IRGENDWANN
(Originaltitel:
Someday)
von
Chad Tanaka
(
chadt@aloha.net
)
aus
dem Englischen übersetzt von Sylvia < aktex_sm@hotmail.com >
Rating:
NC-17 (für Sprache, Sex, Hunde und Katzen, die zusammen leben ...)
Spoiler: X-Files Fight The Future. Verschiedene
Referenzen zu Folgen der Staffeln Eins bis Fünf.
Stichwort:
Mulder/Scully Romance - Angst
Archiv:
Überall, solage mein Name, E-Mail Adresse und Disclaimer dabei bleiben.
Zusammenfassung:
Scully muß mit einigen nicht besprochenen Problemen hinsichtlich ihres Partners
fertig werden und bekommt dabei Hilfe von einer alten Academy Freundin. Findet
nach dem X-Files Film statt, aber noch vor der ersten Folge der sechsten
Staffel.
Disclaimer: Dana Scully, Fox Mulder
und Walter Skinner gehören Chris Carter, Twentieth Century Fox und Ten-Thirteen
Productions. Clarice
Starling, Jack Crawford, Buffalo Bill und Dr. Hannibal Lecter gehören Thomas
Harris und Orion Productions (oder wer immer auch die Rechte des Filmes
'Schweigen der Lämmer' inne hat... MGM, glaube ich). Alle Charaktere werden
ohne Erlaubnis aus rein nicht-profitablen Zwecken zur Unterhaltung gebraucht.
Eine Verletzung des Copyrights ist nicht beabsichtigt.
"Irgendwann"
FBI
Hauptquartier Washington D.C. 1:15 pm
Es
war kalt, stellte Mulder fest. Der Winter hatte Washington D.C. in seinem
frostigen Griff. Schnee war noch nicht gefallen, aber ein Sturm wurde bald
erwartet. Er schlenderte aus dem J. Edgar Hoover Gebäude, ohne genau zu wissen,
warum er hier war oder wohin er ging.
Mulder
zog seinen dunkelblauen Mantel fester um seinen mageren Körper, um sich vor der
starken Kälte zu schützen und dann machte er sich auf den Weg. Seine Beine gingen ihren eigenen Weg. Er
hatte absolut keine Ahnung, wo er enden würde, aber darum machte sich Mulder im
Moment auch nicht besonders Sorgen. Er fröstelte ein wenig, er war sich nicht
sicher, ob wegen des Wetters oder eher wegen der frischen Erinnerungen, die
seine Sinne überfluteten.
Er
war niedergeschlagen. Mulder hatte gerade wieder eine Auseinandersetzung mit
Scully gehabt. Es schien ihm, als ob diese sinnlosen Streitereien zur Normalität
geworden waren. Seit sie aus der Antarktis zurück waren, war es immer dasselbe
- ein falsches Wort hier, ein zweideutiger Blick da. Zur Zeit, gab Mulder
traurig zu, reichte das kleinste Bißchen, um zu streiten. Und die hitzigen Meinungsverschiedenheiten
wurden immer feindseliger.
Er
nahm an, daß die Spannungen zwischen ihnen daher rührten, daß keiner von beiden
es fertiggebracht hatte, über die Nacht auf seinem Flur zu sprechen. Wann war das, versuchte Mulder sich zu
erinnern - vor zwei Monaten? <Es scheint mir wie vor einer Million
Jahren,> dachte er wehmütig. Mulder wünschte sich die einfacheren Zeiten
zurück, als es leichter war, mit ihr umzugehen.
Andererseits,
wenn Mulder ehrlich zu sich selbst war, wann war es jemals leicht gewesen, wenn
es um Scully ging?
<Jemanden
zu lieben, ist niemals leicht,> sagte Mulder sich. Ja, er gab es zu.
"Spooky" Mulder, der sonderbare verdrehte frühere Golden Boy der VCS und
jetzige Spitzenreiter auf der Liste der beim FBI am meisten unerwünschten
Personen war hoffnungslos und absolut in seine Partnerin verliebt. Und was es
noch trauriger machte: so verrückt er auch war, Mulder fürchtete sich zu sehr,
dem wichtigsten Menschen in seinem Leben, seiner besten Freundin, der einzigen
Frau, die er liebte, zu sagen, was er für sie empfand.
Es
würde so einfach sein, dachte er sich. In seinem Flur war er nahe daran, es ihr
zu sagen. In dieser Nacht hatte Scully ihn aus dem Gleichgewicht gebracht mit
ihren Neuigkeiten über ihre Kündigung. Er hatte sie nie zuvor so geschlagen
gesehen - nicht einmal in ihrem Kampf gegen den Krebs hatte Scully jemals
aufgegeben. Es erschreckte ihn. Scully schien zu glauben, daß alles für sie
beide vorüber wäre.
Mulder
wußte, er brauchte sie - und nicht nur in beruflicher Hinsicht. Nichts, was er in seinem Leben tun würde,
würde eine Bedeutung haben ohne Scully an seiner Seite. Wohl wissend, daß sie
mit ihm zusammen nur weitermachte, wenn er ihr die Wahrheit sagte und er offen
zu ihr war, lief er ihr nach in den Flur und stellte sich der 1,56 m großen,
rothaarigen Sturheit, die Dana Scully sein konnte, wenn sie sich zu etwas
entschlossen hatte.
Mit
der Handfläche über sein müdes Gesicht streichend, erinnerte sich Mulder, daß
er wirklich versucht hatte, Scully zu sagen, daß er sie mehr als alles andere
in seinem ganzen Leben liebte - sogar mehr als Samantha. Aber nachdem er einige wage Dinge gesagt
hatte, <Durch Dich bin ich reifer geworden?> stoppte er, kurz bevor er
seine Seele vor ihr entblößte.
In
dieser Nacht hatte Scully Mulder in Verlegenheit gebracht und ihn unwissentlich
dazu gezwungen, die Karten auf den Tisch zu legen. Er wußte, daß sie seine
Worte verstanden hatte. Aber wie um alles in der Welt sollte sie glauben, was
er sagte? Würde sie denken, daß sie einen Moment der Ehrlichkeit bei Mulder
erlebt hatte oder würde sie denken, daß er sich ihr nur an den Hals geworfen
hatte, um zu verhindern, daß sie ihn allein mit seiner Arbeit ließ? Mulder
befürchtete, daß Scully denken könnte, seine Handlungen in dieser Nacht wären
geboren aus selbstsüchtiger Verzweiflung, nicht aus wahrer Liebe.
Mulder
fürchtete, daß er als Folge dieser verwirrenden und grauenvollen Nacht niemals
in der Lage sein würde, Scully zu überzeugen, daß seine Gefühle für sie echt
waren. Mulder zog frustriert die Augenbrauen zusammen.
Scully
würde wahrscheinlich denken, daß jeder romantische
Annäherungsversuch
von ihm nur eine andauernde List sein würde, sie von einer Kündigung
abzuhalten, sie daran zu hindern, das FBI zu verlassen... und ihn.
Laut
seufzend dachte Mulder, während er ziellos umherwanderte, welche Ironie es doch
war, daß all diese Zweifel vermutlich nie aufgekommen wären, wenn er Scully
tatsächlich geküßt hätte, so wie er es beabsichtigt hatte. Er fühlte ganz sicher, daß sie Mulders wahre
Gefühle erkannt hätte, wenn sie seine Leidenschaft für sie gespürt hätte beim
Aufeinandertreffen ihrer Lippen.
Aber,
so mußte Mulder anerkennen, eine gute Verschwörung wußte genau, wann sie ihr
Vorhandensein deutlich machen muß. Es war Schicksal oder Karma oder was auch
immer, das dafür verantwortlich war, daß die virusverseuchte Afrikanische
Honigbiene Scully genau in diesem völlig unangebrachten Moment stechen mußte.
Er
kam zu der deprimierenden Erkenntnis, daß das ganze Universum wirklich dagegen
war, daß sie zusammenfanden.
So
wußte Scully immer noch nicht Bescheid. Mulder war sich nicht sicher, ob sie
jemals Bescheid wissen würde.
<Was
zur Hölle kann ich tun?> fragte er sich.
Der
frustrierte Agent schüttelte seinen Kopf ein wenig, um von diesen brütenden
Gedanken loszukommen. Er atmete heftig ein. Die kalte Luft biß in seine Nase
und seine Gedanken kehrten in die Wirklichkeit und seine unmittelbare Umgebung
zurück.
Mulder
stand vor dem Hof des J. Edgar Hoover Gebäudes. Zu seiner Linken konnte er die
niedrige Mauer mit den großen Buchstaben aus Messing sehen, die das Gebäude als
das Hauptquartier des FBI auswiesen.
<Ich
frage mich, was das Bureau für verwirrte Individuen derart anziehend macht,>
dachte Mulder süffisant. Er fühlte in diesem Moment eine Art verrückter
Verwandtschaft mit dem Namensgeber des Gebäudes. <Vielleicht ist ein
Transvestit der nächste Schritt für mich,> grübelte Mulder.
Seine
Augen wanderten zu einer der einsamen Bänke, die über den Hof verteilt standen.
Verlassen saß dort eine dunkel gekleidete Frau. Sie drehte ihm den Rücken zu
und er konnte ihren Atem rhythmisch ausströmen sehen. Sie war es. Durch ihr
flammend rotes Haar und ihre zarte Gestalt konnte man Dana Scully jederzeit
erkennen, dachte Mulder. Ihm konnte die Art ihrer Körperhaltung nicht entgehen.
Sie war eine starke Frau und es zeigte sich stets in der Art und Weise, wie sie
sich behauptete.
Gott,
er liebte sie.
<Und
warum muß ich sie dann immer so verletzen?>
Mulder
ging langsam in Richtung Scully. Er war nicht näher als zehn Schritte an sie
herangekommen, als sie sprach.
"Geh
weg, Mulder." sagte sie müde. Sie hatte sich noch nicht umgedreht und ihn
angesehen.
"Woher
wußtest Du, daß ich es bin?" entgegnete er schüchtern.
Mit
einem müden Seufzer drehte sich Scully zu ihm um. "Wer sonst ist so verrückt,
bei diesem gottverdammten Wetter hier draußen herumzulaufen?" fragte sie
ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue. Sie vernachlässigte absichtlich die
Tatsache, daß sie genauso draußen war wie Mulder.
Als
die einzige Reaktion, die Scully erhielt, der ausdruckslose starre Blick
Mulders war, fuhr sie fort. "Tatsächlich hast Du einen sehr charakteristischen
Gang, Mulder. Ich konnte am Rhythmus Deiner Schritte erkennen, daß Du Dich an
mich heranschleichst."
<Jesus,
Scully, mußt Du immer so eine Wissenschaftlerin sein?> fragte sich Mulder.
<Einen Moment mal...> kam ihm ein anderer Gedanke.
"Ich
habe mich nicht angeschlichen," erwiderte er sich verteidigend.
"Fein,
wie auch immer." antwortete Scully barsch. Sie zog ihr schlanke behandschuhte
Hand aus der Manteltasche, hob sie an ihr Gesicht und rieb ihren Nasenrücken
mit Daumen und Zeigefinger. "Ich will überhaupt nicht mit Dir streiten,
Mulder," sagte sie mit gedämpfter Stimme. Ihre Augen waren geschlossen und
ihr Kopf war gesenkt.
Unerwartet
überwand Mulder rasch die Entfernung zwischen ihnen und setzte sich zwanglos
neben Scully auf die Bank.
"Jesus,
Mulder!" rief sie mit erschreckter Stimme. Sie öffnete ihre Augen und
richtete einen brennenden Blick auf ihn.
"Verzeihung,"
entgegnete Mulder entschuldigend. Sich näher zu ihr beugend, fragte er
teilnahmsvoll "Kopfschmerzen?"
Scully
brummte nur zustimmend. Sich zurücklehnend, öffnete sie ihre Augen und blickte
in den kalten, grauen, wolkenverhangenen Himmel.
Mulder
warf einen verstohlenen Blick auf seine Partnerin. Er bemerkte, wohl zum
millionsten Mal, wie unglaublich schön Scully war. Ihre klassischen, ebenmäßigen
Gesichtszüge waren exquisit, dachte Mulder bei sich. Er folgte ihrem Blick in
den Himmel, wohl wissend, daß ihr melancholischer Blick nicht nach oben,
sondern nach innen ging. Mulder durchzuckte schmerzlich ein unmittelbares
Gefühl der Schuld, als er wahrnahm, daß sie litt, während er es ziemlich genoß,
sie vorsichtig anzusehen.
"Ich
bin müde," sagte Scully leise. Mulder hatte es beinahe überhört, aber er
lehnte sich nach vorn, um jedes ihrer Worte zu verstehen.
Vorsichtig
erwiderte er "Es war eine schwere Woche, Scully. Vielleicht solltest Du
nach Hause gehen und Dich etwas ausruhen. Gott weiß, Du hast es verdient."
Er wartete geduldig auf ihre Reaktion.
Nach
einem Moment des Zögerns drehte sich Scully noch einmal zu Mulder um. Er war überrascht über die tiefe Verärgerung
in ihren Augen und ihrer Stimme. "Nein, Mulder," sagte sie, als
spräche sie zu einem Kind, das besonders schwer von Begriff war. "Ich
meine... ich bin müde wegen uns. All diese Auseinandersetzungen und
Unannehmlichkeiten zwischen uns." Sie knabberte nervös an ihrer
Unterlippe. "Ich meine," erklärte sie mit verwirrter Stimme "was
passiert mit uns?"
Mulder
war ein wenig verblüfft. Er hatte nie zuvor erlebt, daß Scully so vollkommen
ihre Gefühle offenbarte. Er fragte sich vergeblich, ob ihre letzten Torturen
ihr eine neue Sicht auf die Dinge gegeben hatten. Es war gelinde gesagt
erfrischend, entschied er.
Nachdem
er seinen anfänglichen Schock überwunden hatte, überdachte Mulder ihre Frage.
Er hatte sich niemals vorgestellt, daß dies Scully so sehr quälte. Sie hatten
bereits vorher ähnlich rauhe Zeiten erlebt. Beschämt vermutete er, daß Scully
sein Verhalten nur als eine weitere emotionell oder sexuell frustrierte Phase
einordnete und er sie mit einem Achselzucken abtat. Er hatte dummerweise als
selbstverständlich vorausgesetzt, daß sie es verstehen würde - daß es
vorübergehen würde, ohne daß sie darüber sprachen.
Das
war einfach die Art, wie es Scully und er immer getan hatten.
Nun
mußte er erfahren, daß er sich geirrt hatte. Grauenvoll geirrt. Mulders Blick
wurde weich und er legte seine große behandschuhte Hand sanft auf ihre winzige
Hand.
"Es
tut mir so leid, Scully," bat er inständig. "Ich wollte nie... nun,
ich dachte, es wäre irgendwie vorübergehend, was wir beide durchmachen, verstehst
Du?" Er sah in ihre großen blauen Augen und Mulder konnte erkennen, daß
Scully kurz davor war, zu weinen.
Seine
Schuldgefühle wuchsen.
Eine
einzelne untypische Träne der Frustration hinterließ eine silberne Spur auf
Scullys Wange. Instinktiv hob Mulder eine Hand, um sie fortzuwischen. Sie hob
ihre eigene Hand, um seine zu stoppen. Sie nahm ein Taschentuch aus der Tasche
und trocknete sich die Augen. Verlegen darüber, daß sie ihre Gefühle so offen
gezeigt hatte, senkte sie ihren Kopf und knetete nervös ihre Hände in ihrem
Schoß.
Nach
einer langen Pause fragte sie "Was machen wir durch, Mulder?" Ihr
Haar fiel nach vorn und verdeckte ihre Gesichtszüge. Mulder streckte vorsichtig
die Hand aus und strich die feurigen Strähnen zurück hinter ihr zartes Ohr. Mit einem tiefen Seufzer antwortete Mulder
"Ich weiß es nicht, Scully."
Als
wenn sie ihn nicht gehört hätte, fuhr sie fort "Ich meine, wir waren nie
besonders glücklich miteinander, nicht wahr?" Mulders Augen weiteten sich
in Angst und Besorgnis. "Nein, nein," versuchte sie, zu erklären.
"Es ist nicht so, daß wir als Partner nicht glücklich waren, aber die
X-Akten selbst verweigerten uns jede Chance, wirklich glücklich zu sein,
verstehst Du, was ich meine?" Sie sah ihm flehend in die Augen und
wünschte, daß er verstand.
Und
er tat es. "Ja, tatsächlich tue ich das," entgegnete er. "Wir
haben das beste aus einer fünf Jahre währenden Pechsträhne gemacht." Dies
brachte ihm ein zartes Lächeln von Scully ein, das ihn lächerlich glücklich
machte. "Aber," fügte er hinzu
"was Du tatsächlich meinst ist, daß die Dinge zwischen uns besonders
schlecht stehen, nicht wahr?"
Ein
Hoffnungsschimmer glomm in Scullys Augen. "Exakt, Mulder... aber warum?"
Sie war wahrhaftig verblüfft - es war nicht so, daß sie diejenige war, die den
Streit vom Zaun brach, nicht wahr?
<Okay,
vielleicht ein- oder zweimal,> gab sie zu.
Doch
das mußte jetzt ein Ende haben. Die Spannung und der Ärger hatten tatsächlich
gedroht, sie zu zerreißen. Scully hob ihren Kopf, um einen strengen Blick auf
Mulder zu werfen.
"Mulder,"
sagte sie mit fester Stimme. "Laß es raus. Was quält Dich?" fragte
sie.
Mulder
richtete seine grün-braunen Augen auf Scully. Sie sah eine müde Traurigkeit in
ihnen, die sie nur allzu gut kannte. Er sprach zu ihr in einem ruhigen,
bedächtigen Ton. "Ich denke, Du weißt genauso gut wie ich, was passiert
ist, Scully." Mulder lehnte sich auf der Bank zurück und sah sie
erwartungsvoll an.
Er
lobte diesen geschickten Zug, ihre Aufmerksamkeit zurückzugewinnen.
Scully
versuchte, ihr Verlangen Mulder zu erwürgen, zu verbergen.
Statt
dessen sammelte sie ihre Gedanken. Langsam, wie Wasser aus einem immer größer
werdenden Leck aus einem gebrochenen Staudamm floß, erkannte sie, was in den
letzten Wochen tatsächlich los war.
Der
Flur.
Der
Beinahe-Kuß.
Der
Stich der Biene, der - nach Scullys Meinung - ihre Partnerschaft gerettet hat.
Scully
hatte diesen Moment absichtlich aus ihrem Bewußtsein verdrängt. Wenn sie
tatsächlich irgendeinen Gedanken an den Sinn oder die Bedeutung dieses kurzen
Streifzugs in die gegenseitige Verwundbarkeit verschwendet hätte, wäre sie
bestimmt verrückt geworden.
Konnte
Mulder nicht sehen, fragte sie sich, daß dieser Beinahe-Kuß viel zu gefährlich
war, um darüber nachzudenken?
"Ich
weiß, wir haben nicht darüber geredet, Mulder," begann sie vorsichtig. "Aber Du weißt, daß wir das nicht
können." Sie blickte mit ihren schimmernden strahlend blauen Augen auf
Mulder. Er konnte die verzweifelte Sorge hinter ihren Worten hören. Die Panik
umfing sie wie ein Totenschleier.
Er
würde sich nicht davon abbringen lassen. Sie mußten jetzt darüber reden.
Er
mußte damit beginnen.
"Warum
nicht?" fragte er scharf. "Wir können nicht leugnen, was passiert ist,
Scully."
Sie
seufzte erneut müde. Es schien Mulder, das diese Unterhaltung sie das letzte
bißchen Kraft kostete, das Scully hatte, um weiterzumachen.
"Es
kann nicht funktionieren. Das weißt Du so gut wie ich," sagte sie zu ihm.
Ihre Stimme klang wenig überzeugend, eher ablehnend.
Nun
war Mulder ärgerlich. Er würde nicht akzeptieren, daß seine Scully, die starke,
leidenschaftliche Scully, die er liebte, so leicht aufgab. War es so
hoffnungslos? Nein, das konnte nicht sein.
"Verdammt,
Scully," fauchte er sie an. "Von Rechts wegen müßten Du und ich jetzt
tot sein. Wir sind so oft gegen die Ungleichheit angegangen, warum denkst Du,
daß wir das nicht tun können?" Er gestikulierte mit seinen Händen, bewegte
sie zwischen ihren Körpern hin und her und versuchte verzweifelt, ihr die Absurdität
ihrer Argumentation vorzuführen.
Schließlich
gab Scully nach. Sie drehte sich ganz zu ihm und nahm sein Gesicht sanft
streichelt zwischen ihre behandschuhten Hände. Sie fühlten sich so warm in
Mulders Gesicht an. Er konnte sich fast ihr Mitgefühl und ihre Zärtlichkeit
vorstellen, die langsam von ihren Handflächen ausstrahlten.
"Mulder,
bitte versteh doch," säuselte sie besänftigend. "Ich will nichts lieber
als Dich... alles von Dir und mit allen Konsequenzen." Scully atmete tief
ein und aus.
Mulder
schloß seine Augen, er sonnte sich in ihrer Offenbarung. <Sie will mich!>
freute er sich. Aber seine Freude war nur von kurzer Dauer. Er wollte, daß sie
aufhörte. Mulder wollte nichts mehr hören, weil er wußte, daß er nicht mögen
würde, was sie als nächstes sagen würde. Aber er respektierte sie viel zu sehr
und so hörte er weiter zu.
"Aber?"
erwiderte er.
"Aber..."
begann sie, doch sie verstummte unsicher. Er öffnete seine Augen. Sie brachte nervös ihre Hände von seinem
Gesicht in sein wundervolles kastanienbraunes Haar, genau über seine Ohren. Er
vermutete, daß es einfach Scullys Art war, zu vermeiden, daß ihre Hände nervös
wurden, während sie sprach. Aber das sinnliche Gefühl trieb Mulder zum
äußersten. Er mußte sich auf ihre Stimme konzentrieren, ihre Worte.
Dennoch,
als Scully ihn so berührte, fiel es ihm sehr, sehr schwer. Mulder änderte seine
Sitzhaltung in dem Versuch, die unangenehme Beule in seinem Schritt zu
verbergen.
"Aber
dann wäre alles vorbei, Mulder!" rief sie ein wenig eindringlicher aus,
als sie beabsichtigte. Als sie den erschütterten und verwirrten Ausdruck auf
seinem Gesicht sah, versuchte Scully, zu erklären.
"Dies
- alles, was wir jetzt haben," sagte sie in einem ernsten Flüstern, "die
wundervolle Partnerschaft, die wir haben, alles wäre vorbei. Nichts wäre mehr
dasselbe." Sie sah vorsichtig zu ihm hin, ängstlich, wie er reagieren
würde. Sie konnte es in den goldenen Punkten sehen, die im Innern seiner warmen
haselnußbraunen Augen schwammen, die Mulders ausdrucksvollen Blick ausmachten.
Sie konnte es an den harten Mundwinkeln seiner sinnlichen vollen Lippen sehen.
Mulder wollte das nicht akzeptieren. Nichts davon.
"Worüber,
zur Hölle sprichst Du, Scully?" wurde er laut. "Natürlich würde es
nicht dasselbe sein. Es wäre viel besser." sagte er nachdrücklich.
Scully
schüttelte langsam ihren Kopf. "Nein, Mulder," antwortete sie fest. "Wir wären zu nahe aneinander dran, um
unseren Job ordentlich zu machen. Es gäbe keine... Perspektive, wenn wir unsere
Arbeit und unser Privatleben trennen müßten." Als sie sah, daß Mulder sich
von ihr entfernte, als wäre ein Schleier auf sein Gesicht gefallen, wußte
Scully, daß sie ihm einen Moment Zeit lassen mußte, um zu erkennen, daß sie
recht hatte. Wenn er einmal überzeugt war, erkannte sie, würde es keine
Diskussion mehr geben.
Sie
schloß zärtlich ihre Hände um Mulders. "Komm schon, Mulder," fuhr sie
fort. "Wie können wir annehmen, daß wir uns im ganzen Land herumtreiben können,
um Alienverschwörungen aufzudecken oder mutierte Ziegenmelker zu jagen, wenn
alles, was wir erörtern ist, warum Du den Toilettendeckel offen gelassen hast,
so daß ich um vier Uhr früh da reinfalle?" Scully fühlte ein ironisches
Lächeln auf ihrem Gesicht, als sie daran dachte, daß das tatsächlich das war,
wozu Mulder fähig war.
Mulder
konnte nichts dagegen tun, daß sich ein Grinsen auf seinen ärgerlich zusammengepreßten
Lippen ausbreitete.
"Oh,
Scully," jammerte er und gab seine wütende und empörte Haltung auf.
"Logisch,
Du hast recht. Du warst immer die Pragmatische in dieser
Partnerschaft.
Aber ich kann mir nicht helfen, ich habe das Gefühl, wir
geben
etwas Wunderbares auf... bestimmt. Etwas, das wir nicht jeden Tag
erleben,
verstehst Du." Er löste seine Hände aus Scullys und lehnte sich zurück auf
die Bank. Er fuhr sich frustriert durch seine dunklen Haare.
Dann,
mit brennenden Augen und einem entschlossenen Ausdruck auf seinem Gesicht,
lenkte Mulder seinen starren Blick auf Scully. Er würde es ihr sagen, entschied
er. Er mußte es tun. Er würde alles auf eine Karte setzen und dann gab es kein
Zurück mehr. Das war sein letzter Trumpf, den er ausspielen konnte, um ihre
Meinung zu ändern.
