NACH DEM REGEN
(Originaltitel: After The Rain)
von Imajiru
Übersetzt von Alia < Alia.@gmx.de >
Translators note: Sicher gibt es einige
weitaus bessere Geschichten, dennoch habe ich diese Geschichte übersetzt, weil
sie die erste FF war, die ich in Englisch gelesen habe und sie mir einfach
gefiel. Ich danke demjenigen, der den
Thesaurus erfunden hat ;-) , Ree,
Verena und v.a. Barry.
Mir war langweilig, also
habe ich dies hier geschrieben
DISCLAIMER: Bin ich Chris Carter? Nein. ...Genug gesagt.
DISTRIBUTION: Bitte, nur
zu. Bitte archivieren.
SPOILER: Keine
RATING: PG
KLASSIFIKATION: Geschichte
/ Story
ZUSAMMENFASSUNG: Nur nach
dem Regen, kannst du wieder leben...
After the rain washes away the tears
And all the pain
Only after the rain
Can you live again
(Nachdem der Regen die
Tränen wegspült
Und all den Schmerz
Nur nach dem Regen
Kannst du wieder leben)
*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*
Das Apartment lag im 2.
Stock, gleich neben einer der letzten Hochbahnlinien der Stadt; jede
vorbeifahrende Bahn entsandte ein kreischendes Dröhnen, das durch das Gebäude
widerhallte. "Apartment": eine hochtrabende Bezeichnung für einen einzigen
Raum mit einem winzigen Badezimmer. Letzteres kaum groß genug eine Toilette,
ein Waschbecken und eine Dusche unterzubringen, Ersteres gerade groß genug, ein
paar Küchenutensilien, eine zusammengebrochene Anrichte, einen kleinen
Fernseher auf einem Pappkarton und eine Doppelmatratze zu fassen.
Tom Davis erwachte am
Montagmorgen durch den schrillen Alarm des Weckers, der mit dem Tosen eines
vorbeifahrenden Zuges zusammenfiel - der Heizung des Hauses war wieder einmal
ausgefallen und das Apartment war kalt - aber da war eine wundervolle solide
Wärme an ihn gekuschelt und das erleichterte die Pein des Morgens gerade so
weit, dass sie erträglich wurde.
"Unghh."
Hellbraune Locken regten sich auf ihrem Kissen, ihre Augenlider schlugen auf
und verschlafene Augen schauten in seine. "Morgen? Jetzt schon?"
"Ja,"
murmelte er und überbrachte die schlechte Nachricht mit einem Kuss - zur Hölle
mit dem Morgenatem, Lisa zu küssen, war immer schön.
Dann war es eine
furchtbare Eile, fertig zu werden. Sie duschten zusammen wie gewöhnlich, nicht
als erotische Handlung, sondern aus purer, schneller Zweckmäßigkeit - es gab
nie genug heißes Wasser für zwei, um nacheinander zu duschen. Sie zitterten
gemeinsam, als sie ihre dürftige Sammlung an Second-Hand-Klamotten
durchstöberten, auf der Suche nach etwas zum Anziehen, und sprangen in Jeans
und Sweatshirts so schnell sie konnten.
Gemeinsam zogen sie ihre Mäntel an, schnappten sich Brief- und
Handtaschen und andere Dinge und verließen das Apartment, Lisa blieb stehen, um
die drei einzelnen Türschlösser hinter ihnen zu schließen.
Ein rauher
Morgensturm blies eisig durch ihre viel zu dünnen Mäntel, als sie
händchenhaltend und sich durch den Wind kämpfend auf dem Weg zur U-Bahn waren.
Nachdem sie drei Blocks so gegangen waren, erreichten sie schließlich das
Lokal, das sie an vier von fünf Tagen mit Frühstück versorgte: Zehn luxuriöse
Minuten verweilten sie über Kaffee und Donuts an
einem der warmen Tische im hinteren Teil, in denen sie händchenhielten
und leise über die Trivialitäten ihres Lebens sprachen. Welches
Fertignudelgericht fürs Abendessen? Hatten sie genug U-Bahn-Tickets, um zur
Arbeit zu kommen bis zu ihren nächsten Lohnzahlungen? Konnten sie es sich
leisten, sich mit einer verbilligten Filmmatinee dieses Wochenende in Unkosten
zu stürzen?
Dann erkämpften sie sich
ihren Weg durch den überfüllten
Bahnsteig, bahnten sich ihren Weg in einen vollgestopften Zug, Bauch an
Bauch aneinander gedrängt durch die Menschenscharen der Rush hour. Tom überlegte, dass es eigentlich unglaublich
erregend wäre, wenn der Zug nicht so verdammt klaustrophobisch gewesen wäre. So
wie die Situation lag, war der Zug so überfüllt, dass es für ihn nur
geringfügig erregend war, gegen seine Frau gepreßt zu
werden. Lustlos lehnte sie ihren Kopf an seine Brust und er legte einen Arm
fest um sie und hielt sich mit dem anderen an einem Griff über ihm fest, wobei
er versuchte das Gleichgewicht zu halten, während der Zug hin und her
schwankte.
Umsteigen
: Tom und Lisa stiegen in den
viel weniger vollen Lokalzug, wo sie Seite an Seite in die Sitze sanken für die
zweite Etappe der Reise. Wiederum eine
kurze Gelegenheit, sich nahe zu sein, sich in die Arme des anderen zu kuscheln
- dann kam ihre Haltestelle und es war Zeit, den Bahnhof zu verlassen und den
Bus zu erreichen. Manchmal, wenn das Wetter gut war und sie genug Zeit hatten,
liefen sie und sparten das Fahrgeld, aber bei der heutigen Kälte stellte sich
diese Frage gar nicht erst, nicht wo Lisa in der letzten Woche erst knapp über
eine schwere Erkältung hinweggekommen war; Glücklicherweise wartete der Bus,
sie zahlten das Fahrgeld und eilten hinein.
