RICHTUNG
NIRGENDWO 5 - GETEILTE WEGE
(Originaltitel:
A Divided Highway)
von
Nicole Perry
(
nvrgrim@aol.com )
Datum:
25. Februar 1997
aus dem Englischen
übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de
>
*** überarbeitet 2017 ***
Autorengelaber:
Und schon wieder sind wir on the road!!
Ein gaaaannzzz lautes DANKESCHÖN!! an alle, die
während der letzten Monate nach einer Fortsetzung geschrien haben. Danke für
Eure Geduld—ich hätte nie gedacht, dass ich sechs Monate brauchen würde, um das
hier fertig zu bekommen. Was kann man dazu sagen? Manchmal geht das wirkliche
Leben eben vor, und Fan Fiction muss zurückstehen.
<grins> Ich widme diesen Teil Shannon, meiner treuen Road-Korrespondentin,
deren Überseereise mir ein Zeitlimit gegeben hat, das ich *fast* einhalten
konnte. Jetzt muss ich mich doch glatt auf die Schneckenpost in Europa
verlassen... <breites Grinsen> Großes Lob für das Café—Leute, Ihr seid
eine ganz tolle Inspirationsquelle für mich, und ich habe nur wegen Eurem
Enthusiasmus diese Geschichte in meinen dunkleren und frustrierten Momenten
weitergeschrieben. Ein spezielles Dankeschön an Bonnie, meine treue Anhängerin
und "Ermutigerin"; an MD, deren endloses
Bitten und Flehen nicht auf taube Ohren gestoßen ist; und natürlich an Karen—wo
würde Bert ohne Ernie sein??? :-) Und last not least
an WonderKat, mein Editor extraordinaire!!!
Spoiler
Warnung: Diese Story ist die neuste Fortsetzung der Road-Story,
zu der "Richtung Nirgendwo", "Durchreise", "Im Blauen
Hotel" und "Über den Gleisen" gehört, die alle auf dieser Seite
gefunden werden können. Wie ich zuvor bereits sagte, versuche ich dem
was-zum-Teufel-ist-mit-Scully-passiert-als-sie-drei-Monate-verschwunden-war-Geheimnis
auf die Spur zu kommen. Dazu beziehe ich mich auf Informationen aus der Duane
Barry-Trilogie und all den anderen Mystery-Folgen aus
der dritten Staffel. (Witzigerweise hat die 4. Staffel ja weder Scullys Entführung,
noch den Chip in ihrem Nacken erwähnt—ich glaube ja fast, dass die 1013-Crew
vergessen hat, dass das alles je passiert ist.
<großes Grinsen> Egal, jedenfalls findet Ihr hier nichts nach
"Der Feind - Teil 1 & 2" (...)
:-)
Allerdings habe ich mir hier den neuen und verbesserten Action-Mulder
aus der 4. Staffel ausgeliehen—jeder, der "Herrenvolk" und
"Tunguska" gesehen hat, sollte mich für seine Aktionen auf diesen
Seiten nicht kritisieren. <grins>
Ein
Wort An Unsere Sponsoren: Danke, wie immer, an Chris Carter und Fox, die mir
ein so erstaunliches Sprungbrett für meine Vorstellungskraft geliefert haben.
Jeder kennt ja nun schon die Leutchen aus Mr. Carters Gesellschaft—alle anderen
Charaktere in diese Geschichte sind meine eigene Kreation. Ganz besonders
möchte ich David und Gillian, die beiden *coolsten* Schauspielern im Fernsehen
für ihre ununterbrochen inspirierenden Darstellungen danken!!
Fertig
Leute??? Das hier ist ein längeres Teil, also schnallt Euch an und... let's hit the
Road...
GETEILTE WEGE
(1/16) X, MSR
von
Nicole Perry
1/10/97
"...every minute
every hour
every day that passes by
there's not a second
or a moment
that you're not on my mind
if you wonder
when I think of you
well just let me put it this way
every minute
every hour
every day...."
james house
Fox
Mulder war gefangen in einem Alptraum seiner eigenen Vorstellung. Ein Alptraum
am helllichten Tag, von dem er völlig durcheinander aufwachte und seine
Gliedmaßen sich erst langsam den Befehlen des Gehirns unterwarfen.
<LässtdumichwiederlinksliegenMulder>
<Daswürdeichnie>
Er
hatte es ihr versprochen, und doch war er ohne sie gegangen.
Er
würde es sich nie verzeihen.
<DanaohGottDanaestutmirleidestutmirsoleid>
Er
hatte sie im Stich gelassen, obwohl sie ihn brauchte. Er hatte sie in dem Zug
allein gelassen.
Aber
andererseits hatte er so etwas nie erwartet...
Er
hätte nie gedacht, dass er als Gefangener eines Mannes enden würde, dem
zweifellos nichts lieber wäre, als sie beide tot zu sehen.
Mulder
blickte dem Mann in seine dunklen, kalten, voll und ganz von seinem Sieg
überzeugten Augen. Ein Sieg, der mehr dem Zufall zu verdanken war als
irgendwelchen seiner Bemühungen. Mulder wollte auf keinen Fall den Mann seine
Qualen sehen lassen, deshalb stellte er lediglich die Frage, worauf er
eigentlich hinaus wolle.
Christophes
Blick war kalt. "Ich will nur wissen, wo Sie sie zum letzten Mal gesehen
haben." Mulder zögerte, er fühlte sich bei ihrem "Handel" immer
noch nicht sehr wohl. "Ich werde Sie nicht zweimal fragen."
Doch
in diesem Moment war Mulder sich sicher. Er wusste zweifellos, dass er die
falsche Wahl getroffen hatte. Aber er hatte sie getroffen, und jetzt gab es
kein Zurück mehr.
"El
Paso", brachte er letztendlich gequält hervor. "Ich habe sie das
letzte Mal in einem Amtrak-Zug namens Sunset Limited am Bahnhof von El Paso gesehen."
"Ah,
also sind Sie mit dem *Zug* unterwegs gewesen", schlussfolgerte Christophe
und verriet Mulder somit, dass er sie schon seit geraumer Zeit verfolgte.
"Unter dem Namen Steward?" Mulder antwortete nicht, aber Christophe
fasst seine Stille als ein Ja auf. "Glauben Sie, dass sie noch in dem Zug
ist?"
Mulder
zuckte die Schultern. Er hatte schon mindestens tausendmal über diese Frage
nachgedacht, aber er wusste es einfach nicht. Er hatte nicht die leiseste
Ahnung, ob Christophe von ihrer Blindheit wusste, und er wollte ihm um keinen
Preis etwas Unnötiges verraten. "Vielleicht", sagte er ausdruckslos.
"Dann
fangen wir dort an." Christophe drehte sich zu dem Mann mit der Waffe und
befahl, "Finde heraus, wo der Zug als nächstes hält. Wir werden dann da
sein—und wenn sie nicht an Bord ist, werden wir von dort aus weiter
sehen."
Der
Mann nickte und reichte Christophe die Pistole, bevor er das Flugzeug verließ.
Christophe legte die Waffe vor sich auf den Tisch und wandte seine
Aufmerksamkeit dann wieder Mulder zu. "Ich bin froh, dass Sie sich an die
Regeln halten."
"Die
Frage ist nur, ob Sie das auch tun", konterte Mulder.
"Was
soll das heißen?"
"Ich
will nur sicher gehen, dass wir einen Handel haben", erklärte Mulder und
wünschte sich mehr als zuvor, seine Hände nicht hinter seinem Rücken gefesselt
zu haben. Er studierte Christophes Reaktion genau. "Ich will sicher sein,
dass Sie lediglich hinter der Diskette her sind."
"Ich
hoffe doch stark, Mulder, dass Sie nicht an mir zweifeln wollen und meine Ehre
beleidigen, indem Sie andeuten, ich würde mein Versprechen nicht halten."
Christophes Gesichtsausdruck war ein einziges Poker-Face,
und so sehr er es auch versuchte, konnte Mulder nicht das Geringste darin
lesen. "Aber, wenn Sie sich dann
besser fühlen, werde ich es Ihnen noch einmal sagen—ich bin überhaupt nicht an
dem Mädchen interessiert."
Sie
starrten sich an, braune trafen pechschwarze Augen—jeder versuchte, den anderen
einzuschätzen. Mulder weigerte sich wegzuschauen, als ob es die erste von
zahlreichen Prüfungen sei, die er in den nächsten Tagen vor sich hatte.
Doch
in diesem Augenblick kam Christophes Assistent zurück und unterbrach den
stillen Kampf zwischen ihnen. "Tucson", sagte er zu Christophe.
"Der Zug wird in etwa fünfzehn Minuten in Tucson sein. Wir fliegen da
jetzt hin und sollten in etwa einer knappen halben Stunde dort landen."
Christophe
nickte zufrieden. Er deutete seinem Assistenten und befahl, "Wir müssen
Mr. Mulder allerdings zuerst ein wenig verdrahten."
Mulder
runzelte die Stirn, als der Mann nickte und zu dem Tisch ging, auf dem eine
kleine Kiste lag. Er öffnete sie und holte ein großes Stahlarmband hervor. Er
trat zu Mulder und machte ihn von seinen Fesseln los. Doch bevor Mulder sich an
das Gefühl der Bewegungsfreiheit gewöhnen konnte, befahl der Mann, "Ihren
rechten Arm, bitte."
"Was
soll das denn jetzt?" fragte Mulder. Er bewegte nicht einen Muskel und
blickte auf die Waffe, die auf dem Tisch genau in Christophes Reichweite lag.
"Nur
zur Sicherheit", antwortet Christophe ihm mit zusammengekniffenen Augen.
"Das ist für uns nur einen kleine Hilfe, um Sie aufzuspüren, wenn es sein
muss."
Mulder
regte sich nicht und widersetzte sich Christophe.
"Das
Armband ist keine freiwillige Angelegenheit, Mulder. Ich fürchte, dass ich
darauf bestehen muss."
Mulder
merkte, dass jeder Widerstand im Moment sinnlos war und streckte dem Assistenten
langsam seine rechte Hand entgegen Er krempelte seinen Ärmel hoch und
befestigte das Gerät daran. Es lag eng an, aber es tat nicht weh, und doch
hörte sich für ihn das Zuschnappen des Verschlusses wie das Knallen einer
Gefängnistür an. "Neuester Stand der Technik", bemerkte er
sarkastisch.
"Zweifellos",
versicherte Christophe ihm. "Ohne einen speziellen elektronischen
Schlüssel kann es nicht geöffnet werden und seine Reichweite ist nahezu
unbegrenzt." Er griff in die Kiste, in der das Armband gewesen war, und
holte ein kleines schwarzes Gerät von der Größe einer Fernbedienung heraus. Die
obere Hälfte des Teils war ein mit Glas abgedeckter Bildschirm, während die
untere fast nur aus Knöpfen bestand.
Christophe drückte auf einen davon und ein leises Summen ertönte, als
der Bildschirm aufleuchtete und ein neongrünes Netz aus sich kreuzenden Linien
darauf erschien. Genau in der Mitte des Bildschirms blinkte ein kleiner roter
Punkt.
Mulder
wusste haargenau, für was dieser Punkt stand.
Christophe
ließ das nun aktivierte Gerät in seine Tasche gleiten. "So kann ich sicher
sein, dass Sie sich nicht vorzeitig aus dem Staub machen."
Mulder
sah Christophe noch einmal an und nickte kurz, bevor er sich von ihm abwandte
und versuchte, über eine Fluchtmöglichkeit nachzudenken.
Rebecca
tauchte das Blatt in die Entwicklungsflüssigkeit und schob es hin und her, um
das Papier gleichmäßig in der Flüssigkeit zu halten. Nach zwei Minuten holte
sie das Blatt mit einer Zange aus seinem Bad und ließ die Flüssigkeit
abtropfen. Vorsichtig legte sie es ins nächste Bad und dann auf ein Tablett.
Nach fünf Minuten sah sie mit gewohnter Begeisterung zu, wie sich das Bild auf
dem Papier entwickelte und mehrere Reihen kleiner Bilder zum Vorschein brachte.
Mit einem zufriedenen Lächeln hob sie den nassen Lappen aus dem Bad und hängte
ihn neben die der anderen Filme, die sie gemacht hatte. Fast geschafft, dachte
sie und war mit der Arbeit am heutigen Nachmittag zufrieden. Sie hatte sechs
Filme entwickelt und obwohl sie auf den Kontaktstücken nicht richtig erkennen
konnte was drauf war, bevor sie nicht ganz trocken waren, schien es ihr, dass
diesmal nur sehr wenige Bilder dabei waren, die nichts geworden sind. Am Ende
würden sie natürlich nicht unbedingt alle gebraucht werden, aber es war immer
gut eine Auswahl zu haben.
Als
sie ein Gewicht an den unteren Rand des Blattes befestigte, damit es nicht
zerknittert, hörte Rebecca ein leises Knurren. Sie drehte sich um und blickte
über ihre Schulter. Tucker war von seinem Nickerchen erwacht. Er stand nun auf
allen Vieren und blickte neugierig zur Tür.
"Was
ist denn los, Tucker?" fragte Rebecca. "Hast du etwas gehört? Hast du
Dad gehört?"
Tuckers
abermaliges Knurren vermittelte mehr als nur ein bisschen Ungeduld.
"Das
hoffe ich auch", antwortete Rebecca ihm. Sie verstand genau, was der Hund
meinte. "Er ist schon so lange weg." Obwohl sie noch nichts
Ungewöhnliches hörte, vertraute Rebecca auf Tuckers Instinkt und sein extrem
scharfes Gehör, und ihr Lächeln wurde zu einem erwartungsvollen Grinsen. Sie musste
zwar zugeben, dass sie mehr Arbeit schaffte, wenn Elliot fort war, aber das
würde sie freiwillig für seine Anwesenheit opfern. Die letzte
Buchvorstellungsreise schien Ewigkeiten gedauert zu haben. Zehn endlos lange
Tage, gespickt von lediglich kurzen Telefongesprächen, der nicht im Geringsten
der Sehnsucht nacheinander abhalf.
"Wenn
wir ihn nur in ein Flugzeug kriegen würden", sagte Rebecca zu Tucker,
"würde diese ganze Reiserei nicht immer so lange dauern. Willst du mir
dabei helfen?"
Tucker
bellte einige Male aufgeregt und ging vor der Türe im Kreis herum.
"Okay",
sagte Rebecca und putzte sich die Hände ab. "Hört sich nach einem guten
Plan an."
Sie
öffnete die Tür des Dunkelzimmers und blinzelte, als das Sonnenlicht durch die
Fenster des Studios in ihre Augen fiel. Tucker folgte ihr heraus und sie
schloss die Tür schnell hinter sich zu, obwohl das Licht den trocknenden Bilder
nichts mehr ausmachte. Zufrieden blickte sich Rebecca in der umgebauten Scheune
um, die jetzt ihr Studio war. Das Word 'Scheune' war vielleicht etwas
übertrieben, aber von einem einfachen 'Schuppen' konnte man auch nicht reden.
Es war ein ungefähr 27 Quadratmeter großes rechtwinkliges Gebäude, deren Hälfte
etwa aus dem Dunkelzimmer bestand. Im übrigen Teil lagen alle möglichen Fotoausrüstungen
verstreut: Kameras und Rahmen und Stative, die Tische waren mit Büchern,
Ausdrucken und Layouts übersät, Flaschen mit Entwicklungsflüssigkeiten, Fixier-
und Reinigungsmittel, alte Marmeladengläser, in denen Stifte und Pinsel
steckten. Die Holzwände waren hell gestrichen, die roten Kreuztragbalken ein
Kontrast zu den grünen Leisten und blauen Einfassungen an den Fensterbrettern.
Fotos in alles Formen und Größen zierten die Wand, einige in glänzend gelbe
oder violette Rahmen eingefasst, andere beschattet mit professionellen
schwarzen Rahmen oder mit Glas verkleidet. Der Holzboden war an den Stellen
abgenutzt, an denen er am meisten begangen wurde: zwischen der Tür und dem
Waschbecken und dann wieder neben dem großen Steinofen, der das meiste der gegenüberliegenden
Ecke beanspruchte.
Nicht
weit von dem Ofen war eine geländerlose Treppe, die steil auf den
darüberliegenden Dachboden führte. Er war halb so groß wie das Studio, und sein
Holzboden wurde von mächtigen Holzbalken
gestützt, die am Dach des Studios deutlich sichtbar waren. Rebecca konnte von
ihrem Standort neben der Tür des Dunkelzimmers genau in den oberen Raum sehen.
Es gab nur ein sehr klappriges Geländer, das den Blick dorthin nicht gerade
verstellte. Oben stand ein antikes eiseneingefasstes Bett in der Mitte des
Zimmers mit einem passenden Nachttisch und einem kleinen Armsessel daneben.
Nicht besonders viel, dachte Rebecca, aber es reicht. Sie hatte am Morgen das
Bett frisch bezogen, das jetzt warm und einladend aussah.
