

Oh Gott, ich glaube, er weiß es auch irgendwie, dachte sie.

Er stand auf und klopfte sich den virtuellen Sand von den Jeans. "Ich wollte dich gerade anrufen," sagte er mit heiserer Stimme.

Dana nahm seine Hand und drückte sie. "Wir müssen reden."

Mulder nickte.

"Nicht hier," sagte sie. "Persönlich." Sie deutete auf den schimmernden Ozean. "Das ist nicht wirklich genug."

"Wir müssen reden," wiederholte er benommen.

Die Versuchung, zu bleiben und herauszustoßen, was wie sie nun wusste, die Wahrheit war, war zu groß. Nein, dachte sie, das ist nicht der Ort dafür.  "Der Park, in dem wir uns das erste Mal getroffen haben. Kannst du in zehn Minuten da sein?"

"Ich werde da sein."

Ich kannte dich und ich liebte dich und ich vergaß dich.

Sie drehte sich um und rannte tatsächlich zur Netspace Tür hinaus.

Als sie die Verbindung zum Computer unterbrach und ihre Augen öffnete, sah sie Evan auf seinem Küchentisch sitzen, eine Flasche Wasser schwingend und sie anstarrend. Sie erhob sich vom Stuhl. "Danke Evan," sagte sie, bereits unterwegs zur Tür. "Ich muss mich beeilen."

Er sprang mit einem Plumps vom Tisch. "Wohin gehst du?"

Dana blieb stehen. "Ich gehe die Wahrheit herausfinden. Ich treffe ihn."

Evan griff seine schwarze Lederjacke von der Lehne seines Computerstuhls.

"Lass mich dich dorthin bringen."

"Ich gehe nur den Block hinunter zu dem kleinen Park. Mach dir keine Sorgen." Sie lächelte über seine galante aber unnötige Geste. Die Straßen waren sicher, ihr würde nichts passieren.

"Unsinn," sagte Evan mit einem schiefen Lächeln. "Ich begleite dich."

Die Straße war beinahe leer. Es war früher Abend und all die ehrbaren kleinen Familien waren zu Hause, aßen zusammen Abendbrot und teilten die Neuigkeiten des Tages miteinander. Und sie war auf dem Weg in den Park, um den Mann zu treffen, der ihr Geliebter im Vorher gewesen war, mit einem lederbekleideten Hacker im Schlepptau. Ihr Leben war in den letzten Wochen entsetzlich bizarr geworden.

"Du bist wirklich mutig," sagte Evan. Obwohl er größer war als sie und längere Beine hatte, musste er sich anstrengen, um mit ihren schnellen Schritten mithalten zu können.

"Ich muss es einfach wissen," sagte sie.

"Ich weiß, und ich bewundere das. Niemand scheint es wissen zu wollen. Aber ich verrate dir ein kleines Geheimnis. Ich habe auch nach meiner Vergangenheit gesucht. Es war schwierig gewesen. Ich bin in Chicago geboren und die Geburtsurkunden sind komplett vernichtet worden. Aber ich suche weiter..."

Dana blieb stehen und berührte seinen Arm. "Ich hoffe, du findest, wonach du suchst."

Er lächelte verlegen. "Ich auch."

Dann gingen sie weiter. Du bist gleich da, sagte sie sich, immer noch ziemlich fassungslos.

"Was bedeutet das für dich und John?" fragte Evan.

Sie schüttelte den Kopf. "Ich weiß es nicht."

"Nun, was immer auch passiert, du bist meine Freundin, Dana. Du bist immer so gut zu mir gewesen. Ich fühle mich so allein, weißt du? Ich habe keine Familie und du stehst mir vielleicht am nächsten in dieser Welt, wie eine Schwester."

Sie hatten den kleinen Park erreicht. Sie legte ihre Arme um Evan und umarmte ihn fest. "Familie muss nicht immer etwas mit Blut zu tun haben," sagte sie.

Zusammen gingen sie in den Park. Der Spielplatz war leer, ebenso die Bänke, die um ihn herum standen. Gleich hinter den Schaukeln sah man den Schein eines Lagerfeuers. Dort war ein kleiner Feuerplatz und manchmal hielten Gemeindegruppen dort ihre Zusammenkünfte ab. Dana konnte Gesang hören.

Sie fühlte sich beinahe wie in Trance, als sie auf das Feuer zuging, Evan diskret hinter ihr wie ein Privatdetektiv.

Als sie näher kam, konnte sie die Worte des Liedes ausmachen.

"Erstaunliche Güte, wie süß der Klang,

Das rettet ein armes Wesen wie mich

Ich war einmal verloren, aber nun habe ich mich gefunden, War blind, aber nun kann ich sehen."

Sie blieb stehen und starrte in das flackernde Licht des Feuers, ohne die Gesichter der Menschen zu sehen, die es umgaben.

Feuer.

"Ich war einmal verloren, aber nun habe ich mich gefunden, War blind, aber nun kann ich sehen."