Der Bus schlingerte und
ratterte über Straßen, die voller Schlaglöcher waren, fuhr vorbei an schäbigen
Gebäuden und Wohnhäusern, aus Ziegelstein gebaut, hinein in den
Lagerhaus-Bezirk. Gemeinsam stiegen sie aus dem Bus, gemeinsam gingen sie einen
halben Block - vorsichtig, denn der Gehsteig war eisbedeckt und trügerisch -
gemeinsam standen sie in der Schlange, um ihre Zeitkarten zu stempeln, und
trennten sich an der Treppe mit einem zu kurzen Kuss. "Bis später, Lisa," murmelte er, ihre Hand festhaltend, um die Berührung
eine Sekunde länger auszukosten.
"Bis Später, Tom," antwortete sie und ließ seine Hand mit Bedauern los.
Lisa stieg die Treppe zum
Büro hinauf, wo sie arbeitete und Tom verweilte noch eine zusätzliche Minute,
um sie gehen zu sehen - dann hastete er die Treppe hinab in die Fabrik und
schaffte es gerade noch vor dem Läuten der Morgensirene zu seinem Arbeitsplatz.
Die anderen Jungs waren
schon da: Larry, der mit Juanita aus der Fabrik schlief, aber eine Frau daheim
hatte. Joe, der gerade die High School hinter sich gebracht hatte, immer in
Gedanken bei der Band, in der er Gitarre spielte. Mike, verheiratet, zwei
Kinder, der nie aus der "Gegend" herausgekommen war, der sein ganzes
Leben im selben zehn quadratkilometergroßen Gebiet
gearbeitet und gewohnt hatte. Carlos, der immer darüber tönte, aus dem Haus
seiner Mutter auszuziehen und es nie wahr machte. Das
Radio war an, eingestellt auf einen Latinosender, den
Carlos und Larry lieber mochten; am Nachmittag würden Joe, Mike und er selbst
die Oberhand gewinnen und statt dessen einen Rocksender einstellen, aber im
Moment gab es nur den unablässigen Takt der spanischen Musik, der die Geräusche
der Fabrik übertönte.
Dann brachte Erin McKesson die erste Fuhre und der Arbeitstag begann.
Seit den letzten sechs
Wochen war es ein und die selbe Sache, vier Stunden
pro Schicht, zwei Schichten pro Tag, fünf Tage die Woche: kleine Plastikbeutel
voller Nägel versiegeln. Nicht alle Aufträge waren gleich - manchmal waren es
Schrauben oder Bolzen, manchmal waren es große Plastikbeutel. Aber im
wesentlichen war der Job immer der selbe, weil es war,
was die Firma tat: sie verpackten Dinge in kleine Beutel, versahen sie mit Strichcodeaufklebern
und dann packten sie sie in größere Beutel und versahen *diese* dann mit
Strichcodeaufklebern und danach - und das war die eigentliche Ironie-
verschifften sie das Ganze zu einem militärischem Verteilungszentrum.
Nach allem, was sie durchgestanden
hatten, endeten sie als Arbeiter für einen *Regierungs-Unterlieferanten*. ‚Wer
sagt, Gott hatte keinen Humor?,' dachte Tom mit einem
kleinen Grinsen.
Lisas Job war wenigstens
geringfügig interessanter als seiner. Sie war oben im Büro, tippte DD250-Formulare
für die Verschiffung, machte Rechnungen fertig und so weiter. Ihr Job war es,
der den Löwenanteil der Miete bezahlte, denn sie verdiente fast das Doppelte
von ihm. Der zusammengerechnete
Gesamtbetrag ihrer Gehälter war weniger
als der Durchschnitts-College-Absolvent bei einem
Teilzeitjob verdiente...
Doch Tom und Lisa hatten
keinen Collegeabschluß. Tom und Lisa hatten gerade
einmal Geburtsurkunden und Sozialversicherungsnummern. Und so hatten Tom und
Lisa Davis schlecht bezahlte Jobs in einer Fabrik in Brooklyn, ein mieses
Appartement in einer ausgesprochen schlechten Gegend in Queens, ein Bankkonto,
das sich nie über eine dreistellige Summe hinausbewegte und eine Kreditkarte,
die immer am Limit war...
Andererseits hatten Tom
und Lisa sich gegenseitig.
Die erste Schicht verging
schnell, die Sirene ertönte und während die anderen Jungs sich am Imbißwagen anstellten, der draußen parkte, erklomm Tom die
Stufen zum Büro. Lisa saß an ihrem Schreibtisch, fleißig Daten in den Computer
tippend - sie fühlte seine Anwesenheit, wie sie es immer tat, und drehte sich
herum, um ihn mit glänzenden Augen und einem warmen Lächeln zu begrüßen.
Während die anderen Büroarbeiter sich die Pizza teilten, für die sie
zusammengelegt hatten, suchten sich Tom und Lisa eine ruhige Ecke und teilen
sich ein mageres Räucherwurst-Sandwich, was alles darstellte, das sie fürs
Mittagessen im Kühlschrank hatten- es war nicht genug Essen für eine Person,
nicht annähernd genug, um zwei satt zu kriegen.
Sie nahmen die Liebe in
den Augen des anderen in sich auf und waren zufrieden.
Vier weitere
Stunden und es war vorbei, Lisa traf ihn an der Stechuhr wie sie es immer tat.