Tucker
kratzte an der Tür zum Schuppen. Rebecca schob den Riegel auf und drückte dann
mit einer Hand auf die Tür. Endlich frei rannte der Hund in vollem Tempo über
das trockene Gras auf das Tor unten am Hügel zu. Das kleine Haus war zu
Rebeccas großer Freude etwa fünfzehn Meilen von Santa Fe entfernt. Sie waren
nahe genug an der Stadt, um Besorgungen zu machen und weit genug davon weg, um
die Schönheit der Wüste unverfälscht zu lassen. Ihre nächsten Nachbarn wohnten
etwa in einer Meile Umkreis und am Nordende ihres Besitzes begannen bereits
scheinbar endlose Bergketten. Als leidenschaftlicher Wanderer liebte Rebecca
nichts mehr als lange Wandertouren durch die Berge, auf denen sie versteckte
Höhlen und verlassene Minen erkundete und auf einen nach dem anderen Hügel
stieg, um die atemberaubende Aussicht zu genießen.
Rebecca
hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, die Scheune mit je einem anderen
Schlüssel für die beiden Schlösser abzuschließen. Cooper hatte die Schlösser
bereits angebracht, bevor er überhaupt das Dunkelzimmer oder das Loft gebaut
hatte, um ihre wertvolle Kameraausrüstung vor Diebstählen zu bewahren.
Als
Rebecca Tucker den Hügel hinunter folgte, musste sie an Elliots kurzen Anruf
zuvor denken. Sie hatten nur kurz miteinander geredet und sie war gerade dabei
gewesen ihn zu necken, wie sie es immer tat, als er ihr das Wort abschnitt.
"Beck,
hör zu", hatte er gesagt und sie hatte hören können, dass er sich
überwinden musste, um ihr etwas zu sagen. "Ich bringe jemanden mit, der
eine kurze Zeit bei uns bleiben wird."
"Wen?"
hatte sie gefragt, aber er war nicht besonders detailliert gewesen.
"Eine
Freundin", hatte er ihr geantwortet. "Jemand, den ich im Zug
getroffen habe. Sie... sie bräuchte für ein paar Tage eine Unterkunft."
Rebecca
hatte ungeduldig geseufzt. "Elliot! Was soll das heißen? Ein Mädchen, das
du im Zug getroffen hast? Eine völlig Fremde?"
"Es
ist sehr kompliziert, Beck. Du musst mir vertrauen. Ich kann jetzt nicht
darüber reden." Diese Bemerkung hatte sie irgendwie beunruhigt, weil es so
völlig untypisch für Elliot war. Normalerweise wollte er immer über alles und
alle reden, jederzeit und möglichst detailliert. "Ich werde dir alles
erklären, wenn ich da bin. Ich verspreche es."
Sie....
Das Wort rumorte in Rebeccas Kopf und sie rückte die Spange in ihrem langen
Haar zurecht. Es machte ihr nicht wirklich etwas aus, dass Elliots mysteriöse
Bekanntschaft eine Frau war. Nach vier Jahren des Zusammenseins und fast zwei
Jahren des Zusammenlebens war sie sich in ihrer Beziehung sicher und sie
wusste, dass Elliot sie genauso liebte wie sie ihn. Außerdem war es typisch für
Elliot, immer eine offene Tür für jemand völlig Fremden zu haben. Er war der
großherzigste Mensch, den sie kannte. Er war immer bereit, seine Zeit, seine
Fähigkeiten oder auch sein Geld zu opfern, um jemandem zu helfen, die
Schwächeren zu unterstützen und sich für Unterlegene einzusetzen. Er sprühte
dann immer vor Enthusiasmus. Es war eines der Dinge, die Rebecca so sehr an ihm
mochte. Sie war eine eher bemessene Person und sie brauchte immer einige Zeit,
um sich anderen zu öffnen—aber nicht Elliot. Man könnte ihn bereits nach fünf
Minuten nach dem Kennenlernen adoptieren, heiraten oder einfach so nach Hause
nehmen.
Rebecca
lachte in sich hinein, als sie sah, wie sich das Motorrad näherte und wieder einmal
bewunderte sie Tucker für seine Fähigkeit, die Rückkehr seines Herrchens zu
wittern. Das Motorrad fuhr auf das Tor zu und Rebecca winkte den beiden zu, als
sie das Tor aufmachte. Sie zog es voll auf und ließ das Gefährt herein. Tucker
drehte sich aufgeregt im Kreis, als sie das Tor wieder schloss und rannte dann
auf die Scheune zu, wo Elliot neben ihrem verbeulten blauen Jeep angehalten
hatte.
Elliot
kletterte herunter, zog den Helm aus und hängte ihn an das Lenkrad. Dann half er seiner Begleiterin, als sie
etwas unbeholfen von dem Motorrad stieg. Als Rebecca näherkam, nahm ihr Elliot
gerade vorsichtig den Helm vom Kopf, so dass ihr dunkles Haar frei auf ihre
Schultern fiel. Sie war klein, trug Jeans und einen blauen Mantel und sie sah
überhaupt nicht so mysteriös aus, wie Rebecca nach Elliots ausweichender
Beschreibung erwartet hatte.
"Hey!"
rief Rebecca und Elliot sah mit einem breiten Grinsen auf.
"Selber
hey", antwortete er. Er fuhr sich mit der Hand
durch seine blonden Haare und rückte sich etwas verlegen seine Brille zurecht.
Tucker
erreichte sie nun und sprang aufgeregt bellend auf und ab. Der plötzliche Lärm
schien die Frau zu erschrecken und sie griff erschrocken in einer so besitzergreifenden Art und Weise nach Elliots Arm, dass
Rebecca die Stirn runzelte.
"Ist
schon in Ordnung, Lisa", hörte Rebecca ihn sagen, als sie näherkam. "Das ist nur Tucker, unser Hund... er
wird dir nichts tun." Er beugte sich vor, um Tucker hinter den Ohren zu
kratzen und zog die Frau mit sich, so dass sie jetzt neben ihm hockte. Elliot
hielt Tucker am Halsband und legte die Hand der Frau auf den Rücken des Hundes.
"Er ist ein guter Junge, stimmt's Tucker?"
Rebecca
erreichte sie nun ebenfalls. Elliot stand auf, um sie zu begrüßen und er
umarmte sie. "Beck...." murmelte er sanft, bevor er sie küsste. "Ich habe dich vermisst..."Eine Mischung von
Sehnsucht und Verlangen stand in seinen braunen Augen, die offensichtlich genug
war, um ihr das Blut ins Gesicht schießen zu lassen.
"Ich
habe dich auch vermisst." Rebecca küsste ihn noch einmal und drehte sich
dann zu der Frau um, die immer noch den Hund streichelte. "Hi", begrüßte sie sie. "Ich bin Rebecca. Rebecca
Montoya. Aber du kannst mich auch gerne Beck nennen wie alle meine
Freunde."
Die
Frau hielt für einen Augenblick inne und stand dann langsam auf, eine Hand
tastete hinter sich nach dem Motorrad, um es als Halt zu benutzen. Rebecca hielt ihre Überraschung zurück, als
sie sah, dass sie blind war.
"Hi", antwortete sie und streckte ihre Hand vor sich
aus. "Ich bin Lisa. Lisa Wilder."
Rebecca
brauchte einen Moment, um sich von dem Anblick der leeren Augen zu erholen,
dann schüttelte sie fest ihre Hand. "Schön, dich kennenzulernen,
Lisa." Rebecca sah zu Elliot und bemerkte sein zustimmendes Nicken. Die
Hand der Frau war kühl und Rebecca schüttelte bedauernd den Kopf. "Dir
muss ja richtig kalt sein nach der langen Fahrt. Ich hoffe, Elliot ist nicht
wie ein Verrückter gefahren."
Lisa
lächelte ein wenig. "Es war nicht so schlimm."
"Du
brauchst mir nichts vorzumachen, Lisa. Ich bin auch damit gefahren, ich weiß
wie er fährt." Rebecca lächelte auf Lisas nervöses Lachen hin.
"Kommt, lasst uns rein gehen."
Elliot
deutete auf die Tasche auf dem Gepäckträger des Motorrads. "Könntest du
bitte Lisas Tasche nehmen, Beck?" sagte er, als er seinen Rucksack
schulterte, in einer geschmeidigen, glatten Bewegung Lisas Arm nahm und sie mit
einer Geschicklichkeit, die Rebecca überraschte, vorsichtig auf das Haus zu
führte.
"Klar",
erwiderte Rebecca, warf Elliot einen Blick zu und hob erstaunt eine Augenbraue,
als sie nach der Tasche griff. Es war ihr berühmter du-hast-wieder-mal-eine-lange-Erklärunge-vor-dir-Blick
und sie wusste, dass er ihn gesehen hatte. Mit Tucker auf den Fersen trug
Rebecca die Tasche und ging neben ihnen her zum Haus.
Ende
von Teil 1...
X-1
X-1
GETEILTE WEGE
(2/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Scully
konzentrierte sich auf Elliots Schritte und versuchte, sich seinem Rhythmus anzupassen.
Sie konnte hören, wie der Hund neben ihnen herumtollte und sie hoffte, dass ihr
das Tier nicht in den Weg laufen und sie stolpern würde. Sie war müde, sehr
müde, und es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, seit Mulder sie an diesem Morgen
geweckt hatte.
Mulder...
schon allein beim Gedanken an ihn zog sich ihr Herz zusammen. Scully atmete
lang und bedacht durch und versuchte ihre Angst lange genug zu verdrängen, um
sich auf ihre Schritte zu konzentrieren.
"Okay,
Lisa", hörte sie Elliot sagen. "Hier sind jetzt drei Stufen und dann
sind wir in der Küche."
Scully
nickte. "Ich halte die Tür auf", sagte Rebecca. Scully hörte das
Knarren einer Tür, die geöffnet wurde und dann wieder Rebeccas Stimme. "Nein, Tucker, du bleibst draußen. Guter
Junge."
Scully
hielt weiterhin an seinem Arm fest, als sie Elliot die Treppe hinauf folgte,
und sie war erleichtert, als sie in dem warmen Raum stand. Elliot ließ sie los
und Scully hörte, wie etwas Schweres auf den Boden fiel. Sie nahm an, dass es
sein Rucksack war. "Beck?" fragte er. "Wo soll ich..."
"In
unser Zimmer", antwortete Rebecca, und Scully hörte einen Hauch von Ärger
in ihren Worten. "Das Studio ist offensichtlich nicht angebracht."
"Glaube
ich auch nicht", erwiderte Elliot. "Beck..."
Sie
schnitt ihm das Wort ab und Scully erkannte den Ton in ihrer Stimme wieder. Es
war der, den ihre Mutter immer gebrauchte, wenn sie wütend auf ihren Vater war.
Wenn es etwas gab, worüber sie sprechen wollte, das aber nicht in Gegenwart der
Kinder tun wollte. "Warum quartierst du Lisa nicht ein und ich mache uns
etwas zu essen."
"Okay",
antwortete Elliot und Scully fühlte, wie er wieder ihren Arm nahm. Als sie
gehen wollten, fragte Elliot, "Ist Coop heute
nicht dran mit Kochen? Wo ist er?"
"Er
kommt heute später", sagte Rebecca. "Und ich habe angenommen, dass
ihr nicht warten wollt."
"Habe
ich dir jemals gesagt, dass du ein Genie bist?" Scully hörte daraufhin
Rebeccas Lachen, und hörte dann das unverwechselbare Geräusch eines Kusses.
"Nicht
in den letzten zehn Minuten", neckte Rebecca. "Aber Komplimente
werden dich nicht vor dem Geschirrspülen bewahren."
Scully
wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte, weil sich die Spannung etwas
gelöst hatte oder ob es ihr peinlich sein sollte, weil sie die Ursache dafür
war. Es schien, dass letzteres die Oberhand gewinnen würde. Als Elliot sie
wieder beim Arm nahm, folgte sie ihm dankbar und hörte zu, wie er ihr die
Einrichtungen im Haus erklärte.
"Wir
kommen normalerweise alle durch die Küchentüre rein—wohl aus Gewohnheit. Es
gibt vier Türen in der Küche", sagte Elliot und führte sie an jeder
einzelnen vorbei. "Die erste ist die, wodurch wir hier rein gekommen sind.
Dann gibt es an der hinteren Wand eine Tür zur Waschküche. Die Tür an dieser Wand führt in den Flur, die
Tür genau gegenüber führt ins Esszimmer. Da essen wir später." Scully
hörte ihm genau zu und versuchte, ein Bild des Zimmers in ihrem Kopf zu malen.
"Jetzt
sind wir im Flur. Das hier ist das Foyer. Und hier ist die Eingangstür."
Scully streckte eine Hand aus und berührte das Holz der Tür und nickte dann ihr
Verständnis. "Der Flur ist L-förmig. Wenn man
die Tür als den Punkt nimmt, an dem die beiden Linien zusammenkommen, ist zu
deiner Linken die kurze Seite, die in dem großen Esszimmer endet."
Elliot
nahm wieder ihren Arm und führt sie das hinunter, was Scully für die lange
Seite des L-förmigen Flurs hielt. Sie konnte die
Tasche gegen sein Bein klopfen hören, als sie gingen. "Okay, obwohl der
Flur hier ziemlich lang ist, ist es ganz einfach. Die erste Tür ist die zu
Coopers Zimmer, und die zweite ist die Tür zum Badezimmer."
"Coopers
Zimmer hat eine gemeinsame Wand mit dem Esszimmer, hab ich recht?" fragte
Scully und hoffte, dass sie ihre Karte richtig gezeichnet hatte.
"Ganz
genau." Elliot schien sich zu freuen und Scully lächelte. "Wenn du
den Gang von dieser Seite hinunter gehst, gibt es nur eine Tür auf der linken
Seite. Da ist unser Zimmer, Becks und meines. Das wird
dein Zimmer sein, solange du hier bist."
Scullys
Lächeln verschwand. "Ich möchte euch nicht aus eurem eigenen Zimmer
vertreiben", widersprach sie.
"Mach
dir darüber mal keine Sorgen", sagt Elliot und Scully hörte, wie sich die
Tür öffnete. "In Becks Studio steht ein Bett, wir können dort
schlafen." Scully wollte protestieren, aber er sprang ihr ins Wort.
"So ist es einfacher, glaub mir. Und ein Badezimmer gibt es hier auch,
also brauchst du nicht immer in den Flur."
Scully
ließ sich widerwillig von Elliot in das Zimmer führen und er beschrieb ihr die
Details. Das Bett stand an der Wand gegenüber, und die Tür zum kleinen
Badezimmer war in der hinteren Ecke. Das Badezimmer nahm genauso viel Platz ein
wie der große Wandschrank auf der Gegenseite, was aus dem viereckigen Raum eher
ein Rechteck machte. Für Scully hörte es sich an, als sei der Boden genau wie
im Rest des Hauses ein Holzfußboden, aber hier schienen einige Flickenteppiche
zu liegen. Die verschiedenen Texturen des Bodens brachten Scully aus dem
Gleichgewicht und sie erkannte, dass sie sich schnell an ihre neue Umgebung
gewöhnen musste.
"Ich
stelle deine Tasche aufs Bett", schloss Elliot. "Handtücher und so
weiter sind im Badezimmer, aber wenn du etwas brauchst, sag Bescheid."
Scully
nickte und ging zurück zum Bett, wo sie sich seufzend fallen ließ und ihren
Mantel auszog.
"Alles
in Ordnung?" fragte Elliot besorgt.
"Ja,
es geht mir gut", antwortete Scully und zwang sich zu einem Lächeln.
"Du
bist eine große Hilfe, Elliot, ehrlich. Ich bin nur ein bisschen müde."
"Ja,
ich auch", erwiderte Elliot. "Ich lass dich dann mal eine Weile
allein. Beck und ich lassen dich wissen, wenn das Essen fertig ist."
"Danke",
sagte Scully und hörte wie die Tür ins Schloss fiel und Elliot Schritte sich
entfernten. Endlich allein blieb Scully für eine lange Zeit sitzen. Sie spürte
die Diskette in ihrer Hosentasche und sie berührte sie mit zitternden Fingern.
Sie musste daran denken, was diese Diskette bedeutete. Erschöpft drehte sie
sich um, legte sich mit dem Gesicht nach unten auf das Bett und vergrub es in
einem der Kissen. Sie atmete tief durch und inhalierte den frischen Duft der sauberen
Bezüge.
<MulderMulderMulder>
Sie
drückte das Kissen ganz fest an sich und ließ endlich ihren Tränen freien Lauf.
Der
Bahnhof in Tucson war brechend voll. Voll von hunderten eiliger Menschen.
Mulder ging neben Christophe und seinen Assistenten her. Kurz vor der Landung
hatte man ihm normale Zivilklamotten verpasst, die er jetzt trug. Ein dritter
Mann, der auf dem Flug hinzugekommen war, war mit dem unscheinbaren Auto
zurückgeblieben, in dem sie zum Bahnhof gefahren waren. Mulder war froh über
diese Tatsache, denn immerhin schien es ihm einfacher, zwei Männern zu
entkommen, anstatt dreien.
Nicht,
dass er großartige Chancen dazu hätte. Christophe war während der ganzen Zeit
nicht von seiner Seite gewichen und hatte ihm ständig die Pistole in den Rücken
gehalten und Mulder war sich im Klaren, dass sein Assistent nicht weniger
aufpasste. Und obwohl sein langärmliges Hemd das Sicherheitsarmband verdeckte,
das er trug, konnte Mulder es nicht vergessen.
Das
Timing war ein wenig daneben, denn der Sunset Limited
war bereits im Bahnhof. Ohne Zeit zu verlieren erreichten sie den Bahnsteig, wo
die Passagiere bereits ausstiegen.