"Ich
liebe Dich, Dana Scully," beteuerte er leise. "Das ist alles, was zählt.
Keiner der triftigen Gründe, die Du heute angebracht hast, um die Sinnlosigkeit
einer Beziehung zwischen uns zu beweisen, kann daran etwas ändern. Nichts kann
das, nicht einmal eine Regierungsverschwörung, die wie wir wissen droht, die
Erde zu zerstören, wird mich davon abbringen können, daß Du der wichtigste
Mensch in meinem Leben bist."
<Beschütze
ihr liebes Herz>, dachte Mulder bei sich. Tatsächlich berührte es Scully,
als sie seine Empfindungen und Gefühle sah. Er konnte sehen, wie sie mit sich
selbst Krieg führte, die Leidenschaft, die tief in ihr drinnen brannte, ihre
Seele, die gegen ihren kalten wissenschaftlichen Verstand kämpfte, den sie so
sehr schätzte. Es war fast schmerzhaft zu beobachten, wie die stürmischen
Strudel der Qual ihre klare saphirfarbene Iris dunkel färbte und die tiefen
Linien, die sich in ihrem Gesicht abzeichneten, verursacht durch die Anspannung
um ihren Mund. Es war für einen zufälligen Beobachter nicht wahrnehmbar, aber
Mulder kannte sie besser als irgendein anderer.
Sie
wollte ihn auch. Aber sie würde es nicht zulassen, das wußte er nun.
Dann,
obwohl sie dagegen ankämpfte, kamen die Tränen. Ein tiefer Seufzer kam von
Scullys Lippen und die salzigen Tränen liefen frei und heiß über ihre erhitzten
Wangen. Mulder nahm sie einfach in die Arme und umarmte sie sanft. Er verstand.
Auch wenn er es nicht guthieß, er würde sich ihrer Entscheidung beugen. Sie
verdiente seinen Respekt und er gab ihn ihr gern.
"Gott,
Mulder," gelang ihr schließlich ein tiefer Seufzer. Ihr Kopf war in seiner
Halsbeuge verborgen. Die warme Feuchtigkeit begann, in sein neues Armani-Jackett
einzudringen. Es störte ihn nicht.
"Ich...
ich liebe Dich auch," murmelte sie schwach. "Aber ich kann unsere Freundschaft
und unsere Arbeitsbeziehung, die wir jetzt haben, nicht aufgeben. Ich habe
Angst vor dem, was passieren wird, wenn wir es ändern. Ich... ich habe Angst, Dich zu
verlieren." Sie schloß ihre Augen fest und betete, daß er sie verstehen
und ihr verzeihen würde.
Mulder
legte sein Kinn auf ihren Kopf und seufzte. Er liebte sie genug, um zu tun, was
er konnte. Wenigstens wußten sie nun beide, daß sie sich liebten. Das war genug
für ihn. Es mußte genügen.
Er
streichelte ihr zärtlich übers Haar. "Nicht weinen, Scully," murmelte
er mit tröstender Stimme. "Ich verstehe und ich werde immer zu Dir stehen.
Ich vertraue Deinem Urteil, was das beste für uns ist." Er lachte leise
und sagte "Der Himmel weiß, mein Urteilsvermögen läßt einiges zu wünschen übrig."
In
Mulders tröstender Umarmung gewann Scully ihr Lachen zurück. "Yeah, irgend
jemand wird uns retten müssen, wenn Du uns wieder von einer verrückten
Situation in die nächste bringst." <Und eine intime Beziehung zu haben
mit meinem besten Freund und Partner wäre definitiv verrückt,> dachte Scully.
Nach
einer sehr langen Pause antwortete Mulder. "Da wäre eine Menge darüber zu
sagen, wie verrückt man zuweilen sein kann." sagte er zu ihr. Seine Hand wanderte
unwillkürlich zu ihrem Rücken, wo Mulder sich vor seinem geistigen Auge, das
runde Tattoo, das dort für immer gezeichnet war, vorstelllen konnte.
Scully
erschauderte bei der Erkenntnis, was er damit meinte. <Nein, ich werde
nichts dagegen sagen,> dachte sie, während sie sich an das orangerote Glühen
des drückendheißen Ofens und an den abartigen Geruch von verkohltem Fleisch
erinnerte. Ihr heftiges Zittern als Folge des Wetters ansehend, zog Mulder sie
enger an sich heran. Scully begrüßte die zusätzliche Wärme und verkroch sich
tiefer in seine Arme.
Als
er erkannte, daß sie noch erfrieren würden, wenn sie noch länger hier draußen
verweilen würden, löste er sich von Scully und versuchte, ihr in die Augen zu
sehen. Da sie ihren starren Blick auf ihre Hände in ihrem Schoß gerichtet
hielt, nahm er sanft ihr Kinn in seine Hand und hob ihr Gesicht zu sich. Er
konnte die getrockneten Tränen auf ihrem Gesicht sehen und den schuldigen Blick
in ihren Augen, als wenn sie ihn irgendwie verraten hätte.
<Nichts
kann weiter entfernt sein, als die Wahrheit,> dachte er bei sich selbst.
"Freunde?"
fragte er fröhlich. Er zwang sich zu einem Lächeln. <Ich vergebe
Dir,
Scully, obwohl es wirklich nichts zu vergeben gibt.>
Erleichterung
durchströmte sie und ihr wunderschönes Gesicht leuchtete wieder auf. Mulder war
froh. Sie strich mit ihrer Hand an seinem Kinn entlang und antwortete
"Gute Freunde, Mulder. Die besten." Und dann erhielt Mulder eines
ihrer raren 1000-Watt-Lachen, das ihre perfekten Zähne zeigte und das
unwiderstehliche breite Kräuseln ihrer Lippen.
Er
liebte sie und wenn er zuweilen eines dieser Lachen von ihr bekam, würde alles
gut.
"Komm,"
sagte er zu ihr, als er von der Bank aufstand. Seine Knie knackten schmerzhaft,
als sie sein ganzes Gewicht spürten. <Du wirst alt, Mulder,> tadelte er
sich selbst. Er hielt ihr seine Hand hin und sie ergriff sie. Sie stand mit der für sie charakteristischen
Grazie auf und sie schien keinerlei Anzeichen von Beschwerden zu zeigen, trotz
der langen Bewegungslosigkeit.
<Sie
ist so schön,> sagte er sich selbst, wohl zum billionsten Mal, seit sie sich
kannten. <Wie zum Teufel werde ich das nur schaffen?> fragte er sich
traurig.
Aber
er blickte ihr wieder in ihr offenes liebenswertes Gesicht. Wie immer war er
sprachlos beim Anblick ihrer glatten cremefarbenen Haut, ihrer klassischen
zarten Nase, ihren großen ausdrucksstarken unschuldigen blauen Augen und dem
stets wechselnden glänzend schwingenden Schleier ihrer üppigen kastanienbraunen
Haare. Sie war so wunderbar.
Mulders
Blick wanderte über ihr Gesicht und blieb an ihrem Mund hängen. Er verbrachte
zahlreiche Gelegenheiten damit, sowohl im Büro als auch unterwegs, ihre
sinnlichen Lippen anzusehen. Wenn sie sich die Lippen leckte oder auf ihrer
Unterlippe kaute, aus Konzentration oder aus Nervosität, war das beinahe genug
für ihn, in Ohnmacht zu fallen.
Das
lustige an der Sache war, bemerkte er, daß ihr Aussehen bedeutungslos wäre,
wenn Dana Katherine Scullys innere Werte nicht wären. Ihre ungeheure Intelligenz
brachte ihn aus der Fassung - es befand sich auf einer Ebene, die er niemals in
der Lage war, zu erreichen. Aber was Mulder wirklich fesselte, waren ihre
Leidenschaft und ihre wahrhaftigen aufrichtigen Gefühle. Ihre innere Wärme
glich ihre kühle professionelle Haltung, die sie zeitweilig annahm, aus und sie
war ein großer Teil dessen, weshalb er so hingerissen von ihr war.
Oh,
Mulder wußte, daß es ihn schwer erwischt hatte. Sich in Scully zu verlieben war
zugleich das wunderbarste und das schrecklichste, was ihm passieren konnte, in
seinem unberechenbaren, armseligen Leben.
Dort
auf dem Hof stehend bemerkte Scully Mulders prüfenden Blick. Sie neigte ihren
Kopf zur Seite und überlegte, ob sie ihn mit seinem Tagtraum necken sollte oder
nicht. Schließlich entschied sie sich, es nicht zu tun. Statt dessen schenkte sie ihm ein weiteres
engelhaftes Lächeln.
"Beweg
Deinen Hintern, Mulder. Ich will hier draußen nicht erfrieren," sagte sie
lächelnd.
"Willst
Du mich anmachen, Agent Scully?" neckte er sie mit einem närrischen Grinsen.
Er nahm ihre Hand in seine und ging mit ihr zurück zum FBI-Gebäude.
Und
zu seiner Überraschung lachte Scully tatsächlich. <Es kann noch alles gut
werden,> grübelte Mulder. "Laß uns zurück an die Arbeit gehen, G-woman,"
sagte er zu ihr.
FBI-Hauptquartier
Washington
D.C.
8:55
am
Mulder
trat aus dem Fahrstuhl, unmelodisch vor sich hin summend. <Ein neuer Tag,
ein neuer Dollar, eine neue Bombe in einem Regierungsgebäude,> scherzte er
mit sich selbst. Während er den langen nichtssagenden Flur entlang ging, sann
Mulder über seine Laune nach. Seine Stimmung war besser als üblich. Das lag
daran, daß er kürzlich die Bestätigung erhalten hatte, daß die X-Akten in der
Tat auf der Liste der aktiven Ermittlungsabteilungen des FBI standen und daß
sie vorgemerkt waren für ein neues Büro.
Es
war hart für sie in den letzten sechs Monaten gewesen seit dem Brand in ihrem
Büro, bei dem die X-Akten fast völlig zerstört worden waren. Die X-Akten waren
geschlossen worden und Scully und er waren zum Gegenstand einer strengen
Überwachung durch das Büro für dienstliche Untersuchung geworden. Das Büro war
noch zu keinem Ergebnis gekommen in den Anhörungen, die stattgefunden hatten,
um über die beiden Agenten und ihre Arbeit für die X-Akten zu befinden. In der
Zwischenzeit waren sie verschiedenen anderen Abteilungen des FBI zugeteilt
worden. Sie waren eine Weile bei der VCS - Mulders alter Lieblingsabteilung -,
dann kamen sie zur Abteilung Organisierte Kriminalität (Dieses Mal zum Glück
ohne Abhöraufgaben.)
Gegenwärtig
arbeiteten die beiden Agenten in der Abteilung
Terrorismusbekämpfung
im 4. Stock. In dieser Funktion stolperten sie auch über den Bombenanschlag in
Dallas und die Regierungsverschwörung, die er vertuschen sollte. Der Höhepunkt
ihrer folgenden Ermittlungen war, daß die Sache in Bewegung geriet und führte
zu der Entscheidung, die X-Akten wieder zu öffnen.
Mulder
hatte seine Informationen von Assistant Director Skinner, der selbst Mitglied
im Untersuchungsausschuß des Büros war. War die Entscheidung einmal gefallen,
informierte er unverzüglich seine früheren Agenten. Mulder meinte, ein Gefühl
der Erleichterung hinter Skinners Worten zu verspüren, aber er war sich nicht
ganz sicher.
<Bald,>
sagte Mulder zu sich selbst. <Es ist so nahe, ich kann es fühlen.> Bald
würden Scully und er wieder das tun, was sie am besten konnten. Die X-Akten
erschienen ihm wie eine kühle Oase in einer trostlosen Wüste der Hoffnungslosigkeit.
Während
er sich dem Großraumbüro der Abteilung Terrorismusbekämpfung näherte, sann er
darüber nach, wie glücklich er darüber war, daß er nicht von Scully getrennt
worden war, betrachtete man all die Bewegung um sie herum. Trotz Skinners
Leugnen wußte Mulder, daß es zu einem nicht geringen Teil dem Einfluß des
Assistant Directors zu verdanken war, daß sie ihre Partnerschaft fortsetzen
konnten. Obwohl Scully bei schwierigen Autopsien hinzugezogen wurde oder von
Zeit zu Zeit um wichtige forensische Expertisen gebeten wurde, war Scully nicht
gebeten worden, ihren alten Lehrstuhl an der FBI-Akademie in Quantico wieder
anzunehmen.
Ein
winziges Lächeln umspielte seine Lippen, Mulder wußte, daß Scully nie gegangen
wäre, selbst wenn man sie gefragt hätte.
Mulder
wußte, daß er unglaubliches Glück hatte, Dana Scully in seinem Leben zu haben.
Vielleicht war er sogar der glücklichste Mann auf der Welt. Manchmal fühlte er sich so.
Auch
wenn er sie nicht haben konnte.
Auch
wenn Mulder Scully nie auf ihr weiches Bett legen konnte, sie ausziehen konnte
und sie verführen konnte, bis die Sonne aufging. Er würde niemals ihre verboten
weiche Haut genießen können, die unter dieser vernünftigen Dienstkleidung
verborgen war, noch würde er ihr sinnliches Flüstern hören können, daß sie nur
für ihn hatte, während sie sich heiß liebten.
Mulder
würde Scully niemals in Weiß sehen, sie die Worte "Ich will" aussprechen
hören in einer Kirche, ihre Hand haltend und ihr den goldenen Reif auf den
Finger schiebend.
Er
würde niemals den wunderbaren Ton von Babygeschrei hören - seinem Baby. Seinem... und Scullys. Er würde niemals den
Anblick genießen, Scully ihr winziges Baby stillen zu sehen, er würde sie
niemals Worte der Liebe zu ihrem Baby murmeln hören.
Er
konnte sie vor seinem geistigen Auge sehen. Sie strahlte. Und sie lächelte
dieses besondere Lächeln, das sie früher nur für ihn hatte. Er wußte, sie würde
ohne zu zögern dieses Lächeln ihrem Kind schenken - ihrer beider Kind.
Mulder
seufzte auf vertraute Art. <Wehmütig,> sagte er zu sich selbst.
Aber
als Mulder für eine Augenblick die Augen schloß, war ihm klar, daß es niemals
so sein würde, aus mehr als nur einem Grund. Er hatte das zu akzeptieren. Und
er würde es tun.
Weil
er Scully mehr als alles andere auf der Welt liebte. Und sie sagte, sie könnten
nur Freunde sein. Gute Freunde. Die besten aller Freunde.
Und
er versprach, daß er es sein würde.
<Großartig,
Mulder,> schalt er sich selbst heftig. <Du weißt genau, wie man sich die
gute Laune verdirbt.> Leicht den Kopf schüttelnd, ging er um die Ecke und
betrat das Büro. Er wurde von einem winzigen Lächeln begrüßt, das seinem
eigenen entsprach. Scully saß an ihrem lange überfälligen, redlich verdienten
Schreibtisch gegenüber einem identischen Schreibtisch, der als sein eigener
gekennzeichnet war. Sie war immer früh im Büro. Sie hörte nie auf, ihn im Büro
zu überraschen. Und, wie so oft, stand schon ein großer Becher mit heißem
Kaffee auf seinem Schreibtisch - einmal Milch und zwei Stück Zucker, so wie er
ihn liebte. Seine warmen haselnußbraunen Augen hielten ihre glänzenden blauen
Augen fest und er dankte ihr stumm. Sie nickte ihm kaum merklich zu.
Die
geschäftigen Aktivitäten um sie herum ignorierend, setzte er sich an seinen
Schreibtisch und betrachtete seine wunderbare Partnerin, er trank ihre
Schönheit, wie er seinen Kaffee trank. Er stellte die Tasse ab.
"Morgen
Scully," sagte er schließlich. "Bereit für eine Runde Schiffe versenken?"
neckte er sie. Ihr Lächeln verbreiterte sich ein wenig.
"Guten
Morgen, Mulder," kam ihre Erwiderung. "Heute pünktlich, wie ich sehe,"
ergänzte sie.
"Ja,"
entgegnete er. "Erstens wäre der Kaffee, den Du immer für mich bereithältst,
kalt, wenn ich zu spät käme - obgleich ich diese Geste wirklich sehr schätze,
Scully." Dies entlockte ihr ein kleines Lachen. Er vermutete, daß der Kaffee
nur ein Trick war, den sie anwandte, um ihn pünktlich ins Büro zu bekommen.
Unbekümmert
ihrer Reaktion, fuhr Mulder fort. "Und zweitens läßt Du mich schlecht
aussehen vor all den anderen Mitarbeitern, wenn Du immer so verdammt früh da
bist. Ich glaube, ich werde mich bessern müssen, sonst versetzen sie mich noch
zur Bombenentschärfungsabteilung."
Scully
ließ sich von seiner Neckerei anstecken. "Ja, und bei Deinem Glück, Mulder,
würde es keine Woche dauern, bis ich einen Anruf bekäme, daß Du überall im
gesamten Gebäude verteilt bist," tadelte sie ihn.
Mulders
Blick wurde ernst. Die Erinnerung an Dallas war beiden noch frisch im
Gedächtnis und was eben noch so lustig schien, war es im nächsten Augenblick
nicht mehr. Mulder lehnte sich über seinen Schreibtisch, um Lauscher
abzuhalten, und begann sanft zu sprechen. Scully lehnte sich in gleicher Weise
herüber, um zuzuhören.
"Scully,
Du weißt, ich würde Dich niemals so verlassen," flüsterte er ihr zu.
"Es
gibt keine Garantien, Mulder," entgegnete sie dunkel.
Scully
senkte ihren Blick auf die Schreibtischunterlage. Sie unterdrückte ein
Schaudern, als sie sich vorstellte, daß diese verhängnisvolle Nachricht, die
sie immer fürchtete, kommen würde. Mit Entsetzen erkannte sie, daß Mulder
sterben könnte, ohne daß sie in der Lage gewesen war, ihm zu zeigen, wie sehr
sie ihn liebte und wie sehr sie in wollte...
Sie
hielt ihre Tränen zurück, die heraus wollten. Beschämt fühlte sie, daß sie
weinen wollte - hier - vor all den Leuten. Sie wußte nicht, was mit ihr los
war. Ein Bild unter der durchsichtigen Folie der Schreibunterlage erregte ihre
Aufmerksamkeit. Es war ein Foto von der Weihnachtsfeier des Büros, das jemand
vor ein paar Monaten von ihnen gemacht hatte. Es war ihr Lieblingsfoto von
ihnen beiden.
Sie
beschloß, daß sie hier im Büro keine Schwäche zeigen würde, sie blinzelte ein
paar Mal, bis die Tränen verschwanden. An ihrer Stelle blieb ein leeres Gefühl
zurück. Sie fuhr zärtlich mit ihrem Finger über die Konturen des Fotos, bevor
sie den Kopf hob und Mulder direkt ansah.
"Was
ist los, Scully?" fragte er besorgt. Er stellte nur fest, daß irgend etwas
an ihr nagte. Schließlich bemerkte er die dunklen Ringe unter ihren Augen, die
gerötet waren und so aussahen, als würde sie gleich weinen.
Irgend
etwas war nicht in Ordnung. Mulder wußte es immer - sie konnte es nie vor ihm
verbergen, trotz ihrer "Mir geht es gut."-Dementis.
"Mir
geht es gut, Mulder. Mach Dir keine Sorgen," sagte sie, nicht sehr überzeugend.
<Natürlich,>
dachte Mulder verzweifelt bei sich. <Warum bin ich nicht
überrascht?>
Mulder
seufzte müde, er bedauerte die deprimierende Wendung, die der Tag
genommen
hatte. Er stand von seinem Schreibtisch auf und nahm einen dicken Aktenordner
in die Hand.
Zögernd
sagte er "Es tut mir leid, Scully. Ich habe um 8.15 Uhr einen Termin mit
Sektionschef Davis wegen des Gasattentats in der Metro." Scully blickte zu
Mulder auf und sah das Bedauern in seinen Augen.
"Ich
weiß, Mulder. Ich muß auch noch diese Pathologiesache aufarbeiten, die ich für
die Forensische Abteilung beenden muß. Geh nur." entgegnete sie. Sie versuchte, ihm das Herz zu erleichtern
und schenkte ihm ein erzwungenes Lächeln.
Er
ging zu ihr und legte seine warme Hand auf ihre Schulter. Er drückte sie ein
bißchen und sie lehnte sich dankbar gegen ihn.
"Bist
Du sicher, daß Du in Ordnung bist?" fragte er, nicht überzeugt. Sie nickte
bestätigend. Er lehnte sich zu ihr herunter und flüsterte ihr ins Ohr.
"Treffen
wir uns hier zur Lunchzeit, Scully. Ich werde Dich an einen schönen Ort bringen
und wir können... reden. Nur reden. In Ordnung?" Er sah sie hoffnungsvoll
an.
Nach
einem kurzen Zögern antwortete sie ihm. "Wenn ich es rechtzeitig schaffe, in
Ordnung," sagte sie. Um ihn zu beruhigen, griff sie nach seinem Arm und
hielt ihn sanft. Sie streichelte mit ihrer Hand zart hin und her.
Offensichtlich
befriedigt drückte Mulder noch einmal ihre Schulter und wandte sich dann zum
Gehen. Sie sah ihm nach, wie er den Flur entlang ging, bis sie ihn nicht mehr
sehen konnte.
Mit
einem tiefen Seufzer lenkte sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihren Computer.
Im Augenblick wurde sie durch die Mißtöne und die Betriebsamkeit um sie herum
abgelenkt. In diesem Moment durchzuckte Scully der Gedanke, daß Mulder und sie
festsaßen an einem Ort, gefangen in der Zeit, unfähig ihre Vergangenheit zu
überwinden und ihre ungewisse Zukunft anzugehen, während um sie herum das Leben
stattfand und an ihnen vorbeilief. Scully fühlte sich seltsam ausgeschlossen
aus der realen Welt, durch die sie und ihr Partner Tag für Tag trieben.
Aber
sie wußte auch, daß jegliche Vorstellung von einem normalen Leben ein unerreichbarer
Traum war. Ihre Arbeit an den X-Akten hatte sie bereits vor langer Zeit dem
normalen Leben entfremdet. Seitdem sie die Nachricht bekommen hatten, daß die
X-Akten wieder geöffnet werden sollten, konnte Scully bereits ihre
Anziehungskraft fühlen - das Leben, das sie kannte, bevor das Feuer ihre Arbeit
zerstörte, rief sie wieder.
In
einem Reflex hob Scully ihre Hand an ihren Nacken und rieb sich über die kleine
Narbe, die ihre Rettung in sich barg - und einen Fluch. Der Ruf der X-Akten war
quälend ähnlich dem des Chips in ihrem Nacken, der sie letzten Endes zu dieser
dunklen Brücke in Pennsylvania brachte, vor so vielen Nächten.
Sie
schüttelte ihren Kopf, um ihre trübseligen Gedanken loszuwerden, und beschloß,
die pathologische Ausarbeitung auf ihrem Computerbildschirm fürs erste zu
vergessen. Statt dessen sah sie sich noch einmal das Foto von letzten
Weihnachtsfest an.
Normalerweise
haßte Scully es, zu irgendwelchen Bürofeierlichkeiten zu gehen. Sie endeten
immer deprimierend für sie, weil sie so wenig Gemeinsamkeiten mit den anderen
FBI-Angestellten hatte. Während die anderen über aufgeklärte Banküberfälle und
das Abholen ihrer Kinder von der Tagespflege sprachen, hatte Scully nur
Geschichten über fettsaugende Mutanten und geklonte außerirdische Kreaturen einer
konspirierenden Schattenregierung.
Unnötig
zu sagen, daß sie nicht unbedingt der richtige Gesprächspartner für diese Dinge
war.
Mulder
ging es genauso. Er verabscheute Small Talk - genauso wie wenig Verstand - so
daß er üblicherweise diese Parties mied wie die Pest.
Aber
eine alte Freundin aus ihren Akademietagen, Clarice Starling, war unlängst ins
Hauptquartier versetzt worden, nachdem sie einige Jahre für das Büro in Seattle
gearbeitet hatte. Es war ihrer Hartnäckigkeit zuzuschreiben, daß Scully
schließlich nachgab und einwilligte, im letzten Jahr die Weihnachtsfeier zu
besuchen. Irgendwie konnte Scully Mulder überzeugen, sie zu begleiten. Sie
lächelte, als sie daran dachte, wie sie es fertig gebracht hatte, Mulder dazu
zu verleiten mitzukommen. Scully mußte all diesen langweiligen Papierkram, den
sie beide so haßten, für zwei Monate übernehmen.
Sie
meinte, immer noch die Krämpfe in ihrer Hand zu spüren von all den Reise-,
Spesen- und Anforderungsanträgen, die sie in dieser Zeit ausfüllen mußte.
Nachdem
sie bei der Feier angekommen waren, die in einem der größeren Konferenzräume im
2. Stock stattfand, hingen die beiden Agenten am Rande herum und betrachteten
die Feiernden mit Unbehagen. Sie meinten, daß es ein großer Fehler gewesen war
zu kommen und wollten gerade wieder gehen, als Clarice Starling sie entdeckte.
Die stets liebenswürdige und kontaktfreudige Starling zog sie ins Getümmel. Sie
drängte ihnen einen Drink auf und zwang sie, sich unter die Feiernden zu
mischen und lockerer zu werden. Mit der Zeit hatte ihnen Starling den dritten
Drink verpaßt und es begann, zu wirken.