Sie sah alles.

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Als sie erwacht, muss sie husten.

Sie zieht sich ihre Schuhe an und stolpert aus dem Zelt in den Wald, weil sie mal muss. Als sie sich mit zitternden und schwachen Beinen hinhockt, denkt sie liebevoll an ihr Badezimmer in Washington mit der großen Badewanne, dem endlosen Vorrat an warmem Wasser und dem dreilagigen Toilettenpapier zurück. Nein, sagt sie sich, denk nicht einmal daran, weil du es nie wieder haben kannst.

Mit dem Holz, das sie früher am Tage gesammelt hatte, zündete sie ein Feuer an, um Wasser für den Tee zu kochen. Die Hustenanfälle kommen nun in immer kürzeren Abständen mit einem tiefen rasselnden Geräusch und einer Wucht, die sie fürchten lässt, sie würde sich eine Rippe brechen. In einem der Päckchen findet sie ein Flasche ‚44-D' und nimmt einen wohlüberlegten Schluck.

Nachdem sie den Tee gemacht hat, greift sie ihr Tagespäckchen und macht sich auf den Weg hinunter zum Rand der Klippe, um die Ebene zu überblicken.  Vor gar nicht langer Zeit war das ein populärer Park für Radfahrer und Wanderer. Es würde leicht sein, sich einzubilden, sie wären hier in den Bergen in einem improvisierten Wochenendcamp. Es ist ein schöner sommerlicher Spätnachmittag, der Himmel ist wolkenlos und strahlend blau.  Die Luftfeuchtigkeit ist niedrig und es ist warm genug, nur T-Shirt und Shorts zu tragen.

Sie trägt dennoch Jeans und Sweatshirt. Ihr leichtes Fieber lässt sie frösteln.

Der Blick von der Klippe ist spektakulär. Sie kann meilenweit sehen. Das heißt, er wäre spektakulär, wenn sie nicht auf die in Trümmern liegende Stadt unter sich in der Ebene blicken würde.

Sie blickt nicht herab, nur streng geradeaus auf mehr Berge und Hügel, die sich am Horizont erstrecken.

Ein Moskito beißt sie in den Nacken und sie schlägt danach, verärgert darüber, dass sie diese Stelle mit dem Moskitoschutz ausgelassen hat. Sie berührt die Stelle, an der, wie sie weiß, der Chip genau unter ihrer Haut liegt und lächelt über die Ironie des ganzen. Dieses winzige Stück Metall war sowohl ein Fluch als auch ein Segen für sie. Es mag ihren Krebs zurückgedrängt haben oder nicht, aber es hatte sie auch zu der Brücke und dem Feuer in dieser schrecklichen Nacht gerufen. Aber am Ende rettete es sie vor fünf Tagen, als sie mitten in der Nacht in dem Motelzimmer aufwachte und schrie, dass ‚Sie' kommen.

Nein, vergiss das - der Chip hatte sie nicht gerettet. Er hatte nur das Unausweichliche hinausgeschoben.

Sie hustet wieder und sieht hinab auf die Ruinen von Abbotsville, 2.475 Einwohner.

Im Busch hinter ihr raschelt es und sie greift nach ihrer stets bereiten Waffe , dreht sich um und richtet sie auf die Ursache des Geräuschs.  Niemand kann sagen, was da draußen ist.

Es ist bloß Mulder, sie atmet erleichtert seufzend aus und legt die Waffe zurück auf ihr Päckchen. Er sieht ausgezehrt und erschöpft aus, genau wie sie aussehen muss, und sein Gesicht ist struppig vom Beginn seines Bartes.

Er begrüßt sie mit einem rauen Husten und setzt sich neben sie.

"Was machst du hier?" fragt er.

"Nur gucken... und nachdenken..."

Er streichelt ihre Wange mit seinen Fingern. "Oh ja? Worüber?"

Sie deutet auf die Stadt unter ihnen. "Über all das. Es sind jetzt mehr als drei Tage vergangen, Mulder. Warum sind sie nicht zurückgekommen, um ihren Job zu beenden?"

Mulder schüttelt den Kopf. Diesmal hat er nicht mehr Antworten als sie.

"Was ist, wenn es kein gemeinsames Bemühen in Richtung Kolonisation war, sondern nur die Alienversion von Vandalismus? Nach dem Motto ‚Hey, lass uns losziehen und heute mal die Menschheit zerstören.'"

"Wie auch immer, das Ergebnis ist dasselbe," sagt Mulder und starrt in die Ferne.

Sie sind von allem abgeschnitten, es gibt keine Möglichkeit zu sagen, was mit dem Rest der Welt geschehen ist. Sie hatten gerade genug Zeit gehabt, ein paar Vorräte zusammenzusammeln und ihre Mütter, die Lone Gunmen und Skinner über hastige Telefonate zu warnen, aber ihr Schicksal war unbekannt. Es ist dieses Gefühl des Nichtwissens, das sie verrückt macht.