"Sieh
dich in der Menge nach jemandem um, der ihrer Beschreibung entspricht",
befahl Christophe seinem Assistenten, der sich augenblicklich in der anonymen
Menschenmenge rar machte.
Als
sie den Schaffner fanden, hielt Christophe ihm einen Ausweis hin, der
offensichtlich seinen Zweck erfüllte. Widerwillig ließ der Schaffner sie den
Zug durchsuchen. Sie sahen in jedem Abteil nach, doch fanden
keine Spur von Scully.
"Sie
ist nicht hier", sagte Mulder, der zugleich erleichtert aber auch
enttäuscht war.
Doch
das stellte Christophe keineswegs zufrieden. "Wir müssen mit allen
Zugbegleitern dieses Zuges sprechen, bevor Sie weiterfahren", verlangte er
von dem Schaffner.
"Das
ist aber keine normale Vorgehensweise", protestierte dieser. Er konnte
seine Gereiztheit über die Verspätung kaum verbergen.
"Bedauerlicherweise",
erwiderte Christophe ruhig, "ist das hier auch keine normale
Situation."
Mit
der Geschwindigkeit eines Profis marschierte Christophe durch alle Befragungen.
Erst die vierte Zugbegleiterin war aufschlussreicher als die anderen.
"Ich
glaube, ich weiß, von wem sie reden", sagte die Frau und fummelte nervös
an ihren blonden Locken. "Da war eine Frau in einer der oberen Kabinen—sie
hat auf ihren Mann gewartet. Sie hat gedacht, dass er vielleicht den Zug
verpasst haben könnte."
Mulder
blieb bei ihren Worten das Herz stehen, doch bevor er irgendetwas sagen konnte,
ergriff Christophe das Wort.
"Es
tut mir Leid", sagte er. "Ich habe wohl Ihren Namen vergessen."
"Sheila",
antwortete die Frau.
"Sheila",
fuhr Christophe fort, "konnten Sie den Ehemann der Frau ausfindig
machen?"
"Nein",
sagte Sheila. "Es gab keine Spur von ihm, weder im letzten Bahnhof noch in
dem nächsten."
"Können
Sie sich erinnern zwischen welchen Bahnhöfen das war?" fragte Christophe.
"Hmm... " Sheila legte den Kopf zur Seite und schloss
für einen Moment die Augen, als sie nachdachte. "Es war irgendwann um El
Paso, glaube ich." Sie öffnete wieder die Augen und lächelte. "Es tut
mir Leid. Es ist nur so, dass ich für sehr viele Reisende verantwortlich bin,
dass ich ein wenig durcheinander bin. Der einzige Grund, warum ich mich an sie
erinnere ist, dass ich es nicht für sehr sicher hielt, dass sie alleine
unterwegs war."
Panik
schnürte Mulder fast den Hals zu. Er wollte sie nicht noch mehr über Scullys
Zustand verraten lassen. "Was ist ihr passiert?"
Sheila
zuckte die Schultern und blickte entschuldigend drein. "Sie hat mir
gesagt, dass sie ihre Mutter in Tucson treffen würde. Ich habe sie danach nicht
mehr gesehen. Ich nehme an, dass sie hier ausgestiegen ist."
Christophe
sah zu Mulder. Ein langer, durchdringender Blick, bevor er sich wieder Sheila
zuwandte. "Danke sehr, Sheila. Sie waren eine große Hilfe."
"Keine
Ursache", antwortete sie. "Ich muss jetzt aber wirklich wieder
zurück, ist das okay?"
"Ja,
natürlich", antwortete Christophe schmeichelnd.
Als
die Frau wieder in den Zug stieg, kehrte der Assistent zurück. "Keine Spur
von ihr, Sir", berichtete er.
Christophe
wandte sich an Mulder. "Was meinen Sie", sagte er. "Ist sie
wirklich hier in Tucson ausgestiegen oder eher vorher?"
Mulder
zögerte. Er wusste nicht, was er antworten sollte. "Ich glaube, wir sollten
hier anfangen zu suchen ", sagte er letztendlich. "Sheila
ist sich immerhin ziemlich sicher, dass sie von diesem Bahnhof hier geredet
hatte."
Christophe
blickte ihn für einen langen Moment an und sah dann zu seinem Assistenten.
"Beschaff' mir eine Liste mit allen Haltestellen zwischen El Paso und hier
und komm dann zum Flugzeug, wenn alles erledigt ist." Zu Mulder sagte er
dann, "Wir fangen hier an. Um unser beider Willen
sollten wir sie schnell finden."
Skinner
marschierte ungeduldig hinter seinem Schreibtisch hin und her und beobachtete,
wie der Computerfachmann vor ihm die Befehle in die Tastatur haute und wie sich
ein Bild auf dem Bildschirm entwickelte. Langsam nahm das Gesicht eines Mannes
Formen an. Es war ein Mann mit dunklen Haaren und olivfarbener
Haut. Ein Mann, der fast fremd in seiner Erscheinung wirkte. Wer war dieser
Typ, fragte er sich, wer hat sich als Skinner ausgegeben und Mulder aus einem
Gefängnis in Texas geschleust? Wer war er und wessen Befehle befolgte er?
Skinner
war sich nicht sicher, ob er die Antwort überhaupt hören wollte.
Es
war zugleich auch frustrierend, denn er war seit Ewigkeiten nicht mehr in
Mulders oder Scullys Nähe gewesen. Die anfängliche Freude, die er empfunden
hatte, als der Anruf ihn erreichte, war augenblicklich gedämmt worden, als er
erfahren hatte, dass es von Scully nichts Neues gab. Aber er hatte gehofft,
Mulder könnte den Lückentext füllen. Er hatte gehofft, Mulder könnte Klarheit
in die Situation bringen.
Und
jetzt war Mulder unerklärlicherweise wieder verschwunden. Und Skinner wurde das
Gefühl nicht los, dass er wieder von vorne anfangen musste.
"Und?
Ist er es?" polterte Skinner ungeduldig.
Die
Frage war an Rusty Hackett gerichtet, den Polizeichef
von El Paso, der genau neben Skinner im Büro der örtlichen FBI-Zweigstelle
stand. "Sieht ganz nach ihm aus", sagte dieser, aber er klang nicht
sonderlich überzeugend. "Ich habe ihn nur einen Moment gesehen, wissen
Sie. Und ich hatte keinen Grund, ihn zu verdächtigen. Er hatte einen Ausweis
dabei."
"Ich
verstehe." Skinner bemühte sich, nicht zu laut zu werden und nicht die
Geduld mit Hackett zu verlieren. "Aber das hier
ist sehr wichtig. Also wäre es gut, wenn Sie sich ein wenig sicherer wären, ob
das hier eine zutreffendes Phantombild ist oder
nicht."
"Ja,
es trifft ganz gut zu", sagte Hackett. "Ich
würde ihn nur ein wenig... ich weiß
nicht... ein wenig intensiver machen."
"Was
soll das heißen?"
"Naja,
er hatte etwas an sich, etwas in seinen Augen, glaube ich. Etwas, dass ein Nein
nicht als Antwort duldet." Hackett sah zu
Skinner auf, bevor er weiter sprach. "Verdammt, ich war nicht weit davon
entfernt, seine Story zu glauben. Sie haben auch so einen Blick."
Elliot
ging in die Küche und fuhr sich mit der Hand durch sein immer noch feuchtes
Haar. Er hatte in Coopers Badezimmer geduscht und versucht, das Unvermeidliche
so lange wie möglich aufzuschieben. Er wusste genau, dass er es ihr nicht
länger vorenthalten konnte.
Die
Küche war erfüllt von einem wohlriechenden Aroma und Elliot zog genüsslich den
Duft ein. "Mmmm", machte er erfreut.
"Was gibt es zum Abendessen?"
"Paella",
antwortete Rebecca vom Herd aus. "Ich weiß, die hast du am liebsten."
Etwas
von der Spannung, die Elliot befallen hatte, löste sich bei ihren Worten von
ihm. Er blickte sie an, wie sie am Herd stand und mit dem Kochlöffel das Gemüse
in der Pfanne umrührte. Sie hatte eine langärmlige, cremefarbene Bluse, die am
Kragen mit kleinen Blümchen bestickt war unter ihrem Lieblings-Overall an. Ihr
langes, dunkel gelocktes Haar, das er so bewunderte, war zu einem Pferdeschwanz
zusammengesteckt, der ihr am Rücken herunter hing und einige widerspenstige
Strähnen, die der Spange entkommen waren, umrahmten ihr gebräuntes Gesicht. Sie
sah ihn an mit dunklen, fast schwarzen Augen und mit einer Intensität, die Elliot
nur zu gut kannte.
"Danke",
sagte er als Einleitung für das bevorstehende Gespräch. "Soll ich schon
mal den Tisch decken?"
"Gleich",
sagte sie und nahm den Holzlöffel aus der Pfanne, bevor sie sie mit einem
Deckel bedeckte. Sie drehte die Herdplatte niedriger und durchquerte dann den
Raum zu der Stelle, wo er an der Wand gelehnt stand. "Also", begann sie. "Erzähl
mir doch erst einmal, was hier eigentlich los ist."
Elliot
nahm ihr Hände in seine. Er wollte wirklich, dass sie verstand, was er getan
hatte und er hoffte, dass sie ihm glauben würde, dass er keine andere Wahl
gehabt hatte. Er sprach langsam und dachte über jeden Satz nach, den er sagte,
als er ihr von der Zugreise erzählte. Wie er Rick und Lisa im Speisewagen
getroffen hatte. Wie Lisa in sein Zimmer gekommen war und die Geschichte, die
sie ihm erzählt hatte. Er ließ nichts aus, er wollte, dass Rebecca es genauso
erfuhr, wie er es erlebt hatte und er hoffte, dass sie denselben Entschluss
fassen würde.
Als
er endete, schwieg sie. Während er erzählt hatte, hatte sie seine Hände
losgelassen und war zu ihrem gewohnten Platz neben dem großen Tisch gegangen,
der in der Mitte des Raumes stand. Sie saß immer noch da und fingerte
nachdenklich an ihren Locken, die sie an dem langen Zopf an ihrem Rücken erreichte.
Als sie endlich sprach, waren ihre Worte leise. "Was, glaubst du, ist ihm
passiert?"
"Ich
weiß es nicht", sagte Elliot mit einer hilflosen Geste und einem
Schulterzucken. "Irgendwie denke ich immer noch, dass er sie verlassen hat.
Einerseits schien es mir zwar, dass sie sehr verliebt sind—die große Liebe,
weißt du?" Als Rebecca nickte, fuhr er fort. "Aber andererseits
glaube ich nicht für eine Sekunde, dass sie wirklich verheiratet sind. Sie
hatten keine Ringe. Okay, das beweist am Ende gar nichts, aber irgendwie hat
mich die Art gestört, wie sie es sagten. Als ob es etwas sei, woran sie sich
erst gewöhnen mussten, aber nicht wirklich."
"Aber
warum sollten sie dich belogen haben?" Rebecca verstand es nicht.
"Hmm. Wenn sie wirklich in so großen Schwierigkeiten sind,
wie Lisa behauptet, dann können sie wohl keinem vertrauen."
Rebecca
sprang vom Tisch und ging wieder zum Herd. Sie hob den Deckel und sah nach dem
Gemüse. "Sie vertraut dir."
Dieser
einfache Satz lag wie ein Gewicht auf Elliots Schultern, als er hinüber zu dem
Weinregal in der Ecke ging. Er zog eine Flasche heraus, stellte sie auf den
Tisch und öffnete die Schublade auf der Suche nach einem Korkenzieher. Ohne
auch nur eine Sekunde zu zögern fischte Rebecca den Korkenzieher aus einer
anderen Schublade und reichte sie ihm.
Elliot
lächelte dankbar, aber er ließ Rebeccas Bemerkung unbeantwortet und er konnte
sehen, dass sie seine Schweigsamkeit störte. "Elliot!" Sie legte eine
Dringlichkeit in ihre Stimme, dass er aufsah.
"Was
sollte ich machen, Beck?" Elliot griff nach zwei Weingläsern aus dem Regal
und stellte sie mit einer solchen Wucht auf den Tisch, dass sie fast
zersprungen wären. "Ich konnte sie nicht in dem Zug allein lassen. Ich
konnte es einfach nicht!"
"Und
warum nicht?" Rebecca starrte ihn an. "Es ist nicht deine Aufgabe,
die Welt zu retten, Elliot. Das war sie nie gewesen. Das hier ist etwas
verdammt anderes als einen streuenden Hund nach Hause zu bringen und ihn
behalten zu wollen."
"Beck!"
"Ich
meine es ernst, Elliot! Das hier ist vollkommen lächerlich", wirbelte
Rebecca mit funkelnden Augen. "Du triffst eine blinde Frau in einem Zug,
die dir irgendeine hirnverbrannte Story über ihren vermissten Mann erzählt und
du bringst sie nach Hause. Du weißt *überhaupt* nichts von ihr! Das könnte
alles eine abgekartetes Spiel aus Gott weiß welchem Grund sein!"
Elliot
hatte den Wein bereits in ein Glas geschüttet und hielt die Flasche jetzt über
das andere, doch ihre Worte stoppten ihn. "Denkst du nicht, dass ich das
weiß?" Er hielt inne, die Wut stieg nun auch in ihm auf und seine Worte
waren eiskalt. "Ich *weiß* das. Ich habe über alles nachgedacht. Und ich
habe getan, was ich tun musste."
Rebecca
hatte die Arme vor ihrer Brust verschränkt, aber ihre gekreuzten Arme konnten nicht
verbergen, dass sie anfing zu zittern. "Hast du je darüber nachgedacht,
was es bedeutet, wenn sie wirklich die Wahrheit sagt?"
Elliot
sagte nichts. Er blieb stehen wo er war, eine Hand immer noch im festen Griff
um die Weinflasche.
"Wenn
jemand hinter ihr her ist.... gefährliche Leute, wie
du sagst...." Rebecca konnte den Satz nicht zu Ende sprechen und erst
jetzt erkannt Elliot, dass sie Angst hatte. "Ist dir nie in den Sinn
gekommen, dass sie ihr hierhin folgen könnten?"
Elliot
war mit vier Schritten bei ihr und nahm sie in die Arme. Er ließ ein
erleichtertes Seufzen frei, als sie ihn ebenfalls umarmte, ihn an sich heranzog
und ihren Kopf auf seine Schulter legte. "Ich habe darüber nachgedacht,
Beck", murmelte er ihr ins Ohr. "Seit dem Moment, in dem sie es mir
gesagt hat und während des ganzen Weges hierher. Ich habe nie aufgehört, daran
zu denken. Und es macht mir auch Angst."
Elliot
löste sich etwas von ihr und streichelte zärtlich ihre Wange. "Aber weißt
du, was mir geholfen hat, diese Entscheidung zu treffen?" Rebecca
schüttelte den Kopf und ihr Gesicht rieb sanft gegen seine Handfläche.
"Du, Beck. Ich habe immerzu daran gedacht, dass ich wollen würde, dass
Rick es für dich täte, wenn du in dieser Situation wärest. Und da habe ich gewusst,
dass ich keine andere Wahl hatte."
Rebecca
hielt seinen Blick und Elliot war sich sicher, dass er Tränen in ihren Augen
sah, aber sie sah weg, bevor er sich sicher sein konnte. Sie vergrub ihr
Gesicht in seinem Hals und küsste ihn sanft. "Ich weiß", murmelte
sie, ihre Stimme gedämpft an seinem Körper. "Und ich liebe dich
dafür."
Elliot
hob mit einer Hand ihr Kinn und küsste sie innig. Er war wie immer dankbar für
ihre Klugheit und für ihr Verständnis. Rebecca lächelte ihn an und drückte
seine Hand, bevor sie sich wieder dem Herd zuwandte. "Das beantwortet
allerdings immer noch nicht die Frage, was wir tun sollen. Wie können wir ihr
helfen, wenn wir nicht wirklich wissen, was los ist?" Er füllte das zweite
Glas mit Wein, machte die Flasche wieder zu und nahm die beiden Gläser mit zu
ihr herüber. "Das können wir morgen früh herausfinden", sagte er und
gab ihr eines der Gläser. "Wir reden mit ihr. Vielleicht können wir sie
überreden, zur Polizei zu gehen."
"Ich
gehe nicht zur Polizei."
Elliot
ließ bei diesem einfachen, energischen Statement fast sein Glas fallen. Er fuhr
herum und sah Lisa in der Küchentür stehen, eine Hand am Türrahmen, ihre Haare
feucht von der Dusche. Sie hatte nun Khakis an und immer noch den großen grünen
Sweater, den Sweater, von dem ihm plötzlich einfiel, dass Rick ihn getragen
hatte.
"Lisa!"
Er suchte nach Worten, er suchte nach einer Erklärung und wünschte sich, er
wüsste, wie lange sie da schon gestanden und das Gespräch mitbekommen hatte.
"Es
tut mir Leid, Elliot", sagte Lisa, ihre Worte knapp, aber so ruhig, als ob
es ihr sehr wehtun würde, sie zu äußern. "Ich wollte Rebecca und dich
nicht in meine Probleme verwickeln. Es ist nicht fair euch gegenüber."
Elliot
löste seinen Blick lange genug von Lisa, um Rebecca anzusehen, die stocksteif
vor dem Herd stand und so erschrocken aussah, wie er sich fühlte.
"Lisa...."
Elliot wusste, dass er herumstotterte, aber er wollte das Beste daraus machen.