Der Zug war während der Heimfahrt genauso überfüllt und der Wind sogar noch
heftiger, als sie sich die Straße hinunter mühten. Sie hielten an dem kleinen
Lebensmittelgeschäft an der Ecke, gerade solange um sich aufzuwärmen und ein
paar Sachen zu kaufen: ein paar Dosen Pseudo-Markencola, ein Laib Brot zum
halben Preis, mehrere Tage über dem Haltbarkeitsdatum, ein viertel Pfund
Bologna fürs Mittagessen, ein drittel Pfund geschnittenes Nackenfleisch und
eine eingebeulte Dose mit gemischtem Gemüse. Tom trug die Tasche und Lisa schloß die Eingangstür auf und müde trotteten sie die Treppen hoch zu ihrem Appartement.
Eine halbe Stunde später,
gab es Abendessen: ein Fertignudelgericht zusammen mit Erbsen, Karotten und
Hamburgern, um es wenigstens einer Mahlzeit ähneln zu lassen. Lisa verteilte
das Gemisch auf die zwei einzigen Teller, die sie besaßen, dann aßen sie im
Schneidersitz auf der Matratze - wieder war es kalt, also kuschelten sie sich
eng aneinander mit der durchgewetzten Decke um ihre Schultern, während die
Abendnachrichten unbeachtet im Hintergrund im Fernseher ertönten.
Nach kurzer Zeit stand
Lisa auf, ging in Richtung Bad und tauchte verwandelt wieder auf: das
Satinnachthemd war in einem Wohlfahrtsladen gekauft, aber es saß angegossen wie
eine zweite Haut. "Du wirst darin erfrieren,"
warnte Tom, auch wenn seine Augen die Erscheinung vor ihm verschlangen und ihr
Anblick sofort Blut in seine Leistengegend schickte.
"Du wirst mich
warmhalten," sagte sie ironisch, während sie sich
neben ihm auf dem Bett niederließ.
Er schlang die Decke und
seine Arme um sie; Lisa schmiegte sich eng an ihn und küsste ihn. Sie kicherte
bei ihren Atemzügen, als sein Bart ihr Gesicht kitzelte. Sie schob ihn
rückwärts auf das Bett und landete auf ihm...
Und obwohl es kühl war in
dem Apartment, bemerkte keiner von ihnen diese Tatsache für einige Zeit.
*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*
Fox Mulder war tot.
In schwarz gekleidet,
stand sie an dem Grabstein, der seinen Namen trug, hörte kaum die Platitüden, die der Priester von sich gab, als er den
Gottesdienst hielt. Nach allem, was sie gesehen und getan hatten, nach allem,
was sie durchgemacht hatten, mußte es so enden...
Die Anteilnahme an dem
Begräbnis war spärlich. Wer würde sich schon damit belasten wollen, um die unerwünschteste Person des ganzen FBI's
zu betrauern? Skinner hätte es, aber er war schon gegangen... Bitterkeit
durchströmte sie, und Bedauern. So sollte es nicht sein. Nur wenige einzelne
Gestalten standen im Regen und ein paar dunkle Schatten, die den Rand des
Friedhofs in zurückhaltender Beobachtung aufsuchten.
So hätte es nicht enden
sollen.
Sie stand allein und
niemand wagte es, näher zu kommen; sie trug ihren Kummer wie ein Kleid. Sie
stand lange genug, um mit der Hand über den neuen Grabstein zu streichen, in
einem endlosen Augenblick des Kummers.
Und dann verließ sie den
Friedhof, lief zügig durch den Regen, als ob sie so alles hinter sich lassen
könnte, Tränen mischten sich mit den Regentropfen auf ihrem Gesicht.
Die gemietete Limousine
sollte sie nach Hause bringen, statt dessen ließ sie
sich am Park absetzen. Sie lief eine Weile in Gedanken versunken, dann nahm sie
die U-Bahn nach Virginia. Dort an der Bahnstation winkte sie ein Taxi heran und
ließ sich trotz dieser teueren Fahrt zu einem kleinen Einkaufszentrum in
Maryland bringen.
Wieder lief sie eine
Weile, sichergehend, dass ihr niemand gefolgt war, bevor sie auf ein
unscheinbares Haus zusteuerte.
Mit dem Schlüssel, den sie
bekommen hatte, ließ sie sich hinein, lief durch ein lächerlich normal
aussehendes Wohnzimmer auf die Kellertür
zu und trottete müde die Treppe hinunter.
"Es ist vorbei," berichtete sie mit einer Stimme, die rauh war vom Weinen.
Zwei von ihnen sahen nicht
von ihrer Arbeit auf, sie tippten weiter geschäftig an den Computern, um die
nötigen Arrangements zu treffen. Der Dritte sah gerade lange genug von seinem
behelfsmäßigen Arbeitsplatz auf, um ihr einen mitfühlenden Blick zuzuwerfen -
und der Vierte im Raum Anwesende erhob sich von der Couch, auf der er sich
ausgestreckt hatte, und kam zu ihr. Sie fiel in seine Arme und schmiegte sich
an ihn. Sie war zu ausgelaugt von der emotionalen Achterbahn der letzten paar
Tage, um sich darum zu scheren, was man von der Umarmung denken könnte; und
einmal mehr schmerzten Tränen, die sie kaum unterdrückte, in ihren Augen.
"Schhhh," murmelte er und streichelte ihr Haar langsam in
sanften Zügen.
"Es ist alles o.k., Scully. Es ist alles o.k."
Aber es würde nie mehr
alles o.k. sein. Nicht wirklich.