In
einer seltenen Offenbarung von Zuneigung - welche sie später als unerwünschten
Nebeneffekt des Alkoholgenusses bezeichnen würde - entschloß sich Scully, einen
Mistelzweig über Mulders Kopf zu halten. Im Zauber des Augenblicks fesselte sie
ihn mit einem verspielten Knutschen. Agent Starling rief sie in diesem Moment
und machte ihr Foto. Scullys Gesicht war in die Kamera gewandt. Mulders Blick
war direkt auf das Gesicht seiner Partnerin gerichtet und seine vollen Lippen
berührten ihren Mundwinkel, als fürchtete er, darüber hinauszugehen.
Scully
erinnerte sich an diesen Moment. Es war ein Moment reinster Klarheit, als sie sich
von ihm zurückzog und in seine blitzenden grün-braunen Augen starrte. Sie sah
den besorgten Blick, den er ihr schenkte, als würde er denken, irgend etwas
könnte er falsch gemacht haben. Scully
konnte aber auch den Hoffnungsschimmer darin sehen.
Sie
sah Mulder an und sie konnte es nicht länger leugnen. Sie wußte, daß sie ihn
wie keinen anderen liebte und sie wollte ihn... sie wollte ihn so sehr. In
diesem Augenblick wollte sie nichts mehr, als ihn zu küssen. Sie wollte
verzweifelt ihre totale Hingabe an Mulder gestehen. Die Vergangenheit und die
Gegenwart waren nicht von Bedeutung. Die Zukunft, die sie mit Mulder wollte,
lag vor ihr, wenn sie sich entschied, die Chance zu ergreifen. Die moralische
Bedeutung, intim mit ihrem Partner zu werden, war ihre geringste Sorge. Nichts
war von Bedeutung. Nur er.
Und
so schnell, wie der Blitz in Agent Starlings Kamera verlosch, erkannte sie, daß
sie tatsächlich keine Wahl in dieser Angelegenheit hatte. Mit einem stummen
Stöhnen wußte sie, daß ihre Qualen erst vorüber sein würden, wenn sie Mulder
gehörte - wie eine Frau einem Mann nur gehören konnte - irgendwie, irgendwann.
Sie würde ihm gehören, egal was ihr Verstand ihr versuchte zu sagen. Weil ihr
Herz nicht darauf hören würde.
Dana
Scullys Apartment
Washington
D.C.
12:10
am
Sie
warf den Autopsiebericht achtlos auf ihren Couchtisch. Ihr gegenwärtiger Fall
kam nicht recht voran. Sie hatten keine Hinweise auf die Gruppe, die zahlreiche
Banken im ganzen Land bombardierte. Die Gruppe, die sich selbst "Der
Hammer" nannte, beteiligte sich an dieser Form des Inlandsterrorismus im
Namen des - Mulder würde es lieben - Satans.
<Ein
wundervoller Plan,> dachte Scully sarkastisch. <Zerstöre Amerikas Vertrauen
in das Bankwesen und die Welt fällt in Stücke.> Scully kratzte sich
frustriert am Kopf. Es war alles Unsinn, das wußte sie, und unschuldige
Menschen mußten sterben.
Ein
stümperhaftes Bombenattentat in Kalifornien hatte einen toten Terroristen
eingebracht. Abgesehen vom Bombenschutt, der von den anderen Plätzen gesammelt
wurde und dem rätselhaften Bekenneranruf bei einer lokalen Radiostation in
Kansas, war der Leichnam die einzige Hoffnung, den Kopf der Gruppe zu finden.
Trotz sorgfältiger Autopsie, die der County Coroner unterstützt von Scully
durchgeführt hatte, konnten sie keinerlei Anhaltspunkte finden und deshalb
hatten sie auch keine Theorie, wie sie den Kopf der Gruppe finden und verhaften
sollten. Die Versuche, den Leichnam zu identifizieren, waren wenig erfolgreich.
Mulders
Aufgabe in der Ermittlung, zu der Zeugenbefragungen und der Versuch, die Sachen
und anderen Gegenstände zu identifizieren, gehörten, erbrachte so gut wie
nichts.
Scully
setzte ihre Brille ab und rieb sich die schmerzenden Augen mit den Fingern. Sie
war erschöpft - totmüde. Sie löste die Spange, die ihre Haare zu einem
Pferdeschwanz zusammenhielt, zerzauste ihr Haar und ließ es in den Nacken
fallen.
<Es
ist nur eine Frage der Zeit,> tröstete sie sich selbst. <Aber wieviele Menschen
werden noch sterben, bevor wir sie kriegen?> fragte sie sich niedergeschlagen.
Scully
erkannte wieder einmal, daß es da draußen weit mehr Monster gab und nicht alle
waren Mutanten oder Mißbildungen der Natur.
Nach
dem mehrstündigen Rückflug über den Kontinent zog es Scully nur noch in ihr
Apartment. Mulder hatte sie scherzhaft gefragt, ob sie wollte, daß er ihr in
ihre Wohnung half und sie ins Bett brachte. Mit einem sehnsüchtigen Lächeln
hatte sie bedauerlicherweise abgelehnt. Sobald sie ihre Wohnungstür zugemacht
und verschlossen hatte, warf sie ihr Gepäck im Flur ab und lief ins Bad. Dort
nahm sie eine wohlverdiente heiße Dusche.
Die Erinnerung an die massierenden Wasserstrahlen, die ihre harten, verspannten
Muskeln kneteten, veranlaßte sie jetzt zu einem winzigen vergnüglichen Grinsen.
Scully rieb sich ihren Hals und gab ein qualvolles Stöhnen von sich.
Sie
ließ sich die Vorstellung durch den Kopf gehen, in einem heißen sprudelnden Bad
zu schwelgen, um sich zu entspannen. Sie verwarf die Idee jedoch sofort wieder.
Vernünftig betrachtet hatte sie bereits gebadet und es würde keinen Sinn
machen, so bald wieder ein Bad zu nehmen.
<Der
Fluch, eine Miss Praktisch zu sein,> neckte sie sich selbst.
Statt
dessen erwog sie, für heute Abend ins Bett zu gehen. Sie hatte bereits die Tür
zu ihrem Schlafzimmer erreicht, als es ihr einfiel. Sie litt nun seit einigen
Wochen unter Schlaflosigkeit. Sie war in der Tat totmüde, und zwar aus genau
diesem Grund. Sie zögerte. <Soll ich mich heute Nacht wieder so quälen?>
fragte sie sich selbst.
Nein,
entschied sie. Sie wollte sich nicht wieder stundenlang hin und her werfen. Die
Bilder, die in ihren unruhigen Gedanken brannten während dieser dunklen
Stunden, waren immer dieselben:
Mulder.
Faktisch
konnte sie sagen, daß ihre Gedanken tatsächlich nur um zwei Dinge kreisten - um
Mulder und sie selbst. Die Dinge, die sie in ihren fiebrigen Träumen taten,
trieben ihr eine heftige Röte in ihre blassen Wangen. In diesen Wachträumen gab
es eine Menge Zittern, Winden, Pumpen, Schreien, Stöhnen, Lecken und Saugen.
Der befriedigende Höhepunkt dieser Phantasien hatte immer einen entsprechenden
physischen Effekt auf Scully.
Sie
erlebte leidenschaftliche Orgasmen, fast als ob sie nie vorher einen erlebt
hatte. Sie waren kraftvoll. Sie waren unglaublich angenehm. Sie waren absolut
erschreckend. Erstaunlicherweise hatte sie sich bei all dem nie selbst berührt
- gut es war nicht unbedingt notwendig, aber es fühlte sich noch besser an,
wenn sie es tat. Er hatte diese ungeheure Wirkung auf sie. Sie fühlte jedesmal
eine brennende Schuld und war verlegen nach jedem dieser ungeheuren Orgasmen.
Genau wie in der Nacht zuvor in ihrem Hotelzimmer, als Scully so fest in ihr
Kopfkissen biß, um zu verhindern, daß sie schrie, - sie befürchtete, Mulder
könnte es im Zimmer nebenan hören - daß sie die Naht aufriß und einige der
weichen Federn hervorquollen.
Sie
mußte ihre verlegene Röte verbergen, als Mulder am nächsten Morgen unerwartet
in ihr Zimmer kam, um mit ihr einige Aspekte des Falles zu besprechen und
verwirrt bemerkte, während er das demolierte Kopfkissen hochhielt, "Oh
Mann, früher waren diese Dinger einfach besser gearbeitet, nicht wahr
Scully?" In diesem Moment wünschte sie, daß die Erde sich auftun und sie
verschlingen würde.
Es
war alles Mulders Schuld, redete sie sich ein. Eine Weile war alles in Ordnung.
Sie konnte ihre lüsternen Wünsche in Bezug auf Mulder tief in sich verbergen,
wo sie sie nicht mehr so quälten. Nach fast sechs Jahren des Leugnens war sie
wirklich gut darin, ihre Bedürfnisse zu unterdrücken.
Aber
das war vorher. Vor dieser Nacht.
Scullys
Atem ging schneller und ihr Herz schlug heftig in ihrer Brust, als sie sich an
die Nacht erinnerte, als sie ihn sah... ihn sah in einer Art, die sie sich
nicht vorgestellt hatte. Die Szene, die sich vor ihr in dieser entscheidenden
Nacht enthüllte, brannte sich fest in ihre Netzhaut ein, ätzte sich in die
Oberfläche ihrer gepeinigten Gedanken.
Drei
Wochen vorher
Starlite
Motor Lodge
Miami,
FL
11:21
pm
Es
begann, als sie kurz vor dem Einschlafen war in ihrem Hotelzimmer nach einem
langen Tag mit Untersuchungen an einem Fall. Scully hörte ein Geräusch. Zuerst
dachte sie, es wäre irgendein gequältes Tier - ein Hund oder so. Aber bald
erkannte sie, daß es ein menschliches Geräusch war.
Es
war ein Mann. Ein Mann, der stöhnte. Es war ein tiefes, gutturale Stöhnen.
Ihre
Augen klappten auf. Sie fühlte, wie sich ihre Haare an ihren Armen und in ihrem
Nacken aufrichteten. Sie lauschte auf das Stöhnen.
Es
kam aus dem Zimmer nebenan. Mulder.
Zuerst
befürchtete sie, daß Mulder wieder einen Alptraum hatte, einen von der Sorte,
bei dem sie in sein Zimmer lief und ihn sanft in den Arm nahm, beruhigende
Worte murmelte, daß er in Sicherheit war und daß er Samantha eines Tages finden
würde.
Aber
Mulder hatte so einen Alptraum seit fast einem Jahr nicht mehr gehabt.
Und
nebenbei, sein Stöhnen klang ganz anders...
In
diesem Augenblick befiel Scully ein Schwindelgefühl und sie begann, ein Prickeln
überall zu spüren. Es war beinahe so, als wenn all ihre Sinne hypersensibel
wurden. Sie konnte das Blut in ihren Adern rauschen hören, ihr Herz schlug laut
in ihrer Brust.
Die
Geräusche gingen weiter. Sie wurden sogar noch intensiver. Jetzt konnte sie
Mulder etwas sagen hören, dazwischen immer wieder leise stöhnend.
Sie
setzte sich rasch auf im Bett. Sie konnte nicht verstehen, was er sagte. Scully
überlegte kurz, ob Mulder wohl eine Frau aufgerissen hatte und diese mit in
sein Zimmer genommen hatte. Sie kämpfte die intensive Welle von Wut und
Eifersucht, die in ihr aufstieg, nieder. Nein. Irgendwie wußte sie, daß es so
nicht war.
Fürchterlich
beschämt, aber nicht in der Lage, sich zu stoppen, lehnte sie sich an die Wand,
die sie beide trennte, und legte ihr Ohr daran.
Scullys
Augen wurden so groß wie Untertassen, als sie schließlich ausmachte, was Mulder
da stöhnte. Sie hörte ihn durch die Wand überraschend klar.
"Oh,
Scully...Sc...uh," kam die gedämpfte Stimme von nebenan. "Du... Du bist
so schön... ah, ah."
Scully
fiel beinahe aus dem Bett. In ihrem Kopf drehte sich alles. <Mulder ruft
nach mir?> fragte sie sich. Sie fühlte die Hitze in ihrer Brust, auf ihrem
Hals und in ihr Gesicht aufsteigen. Sie wußte, daß sie errötet war. Ein vertraute Erregung zwischen ihren Beinen
folgte. Scully konnte fühlen, wie die Feuchtigkeit in ihren Slip drang, und sie
kämpfte gegen das Verlangen an, sich selbst zu berühren.
Sie
war sich sehr wohl bewußt, daß sie das nicht hören sollte - daß es Mulder
äußerst peinlich sein würde, wenn er wüßte, daß sie zuhörte. Aber aus
irgendeinem Grunde konnte Scully es nicht lassen. Sie war wie gefesselt. Sie
mußte wissen, was Mulder tat.
So
stieg sie leise aus dem Bett - nur das Geräusch ihres Satinpyjamas, der über
den kalten Bettbezug glitt und Mulders schwaches Stöhnen waren zu hören. Auf
Zehenspitzen, wie ein Kind, das sich am Weihnachtsmorgen ins Wohnzimmer
schlich, ging sie zur Verbindungstür zwischen ihren Räumen. Scully wußte, daß er sie niemals verschloß,
genauso wenig wie sie.
Mit
dem Schlag ihres rasenden Herzens in ihren Ohren und einem Gefühl von Übelkeit
in der Magengrube drückte sie vorsichtig die Türklinke herunter. Dankbar dafür, daß sie ordentlich geölt war
und keine Geräusche machte.
Die
Tür nur einen Spalt breit geöffnet, schaute Scully nervös und angestrengt in
Mulders dunkles Zimmer. Seine Stimme war nun lauter, und instinktiv wußte sie,
daß er schlief. Er lag eingehüllt in das matte Mondlicht, das durch das Fenster
seines Zimmer fiel. Das Licht warf einen unwirklichen Schein auf ihn, ließ die
Farbe seiner Haut versickern und gab ihr eine silbrige Färbung. Sein vom Schlaf
wirres braunes Haar - in der Dunkelheit fast schwarz -fiel über seine fest
geschlossenen Augen. Sein Stöhnen war nun als zusammenhangloses Gemurmel, durch
seinen Traum verursacht, erkennbar.
Aber
was Scully überraschte, sie ein Keuchen unterdrücken ließ, war die Tatsache,
daß Mulder vollkommen nackt war. Er lag, leicht verrenkt, auf seiner Bettdecke.
Scully vermutete, daß Mulder, nachdem er aus der Dusche gekommen war, einfach
eingeschlafen war.
Allerdings
war das nicht das Schockierenste an Mulders Zustand. Scully fiel beinahe in
Ohnmacht, als sie schließlich erkannt, was das Unterbewußtsein Mulder mit sich
selbst im Schlaf tun ließ.
Mulder
hatte seinen Penis in der Hand und rieb ihn systematisch, beinahe als wäre es
eine automatische Antwort auf seine fiebrigen Träume. Womöglich war es das,
vermutete Scully. Obwohl sie Mulder bereits vorher nackt gesehen hatte, so
viele Male, wenn sie ihn medizinisch behandelt hatte, war es das erste Mal, daß
sie ihn tatsächlich so sah... erregt.
Das
war ganz anders, bemerkte sie mit Erstaunen.
Mulder
war sehr groß - mehr als der Durchschnitt gab Scully zu. Ein Bild formte sich
in ihren Gedanken - Mulder glitt langsam in sie hinein, spießte sie auf, dehnte
sie bis an die Grenzen, füllte sie und erfüllte sie. Sie konnte ihn beinahe
fühlen, wie er in sie hineinstieß und wieder herauskam, ihr natürliches
Gleitmittel erlaubte es ihr, Mulders imposanten Umfang ohne Schmerzen in sich
aufzunehmen - oder so schmerzlos, wie es möglich war, wenn man etwas so großes
in sich hatte, dachte sie mit wachsendem Staunen.
<Rein
und raus... rein und raus... rein und raus...> Scully war deutlich verwirrt.
Sie
fühlte überall Hitze. Es war, als wenn ihr Blut kochte. Alles an ihr prickelte,
von den Zehen bis zu den Haarspitzen. Sie schnaufte und sie wußte, wenn sie
nicht aufhörte, würde sie hyperventilieren. Sie schloß ihre Augen und versuchte
Mulder und das, was er sagte, zu ignorieren. Er murmelte wieder und wieder
"Oh, Scully... Scully..."
Ihr
Mund und ihre Kehle wurden trocken und sie schluckte schmerzhaft. Scully wünschte, daß ihr Herz aufhören würde,
so heftig zu schlagen, als wolle es in ihrer Brust zerspringen. Sie fühlte sich
schmutzig und klebrig. Ihr Slip war
schon ganz naß. Sie fühlte einen vertrauten Schmerz in ihren Genitalien und
ihre Nippel waren unangenehmerweise steinhart. Sie sank auf die Knie, wohl
wissend, daß sie Mulders Privatsphäre verletzte, aber nicht in der Lage, sich
abzuwenden.
Sie
öffnete ihre Augen. Mulders Hand pumpte rasch hoch und runter über die Länge
seines dick geäderten Schaftes. Die Spitze seines Penis schaute dunkel zu Scully,
angefüllt mit Mulders heißem Blut.
Und
immer noch rief er nach ihr.
<Oh,
lieber Gott im Himmel,> dachte sie fassungslos. Sie kam langsam. Sie konnte
es fühlen. All ihre über sechs Jahre versteckten Wünsche drangen an die
Oberfläche. Sie war unfähig, sie zurückzuhalten. Mulders unbeabsichtigt überwältigende
Menge an Sexualität brandete über sie hinweg und spülte die letzten Reste ihrer
Selbstkontrolle fort.
Im
Nu bewegte sich ihre zitternde Hand zu ihrem pochenden Geschlecht, glitt leise
unter den Gummi ihres Höschens und vorbei an den harten Locken, die ihre
schmerzende Vagina umgaben. Sie rieb ihre Finger vorsichtig entlang ihrer
nassen, empfindlichen Spalte und versuchsweise steckte sie einen in ihre
tropfnasse Öffnung. Rasch legte sie die Finger ihrer anderen Hand auf ihre
geschwollene Klitoris und begann sich selbst in winzigen Kreisen zu reiben.
Es
fühlte sich wie ein Schock an, der sie durchlief. Sie fühlte die Elektrizität.
Ihr Mund öffnete sich zu einem stillen "O" der Extase und des Vergnügens.
Es würde nicht mehr lange dauern, erkannte Scully.
Mit
einem winzigen unnatürlichen Schrei rief sie aus "Mulder... Gott Mulder."
Dankbar dafür, daß Mulder sie nicht gehört hatte und aus seinem erotischen Schlummer
erwacht war.
Jedenfalls
hatte er sie auf keinen Fall bewußt gehört. Als wenn ihre Stimme das Stichwort
gewesen wäre, erreichte Mulder seinen Höhepunkt. Scully sah Mulder, wie sein
Kopf vom Bett hoch schnellte und die Adern an seinem Hals hervortraten. Mit
einem äußerst geschockten Blick flogen seine Augen auf und er sah hinab auf
das, was er tat. Er krächzte "Scully..." und dann war alles für ihn
vorbei. Einige kraftvolle Samenstöße schossen aus Mulder heraus. Die Tropfen,
die sie formten, glitzerten im Dunkeln für eine kurze Sekunde, dann platschten
sie feucht auf seine Brust und seinen Bauch.
Das
war alles, was Scully brauchte. Mulders Orgasmus zu sehen, schickte Wellen von
Vergnügen durch sie hindurch, und bevor sie es richtig mitbekam, verdrehte sie
ihre Augen und fühlte die winzigen Kontraktionen ihrer Vaginamuskeln. Sie fuhr
fort, sich selbst zu streicheln, durchlebte wundervolle Krämpfe und biß sich
auf die Unterlippe, um nicht zu schreien.
Sie schmeckte den kupferhaltigen Geschmack ihres eigenen Blutes, aber es
interessierte sie nicht.
<Oh,
Mulder...>
Schließlich
wurden die Kontraktionen weniger und Scully war erfüllt von einem tiefen,
befriedigenden Gefühl. Sie sank zurück in eine sitzende Position, ihre Hände
immer noch auf dem Gipfel zwischen ihren Schenkeln. Sie schloß ihre Augen und tat einen
reinigenden Atemzug. Es war unglaublich, entschied sie. Sie zog ihre Hände aus
ihrem Höschen und sog dabei unbeabsichtigt ihren eigenen Geruch ein - ein
scharfer Moschusgeruch, der unmißverständlich war... sexuell. Sie erschauderte
leicht, als ihr richtig bewußt wurde, was sie hierher gebracht hatte.
Wieder
Herr ihrer Sinne, erkannte sie, daß Mulder während seiner Ejakulation erwacht
war. Er hatte nicht bemerkt, daß Scully ihm aus der Dunkelheit des Raumes
zugesehen hatte. Mulder betrachtete sich selbst mit einem Ausdruck puren Ekels.
Scully fühlte Tränen in ihre Augen steigen, als sie ihn so leiden sah. Sie
fühlte sich schrecklich.
Es
war alles wegen ihr und diesem idiotischen Pakt, den sie mit ihm
geschlossen
hatte. <Freunde... sicher, Dana,> schalt sie sich selbst im
Stillen.
<Du bist ihm ein schöner Freund, Dana. Was glaubst Du, wielange er
das
noch durchhalten kann, wenn Du ihn in so eine Situation bringst?>
Mulder
stieß einen tiefen Seufzer aus und erhob sich vom Bett, von seinem Körper
tröpfelten seine eigenen Säfte. Er ging ins Badezimmer und schloß die Tür. Ein
paar Augenblicke später hörte sie, wie er die Dusche aufdrehte.
Scully
erhob sich auf zitternden Beinen und schloß leise die Verbindungstür. Sie
schleppte sich zu ihrem Bett und ließ sich darauf fallen, komplett und völlig
leer.
<Oh
Gott, Mulder,> dachte sie, als sie ein langes Stöhnen von sich gab.<Was
zum
Teufel soll ich jetzt machen?>
Sie
wußte tief in sich, was sie getan hatte. Es war jetzt nur noch eine Frage der
Zeit, bis die tickende Zeitbombe ihrer Wünsche in Bezug auf ihren Partner
schließlich explodierte.
Und
die schlimme Sache bei Bombenexplosionen war, dachte Scully traurig, daß immer
Menschen verletzt wurden.
Sie
fand nicht leicht in den Schlaf in dieser Nacht.
Drei
Wochen später...
Dana
Scullys Apartment
12:30
am
Scully
blinzelte ein paar Mal, um ihre Träumerei zu beenden. Nein, sie konnte jetzt
nicht schlafen. Sie hatte nicht das Bedürfnis, das alles noch einmal zu
durchleben. Sie verließ ihr Schlafzimmer und ließ sich teilnahmslos wieder auf
die Couch fallen. Alle Lichter im Apartment waren aus. Sie griff nach der
Fernbedienung und schaltete den Fernseher ein.
<Okay,
wenn es bei Mulder funktioniert,> sagte sie sich. Scully starrte mit leerem
Blick auf die bunten Bilder, die unbekümmert über den Bildschirm tanzten. Sie
hatte den Ton ausgeschaltet und starrte auf die Bilder, ohne sie wirklich zu
sehen.
Als
sie begann, sinnlos durch die Kanäle zu zappen, begann Scully die Verlockung zu
begreifen für jemanden, der nicht schlafen konnte, diese lächerliche Sache zu
tun. Die stille Kalvakade niemals ruhiger Bilder war faszinierend. Scully
stellte sich vor, daß es so ähnlich war wie hypnotisiert sein. Eine Form von
Trance, wie eine Tunnelvision, begann einzusetzen, und sie lehnte sich zurück
auf die Couch, dachte über nichts im einzelnen nach, konzentrierte sich nur auf
das Fernsehen.
Vollkommen
selig wanderte sie sinnlos zwischen tonlosen Infospots und Musikvideos von
Gruppen, die sie nicht einordnen konnte, hin und her. Dann sah sie es - der
Titel eine Mitternachtsfilms lief über den Bildschirm. Er hieß
"Schaft". Benommen drückte sie die Tontaste und die Digitalanzeige rollte
von links nach rechts. Der Ton wurde lauter.
Musik
aus den 70ern erklang. Sie begleitete das Bild von <... wie hieß er noch
gleich?> versuchte sie sich zu erinnern. <Oh, yeah.> Richard Roundtree
lief einen Fußweg entlang, prahlerisch in seiner archaischen Machoart. Sie hörte
die vertraute Melodie des Titelsongs. Der Text schien so vertraut. Ihre Gedanken wanderten zurück zu dieser sehr
interessanten Nacht in Chaney, Texas.
"Wo
ist der schwarze Privatdetektiv, wo ist die Sexmaschine mit all den Bienen?
Schaft!
Kannst
Du es kapieren?
Sie
sagen, diese Katze Schaft ist eine schlechte Mutter -
Halt
den Mund!
Laß
uns über Schaft reden."
Die
klebrig-süße, ruhige, schmalzige Stimme von Isaac Hayes stand im Gegensatz zu
Scullys Erinnerung an Mulders relativ höhere Stimme, als er in ihrem
Hotelzimmer auf dem Boden gelegen und wirres Zeug geredet hatte. Sie erinnerte
sich an seinen glasigen Blick und die entzückenden Brusthaare, die aus dem
Halsausschnitt seines Unterhemds hervorlugten. Sie erinnerte sich, wie sie auf
seine glänzende Unterlippe geschaut hatte, die dieselben Worte aussprachen, die
sie gerade aus dem Fernseher hörte. Die Dusseligkeit und Idiotie dieser Nacht
zauberte ein Lächeln auf ihre eigenen Lippen.