Sie beginnen beide zu husten und sie gibt ihm die Flasche mit dem roten Sirup. Er nimmt einen kleinen Schluck und winselt bei dem Geschmack.

Es gibt keine andere Zeit für brutale Ehrlichkeit als die Gegenwart, denkt sie. Sie war es gewöhnt, eingehüllt in den warmen Trost des Leugnens zu leben, aber nun kann sie es nicht mehr.

"Wir sterben, Mulder," sagt sie.

"Nein." Er schüttelt heftig den Kopf. "Wir waren draußen, haben zwei Nächte in einer Höhle geschlafen, drei in einem Zelt. Wir haben uns erkältet, das ist alles."

Ihre Stimme klingt ärgerlicher, als sie es wirklich will. "Nein, Mulder.  Wir haben diese Menschen in den Bergen sterben sehen. Wir haben das gleiche wie sie."

Sie hebt ihre Hand, so dass er die dunkle Schwellung sehen kann, die an ihre Handfläche beginnt.

"Was immer es auch ist, es ist zerstörerisch und sie haben es mitgebracht."

"Nein," sagt er, immer noch den Kopf schüttelnd. "Das kann nicht das Ende sein."

Ich möchte in Würde sterben, denkt sie und erinnert sich an den heimlichen Vorrat an Schmerztabletten, den sie in ihrer Tasche aufbewahrt hatte, als ihr Krebs so schlimm war.

Sie hebt ihre Waffe auf und streichelt sie beinahe liebevoll. "Sie starben einen qualvollen Tod," sagt sie mit flacher Stimme. "Du hast ihre Krämpfe gesehen, ihre Schreie gehört."

Wenn sie nachts ihre Augen schließt, kann sie den qualvollen Klang der Schmerzensschreie immer noch hören.

"Es muss nicht so sein," sagt sie.

"Wovon sprichst du, Scully?"

Sie bietet ihm ihre Waffe wie ein kostbares Geschenk an. "Wir können das hier beenden. In Würde sterben."

Er streckt seine Hand aus und legt sie sanft um ihr Handgelenk. "Nein," sagt er mit rasselnder Stimme und hustet.

Tränen beginnen in ihren erschöpften Augen zu brennen.

"Ich... ich kann nicht dastehen und zusehen, wie du so stirbst," flüstert sie mit zitternden Lippen. "Und ich kann es nicht ertragen, wenn du mich sterben sehen musst in solch einer Agonie."

Mulders Stimme ist leise und flehend, als er seine Arme um sie legt. "Nicht heute Nacht, Scully. Es ist noch nicht die Zeit dafür. Lass uns einfach einander warm halten. Bitte, für mich, nur noch eine Nacht..."

Langsam legt sie ihre Waffe weg und sie hört ihn erleichtert ausatmen.

Er zieht sie enger an sich und sein Atem zerzaust ihr Haar. "Ich möchte nur einen neuen Morgen mit dir erleben."

Sie denkt an all die Morgen im letzten Jahr. Einige waren eilig, sie hasteten beide umher, um für die Arbeit fertig zu werden. Es gab eine Reihe von Morgen, an denen sie mit einem Fall beschäftigt in einem Motelzimmer erwachten, den FBI-Regeln über Agentenbeziehungen im Dienst trotzend. Und dann gab es die erbärmlich wenigen Morgen am Wochenende, an denen sie Zeit hatten, die Zeitung im Bett zu lesen, Kaffee zu trinken und die Laken mit Keksen vollzukrümeln und sich zu lieben, während die Sonne zum Fenster hereinschien.

Sie hatte niemals gedacht, dass dieser Tag kommen würde.

Sie hatte niemals daran geglaubt, genauso wie sie nicht an Vampire, Ziegensauger oder außerirdisches Leben geglaubt hatte.

Wie sehr sie sich geirrt hatte.

"Komm, lass uns zurückgehen," sagt Mulder, steht auf und zieht sie hoch, hustend vor Anstrengung.

Sie gehen den Pfad zum Campingplatz zurück.

Im Zelt ziehen sie sich gegenseitig langsam aus. Sie haben sich nicht geliebt, seit ihre Welt unterging. Angst und der Gestank des Todes sind nicht gut für die Libido, aber nun brauchen sie die Vereinigung.

Denk nicht daran, dass es vielleicht das letzte Mal ist, sagt sie sich.

Tatsächlich war ihr Leben so gefährlich gewesen, jedes Mal wenn sie zusammen waren, war sie sich dessen nur allzu bewusst gewesen, dass es das letzte Mal sein könnte.

Es geht langsam, schmerzhaft langsam mit mehreren Pausen zum Husten. Seite an Seite kommen sie zusammen, küssen sich überall, wo ihre Münder hinkommen können. "Ich liebe dich," sagt Mulder und es wird zu einem Singsang.  "Ichliebeliebeliebedich."