"In Ordnung, wir sind
fertig, "informierte einer ihrer Verbündeten, während er
nach oben griff, um mit einem Finger seine Brille zurück in ihre Position auf
seinem Nasenrücken zu schieben. Seine Augen fanden einen Moment lang die ihren,
dann glitten sie weg, unfähig ihrem Blick zu begegnen. "Ich weiß, Sie
sagten, dass Sie es nicht auf diese Weise wollten, aber... die einzige
plausible Art, um das zu tun, ist es daraus einen Selbstmord zu machen."
Sie seufzte, "Das
wird meine Mutter umbringen," murmelte sie, in
der verzweifelten Hoffnung, dass ihre Worte lediglich so dahergesagt waren,
dass ihre Mutter den Verlust noch eines anderen Kindes aushalten könnte...
"Tut mir leid," murmelte Langly, drehte
sich rasch zurück zu seinem Computer, als ob es ihm recht war, der unangenehmen
zwischenmenschlichen Kommunikation zu entkommen.
Und sie drehte sich zurück
zu dem Mann, der sie noch immer eng an sich gedrückt hielt, vergrub ihr Gesicht
an seinem Brustkorb, als ob sie dem Schmerz darüber, was gerade vor sich ging,
entfliehen könnte.
Es konnte keinen Trost zur
Linderung der Schmerzen geben - und trotzdem, das Gefühl seiner Arme, die sie
umfassten, war irgendwie beruhigend. 'Was auch immer passiert,'
dachte sie, ‚wir werden zusammen sein.' Das sollte eigentlich nicht ausreichen,
um die Qualen, die sie durchlebten, zu mindern...aber das tat es.
Sie dachte daran, wie ihre
Mutter trauern würde auf ihrer Beerdigung und schämte sich dafür.
"Wir werden einen Weg
finden, sie es wissen zu lassen," sagte ihr
Partner sehr, sehr sanft in ihr Ohr. "Wir werden einen Weg finden, Scully," obwohl er von ihnen allen der hartnäckigste war,
wenn es darum ging, keine losen Enden zurückzulassen, über die sie später
stolpern könnten.
Sie legte ihren Kopf in
den Nacken, um seinem Blick zu begegnen, zwang sie sich um seinetwillen zu
einem schwachen Lächeln und er hauchte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn.
"So,"
sagt Frohike ohne aufzuschauen, in seiner Stimme schwang Ironie und ein wenig
Mitleid, "bereit, zu sterben, Scully?"
Wie gewöhnlich weckte sie
das tosende Donnern des Zuges. Sie fühlte Tom ein wenig stöhnen, als sie von
der Erkenntnis getroffen wurden, dass es Morgen war.
Für Lisa gab es noch eine andere
Erkenntnis. Erschöpfung, anhaltend und spürbar, und ein wirbelndes Gefühl in ihrem Inneren...
Sie schaffte es kaum, aus
dem Bett zu klettern und ins Badezimmer zu laufen bevor die Übelkeit hochkam.
Mitten im Erbrechen merkte
sie, dass ihr jemand eine Decke um die Schultern legte, die sie vor der
durchdringenden Kälte schützte, dass dieser Jemand ihr das Haar aus dem Gesicht
strich, es dort hielt, während sie Galle
und das, was vom Abendessen übrig war, von sich gab. Sie hörte, wie er ein
würgendes Geräusch von sich gab, als ob ihr Brechanfall dieselbe unfreiwillige
Reaktion bei ihm selbst hervorrief. Bis jetzt hatte er nie gezögert, war nie
von ihrer Seite gewichen.
Zum tausendsten Mal
schwoll das Bewußtsein, wie sehr sie diesen Mann
liebte, wie sehr sie geliebt wurde, lebendig in ihr an. Zum tausendsten Mal
machte dieses Wissen eine schwierige Situation ertragbar. Als ihre Übelkeit schließlich abklang,
wischte sie sich mit einem Bündel Toilettenpapier, das er ihr reichte, über den
Mund, spuckte noch einmal in die Toilettenschüssel, um den schrecklichen
Geschmack loszuwerden, nippte zögernd von dem Glas kalten Wasser, das er für sie bereit gehalten hatte.
Zurück in der Hocke,
fühlte sie seine Arme, die sie locker umfassten, sie einhüllten in seine Wärme.
"Geht es dir wieder gut?" kam seine Stimme, wie aus weiter Ferne.
"Ich denke schon," murmelte sie, sich an ihn zurücklehnend. "Ich
hoffe, du hast keinen Rückfall," sagte er
besorgt, wegen der Wintergrippe, die sie einige Tage ans Bett gefesselt hatte.
"Das hoffe ich
auch." Sogar die kleinste Krankheit war fatal. Sie hatten keine
Krankenversicherung, ihr mageres Einkommen war noch zu hoch, um ihnen Zugang zu
den freien Kliniken zu ermöglichen, die waren aber sowieso überfüllt, und jeder
Tag, den sie ausfielen, schnitt belastend in dieses ohnehin schon zu kleine
Einkommen. Sie lebten schon von der Hand in den Mund. Sie konnten es sich nicht
leisten, Einkünfte zu verlieren.
Bis jetzt hatte Tom sich
nicht beklagt, auch nicht als sie sich für den vierten Tag in Folge krank
melden musste. Er schob Zusatzschichten ohne die geringste Klage, nur um einen
Teil der Lücke zu überbrücken, rief in jeder Pause daheim an, um sicher zu
gehen dass mit ihr alles in Ordnung war. Er ließ den Morgenkaffee und den
morgendlichen Donut ausfallen, um ein paar Extrapennies zu sparen, um die teueren
Erkältungsmedikamente zu kaufen, die ihre Symptome linderten.
"Ich liebe dich so
sehr," flüsterte sie und fühlte wie seine Arme
sich in stummer Antwort enger um sie schlossen.