Langsam
fielen Scully die Augen zu. Es war schwer, sich zu konzentrieren. Sie konnte jetzt Isaac Hayes' Geplapper über
seinen Mannesschaft hören, aber es schien so weit weg. Sie begann, auf der Couch
zur Seite zu sinken und sie fühlte, wie ihr Kopf das weiche <oh, so
weiche> Kissen berührte. Als Scully
schließlich in einen friedlichen Schlummer fiel, ungehindert von brennend
heißen sexuellen Phantasien über ihren Partner, hatte sie ein letztes Bild in
ihrem Geist, das sie genoß:
Es
war ein Bild von ihr, sie lehnte sich zu Mulder herunter, der nicht
wußte,
was er von sich gab. Mulder, der sich seltsam anhörte wie ein
Schwarzer
singend. Sie beugte sich herunter und sie roch an ihm. Mulders
Duft
war eine berauschende Mischung aus Hotelseife, Pizza und
Sonnenblumenkernen.
Sie begann seine weichen, schmackhaften Lippen sanft zu
küssen.
Sie stöhnte im Schlaf, als sie sich vorstellte, wie sie die
Tomatensauce
aus den Winkeln seines samtenen Mundes leckte, die die Pizza
hinterlassen
hatte, die er gegessen hatte, bevor sie in sein Zimmer
geplatzt
war. <Gott, Mulder,> stieß sie in Gedanken hervor, gerade als sie
unter
den dunklen Mantel der Bewußtlosigkeit schlüpfte. <Wie zur Hölle kann
ich
Dich aus meinem Kopf bekommen?>
FBI
Hauptquartier
Washington
D.C.
8:30
am
Scully
schüttete zwei Ibuprofen-Tabletten aus einem Plastikröhrchen in ihre Hand und
steckte sie in den Mund. Sie spülte die widerlich süßen Tabletten mit einem
Schluck ihres inzwischen kalten Kaffees hinunter. Mit einer Grimasse stellte
sie die Tasse zurück auf ihren Schreibtisch und wandte sich wieder dem Computer
zu.
Sie
hatte schließlich die Ausarbeitung beendet, nach der die Pathologen geschrien
hatten. Normalerweise war sie schnell fertig, wann immer sie um Rat gebeten
wurde. Aber mit ihrem neuen Fall und anderen... Ablenkungen verzögerte sich
Scully untypischerweise, bis die Führung des Hauptquartiers sie diplomatisch
"überredete", ihr etwas vorzulegen.
Nachdem
sie die Taste gedrückt hatte, um die vollständige Datei als Attachment per
e-mail an sie zu schicken, wandte sich Scully wieder ihrem Schreibtisch zu und
stützte ihre Ellbogen auf. Sie legte ihren Kopf in ihre offenen Handflächen.
Ihre Finger massierten ihre hämmernden Schläfen.
Scully
war müde. Sie bekam nicht genug Schlaf. Sie war frustriert. Sie war vollkommen
durcheinander. Sie wußte nicht mehr, wo oben und unten war.
Und
es war alles seine Schuld. Mulder. Wenn sie ihn nicht so sehr lieben würde,
würde sie versucht sein, ihn umzubringen.
Wenn
ihre innere Unruhe während der letzten Monate sie eines gelehrt hatte, dann
das, daß Dana Scully das größte lebende Beispiel für Verweigerung in der
Geschichte war. Sie mußte erkennen, daß sie Mulder verzweifelt brauchte. Sie
brauchte ihn, wie ein Mensch Wasser oder Nahrung brauchte.
Sie
hatte schamlos unterstellt, daß ihre Bedürfnisse neben ihrer Arbeit zweitrangig
waren, daß es genug für sie wäre, Mulder einfach als Partner und als Freund zu
haben. Sie wollte das schwache Gleichgewicht zwischen ihrem Job und ihren
persönlichen Wünschen nicht zerstören.
Allerdings
wurde ihr offenkundig deutlich, daß ihr Herz sich wenig darum kümmerte, was sie
zerstören wollte oder nicht.
Scully
wollte Mulder. Ja, sie gierte nach ihm wie ein geiler Teenager. Sie errötete
heftig an ihrem Schreibtisch, aber da erst sehr wenige Agenten in dem
Großraumbüro waren, blieb es unbemerkt. Seit dem Starlite Motel konnte sie ihn,
wann immer sie die Augen schloß, sehen - rauh und wild. Sie wollte, daß ihre
Hand da war, ihn streichelte. Sie wollte mit ihm Liebe machen, seinen Namen
schreien im Dunkel der Nacht.
Wenn
das aber alles gewesen wäre, was sie wollte, hätte sie vielleicht schon längst
darüber nachgedacht, ihn zu verführen. Aber Scully liebte Mulder. Sie wollte
mit ihm leben, jenseits der Arbeit. Sie erkannte, daß ihre Trennung von den
Grauen und den Gefahren ihres Jobs gleichbedeutend war mit der Frage an einen
Mann, sich den Arm abzuhacken. Jedoch fand Scully es in diesem Moment sehr
schwer, sich darüber Gedanken zu machen.
Scully
schätzte die wenige Zeit, die sie außerhalb der Arbeit gesellig verbrachten.
Das letzte Mal war auf der Weihnachtsfeier gewesen. Scully starrte wieder auf
das Foto unter ihrer Schreibtischunterlage. Sie wollte mehr Zeit wie diese mit
Mulder verbringen - ein Leben lang. Sie wollte mit ihm alt werden. Sie wollte
all die einfachen Vergnügungen, die eine Ehefrau mit ihrem Ehemann erleben
konnte.
Ja,
sie wollte Mulder heiraten - "Spooky" Mulder. Sie wollte Mrs. Spooky Mulder
werden.
<Wie
verrückt ist das?> fragte sie sich. Das war es, was Mulder mit ihr machte -
er machte sie wahnsinnig. Und dieses Mal war es nicht der normale Wahnsinn,
wofür sie ihn schlagen könnte, weil er sich wie ein Kind benahm oder weil er
sie vollkommen ignorierte. Nein, sie war wahnsinnig, weil sie all ihre Gefühle
für ihn für sich behielt, und sie fühlte, daß sie kurz vor dem Explodieren war.
Und
das war ihr unangenehm, weil sie ja diejenige gewesen war, die ihrem Partner
gesagt hatte, daß eine Beziehung niemals funktionieren würde. Sie hatte da
draußen gesessen, vor genau diesem Gebäude und Mulder erklärt, daß sie nur
"gute Freunde" sein wollten, dachte sie.
<Warum
hast Du ihn nicht gleich erschossen oder - noch besser - gleich Dich selbst?>
dachte sie. Es tat ihr so leid für Mulder. Denn wenn er auch nur annähernd so
fühlte, wie sie neuerdings fühlte, mußte ihr Abblitzenlassen wie ein Schlag in
den Magen für ihn gewesen sein.
<Was
für ein unglaublich selbstsüchtiges Miststück bist Du doch, Dana,> fuhr sie
fort, sich mental zu schlagen. Scully war angewidert von ihrer scheinbaren
Gefühllosigkeit - weshalb sie ihre Beziehung so lassen wollte, wie sie es
wollte. Sie betrog sich selbst, wenn sie sich einredete, daß sie das um ihrer
beider Willen tat, aber letztlich war sie selbst so egoistisch, wie sie es
ihrem Partner vorwarf, manchmal zu sein.
Scully
griff nach ihrer Schreibtischunterlage, schob die Finger unter die Plastikhülle,
unter der das Weihnachtsfoto lag. Sie holte es hervor und starrte es
durchdringend an. <Das muß aufhören,> sagte sie sich.
Schließlich
beschloß sie, daß etwas passieren mußte. Sie war an einem Wendepunkt. Die
Verzögerung der Pathologieausarbeitung zeigte offensichtlich, daß es nur noch
eine Frage der Zeit war, bis ihre Arbeit beeinträchtigt wurde. Sie wußte seit
einer ganzen Weile, daß es unumgänglich war, daß sie sich ihren Gefühlen für
Mulder stellen mußte. Leugnen
verringerte sie nicht, nicht im geringsten.
Wie
auf ein Stichwort kam Mulder in diesem Moment ins Büro.
"Hey,
guten Morgen, Scully," sagte Mulder gutgelaunt. Er setzte sich an seinen
Schreibtisch, die Morgenzeitung unter dem Arm.
"Mmm,"
brummte Scully lediglich.
Über
den Rand seiner Kaffeetasse, die er sich gerade eingegossen hatte, fragte er
"Wir sind nicht besonders gut drauf heute, huh?"
Scully
schenkte ihm einen zweideutigen Blick. Sie konnte sich nicht
entscheiden,
ob sie ärgerlich oder depressiv war. <Wahrscheinlich bin ich
beides.>
"Komm
schon, Scully," versuchte es Mulder erneut. "Du bläst schon seit Wochen
Trübsal. Stimmt irgend etwas nicht?" Er bekam keine Reaktion oder Antwort.
"Scully."
Seine Stimme klang jetzt gereizt.
Sie
sah ihn wieder an. Azurblaue Augen bohrten sich in warme haselnußbraune.
"Was?" entgegnete sie matt.
"Freunde
lassen einander nicht im Ungewissen, Scully," belehrte er sie.
Als
sie ihm einen 'ach, hör schon auf'-Blick zuwarf, wurde er sanfter. "Okay, okay. Ich bin nicht der beste
Beichtvater. Aber bitte, Scully, ich versuche es, ja?" sagte er.
Und
damit sah sie ihn milde an. "Oh, Mulder. Es tut mir leid," entschuldigte
sie sich. "Ich weiß, was für ein Stinkstiefel ich gewesen bin. Es ist
nur..." bemerkte sie schwer atmend. Sie wollte fortfahren, aber ihre
Entschlossenheit begann zu schwinden. Es war nicht das erste Mal, gab sie zu.
"Was?"
forderte Mulder sie auf. Nun war er neugierig, sogar ein bißchen beunruhigt.
Als sie ihn erschrocken ansah, drängte er "Was ist los, Scully?"
Durch Mulders natürlichen Beschützerinstinkt schien sich Scully nur noch weiter
in sich selbst zurückzuziehen.
Jetzt
sicher, daß irgend etwas nicht in Ordnung war, stand Mulder von seinem Stuhl
auf und ging hinüber zu seiner Partnerin. Er ging neben ihr in die Knie und
nahm ihre kleinen zitternden Hände in seine. Er drückte sie sanft, bis sie
aufhörten zu beben. Er blickte ihr inständig in ihre bereits mit Tränen
gefüllten Augen. Mulder ignorierte die vereinzelten Blicke der anderen Agenten,
die in dem Großraumbüro arbeiteten. <Zur Hölle mit denen,> dachte Mulder.
"Bitte,
Scully," bat er. "Laß mich Dir helfen - als Dein Freund. Was ist los?"
Er versuchte, soviel Wärme in seine Stimme zu legen, wie er konnte. Er wußte, sie hatte vor irgend etwas Angst
und er wollte ihr versichern, daß er für sie da sein würde, egal was passierte.
Er
wartete auf ihre Antwort.
Sie
sah ihn ausweichend an, ihre Augen blickten überall hin außer in seine Augen.
Mulder kannte diese Ausweichtaktik nur zu gut. Er starrte sie so intensiv an,
bis ihr Blick an seinem hängen blieb.
"Mulder...
ich, ich," stammelte sie. Mulder begann zu ahnen, daß das, was er als
nächstes von Scully hören würde, eine große Bedeutung für ihn und seine Zukunft
mit ihr haben würde.
Wieder
wartete er geduldig, er wollte nichts erzwingen. Er konnte beinahe sehen, wie
es in ihrem Kopf arbeitete. Er bemerkte ihre gerunzelte Braue, eine normale
Sache, wenn Scully frustriert oder tief in Gedanken war.
Und
gerade als Scully ihren Mund öffnete, um zu sprechen, hörte er eine Stimme.
Aber
es war nicht ihre.
"MULDER!"
Die donnernde männliche Stimme erklang hinter ihm.
Er
versuchte, den verärgerten Ausdruck auf seinem Gesicht zu verdrängen, als er
sich langsam umdrehte.
Es
war Agent Carlson. "Hey, Mulder," rief er vom anderen Ende des großen
Raumes. "Davis will den Bericht, den er angefordert hat - jetzt."
Carlson Blick sagte ihm, in welcher Stimmung Sektionschef Davis an diesem
Morgen war.
"Ja,
ja," erwiderte Mulder gereizt. "Sag ihm, ich bringe ihn gleich."
Er
drehte sich zurück zu Scully, die in diesem Moment so verloren aussah, daß er
sie in seine Arme ziehen wollte, um all ihre Ängste mit einer liebevollen
Umarmung wegzuwischen. Er wußte, daß etwas nicht in Ordnung war. Scully war
normalerweise so stark und selbstsicher - besonders in Gegenwart anderer. Er
wollte ausführlich mit seiner Partnerin reden und sie über ihre rätselhafte
Unruhe hinweg trösten, aber er hatte versprochen, seinen Bericht mit
Sektionschef Davis zu diskutieren.
Er
hatte bereits genug Minuspunkte in seiner Personalakte, er konnte nicht noch
mehr gebrauchen, besonders jetzt, da Skinner nicht mehr sein Boß war.
<Wer
hätte gedacht, daß ich mich nach den Tagen sehnen würde, als Skinner mein
Vorgesetzter war?> überlegte Mulder.
Er
grinste sie entschuldigend an. "Verdammt," stieß er hervor. Und zu
ihrer Ehre lächelte Scully leicht, die Ironie der Situation wahrnehmend.
"Unterbrechungen
scheinen tatsächlich unser Pflichtrisiko zu sein, huh?" sagte sie leise zu
ihm.
"Es
tut mir so leid, Scully," antwortete er. Und das tat es wirklich. Es waren
Momente wie dieser, wo er ihr eine Schulter zum Anlehnen bieten konnte und ein
offenes Ohr, in denen er froh war zu leben.
Und
glücklich darüber, daß er sie in seinem Leben hatte.
Jetzt
lächelnd sagte Scully "Geh schon. Wir reden später, okay?"
Mulders
schwaches Grinsen wurde breiter, seine weißen Zähne wurden sichtbar. "Dann
haben wir also eine Verabredung." Er stand auf und sah auf seine zarte
Partnerin herab. Er drückte noch einmal ihre Hände, dann entfernte er sich
langsam von ihr. Er ging zurück zu seinem Schreibtisch, nahm den dicken
Aktenordner, der ihm an diesem Morgen soviel Kopfschmerzen bereitet hatte. Er
blickte noch ein letztes Mal auf die müde Rothaarige ihm gegenüber, winkte ihr
kurz zu und ging dann hinaus auf den Gang.
Scully
schloß ihre Augen und tat einen tiefen Seufzer, um sich zu beruhigen.
<Was
für eine abgefuckte Seifenoper,> dachte sie und schüttelte ihren Kopf.
Ihr
Telefon klingelte und sie nahm ab. "Scully," sagte sie tonlos.
"Dana?"
meldete sich eine weibliche Stimme in schwerem West-Virginia-Akzent.
"Clarice?"
fragte Scully.
"Genau
die," kam die Antwort. Scully lächelte. Das mußte sie immer, wenn Clarice
Starling in ihrer Nähe war. "Wie geht es Dir, Agent Starling?" fragte
sie.
"Soweit
ganz gut, Honey," antwortete Starling. "Ich könnte Dich dasselbe fragen."
"Oh,
mir geht es gut, Clarice," sagte Scully nicht sehr überzeugend.
"Verkauf
mich nicht für dumm," entgegnete Starling sanft. "Ich rufe an, weil
ich Dich zum Lunch einladen wollte, Dana." Scully hatte das Gefühl, daß
das letzte, woran Starling in diesem Moment dachte, Essen war.
"Also,
ich weiß nicht, Clarice...," versuchte sich Scully zu drücken.
"Ich
weiß, Honey," säuselte Starling. "Ich weiß, Du möchtest nicht reden. Das möchtest Du nie." Starling schwieg
einen Moment und Scully wollte gerade etwas sagen, als Starling fortfuhr,
"Ich hatte das Gefühl, daß Du gerade jetzt einen Freund brauchst. Ich sah
Dich gestern auf dem Gang und es schien, daß Du eine Schulter zum Anlehnen
gebrauchen könntest."
<Bin
ich so durchschaubar?> fragte sich Scully.
Trotz
Scullys Zurückhaltung, sich jemandem außer Mulder oder ihrer Mutter zu öffnen,
brauchte sie jemanden zum Reden. Clarice Starling war eine gute Freundin, gab
Scully zu, und sie hatte niemals versucht, über sie zu urteilen.
Und
so sagte Scully, ohne noch länger darüber nachzudenken "Okay, Clarice.
Wo
wollen wir uns treffen?"
DuPont Coffee Shop
12:15
p.m.
Die
Kaffeestube war ein relativ ruhiger Platz. Am nordwestlichen Ende der 19.
Straße gelegen, war sie nicht unbedingt abgelegen, aber weit genug entfernt,
daß sie es vermieden, den üblichen FBI-Angestellten zu begegnen, die die näher
zur Arbeit gelegenen Einrichtungen frequentierten.
Scully
musterte die Menge, die sich vornehmlich aus normal in Anzug und Krawatte
gekleideten Angestellten zusammensetzte, die ein nettes, ruhiges Plätzchen
wollten, um einen Bissen zu essen. Außerdem waren da ein paar vereinzelte
Touristen, die sich in ihrer bequemen Freizeitkleidung von dem gedämpften Grau
und Schwarz der Anzüge abhoben.
Sie
lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf Clarice Starling. Vor der Weihnachtsfeier
hatte sie ihre Freundin zuletzt auf der Abschlußfeier der FBI-Ausbildungsakademie
in Quantico gesehen. Obwohl sie erst wieder miteinander vertraut werden mußten,
war es, als wenn die Jahre dazwischen nie existiert hätten. Scully wurde wieder
klar, daß sie in Clarice eine wirkliche Freundin hatte.
Starlings
"Stern" war rasch aufgestiegen, seit sie sich das letzte Mal trennten.
Sie war vom Chef der Abteilung Verhaltensforschung, Jack Crawford, angeworben
worden, um den bekannten Serienkiller Dr. Hannibal Lecter, genannt "der
Kannibale", zu verhören. Jemanden so unerfahrenen wie Clarice Starling zu
nehmen bedeutete, daß sie für die höhere Karrierelaufbahn vorgesehen war.
Wie
es aussah, wurde die junge FBI-Anwärterin als Köder benutzt, um Informationen
aus Dr. Lecter herauszuholen, die zu einem Täterprofil im Fall des
Serienmörders "Buffalo Bill" führen sollten.
Nachdem
sie Crawfords Trick durchschaut hatte, bewies Starling schließlich
sich
selbst, daß sie wesentlich beitrug zur Untersuchung. Tatsächlich
schaffte
Starling es selbständig, die Motive hinter Buffalo Bills Mordorgie
zu
enthüllen und den Verdächtigen aufzuspüren, dessen tatsächlicher Name
Jame
Gumb war. Unglücklicherweise war Starling während der Verhaftung Gumbs gezwungen,
auf ihn zu schießen und ihn zu töten. Letztlich hatte Starling damit Buffalo
Bills letztem Opfer das Leben gerettet.
Nach
dem Abschluß gingen Scully und Starling getrennte Wege. Ihrem Wunsch entsprechend
wurde Starling der Abteilung Verhaltensforschung zugeteilt, während Scully ein
Lehramt an der Ausbildungsakademie antrat. Als Scully bei den X-Akten
angefangen hatte, erfuhr sie, daß Starling in die Außenstelle nach Seattle
versetzt worden war. Scully hatte sich oft gefragt, warum ihre Freundin eine so
vielversprechende Karriere bei der Abteilung Verhaltensforschung aufgegeben
hatte.
Scullys
Blick streifte Starling flüchtig. Äußerlich waren sich Scully und Starling sehr
ähnlich. Sie hatten annähernd dieselbe Größe und dasselbe Gewicht. Ihr Haar war
eine Spur dunkler als Scullys und sie trug es etwas länger, aber der Schnitt
war fast derselbe.
Scully
hatte stets Clarice Starlings Gesichtszüge bestaunt. So etwas gab es kein
zweites Mal - sie war schön. Sie hatte ein schmales mandelförmiges Gesicht und
eine schmale makellose Nase. Ihre Lippen, obwohl nicht ganz so voll wie
Scullys, waren sinnlich trotz der Entschlossenheit, die sie ausdrückten. Und
die Stimme, die über diese Lippen kam, war voll und kräftig mit dem Klang der
warmen, friedlichen Landschaft von West Virginia.
Der
Brennpunkt in Starlings Gesicht waren jedoch ihre unglaublich ausdrucksstarken
Augen. Sie waren groß und sie waren von einem Blau, das die Menschen anzuziehen
schien. Man konnte fast in Starlings Gedanken sehen... und in ihr Herz.
Scully
schüttelte sich im Geiste. Manchmal erinnerte sie Starling an Melissa. Sie
kämpfte die Welle von Gefühlen und Schuld nieder, die aufkam, als sie an ihre
große Schwester dachte. Um zu vermeiden, daß sie vor ihrer Freundin die Fassung
verlor, blickte Scully auf ihren Tisch herab.
Die
beiden FBI-Agenten hatten sich Geflügelsalat-Sandwiches und Eistee bestellt.
Eigentlich hätte Scully lieber etwas Härteres gehabt - vielleicht Whiskey oder
Tequilla - aber sie war im Dienst. <Außerdem trinke ich sowieso nicht,>
gab sie zu.
<Es
sind Zeiten wie diese, wo ich mir manchmal wünsche, es zu tun.>
Sie
strich mit einem Finger an der Seite ihres Glases entlang. Das Schwitzwasser
sammelte sich unter ihrem Finger und lief an dem glatten Glas herunter. Als sie
das erste Mal in ihren Eistee blickte, mußte sie sofort an Mulder denken. Sie
fragte sich, was er jetzt wohl machte. War er noch bei Davis? War er auf der
Suche nach ihr, um mit ihr zum Lunch zu gehen?
Sie wußte es nicht.
In
diesem Moment überkam Scully das irrsinnige Verlangen, in Mulder Gesicht zu
sehen - in seine ausdrucksstarken Augen. Sie wollte ihn irgendwie berühren,
irgendwie Kontakt mit ihm haben.
Sie
vermutete, daß sie ihn in diesem Moment ein wenig vermißte.
"Dana?"
unterbrach Starling ihr Grübeln.
Scully
blinzelte und zog eine Augenbraue hoch. "Es tut mir leid, was hast Du
gesagt?" antwortete sie schüchtern. Scully versuchte ihr Unbehagen hinter
einem schnellen Biß von ihrem halbgegessenen Sandwich zu verbergen.
"Hey,
Du warst tatsächlich einen Moment nicht hier," äußerte Starling nicht unfreundlich.
"Wer ist der Glückliche?" fügte sie spröde hinzu.
"Huh?"
war alles, was Scully sagen konnte.
"Oh
Dana, bitte," antwortete Starling erbost. "Du hattest denselben Blick
bei Jack Willis. Mach mir nichts vor - raus damit!" Ein Schimmern in Clarice
Starlings Augen, das Scully nur zu gut aus ihren Akademietagen kannte,
begleitete ihr Statement.
"Sei
nicht albern," entgegnete Scully. Sie begann nervös auf ihrem Sitz herumzurutschen.
Jetzt
war sich Starling sicher. "Uh-huh, gut," sagte sie. Sie wußte, Scully
war sich dessen ebenfalls bewußt. <Glaub bloß nicht, ich wäre blöd,>
sagte Starling zu sich selbst. Sie hatte eine dunkle Ahnung, was mit ihrer normalerweise
so zurückhaltenden Freundin los war. Sie hatte es ganz klar auf der
Weihnachtsfeier gesehen, so klar wie den Tag.
Clarice
Starling sah Scully mit einem verstohlenen Lächeln an. "Nun, wie geht es
Deinem Partner?" fragte sie harmlos.
"Es
geht ihm gut..." antwortete Scully automatisch, aber nach einem Blick in
das Gesicht ihrer Freundin verengten sich Scullys Augen und sie fragte argwöhnisch,
"Warum?" Starling wußte, jetzt hatte sie Scully. "Oh, nur so...
nur eine Frage," sagte sie.
Scully
setzte ihren besten skeptischen Blick auf. "Du... Du denkst doch nicht..."
stotterte sie.
"Denkst
was?" Oh, Starling genoß es. <Dana, Du bist so süß, aber Du kannst
nicht
lügen, selbst wenn Dein Leben davon abhängt.>
"Da
ist nichts zwischen Mulder und mir," entgegnete Scully entrüstet.
<Technisch
gesehen ist das die Wahrheit.>
"Hey,
ich hab das nie gesagt, Süße." Starling mußte vorsichtig sein, während
ihrer Zeit in der Abteilung Verhaltensforschung hatte sie gelernt, daß man
vorsichtig sein mußte, wenn man Menschen dazu bringen wollte, über sensible
Themen zu reden.
Weil
sie in dieser Zeit völlig unberechenbar waren.
So
startete sie einen weiteren Annäherungsversuch. Sie lehnte sich näher zu Scully
herüber und sagte "Ich sah Dich gestern und Du sahst fürchterlich aus. Ich
will nur wissen, ob ich Dir irgendwie helfen kann." Sie sah in Scullys
wachsame Augen. Blau traf blau. Die beiden Frauen, jede auf ihre Weise
entschlossen und hartnäckig, hielten dem Blick der anderen stand, bis eine von
ihnen weich wurde.
Es
war Scully, die schließlich nachgab. Mit einem Seufzen sagte sie "Ich bin
so müde, Clarice." Es war nicht unbedingt die Wahrheit, aber es war auch
keine Lüge.