"Es ist in Ordnung, wirklich. Wir waren nur—"
Lisa
schüttelte langsam den Kopf und sie konnten die Resignation in ihrer Bewegung
sehen. "Ich weiß. Glaubt mir. Aber ich kann euch nicht länger in das hier
hineinziehen. Ich möchte, dass ihr mich morgen in die Stadt bringt. Von da aus sehe ich dann weiter." Damit drehte
sie sich um und ging zurück in den Flur, ihre Schritte auf dem Holzfußboden
kaum hörbar.
Ende
von Teil 2...
X-2 X-2
GETEILTE WEGE
(3/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Rebecca
rührte sich nicht vom Fleck. Eine Mischung von Verlegenheit und Beschämung
befiel sie. Sie starrte Elliot an, dessen Blick hinter seinen Brillengläsern
schmerzerfüllt war. Die Stille des Augenblicks wurde durch die aufspringende
Küchentür zerrissen. Eine kalte Brise fegte herein, gefolgt von einer bekannten
Stimme.
"Was
ist denn hier los? Bin ich auf einer Beerdigung gelandet?"
Rebecca
drehte sich um und sah Cooper mit Tucker auf den Fersen in die Küche kommen. Er
zog sich seine Buffalo Jacke aus und warf sie achtlos auf einen der
Küchenstühle. Er zog sein Stirnband aus, das seine braunen Haare
zusammengehalten hatte, die jetzt wirr um sein Gesicht fielen. "Hey,
Mann! Schön dich wiederzuhaben!"
Als er keine Antwort erhielt, fragte er verunsichert, "Hab ich was
Falsches gesagt?"
"Beck—"
Ohne auf Cooper zu achten drehte sich Elliot mit einem Flehen in den Augen zu
ihr. "Ich gehe besser—"
"Nein",
erwiderte Rebecca und schnitt ihm das Wort ab. "Du erzählst ihm, was los
ist. Es ist immerhin deine Geschichte. Ich rede inzwischen mit ihr."
Rebecca
konnte Elliot ansehen, dass er protestieren wollte, doch er schwieg und nickte
bloß.
Als
ob überhaupt nichts los sei bemerkte Cooper, "Hier riecht's
lecker. Ich glaube, ich sollte euch öfters das Kochen überlassen."
Rebecca
warf Cooper ein kurzes Lächeln zu und verschwand dann im Flur. Hinter sich konnte sie hören, wie Elliot
Cooper begrüßte und ihm ein Glas Wein anbot. Die Stimmen wurden leiser, als sie
den Gang hinunter auf die Türe des Schlafzimmers am anderen Ende zuging. Es
schien zwar kein Licht unter der Tür durch, was normalerweise nicht gerade
darauf schließen lässt, dass jemand im Zimmer war, aber Rebecca wusste es
besser.
Sie
klopfte leise an. "Lisa? Kann ich hereinkommen?" Zuerst erhielt sie
keine Antwort, doch dann hörte Rebecca ihre leise Stimme.
"Natürlich."
Rebecca
drückte die Türe auf und sah Lisa mit unter sich gekreuzten Beinen im Dunkeln
auf dem Bett sitzen, ihre Hände in ihrem Schoß. "Hey", sagte Rebecca
vorsichtig. Lisa antwortete nicht. Sie blieb absolut still sitzen, wie eine
Statue.
Rebecca
machte die beiden antiken Lampen im Zimmer an, die an den Seiten des Bettes
standen. Die Lampen waren zwar nicht besonders groß, aber es reichte. Lisa
hatte den Kopf gesenkt und ihr dunkles Haar verdeckte ihr Gesicht. Langsam und
zögernd durchquerte Rebecca den Raum und setzte sich neben Lisa aufs Bett.
Nach
einem Moment hatte Rebecca Mut angesammelt und sprach. "Lisa.... ich weiß nicht, was du mitgehört hast oder was du
denkst, dass du gehört hast --"
"Ich
habe genug gehört", sagt Lisa. "Und du hast Recht. Es war falsch,
dass ich hierher gekommen bin. Es war.... es war
gedankenlos von mir, euch hier mit hinein zu ziehen."
"Nein."
Dieses einzige Wort war kurz und abrupt, aber überraschend vehement. "Es
war nicht falsch, dass du hierher gekommen bist, und Elliot hat auch richtig
gehandelt, indem er dich mitgenommen hat. Ich... ich habe überreagiert. Ich
glaube, es hat mich alles ein wenig überrascht."
"Rebecca..."
Lisa hob den Kopf und wandte sich zu ihr, als ob sie ihr in die Augen sehen
wollte. "Du verstehst es nicht."
"Ich
muss es nicht verstehen", antwortete Rebecca, obwohl sie mehr als
neugierig war, wie Lisa an den dunklen Bluterguss auf ihrer blassen Wange
gekommen war. "Das ist nicht wichtig. Zumindest jetzt nicht."
Scully
seufzte und fühlte sich mit einem Mal verletzlich und allein. "Doch."
Sie suchte nach Worten, um es ihr zu erklären. "Es ist wichtiger als du
denkst. Ich kann euch einfach nicht um so etwas bitten. Es ist nicht fair dir
oder Elliot gegenüber."
"Warum
lässt du uns das nicht entscheiden?" fragte Rebecca. Scully fand die Frage
einerseits unglaublich lieb gemeint, aber andererseits wieder furchtbar naiv.
"Das
geht nicht. Ich kann euch nicht darum bitten, für mich verantwortlich zu sein. Nicht
in diesem Sinne."
Scully
war überrascht, als sie eine Hand sanft auf ihrem Knie fühlte. "Lisa... du steckst in Schwierigkeiten.
Und Elliot hat Recht. Es ist egal in welchen oder warum. Ich muss die
Hintergründe nicht wissen, es sei denn, du möchtest es. Ich vertraue Elliot,
und ich vertraue darauf, dass er das Richtige getan hat, indem er dich hierher
gebracht hat."
Vertrauen...
dieses einfache Wort hallte in Scullys Kopf. So ein einfacher Begriff und doch
eine so schwerwiegende Bedeutung. An jemand zu glauben, bedingungsloses
Vertrauen in die Richtigkeit der Entscheidungen anderer zu haben, so dass deren
Handeln gerechtfertigt ist. Etwas, das es in ihrer Beziehung zu Mulder ohne
Zweifel gab. Es war ein Punkt in ihrer Partnerschaft, den sie nie in Frage
gestellt hatte.
In
Gedanken verloren merkte Scully nicht, dass Rebecca eine Antwort erwartete, bis
sie sie sagen hörte, "Ich bin froh, dass du hier bist, Lisa, und nicht
irgendwo ganz allein versuchst, mit der Situation klar zu kommen. Du kannst
gerne bleiben solange du uns brauchst."
Scully
wusste, dass es zugleich eine Entschuldigung und eine Einladung war. Und obwohl
sie sich über die Tatsache im Klaren war, dass ihre bloße Anwesenheit das junge
Paar in Gefahr brachte, war sie in dem Moment zu erschöpft, um ihr Angebot
abzulehnen. "Danke", sagte sie letztendlich. "Es bedeutet mir
sehr viel, mehr als du dir vorstellen kannst."
"Kein
Problem", antwortete Rebecca und Scully konnte ein Lächeln in ihrer Stimme
ausmachen. "Morgen früh versuchen wir eine Lösung zu finden. Ich bin
sicher, wir werden eine finden. Möchtest du jetzt etwas zu Abend essen?"
"Ich
bin am verhungern", gab Scully zu und merkte, dass es wirklich stimmte.
"Dann
komm", forderte Rebecca sie auf und die Federn im Bett quietschten, als
sie aufstand und Scully unterstützend sanft am Arm zog. "Bevor die Jungs
alles alleine verputzen."
Scully
konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken und ließ sich zur Tür führen.
Doch kurz bevor sie auf den Flur traten, hielt Scully inne. Sie fand Rebeccas
Hand und drückte sie. "Bitte versprich mir eines", sagte sie leise.
"Versprich mir, dass du nicht zur Polizei gehst."
In
der langen Pause, die folgte, fand es Scully schwer zu atmen. Sie hoffte, dass
die Bitte ihre Gastgeberin nicht beleidigt oder erschreckt hatte. Doch dann
antwortete Rebecca, langsam und betonend.
"Du
hast mein Wort, Lisa. Wir werden nicht zur Polizei gehen."
"Danke",
sagte Scully schlicht. "Ich hätte nicht gefragt, wenn es nicht wirklich
wichtig wäre."
"Ich
glaube dir", erwiderte Rebecca. Dann gingen sie gemeinsam den Flur
hinunter.
Es
gab keine Spur von Scully in und im Umkreis des Bahnhofs in Tucson. Zumindest
nicht ihren ersten Ermittlungen zufolge. Irgendwie fühlte Mulder sich durch die
Suche an einige seiner langweiligen Untersuchungen im FBI erinnert. Irgendwie
jagten sie die Nadel im Heuhaufen und ihr einziger Hinweis war ziemlich dünn.
Das
sollte allerdings nicht heißen, dass Christophe nicht seine eigene spezielle
Methode zum Angriff hatte. Ganz im Gegenteil, er war äußerst konzentriert und
folgte einem logischen Muster. Seine Intensität war erschreckend, und Mulder
hatte im Moment keine andere Wahl als zu tun, wie ihm gesagt wurde.
Soweit
er das beurteilen konnte, hatte Scully keinen Anschlusszug genommen. Sie war
auch nicht in einen der City-Busse gestiegen, die rund um den Bahnhof standen.
Sie hatten es nämlich geschafft, die drei Busse, die gleichzeitig mit ihrem Zug
angekommen waren anzuhalten und zu durchsuchen. Mulder hatte auch nicht
erwartet, etwas aus den unzähligen Taxifahrern herauszubekommen, aber wie das
Schicksal es so will, war der Bahnhof so organisiert, dass alle Taxen an einer
bestimmten Stelle vorbei mussten, um das Fahrgeld einzusammeln. Der Mann, der
das ganze organisierte, war bei dem Anblick von Christophes Fünfzigdollarnote
mit einem Mal super-freundlich geworden und hatte ihnen versichert, dass
niemand, der auf Scullys Beschreibung passte, in den letzten paar Stunden ein
Taxi genommen hatte.
Die
letzte Station ihrer Suche der Umgebung war ein Lokal direkt auf der anderen
Straßenseite vom Bahnhof. Keine der Kellnerinnen konnte sich daran erinnern,
Scully gesehen zu haben, aber der Kaffee und die Sandwichs waren frisch und der
Assistent war noch nicht zurück, also fand sich Mulder an einem der Tische
neben Christophe wieder.
"Ich
will wissen, was das heißen soll." Christophes Ton war fast gesprächig,
doch er verbarg die Wichtigkeit seiner Forderung nicht. "Hat sie es etwa
geschafft, sich vom Bahnhof zu schleichen, ohne dass sie jemand gesehen hat?
Vielleicht hat sie es ja gar nicht bis Tucson geschafft."
Mulder
antwortete nicht. Er sah keinen Grund, sich mit ihm zu unterhalten. Bis
Christophe ihm die nächste Frage stellte. "Egal, es ist ein ziemlich
pfiffiger Trick für eine Blinde, was?"
Das
Blut gefror in seinen Adern. "Ich weiß nicht, wovon Sie reden."
"Nicht?"
Christophes Gesicht völlig ausdruckslos, genau wie seine Augen. Es waren Augen
eines Raubtieres, hungrig und fordernd. "Ich glaube schon. Ich habe
bemerkt, wie Sie die Zugbegleiterin auf dem Bahnsteig unterbrochen haben. Sie
hatten Angst, dass sie mir zuviel verraten würde, habe ich Recht?"
Er
weiß es nicht, dachte Mulder verzweifelt. Nicht sicher, nicht hundertprozentig.
Er fischt nur im Trüben hier und hofft, dass du aufgibst.
"Ich
glaube", sagte Mulder vorsichtig, "dass Sie falsche Informationen
erhalten haben." Er schwieg für einen Moment und spielte dann seinen
Aufschlag aus. "Von wem bekommen Sie eigentlich ihre Informationen?"
"Sie
können sich doch vorstellen, dass ich meine Quellen nie preisgeben würde",
antwortete Christophe kurz angebunden.
"Ich
dachte wir wären Partner", konterte Mulder. "Wir arbeiten zusammen,
wissen Sie noch? Mir scheint, unsere kleine Abmachung ist ein wenig
einseitig." Eine Kellnerin kam an ihren Tisch, um ihnen Kaffee nachzuschenken
und Mulder wartete, bis sie weg war, bevor er flüsternd fortfuhr. "Ich
weiß nicht einmal, wer hinter der Diskette her ist."
"Vielleicht
will ich sie ja selbst haben..."
"Glaube
ich nicht", schüttelte Mulder den Kopf. "Ich habe den Eindruck, dass Sie
kaum mehr sind als nur ein kleiner angestellter Zinnsoldat."
Christophes
Gesichtsausdruck nach zu urteilen war es offensichtlich, dass ihn diese Worte
trafen. "Um eines klarzustellen", zischte er kaum hörbar. "Ich arbeite für *niemanden*. Ich treffe
meine eigenen Entscheidungen." Er ließ seine Worte sinken, bis Mulder
nickte.
Christophe
grinste zufrieden. "Es gibt nichts, absolut nichts, was mich davon
abbringen würde, Sie auf der Stelle umzubringen, außer vielleicht meine eigene
großzügige Natur. Und selbst die hat Grenzen, Mulder."
Das
laute Dröhnen eine Autohupe machte sie auf die Rückkehr des Assistenten
aufmerksam. Christophe schmiss ein paar zusammengeknüllte Dollarnoten auf den
Tisch und stand auf. Mulder tat es ihm nach. Als er ihm nach draußen folgte,
nahm Mulder das Geld vom Tisch und steckte sie in die Tasche seiner Jeans. Es
hatte deswegen ein schlechtes Gewissen, doch er schob es mit dem Gedanken
beiseite, dass er das Geld nötiger brauchte als die Kellnerin.
Skinner
bezahlte den Fahrer und stieg aus dem Taxi, seine Brieftasche in der Hand. Als
er den Terminal betrat hielt er nach dem United-Schalter
Ausschau und steuerte darauf zu.
Es
war sich immer noch nicht sicher, ob er Texas verlassen sollte, aber
andererseits wusste er nicht, was es ihm bringen würde, wenn er bliebe. Das
örtliche FBI-Büro hatte alle ihre Agenten zur Verfügung gestellt, die Umgebung
sowohl nach Mulder und Scully, als auch nach dem mysteriösen Mann, der sich für
ihn ausgegeben hatte, zu durchsuchen. Skinner war sich sicher, dass er den Mann
nie zuvor gesehen hatte und deshalb war keinerlei Information über ihn in den
FBI-Akten zu finden. Er musste zugeben die Frage, ob seine Identität nicht von
internen Mächten im FBI verdeckt wurde, beschäftigte ihn zunehmend. Es wäre nicht
das erste Mal.
Skinner
bezahlte sein Ticket mit seiner Kreditkarte und machte sich auf den Weg zum
Gate. Die Passagiere würden nicht vor einer halben Stunde ins Flugzeug
gelassen, also setzte er sich auf einen der harten Flughafen-Sitze und wartete.
Und
wieder ließ der Gedanke, er sollte lieber nicht fliegen, ihn nicht los. Vergiss
es, Skinner, sagte er zu sich. Du kannst hier nichts mehr tun.
"Zumindest
jetzt nicht", murmelte er, woraufhin das junge Mädchen, das neben ihm saß,
ihm einen komischen Blick zuwarf. Er lächelte entschuldigend, was ihre
Vermutung über ihn nur bestätigte. Sie hob ihren Rucksack auf und suchte sich
einen anderen Platz. Skinner blieb allein zurück.
Das
war das wirkliche Problem—Skinner kam sich vor, als ob er ganz allein in dieser
Sache steckte. Es war frustrierend. Er hatte sich geweigert, Scully bei ihrer
Suche zu helfen, weil er davon überzeugt gewesen war, dass ihre Handlungsweise
nicht im Interesse des FBIs war. Es war sein Job, diese Interessen zu befolgen
und zu wahren, und nicht sture Agenten bei ihren persönlichen Angelegenheiten
zu unterstützen. Doch nun wurden zwei seiner Agenten vermisst und er gab sich
selbst die Schuld dafür. Obendrein
schien die Institution, der er sein Leben gewidmet hatte, gegen ihn anstatt mit
ihm zu arbeiten in seinem Versuch sie zu finden und sie zurückzubringen.
Skinner
massierte mit zwei Fingern seinen Nasenrücken und nahm für einen Moment seine
Brille ab in dem Versuch, die Kopfschmerzen zu lindern, die in seinen
Augenhöhlen hämmerten. Es half nichts, aber er hatte es auch nicht wirklich
erwartet. Es gab da noch etwas anderes, dessen Gewicht schwer auf seinen
Schultern lag. Die Angst vor einem Gespräch, das noch vor ihm lag. Es war der
Hauptgrund, warum er wieder nach D.C. zurückkehrte. Das Gespräch würde ihm sehr
schwer fallen und es war etwas, das er nicht am Telefon hinter sich bringen
wollte.
Skinner
sah auf die Uhr und merkte, dass er noch mindestens eine Stunde warten musste.
Er griff nach seinen Taschen und beschloss, rasch die Flughafen-Bar
aufzusuchen.