Als sie ihr morgendliches
Ritual sich fertig zu machen durchliefen, blickte sie sorgenvoll in ihr
Innerstes, wachsam für jedes Zeichen der zurückkehrenden Krankheit. Die
Übelkeit war verschwunden, ohne eine Spur von Schwindel oder Schmerz zu
hinterlassen, was sie eigentlich erwartet hatte - aber etwas war anders. Etwas
undefinierbares, aber dennoch eindeutiges.
Mit Vorsicht hielt sie es
von ihm fern, verriet es ihm nicht- aber sobald sie im Büro an ihrem
Schreibtisch war, rief sie in der Klinik in der Nassau Avenue an, um einen
Termin auszumachen. Sogar die symbolische Gebühr von zwanzig Dollar würde ihr
Budget belasten, aber es musste getan werden. Sie musste es wissen.
Natürlich, wenn das
Problem ... exotischer war als eine gewöhnliche Erkältung oder Grippe, dann
würde sie die untersubventionierte Klinik sicher nicht entdecken...
Mit einem Seufzen vertrieb
sie diese Sorge aus ihren Gedanken.
Eine Absage in letzter
Minute ließ eine Lücke um zwei Uhr nachmittag des selben Tages - es würde sie mehr Arbeitszeit kosten,
Geld, das sie sich nicht leisten konnten zu vergeuden. Andererseits würde Tom
nicht wissen müssen, dass sie dorthin ging, ihm würde die Sorge erspart
bleiben...das war ausschlaggebend, sie nahm den Termin an.
Sie hängte den Hörer ein,
drehte sich zu dem Stapel Schreibarbeit auf ihrem Tisch, begann zu arbeiten, -
aber sie konnte die Furcht nicht abschütteln, die Angst, die sich in ihrem
Bauch festklammerte in kleinen, wiederkehrenden Krämpfen.
*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*
Die Kleidung, die er trug:
Jeans, ein T-Shirt, eine unauffällige Windjacke, Socken und Unterwäsche. Eine
neue Brieftasche, die eine Sozialversicherungskarte und eine Geburtsurkunde enthielt, beide sorgsam auf alt gemacht, um Abnutzung zu
vorzutäuschen. Zweihundertunddreiundsechzig
Dollar und eine unbestimmte Menge Kleingeld steckten sicher in seiner rechten
Vordertasche. Ein Busticket, ohne Rückfahrt, nicht zurückerstattbar.
Das war alles, war er nun
besaß. Alles, was er hatte.
Außer der Frau, die dicht
an ihn gedrängt neben ihm in der Halle des Busbahnhofes saß und in der Kälte
fror.
Er legte seinen Arm um
ihre Schultern, zog sie eng an sich, im Versuch Wärme zu spenden. Nach einem
Augenblick legte er auch den anderen Arm um sie und sie lehnte sich an ihn, als
ob sie dorthin gehören würde.
Was sie tat.
"Hey," sagte er leise - wobei er nicht ihren Namen
benutzte. Er war nicht mehr ihr Name und die neuen Namen, die ihnen gegeben
wurden, fühlten sich noch nicht nach ihnen an.
Sie blickte zu ihm auf und
brachte ein unsicheres Lächeln zustande. "Selber hey!," antwortete sie und ließ dabei die alte
unerschütterliche Courage anklingen.
Ihm gefiel das, es brachte
ihn dazu, sich besser zu fühlen. Sie war ungewöhnlich still gewesen, seitdem
ihre Verwandlung begonnen hatte und das beunruhigte ihn enorm.
"Wir werden o.k. sein," versicherte er
ihr, obwohl er es keinesfalls sicher sagen konnte. "Uns wird es gut gehen," versprach er, entschlossen es zu wahr zu machen.
Es erschien so, als ob sich
ihr Lächeln verstärkte in eine Entschlossenheit so glühend wie die seine.
"Das wird es," stimmte sie mit stiller
Stärke zu.
Er preßte
seine Lippen an ihre Stirn, strich ihr behutsam einige verirrte einzelne Haarstähnen mit sanften Fingerspitzen aus dem Gesicht - es
erschreckte ihn noch, dass ihr Haar nicht mehr feuerrot war; nur eine andere
Veränderung, an die er sich gewöhnen musste, ganz oben auf der Liste von so
vielen Dingen.
Aber sie war noch immer
sie selbst. Eine Rose mit einem anderen Namen bleibt eine Rose...
"Da gibt es etwas,
worüber wir reden müssen," sagte sie leise, so
dass er sich anstrengen musste, sie zu hören bei dem geschäftigen Treiben der
Massen auf dem Busbahnhof und den unverständlichen Ankündigungen, die über die
Lautsprecher erfolgten.
"Worüber?" Alle
Vorbereitungen waren getroffen worden - wohin sie gehen würden, was sie tun
würden, wenn sie dort angekommen wären, wie sie ihre undurchsichtige Tarnung
untermauern würden, damit ihre neuen Identitäten wasserdicht sein würden und so
unerschütterlich wie möglich. Alle möglichen Anstrengungen waren unternommen
worden, um alle klaffenden Lücken zu schließen - und ihm gefiel die Richtung
nicht, die diese Unterhaltung einschlug, die Andeutung, dass es noch etwas zu
klären gab.
Ihre Augen begegneten den
seinen, ein klares kristallblau, das scheinbar tief in seine Seele eindrang.
"Wir haben keine Arbeitsplatzversicherung, die uns jetzt unterstützt," murmelte sie. "Wir müssen herausfinden, was das
für uns bedeutet."