Sie kommen zusammen, zitternd vor Lust und liegen umschlungen auf ihren Schlafsäcken.

Sie atmet tief ein und ist froh, dass sie nicht husten muss. Der Sirup hat zeitweilig geholfen.

Er streichelt gemächlich über ihr Haar. "Ich habe so viel zu bereuen," sagt er seufzend.

"Nein, Mulder," flüstert sie. "Wir können nichts zu bereuen haben. Wir haben das beste getan, was wir konnten."

Wie konnten zwei Menschen allein die Welt retten?

"Nein, das nicht. Wegen dir und mir. Ich habe immer geträumt, dass wir eines Tages unsere Antworten finden werden und sich alles zum Guten wenden wird. Und dann könnten wir dieses normale Leben leben, nur du und ich. Wir könnten lernen, einander zu lieben wie normale Menschen."

Sie rollt herum und presst ihre Wange an seine fiebrige Brust. "Was wir hatten, war genug für mich."

Gott, sie sprechen bereits in der Vergangenheit.

Er fährt fort. "Ich wollte dich heiraten, Scully." Mulders schwerer Arm legt sich enger um ihren Rücken.

"Ich weiß, Mulder." Sie versucht zu lächeln. "Aber wenn du es genau betrachtest, sind wir bereits verheiratet. Zuerst war es eine arrangierte Heirat, aber wir lernten, einander zu lieben."

"Arrangiert durch Sektionschef Blevins und den Raucher," sagte er mit einem zynischen Lachen.

"Wie auch immer, nach einer Weile konnte ich mir nicht mehr vorstellen, mein Leben mit jemand anderem als dir zu verbringen," sagt sie.

Obwohl ihre Liebe sehr real und offensichtlich gewesen war, hatten sie nie viel über ihre Gefühle gesprochen. Es ist einfach nicht ihre Art. Aber traurig erkennt sie, wenn sie es jetzt nicht sagen, werden sie es nie tun.

Er zieht sie ein bisschen nach oben, so dass sie ihm direkt in die Augen sehen kann. Mulders Lippen teilen sich in einem kleinen Lächeln. "Scully, willst du mich heiraten?" fragt er.

Sie könnte lachen über die Absurdität eines Heiratsantrags unter den Nachwirkungen der Apokalypse mit ihnen beiden, sterbend an irgendeiner Art Alienpest, aber sie versteht den Zweck seiner Worte.

Ihre Stirn berührt seine. "Ja, Mulder," flüstert sie.

Sie liegen beieinander als die Nacht über den Wäldern hereinbricht, berühren sich einfach nur, küssen sich und teilen kleine Erinnerungen miteinander.

Schließlich wird Mulders Stimme leise und sie weiß, dass er schläfrig wird.

Sie zerzaust sein dunkles Haar. "Schlaf jetzt," sagt sie. "Ich liebe dich."

Seine Augen fliegen auf. "Ich habe Angst, Scully. Ich will nicht sterben."

"Ich auch nicht."

Der Schlafsack raschelt, als er sich auf seinen Ellbogen stützt. "Ich wünschte, ich könnte glauben, so wie du. Ich wünschte, ich könnte an ein Leben danach glauben."

Sie nimmt seine Hand in ihre. "Ich werde für uns beide glauben."

"Es würde so tröstlich sein zu wissen, da ist ein Ort in einem Leben danach, an dem wir für die Ewigkeit zusammen sein werden."

Um ihren Hals hing immer noch die Kette mit dem Kreuz. Sie trug sie um ihren Hals, seit sie fünfzehn war als Zeichen ihres Glaubens. Wenn es jemals eine Zeit gegeben hat zu glauben, dann jetzt.

"Mulder," flüstert sie und hält inne, um seine Lippen zu küssen. "Wir werden zusammen sein im nächsten Leben, ich verspreche es."

Seine Stimme wird wieder undeutlich vor Müdigkeit. "Ich will glauben..."

"Das brauchst du nicht. Ich tue es."

Und sie tut es, das ist das Wunder.

"Scully, wirst du etwas für mich singen?"

Sie lächelt in der Erinnerung an eine einfachere aber beängstigende Nacht, als sie in den Wäldern Floridas verloren waren und sie über einen verletzten Mulder wachte. Er hatte sie gebeten, etwas zu singen und sie hatte zugestimmt, mit großer Verlegenheit. In dieser Nacht hatte sie "Joy to the world" gesungen. Sie will das nicht wieder singen - es scheint nicht passend.

Ihn in ihren Armen haltend, singt sie mit leiser und unmelodischer Stimme ein Lied, das ihr immer sehr viel Trost gespendet hat.

"Erstaunliche Güte, wie süß der Klang,

Das rettet ein armes Wesen wie mich

Ich war einmal verloren, aber nun habe ich mich gefunden, War blind, aber nun kann ich sehen.