Cooper
ließ seine Hand über die beträchtliche CD-Sammlung gleiten, die auf ein paar
aufgestapelten Regalen an der Wand des Wohnzimmers stand. Er suchte nach einer,
die gerade zu seiner Stimmung passte. Cooper gab mehr Geld für Musik aus als er
zugeben würde—es war etwas, dass ihn immer aufheiterte. Er sagte immer, wenn er
am nächsten Tag von einem Bus überfahren werden würde, würde er in dem Moment
wenigstens gute Musik hören. Doch irgendwie schien nichts in seine jetzige
Verfassung zu passen, also war seine Entscheidung schwerer, als er es erwartete
hatte.
Es
herrschte eine seltsame Stimmung im Haus, von der er nicht behaupten könnte,
dass er sie toll fand. Die Spannung zwischen Elliot und Rebecca, als er
hereingekommen war, war so erheblich gewesen, dass er dachte, sie würden jeden
Moment explodieren. Und das war äußerst ungewöhnlich für die beiden, denn sonst
kamen sie immer wunderbar miteinander aus. Das war der einzige Grund, warum er
überhaupt zu ihnen gezogen war. Nach einer fast dreijährigen Herumrtingelei in der Weltgeschichte, hatte er sich endlich
zu einem festen Wohnsitz entschlossen und Elliot war einer seiner ältesten
Freunde. Und Rebecca—tja, sie war, kurz gesagt, einsame Klasse. Cooper war froh
über Elliots Wahl. Er war überzeugt, dass sie wunderbar zu ihm passte. Er
musste zugeben, ihr Trio mache ein tolles Team und er hatte nicht einen Moment
der Zeit bereut, die sie zusammen gewohnt hatten.
Aber
heute—heute ging definitiv etwas Seltsames hier vor. Wenigstens wusste Cooper, dass die Spannung
auf etwas ganz bestimmtes zurückzuführen war.
Oder
jemand bestimmten, um genau zu sein. Elliots mysteriöse Bekanntschaft aus dem
Zug, die ihr neuer Hausgast geworden war.
Cooper
hatte sie noch gar nicht gesehen, aber Elliots Geschichte hatte ihn mehr als
neugierig gemacht. Wie seine beiden Mitbewohner, die Fotografin und der Illustrateur, war Cooper einfallsreich, doch waren seine
Fähigkeiten eher im Bereich Architektur und Technik als für etwas, das man
einrahmen und an die Wand hängen konnte. Er teilte mit ihnen auch eine gesunde
Vorstellungskraft, die bei ihm momentan auf Hochtouren arbeitete. Er
explodierte fast vor Neugier, er wollte wissen, wer diese blinde Frau war, die
einfach so ohne Vorwarnung in ihr Haus spaziert war.
Mit
diesen Gedanken gab Cooper letztendlich die Wahl nach einer geeigneten CD auf
und griff nach der erstbesten, die ihm in die Quere kam. Tom Waits, las er und
betrachtete das Booklet genauer. Keine schlechte
Idee. Es steckte die Scheibe in den Player und
stellte die Lautstärke auf ein zumutbares Level. Zufrieden machte er sich auf
den Weg zurück zum Esszimmer. Die Musik, die er gewählt hatte, begleitete ihn
aus den Boxen.
Als
er das Esszimmer betrat, fand er Elliot bereits vor, wie er am Tisch saß und
Wein in die vier Gläser schüttete, die vor den dazu passenden Tellern auf dem
Tisch standen. Das Essen stand ebenfalls schon bereit, eine Pfanne mit Paella,
Salat und ein Topf mit Gemüse.
"Chianti
ist mein Leben. Gute Wahl, Mann." Auf Coopers Gesicht war die Freude über
Elliots Wahl des Weines kaum zu übersehen.
"Der
ist immer gut", gab Elliot heiter zurück, doch Cooper bemerkte seine
Spannung.
"Brauchst
du Hilfe da drin?" rief Cooper in Richtung Küche, obwohl es schien, dass
der Tisch schon komplett gedeckt war.
"Nein,
alles erledigt", sagte Rebecca und betrat einen Moment später ebenfalls
das Esszimmer. In einer Hand hatte sie einen Korb mit Brot und führte mit der
anderen ihren Gast zum Tisch.
Cooper
legte seinen Kopf zur Seite und ignorierte die Haarsträhnen, die ihm dabei ins
Gesicht fielen, als er die Fremde näher betrachtete. Sie war eine kleine Frau
mit dunklen braunen Haaren und klaren blauen Augen. Ihr Gesicht war blass und
verspannt und man konnte ihr deutlich ansehen, dass sie müde war. Und doch
konnte ihre Erschöpfung nicht die außergewöhnliche Schönheit ihrer feinen
Gesichtszüge verbergen.
Cooper
stand auf, zog einen Stuhl vom Tisch zurück und griff mit einer Hand nach der
Frau, um sie heranzuführen. "Hier, setz dich", sagte er und half ihr so
gut er konnte. Als sie saß, nahm er ihre Hand und schüttelte sie leicht.
"Ich bin Cooper—schön dich kennenzulernen."
"Ich
bin Lisa", erwiderte die Frau. Ihre Augen blickten leicht an ihm vorbei
und ihr Gesicht war ernst.
Cooper
setzte sich wieder an seinen Platz und sah zu, wie Elliot einen großen Berg
Essen auf Lisas Teller lud. Sie bewegte sich nicht und saß still wie eine
Statue, als sich jeder von Rebeccas Kochkünsten bediente. Als jeder genug auf dem Teller hatte, hob
Cooper die Gabel und wollte schon über sein Essen herfallen, als er bemerkte,
dass sich Lisa immer noch nicht geregt hatte.
Elliot
hatte es auch bemerkt und sah bestürzt aus, doch dann fiel ihm etwas ein.
"Oh, Lisa, verzeih", entschuldigte er sich und erklärte ihr dann, wie
das Essen auf ihrem Teller platziert war mit Hilfe des Ziffernblattes einer
Uhr.
Lisa
nickte und als sie die Gabel hob und anfing zu essen, warf Cooper Rebecca einen
überraschten Blick zu, den sie nicht weniger überrascht erwiderte. Schnell
gelernt, dachte Cooper, als er den ersten Bissen seiner dampfenden Paella nahm.
Die
Unterhaltung am Tisch bestand zumeist aus Elliots Berichten seiner Reise,
natürlich reichlich verziert mit elliotschen Anekdoten. Cooper fand seine
Storys wie immer lustig und er hatte Spaß an der Fähigkeit seines Freundes,
Erlebnisse zu erzählen. Im Laufe des Essens wich etwas von der Spannung, die
über allen lag. Obwohl Cooper versuchte, diskret zu sein, erhaschte er doch den
einen oder anderen Blick, den Rebecca in Elliots Richtung warf, und er war
froh, dass sie sich wieder vertrugen.
Lisa
andererseits war fast völlig still und sprach nur, wenn man etwas zu ihr sagte.
Es war offensichtlich, dass sie etwas plagte, und obwohl Cooper annahm, dass
Rebecca und Elliot genauso gerne ihre Geheimnisse eingeweiht werden wollten wie
er, unternahm keiner von ihnen den Versuch, sie diesbezüglich zu bedrängen.
Nach
dem Essen half Cooper Elliot den Tisch abzuräumen und das Geschirr in die Spüle
zu stellen. Als er sichergehen konnte, dass die beiden Frauen im Esszimmer
außer Hörweite waren, flüsterte Cooper, "Sie ist ein schönes Stück
Arbeit."
"Wer,
Lisa?" fragte Elliot, als er den Wasserhahn aufdrehte und die Spüle sich
füllte.
"Nee,
Rebecca", sagte Cooper genervt. "*Natürlich* Lisa, wer denn sonst? Sie hat während des
Essens nicht ein Wort gesagt."
Elliot
zuckte die Schultern. "Naja, falls das, was sie sagt, wahr ist, hat sie
eine Menge, worüber sie nachdenken kann."
Cooper
kratzte ein paar Hühnchenreste aus der Pfanne und hielt sie Tucker hin, der ihm
vor lauter Vorfreude schon fast auf den Füßen stand. "Hat sie dir nichts
gesagt? Wer sie ist, oder wo sie herkommt?"
"So
ist das nicht gewesen." Elliot schüttelte den Kopf als er mit Spülen
anfing. "Es ist alles ziemlich schnell passiert. In der einen Sekunde
unterhalte ich mich mit ihnen und gebe ihnen eine signierte Ausgabe meines
Buches und als nächstes klopft sie an meine Tür."
Cooper
wurde mit jeder Sekunde neugieriger. "Was glaubst denn *du*, was ihrem
Mann passiert ist?" Er kam sich fast vor, als sei er mitten in ein
Melodrama geraten und senkte seine Stimme für seine nächsten Worte.
"Glaubst du, dass ihn jemand umgebracht hat?"
Überraschenderweise
überlegte Elliot, bevor er antwortete. "Zuerst habe ich gedacht, dass der
Typ einfach nur abgehauen ist. Er schien zwar unheimlich nett zu sein, aber man
weiß ja nie." Elliot rückte seine Brille auf der Nase zurecht. "Aber
von dem Bisschen zu urteilen, was sie mir erzählt hat, scheint es, als ob sie
in großen Schwierigkeiten stecken. Es könnte also sein."
Cooper
nahm wieder die Paellapfanne, fischte eine Stück Schrimps heraus und steckte es
in den Mund, diesmal ohne Tuckers bettelnden Blick zu beachten. "Ich weiß nicht. Ich wüsste nicht, ob
ich sie mit hierhin genommen hätte."
Elliot
lachte. "Nee, du wärst jetzt in irgendeinem Motel mit ihr, ohne daran zu
denken, ihren Hintern zu retten."
"Erzähl
keinen Müll, Elliot", sagte Cooper ein wenig beleidigt. "Traust mir
nur so was zu."
"Oh,
ich traue dir vieles zu", kam Elliots Antwort. "Die Frage ist nur, zu
wessen Gunsten es dann wäre."
Cooper
warf Elliot einen ironisch bösen Blick zu. "Wenn das so ist, bringe ich
jetzt den Müll raus", erklärte er, zog den Plastiksack aus seinem Behälter
und trug ihn auf den Hof, Tucker auf seinen Fersen.
Ende
von Teil 3...
X-3
X-3
GETEILTE WEGE
(4/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Sie
nahmen ein Flugzeug zurück nach El Paso. Es war ein rascher aber turbulenter
Trip, der Mulder wieder mal an seine Abneigung kleinen Flugzeugen gegenüber
erinnerte. Christophes erster Assistent war wieder dabei und zwei weitere waren
dazugekommen. Als offenbar keinerlei Vorstellungen der Männer geplant war,
hatte Mulder ihnen insgeheim die Namen Larry, Moe und
Curly verpasst, die sogar angebracht schienen, da der
dritte Mann fast kein einziges Haar auf dem Kopf hatte. Jetzt, wo noch mehr
Männer dabei waren, die ihn lediglich an den Ernst ihrer Lage erinnern sollten,
fühlte sich Mulder zunehmend unwohler.
Christophe
sprach kaum während des Fluges. Er saß ruhig auf einem Sitz am Fenster und von
Zeit zu Zeit ertappte Mulder ihn dabei, wie er ihn beobachtete. Er spürte
geradezu, wie Christophe ihn studierte, wie seine stahlgrauen Augen ihn grimmig
anstarrten. Es war fast so, als ob Christophe glaubte, er könne Gedanken lesen,
wenn er es nur intensiv versuchen würde. Mulder fragte sich, ob er es konnte.
Das
Flugzeug landete auf demselben Flugplatz, auf dem Mulder schon das erste Mal
gelandet war, aber dieses Mal blieb es nicht auf der Rollbahn stehen.
Stattdessen fuhr der Pilot es in den Hangar auf der anderen Seite des Feldes
und erst dort stiegen Mulder und die anderen aus.
Christophe
wandte sich an Moe und Curly
und befahl, "Fahrt in die Stadt und sucht weiter. Fangt am Bahnhof an und
arbeitet von da weiter." Er warf Mulder einen Blick zu und fügte dann
hinzu, "Ich will vor allem wissen, ob sie hier in El Paso aus dem Zug
gestiegen ist. Die Zugbegleiterin war sich nicht hundertprozentig sicher, wann
sie mit ihr gesprochen hatte. Ich will nicht wieder alle Spuren zurückverfolgen,
verstanden?"
Moe und Curly nickten gleichzeitig und Mulder musste bei ihrer
synchronen Antwort wie aus dem Lehrbuch ein Lachen unterdrücken.
Als
die beiden weg waren, gab Christophe Mulder ein Zeichen, dass er ihm folgen
solle und ging zu einer kleinen Tür an der Seite des Hangars.
Der
Raum dahinter war klein, kaum größer als ein Badezimmer. Es war eine Art
Behelfs-Büro, doch die einzigen Möbel darin waren ein ausgelutschter Armsessel
und ein kleiner stählerner Tisch. Es gab keine Fenster und keine weiteren Türen
und, stellte Mulder fest, kein Telefon.
"Ich
wünschte, ich könnte behaupten, die Unterbringung wäre erster Güte", sagte
Christophe, "aber das hier ist das Beste, was ich kurzfristig auftreiben
konnte." Er schob Mulder in das Zimmer und blieb in der Türe stehen, eine
Hand auf dem Türgriff.
"Falls
Ihnen einfallen sollte fliehen zu wollen, Mike steht die ganze Zeit genau vor
der Tür."
Mulder
sah den Typen an, der neben Christophe stand und lächelte sein sorglosestes
Lächeln. "Ah, also *Mike* heißt er. Und ich habe ihn die ganze Zeit Larry
genannt. Freut mich, dass wir das geklärt haben."
"Und
mich freut es, dass Sie immer noch so guter Laune sind", antwortete
Christophe kalt. "Das macht uns allen die Aufgabe erheblich
leichter."
Damit
zog er die Tür hinter sich zu und eine Sekunde später hörte Mulder das
unverwechselbare Geräusch eines zuschnappenden Schlosses. Er hörte, wie
Christophe mit gedämpfter Stimme seinem Mann Befehle erteilte und dann das Echo
seiner sich entfernenden Schritte, als sie in dem Hangar widerhallten.
Jetzt
war er allein, mit Ausnahme des Wächters vor der Türe und Mulder nutzte die
Gelegenheit, um den öden Raum näher zu untersuchen in der vagen Hoffnung, eine
mögliche Waffe zu finden. Erfolglos. Der Stahltisch war aus einem Stück und es
war unmöglich, eines der Beine abzubrechen. Der Sessel war mit irgendwelchem
weichen Zeug gefüttert und hatte auch keine Metallfedern, die er eventuell zu
etwas Brauchbarem basteln könnte. Der Rest des Raumes war, wie er zuvor auch schon
festgestellt hatte, völlig leer. Nicht einmal die Deckenbeleuchtung war zu
gebrauchen—die Glühbirne war durch Maschendraht geschützt, den er trotz
wiederholter Versuche nicht aus seiner Halterung lösen konnte.
Mulder
war frustriert und, obwohl er es nicht zugeben wollte, müde. Er griff in seine
Tasche und zählte das Geld, das er in dem Lokal hat mitgehen lassen. Elf
Dollar. Würde nicht für viel reichen, doch wenigstens kam er sich jetzt nicht
völlig mittellos vor.
Er
ließ sich in den Sessel fallen, streckte die Beine vor sich aus und lehnte
seinen Kopf an die knarrende Lehne. Das Sicherheitsband scheuerte an seinem
Handgelenk und er drehte es ein wenig, um den Druck zu erleichtern. Mulder
schloss die Augen. Ungebeten tauchte Scullys Bild vor ihm auf.
<DanaDanaDanaDanaDana>
Tausend
schreckliche Gedanken wirbelten in seinem Gehirn und er geriet vor lauter Sorge
in Panik. Er sah sie allein und verängstigt vor sich. Verletzt und verwundet.
Hilflos.
Er
sah sie sterbend. Er sah sie tot.
Mulder
schlug die Augen auf und kämpfte gegen den Schmerzensschrei an, der ihm im Hals
steckte. Er stand auf und ging ruhelos in dem winzigen Raum hin und her und
versuchte, diese dunklen Visionen aus seinem Kopf zu verdrängen. Er hoffte
verzweifelt, dass es nur fürchterliche Bilder seiner Phantasie waren und nicht
irgendeine Art schreckliche Vorahnung.
Er
verlor sich völlig in der Bewegung seines Hin und Hers,
so dass ihn das Hämmern an der Tür völlig überraschte. "Setz dich endlich
hin da drin!"
Es
war Larrys Stimme, erkannte Mulder. Larry oder Mike oder wie immer er auch
hieß. Die Tatsache, dass sein Hin und Her ihn aus der Ruhe brachte, war fast
Grund genug für Mulder weiter zu laufen, aber eigentlich war er nicht gerade
scharf auf eine Auseinandersetzung mit dem schießfreudigen Bodyguard.
Mulder
sank wieder auf dem Sessel zusammen und versuchte, sich zu entspannen. Er
schloss wieder die Augen, und als ihn die Visionen abermals zu überfallen
drohten, kämpfte er gegen sie an in der Hoffnung, die dunklen Bilder von Scully
in Lebensgefahr mit schöneren zu ersetzen. Mit Bildern, die ihm Kraft geben
würden und Hoffnung und Mut. Er dachte daran wie weich sich ihre Haut unter
seinen Fingern angefühlt hat. Er dachte an ihr Lächeln und an ihr herzhaftes
Lachen, das es manchmal begleitete. Er erinnerte sich daran, wie sie auf seinem
Schoß gesessen und zwei zierliche Finger auf seine Lippen gelegt hatte, um ihm
zu bedeuten nicht mehr zu weiter zu lesen.