"Ist
es wegen der Arbeit?" wollte Starling wissen. "Du bist beim CTD im Moment,
nicht wahr? Nicht bei den..."
"X-Akten?"
half Scully. Als Starling nickte, schüttelte Scully den Kopf. "Ich bin beim CTD, gegenwärtig sind wir
nicht den X-Akten zugeteilt," erläuterte sie.
"Wir?"
fragte Starling.
"Mulder
und ich," erklärte Scully. "Wir waren Partner, als wir an den X-Akten
arbeiteten." Scully spielte jetzt mit ihrer Serviette, riß kleine Stücke
ab und rollte sie zu kleinen Kugeln zusammen.
"Wow,
Ihr müßt eine starke Beziehung haben, um so zusammenzuhalten," sagte Starling
mit Erstaunen.
Sich
bewußt werdend, was sie mit der armen Serviette anstellte, ballte Scully ihre
Hände zu Fäusten zusammen und legte sie in ihren Schoß. "Ja, sicher,"
sagte Scully trocken. "Ich denke, wir sind ein gutes Team."
Eine
Welle von Verständnis überkam Starling in diesem Moment, ohne daß sie so recht
wußte, warum. Sie fühlte, daß sie dabei war, Grenzen zu überschreiten, die
nicht dazu bestimmt waren, überschritten zu werden. Sie dachte, sie könnte
Scully zu sehr bedrängt haben. Das letzte, was sie wollte, war aufdringlich zu
sein. Sie hatte nur wenige gute Freunde und sie wollte nicht riskieren, noch
einen zu verlieren.
"Sieh,
Dana," begann Starling. "Es tut mir leid, ich wollte nicht aufdringlich
sein. Ich wollte nur helfen. Vergiß, was ich gesagt habe." Sie tätschelte
verlegen Scullys Hand und lehnt sich zurück.
Jetzt
war es Scully, die verlegen war. "Nein. Ich bin diejenige, die sich entschuldigen
muß. Ich benehme mich schrecklich," sagte sie. Scully schüttelte langsam
ihren Kopf. "Es ist sehr schwer für mich, bestimmte Dinge zuzugeben, weißt
Du?" Sie sah ihre Freundin bittend an.
"Ja,
ich weiß," entgegnete Starling.
Clarice
Starling wußte besser als jeder andere, was Scully meinte. Zu stark zu
empfinden, sich zu sehr der Arbeit hinzugeben - oder der Liebe, ließ einen
Menschen empfänglich werden für Verletzungen. Clarice hatte die meiste Zeit
ihres Lebens als Waise verbracht. Manchmal, wenn sie darüber nachdachte, was
sie verloren hatte und was sie niemals haben würde, empfand sie es beinahe als
zu schwer, um es zu ertragen.
Sie
hatte oft den Boden einer Likörflasche gesehen. Sie fragte sich, ob es Scully
auch so ergangen war.
Schließlich
hatte sie sich wieder ihrer Arbeit zugewandt - und sie tat sie so gut sie
konnte. Gefühle waren dabei nur im Weg. Gefühle waren dazu bestimmt, versteckt
zu werden, wenn das Leben weitergehen sollte.
Ja,
Clarice Starling verstand. Sie und Dana Scully waren Veteranen geworden im
Kampf gegen ihre Gefühle.
Nach
einer sehr langen Pause, während der die Kellnerin ihr Geschirr abräumte, fuhr
Starling fort. "Möchtest Du darüber reden?" fragte sie vorsichtig.
Scully
dachte intensiv über diese Frage nach. Schließlich legte sie ihre Arme auf den
Tisch und stieß einen tiefen Seufzer aus.
"Ich
konnte noch nie etwas vor Dir verbergen, Clarice," sagte sie. Nach einem
Moment des Nachdenkens fuhr sie fort. "Ich weiß nicht, es ist nichts, worüber
ich so einfach reden könnte..." Als sie sah, daß Starling etwas sagen
wollte, schnitt sie ihr das Wort ab. "Aber ich brauche wirklich Deine Hilfe."
Scully preßte ihre Hände zusammen und ließ es wieder sein, bevor es offensichtlich
wurde.
Schließlich
kam sie zu einer Entscheidung, schloß die Augen und stieß hervor, "Es ist
wegen Mulder. Es ist wegen meines Partners." Sie öffnete die Augen und
wartete auf eine Reaktion.
"Mmm,"
erwiderte Starling zurückhaltend. Sie war letztlich nicht überrascht.
"Was?"
fragte Scully gereizt.
Starling
grinste ihre Freundin an. "Dana, Liebling. Es ist offensichtlich für
jeden, der halbswegs bei Verstand ist, daß Du ihn liebst." Sie schaute Scully
mitfühlend an. "Ich wäre froh, wenn Du es schließlich Dir selbst gegenüber
zugeben könntest."
Scully
atmete frustriert aus. "Was soll ich denn machen, Clarice?" fragte sie
verzweifelt und hoffte, daß sie eine Antwort bekommen würde.
Starling
ließ sich die möglichen Antworten durch den Kopf gehen. Sie wollte Scully nicht
noch mehr Probleme bereiten. Sie wußte, daß sie nicht unbedingt ein Experte in
Herzensangelegenheiten war.
Vorsichtig
antwortete sie, "Letztlich ist es Deine Entscheidung, Dana. Ich kann Dir
nur meine Meinung sagen. Aber bei den schlechten Erfahrungen, die ich gemacht
habe, würde ich alles, was ich sage, mit Vorsicht genießen."
Scully
war neugierig geworden. Sie begrüßte die Chance, die Aufmerksamkeit von sich
abzulenken. "Was meinst Du, Clarice?" fragte sie zögernd. "Ich meine,
wir reden die ganze Zeit über mich. Aber was ist mit Deinem Leben? Du möchtest natürlich nicht, daß ich das
frage," fügte sie hinzu.
Starling
seufzte geschlagen. "Nein, ich denke, es ist nur fair - wo ich Dir schon
die ganze Zeit zusetze." Sie drückte ihre Hände fest zusammen auf dem Tisch
und sammelte ihre Gedanken und Erinnerungen.
"Wo
soll ich beginnen?" fragte sich Starling vergeblich.
"Wie
wäre es damit, nachdem wir unseren Abschluß gemacht haben und Du zur Abteilung
Verhaltensforschung gegangen bist," forderte Scully sie auf. Sie bemerkte,
daß Starling einen abwesenden Ausdruck in den Augen hatte, als sie sich an
diese Zeit erinnerte. Sie wartete.
Sehnsüchtig
aus dem Fenster der Kaffeestube auf die vorüberziehenden Autos und Menschen
blickend, begann Starling zu sprechen.
"Eine
Zeitlang lief alles ganz gut," sagte sie. "Ich lernte eine Menge in sehr
kurzer Zeit. Jack - Assistant Director Crawford - nahm mich unter seine
Fittiche und ließ mich an einigen wirklich wichtigen Fällen mitarbeiten..."
Starling verstummte, tief in Erinnerungen versunken.
"Hört
sich an, als wäre alles auf Deine Weise gelaufen," brach Scully in ihre
Träumerei ein und versuchte, Starling aus der Reserve zu locken.
Starling
seufzte. Scully kam dieser Seufzer sehr bekannt vor. <Bedauern und 'es wird
nie so sein'-Sehnsüchte,> dachte sie. Sie legte ihre warme Handfläche auf
Starlings zusammengepreßte Hände und wurde mit einem dankbaren Blick belohnt.
Als
Antwort auf Scullys Bemerkung, entgegnete sie "Ja, so war es, bis..."
Und
in dem Moment wußte Scully Bescheid. Das Aufflammen von Verständnis war erschreckend,
aber sie schrieb es ihrem verstärkten emotionalen Empfinden zu.
"Du
hattest eine Affäre mit Crawford, nicht wahr?" Sie sagte es, aber es war
keine Frage.
Starlings
gequälte saphirblaue Augen funkelten im Nachmittagslicht. Sie konnte sehen, wie
sie sich mit Tränen füllten und sie fühlte die mitfühlende Reaktion in ihren
eigenen Augen.
"Ich
denke, jeder mit halbwegs klarem Verstand hätte das bemerkt, oder?" sagte
Starling mit einem trockenen Lachen. Scully schenkte ihr nur ein entschuldigendes
Lächeln.
"Ich
dachte wirklich, er liebt mich, und ich war so naiv, Dana," sagte sie, als
würde sie um Vergebung bitten für ihre jugendliche Taktlosigkeit. "Aber er
war verheiratet," fuhr sie fort. "Und er hatte niemals die Absicht, seine
Frau zu verlassen." Starling sah auf ihre Hände herab und eine einsame
Träne fiel aus ihrem Auge. Sie fiel naß auf die Hand, die Scully über ihre
gelegt hatte.
Verlegen
versuchte Starling, die Feuchtigkeit von der zarten Porzellanhaut ihrer
Freundin fortzuwischen. "Es tut mir so leid," sagte sie, während sie ihre
Hände unter Scullys wegzog.
Scully
ergriff Starlings Hand, um sie daran zu hindern. "Es muß Dir nicht leid
tun, Clarice. Wir sind füreinander da, okay?" Scully versuchte, ihre eigenen
Tränen zurückzuhalten, aber es gelang ihr nur schlecht.
Starling
nickte und fühlte, daß Scully wollte, daß sie weitermachte. Also tat sie es.
"Ich...
ich konnte danach nicht länger bleiben. Ich wollte in der Abteilung
Verhaltensforschung
arbeiten, mehr als alles andere. Aber ihn jeden Tag
sehen..."
Starling schüttelte heftig ihren Kopf, als würde sie versuchen, die
Erinnerungen aus ihrem Kopf zu schleudern.
"Und
deshalb hast Du Dich nach Seattle versetzen lassen?" Wieder eine Feststellung,
keine Frage.
"Ja.
Ich dachte, Jack würde es auch schlecht gehen, wegen dem, was passiert war.
Aber als ich um Versetzung soweit weg wie möglich von seinem Department bat,
unterschrieb er den Antrag und das war's," erklärte Starling.
Scully fühlte mit Clarice Starling. Sie hatte
keine Vorstellung von den Qualen, die sie ertragen hatte. Sie dachte, eine
Waise zu sein, war schon schlimm genug und dann auch noch das...
"Und
ging es in Seattle besser?" wollte Scully wissen. Sie hoffte, daß es so
war.
Zu
ihrer Bestürzung schlug Starling die Hände vors Gesicht und unterdrückte ein
Schluchzen. Scully streichelte leicht Starling Arm und murmelte ihr beruhigend
zu.
"Oh,
Clarice, es tut mir so leid. Laß uns aufhören, okay?" Einige der Gäste schauten
schon herüber und sie erkannte, wie sie selbst vor einer Weile in dem
Großraumbüro mit Mulder auf die anderen gewirkt haben mußte. Sie fuhr fort,
ihre weinende Freundin zu trösten.
Starling
nahm ihre Hände vom Gesicht und schüttelte den Kopf. "Nein," sagte sie
mit überraschend fester Stimme. "Es ist schon eine Weile her, seit ich über
diese Dinge nachgedacht habe." Sie hob ihr Kinn herausfordernd an und wischte
sich ärgerlich über die Augen. "Es ist okay - wirklich," versuchte sie
Scully zu beruhigen.
Für
einen kurzen Moment hatte Scully das Gefühl, in einen Spiegel zu schauen. Ihr
war das passiert, was Starling schon vor langer Zeit passiert war. Die
Vorstellung versetzte ihr einen Schock und sie gab ihr einen flüchtigen
Einblick, wie sie auf andere wirkte.
Es
war etwas, worüber sie nachdenken mußte.
Scully
zog ein Taschentuch hervor und gab es Starling. Es dämmerte Scully, daß sie
demnächst häufiger Taschentücher brauchen würde. Sie fragte sich kurz, was das
womöglich bedeutete.
Starling
betupfte spröde ihre Augen. Nachdem sie ihre Fassung wiedererlangt hatte, fuhr
sie fort. "Was zwischen Dir und Mulder ist... das ist gar nicht so
ungewöhnlich, wie Du denkst, Dana," sagte sie.
Scully
lehnte sich weiter zu Starling herüber. Sie war überrascht von ihrer Bemerkung,
ja gefesselt davon, was das bedeuten könnte. "War es dein Partner?"
fragte Scully.
Starling
nickte ernst. "Er war ein brillanter Ermittler - direkt von der Rechtsakademie
angeworben. Aber dann schickten sie ihn in die Wildnis von Washington und
vergaßen ihn. Irgendwie störte es ihn nicht," führte sie näher aus. In
ihren Erinnerungen verloren, malte sie mit ihrem Zeigefinger kleine Kreise in
den nassen Ring, den ihr Glas auf dem Tisch hinterlassen hatte.
"Ich
wurde sein Partner. Nach Jack Crawford hatte ich geschworen, mich nie mehr mit
eine Kollegen einzulassen. Aber Dana," sagte Starling, während sie der
Frau ihr gegenüber einen intensiven Blick zuwarf. "Du bist die einzige, die
weiß, wie das ist. Ihn zu kennen, all seine Geheimnisse kennenzulernen, seine
Hoffnungen und seine Träume, seine Ängste... einfach alles."
Scully
konnte nur verstehend nicken.
"Gott,
Dana. Nach vier Jahren, hat er mir gestanden, daß er mich liebt," stieß
Starling zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ihr Augen waren geschlossen,
als würde sie intensive Qualen leiden.
"Hast
Du ihn geliebt?" wollte Scully wissen.
"Ja.
Von ganzem Herzen." Die offensichtliche Qual legte sich und Starlings Gesicht
entspannte sich. "Aber die Ironie an der Sache ist, daß ich nie etwas dazu
getan habe - ich wollte es nicht zulassen." Starling schlug die Hände vors
Gesicht und Scully dachte, sie würde wieder anfangen zu weinen. Aber Starling schaute schnell auf und legte
ihre Hände auf den Tisch.
"Wir
waren Partner, wir waren Freunde und das war alles," sagte Starling mit
einer Endgültigkeit, die Scully erschreckte. Die Worte waren ihr bekannt und
ihr wurde schlagartig bewußt, warum sie zusammen dieses Essen hatten.
"Was
passierte dann?" fragte Scully, äußerlich gleichmütig, während in ihrem
Innern Angst und Besorgnis wirbelten. Es war, als hörte sie die Geschichte
ihres eigenen Lebens und sie wollte wissen, wie sie ausgehen würde.
Starling
preßte ihre Hände zusammen, bis die Knöchel weiß hervortraten. Ihre Lippen wurden zu einer schmalen Linie.
Mit trüben Augen hielt sie Scullys durchdringendem Blick stand. "Er... ist
gestorben, Dana," Starlings Stimme
war jetzt kalt und leblos. Scully konnte sich vorstellen, was Starling
anstellen mußte, um sich vor diesen Qualen zu schützen. Sie war überzeugt, daß
ihre Reaktion nicht anders sein würde, wenn sie an ihrer Stelle wäre.
Starling
atmete zitternd ein. "Eines Tages verhörte er einen Verdächtigen bei einem
unserer Fälle, allein ohne Unterstützung. Ich glaube, er hat mir nichts
erzählt, weil er glaubte, daß es ‚zu gefährlich' wäre oder so etwas."
Starling schüttelte ärgerlich den Kopf. "Was zur Hölle hat er sich gedacht?"
fragte sie. "Ich war seine gottverdammte Partnerin! Dafür war ich da"
schrie sie. Ein paar Zuschauer mehr in dem kleinen Etablissement drehte ihr
Köpfe. Sich des besorgten Gemurmels um sie herum nicht bewußt, fuhr sie fort.
"Dieser Verdächtige schoß mit einer 45er auf ihn und das war's. Er war
gegangen... für immer." Die frühere Seattle-Agentin neigte ihren Kopf schwer,
als wäre es eine zu große Anstrengung für sie, ihn aufrecht zu halten.
Scully
griff wieder hinüber und nahm Starlings Hand in ihre. Sie hielt sie fest, und
sie fühlte sich Clarice Starling näher als je zuvor. Sie hatte sich niemals
vorgestellt, daß irgend jemand die Verunsicherung und die Qualen kennen könnte,
die sie manchmal wegen Mulder empfand, und ihre aufrichtigen Sympathien
gehörten ihrer Freundin.
"Ich
war zerstört. Zuerst wollte ich mich umbringen wegen der Schuld und des
Schmerzes," sagte Starling, leise schnüffelnd. "Ich habe niemals die Chance
ergriffen, die Beziehung anzunehmen, die wir hätten haben können - sie wachsen
zu lassen." Starling sah auf den Tisch herab. "Und ich muß mit diesem
furchtbaren Fehler leben, für den Rest meines Lebens."
Tränen
rannen nun über Scullys Gesicht. Sie erkannte, mit einem kleinen Wink des
Schicksals, daß sie an Clarice Starlings Stelle sitzen könnte und denselben
Schmerz empfinden könnte. Wäre sie in der Lage, weiterzumachen, so wie ihre
Freundin? Irgendwie ahnte sie, daß sie es nicht könnte.
Und
in diesem Augenblick erkannte Scully das Geschenk, das Clarice ihr da gab - ein
Blick in eine mögliche Zukunft, eine Zeit, wenn sie sich nicht den Luxus
leisten würde, die Gefühle, die sie tief in ihrem Herzen hatte, herauszulassen.
Scully hatte geglaubt, daß ihr noch genug Zeit mit Mulder bleiben würde, daß
sie irgendwann, wenn die Wahrheit ans Licht gekommen war - ein Leben mit ihm
haben würde, wenn sie es wollte.
Es
war wie ein Schlag ins Gesicht - Clarice Starling sagte ihr, daß es dieses
"irgendwann" womöglich niemals geben würde.
Selbst
nach ihrer Begegnung mit dem Tod durch den mysteriösen nasopharyngealen Tumor
hatte sie niemals ganz begriffen, welche Wirkung ihr Tod auf ihren Partner
haben würde. Ihr Glaube machte sie stark. Und obwohl sie Schmerzen hatte, wußte
sie, daß sie an einen besseren, glücklicheren Ort gehen würde. Sie hatte nicht
die Notwendigkeit gesehen, ihn mit ihren Gefühlen für ihn zu belasten.
Tatsächlich war sie sich sicher, daß sie niemals wollte, daß er mit so einer
Offenbarung leben mußte.
Sie
war dabei, Mulder zu verlassen. Sie beruhigte sich selbst mit der Tatsache, daß
er auch ohne sie weitermachen würde. Und auch wenn Mulder niemals erkannt
hatte, wie sehr Scully ihn liebte, auf so viele Arten würde sie in seinem
Herzen weiterleben.
Das
war genug für sie. Sie machte ihren Frieden.
Und
als es ihr besser ging, erkannte Scully sehr bald die Schwierigkeit, ihr Leben
radikal zu ändern, so wertvoll es auch war. Es war rundweg einfacher, sich in
die Arbeit zu stürzen und diese Zeit ihres Lebens ganz tief drinnen zu
verbergen, wo sie ihr nie mehr begegnen würde. Ihre Liebe zu Mulder
zurückzulassen, sie für "irgendwann" aufzuheben, schien das Vernünftigste
zu sein.
Sie
wollte ihr Leben wieder so leben, wie vorher. Scully wollte die Kontrolle über
ihr Leben zurück.
Ihr
Herz Mulder zu schenken, hieße die Kontrolle , die sie sich so sehr wünschte, -
nein, die sie brauchte - abzugeben.
Jetzt,
im Nachhinein, erkannte Scully, wie selbstsüchtig das war, was sie ihm angetan
hatte. Der Gedanke, Mulder zu verlieren, erschien ihr auf einmal schrecklich.
Scully erkannte, daß Mulder nicht anders empfinden würde.
Sie
wußte, daß die Lücke, die Mulder in ihrem Herzen zurücklassen würde, sie ihre
Seele kosten würde und sie als hohles, leeres Wrack zurücklassen würde.
Als
sie sah, daß Scully verstand, sagte Starling, "Aber es ist noch nicht zu
spät für Dich." Mit aller Überzeugung, die sie aufbringen konnte, sagte sie
zu Scully, "Laß Dir die Chance, die wahre Liebe zu erleben, nicht entgehen
- ich sehe es in Deinen Augen, wenn Du das tust, wirst Du nicht in der Lage
sein, weiterzuleben, sollte irgend etwas passieren." Starling schwieg, um
Scully Zeit zu geben, die Worte auf sich wirken zu lassen.
Immer
noch tapfer versuchend, die Rolle der Skeptikerin aufrecht zu erhalten,
schüttelte Scully langsam den Kopf. "Aber ich habe Angst, Clarice,"
sagte sie. "Was, wenn sich irgend etwas ändert? Ich werde seine Freundschaft
verlieren, Ich werde sie niemals zurückgewinnen können."
"Du
kannst nicht immer auf der sicheren Seite spielen, Dana," entgegnete Starling.
"Es gibt immer Risiken. Du kannst vielleicht verlieren, was Du hast, aber
bedenke, was Du gewinnen kannst - ein bißchen Glück in Deinem Leben."
Als
Scully nicht antwortete, fuhr Starling fort. "Ich dachte auch einmal wie
Du. Ich meinte, das richtige zu tun - für uns beide." All ihre Kraft aufbringend,
um nicht unter den sie überwältigenden Gefühlen zusammenzubrechen, die sie
vollkommen zu verzehren drohten, hielt Clarice Starling die Hand ihrer Freundin
noch fester, als vorher. "Aber das alles zählt nicht mehr, wenn sie Dreck
über die wichtigste Person in Deinem Leben schaufeln."
"Dann
wird es zu spät sein, Dana," schloß sie. Die Tür zu einer Zukunft, die Scully
ängstigte, obwohl sie sich mit all ihrem Sein danach sehnte, wurde für sie von
einem gleichgesinnten Geist - einer wahren Freundin offengehalten, um zu sehen.
Scully
sah in Clarice Starlings beschwörende eisblaue Augen und lächelte.
<Ich
verstehe... und ich danke Dir,> sagte sie mit ihrem traurigen Lächeln.
"Gern
geschehen," antwortete Starling auf Scullys stumme Geste. "Wie das alte
Sprichwort sagt, Dana, ‚Tue das, was ich sage und nicht das, was ich tue.'"
Tidal
Basin Gardens
3:01
pm
Scully
fragte sich zerstreut, warum Mulder noch nicht versucht hatte, sie zu
kontaktieren. Als sie ihr Handy aus der Tasche nahm, erkannte sie warum. Mulder konnte sie gar nicht erreichen, weil
sie ihr Handy ausgeschaltet hatte. Scully hatte vergessen, daß sie es getan
hatte, als sie in der Kaffeestube angekommen waren. Ihr Dienst-Handy
auszuschalten, verstieß gegen die Vorschrift - ein Agent wußte nie, wann ein
dringender Anruf wegen eines Falls kam - aber sie hatten keinen aktuellen Fall
und sie wollte wirklich nichts von ihrem Partner hören.
Sie
brauchte Zeit, um über ihr Leben nachzudenken.
Befangen
erkannte sie, daß sie Büroregeln und -vorschriften mit alarmierender Häufigkeit
beugte oder brach. Scully wußte, sie hatte persönliche Probleme, die sie lösen
mußte - und zwar bald. Das war nicht sie, sagte sie sich selbst. Special Agent
Dana Scully war eine mustergültige Regierungsangestellte. Sie tat alles genau
nach Vorschrift, oder zumindest so gut es jemand tun konnte, der einen Partner
wie Fox Mulder hatte, fügte sie mit einem winzigen Grinsen hinzu.
Nach
dem Lunch mit Clarice brauchte Scully Zeit zum Nachdenken. Mit einer weiteren
Abweichung von ihrem Arbeitszeitplan fuhr sie in Richtung Shopping Center. Bald
endete sie im Tidal Basin Garden, bummelte dort entlang, sie wollte die
Kirschbaumblüten sehen, die nur in den zwei Wochen zwischen Ende Mai und Anfang
Juni blühten. Die zartrosa Blüten waren bereits voll aufgeblüht und ab und zu
fiel eine Blüte auf Scully herab, als sie durch den Tidal Basin wanderte. Die
friedliche und romantische Umgebung um sie herum stand in starkem Kontrast zu
der inneren Unruhe, mit der sie kämpfte.
Sie
erreichte das Jefferson-Denkmal. Einen kurzen Blick auf das Gebilde werfend,
das zu Ehren des dritten Präsidenten der Vereinigten Staaten errichtet worden
war, drehte sie sich um und sah auf das ruhige Wasser des Potomac. Scully
blickte über das träge dahinfließende Wasser und dachte über ihr Dilemma nach.
Als Bundesagentin und forensische Pathologin des FBI war sie eine
pflichtbewußte Beamtin. Es war eine schwierige Aufgabe gewesen, dahin zu
kommen, wo sie war, besonders als Frau in einer männerdominierten Welt. Scully
mußte sich fragen: war eine Beziehung zu ihrem Partner zu haben die Risiken für
ihre Karriere wert?
<Ja,>
antwortete ihr Herz.
Außerdem,
ergänzte ihr Verstand, war die Möglichkeit einer liebevollen und erfüllten
Beziehung mit Mulder ausreichend genug, das Risiko, seine Freundschaft zu
verlieren, einzugehen? Würden sie in der Lage sein, ihr Privatleben und ihre
Arbeit auseinanderzuhalten?