Die Zeit stand still; er war
nicht in der Lage zu atmen. "Ich weiß, was das für mich bedeutet," flüsterte er erschrocken jenseits der Vernunft
darüber, was sie als nächstes sagen könnte, dass sie nicht dasselbe empfinden
könnte...
Aber als er sie ansah,
wurde ihr Blick weicher zu einem Ausdruck, von dem er nicht einmal gewagt hatte
zu träumen, ihn dort zu finden. "Für mich auch,"
flüsterte sie.
Netterweise fuhr die Zeit
fort, still zu stehen, als er in ihren Augen die einzige Wahrheit, die ihm noch
wichtig war, suchte und auch fand.
Ihr erster Kuss war zart
und schüchtern, ein leichte Berührung ihrer Lippen, was weniger der Vollzug von
Leidenschaft war als vielmehr ein Versprechen, das noch kommen würde - doch
dieses stumme Versprechen setzte ihn unter Strom, indem es kaskadenartige Wellen
des Glücks durch ihn schickte.
Dann begann die Zeit,
wieder weiterzulaufen und unterbrach unsanft diesen Moment des Glücks mit der
plärrenden Ankündigung, dass ihr Bus bereit war zum Einchecken.
Er brach den Kuss mit
einem tiefempfundenen Seufzen ab, mühte sich auf seine Füße, reichte ihr die
Hand, um ihr beim Aufstehen zu helfen - er zog sie auf die Füße und in seine
Arme in einer einzigen glatten Bewegung. Um sie herum setzten sich die anderen
Passagiere in der Schlange in Bewegung und griffen nach ihren Koffern, als der
Busfahrer zur Tür kam und dazu aufrief, die Tickets bereitzuhalten; er grub in
seiner Tasche nach seinem Ticket, als sie die Hand nach ihrem ausstreckte, und
gleich darauf ordneten sie sich mit dem Rest in die Reihe vor dem Bus ein.
Er war überfüllt, aber sie
waren ausreichend weit vorne in der Schlange gewesen, um zwei Sitze
nebeneinander zu ergattern. Noch einmal ließ sie sich in seinen Armen nieder -
aber jetzt war es anders, auf irgendeine Weise; sogar diese einfache Umarmung
hatte sich verändert, durch die beidseitige Erkenntnis, dass da weit mehr war,
als nur platonische Zuneigung und gemeinsame Ziele, was sie verband.
Pünktlich startete der Bus
von der Haltestelle, der Dunkelheit entgegenrumpelnd, auf leeren,
mitternächtlichen Straßen auf seinem Weg aus der Stadt hinaus. Er starrte über
ihren Kopf hinweg, an ihr vorbei, so durchdringend, dass sie sich in seinen
Armen drehte, um zu erkennen, wo er hinschaute.
Washington, D.C. Zuhause.
Alles, was sie erfahren hatten. Alles, was ihnen vertraut war, zog an ihnen
vorüber, schlich sich weg, als ob alles ein Traum gewesen wäre.
"Leb wohl," murmelte sie von sich hin. Ein ernster Abschied von
den Leben, die sie einmal geführt hatten.
Leben, die voll von
Traumata, von Verlust gewesen waren. Mit endlosem Streben das Unerklärliche zu
entwirren. Verzweiflung, Enttäuschung, die ihnen wieder und wieder und wieder
ins Gesicht geschlagen hatten, Kampf bis es keine Kraft mehr zum Kämpfen gab...
Zog an ihnen vorüber,
schlich sich weg, als ob alles ein Traum gewesen wäre.
Es war alles weg; sie
hatten nichts zurückgelassen.
Außer dem stummen
Versprechen, ausgedrückt in der Wärme einer Umarmung, geäußert in einem
einzigen sanften Kuss...
Mit einer Hand drehte er
ihr Gesicht vom Fenster weg, zu ihm hin und er nahm ihren Anblick begierig in
sich auf - jetzt braunhaarig, aber noch immer *sie*. "Hallo," flüsterte er. "Hallo, Lisa."
Für eine Sekunde schien
es, als ob sie nicht verstand; und dann lächelte sie - außergewöhnlich
strahlend, ein Lächeln voller Wärme und Zärtlichkeit und Liebe. "Hallo,
Tom," flüsterte sie.
Er zog sie in seine Arme
und hielt sie fest als Washington an ihnen vorüberzog,
unbeachtet, unbemerkt.
*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*
"Hey, Davis!"
Der plärrende Ruf des
Vorarbeiters hallte durch das Lagerhaus, war sogar über der schallenden
Rockmusik aus dem Radio hörbar. Tom setzte seinen Hitzeversiegler
ab und sah auf, wobei er sich fragte, was er denn dieses Mal falsch gemacht
hatte.
Aber Pat wirkte nicht
wütend. Statt dessen, war da ein ernster Ausdruck in
seinen Augen. "Deine Frau hat gerade aus der Klinik in der Nassau Avenue
angerufen," sagte er. "Sie will, dass du sie
gleich dort triffst."
‚Die Klinik? Gleich?
Was...' Wilde, furchterregende Gedanken jagten durch sein Hirn, als er sich seine
Jacke schnappte und aus der Fabrik eilte. Er rannte die neun Blocks ohne auch
nur einmal anzuhalten und erst als er
fast da war, fiel es ihm ein: ‚Ich habe vergessen meine Zeitkarte zu stempeln,' und es war nicht wichtig, nicht im geringsten. Lisa war wichtig. Sonst gar nichts.
Er stürmte durch die Tür,
keuchend, außer Atem, und sie stand da im ersten Büro, ganz und am Leben und
unverletzt - ein gewaltiger Knoten löste sich in ihm bei ihrem Anblick, in
einer großen Welle der Erleichterung - dann zog er sich noch fester zusammen
als zuvor, als er den Ausdruck schierer Panik auf ihrem Gesicht sah.