Gestern,
dachte er. Es war gestern gewesen.
Irgendetwas
an dieser Erinnerung weckte in ihm den Eindruck, dass er etwas Wichtiges
übersehen würde. Doch er war viel zu müde, um sich jetzt darauf zu
konzentrieren, also schlief er mit dem Gedanken an Scullys zärtliche Küsse ein.
Christophe
rutschte hinter das Steuer des Mietwagens, der extra für ihn draußen vor dem
Hangar bereitgestellt wurde. Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr
zurück in die Stadt. Er machte sich keine Sorgen darüber, Mulder in dem Hangar
zurückzulassen. Es war unter Berücksichtigung aller Fakten der sicherste Ort
für ihn. Es gab außer der Tür, die Mike bewachte, keinen Weg aus dem Zimmer
heraus, und selbst wenn er es auf irgend eine Weise heraus schaffen würde,
würde er ihnen dank des Radars nicht lange entkommen.
Außerdem
gab es ein paar Dinge, um die sich Christophe kümmern musste.
Er
griff in seine Tasche und holte sein Handy hervor. Mit einer Hand wählte er die
Nummer und hielt es an sein Ohr, während er mit der anderen den Wagen auf der
Straße behielt. Nach dem zweiten Klingeln und kurzem störendem Knacken bekam er
Antwort.
"Ja?"
Der Mann machte aus dem einen Wort gleichzeitig eine Frage und einen Befehl.
"Alles
läuft nach Plan", sagte Christophe. "Ich habe ihn in meiner
Obhut."
"Und
das Mädchen?"
"Wir
sind auf der Suche nach ihr", antwortete Christophe und wünschte sich, er
hätte bessere Neuigkeiten. "Morgen früh sollten wir Näheres wissen."
Da
war eine Stille am anderen Ende, aber Christophe war ein geduldiger Mann und
ertrug die lange Pause.
Dann,
endlich, antwortete der Mann. "Zeit", sagte er, "hat eine große
Bedeutung in dieser Angelegenheit." Er atmete gemächlich aus und
Christophe konnte den Rauch der Zigarette fast durch den Hörer riechen.
"Sie sind sich darüber doch im Klaren."
"Ja",
antwortete Christophe. "Sie werden bekommen, was Sie wollen. Sie haben
mein Wort darauf."
Er
schwieg für einen Moment und fügte dann hinzu, "Solange ich bekomme, was
ich will."
"Sie
haben *mein* Wort darauf", erwiderte der Mann. "Finden Sie das
Mädchen und die Diskette, dann gehört er Ihnen, und Sie können entscheiden, was
mit ihm geschieht."
Dann
war die Leitung tot, zurück blieb nur das hohle Summen des Wähltons. Christophe schaltete das Gerät aus und warf
es auf den Sitz neben ihm, als er weiter die Straße entlang fuhr.
Er
glaubt dir nicht sieh nur in sein Gesicht er denkt du bist verrückt verrückt wie Mulder—
<
SiemüssenmirglaubenSirichsagedieWahrheit >
Er
dreht sich um du hast Skinner verloren du hast alles verloren—
<
AgentScullySieführendashierzuweitesistsinnlos > --
<
EsistnichtsinnlosSiehörenmirnurnichtzuichhabeBeweise
> --
<
WennichSiesuspendierenmüsstewürdeichestunführenSieesnichtzuweit
> --
Vergiss
es versuch nicht ihn zu überreden er arbeitet sowieso für die sie stecken alle
unter einer Decke vielleicht vertraut Mulder sogar keinem von ihnen tu's nicht du kannst das auch allein—
<
HabeichmichdeutlichausgedrücktScully > --
<
jaSirichweißwelchePositionSievertreten > --
Verschwinde
von da verschwinde von da vergeude nicht noch mehr Zeit mit ihm vergeude nicht
noch mehr Zeit mit irgendjemandem von ihnen—
Scully
seufzte leise. Sogar im Schlaf arbeitete ihr Gedächtnis fieberhaft. Es brachte
sie wieder zurück in die langen Gänge der Erinnerung, die sie mit allen Mitteln
versucht hatte zu versiegeln. Korridore, die mit einem Mal trotz ihrer Versuche
sie geschlossen zu halten offen vor ihr standen.
Er
kommt gerade durch die Tür schnell schnell wenn du
rennst wirst du ihn einholen verdammt die Tür ist zu wie hat er das bloß
gemacht? Am anderen Ende der Halle muss noch ein Eingang sein es ist immerhin die Mitte des Gebäudes es muss einfach einen anderen
Weg hinein geben was ist das für ein Lärm hinter mir laute Fußtritte jemand
schreit mich die ganze Zeit an
<
ScullyhaltnichthinterihmheresisteineFalle > --
Er
greift nach meinem Arm und zieht mich mit sich—
<
Lassloslassloslassloserkommtdavon >
<
LassihngehenScullywirmüssenweg > --
Kämpfe
tritt fest zu er soll von mir runter—
<
Muldergehvonmirrunter >--
Scully
warf sich im Bett hin und her. Sie umklammerte fest die Laken, als sie
verzweifelt versuchte, gegen ihr eigenes Unterbewusstsein anzukämpfen.
Trete
ihn ganz fest jetzt stolpert er und fällt wie habe ich das geschafft egal lauf
weiter ich kann den Mann nicht entkommen lassen da ist noch eine Tür sie ist
offen los rein und mach die Tür hinter dir zu wo bin ich hier? in einem Labor? ist das das Labor, wo sie es
gefunden haben? Aber wo ist er hin wo ist der Arzt? ein Hämmern hinter mir an
der Tür—
<
ScullymachverdammtnochmaldieTürauf > --
Ignoriere
es einfach -
<
DukannstmichjetztnichtaufhaltenMuldernichtjetztnichtjetzt
> --
Los,
untersuche die Wände, es muss irgendwo noch einen versteckten Ausgang geben ich
weiß dass er hier ist wo soll er auch sonst hingegangen sein was ist das für
ein Geräusch?
<
OhmeinGottohmeinGott > --
Und
plötzlich veränderte sich der Traum, er änderte seinen Verlauf, wand sich
abwärts in einer fürchterlichen Spirale, erhellte ihre dunkelsten Ängste mit
einer gestochen scharfen Klarheit.
Jetzt
ist nichts mehr hier es ist leer und still warum ist es so still mach die Tür
auf da ist eine Straße wie bin ich auf die Straße gekommen? Ich war doch gerade
eben noch im Labor nicht in dieser Gasse was ist das? auf dem Boden? komm nicht
näher nicht nicht nicht geh
einfach weiter sieh nicht hin nicht nicht nicht—
<
MulderMulderMulderohmeinGott >
Es
ist eine Leiche es ist seine Leiche oh mein Gott oh mein Gott sie haben ihm die
Kehle durchgeschnitten und seine Augen seine Augen sind leer so leer und hohl
seine Hände sind so kalt oh mein Gott sie haben ihn umgebracht sie habe ihn
hier liegen lassen—
<
MulderMulderMulderneinneinneinnein >
Mit
einem Schrei auf den Lippen schoss Scully kerzengerade im Bett auf. In letzter
Sekunde gewann sie den ersten Bruchteil ihrer Fassung wieder— genug, um ihr zu
versichern, dass es nur ein Traum war, genug, um den Schrei des Schmerzes und
der Pein zurückzuhalten, der laut genug war, um Tote zu wecken.
Sie
presste ihre Knie an die Brust und schlang die Arme eng um ihre Beine auf der
Suche nach Trost und Zuversicht, die sie nirgendwo finden konnte. Ihr Körper
zitterte stark durch die grausamen Schüttelanfälle und sie konnte die Tränen,
die über ihr Gesicht liefen, nicht im Mindesten zurückhalten. Tränen der
Hilflosigkeit, der Scham und der Wut, die aus ihr ein zitterndes Wrack machten
und drohten, ihr Innerstes in tausend Stücke zu sprengen.
Scully
rang nach Atem. Sie versuchte krampfhaft sich zu beruhigen und die Alpträume
aus ihren Gedanken zu verbannen. Lange Zeit verging, in der sie fast nachgab,
nahe dran war, sich der Panik zu unterwerfen, bis sie sich schließlich soweit
beruhigt hatte, nach ihrer Decke griff und sich die Tränen aus dem Gesicht
wischen konnte.
Lieber
Gott, dachte sie, doch sie brachte nicht mehr als dieses kleine Gebet zustande.
Mit
einer zitternden Hand strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und lauschte
nach Geräuschen, nach irgendeinem Hinweis, ob sie vielleicht das ganze Haus
alarmiert hatte. Doch alles blieb ruhig, stellte sie dankbar fest. Sie hatte
keine Ahnung, wie spät es war, wie spät am Abend oder wie früh am Morgen, aber
sie war sicher, dass sie diese Nacht nicht mehr schlafen würde.
Der
plötzliche Drang, draußen zu sein überkam sie, weg von dem fremden Raum mit der
ungewohnten Möblierung. Vorsichtig stieg sie aus dem Bett. So leise wie möglich
suchte sie nach ihrer Hose, die sie irgendwo liegen gelassen hatte, und
schlüpfte hinein. Dann ertastete sie ihre Schuhe und zog sie an. Der Pullover,
den sie vorher anhatte, lag am Fußende des Bettes und sie zog ihn sich wieder
über ihr T-Shirt. Sie hielt einen der Ärmel des Sweaters an ihre Nase und
atmete tief ein in der Hoffnung, irgendwo Mulders Geruch inmitten der Wolle zu
finden. Er war da, aber nur schwach, und es half nicht viel, um ihre Furcht zu
lindern.
Angezogen
fühlte Scully unter dem Kopfkissen nach der Diskette, die sie darunter gelegt
hatte, und steckte sie in ihre Hosentasche. Dann ging sie zur Tür und zuckte,
als der Holzboden unter ihren Füßen knackte. Sie fand den Türgriff und ging in
den Flur, immer eine tastende Hand an der Wand. Ihr fielen Elliots Beschreibung
des Hauses ein und sie ging am Ende des L's nach
links in die Küche. Dort hielt sie sich zuerst an die Spüle und dann an den
Tisch als Wegweiser, bis sie quer durch den Raum an der Tür nach draußen stand.
Diese schien jedoch verschlossen, und sie schob den Riegel zur Seite. Endlich
konnte raus.
Der
Luftzug, der auf ihr Gesicht traf, war erschreckend kalt, aber die beißende
Kälte fegte förmlich die letzten Reste ihres Alptraums fort. Scully nahm einen
tiefen Zug von der sauberen Luft und zog die Tür hinter sich zu, als sie einen
kleinen Schritt zu den Stufen vor sich ging. Sie setzte sich auf die zweite
Stufe und stülpte die Ärmel über ihre Hände, die sie zu Fäusten ballte und so
den Stoff festhielt. Sie schlang die Arme um ihre Beine und vergrub ihr Gesicht
in ihren Knien. Sie wollte nachdenken, ihren Kopf frei bekommen auf der Suche
nach einer Antwort, einem Weg, der sie vielleicht aus ihrem Unglück
herausbringen würde.
Aber
was konnte sie schon tun? Obwohl Elliots Vorschlag zwar wunderbar einfach
gewesen war, sie wusste genau, dass sie nie ihre Mutter kontaktieren könnte aus
bloßer Angst, sie in Gefahr zu bringen. Skinner war auch keine Möglichkeit. Ihr
Alptraum hatte wenigstens einen Vorteil gehabt: er hatte sie wieder daran
erinnert, wie unwillig er gewesen war, ihr zu glauben, als sie dringender denn
je seine Hilfe gebraucht hatte. Die Einsamen Schützen wären eine Möglichkeit,
aber Scully hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie mit ihnen in Kontakt
treten könnte. Das war immer Mulders Sache gewesen, und sie hatte nie daran
gedacht, dass sie sie selber einmal brauchen würde.
Alle
Wege hatten sich als Sackgassen herausgestellt, doch Scully wusste, dass sie
etwas tun musste. Es waren Leute hinter der Diskette her, die sie bei sich
trug, Leute wie der Mann, dem sie in New Orleans begegnet war, und sie wusste,
dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sie sie fanden. Sie zitterte,
als ihr auffiel, dass sie nicht einmal eine Waffe hatte, weil ihre Pistole ja
in der Gasse in Louisiana zurückgeblieben war.
Sie
war allein, unbewaffnet und praktisch wehrlos. Sie konnte denken, was sie
wollte, ein Gedanke hallte ununterbrochen in ihrem Kopf, ein Name, der wie die
Schläge ihres Herzens immerzu in ihr schlug.
<
MulderMulderMulder >
Der
Mann war ein Frühaufsteher, schon immer gewesen. Er behauptete, er würde mehr
am Tag schaffen, aber in Wirklichkeit brauchte er eigentlich nie viel Schlaf.
Er
hob die Zeitung vor seiner Wohnungstüre auf und ging damit in die Küche, wo
eine Tasse starker schwarzer Kaffee auf ihn wartete, die er trank während er
die Schlagzeilen las. Der Mann hatte immer schon seinen Spaß daran gehabt, wie
es die Journalisten immer wieder schafften, ihre Storys zu frisieren. Auffällige
Layouts und überwältigende Erkenntnisse, als ob sie wirklich wüssten, wovon sie
schrieben. Er zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief den Rauch ein und
genoss den ersten Nikotin-Stoß des Tages. Dann blätterte er durch das Blatt,
bis er am Ende angekommen war.
Er
sah auf die Uhr und fragte sich auf einmal, wann er wohl das nächste Mal von
Christophe hören würde. Er hoffte bald, denn seine Geduld neigte sich langsam
dem Ende, und er wusste, wenn er ungeduldig wurde, würden es die Männer, denen
er Rede und Antwort stehen musste, auch sein.
Nicht
zum ersten Mal zweifelte er an der Entscheidung, solche äußerst wichtigen
Angelegenheiten Männern wie Christophe zu überlassen. Allerdings hatte der Mann
bewiesen, dass er etwas taugte—er hatte Mulder rechtzeitig geholt, bevor
Skinner ihn bekam. Der Mann ärgerte sich über Skinner. Er hielt ihn für einen
Mann, der widersprüchliche Loyalitäten befolgte, und er fand es bedauernswert,
dass er selbst nicht den X-Akten zugeteilt worden war. Blevins
war diesbezüglich sehr inkompetent gewesen, aber wenigstens war Blevins jemand gewesen, den man kontrollieren konnte.
Ein
dünnes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus, als er merkte,
dass ihm Skinner, wenn alles nach Plan laufen würde, nicht mehr ein Dorn im Auge
sein würde. Immerhin würde es die X-Akten nicht mehr geben, wenn Mulder tot und
Scully anderweitig verplant war. Zufrieden drückte der Mann seine Zigarette aus
und ging in sein Schlafzimmer, um sich für die Arbeit des Tages anzuziehen.
Ende
von Teil 4...
X-4 X-4
GETEILTE WEGE
(5/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
"Tucker....
nicht jetzt, Junge." Cooper rollte sich auf die andere Seite und hoffte, dass
der Hund von ihm ablassen würde. Er war es nicht gewohnt, sein Zimmer mit
Tucker zu teilen. Und obwohl er das Tier mochte, war Tucker Elliots Hund und
bis jetzt hatte er auch jede Nacht bei Elliot und Rebecca im Zimmer geschlafen.
Aber durch ihren neuen Hausgast hatte sich das jetzt geändert. Es wäre nicht
gut, wenn Tucker im Studio schlafen würde—zwar wäre es kein Problem für den
Hund, doch Rebeccas Fotos und die ganze Ausrüstung würde nicht mehr sicher
sein. Und Tucker bei Lisa unterzubringen, schien auch nicht angebracht zu sein.
Also war Coopers Zimmer die beste Alternative, besonders jetzt, wo der kalte
Novemberwind über Santa Fe fegte.
Doch
Tucker war mehr als hartnäckig, und dass Cooper ihm den Rücken zudrehte,
stachelte den Hund noch mehr an. Tuckers Schwanz klopfte rhythmisch gegen den
Boden und der Hund lief einmal um das Bett herum, wo er Cooper mit der Nase am
Arm stupste.
"Tucker...
es ist viel zu früh. Viel zu früh, um jetzt raus zu gehen." Cooper
blinzelte und sah auf die Uhr, die auf der Milchkiste neben dem Bett stand. Die
Leuchtziffern zeigten 5.27 Uhr. Cooper stöhnte. "Geh wieder schlafen,
Junge."
Wenn
Tucker ihn verstand, ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen sprang er aufs
Bett und trampelte wie verrückt auf der Matratze herum. Mit einem langgezogenen
Stöhnen gab Cooper nach.
"Du
lässt mich nicht eine Minute zufrieden, was Junge?" Cooper setzte sich
auf, streckte sich und gähnte. Er kratzte sich am Kopf und sah noch einmal auf
die Uhr in der Hoffnung, dass sich die Ziffern jetzt wo er wach war verändert
hatten. Kein Glück. 5.28 Uhr. Immer noch viel zu früh.