Wieder
sagte ihr Herz <Ja.>
Dennoch
sagte ihr Verstand <Sei Dir nicht so verdammt sicher, Dana.>
Hier
begann Scullys innerer Kampf. Der Verlust ihres Rufes (der sowieso fragwürdig
war) innerhalb des FBI war ihr nicht so wichtig wie der Erhalt der einmaligen
und besonderen Beziehung, die sie zu Mulder hatte. Scully fürchtete, das Band
zwischen Mulder und ihr zu zerstören, ohne daß sie es wieder in Ordnung bringen
konnte, wenn sie mit ihrem Partner ins Bett gehen würde. Sie fürchtete, daß die
Meinungsverschiedenheiten und die Ablenkungen, die ein wesentlicher Bestandteil
ihrer Verbindung mit Mulder sein würden, sie bei ihrer Suche nach der Wahrheit
behindern würden.
Scully
gab zu, daß sie auch ohne, daß sie intim waren,
Meinungsverschiedenheiten
und Ablenkungen hatten. Manchmal wunderte sie sich über die Tatsache, daß sie
überhaput irgend etwas zu Ende gebracht hatten in den sechs Jahren, in denen
sie zusammen arbeiteten. Würde mit Mulder zu schlafen sie über die Grenzen
treiben und alles zerstören, wofür sie bislang gearbeitet hatten?
Aber
vielleicht, nur vielleicht, räumte Scully ein, konnte eine intime Beziehung mit
Mulder das, was sie hatten, noch stärker und tiefer machen. Mulder hatte so viel gesagt, so daß sie
wußte, wie er darüber dachte. Aber Scully war immer die Skeptikerin gegenüber
Mulder, der glauben wollte, und sie fühlte, daß es nachlässig von ihr war
gegenüber ihrem Partner und Freund, es nicht von allen Seiten zu betrachten.
Scully
kehrte zum Denkmal zurück. Eine leichte Brise war aufgekommen und blies ihr
Strähnen ihres roten Haares ins Gesicht. Sie schmeckte die schwachen,
verräterischen Zeichen bevorstehenden Regens. Geistesabwesend die
widerspenstigen Haarsträhnen hinter ihr zartes Ohr streichend, ging sie zurück
in die Richtung, aus der sie gekommen war.
Sie
überdachte ihre Unterhaltung mit Clarice Starling. Wenn sie sich
einigen
romantischen Gedanken, Mulder betreffend, hingab, was käme dabei
wohl
heraus? Zwar sagte sie zu Mulder, daß es keine Garantien im Leben gäbe, aber es
wäre durchaus möglich - manche würden sagen eher wahrscheinlich - daß sie wie ihre
alte Akademiefreundin enden könnte, brutal getrennt von dem Menschen, der ihr
alles bedeutete.
In
ihrem Hinterkopf kannte Scully letztlich den Weg, den sie nehmen mußte. Ungeachtet der Risiken für ihre Karriere und
ihre eigene Sicherheit - auch wenn sie sich sicher war, daß ihre Feinde diese
Gelegenheit gegen sie nutzen würden - Scully mußte es wissen. Sie mußte wissen,
wie es sein würde, Mulder zu lieben, ihn wirklich zu lieben, ohne alle
künstlichen Barrieren, die sie um sich herum aufgebaut hatten.
Es
war so wie sie es vorher zu Mulder gesagt hatte, sie war müde. Scully gab zu,
daß sie es auf viele Arten war. Sie wollte das Spiel nicht mehr spielen. Sie
war es leid, einer Entscheidung aus dem Weg zu gehen, sie wollte keine weiteren
Grenzen mehr ziehen. Es war an der Zeit, diese Grenzen zu überschreiten.
Sie
wollte den Weg gehen, bevor es zu spät war. Scully wollte wissen, wo sie dieser
Weg letztlich hinführen würde, zum Guten oder zum Bösen.
Am
Potomacfluß stehend und zusehend, wie die goldene Scheibe der Sonne langsam im
blassen Blau des Himmels sank, kam Scully schließlich zu einer großen
Entscheidung, die sie beide ganz sicher auf die eine oder andere Art unwiderruflich
beeinflussen würde. Scully schwor sich, daß es zwischen ihnen keine Schranken
mehr geben würde.
<Heute
Nacht,> dachte Scully bei sich. Heute Nacht wird Mulder wissen, wie sehr
Scully ihn wollte und wie sehr sie ihn liebte.
Ihr
Schritte beschleunigten sich, die Kirschblüten auf dem Boden zertretend, bis
sie beinahe zu ihrem Auto rannte.
FBI-Hauptquartier
4:45
pm
"Scully,
wo warst Du?" fragte Mulder. Scully konnte den gelassenen Ausdruck auf
seinem Gesicht sehen, aber Scully meinte einen Hauch von stummer Angst in
seinen Augen zu entdecken.
Scully
haßte es, wenn Mulder so besorgt um sie war. Aber gleichzeitig mußte sie
anerkennen, daß er allen Grund hatte, so zu fühlen.
Sie
hatte die Angewohnheit, zu verschwinden. Und es geschah im allgemeinen gegen
ihren Willen. Aber nicht dieses Mal.
"Mulder,
mir geht es gut," sagte sie beruhigend.
Mulder
sprach weiter, als hätte er sie nicht gehört. "Ich versuche, Dich seit
Mittag anzurufen, aber Dein Telefon war abgestellt," sagte er ungezwungen.
Scully konnte erkennen, daß er auf ihre Erklärung wartete.
"Ich
hab es ausgeschaltet," stellte sie einfach fest. Sie verschränkte ihre Arme
defensiv und wartete, daß Mulder fortfuhr. Sie wußte, worauf er hinaus wollte.
"Du
kennst die Regeln, Scully..." begann er. Scully unterbrach ihn.
"Oh,
komm mir jetzt nicht so, Mulder! sagte Scully sarkastisch. Als sie sah, daß
Mulder den Mund öffnete, um sich zu revanchieren, beeilte sie sich zu erklären.
"Ich
erinnere mich dunkel an einige Gelegenheiten, bei denen ich nicht in der Lage
war, Dich zu erreichen, aus eben diesem Grund," rechtfertigte sie sich.
Und
das stoppte Mulder sofort, weil er wußte, daß Scully absolut Recht hatte. Er
hatte sein Telefon viele Male abgestellt, als sie noch an den X-Akten
arbeiteten. Es passierte im allgemeinen, wenn Mulder Scully irgendwie loswerden
wollte. Trotzdem wußte Mulder, daß Scully alles in allem niemand war, der
verantwortungslos handelte.
In
Zeiten wie diesen schien sie so sehr zu sein, wie... er, erkannte Mulder.
Es
dämmerte ihm, wie egoistisch es war, so zu handeln. In der letzten Zeit war
Scully nicht sie selbst und als Freund mußte er ihr helfen und sie nicht
erdrücken wie ein herrischer Vater. Er trat näher an sie heran und liebkoste
leicht ihre Arme mit sanften Händen.
"Du
hast recht, Scully. Es tut mir leid," entschuldigte er sich. "Ich
sorge mich um Dich, und ich weiß, daß Du es haßt, aber ich habe Angst um
Dich." Mulder schenkte Scully seinen patentierten beschämten Gesichtsausdruck
Nr.
5,
den
‚Ich-bin-ein-gefühlloser-testosterongefüllter-Idiot-Kannst-Du-mir-noch-einmal-verzeihen?'-Blick.
Ein
kleines Lächeln erschien auf Scullys Gesicht. <Es funktioniert immer,> dachte
Mulder triumphierend.
"Weißt
Du, Mulder, daß Dein Gesichtsausdruck mich noch ein bißchen mehr entzücken
würde, wenn Du dieses selbstzufriedene, triumphierende Grinsen sein lassen
könntest," sagte sie ironisch. Sie löste ihre Arme und ging aus Mulders
Reichweite.
"Ich
schätze, ich habe noch nicht genug vor dem Spiegel geübt," gab er mit einem
Lächeln in seiner Stimme zurück.
Sie
betrachteten sich einen Moment lang schweigend. Sie wichen an ihre jeweiligen
Schreibtische im CTD-Großraumbüro zurück. Die letzten Mitarbeiter hatten
schließlich das Büro verlassen. Es war Freitag und es schien, daß niemand
gezwungen war, Überstunden zu machen - ausgenommen Scully und Mulder natürlich.
"Es
ist Freitag," sagte Mulder zögernd. "Mein ursprüngliches Angebot zu Speis
und Trank steht noch, was sagst Du dazu?"
"Sagen
zu was genau?" entgegnete Scully unschuldig.
"Dinner,"
erklärte er einfach.
"Oh."
<Großartig, wir reden jetzt in Ein-Wort-Sätzen,> tadelte sie sich selbst.
"Okay,"
sagte sie. Scully konnte ihr Lächeln nicht verbergen. Mulder beantwortete es
mit dem ihm eigenen Grinsen.
"Aber
weißt Du was, Mulder?" sagte Scully mit trügerisch ruhiger Stimme. "Wie wäre es, wenn wir bei mir zu Abend
essen? Du kommst in zwei, drei Stunden und bringst etwas zu essen mit - Du
zahlst?" Scullys Herz schlug laut in ihrer Brust. Sie hoffte verzweifelt,
daß Mulder es nicht bemerken würde.
"Aber
Scully," jammerte Mulder, "Wir haben das früher oft gemacht, wenn wir
an einem Fall gearbeitet haben." Er verschränkte seine Arme wie ein launisches
Kind.
"Aber
wir haben im Moment keinen Fall, nicht wahr Mulder?" sagte Scully zweideutig.
Die
Luft um sie herum schien dicker zu werden, beinahe drückend. Die Zeit schien
stehenzubleiben. Mulder stand bewegungslos da, suchte in Scullys Augen nach
einem Anflug von Humor oder spielerischem Scherz, den sie sich im allgemeinen
erlaubten, wenn die sexuelle Spannung zu intensiv wurde.
Scully
starrte einfach in Mulders vorsichtig blickende Augen. Sie trug eine Maske der
Gelassenheit, geschaffen in den Jahren des Umgangs mit kriminellen Subjekten,
die ihr Herzklopfen verursachten, denen sie aber keine Schwäche zeigen wollte.
Sie würde Mulder nicht in ihre Pläne für diese Nacht einweihen.
"Uh,"
Mulder suchte in seinem nicht richtig funktionierenden Hirn nach einer
passenden Erwiderung. "Ich glaube nicht," schloß er. Mulder scharrte einen
Moment mit den Füßen. Die Spannung zwischen ihnen war fühlbar.
"Okay,"
sagte Mulder. Er mußte hier raus, bevor er etwas ganz Dummes anstellen würde.
<So etwas, wie sie in die Arme zu nehmen und alle möglichen unangebrachten,
nicht-partnerschaftlichen Dinge mit ihr zu tun,> sagte er sich.
Er
griff nach seinem Jackett, zog es an und hastete zur Tür. "Ich komme dann
in zwei Stunden," sagte er zu ihr mit einem Beben in der Stimme. <Warum bin ich nur so nervös?> fragte
er sich.
"Ich
werde warten, Mulder," antwortete sie. Die Ruhe in ihrer Stimme strafte
den absoluten Terror, den sie erlebte, Lügen. Sie lächelte schwach, als Mulder
sich zum Gehen wandte.
Nach
ihren Sachen greifend, stand Scully auf und machte sich zum Gehen bereit. Sie
sah auf ihre Hände und bemerkte, daß sie zitterten. Sie preßte sie einen Moment
zusammen, ehe sie ihre Aktentasche schloß und sich zum Gehen wandte.
Inmitten
des wirbelnden Durcheinanders von Gedanken und Emotionen, die durch Dana
Scullys Kopf fegten, stand eine Frage im Vordergrund und bat um Antwort:
<Was
zum Teufel tust Du da, Scully?">
Und
wie immer, hatte sie keine Antwort.
Dana
Scullys Apartment
6:50
pm
Mulder
stieg schließlich die letzten Stufen hinauf, die zu Scullys Apartment führten.
Er war pünktlich und Scully erwartete ihn.
<Warum
bin ich dann nur um Haaresbreite davon entfernt, in die entgegengesetzte
Richtung davonzulaufen und von meiner Partnerin soweit wegzulaufen, wie es
menschlich nur möglich ist?> fragte er sich.
Es
war, wurde Mulder sich bewußt, weil diesmal alles anders war. Dies war mehr als
nur ein einfaches Zusammentreffen, um einige Berichte durchzugehen. Es war auch
nicht dasselbe, als wenn er sich selbst ihre Wohnung aufschloß, um sich vor
irgendwelchen ominösen Verschwörungsprogrammen der Regierung zu verbergen.
Mulder
fühlte die Spannung in der Luft. Irgend etwas würde passieren, er war sich nur
nicht sicher was.
Er
wußte, daß irgend etwas mit Scully los war. Die letzten paar Wochen waren
seltsam gewesen. Scully war zurückhaltend <gut, mehr als im allgemeinen
sowieso schon> und sie schien über irgend etwas beunruhigt zu sein - über
etwas ernstes.
Sehr
langsam die letzten Schritte zu Scullys Wohnung zurücklegend, nagte etwas an
Mulder. Es war etwas in Scullys Verhalten. Er wußte zwar noch nicht genau, was
es war, aber irgendwie wußte Mulder, daß Scully nicht unglücklich war mit ihm.
Ihre zweideutigen Bemerkungen im Büro brachten ihn durcheinander und quälten
ihn zugleich, aber Mulder war nicht so dumm, irgendeine Hoffnung zu hegen, daß
Scully irgend etwas anderes wollte, als enge Freunde zu sein. Sie hatten das
bereits alles durch, erinnerte er sich selbst.
<Vielleicht
ist ihr die Arbeit zuviel,> grübelte Mulder. <Viellecht hilft
ihr
ein nettes Abendessen, ein wenig zu entspannen.>
Bei
diesem Gedanken fühlte sich Mulder ein wenig besser. Er würde da sein für
Scully, obwohl er sie schon zu oft im Stich gelassen hatte. Jetzt würde er
versuchen, es wieder gutzumachen.
Er
klopfte leicht an die Hartholztür.
Ein
paar Sekunden vergingen. Nichts.
Er
klopfte noch einmal. "Scully?" rief er leise.
Dann
hörte er, wie der Türriegel zur Seite geschoben wurde und der Türgriff sich
bewegte. Er stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Die Tür schwang langsam
auf.
"Scully?"
rief Mulder noch einmal. Er betrat das dunkle Foyer.
Er
lugte hinter die Tür. Da. Da war sie... barfuß und nur mit einem Seidenmantel
bekleidet.
Mulder
schluckte hörbar in dem stillen Apartment. Scully hatte bisher nicht ein Wort
gesagt.
"Scully?"
fragte er behutsam. <Zeit für ein umfassenderes Vokabular,> dachte er
sardonisch.
Scully
schloß die Tür und schob den Riegel vor. Der geräuschvolle Ton jagte ein
Frösteln über Mulders Rücken. Ein Gefühl des Eingeschlossenseins überkam ihn,
als wenn er mit einem schönen, aber gefährlichen wilden Tier eingeschlossen
war.
Wenn
er es nicht besser gewußt hätte, hätte Mulder schwören können, daß Scully ihn
mit ihren Augen verschlang.
<Oh
Boy,> der Gedanke schlich sich ungebeten in sein Gehirn. <Was zur Hölle ist
hier los?> Er hielt die große Tüte mit den chinesischen Fertiggerichten in
der einen Hand und eine gekühlte Flasche Wein in der anderen.
"Ich
hab dies hier..." begann er zu reden. Mulder kam nicht dazu, den Satz zu
beenden.
Scully
- Special Agent Dana Scully - die stets perfekt gekleidet war und die sich jedem
gegenüber kühl und distanziert verhielt und dabei Professionalität und
Intelligenz ausstrahlte - verführte ihren Partner.
<Ja,
sie ist definitiv dabei, mich zu verführen,> erkannte Mulder mit höchstem
Unglauben.
Scully
eilte wortlos auf Mulder zu. Dabei ergab ihr Größenunterschied ein lustiges
Bild. Scully stürzte vorwärts, flog praktisch in Mulders offene Arme. Sie legte
ihre Arme um den Hals ihres Partners und hob ihren Kopf, um einen völlig
geschockten Mulder zu küssen.
"Scu...mmfph!"
war alles, was Mulder über die Lippen brachte. Ohne einen klaren Gedanken
fassen zu können, ließ Mulder die Tüte und die Flasche fallen. Die Flasche
schlug hart auf und rollte unter Scullys Couch. Die Tüte landete mit einem
feuchten Klatsch auf dem Boden, der dem hinteren Teil von Mulders Gehirn
signalisierte, daß das Dinner definitiv ruiniert war.
Allerdings
war ihm dies in diesem Moment völlig gleichgültig. Denn Scully war dabei,
gierig ihre Zunge in Mulders Kehle zu stoßen. Er kam ihr gehorsam entgegen und
ließ sie in seinen wartenden willigen Mund hinein. Sie schmeckte nach Minze. Er konnte ihren
Atem aus ihrer Nase fühlen, die warme Luft strich erotisch über seine Wangen.
Er roch sie. Sie hatte offensichtlich gerade geduscht. Sie roch frisch und
sauber - nach Babypuder oder so etwas. Und ihr Körper, <oh, Gott,> dies
war gänzlich anders, dachte er erstaunt.
Mulder
hatte schließlich seine langen Arme um ihre Taille gelegt. Sie war mit ihm
verschmolzen. Ihre kleinen Brüste drückten gegen seine Brust. Er konnte ihre
harten Nippel durch den Stoff seines T-Shirts fühlen. Der Saum ihres klasse
Seidenmantels war über ihre Hüften gerutscht und erlaubte ihr so, ihre
wohlgeformten Beine um Mulders Körper zu schlingen. Langsam, bedächtig erlaubte
Mulder seinen Händen, tiefer zu rutschen, bis sie ihr Gesäß erreichten. Er rieb
seine Handflächen über den weichen, glatten Stoff, der es bedeckte. Seine
Händen rutschten ein winziges Stück weiter nach unten und dann machte Mulder
eine unglaubliche Entdeckung...
Scully
trug nichts unter ihrem Seidenmantel.
Mit
hämmerndem Herzen, im Gleichklang mit dem seiner Partnerin, glitten seine
zitternden Finger unter ihren Mantel, bis seine Hände ihr nacktes Gesäß
umfaßten.
<Oh,
Gott.> Es war warm und unglaublich weich, bemerkte er. Er drückte seine
Finger zart dagegen.
Scully
stöhnte laut in Mulders Mund. Sie stieß ihre feuchte Mitte gegen seinen Penis.
Mulder war jetzt vollkommen erregt, sein schmerzendes Glied drückte unbehaglich
gegen seine Hose. Ein leises Knurren drang tief aus Mulders Brust herauf.
Er
zitterte am ganzen Körper. Sein Kopf drehte sich. Und von seinen Genitalien
ging das intensivste, angenehmste Gefühl aus. <Scully hat ihren Schritt
gegen Deinen Penis gedrückt, Mulder> dachte er bei sich.
Aber...
warum? Warum passierte das jetzt alles? Mulder hatte allerdings keine Zeit,
darüber nachzudenken, denn Scully war dabei, die erstaunlichsten Dinge mit ihm
zu tun. Sie begann, kleine feuchte Küsse entlang seiner frisch rasierten
Kinnlinie zu placieren, bis sie sein linkes Ohrläppchen erreicht hatte. Er
schluckte ein wenig, als sie ihre warme, glatte Zunge in sein Ohr stieß.
"Scuullyy..."
stöhnte er. <Yeah, Mulder, Dein Wortschatz wächst mit der Zeit, nicht
wahr?> Bevor er seine Sinne wieder beisammen hatte, sprach sie in sein
empfindlich gequältes Ohr mit einem tiefen, belegten Schnurren.
"Ich
will, daß Du mit mir schläfst, Mulder... jetzt," sagte sie.
Mulder
stolperte rückwärts, bis sein Rücken mit einem schmerzhaften Schlag gegen ihre
Wohnungstür prallte. Er verzog das Gesicht und versuchte, zu denken. In einem
hinteren Teil seines Gehirns ertönten Alarmsignale - das war nicht das, was er
erwartet hatte - er hatte sich niemals vorgestellt, daß seine Scully ihn jemals
um so etwas bitten würde. Mulder zog kurz die Möglichkeit in Erwägung, daß sie
betrunken war - oder besessen - oder ein Klon - oder, oder...
<Vergiß
es,> antwortete der andere Teil seines Gehirns. <Mach einfach, was
sie
sagt, Mulder. Sie weiß, was sie tut.>
<Vertrau
ihr,> sagte ihm sein Verstand. Und er tat es - mit seinem ganzen Herzen.
<Ich hoffe nur, daß es nicht mittendrin endet,> dachte er mit Bangen.
Er
verdrängte diese Angst aus seinem Kopf und schenkte Scully ein herzliches
Lächeln. Er sah sie an und sagte, "Wenn Du mich um so etwas bittest, wie
kann ich da widerstehen?" Sie erwiderte sein Lächeln, blieb aber stumm.
Nachdem sie sich einem weiteren leidenschaftlichen Kuß hingegeben hatten,
flüsterte sie "Halt mich fest, Mulder." Er folgte ihrer Bitte und
legte seine Hände fest um ihre Hüfte.
Mit
überraschender Leichtigkeit und Grazie lehnte sich Scully zurück, während ihre
Beine immer noch um Mulders Hüfte lagen. Mit einem unanständigen Lächeln sah
sie nach unten und ließ ihre Hände von seinem Nacken über seine Brust
heruntergleiten bis zu seinem Hosenbund. Mulder verfolgte Scullys Tun mit
Ehrfurcht und Erstaunen.
Sie
schaffte es, den Knopf seiner Hose zu öffnen und arbeitete nun an seinem
Reißverschluß. Ihre überraschend kraftvollen Schenkel zusammendrückend <wer
hätte das gedacht> zog sie ihr Becken von Mulders Leistengegend gerade
soweit weg, daß sie seinen Reißverschluß öffnen konnte. Dann drückte sie sich
wieder gegen Mulder. Seine offenen Khakihosen rutschten herunter bis zu seinen
Knöcheln. Mit einem raschen Atemzug erkannte Mulder, daß das einzige, was ihn
noch daran hinderte, in Scully einzudringen, der sehr dünne Stoff seiner
Baumwollboxershorts war.
Scully
atmete nun in schweren Zügen. Ihr Kopf war zurückgelehnt in heißer Erwartung
und sie stöhnte "Jetzt, Mulder. Bitte." Sie stieß ihren Schritt wild
gegen seinen. Ihre Feuchtigkeit durch drang den Stoff seiner Boxershorts.
Mulder konnte nicht mehr an sich halten. Sie mit einer Hand haltend, griff er
mit dem Daumen der anderen unter den Gummi seiner Boxershorts und zog sie roh
herunter.
Und
ohne einen weiteren Gedanken oder eine Ermutigung hob er sie an den Hüften hoch
und stieß seinen schmerzenden Penis in Scully hinein, vergrub sich völlig in
ihr.
<Heiliger
Gott,> schrie sein Hirn. Das Gefühl, das erste Mal mit Scully vereint zu
sein, war noch unglaublicher, als er es sich jemals vorgestellt hatte. Ihre
weiche, warme Umhüllung fühlte sich so einladend an. Es war mehr als sexuell,
erkannte er überrascht. Es war, als wenn seine Seele mit ihrer verschmolz -
lächerlich, gab er zu, aber es fühlte sich nichtsdestotrotz so an. Es war eines
der natürlichsten Dinge, die er jemals getan hatte. Sie paßten perfekt
zusammen.
"Gott,
Scully," stöhnte er. "Du fühlst Dich so gut an." Er lehnte sich wieder
gegen ihre Wohnungstür und begann, sich langsam in ihr zu bewegen, hinein und
heraus. Scully hob ihren Kopf und zeigte ihm das ganze Ausmaß ihrer Erregung,
die ihr offensichtlich ins Gesicht geschrieben stand. Ein heiseres Stöhnen der
Lust kam über ihre Lippen.
<Sie
ist so feucht!> Er drängte eine Träne des puren Glücks zurück. Er könnte
jetzt sterben, ohne jemals einen Orgasmus mit Scully gehabt zu haben, und er
würde zufrieden sein. Nach Scullys Gesichtsausdruck zu urteilen, glaubte
Mulder, daß sie ebenso empfand.
Er
starrte sie an, die wundervollen Empfindungen, die er fühlte, spiegelten sich
in Scullys durchdringendem Blick. Er sah ihr tief in die Augen, als Mulder sah,
wie sie sie plötzlich verdrehte, bis er nur noch das Weiße darin sehen konnte.
Ihr Mund öffnete sich in einem stummen Schrei überschwappender Gefühle.
Dann
rollte ihr Kopf zur Seite und ihre Bewegungen hörten auf.
Für
einen Moment sah er sie sprachlos an. <Nein, sie konnte doch nicht...>
"Scully?"
fragte er zögernd.
Sie
lag still da und schwebte irgendwo zwischen verschiedenen Ebenen ihres Bewußtseins.
Nachdem
sie sich jahrelang gefragt hatte, wie es wohl sein würde, sich mit Mulder zu
lieben, wollte Scully schließlich wissen, ob die Realität in jeder Hinsicht mit
ihren fiebrigen Phantasien vergleichbar war.
Es
war so, entschied Scully. <Und wie!>
Scully
war so verwirrt. Das war ihr niemals vorher passiert. Aber ihre Wünsche und die
Unsicherheit, die damit verbunden war während der letzten paar Monate, hatten
ihren Tribut gefordert. Schließlich schien es, daß der Moment, den zu erreichen
die beiden sechs Jahre gebraucht hatten, nun gekommen war. Und es fühlte sich
so gut an - wie ein langer kalter Schluck Wasser, nachdem man durch trostloses
Ödland getrieben war - es war nahezu zu viel für ihren schon verletzlichen
Verstand... und ihre Seele.