Es war Güte, die lehrte

mein Herz, zu fürchten.

Und Güte, die meine Ängste nahm.

Wie kostbar erschien die Güte...

in der Stunde, als ich zu glauben begann.

 

Durch viele Gefahren, Mühen und Versuchungen...  sind wir bereits gegangen.

Es war Güte, die uns sicher so weit brachte...  und Güte wird uns nach Hause führen."

In der Zeit, in der sie die dritte Strophe beendet, ist Mulder eingeschlafen.

Schon bald schläft auch sie ein mit dem Gedanken ‚ich werde genug glauben für uns beide'.

Das Geräusch eines Überschallheulens weckt sie beide und Mulder und sie sitzen kerzengerade da. "Was zur Hölle ist das?" ruft sie.

"Sie sind zurück!"

Ihr erster Instinkt ist weglaufen und verstecken, den Pfad hinauflaufen zu der Höhle, in der sie die erste Invasion abgewartet hatten. Aber Mulder und sie sehen sich an und der unausgesprochene Gedanke, den sie austauschen, ist ‚Wo liegt der Sinn?'

Stattdessen klettern sie beide aus dem Zelt und schauen in den Nachthimmel, der von einem hellen, vollen Mond erleuchtet wird.

Mehrere schwarze dreieckige Schiffe gleiten am Himmel entlang. Sie haben diese Schiffe schon vorher gesehen.

Sie sind zurück und dieses Mal ist es wirklich vorbei. Das ist es.

Mulder nimmt ihre Hand in seine.

Irgendwie habe ich immer gewusst, dass wir zusammen sterben werden, denkt sie. So stark wir auch sind, es gibt keinen Weg, dass einer ohne den anderen überleben kann. Kannst du dir so ein Leben überhaupt vorstellen?

Die Erde unter ihren Füßen beginnt zu beben. Sie sieht Mulder voller Panik an. Das passierte beim ersten Mal nicht.

"Kannst du es kommen fühlen?" ruft sie.

"Was?"

"Ich weiß nicht, aber es kommt..."

Wir werden zusammen sein im nächsten Leben, Mulder.

Ich glaube daran.

Etwas Mächtiges bewegt sich über den Himmel, so groß, dass es sich endlos auszudehnen scheint. Es scheint aus vielfarbigen Kristallen gemacht zu sein, die im Licht des Mondes glitzern.

"Sieh mal, der Himmel, wie schön," sagt Mulder und zeigt auf das gigantische Flugzeug. Ungeachtet seiner Angst kann er seine natürliche Neugier nicht von dem abwenden, was in seinem Blickfeld erscheint.

"Es ist einfach... wunderbar..." keucht sie.

Halt meine Hand, Mulder.

Das ist es. Hier geht alles zu Ende.

Drei der schwarzen dreieckigen Schiffe bewegen sich kreischend auf das gigantische Kristallschiff zu und eröffnen das Feuer. Es ist irgendwie wie aus Star Wars, nur dass das hier das richtige Leben ist. Sie kann nicht glauben, dass das, was sie da sieht, wirklich passiert.

Das große Schiff beginnt sich zu drehen und gibt ein leises Summen von sich und sie beobachten voller Staunen, wie sich die schwarzen dreieckigen Schiffe auflösen und in kleinen Stücken vom Himmel herabfallen.

Was zur Hölle soll das?

Das Summen des Schiffes wird lauter und sie hält den Atem an.

Mulder und sie drehen sich zueinander um. Mit ihren Augen sagen sie sich Lebewohl.

Aber es ist kein Lebewohl, Mulder. Wir werden zusammen sein im nächsten Leben.

Es ist so intim, zusammen zu sterben.

Durch einen weißen Lichtblitz von dem Schiff wird sie geblendet und alles hört einfach auf.

 

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Dana öffnete die Augen und fand sich auf einer Parkbank sitzend wieder, die lederbekleideten Arme von Evan um sich. Sie konnte sich nicht daran erinnern, zu der Bank gegangen zu sein.

"Dana, bist du noch da?" fragte er. "Du warst irgendwie für eine Sekunde weg."

Sie konnte immer noch die Menschen um das Lagerfeuer herum singen hören.

So also ist alles zu Ende gegangen.

Mulder, wie konnte ich das nur vergessen?

Evan berührte ihre Schulter. "Dana?" fragte er, seine Stimme klang jetzt noch besorgter.

"Ich bin in Ordnung," sagte sie "Ich hatte nur gerade einen Flashback oder so etwas."

Und dann sah sie auf und erblickte Mulder, der mit großen Schritten quer durch den Park auf sie zukam.

Oh, ich erinnere mich an dich. Ich erinnere mich.

Evan stand auf. "Ich schätze, das ist der Moment, um zu verschwinden."

"Danke," sagte sie.

Er beugte sich herab und drückte einen Kuss auf ihr Haar. "Jederzeit," sagte er und ging an Mulder vorbei zur Straße.