"Okay,
Tucker", ließ sich Cooper breitschlagen. "Du hast gewonnen. Wir gehen
eine Runde raus." Dann murmelte er viel leiser. "Ist ja nicht so,
dass ich den Schlaf bitter nötig hätte oder so was."
Widerwillig
kroch Cooper aus den Federn, zog sich ein paar Hosen und ein altes
Mannschafts-Sweatshirt mit einem riesigen Loch in der Schulter an. Er schob den
Hund zur Seite und grub in dem ganzen Krempel, der um das Bett herum lag, und
hielt eine Sekunde später triumphierend ein paar Tennisschuhe hoch. "Immer
langsam mit den jungen Pferden", grummelte er zu dem ungeduldigen Hund.
Was war bloß in das Tier gefahren, dass es ihn so früh weckte?
Cooper
malte sich aus, später noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen und folgte
Tucker den Flur hinunter in die Küche. Er zog die Tür auf und war überrascht,
als er Lisa auf den Stufen sitzen sah, zusammengekauert wegen des kalten
Morgenwindes. Sie erschrak bei dem Geräusch der sich öffnenden Tür und Cooper
beeilte sich, sie zu beruhigen.
"Lisa?
Ich bin's nur.... Coop."
Sie
hob beim Klang seiner Stimme den Kopf und wischte sich mit dem Arm über das
Gesicht. Cooper nahm an, um ihre Tränen zu trocknen. "Hi",
sagte sie mit schwacher Stimme.
Cooper
wollte sie nicht in Verlegenheit bringen und ignorierte die offensichtliche
Tatsache, dass sie geweint hatte. "Du bist aber früh auf."
Lisa
nickte und ihr dunkles Haar strich über ihre Schultern. "Ich konnte nicht
schlafen."
"Ist
schwer manchmal", gab Cooper zu. "Vor allem an einem fremden
Ort."
Lisa
sagte nichts. Sie hatte den Kopf zur Seite gelegt, als ob sie den mit Raureif
bedeckten Hof betrachten würde, aber Cooper wusste es besser. Sie sah einsam
und verlassen aus und es brach Cooper fast das Herz. Obwohl er sich danach
sehnte, sie zu trösten, wusste er nicht, wie er das anstellen sollte.
"Macht
es dir etwas aus, wenn ich mich für eine Weile hier hin setze?" fragte er
und ignorierte Tucker, der ungeduldig unten an der Treppe hin und her lief.
Lisa
zuckte die Schultern, also nahm Cooper das als ein Ja auf und setzte sich neben
sie auf die Stufe. Jetzt, wo er so nahe neben ihr saß, wurde ihm plötzlich
bewusst, wie klein sie war. In dem riesigen Pullover, den sie an hatte, schien
sie unheimlich zart und zerbrechlich.
Sie
saßen für eine Weile beisammen und sagten kein Wort, bis Cooper die Schwere der
Stille nicht mehr ertragen konnte. "Willst du darüber reden?"
"Worüber?"
war ihre schwache Gegenfrage.
"Weswegen
du vor Sonnenaufgang hier draußen sitzt."
Zuerst
dachte Cooper, sie würde den ärmlichen Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen,
ignorieren und war dann überrascht, als sie dann über seine Worte nachdachte.
"Ich habe darüber nachgedacht", sagte sie letztendlich, "die
Dinge einfach so hinzunehmen, wie sie sind."
"Welche
Dinge?"
"Alles",
seufzte sie. "Die Dinge, die passieren, die du nie geplant hast. Ich meine.... du denkst, du hast alles genau durchkalkuliert. Und
dann kommt alles anders und du erkennst, dass du nichts davon geplant
hast."
"Ich
weiß, was du meinst", antwortete Cooper und er meinte es. Lisa drehte ein
wenig ihren Kopf zu ihm, als er fortfuhr. "Ich bin das beste Beispiel
dafür. Ich bin gelernter Konstrukteur und habe auch einen Abschluss in
Geschichte. Habe mir ein bisschen die Welt angesehen— bin ein bisschen
herumkommen, du weißt schon, meinen Horizont erweitert. Und als ich zurück
gekommen bin, hatten alle anderen einen Karriere.
Nicht nur einen Job. Und ich hatte nie darüber nachgedacht. Ich hatte immer
gedacht, dass die Dinge eben so kommen wie sie kommen."
"Lisa
nickte und bedachte seine Worte. "Und war es
so?"
"Ich
glaube, ja", sagte er. "Ich arbeite für den Staat, Städteplanung. Es
ist ein ganz guter Job, aber es ist nicht gerade das, wie ich mir mein Leben
vorgestellt hatte."
"Ich
glaube, ich kann dasselbe von mir sagen", sagte sie und schlang ihre Arme
enger um ihre Beine.
"Wirklich?"
Scully war überrascht, eine Spur von Amüsement in Coopers Stimme zu hören.
"Hast du deine Collegeabschluss auch in den Wind
geschrieben?"
"Nein",
antwortete sie und hielt ein Lächeln zurück. "Den habe ich ganz gut hinter
mich gebracht."
"In
welchem Fach hast du deinen Abschluss gemacht?" Die Absurdität dieser
Frage ließ sie unerwartet lachen.
"Was
ist so lustig?" fragte er.
"Hast
du eine Ahnung, wie lange es her ist, seit mich das jemand gefragt hat?"
Jetzt
musste Cooper lachen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sehr lange
her ist", grinste er. "Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich
denken, du seiest jetzt noch im College."
Sie
wurde rot bei diesem indirekten Kompliment. "Nicht im Mindesten", gab
sie zurück. "Ich habe das College *und* ein Doktorstudium hinter
mir."
"Ah.... also bist du Ärztin, was?"
"Ja.
Zumindest... so ähnlich." Plötzlich kam sich Scully vor, als hätte sie
zuviel gesagt und sie wandte den Kopf in der Hoffnung, dass Cooper ihren
stillen Hinweis sehen würde.
Wenn
er es tat, ließ er sich nichts anmerken. Nach einem Moment fragte er, "Wie
ist es passiert?"
"Was?"
fragte Scully, obwohl sie genau wusste, was er meinte. "Wie du dein
Augenlicht verloren hast. War es ein Unfall?"
"Könnte
man sagen", erwiderte Scully, unwillig noch mehr zu verraten. Cooper
bestand aber darauf. "Ist es lange her?"
"Nein",
sagte Scully nach einer langen Pause. "Nicht allzu lang."
Scully
hörte Cooper seufzen, obwohl das Geräusch fast in Tuckers ungeduldigem Grummeln
unterging. "Es tut mir Leid."
"Mir
auch."
Tucker
bellte. Er war offensichtlich von dem Gespräch zu Tode gelangweilt und sie
fühlte, wie sich Cooper neben ihr auf der Stufe nach vorne lehnte, und den Hund
tätschelte.
"Ich
glaube, Tucker braucht ein wenig Bewegung", bemerkte Cooper. "Willst
du ein Stück mitgehen?"
Der
Vorschlag kam überraschend, aber nicht völlig unwillkommen und Scully
überlegte. "Kommt drauf an wie schnell und wie weit."
"Nicht
sehr weit. Ich brauche einen Kaffee vor einem richtigen Marsch",
antwortete Cooper mit einem Lachen. "Ich kann nicht für Tucker sprechen,
aber es ist noch früh und ich kann noch nicht so schnell."
"Ich
glaube, mit 'nicht so schnell' komme ich klar", lächelte Scully und ließ
sich von Cooper auf die Füße ziehen. Er bot ihr seinen Arm an und sie hielt
sich daran fest. Er war größer als Elliot und aus irgend
einem Grund fand sie das beruhigend und sie passte sich leicht seinem
Schritt an. An seiner Seite ging sie über das feuchte Gras und hörte auf
Tuckers klimperndes Halsband, als er vor ihnen her rannte.
Wie
vom Blitz getroffen wachte Mulder auf und sprang aus dem Sessel. Instinktiv
griff er nach der Waffe, die er nicht mehr hatte. Nach ein paar Schrecksekunden
orientierte er sich und sah sich wild im Raum um, bevor er sich erinnerte, wo
er war.
Eingeschlossen
in einem leeren Zimmer in einem privaten Hangar. Ein Gefangener ohne
Fluchtmöglichkeit.
Aber
es ist viel schlimmer als das, sagte Mulder sich. Du bist mehr als ein
Gefangener. Du bist ein Judas. Du bist zur Waffe ihres Zerstörens geworden.
Er
blieb ein paar Sekunden in diesen Gedanken versunken, immer noch mitgenommen
von dem Alptraum, den er gehabt hatte. Ein Alptraum, in dem er Scully gefunden
hatte, gesund und am Leben. Er hatte sie in die Arme genommen und mit ansehen
müssen, wie sie im wahrsten Sinne des Wortes in seinen Armen hinweg schmolz,
wie ihre Existenz verblasste, als er sie hielt, wie ihre leeren Augen ihn immer
noch anklagten, sie allein gelassen zu haben, und ihm die Schuld für alles
gaben, als sie blasser und blasser wurde. Es war so wirklich, so schrecklich
wirklich, dass er sich sogar jetzt noch einreden musste, dass es nicht passiert
war.
Wenn
es nach ihm ginge, würde so etwas auch nie passieren.
Mulder
sah auf die Uhr und merkte, dass es gerade mal nach acht Uhr morgens war. Fast
vierundzwanzig Stunden, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte.
Vierundzwanzig
Stunden. Ihm wurde schlecht bei dem bloßen Gedanke daran. Wo war sie?
Urplötzlich,
mit einer Klarheit, die nur ausreichend Schlaf mit sich bringen konnte, wurde
ihm eine mögliche Antwort bewusst, als er sich an Elliot erinnerte, den jungen
Mann aus dem Zug. Könnte Scully ihn um Hilfe gebeten haben?
Mulder
wägte diese Möglichkeit ab und fing an, im Zimmer
wieder hin und her zu gehen. Es machte Sinn, wenn Scully zu ihm gegangen wäre.
Immerhin war er der einzige Mensch im Zug, mit dem sie irgendeine Verbindung
eingegangen waren. Und wenn sie mit Elliot den Zug verlassen hatte, könnte es
erklären, warum ihr Ausstieg nie bemerkt wurde. Sie hatten immerhin nach einer
allein reisenden Frau gefragt, nicht nach einem Pärchen.
Durch
diesen Gedanken wachgerüttelt erkannte Mulder mit einer gewissen Aufregung, dass
es gut sein könnte, dass sie noch in El Paso war. Sie würde so schnell wie
möglich weg vom Zug kommen wollen aus Angst, dass er in Schwierigkeiten stecken
könnte, weil er nicht zurück gekommen war. Sie hatte Elliot vielleicht
überreden können, sie zu verstecken.... aber wo? Ein
Motel vielleicht, irgendwo, wo sie untertauchen und warten konnten.
Würden
sie ihren Namen benutzt haben oder seinen? Mulder dachte gründlich über jede
Option nach. Scully wusste, dass sie ihren Decknamen zu Steward geändert hatten,
doch der Ausweis, den sie trug, identifizierte sie immer noch als Lisa Wilder.
Sie könnte vielleicht beide benutzt haben in der Hoffnung, dass er sie so
schneller finden könnte. Doch dann verwarf er diesen Gedanken—es wäre zu
gefährlich, besonders weil sie nicht wusste, was ihm passiert war. Es war
sinniger, Elliots Namen benutzt zu haben.
Wie
war der noch gleich... Mulder zwang sich zum Nachdenken und suchte in seinem
fotografischen Gedächtnis nach der Antwort. Er dachte an das Buch und an die
Worte, die im Einband gestanden haben. Elliot Masters... ja, das war's. Elliot
Masters.
Gerade
als Mulder der Name wieder einfiel, hörte er, wie ein Schlüssel in das Schloss
seiner Zelle gesteckt wurde. Er fuhr herum, als die Tür aufsprang und sah
Christophe im Türrahmen stehen.
"Es
wird Zeit, sich an die Arbeit zu machen", verkündete er, seine Miene
dunkel und verschlossen.
Mulder
hielt fest an seiner neuen Hoffnung und folgte Christophe aus der Zelle.
Elliot
rollte sich auf den Rücken und sah zu Rebecca auf, die neben dem Bett stand.
Ihre dunkle Mähne fiel über ihr Flannell-Shirt, dass
sie über ihrem Pyjama trug. "Beck...." Er legte seinen ganzen Charme
in seine Worte. "Es ist eiskalt draußen, und hier drin ist es warm.
Besonders—" er zog mit einem dramatischen Schwung die Decke
zurück—"hier drunter. Also, wieso die Eile?"
"Weil
ich bis heute Mittag die Unterlagen ins Museum gebracht haben muss. Und",
fügte Rebecca mit einem Glänzen in den Augen zu, "wenn wir uns beeilen,
sind wir als erstes in der Dusche."
"Hast
du gesagt wir?"
"Das
habe ich gesagt."
Auf
einmal war das Bett nicht mehr so interessant. "Okay, ich schlage vor, im
Interesse des steigenden Wasserverbrauchs...." Elliot kletterte aus dem
Bett zu seiner Freundin und gab ihr einen raschen Kuss, bevor er es ihr nach
tat und sich ein Sweatshirt überstreifte, um sich gegen die morgendliche Kälte
zu wappnen.
"Ich
wusste nicht, dass du so daran interessiert bist, den Planeten zu retten",
neckte Rebecca ihn und gab ihm auch einen Kuss, bevor sie die Treppen herunter
stieg.
Als
Elliot ihr die Stufen hinunter folgte, die das Loft mit dem Studio verbanden,
dachte er wieder daran, wie viel Glück er hatte, sie in seinem Leben zu haben.
Hand in Hand gingen sie über den Hof und betraten die gemütlich warme Küche.
"Ich
setze nur mal schnell Kaffee auf", sagte Rebecca mit einem warmen Lächeln.
"Geh schon mal vor, ich komme gleich nach."
Elliot
nickte und wandte sich Richtung Flur. Zu seiner Überraschung stand Coopers Tür
offen. Er warf einen Blick in sein Zimmer und fand das Bett leer, aber benutzt
vor. Er ging wieder zurück in die Küche und fragte Rebecca, "Wo ist Coop den schon so früh hin?"
"Er
ist nicht in seinem Zimmer?" Rebecca war verwirrt. Als sie den Kaffee in
den Filter löffelte, nahm sie an, "Vielleicht ist er schon ins Büro
gegangen?"
"Coop? Nachdem er gestern so spät Schluss gemacht hatte? Das
soll wohl ein Witz sein." Elliot stellte sich hinter Rebecca und schmiegte
sich an ihren Nacken. "Aber es soll mir egal sein—solange er nicht gerade
jetzt zurückkommt und unbedingt vor uns duschen will."
"Ich
werde es bereuen", grummelte sie und versuchte, ernst zu klingen, aber
Elliot ging nicht darauf ein.
"Keine
Sorge.... das wirst du nicht", versprach er und
fuhr sanft mit den Lippen über ihr Ohr.
Rebecca
lehnte sich rückwärts gegen ihn, als sie das Wasser in die Kaffeemaschine
einfüllte, und genoss seine frühmorgendlichen Liebkosungen. Doch plötzlich
flüsterte Elliot ihr ins Ohr, "Beck, sie nur!"
Sie
stellte die Kanne an ihren Platz und folgte seinem Blick. Ihre Augen weiteten
sich vor Überraschung, als sie sah, wie sich zwei Gestalten aus der Ferne
näherten. Tucker war leicht auszumachen, sie kannte seinen quirligen Gang. Es
waren die beiden Menschen, die ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen, genau wie
Elliots. Lisa war mit einem Arm bei Cooper eingehängt und sogar aus der weiten
Entfernung konnte Rebecca die junge Frau lächeln sehen.
"Ich
glaube, jetzt wissen wir, warum Cooper so früh auf war", bemerkte Rebecca.
"Ja",
stimmte Elliot mit einer Spur Schuldbewusstsein zu. "Ich hätte nach ihr
sehen sollen. Ich hoffe, sie hat gut geschlafen."
Rebecca
drehte sich zu ihm um und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, um ihm zu
versichern, "Es scheint ihr gut zu gehen. Ich würde mir keine Sorgen
machen. Wo waren wir stehen geblieben...?"
"Wo
du recht hast, hast du recht", antwortete Elliot, nahm sie bei der Hand
und führte sie ins Badezimmer.
Das
Geräusch des Eingangstores verriet Scully, dass sie wieder beim Haus waren.
"Ich weiß nicht, Cooper", keuchte sie leicht außer Atem. "Das
war eher eine ganze Wanderung."
"Nur
weil es so hüglig ist", erklärte er. "Wenn wir hinterm Haus Richtung
Norden gegangen wären, wär's sogar noch schlimmer gewesen. Beck und ich gehen
da manchmal rauf—sie ist ein richtiger Wander-Fan. Es gibt ein paar verlassene
Minen da oben, aber wir erkunden immer nur die Berge."
"Ich
habe gar nicht gewusst, dass es in New Mexiko Minen gibt." Scully war
erstaunt.
"Doch,
klar", sagte Cooper. "Viele verschiedene Arten sogar. Manche sind von
Menschen gemacht, und eine Menge sind natürlich
entstanden. Du hast doch schon mal von den Carlsbad
Höhlen gehört, stimmt's?"
"Ja,
klar."