Als
sich ihr Sinn trübte und sie auf Mulder kollabierte, fühlte sie ihr Bewußtsein
über der beinahe komischen Szenerie schweben. Ihr Verstand, irgendwie weit
entfernt von ihrer physischen Umgebung, überprüfte die Situation.
Sie
hatte immer gedacht, daß der Gedanke, durch sexuelle Lust ohnmächtig zu werden,
für romantische Geschichten geeignet war, aber ohne Bezug zur Realität. Nachdem
sie sich an die letzten paar irren Minuten des sich Windens auf Mulder
erinnerte, erkannte sie, daß sie bis dahin einfach noch nicht den richtigen
Partner gefunden hatte, um solche Phänomene zu erleben.
Partner...
Phänomene. Sie hatte sich mit ihrem Partner geliebt und damit ein Phänomen
erlebt, ein unerklärliches oder ungewöhnliches Ereignis - etwas, das die
X-Akten wesentlich bestimmte.
<Ja,>
kam sie überein. Sich mit Mulder zu lieben, erschien ihr tatsächlich wie eine
X-Akte. In Ohnmacht zu fallen, während sie rittlings auf ihm saß, machte es
ihres Erachtens nur noch mehr dazu, dachte sie, ein wenig enttäuscht von sich
selbst.
Langsam,
ganz allmählich, kamen ihre Sinne zurück. Sie bemerkte, daß sie sich nun in
einer horizontalen Lage befand, sie fühlte die Weichheit des Sofas in ihrem
Wohnzimmer an ihrem entblößten Po. Als sie ihre Augen öffnete, konzentrierte
sie sich auf das Bild ihres wundervollen Partners über ihr. Scully sah die
Wirbel von Betroffenheit in seinen Augen und sie bemerkte auch seine gerunzelte
Braue.
<Oh,
sie wollte ihn nicht beunruhigen. Sie war in Ordnung.> Und sie sagte es ihm.
"Es ist alles in Ordnung, Mulder. Mir geht es gut. Ich bin nur ein bißchen...
überwältigt, das ist alles," beruhigte sie ihn.
"Danke
für die Stärkung meines sexuellen Selbstbewußtseins, Scully," antwortete
er mit einem halben Grinsen. "Aber erschreck mich nie wieder so wie
eben," schloß er und versuchte die Angst zu verbergen, die ein paar Sekunden
zuvor nach seinem Herzen gegriffen hatte, nachdem sie das Bewußtsein verloren
hatte.
Scully
hob ihre schmale Hand und ließ sie über seine Wange gleiten. "Oh, Mulder.
Es tut mir leid. Ich wollte Dich nicht erschrecken," säuselte sie mit
sanfter Stimme. Aber dann schlug ihre Stimmung rasch um, als wenn jemand einen
Schalter in ihrem Kopf umgelegt hätte. Sie legte ihre Hand auf seinen Nacken
und zog sein Gesicht zu sich herunter "Nun, Agent Mulder," brummte
sie. "Wo waren wir?"
Aber
zu ihrer Bestürzung war Mulder gar nicht willig. Er zog sich von ihr zurück,
ein Ausdruck von Verwirrung und Unsicherheit hatte sich um seinen Mund und auf
seiner Stirn eingeprägt. "Nein, Scully," flüsterte er fest. "Ich möchte wissen... warum?"
Scully
sah in seine dunklen haselnußfarbenen Augen und sah etwas darin. Sie bemerkte,
daß sie eine Menge zu erklären hatte und drehte ihren Kopf zur Seite und
schüttelte ihn leicht.
"Gott,"
sagte sie sanft. "Gott... es tut mir so leid, Mulder. Es war falsch. Es
tut mir leid," flüsterte sie mit gebrochener Stimme.
Mulder
umfaßte ihr Gesicht mir seinen Handflächen und drehte es zu sich. Er sah in
ihre tränengefüllten Augen, die in der Dunkelheit des Wohnzimmers glänzten. Das
Mondlicht, das durch das Fenster fiel, spiegelte sich im Glitzern ihrer
tiefblauen Augen wider. Sogar in dem silbernen Licht konnte er die erregte Röte
auf ihren Wangen sehen. Ihre Lippen waren geschwollen von ihren wilden Küssen,
aber immer noch sanft und geschmeidig.
Sie
war schön. <Was zur Hölle habe ich getan, daß ich sie verdiene?> fragte er
sich im Stillen. Er befürchtete, daß nichts, was er tun könnte, ihn einer Frau
wie Scully würdig machen würde.
"Es
muß Dir nicht leid tun, Scully," beruhigte er sie. "Du weißt, daß ich
es genauso sehr will wie Du. Ich... ich möchte nur wissen, warum. Warum so? Warum jetzt?" fragte er sanft. Er konnte
die Verzweiflung, die hinter ihrem Entgegenkommen steckte, nicht übersehen. Er
war neugierig - aber auch ein wenig argwöhnisch wegen der ganzen Situation.
Sie
zögerte. Immer noch zärtlich ihr Gesicht in seinen Händen haltend, fragte er "Warum?
Sag es mir... bitte."
"Weil,"
platzte sie heraus, "wenn Du morgen sterben würdest, Mulder, würdest Du
niemals wissen, wie sehr ich Dich wirklich liebe und mich um Dich sorge."
Sie schürzte ihre Lippen - sie war gewöhnlich nicht so ehrlich und mitteilsam,
besonders nicht zu Mulder. Es war schwer, gab sie zu. Aber es war viel
qualvoller, sich noch länger selbst zu belügen.
Nachdem
er kurz darüber nachgedacht hatte, was sie gesagt hatte, schenkte Mulder ihr
das süßeste Lächeln, das sie je bei ihm gesehen hatte. Es brachte ein winziges
Lächeln auf ihr Gesicht. "Scully, ich weiß, was Du für mich
empfindest," sagte er. "Du zeigst es mir jeden Tag. Seit wir Partner sind
und Du mir Dein Vertrauen geschenkt hast - seitdem weiß ich, wie sehr Du Dich
um mich sorgst."
"Das
ist nicht genug, Mulder," war sie nicht einverstanden. "Es kann nicht
genug sein - nicht mehr." Sie ergriff eine seiner Hände an ihrer Wange und
drückte sie liebevoll.
Mulder
lehnte sich herunter und küßte sie leicht auf die Lippen. Scully schloß langsam
ihre Augen, schwelgte in dem neuen, und doch seltsam vertrauten Gefühl.
"Du
mußt das nicht tun, Dana," flüsterte er. Damit öffnete sie ihre Augen. Scully sah Mulder an, wie es schien eine
Ewigkeit. Sie versuchte sich selbst in seinen Augen zu sehen. <Will er es
wirklich?> Flüchtig erwog sie die Möglichkeit, daß Mulder keine Beziehung
mit ihr wollte. Aber dann, als sie ihre Unterlippe mit der Spitze ihrer Zunge
leckte, dachte Scully an seine Küsse. Darin zeigten sich Mulder Gefühle für sie
ganz offensichtlich. Letztlich entschied
sie, daß ihr erster Impuls richtig war - in gewissem Sinne unausweichlich. Er
liebte sie, liebte alles, was sie war... und alles, was sie nicht war.
Und
das war mehr als genug für sie.
Sie
sah keinen Grund, warum sie nicht so glücklich sein sollte, wie sie konnte in
der Zeit, die Mulder und sie auf dieser Welt hatten. Und Gott weiß, Mulder
verdiente ein bißchen Abwechslung in der Dunkelheit, die sein ganzes Wesen
umgab, sagte sie sich.
"Nein,
ich muß das nicht tun," räumte sie ein. "Aber ich will es, mehr als Du
je wissen wirst." Sie langte hinüber und zog Mulder zu sich heran. Er landete
auf seiner Seite, zwischen ihr und der Rückenlehne des Sofas. Scully machte ein wenig Platz und dann legte
sie ihren Kopf langsam auf Mulders Brust. Sie schloß ihre Augen und hörte auf
seinen kräftigen, beruhigenden Herzschlag. Sie atmete seinen berauschenden Duft
ein. Sie hörte sein zufriedenes Seufzen, als er seine Wange an ihren Kopf
legte.
"Ich
habe heute mit Clarice Starling geredet, Mulder. Ich vertraue ihr beinahe so,
wie ich Dir vertraue," begann sie. Als Mulder nicht reagierte, fuhr sie
fort. "Und sie erzählte mir von ihren Erlebnissen - die harten Lektionen,
die das Leben sie gelehrt hat. Sie wollte mir die Qual und die Trauer ersparen,
die sie durchleiden mußte."
Ein
Funken von Verständnis flammte in Mulders Hirn auf. Er küßte Scully auf die
Stirn und erlaubte ihr, fortzufahren.
Sie
sprach weiter. "Clarice lehrte mich, wenn die wahre Liebe kommt, wenn Du
dem Menschen gegenüberstehst, von dem Du weißt, daß Ihr füreinander bestimmt
seid - dann ist es ein Verbrechen, ihn von Dir fernzuhalten, auch wenn es aus
Angst oder Unsicherheit ist."
Scully
hob ihren Kopf, um Mulder direkt anzusehen. Sie blickte ihn intensiv an und er
blieb starr, wartete auf ihre nächsten Worte.
"Ich
versuchte zu sagen ‚irgendwann', Mulder. Wenn all die Verschwörungen und
Mysterien zu unserer Zufriedenheit aufgelöst worden sind, dann könnte ich
‚extreme Möglichkeiten' mit Dir erwägen," flüsterte sie sanft. Er lächelte
sie zärtlich an.
Sie
lächelte zurück, gab ihm einen keuschen Kuß auf die Stirn und zog sich langsam
zurück. "So wie unser Leben funktioniert, Mulder, besteht aber eher die
Chance, daß dieses ‚irgendwann' niemals kommen wird. Und deshalb sind wir heute
hier - beide nackt von der Taille abwärts." Ihre Augen blinzelten verschmitzt,
unfähig, den düsteren Unterton ihrer dramatischen, aber aufrichtigen Rede
beizubehalten.
"Nun,
Agent Scully," antwortete Mulder weich und versucht nicht, seinen belustigten
Ausdruck vor ihr zu verbergen. "Ich denke, das kann man schnell ändern,
meinst Du nicht?" Er langte hinüber, um den Gürtel ihres Seidenmantels zu
betasten.
<Ist
es wirklich das, was Du willst,> fragte er sie stumm.
<Natürlich,>
antwortete sie. Scully staunte darüber, wie die stille Verständigung, die sie
so gut in den Jahren ihrer Zusammenarbeit beherrscht hatten, nun auch ihr
unglaublich intimes romantisches Band besiegelte und ihnen die klare...
Richtigkeit all dessen bewies.
Mulder
nickte leicht und löste den Knoten, der das einzige Kleidungsstück, das sie
trug, zusammenhielt. Er ließ sich mühelos öffnen, nur das raschelnde Geräusch
von Seide auf Seide brach die völlige Stille des Raumes.
"Oh,
Scully," sagte Mulder, ohne nachzudenken, als er behutsam ihren Seidenmantel
auseinander schob. Es ähnelte sehr dem Entfalten eines Blütenblattes einer exotischen
Blume. Mulder versuchte, alles von ihr in sich aufzunehmen. Er wußte, daß das
Wunder, alles von ihr das erste Mal zu sehen, nur einmal in seinem Leben
geschehen würde. Mulder hatte den Zwischenfall in der Antarktis fast gänzlich
aus seinem Gedächtnis verbannt. Ihre
Nacktheit an dieser Stelle - beeinträchtigt durch eine große Menge von gefrorener
Alienschmiere - zählte nicht.
Nein,
beharrte Mulder unnachgiebig, dies würde das erste Mal sein, daß er sie
wirklich nackt sehen würde. Und sie war großartig. Er hielt inne, atmete nicht
einmal, als er ihre Erscheinung in sich aufnahm.
Sie
sah so weich aus, dachte er bei sich. Ihre Haut war milchweiß, genauso wie er
sie sich vorgestellt hatte. Ihre Brüste waren klein, aber schön gerundet und
verführerisch fest. Während er sie anstarrte, bemerkte er die dunklen
korallenfarbenen Knospen, die unter seinem Blick hart wurden. Er wollte nichts
mehr, als sich hinunterzubeugen und eine davon in den Mund zu nehmen. Er sah
sie an und er war sicher, daß sie es ungeheuer genießen würde, wenn er es tat.
Aber
er war noch nicht damit fertig, sie anzusehen. Er zwang sich, den Blick von
ihrem Gesicht zu nehmen und den Rest ihres Körpers zu studieren. Ihre Haut war so glatt und so überraschend
ungezeichnet von Narben oder anderen Verletzungen. Das einzige Merkmal, das auf
ihrer zarten Porzellanhaut hervorstach, waren ein paar entzückende
Sommersprossen auf ihrer Brust. <Oh, das wird schwierig,> gab er zu. Er
würde nicht in der Lage sein, sich noch lange zurückzuhalten, aber er wollte
alles sehen.
Scully
verstand sein Verlangen, sie wartete geduldig und sonnte sich in Mulders
kindlicher Erkundung. Sie sah ihm zu, wie er sie betrachtete, seine Empfindungen
in sein Gesicht geschrieben. Es war so erotisch, sinnierte sie. Sie fühlte sich
schön. Mulder betrachtete sie mit... ja, womit? Das fragte sie sich.
Unglaublich, das Wort "Verehrung" kam ihr in den Sinn. Scully erschauerte unwillkürlich. Niemand
hatte sie jemals so angesehen.
Sie
fühlte eine vertraute Feuchtigkeit zwischen ihren Schenkeln hervorsickern. Sie
rann auf ihre Sofapolster. <Das wird einen Fleck geben,> dachte sie bei
sich. Aber anstatt darüber bestürzt zu sein, fühlte sie eine Welle von
Erregung, die Art, die sie fühlte, wenn sie etwas Aufsässiges tat - etwas für
sie Untypisches. Der Gedanke, einen physischen Beweis dafür, daß Mulder sie
geliebt hatte, zurückzulassen, speziell hier in der Mitte ihres Wohnzimmers,
gab ihr einen Kick.
Mehr
und mehr erregt begann Scully, sich zu winden. Mulder mußte es bemerken. Seine
Blicke waren abwärts gewandert, abwärts bis sein Blick da hängenblieb, wo der
größte Schatz von Dana Scully verborgen war. Mulder griff zögernd nach dem
kupferfarbenen Gipfel zwischen ihren Schenkeln. Er hatte immer vermutet, daß
Scully ihr Haar färbte, wenn auch nur, um den roten Ton zu bekräftigen, aber
die drahtigen Locken, die dank ihrer Erregung glitzerten, waren ein Ton dunkler
- vielleicht ein bißchen mehr braun als die flammenden Locken, die alle Welt
tagsüber sah. Und mit einem Grinsen bekräftigte Mulder, daß Scully ein
Rotschopf war, durch und durch.
Mit
zitternden Fingern streichelte er sie. Scully wölbte ihr Becken vor Extase.
"Mullderrr...,"
stöhnte sie mit einer weichen, atemlosen Stimme.
Ermutigt
fuhr er fort. Er legte seine Handfläche auf Scullys fleischigen Venushügel.
<So weich,> die Beschreibung schoß durch Mulders Kopf. Vorsichtig bewegte er seine Hand, bis seine
schlanken Finger ihre warme, feuchte Öffnung fanden. Und wie ein Himmelstor
spreizte Scully ihre Beine ein wenig, um ihrem neugefundenen Liebhaber mehr
Zugang zu ermöglichen.
Mulder
konnte seinen Atem nicht kontrollieren. Er bemerkte, daß Scully genauso heftig
atmete wie er. Ihre Augen waren geschlossen und ihr Gesicht zeigte den
heitersten und engelhaftesten Ausdruck. Sie öffnete sich für Mulder und
erwartete ergeben seine Dienste. Aufs neue erkannte er, welch kostbares
Geschenk ihm Scully gemacht hatte: ihre vollständige Hingabe und ihr vollstes
Vertrauen in ihn.
Mulder
würde ihr zeigen, wie sehr er sie dafür liebte. Ohne Vorspiel begann er sie zu
streicheln. Er beschrieb mit seinen Fingern winzige Kreise um ihre Klitoris. In
diesem Moment flogen Scullys Augenlider auf und ihre Lippen öffneten sich ein
wenig. Der Ausdruck purer Erregung zeichnete sich auf ihren exquisiten
Gesichtszügen ab.
"Oh
yeah, Mulder," hauchte sie sanft. "Das ist es." Sie griff nach
seinem Gesicht, nahm es in ihre Hände und zog es grob an ihres heran. Sie küßte
ihn hart, gefangen in der Hitze des Augenblicks. Sie stieß ihre Zunge in seinen
Mund, ließ sie über seine Schneidezähne gleiten. Mulder reagierte in gleicher
Weise, seine Zunge traf ihre, verband und duellierte sich mit ihr. Dann biß Scully auf seine Unterlippe - was er
mit einer komischen Grimasse quittierte. Mit einem entschuldigenden
Augenaufschlag zog sie sie zwischen ihre Lippen und linderte den Biß mit ihrer
umherwandernden Zunge.
Nun
rieb Mulder die zarten Falten ihrer Schamlippen. Scully schob ihre Hüften noch
höher. Sie begann, die vertrauten Zuckungen eines beginnenden Orgasmus zu
fühlen. "Ohh, hör nicht auf," murmelte sie. Und Mulder enttäuschte
sie nicht. Ihrer Bitte entsprechend führte er sanft seinen Zeigefinger in ihre
feuchte Öffnung. Er stoppte erst, als sein Finger so weit in ihr drin war, wie
es ging, sein Knöchel streifte ihre glänzend rosa Knospe.
Scully
sah Sterne. Als Mulder begann, sie zu befriedigen, sah sie winzige Lichtpunkte
tanzen. <Er ist unglaublich,> dachte sie mit Erstaunen. Sein Finger fuhr
leicht hinein und heraus. Scully fühlte, daß sie kam. Sie fühlte, daß sie am
Rande eine äußerst heftigen Orgasmus stand. Sie wollte ihn gerade aufhalten,
weil sie nicht wollte, daß diese Nacht ihr Lust bereitete, sondern ihm, als
Mulder etwas Unerwartetes tat. Scully fühlte eine warme, strukturierte
Schlüpfrigkeit an ihrer geschwollenen Klitoris.
Unmittelbar
erkannte Scully:
Ihr
süßer Mulder war jetzt da unten.
Sie
fühlte sich, als würde sie aus allen Nähten platzen. Nachdem seine Zunge nur
einmal über ihre hypersensible Zone geglitten war, war sie nicht mehr in der
Lage, sich zurückzuhalten.
Sie
kam... hart.
Der
Schrei zerschnitt die Stille des Wohnzimmers und verklang in der Lautlosigkeit
der Nacht. Mulder grinste, obwohl sein Mund die sensible Knospe der Lust seiner
Geliebten fest umschloß. Er überstand ihre krampfartigen Zuckungen und sonnte
sich in seiner Fähigkeit, Dana Scully all die Opfer, die sie während der
letzten Jahre für ihn gebracht hatte, auf eine kleine Weise zurückzuzahlen.
<Es
wird niemals genug sein,> erinnerte er sich selbst. <Aber es ist ein
Wahnsinnsanfang.>
Der
Rest von Scullys Orgasmus erschöpfte sich in aufatmendem Stöhnen und winzigem
Wimmern, bis sie schließlich gegen Mulder stieß und die Geräusche ihres
Höhepunktes abklangen. Scully bewegte sich matt, ihr Kopf fiel zur Seite. Ihr
Gesicht zeigte eine Zufriedenheit und Erfüllung, die Mulder nie zuvor gesehen
hatte. Er legte sich vorsichtig neben sie und sah den dünnen Schweißfilm auf
ihrer Oberlippe und ihrer Stirn. Er lehnte sich herüber und küßte sie über
ihrer linken Augenbraue.
Mit
einem leisen Glucksen fragte er "Wie war das?"
Scullys
Augenlider öffneten sich schwer und sie richtete einen feuchten Blick auf ihn.
"Ich bin froh, daß ich das nicht mehr zurückhalten mußte - die Geräusche,
die ich mache. Ich habe in genug Hotelzimmerkopfkissen gebissen deswegen,"
sagte sie ein wenig verlegen.
Mulders
Lachen wurde lauter. "So war das also! Ich hätte niemals gedacht, daß Du
ein Schreier bist, Scully," entgegnete er neckend. Als er die heftige Röte
sah, die ihre beinahe glühenden Wangen hinaufkroch, fügte er hinzu "Aber
es gibt nichts, was mich mehr abschreckt, als eine stille Frau." Er zeigte
sein patentiertes Grinsen.
Mit
einem untypischen Kichern antwortete Scully "Dann glaube ich, daß Du Dir
die richtige Frau ausgesucht hast, huh Mulder?"
"Das
ist richtig," sagte er. Er beugte sich herüber für einen weiteren Kuß. Sie legte ihre Arme um ihn. Dieser Kuß war
eine gemächliche Bekräftigung ihrer tiefen Verehrung füreinander, irgendwie im
Kontrast zu der wilden Hingabe, in der sie sich beide noch ein paar Momente
zuvor befanden. Schließlich lösten sie
sich voneinander und sahen sich tief in die Augen.
Worte
waren nicht notwendig - sie waren es nie wirklich.
Und
jetzt war es Scully, die zuerst sprach. "Mach es Dir nicht zu bequem, mein
Herr. Ich bin noch nicht fertig mit Dir," sagte sie.
"Oh?"
erwiderte Mulder. "Und was führst Du im Schilde?"
Sobald
er Scullys sanfte, anmutige Fingerspitzen seinen Penis berühren und streicheln
fühlte, wußte er genau, was sie vorhatte.
"Oh
nein!" rief er leise aus. "Nur Arbeit und kein Vergnügen machen aus Mulder
einen lustlosen Jungen," scherzte er.
"Was
auch immer Du mit mir machst, Mulder," schnurrte sie. "Du wirst niemals
ein lustloser Junge sein."
Mit
einem dummen Grinsen sagte Mulder "Du weißt, Scully, ich mag es wirklich,
wenn Du so unanständig mit mir redest!"
Scully
erwiderte sein Lächeln und erregte ihn wieder mit dem Wissen, daß sie dieses
Lächeln nur für ihn hatte.
<Zeit,
an die ‚Arbeit' zu gehen,> schalt er sich selbst. Als Scully ihn mit glitzernden
Augen ansah, zog er rasch sein T-Shirt aus und warf es achtlos zur Seite. Dann
streckte er seinen langen, schlanken Körper aus, bis er seine zarte Partnerin
praktisch unter sich eingehüllt hatte. Scully spreizte ihre Beine und er
brachte sich vorsichtig in Position - die Länge seines Penis stieß drängend
gegen die sensiblen Zonen ihrer Vagina.
Scully
keuchte, als sie das harte, feste Fleisch von Mulders Männlichkeit gegen ihre
Öffnung stoßen fühlte.
<Komm
schon rein,> dachte sie.
Mulder
ließ ein schnaufendes Lachen hören. "Nichts dagegen, Scully," sagte er,
seine Stimme voller Freude.
Sie
errötete wieder. "Gott, Mulder," sagte sie. "Du hast mich
wirklich in Verlegenheit gebracht, weil ich nicht sagen kann, ob ich es gedacht
oder tatsächlich laut gesagt habe." Sie konnte nicht anders, sie mußte
auch lachen und sich die Lächerlichkeit der Situation eingestehen.
Und
dann verließ sie alles rationale Denken, als Mulder noch einmal in sie eindrang.
Als er sich so tief er konnte, in ihr vergrub, zuckte Scully unkontrolliert vor
Lust. "Kannst Du fühlen, was Du mit mir machst?" fragte sie heiser.
Mulder
lächelte. "Oh yeah, Scully. Das ist gut," sagte er, während ihr winziger
Orgasmus vorüberging. "Aber das ist erst der Anfang," fügte er hinzu.
Scully
öffnete den Mund, um zu antworten, aber die Worte erstarben auf ihren Lippen,
als Mulder jetzt ernsthaft begann, in sie zu stoßen. Alles, ausgenommen das
Gefühl von Mulder in ihr, fiel von ihr ab. Nichts existierte nun in ihrem
Universum außer ihrem Liebhaber und sie selbst. Ihr Körper zitterte, er summte
förmlich in den Gefühlen, die sie nie zuvor in ihrem Leben erlebt hatte.
In
ihren früheren sexuellen Beziehungen hatte Scully nie mehr als einen Orgasmus
in einer Nacht. Manchmal hatte sie auch überhaupt keinen. Und eigentlich hatte
ihr Liebhaber meistens mehr Spaß im Bett als sie je hatte. Deshalb hatte Sex bisher keine besondere
Bedeutung in Dana Scullys Leben.
<Offensichtlich,>
tadelte sie sich. <Sechs Jahre ohne sind eine sehr lange
Zeit.>
Doch
als Scully von Ferne hörte, daß Mulder Liebesworte in ihr Ohr flüsterte,
erkannte sie erstaunt, daß Mulder sie wahrscheinlich noch mehrmals in dieser
Nacht zum Orgasmus bringen würde. Sie war jetzt nahe daran...
Mulders
Finger glitten über ihren Körper, bis sie ihre linke Brust fanden. Er strich mit seinen Fingerspitzen über ihren
erregten Nippel. Sie keuchte, als er sich schmerzvoll zusammenzog und härter
wurde. Der Schmerz wurde dadurch gelindert, daß er seinen Mund darauf legte und
zärtlich daran saugte.