"Mulder," flüsterte sie.
Seine Augen weiteten sich,
erstaunt und ängstlicher als je zuvor -sie wusste genau, dass sie diesen Namen
nicht benutzen sollte, sie hatte diesen Namen *nie* benutzt, nicht seitdem all
das begonnen hatte - da musste etwas ganz schrecklich verkehrt laufen, dass sie
ihre Tarnung so durchbrach. "Lisa," flüsterte er eindringlich, eine Erinnerung und eine
flehende Bitte an sie, ihm zu erzählen, was vor sich ging...
Sie eilte zu ihm, um nur
in seine Arme zu fallen. Instinktiv, hielt er sie eng an sich und merkte, dass
sie aufs heftigste zitterte. "Was *stimmt nicht*?"
Ihr Kopf kippte nach
hinten, Augen, die die seinen suchten - und das war der Moment, in dem er
verstand, dass da mehr als einfache Panik in ihrem Gesicht war. Etwas wie...
Verwunderung?
"Ich bin schwanger," sagte sie.
Für einen langen Moment
konnte er nur vor sich hin starren.
"Das... das ist
unmöglich," schaffte er schließlich zu stammeln.
"Oder doch nicht?"
"Das dachte ich
zumindest," antwortete sie mit beinahe ruhiger
Stimme.
‚Schwanger.' Das konnte
nicht sein. Diese Schweinehunde hatten dafür gesorgt. Sie hatten ihr ihre
Fruchtbarkeit genommen, als sie ihr Leben zerstört hatten...
"Sind... sind sie
sich sicher...?"
...in einem schäbigen
Ein-Zimmer-Apartment zu leben, ohne
Krankenversicherung um die
medizinischen Kosten zu decken, ohne Geld, um die unvermeidliche Fehlzeit bei
der Arbeit zu überbrücken, die Ausgaben für Windeln und Babynahrung und
Kinderpflege. Keine Freunde, keine Familie, an die sie sich wenden, die sie um
Hilfe bitten konnten... Ihre Mütter würden nie wissen, dass sie Großeltern
wären...
Es hätte ein erfreuliches
Wunder sein sollen. Statt dessen war es ein Alptraum.
Die Unerbittlichkeit ihrer Situation
hatte gerade ein Ausmaß angenommen, das noch schwerer zu überwinden war und
diese Erkenntnis durchdrang ihn wie Blei.
Lisa, die vernünftiger und
pragmatischer war als er es je gewesen war, war ohne Zweifel schon zu derselben
Erkenntnis gekommen.
Und es gab nur einen
möglichen Weg, mit der Situation fertig zu werden.
"Wir werden
zurechtkommen," sagte er nahezu unhörbar. Dann
lauter: "Wir werden es schaffen, Lisa."
Sie starrte ihn an,
ungläubig, mit dem verzweifelten Willen zu glauben.
Er streichelte ihr Gesicht
mit liebenden Händen, kostete ihren Anblick aus und wie sie sich anfühlte, wie
er es immer tat - er konnte das auf keinen Fall jemals als selbstverständlich
betrachten, nicht nach all den Jahren, in denen solche einfachen Vergnügen
verwehrt gewesen waren. "Uns wird es gut gehen,"
versprach er. "Uns allen dreien."
Tränen funkelten in ihren
Augen. "*Wie?*," wollte sie wissen.
Das war eine Antwort, die
er noch nicht hatte. Aber er würde sie haben, bald. Er würde sich darum
kümmern.
"Irgendwie," antwortete er mit Überzeugung.
Sie gab ein kleines
Geräusch von sich, fast ein Schluchzen und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust.
Er erkannte es als Aufgabe, als Annehmen seiner Überzeugungen, obwohl sie es
selbst noch nicht glaubte.
"Wir werden einen Weg
finden," flüsterte er in ihr Haar. "Ich
glaube an uns," und nur einmal, nur für diesen
Moment gab er sich der Erinnerung hin, wer sie einmal gewesen waren.
"Scully," murmelte er und irgendwie *spürte*
er, dass sie lächelte.
*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*°*
Die Sonne brannte auf ihre
Köpfe nieder, als sie Hand in Hand von der Greyhound-Bushaltestelle
kamen. Es war eine lange Fahrt gewesen, aber jetzt war sie vorbei. Und obwohl es
ein höllisches Risiko war, überhaupt dort zu sein, war die Wärme des Winters in
Florida eine willkommene Abwechslung zum New Yorker Eis.
Nach einer Weile legte sie
ihre Jacke ab und er faltete sie sorgfältig zusammen und steckte sie in die
Tasche, die er trug: Ein einziger billiger Matchbeutel, der ihren geringen
weltlichen Besitz enthielt. Die Tasche war ziemlich schwer, aber es machte ihm
nichts aus, sie zu tragen - es war mehr als fair: Sie trug ja schon
zusätzliches Gewicht.
Als sie die Straße zu ihrem
Ziel hin überquerten, bemerkte er ihr Spiegelbild in einem Schaufenster und es
überraschte ihn, wie normal sie aussahen. Eben ein typisches Paar: Der Mann
groß und zu mager von Monaten, in denen er nie genug zu Essen bekommen hatte,
aussehend wie ein gewöhnlicher, einfacher Arbeiter mit seinem Bart, dem Flannelshirt und den dreckigen Jeans. Die Frau zierlich und
hübsch, ihr Gesicht eingerahmt von einer Mähne aus sanften braunen Locken, die
ihren Rücken herabfielen, ihr billiges
Baumwollsommerkleid fiel in Falten über die Rundung ihres Bauches. Sonnenlicht glänzte an den goldenen Ringen,
die sie trugen, die einzigen Gegenstände von irgendeinem wesentlichen Wert, die
sie besaßen, und entsandten ein leuchtendes Glitzern,
das über den Platz wirbelte...