Dana starrte Mulder in dem neuen Verständnis an, das ihre Erinnerung ihr gebracht hatte.

Er blieb dicht vor ihr stehen, sein Gesicht war ernst.

"Ich kenne dich," flüsterte sie.

Du warst mein Partner, mein bester Freund, die Liebe meines Lebens.

"Ich weiß," sagte er.

All das bist du noch immer, Mulder.

"Nein," sagte sie kopfschüttelnd. "Ich kannte dich, im Vorher."

Mulder sank auf die Knie und verbarg seinen Kopf in ihrem Schoß. Instinktiv streichelten ihre Hände über sein Haar.

Nichts hat sich geändert. Ich liebe dich noch immer. Ich habe nie aufgehört.

Er hob seinen Kopf und blinzelte sie aus tränengefüllten Augen an. "Ich weiß, Scully."

Sie erstarrte. Er hatte sich schließlich an sie erinnert.

Er stand auf, setzte sich neben sie und sie starrten sich voller Verwunderung an.

"Heute habe ich erkannt, dass es keine Tagträume waren, Scully," sagte er und umschloss ihre Hände mit seinen.

Wir werden zusammen sein im nächsten Leben.

Solch ein Wunder kann nicht vergeudet werden, dachte sie.

"Ich habe dir vor fünf Jahren ein Versprechen gegeben," sagte sie und war sich nicht sicher, ob es sie mehr danach verlangte, zu lachen oder zu weinen.

Sein Kuss auf ihre Lippen war sanft und verheißungsvoll.

"Erzähl mir davon, Scully," sagte er.

Und sie saßen lange Zeit auf der Parkbank und erinnerten sich zusammen.

"Es schien ihnen so, dass das Schicksal sie für einander bestimmt hatte, und sie konnten nicht verstehen, wie sie einen Ehemann haben konnte und er eine Ehefrau. Sie waren wie zwei umherziehende Vögel, der Mann und die Frau, die eingefangen und in getrennte Käfige gesperrt worden waren...

Und es schien ihnen so, dass sie kurz vor einer Entscheidung standen und dass dann ein neues, wunderbares Leben beginnen würde. Und sie erkannten beide, dass das Ende noch weit, weit entfernt war und dass der schwerste und schwierigste Teil war, einfach nur zu beginnen."

Anton Chekhov

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Epilog

 

Eines Nachts kann sie nicht schlafen.

In der Dunkelheit kann sie hören, wie sich ihr Mann herumrollt und sie weiß, dass er auch noch wach ist.

Das ist ihre Lieblingszeit, wenn die Arbeit des Tages getan ist, das Geschirr gespült und die Kinder ins Bett gebracht sind und geräuschvoll schlafen. Manchmal in der Nacht kann sie das schwache Geräusch hören, das ihre Nachbarn unter ihnen machen, wenn sie Flöte spielen, aber mehr als alles andere kann sie seinen gleichmäßigen Atem hören und es ist beruhigend.

Nachts erlaubt sie ihrem Stress, ihren Schuldgefühlen und Ängsten, sich zu verlieren und sie schwebt einfach zwischen den Decken und fühlt die Körperwärme ihres Mannes in ihren ausstrahlen.

Nachts gibt es keine Zweifel, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, in jener Nacht auf der Parkbank, als sie sich schließlich daran erinnerte, wie Mulder und sie in ihrem ersten Leben endeten.

Der Schlaf wird kommen, sagt sie sich und dreht sich ihm entgegen, um sich an seinen warmen, nackten Rücken zu kuscheln. Während ihr nachts oft kalt ist, ist er immer warm, seine Haut so heiß, wie ein Sonnenstrahl.

Er macht ein leises Geräusch in seiner Kehle bei ihrer Berührung und sie lächelt an seinen Schultermuskeln. Heute Nacht riecht er nach Babyschaumbad und den Zitronen, die er für das geröstete Hühnchen geschnitten hat.

So ist häusliches Glück, denkt sie verträumt, als sie bedächtige Küsse überall auf seinem Rücken verteilt.

"Oh, das ist schön," seufzt er.

Während sie sich an ihm wie eine zärtliche Katze reibt, denkt sie an ihren Hochzeitstag und die Versprechen, die sie einander gemacht haben. Niemals hatte sie so fest an etwas geglaubt. Sie hatte ihren kleine Strauß Frühlingsflieder an sich gedrückt und die Worte mit leiser, aber fester Stimme gesagt. Aber unter ihrer äußerlichen Gelassenheit wollte sie am liebsten zusammenbrechen und weinen unter dem überwältigenden Gefühl des Augenblicks. Später tat sie es, als sie allein zu Hause waren, ihre Hände ineinander verschlungen, ihre Finger, die gleiche goldene Ringe trugen, fest miteinander verbunden.