Sie
sah zu Mulder herunter. Die Akrobatik, die er vollführte, um diese Art von
gleichzeitigem Verkehr und oraler Stimulation zu erreichen war erstaunlich. Die
Tatsache, daß er um einiges größer war als sie, konnte ihrer Wahrnehmung nicht
entgehen.
<Er
ist wie eine Brezel,> sinnierte sie. <Ich muß ihn fragen, wo er das
gelernt
hat.>
Nun,
die Wirkung, daß Mulder sie liebte, während er gleichzeitig ihre sensiblen
Brüste liebkoste, war sehr angenehm. Schon konnte sie das Zittern ihrer
wachsenden Erregung tief in sich fühlen.
"Fester,
Baby," murmelte sie. Mulder willigte glücklich ein. Er stieß tatsächlich
in ihr Becken, die klatschenden Geräusche ihres Zusammentreffens hallten laut
durch die Stille des Raumes. Jeder Stoß schickte einen Stromstoß durch Scullys
Körper, beginnend bei ihren Genitalien und sich in alle Richtungen ausbreitend.
Tropfen
von Mulders Schweiß spritzten auf ihre Brust und in ihr Gesicht. Zu wissen, daß
sein Schweiß davon herrührte, daß sie sich liebten, erregte sie noch mehr. Ein
Tropfen fiel auf ihren Mundwinkel. Sie schloß ihre Lippen und ließ ihre Zunge
sinnlich darübergleiten. Scully schmeckte die salzige Essenz ihres Liebhabers
über ihr und lächelte.
Er
sah dies und es entflammte ihn noch mehr, Mulder erreichte nun rasch seinen
Explosionspunkt. "Scully," stöhnte er erbärmlich.
Seine
Bitte war nicht umsonst. Sie hielt Mulders Gesicht in ihren zarten Handflächen
und sah in seine glitzernden Augen. Sie sah feurige Funken im Braun-Grün seiner
Iris. Sie verlor sich in diesen Tiefen und erkannte nun, daß die Intensität
ihrer Verbindung zu einem großen Teil ihrer tiefen Liebe und Achtung
füreinander entsprang.
<Das
ist es, was ich all die Jahre vermißt habe,> dachte sie.
Sich
vollständig dem wundervollen Druck, der in ihr wuchs, hingebend, antwortete sie
Mulder mit einer klaren und beruhigenden Stimme. "Ja, Mulder, ich weiß.
Gib es mir. Nur keine Angst." Sie hob ihren Kopf und gab ihm einen tiefen,
ihre Seele entblößenden Kuß.
Als
sie sich voneinander lösten, erhöhte Mulder das Tempo. Sein Atem kam stoßweise
und er hielt seine Augen fest geschlossen. Scully fühlte, daß sie den Gipfel
ihrer Lust rasch erreichte.
<Ja,
ja, ja,> sang sie in Gedanken. <Ja!>
"Oh
yeah, Mulder," wimmerte sie. Es war passiert... wieder. Zum zweiten Mal in
einer Nacht, stellte ihr Gehirn in einer weit entfernten Ecke fest. Sie packte
Mulders Rücken mit festem Griff und war vorbereitet, um den intensivsten
Orgasmus ihres Lebens zu erleben.
"Komm
für mich, Scully," flüsterte Mulder in ihr Ohr.
"Oh
Gott," schrie sie, als sie ihren Höhepunkt erreichte.
Scully
schloß ihre Augen und sah Blitze von strahlenden Farben in der Dunkelheit.
Diffuse Bilder von ihrem Leben mit Mulder drangen in ihr Bewußtsein und wehten
wieder davon, wie Schnappschüsse im Wind. Eine Hand, die sie hielt, ein
keuscher Kuß auf ihrer Stirn. Eine Szene eines fallengelassenen Mantels in
einem dunklen Hotelzimmer, gefolgt von einer angeregten Begegnung in Flur vor
Mulders Apartment. All die bedeutenden Momente, die Scully mit ihrem Partner
erlebt hatte, schwirrten durch ihren Kopf, begleitet von den Zuckungen purer
Erlösung, die sie in ihrem Körper erlebte.
Schließlich
ließ der intensive Sturm hinter ihren Augen langsam nach, so wie sich die
Flutwelle ihres Orgasmus legte. Sie hob ihre schweren Augenlider, um Mulder
anzusehen.
"Mulder,"
brachte sie atemlos hervor. Aber sie sah, daß Mulder jenseits der Möglichkeit
zu antworten war. An dem hingerissenen Ausdruck in seinem Gesicht erkannte
Scully, daß Mulder auf dem Höhepunkt seines eigenen Orgasmus war. Das Wissen
darum ließ sie wieder vor Lust zucken.
<Es
ist Zeit,> sagte sie ihm ohne Worte. <Gib es mir.>
"Yeah,
Mulder," säuselte sie sanft. "Komm, halt es nicht zurück."
"Oh,
Scully!" stöhnte er.
Er
stieß noch ein paarmal in sie und dann kam er. Mit einem lauten Aufstöhnen
zuckte er heftig und entleerte sich heiß in Scully und füllte lange unbeachtete
Lücken tief in ihr drin mit seinem Saft. Als Mulder ihren Namen hervorstieß und
er über ihr kollabierte, lächelte Scully. Das warme Gefühl, daß Mulder in ihr
gekommen war, verkörperte ihre tiefe Beziehung zueinander. Sie hielt nun einen
kleinen Teil von Mulder in sich, in ihrer Gebärmutter und in ihrem Herzen. Der
physische und emotionale Ausdruck ihrer Liebe brachte Tränen in ihre Augen. Sie
schossen hervor und hinterließen glitzernde Bäche auf ihren geröteten Wangen.
Nachdem
er seinen Atem wieder unter Kontrolle hatte, hob Mulder den Kopf. Als er sie weinen sah, fragte er "Was
ist los?" Tiefe Sorge und Verwirrung verdunkelten seinen Gesichtsausdruck.
Scully
schüttelte ihren Kopf und antwortete nicht. Sie war nicht in der Lage, sich in
diesem Moment zu artikulieren. Es kostete sie all ihre Kraft, um nicht vor
Mulder zusammenzubrechen und sie wollte ihm keinen falschen Eindruck
vermitteln. <Jeder Mann will, daß seine Geliebte nach dem Sex weint - ein
großer Vertrauensbeweis,> züchtigte sie sich selbst.
Statt
dessen lächelte sie für ihn unter Tränen an. Als Mulder dieses 1000-Watt-Lächeln
sah, das sie für niemand anderen, nur für ihn reserviert hatte, wußte er, daß
sie okay war.
Er
fühlte sich ein wenig verletzlich, aber er wollte sicherstellen, daß es keine
Mißverständnisse gab. Er lächelte zurück und sagte "Ich liebe Dich, Scully."
Er beugte sich herunter und gab ihr einen unschuldigen, aber liebevollen
feuchten Kuß auf die Wange. Er leckte herausfordernd die salzige Feuchtigkeit
ihrer Tränen mit seinen Lippen ab, er wollte sichergehen, daß Scully sah, daß
er ihr ihre frühere Gefälligkeit zurückgab.
"Ich
liebe Dich auch, Mulder," sagte sie einfach. Sie griff nach ihm und schenkte
ihm eine tröstliche Umarmung. Ihre rasch abkühlenden Körper waren miteinander
verflochten und förderten die Illusion ihrer Verschmelzung.
Ihr
Adrenalinspiegel, der sich während ihrer heftigen Aktivitäten aufgebaut hatte,
sank schnell und eine zufriedene Mattigkeit befiel beide. Als Scullys Augen
zufielen, streichelte sie Mulders feuchtes dunkles Haar. Sie sah, daß er unter
den tiefen Mantel des Schlafs rutschte.
"Wünschst
Du nicht manchmal, wir könnten diesen Schießstand stürmen und zusammen
irgendwohin gehen?" hörte sie Mulder erschöpft murmeln.
Sie
konnte nur vermuten, daß er ihre Arbeit beim FBI meinte. Sie seufzte.
"Ja,
mehr als alles andere," stimmte sie zu.
"Das
Leben ist grausam, nicht wahr, Scully?" fragte er, bevor er abglitt.
"Aber
manchmal machst Du es für mich ein bißchen weniger grausam, Mulder," antwortete
sie wahrheitsgemäß. Sie sah herunter zu Mulder, der seinen Kopf in ihre rechte
Armbeuge gelegt hatte.
Er
hatte sie nicht mehr gehört. Mulder war in einen erschöpften Schlummer gesunken.
Scully
küßte ihn leicht auf die Stirn und legte sich zurück, ließ sich von der Nacht
in ihre liebkosende Umarmung nehmen.
7:15
am
Die
Nacht wurde schließlich zum Morgen.
Er
kam viel zu schnell.
Der
traumhafte Zauber des vergangenen Abends zerbrach unbarmherzig.
Scully
rührte sich. Zuerst hatte sie keine Ahnung, wo sie war oder wie sie dahin
gekommen war. Sie öffnete ihre Augen in dem schwachen Sonnenlicht, das durch
die Schlitze der Jalousie in ihr Wohnzimmer drang.
<Zuhause,>
dachte sie aufgeregt.
Scully
streckte sich matt wie eine zufriedene Katze und unterdrückte ein Gähnen. Sie
sah an sich herunter. Sie war nackt, wie an dem Tag, als sie geboren wurde.
<Oh,>
jetzt erinnerte sie sich. Mulder. Ein breites Lächeln überzog ihr strahlendes
Gesicht. Ein Gesicht, das wie sie wußte fremd an ihr aussah, ein Gesicht, das
sie nicht gewöhnt war, zu machen.
Die
Dinge hatten sich geändert, dachte sie bei sich selbst. Sie sah sich um und
fragte sich, wo Mulder war. Und dann, als sie ihren Kopf wieder zurück zum
Fenster drehte, sah sie ihn.
<Und
einige Dinge ändern sich nie,> mußte Scully zugestehen. Scully warf einen
Blick in Mulders finsteres, gequältes Gesicht und sie wußte, daß die letzte
Nacht tatsächlich nicht alles geändert hatte.
Während
sie dalag, sah sie Mulder starr aus dem Fenster blicken. Das Morgenlicht, das
durch die halbgeöffneten Blenden fiel, zeichnete ein trübe gestreiftes Muster
aus Licht und Schatten auf Mulders Gesicht und seinen nackten Körper. Scully
wünschte. sie könnte ihren Liebhaber ansehen und einfach seine physische
Spannkraft bewundern, aber die Spannung und Aufregung, die praktisch in
schmerzvollen Wellen von seinem Körper ausgingen, fegten all diese Bedürfnisse
hinweg.
Vorsichtig
sprach sie. "Mulder," krächzte sie in einem trockenen Flüstern. Ihre ekstatischen Schreie der letzten Nacht
holten sie nun ein. Mulder hatte sie entweder nicht gehört oder zog es einfach
vor, nicht zu reagieren. Scully räusperte sich laut und stand auf mit wackligen
Beinen. Still ging sie herüber zu Mulder
und legte ihre Arme um seine Hüften. Zuerst
reagierte er überrascht, als wäre er sich nicht bewußt gewesen, daß sie im Raum
war. Langsam entspannte er sich und Scully festigte ihren Griff.
"Was
ist los?" fragte sie ihn mit heiserer, sinnlicher Stimme, wie sie nur Liebende
hatten. Sie sah genau in dem Moment auf, als Mulder langsam seinen Kopf
schüttelte, aber sein ferner Ausdruck sagte ihr, daß er ihr nicht wirklich
zuhörte. Sie beschloß zu warten, bis er bereit war zu sprechen. Sie schmiegte sich zwischen seine
Schulterblätter und küßte ihn dort.
Schließlich
sprach Mulder. "Ich habe gerade mit Skinner geredet," murmelte er.
Als Scully nichts sagte, fuhr er fort. "Möchtest... möchtest Du zuerst die
gute oder die schlechte Nachricht hören?" Er sah über seine Schulter hinweg
zu Scully. Als er ihr Gesicht nicht sehen konnte, drehte er sich in ihren
Armen, bis er sie ansah.
Die
Probleme bedenkend, die er heute Morgen entdeckt hatte, beabsichtigte Mulder
ganz und gar, ein fachliches Gespräch mit Scully zu führen, als wenn sie einen
Fall in ihrer Arbeit besprechen würden. Aber Haut an Haut mit seiner
überwältigenden und nackten Partnerin fühlte er seine Entschlossenheit schnell
schwinden. Die Tatsache, daß sie zu ihm aufsah mit diesen großen unschuldigen
blauen Augen machte die Sache nicht einfacher.
Seine
Gesichtszüge wurden weicher und er beugte sich herab und gab Scully einen
tiefen Kuß. Er zog sich langsam zurück und lächelte sie süß an. "Guten Morgen," sagte er zu ihr.
Scully
gab sein glückseliges Lächeln zurück. "Dir auch einen guten Morgen," tadelte
sie ihn, als sie ihm einen Stoß in die Rippen gab. Sie befreite sich aus seiner
Umarmung und eilte zurück zum Sofa. Sie bückte sich und hob ihren vorher
abgelegten Seidenmantel vom Abend vorher auf. Sie zog ihn über und ging wieder
zu ihrem Partner zurück.
"So,
Du hast also mit Skinner geredet," fragte sie zwanglos und versuchte ihre
wachsende Unruhe zu verbergen.
Mulder
hatte gerade seine Boxershorts angezogen und versuchte, sein T-Shirt über den
Kopf zu ziehen. "Mmmh," hörte sie ihn zurückmurmeln von irgendwo in
seinem T-Shirt. Schließlich kam sein Kopf aus dem dafür vorgesehenen Loch
heraus. "Die schlechte oder die gute Nachricht?" fragte er noch einmal.
Ihre
Arme defensiv vor ihrer Brust gekreuzt, antwortete Scully mit einem Achselzucken
"Deine Wahl."
Für
einen Moment zeigte sich ein ärgerlicher Ausdruck auf Mulders Gesichtszügen,
aber sie wußte, daß er nicht ihr galt. Dann tat er einen erschöpften Seufzer
und antwortete "Skinner sagt, daß das OPR noch einmal zusammenkommt,
diesmal um zu entscheiden, ob wir wieder den X-Akten zugeteilt werden oder
nicht." Er sah frustriert weg und versuchte, den Anschein von Ruhe zu
bewahren.
Scully
saß da, mit vor Staunen offenem Mund, die Farbe wich aus ihrem Gesicht.
"Aber wir wurden gerade überprüft. Die X-Akten wurden wiedereröffnet!"
rief sie aus.
Mulder
fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes, stachliges Haar. "Anscheinend ist sich das OPR nicht ganz
sicher, ob wir die geeigneten Agenten sind, ihnen zugeteilt zu werden,"
sagte er bitter.
Scully
war verblüfft. "Was?" sagte sie mit schriller Stimme. "Du willst
mich veralbern, nicht wahr?" Als er traurig seinen Kopf schüttelte, wurde sie
wütend. "Das ist einfach lächerlich! Wir waren der Grund, weswegen die X-Akten
überhaupt wiedereröffnet wurden!" brüllte sie.
"Das
habe ich Skinner auch gesagt," sagte er leise zu ihr.
"Ich
kann das nicht glauben," sagte Scully ungläubig.
Mulder
schenkte ihr einen mitfühlenden Blick und griff nach ihrer Hand. Er schüttelte
langsam seinen Kopf und sagte "Ich auch nicht, Scully." Er fuhr sich
mit seiner freien Hand erschöpft über das Gesicht. "Ich meine, Skinner sagte,
daß sie bereit sind, unsere Arbeit jemand anderem zu übertragen, aber er hat
für uns interveniert und uns eine Anhörung verschafft."
Ihr
Interesse wuchs trotz ihres Ärgers. "Wen wollen sie an unserer Stelle nehmen?"
Mulder
zuckte die Achseln. "Ich weiß nicht. Aber wir haben eine Chance, wenn wir
die Stichhaltigkeit unserer Untersuchungen der Verschwörung nachweisen
können," antwortete er gleichmäßig.
Scully
atmete frustriert aus und wandte sich wieder Mulder zu. Sie lehnte sich zurück
und bemühte sich, den Sturm der Gefühle, der tief in ihr tobte, zu zügeln.
"Was
ist nun die gute Nachricht? Ich könnte jetzt sicher eine gebrauchen," witzelte
sie mit einer Leichtigkeit, die sie tatsächlich in diesem Moment nicht empfand.
"Das
war die gute Nachricht," antwortete Mulder. Sein Gesicht offenbarte eine
versteckte Qual, gegen die er ankämpfte.
"Wie
bitte?" fragte sie, ihre Augenbraue verstört hochziehend.
Mulder
seufzte abermals und trat näher an Scully heran. Sie sah ihn mit Besorgnis an.
Ihre anfängliche Unruhe wuchs beinahe zur Panik. Mulder blickte nervös drein,
er fürchtete sich offensichtlich vor seinen nächsten Worten. Er legte sanft
seine Arme um ihre Schultern, fast wie eine schützende Geste.
<Oh,
das wird nicht gut gehen,> wußte sie.
"Scully,"
begann er. "Skinner ließ uns wissen, daß das OPR jetzt jeden unserer
Schritte überwacht. Alles, was wir tun, wird genauestens überprüft. Sie wollen den Beweis, daß wir die besten
Agenten für diesen Job sind - daß wir dieser Untersuchungen würdig sind. Ich
hoffe, daß die Nebenbeiarbeit, die ich gemacht habe, um die verbrannten Akten
wieder zusammenzusetzen, sie überzeugen werden, zu..."
"Mulder,"
unterbrach Scully ihn.
"Huh?"
"Die
schlechte Nachricht?" verlangte sie. Ihre Geduld war an diesem Morgen verdammt
dünn.
Mulder
schaute weg, unfähig Scully anzusehen. Nun nahm er all seine Kraft zusammen und
bereitete sich vor, ihr die Wahrheit zu sagen.
"Sie
betrachten und bewerten alles, Scully," ein niedergeschlagener Ton begann,
sich in seine Stimme zu schleichen.
"Und
das bedeutet, auch unser Privatleben." Mulder drehte seinen Kopf, und Scully
sah den untröstlichen Ausdruck in seinem Gesicht.
Plötzlich
wurde ihr klar, was er da sagte. "Nein," stöhnte sie schwach in totalem
Unglauben. "Nein!" sagte sie eindringlicher. Sie erhob sich von ihrem
Sofa und begann, ruhelos durch ihr Wohnzimmer zu laufen.
"Das
können sie nicht tun!" schrie sie und versuchte, sich selbst zu überzeugen,
daß ihre Worte wahr waren. "Sie können nichts dagegen tun!" Scully
kämpfte ihre Tränen nieder, die diesmal Tränen unfähiger Wut waren.
Mulder
fing sie in ihrem Umherlaufen ab. Er stellte sich ihr in den Weg und hielt ihre
Arme sanft mit seinen weichen Händen.
"Sie
können und sie werden, Scully," sagte er. "Auch wenn das, was wir
tun, nicht strikt verboten ist, unsere Beziehung wird vielleicht genug für sie sein,
uns abzuhängen - uns die X-Akten zu verweigern," schlußfolgerte er.
Scully
schob Mulder beiseite. "Und darauf läuft alles hinaus, huh?" fragte sie
ihren Partner und fühlte sich verraten. "Wir müssen eine Wahl treffen - entweder
die Chance auf Liebe und Glück oder die X-Akten!" Scully fühlte, wie sich
ihr Magen unangenehm umdrehte und sie mußte die Welle von Übelkeit bekämpfen,
die sie überrollte.
"Das
ist eine Wahl, die wir besser nie treffen sollten, Scully," sagte er zu
ihr, während sie zitternd in der Mitte ihres Wohnzimmers stand. "Aber es läßt
sich nicht ändern. Jetzt haben wir die Frage zu beantworten: was sollen wir
tun?"
Scully
wollte nichts mehr hören. Gerade als sie dachte, sie könnte alles haben, zog
ihr irgendwer den verdammten Boden unter den Füßen weg.
So
wie sie es immer tun.
<Was
wollen sie denn noch von mir?> schrie ihr Verstand voller Verzweiflung. Sie
hatten ihr praktisch alles genommen, was ihr lieb war. War Mulder der nächste?
Mulder
ging einen Schritt auf Scully zu und schloß sie in eine tröstende Umarmung.
Zuerst wollte sie sich widersetzen und ausfallend gegen ihn werden in ihrer
Frustration. Aber schließlich gab sie den Gedanken auf. Mulder traf keine Schuld, sagte sie sich. Sie
sank in seine Arme und ließ die Tränen kommen.
Ihr
Weinen begann leise, aber bald schon wurde es zu einem unkontrollierten Schluchzen.
Scullys qualvolles Wimmern zerriß Mulder das Herz, bis er seine eigenen Tränen
nicht länger zurückhalten konnte. Sie hielten einander ganz fest, sie
fürchteten sich davor, den anderen loszulassen und beklagten den Moment, in dem
sie es schließlich mußten.
Mulder
hatte sich als erster wieder unter Kontrolle. Ein wenig schniefend fragte er so
sanft wie er konnte "Willst Du, daß ich aufhöre zu suchen? Ich würde alles
für Dich aufgeben, Dana. Die X-Akten bedeuten mir nichts ohne Dich."
Scully
rieb ihre geröteten, geschwollenen Augen. Sie lächelte ihn an. "Ja, ich
glaube, Du würdest alles aufgeben." Sie senkte ihren Blick und vergrub sich
tiefer in Mulders Armen. "Aber es wäre nicht fair Dir gegenüber, Mulder...
oder mir gegenüber," erklärte sie.
"Wir
würden der Wahrheit den Rücken kehren und Du weißt das."
Mulder
küßte Scully leicht auf die Stirn.
"Was
wir zusammen haben, Scully, ist auch die Wahrheit."
Sie
hob wieder ihren Kopf und nahm sein Gesicht in ihre zitternden Händen.
"Wir
haben einander unsere Gefühle gestanden, wir haben sie uns bewiesen. Das wird sich niemals ändern, Mulder, was
immer auch passiert," versuchte sie ihn zu beruhigen.
"Unser
Zusammenleben wäre umsonst, wenn wir den Kampf jetzt aufgeben. Alles, was wir gesehen haben... alles, was
wir verloren haben. Wir können jetzt nicht aufgeben. Wir müssen die X-Akten
zurückbekommen," sagte sie. Nach
einer langen Pause nickte Mulder zustimmend.
"Du
hast recht," antwortete er.
Mulder
gab ihr langen, leidenschaftlichen Kuß. Es schien, als würde er für immer
dauern. Die Vergangenheit, die Gegenwart und die mögliche Zukunft - alles zog
im Geist an Mulder vorüber in der kurzen Zeit, in der er sich in Scullys
sinnlichen Lippen verlor.
"Gut,
wir haben immer noch ‚irgendwann', das auf uns wartet, richtig?" fragte
er, als er sich widerwillig aus Scullys Umarmung löste.
"Yeah,
irgendwann," wiederholte Scully. Mit einem traurigen Lächeln auf ihrem
Gesicht und dem Schmerz in ihrem Herzen ließ sie ihn gehen.
Wortlos
zog Mulder seine Sachen an und hob die Dinge auf, die er in der letzten Nacht
mitgebracht hatte, dann ging er zu ihrer Wohnungstür.
Im
Foyer drehte er sich um und hielt ihr die Flasche Wein hin.
Scully
schüttelte den Kopf und schob sie sanft zur Seite. "Nimm sie," sagte sie
leise.
Mulder
hielt inne, von einem Bein aufs andere tretend, offensichtlich unsicher
darüber, wie er sich verabschieden sollte.
Scully
ergriff die Initiative. Sie umfaßte mit einer Hand seinen Nacken und brachte
seine Lippen an ihre. Die Liebenden küßten sich ein letztes Mal - es war ein
Abschiedskuß.
Aber
vielleicht nicht für immer.
"Ich
sehe Dich am Montag, Partner," sagte Mulder, als er umdrehte, um die Tür
zu öffnen.
"Ja,
bis dann, Mulder," kam ihre Antwort.
In
der offenen Eingangstür wirbelte Mulder herum, er wollte einen letzten Blick
auf Scully als seine Geliebte werfen. Er beugte sich nahe zu ihr herunter und
sagte "Ich liebe Dich - vergiß das nie."
Sie
strich mit ihrer Hand über seine stoppelige Wange und erwiderte unter neuerlichen
Tränen "Ich werde es nicht vergessen. Ich liebe Dich auch."
Und
dann war er gegangen. Sie schloß die Tür mit tauben Fingern. Sie konnte durch
ihren verschwommenen Blick nicht sehen, um den Riegel vorzulegen. Sie ließ es
wie es war.
Sie
ging gedankenverloren zum Fenster hinüber. Durch die Schlitze der Jalousie sah
sie Mulder in sein Auto steigen. Sie sah ihn dort einen Moment lang sitzen,
direkt zu ihr heraufschauend. Sie war nicht sicher, ob er sie sah, aber als er
die Finger seiner linken Hand an seine Lippen legte und dann zu ihr wandte,
wußte sie es.
Scully
legte ihre eigenen Finger an ihre Lippen und stellte sich vor, daß sie
tatsächlich seinen Kuß fühlen konnte, der sie über die Entfernung erreichte.
Sie wischte die Tränen von ihrem Gesicht und dann winkte sie Mulder nach als er
davonfuhr.
"Irgendwann,
Mulder," sagte Scully leise zu sich selbst.
ENDE
Long before I knew
I'd be making love to you
I dreamed that maybe I would one day
lose myself in someone, someday...