Ein schöner, heller,
sonniger Tag: Ein guter Tag für einen neuen Anfang. Jedenfalls hoffe er das. Wenn er sich irrte,
wenn es hier für sie keine Lösung gab..., nun, sie hatten ihr letztes Geld für
die Bustickets ausgegeben und es gab keinen anderen Ort, an den sie sich wenden
konnten...
Aber er weigerte sich,
daran zu denken. Statt dessen konzentrierte er sich
auf die zarte Wärme der Hand, die in seine gelegt war, auf die Art, wie ihr
Haar im Sonnenlicht glänzte.
Die Adresse sah, als sie
dort ankamen, ganz so aus wie der Rest der Geschäfte in der Straße: ein kleiner
Haushaltswarenladen mit staubigen Fenstern und einem verblaßten
Schild über der Tür. Für einen langen Moment starrten sie das Gebäude an - für
einen anderen langen Moment starrten sie einander an - und dann nahm er einen
tiefen, tiefen Atemzug und ließ sie hinein.
Eine kleine Glocke
bimmelte, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel. Der Kunde am Ladentisch
bemerkte sie nicht oder kümmerte sich nicht um sie - aber der langhaarige
Lagerist sah auf als sie den Laden betraten und ließ beinahe seinen Besen
fallen in vollkommener Überraschung.
Ihn sorgsam ignorierend,
gingen sie gemeinsam zur Ladentheke, wo der Ladenbesitzer die Waren in die
klingende Kasse eintippte. Der Kunde nahm seinen Einkauf und verließ den Laden,
womit er dem Besitzer gestattete, das Paar, das vor ihm stand, zu begutachten.
Der stämmige Mann ließ
sich Zeit damit, sie zu mustern, anscheinend
nahm er ihren Anblick ganz in sich auf. Seine Augen wanderten langsam
einmal von Kopf bis Fuß über sie, und weiteten sich ein wenig als sie den
Beweis ihrer Schwangerschaft wahrnahmen, dann kehrten sie zurück zu ihren
Gesichtern.
"Kann ich Ihnen
helfen?" fragte er und obwohl der Tonfall seiner Stimme absichtlich
gleichgültig gehalten war, lag in seiner Anfrage weit mehr als die Höflichkeit
eines Ladeninhabers oder als die Gastfreundschaft des Südens.
Tom ließ den Atem heraus,
von dem er sich nicht bewußt war, dass er ihn
angehalten hatte. "Mister... Taylor?" sagte er vorsichtig, den neuen
Namen über seine Zunge gleiten lassend, sich an das Gefühl von ihm dort
gewöhnend. "Meine Frau und ich," mit der leisesten Betonung auf dem
entscheidenden Wort, wobei er das kleine Lächeln, das den anderen Mann zierte,
nicht übersah, als er es sagte, "wir sind neu in der Stadt und wir haben
uns gefragt, ob Sie vielleicht Jobs für uns hätten."
Nach einer langen,
qualvollen Pause, die nicht länger als eine Sekunde gedauert haben konnte,
lächelte der Ladenbesitzer; ein breites Grinsen, das sie nie gesehen hatten in
den alten Tagen. "Oh, ich glaube, uns wird schon was einfallen," sagte er.
In der Spanne dieses
Moments, als die Sonne durch die schmutzigen Schaufenster schien und dabei die
Staubkörnchen in der Luft zum Funkeln brachte, wußte
Tom Davis, dass alles gut werden würde.
Dann kam ‚Mister Taylor'
um die Ladentheke herum, legte eine breite Hand auf Toms Schulter und die
andere auf Lisas. "Willkommen daheim, Kinder."
"Danke, Sir," sagte Lisa, die übertriebene Förmlichkeit ein
übriggebliebenes Relikt der alten Tage.
Der langhaarige Lagerist
kam dazu, um sie zu begrüßen und es folgte eine Runde von Händeschütteln und
unbefangenen Umarmungen, die tiefempfundene Wiedervereinigung der alten
Freunde, die sich nie offiziell begegnet waren.
Taylor schnappte sich einen Stuhl und wies Lisa an, sich hinzusetzen,
damit sie ihre Füße ausruhen konnte, griff sich eine Hand voll Münzen aus der
Registrierkasse und schickte "Joe, den Lageristen" runter zur
Tankstelle, damit er ein paar Cokes besorgte und den anderen erzählte, was
passiert war - dann richtete er seinen Blick auf Tom.
"Mein Fußboden gehört
noch immer gekehrt," sagte er mit einem schiefen
Grinsen. "Damit könnte dieser Job doch gut beginnen, oder?"
Tom grinste zurück zu
seinem alten und zukünftigen Chef. "Ja, Sir,"
sagte er.
Der Sturm war vorüber und
obwohl der neugefundene Sonnenschein seine eigenen Probleme inne hatte... würde
jetzt alles gut werden.
Er beugte sich herab, um
seine Frau zu küssen, dann nahm er den Besen auf und fing an, den Boden zu
kehren.
Ende
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Lyrik by
Nelson, 1990
Imajiru Mackenzie
imajiru@mindspring.com - ICQ: 11984862 - AIM: Imajiru
http://imajiru.home.mindspring.com
PhD, MSV - X-
Um mutig dahin zu gehen,
wohin niemand außer mir gehen würde.
Praktiziert Safe Sex: Lest
Erotika!
Anm. d. Ü.: Feedback bitte nur in Englisch!