Im schwachen Licht der offenen Blenden beobachtet sie ihre Hand, wie sie über seinen Rücken gleitet und die Art, wie der Ring beinahe zu leuchten scheint in der Dunkelheit und sie daran erinnert, dass sie für die Ewigkeit miteinander verbunden sind.

Schließlich rollt er sich herum, um sie anzusehen. "Kannst du nicht schlafen?"

Sie schüttelt den Kopf. "Ich bin nicht in der Stimmung."

Ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. "Ich auch nicht."

In einer Nacht wie dieser muss sie sich daran erinnern, dass er wirklich ist, dass das nicht wieder nur ein Traum ist, aus dem sie bald erwachen wird. Sie muss in seiner Körperlichkeit ertrinken, um sich selbst zu beruhigen.

Sie nimmt sich Zeit, ihn zu küssen, seinen Körper überall zu berühren, zu spüren, wie sich seine Haut an verschiedenen Stellen unterschiedlich anfühlt. Sie versucht, sich seine Form mit ihren Fingern einzuprägen.

Sie will nie wieder vergessen.

Er stöhnt ein wenig, als sie ihre feuchte Lippen über seinen Bauch gleiten lässt und ihn in den Mund nimmt. Das ist wirklich, sagt sie sich, als er anfängt, seinen Körper mit seiner wachsenden Lust vom Bett zu heben.

Du bist mein und ich bin dein. Fleisch von meinem Fleisch.

Als er es nicht länger aushält, schiebt sie sich wieder zu ihm hoch. Er setzt sich auf und lehnt seinen Rücken gegen das Kopfteil des Bettes mit einem Kissen dazwischen. Mit einem Lächeln auf seinem Gesicht öffnet er seine Arme für sie und bittet sie schweigend, zu ihm zu kommen.

Das ist ihre Lieblingsstellung, sich mit ihm zu lieben. Sie kann das Tempo bestimmen - kann es wild und heftig machen oder langsam und gemächlich. Ihr Größenunterschied spielt nicht so eine Rolle, wenn er sitzt und sie auf ihm und er ist ihr nahe genug, um ihn zu küssen und in seine außergewöhnlichen Augen zu sehen.

Wenn sie in seine Augen sieht, kann sie alles sehen - ihre gemeinsame Vergangenheit und die Zukunft, die kommen wird.

"Scully," stöhnt er, als sie auf seinem Penis herabgleitet.

Sie lächelt darüber. In der alltäglichen Welt neigt er dazu, sie Dana zu nennen, etwa ‚Dana, wieviel Milch brauchen wir aus dem Laden?' oder ‚Dana, ich muss jetzt Adam von Sarah abholen.'

Scully ist sein ganz privater Name für sie, so nennt er sie im Bett. Es ist ihr geheimer Prüfstein für das Leben, das sie einmal gelebt haben, das Leben, das sie sich immer noch bemühen, zusammenzusetzen.

Langsam bewegt sie sich mit ihm, leise in ihrer Kehle summend vor Glück, mit Mulder vereint zu sein. Eine seiner starken Hände umfasst ihren Po und die andere streichelt ihre Brüste, macht sie voll und schwer.

Sie lehnt sich näher zu ihm, um seine Augen wieder zu sehen. Wie würde sie es lieben, ein Kind von ihnen beiden zu sehen, mit diesen wundervollen grau-grünen Augen und diesen dunklen Wimpern. Sie haben gerade begonnen, diese Idee zu besprechen und zu entscheiden, ob sie die Möglichkeit eines Scheiterns riskieren wollen.

Außerdem, sie haben doch immer das Risiko in Kauf genommen, nicht wahr?

Ein spitzer Schrei kommt aus ihrem Mund, als seine Finger ihre Klitoris finden und ihre Kunst beginnen. Er lacht. "Du wirst noch die Kinder aufwecken."

Sie lernt gerade, sich in den Nächten zu kontrollieren, in denen eines oder beide Kinder bei ihnen sind.

"Ich bin so... froh," keucht sie und bewegt sich härter auf ihm.

Er weiß, was sie meint. "Ich auch, Scully."

Ihr Kuss ist nur ein anderer Ausdruck für das Versprechen, dass sie ihm in jener Nacht, in der sie zusammen gestorben waren, gegeben hatte.

Wir werden zusammen sein im nächsten Leben, Mulder.

Wir sind es, denkt sie, als die Lust warm und süß in ihrem Körper erblüht.

Oh Gott, wir sind es.

Sie weiß nur zu gut, dass sie etwas Schreckliches getan haben, indem sie John und Sarah verließen. Johns Augen beschuldigen sie immer noch schweigend, jedes Mal, wenn sie ihn sieht. Und Sarah weigert sich standhaft, mit ihr zu reden, außer wenn es unumgänglich ist. Sie haben die Sicherheit der Familienbande ihrer Kinder zerstört, die wahrscheinlich aufwachsen werden, ohne sich daran erinnern zu können, wie es war, als ihre Eltern noch miteinander verheiratet waren.

Ja, sie weiß das. Manchmal verfolgt sie das im Tageslicht.

Aber sie weiß auch, welch ein Wunder es war, Mulder wiederzufinden. Sie neigt nicht dazu, an Glück und Schicksal zu glauben, aber es kann kein Zufall sein, dass sie es irgendwie geschafft haben, wieder zueinander zu finden.

Die Nacht, in der sie sich an Mulder erinnerte, war die Nacht, in der sie wieder zu glauben begann. In dieser Nacht begann sie noch einmal, zu beten.

Sie legt ihre Arme um Mulders Hals und ihre goldene Kette mit dem Kreuz baumelt vor seinem Gesicht. Es war sein Hochzeitsgeschenk für sie, das dazu dient, sie an ihren Glauben, ihre Mutter und ihren Vater, ihre Schwester und ihre Brüder zu erinnern, die sie zwar verloren hat, die aber nicht länger vergessen sind.

Sie wünschte, sie hätte etwas gleichwertiges, das sie ihm als Erinnerung an Samantha geben kann, aber sie weiß, dass er sie nicht vergessen hat. Er will immer noch das Schicksal seiner Schwester kennenlernen.

Als sie, in seinen Armen bebend, kommt, ist es mehr als das heiße, verbotene Gefühl, das sie in dem Hotelzimmer vor mehr als einem Jahr hatte.  Es ist Lust und Sicherheit, die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft kommen zusammen in einer überwältigenden Woge. Es ist alles.

Als Mulder seinen Höhepunkt erreicht, schafft er es irgendwie, gleichzeitig zu lachen und kommt in ihr voller froher Erleichterung.

Das ist das nächste Leben und wir sind zusammen, Mulder.

Sie rollen, schließlich gesättigt, auf die Seite, ihr Körper ringelt sich in seinen.

"Ich liebe dich," flüstert er. Diese Worte haben immer noch die Kraft, ihr Schauer über den Rücken zu jagen.

"Und ich liebe dich," sagt sie und streckt ihre Hand nach hinten aus, um seine Lippen mit ihren Fingern zu berühren.

Sie fürchtet sich nicht länger vor der Nacht oder ihren Träumen. Aber da ist noch eine Sache, die sie machen müssen, bevor sie schlafen.

Ihre Augen schließend, sagt sie, "Erzähl mir eine Geschichte, Mulder."

Das ist es, was sie nachts tun, zu teilen, woran sie sich erinnert haben.  Am nächsten Tag schreibt sie es immer in eines ihrer Tagebücher. Das rotgebundene Buch enthält Erinnerungen für Julia und Adam, so dass wenn sie alt genug sind, Fragen zu stellen, sie vielleicht lernen und verstehen werden. Das schwarze, das Mulder ihr zum Geburtstag geschenkt hatte, ist nur für sie beide, für ihre ganz privaten Geschichten.

Er denkt einen Moment nach und sagt dann, "Ich habe eine hübsche, Scully."

Sie lächelt. "Erzähl sie mir."

"Es war an Thanksgiving im Haus deiner Mutter und ich fühlte mich unbehaglich, umgeben von deiner ganzen Familie. Ich wusste, dass du deiner Mutter von uns erzählt hattest, bevor ich gekommen bin. Sie waren nett zu mir, natürlich, sogar Bill, aber ich fühlte mich fehl am Platz und unter Beobachtung. Deine Mutter folgte mir immer mit diesen Blicken und ich stellte mir vor, wie sie dachte ‚Du bist also derjenige, der meine jüngste Tochter geschändet hat.'"

Sie lacht in das Kissen.

"Nach dem Essen haben deine Mutter und du mit diesem Baileys begonnen und ich war gezwungen, mir das Spiel mit Charlie und Bill anzusehen. Als es vorbei war, haben deine Mutter und du immer noch geredet, also ging ich in den Keller, um ein Nickerchen zu machen. Es waren so viele Menschen in dem Haus, die übernachteten, dass mir das Ersatzbett im Keller zugeteilt worden war.

Ich war gerade dabei, einzuschlafen, als ich die Kellertreppe knarren hörte. Als ich aufblickte, sah ich dich, du hattest einen vollkommen verschmitzten Ausdruck auf deinem Gesicht. Du hattest deine Bluse bereits aufgeknöpft und du hast sie auf den Boden geworfen und bist zu mir ins Bett geklettert. Ich konnte den Kaffee und den Likör in deinem Atem riechen, als du anfingst, mein Ohr und meinen Hals zu küssen. Scully, ich wollte dich so sehr, aber ich hatte Angst, Bill würde herunterkommen und mich zusammenschlagen. ‚Alle sind oben,' sagte ich, aber du hast mich weiter geküsst und du würdest auch nicht aufhören und ich wollte es auch nicht.  ‚Das ist in Ordnung,' hast du geflüstert. ‚Wir können leise sein. Mulder, ich weiß, wir können leise sein...'"

ENDE