"Das
sind die größten Höhlen im ganzen Staat, aber es gibt noch eine Menge mehr,
Salpeter und andere natürliche Mineralien und einige sind lediglich für
Fledermaus-Mist gebaut."
"Das
ist ja ekelhaft. Wofür das denn?" sagte sie und runzelte die Stirn.
"Meistens
Düngemittel", lachte er.
Scully
trat noch einen Schritt vor und stieß mit dem Fuß gegen etwas, so dass sie die
Balance verlor. Cooper griff nach ihrem Arm und hielt sie fest, bevor sie
fallen konnte. "Gott, Lisa, es tut mir Leid!" hörte sie ihn sagen.
"Wir sind an der Treppe. Ich hätte dich warnen sollen."
"Ist
nicht so schlimm", sagte sie und hob ihren Fuß, um die Stufen zu nehmen.
"Ich
glaube, es ist meine Schuld, dass unser kleiner Ausflug so lange gedauert
hat", stöhnte Cooper. "Offensichtlich bin ich nicht gerade die beste
Eskorte. Du bist wahrscheinlich wegen mir die ganze Zeit gestolpert."
"Nein,
du hast es gut gemacht", versicherte Scully ihm, als sie die Stufen
hinaufstiegen und die warme Küche betraten, wo ihnen
der Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nasen stieg. "Mmmm", machte sie, "jemand hat Kaffee
aufgesetzt."
"Worauf
du wetten kannst", sagte Cooper. "Wir sind alle kaffeesüchtig hier.
Willst du welchen?"
"Ja,
gerne." Scully fand den Tisch, ließ Coopers Arm los und lehnte sich
dagegen. Der Hund setzte sich neben sie. Sie hörte ihn hecheln und beugte sich
zu ihm, um ihn zu kraulen. "Guter Junge", sagte sie. "Hört sich
an, als ob du etwas zu Trinken gebrauchen könntest."
"Ich
habe gerade seine Schüssel aufgefüllt", sagte Cooper. "Keine Sorge,
er weiß, wo sie steht."
Als
ob er Cooper verstanden hätte, trottete Tucker kurz darauf von ihr weg und sie
hörte, wie sich sein Schlabbern unter die restlichen Geräusche mischte, die
Cooper machte, als er in der Küche rumorte, Schranktüren öffnete und wieder
schloss und Tassen auf den Tisch stellte. Erfreut hörte sie zu, wie er sie
füllte und nahm ein paar Zimmer weiter das Geräusch von fließendem Wasser wahr.
"Hört sich an, als seien alle wach", bemerkte sie.
"Ja",
lachte Cooper. "Beck ist ein Morgenmensch, also hat Elliot keine große
Wahl." Nach einer kurzen Pause, "Wie magst du deinen Kaffee?"
"Mit
ein wenig Milch", antwortete sie. "Kein Zucker."
Einen
Moment später fühlte sie, wie Cooper ihr etwas in die Hand drückte. Eine ziemlich große Tasse, von dem zu
schließen, was sie fühlte. "Sei vorsichtig", warnte er. "Er ist
noch heiß."
Scully
nickte und nahm einen Schluck. Cooper stand neben ihr, als sie das
unverwechselbare Geräusch von Papierrascheln hörte. "Zeitung?" fragte
sie.
Cooper
murmelte bejahend. "Nichts Interessantes in den Schlagzeilen. Die übliche
deprimierende Litanei."
Sein
trockener Kommentar brachte sie zum Lächeln. "Ich weiß, was du
meinst." Dann fiel ihr etwas ein. "Kann man hier irgendwo in der Nähe
Zeitungen aus dem Ausland bekommen?"
"Ja,
es gibt eine internationale Presse in der Stadt", antwortete Cooper ihr.
"Die haben Zeitungen aus allen möglichen großen Städten, aber normalerweise
immer nur die Sonntagsausgaben. Was auch immer sie jetzt haben ist
wahrscheinlich von letztem Wochenende." Zögernd fuhr er fort. "Suchst
du nach etwas bestimmten?"
Scully
bedachte ihre nächsten Worte und blieb absichtlich vage.
"Vielleicht", sagte sie. "Aber es würde nur in einer texanischen
Zeitung stehen, wenn überhaupt."
"Du
meinst Neuigkeiten über deinen Mann, richtig?"
Es
war nicht wirklich eine Frage, aber Scully wusste, dass er eine ehrliche
Antwort verdiente. "Ja", gab sie leise zu. "Wenn—wenn er in
Schwierigkeiten steckt, steht es vielleicht drin."
"Tja",
begann Cooper, "da können wir uns ganz leicht schlau machen. Heutzutage
kann man alle möglichen größeren Zeitungen auch über das Internet lesen. Ich habe
noch ein wenig Zeit, bevor ich arbeiten muss, also könnte ich mal
nachsehen."
Scully
war sehr dankbar für sein Angebot. "Das wäre toll, Cooper. Ich wäre dir
sehr dankbar."
"Ok,
dann lass uns mal gucken, was wir finden können", sagte er. "Mein
Computer ist in meinem Zimmer." Er lachte, als er sie beim Arm nahm.
"Ich muss dich allerdings warnen, es ist ein heilloses
Durcheinander."
Sie
lachte ebenfalls, als sie vorsichtig ihre Tasse abstellte. "Solange du
mich nicht über alles stolpern lässt, werde ich es nicht gegen dich
verwenden."
"Abgemacht",
sagte Cooper und gemeinsam verließen sie die Küche.
Ende
von Teil 5...
X-5 X-5
GETEILTE WEGE
(6/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Moe und Curly hatten kein Glück, was ihre Suche nach Scully betraf.
Mulder konnte nichts dafür, aber er fand das toll. Jetzt, wo er seine eigene
Theorie hatte was ihren möglichen Aufenthaltsort betraf, war seine einzige
Sorge, seine "Freunde" so lange los zu werden, dass er sie finden
konnte.
Das
wirkliche Problem war: wie sollte er das anstellen? Mulder war nicht für eine
Sekunde allein gewesen, seit Christophe ihn aus der provisorischen Zelle
gelassen hatte, mit Ausnahme eines Trips aufs Klo, wo er sich umgezogen hatte
und sich ein wenig frisch gemacht hatte.
Im
Moment saßen er und die anderen drei in einem gemieteten Sedan,
der in einer Seitenstraße nicht weit vom Bahnhof El Paso parkte. Christophe war
von dem Privatflughafen hierher gefahren, und als Curly
und Moe aus dem Bahnhof kamen, hatte Curly das Steuer übernommen. Christophe hatte es sich auf
dem Beifahrersitz bequem gemacht und Mulder nach hinten beordert. Von Larry war
keine Spur zu sehen. Mulder hatte ihn zum letzten Mal gesehen, als sie aus dem
Flughafen-Hangar heraus gefahren waren. Am Ende war es ihm auch egal, wo er
steckte, immerhin war es jetzt einer weniger, um den er sich Sorgen machen
musste.
"Wir
haben alles gecheckt, Sir", berichtete Curly.
"Sie ist in keinem der Hotels oder Motels in der Gegend hier."
"Sicher?!"
Das Wort war keine Frage, eher eine Feststellung.
Moe, der auf dem
Rücksitz neben Mulder saß, antwortete. "Ja. Und wir waren auch nicht die
ersten, die gefragt haben. Die Polizei und das FBI waren schon hier."
Die
haben ja auch nicht nach 'Masters' gefragt, dachte Mulder bei sich.
Als
er sich nach Mulder umdrehte, legte Christophe seine Stirn ein winziges
Bisschen in Falten, was als einziges Zeichen den Stress verriet, unter dem er
ohne Zweifel stand. "Ich kann mich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden,
dass Sie und das Mädchen im Falle einer Trennung nicht irgendeinen Plan
ausgemacht haben."
Mulder
zuckte die Schultern und grinste innerlich mit der Zuversicht, die er niemandem
zeigte. "Wir sind nicht gerade welche, die im Voraus planen."
Christophe
warf Moe einen kurzen Blick zu und bevor Mulder
wusste, wie ihm geschah, fühlte er Moes Waffe hart an
seinen Rippen.
"Ich
habe ein Lieblingssprichwort, Mulder", sagte Christophe, sein Gesicht
ausdruckslos und kalt wie Eis. "Alles, was keine Hilfe ist, ist ein
Hindernis. Und für solche Art Hindernisse habe ich weder die Zeit noch den
Platz. Also schlage ich vor, Sie beweisen Ihre Nützlichkeit."
Die
Knarre an seiner Seite war mehr als nur eine Aufforderung zum Nachdenken—zum
schnellen Nachdenken. Als er überlegte, fiel ihm eine weitere Idee ein. Wenn
Scully Elliot um Hilfe gebeten hatte, hatte sie es bestimmt nicht geschafft, in
El Paso aus dem Zug zu steigen. Und umso mehr Mulder darüber nachdachte, umso
überzeugter war er davon. Sie hätte gewartet, vielleicht sogar bis nachdem der
Zug den Bahnhof wieder verlassen hatte, bevor sie irgendetwas tat. Was heißen
würde, dass wenn seine Theorie stimmte, sie an der nächsten Station
ausgestiegen waren.
Er
fragte sich nur, ob er Christophe das verraten sollte. Es würde ihn vielleicht
wieder auf ihre Spur setzen, und das wollte Mulder auf keinen Fall riskieren.
Doch der Blick in Christophes Augen duldete kein Schweigen, und er war davon
überzeugt, dass er nicht mehr lange leben würde, um sie zu finden und sie vor
ihm zu beschützen, wenn er ihm nicht bald ein paar Informationen lieferte.
"Ich
warte, Mulder."
Mulder
traf seine Entscheidung. "Ich glaube nicht, dass Scully in El Paso
ausgestiegen ist." Er sprach langsam und mit Widerwillen. "Ich glaube
nicht, dass sie ausgestiegen ist, bis sie sich sicher war, dass ich nicht
wieder zurück komme."
Christophe
beobachtete ihn genau und schlussfolgerte dann, "Also glauben Sie, dass
sie an der nächsten Station ausgestiegen ist."
Mulder
nickte. Er war sich sicher, dass er nichts von Elliots Existenz wusste und er
betete, dass wenn Scully sich auf ihrer Suche nach Hilfe an ihn gewandt hatte,
sie Elliots Namen benutzt hatte, um ihre eigene Identität zu verbergen."
Christophe
fasste sein Nicken als Zustimmung auf und drehte sich wieder nach vorn zu Curly hinter dem Lenkrad. "Welche war die nächste
Haltestelle?"
Curly zog einen
Zettel aus seiner Jacke und sah nach. "Las Cruces",
sagte er.
"Dann
los", befahl Christophe und Mulder war erleichtert, dass Moe seine Waffe von seiner Seite nahm und sie wieder zurück
in seinen Mantel steckte.
Als
Curly den Zündschlüssel drehte, fand Mulder, dass es
an der Zeit war, Teil A von seinem Plan in die Gänge zu bekommen. "Wäre es
vielleicht möglich, noch einmal zur Toilette zu gehen, bevor wir losfahren?"
Christophe
fixierte ihn mit einem weiteren langen Blick. "Ich habe keine Lust auf
Spielchen."
"Ich
auch nicht", antwortete Mulder im selben Ton.
Mit
einer heißen Dusche zu zweit hinter und der Zeitung vor ihm, sowie einer Tasse
Kaffee in der Hand fühlte sich Elliot wie neugeboren. "Hey, Beck",
sagte er und sah sie über den Esszimmertisch an. "Ich glaube, ich fahre
heute mit Coop in die Stadt."
"Was
brauchst du?" fragte sie mit einem Löffel voller Cornflakes.
"Ich
will ein paar Zeichnungen im Copyshop
editieren", erklärte er. Durch das Essen herbeigelockt, machte Tucker
neben ihm auf sich aufmerksam in der Hoffnung, etwas von dem
frischen Brötchen abzubekommen. "Außerdem will ich sehen, wie sich einige
der Skizzen als Drucke machen, dann brauche ich nicht die ganze Zeit meine
Aktentasche auf dem Motorrad mit rumschleppen."
"In
Ordnung", stimmte Rebecca zu. "Wenn du um eins zu mir ins Museum
kommst, kann ich dich mit zurück nehmen."
"Ganz
genau darauf habe ich gehofft", grinst er.
Rebecca
zeigte spöttisch mit dem Löffel auf ihn. "Du", sagte sie, "bist
ein Meister der Manipulation."
"Hey",
protestierte Elliot und hielt defensiv die Arme in die Höhe. "Ich habe
nichts gesagt, du hast es angeboten."
"Ja,
aber du wusstest, dass ich es tun würde", konterte sie. Sie nahm wieder
einen Löffel ihres Frühstücks und fragte dann, "Sind Coop
und Lisa immer noch am Computer?"
"Denke
ja", antwortete er. Rebecca sah auf die Uhr an der Wand. "Wenn er
nicht aufpasst, wird er spät dran sein."
"Ist
das so außergewöhnlich?" fragte Cooper, als er die Küche betrat, Lisa
hinter ihm her.
"Wenn
du für den Staat arbeiten würdest, Beck, würdest du auch nicht jeden Morgen ins
Büro hetzen wollen."
"Stimmt",
grinste Rebecca. "Aber mit meinem Auto kann man sich wenigstens beeilen. Ich
glaube, bei deinem ist das anders."
"Mit
meinem Auto ist überhaupt nichts verkehrt", protestierte Cooper. „Ich habe
es schon seit dem College."
"Ganz
genau das meine ich", konterte Rebecca und leerte ihre Schüssel
Cornflakes.
Als
Cooper ihr zu einem Stuhl half, merkte Elliot, dass Lisas Gesichtsausdruck
ziemlich nichtssagend war. "Habt ihr gefunden, wonach ihr gesucht
habt?"
"Wir
habe nicht viel gefunden", sagte sie. "Stimmt", sagte Cooper,
als er sich ein Brötchen vom Teller schnappte.
"Aber keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten, was?"
"Ja",
seufzte Lisa nicht besonders überzeugt.
"Über
gute Neuigkeiten", philosophierte Cooper, "sollte man sich eigentlich
freuen." Er tätschelte Lisas Schulter und sagte, "Wir sehen später
noch mal nach. Versporchen."
"Okay",
sagte Lisa und Elliot sah, wie sich ihre Mundwinkel ein wenig nach oben
bewegten.
Cooper
verschwand mit seinem Brötchen wieder in seinem
Zimmer. "Elliot, ich springe nur kurz unter die Dusche und dann
verschwinden wir Richtung Stadt."
"Bereit
wenn du's bist", gab Elliot zurück und wandte sich wieder Lisa zu.
"Lisa, möchtest du etwas essen?"
Sie
schüttelte den Kopf. "Ich habe eigentlich keinen Hunger."
"Brauchst
du etwas aus der Stadt?"
Noch
ein schüchternes Lächeln. "Nein, danke, Elliot. Aber danke fürs
fragen."
Rebecca
stand auf, die Cornflakes-Schüssel in der Hand.
"Okay, Lisa, wenn uns die Jungs schon hier sitzen lassen, bleiben nur noch
wir übrig. Ich muss ins Studio und ein wenig Arbeit hinter mich bringen. Willst
du mitkommen?"
"Sicher.
Ich möchte nur vorher schnell duschen." Sie stand auf und winkte kurz in
Elliots Richtung. "Bis dann, Elliot."
"Bis
dann", antwortete er und sah zu, wie sie vorsichtig ihren Weg zurück in
den Flur fand.
Als
er zu Rebecca sah, merkte er, dass sie ebenfalls Lisas langsame, aber sichtbare
Fortschritte beobachtete. Als sie die Tür zum Schlafzimmer hinter sich schloss,
flüsterte Elliot, "Ich wünschte, ich könnte mehr für sie tun."
"Ich
glaube, es fällt ihr schwer, andere um Hilfe zu bitten", erwiderte Rebecca
verständnisvoll, und trug dann ihr Geschirr in die Küche.
Sie
hielten vor einem zweifelhaft aussehenden Restaurant an. Mulder stieg aus dem
Wagen und Curly war keine Sekunde später hinter
seinem Steuer hervorgekrochen und an seiner Seite. Christophe griff in seine
Tasche und zog das Ortungsgerät heraus. Er zeigte auf den blinkenden roten
Punkt. "Ich werde böse, wenn der sich bewegt."
Mulder
nickte und ging auf den Eingang zu, Curly auf seinen
Fersen. Das Restaurant war wirklich nur ein besserer Fast Food Laden, aber
Mulder hatte das Gefühl, dass es ihm genau gelegen kommen würde. Er ging auf
die Kellnerin zu, die hinter der Theke stand und fragte, "Könnten Sie mir
bitte sagen, wo hier die Toiletten sind?"
"Um
die Ecke und den Flur hinunter", sagte das Mädchen, dessen Namensschild
sie als 'Jackie' identifizierte.
"Danke",
sagte Mulder mit einem Lächeln. Er sah zu Curly, der
seine Hände in seinen Taschen hatte und ihm signalisierte, dass auch er eine
Waffe hatte. Mulder wartete, dass Curly ihm folgte,
aber der Schlägertyp postierte sich bloß an der Wand der Lobby. "Mach's
kurz", zischte er. Mulder nickte.
Mulder
ging also allein um die Ecke und, wie beschrieben, den Flur entlang, der mit
einigen der hässlichsten Bildern dekoriert war, die er je gesehen hatte. Dann
konnte er nur schwerlich einen Freudenschrei unterdrücken, als er zwei
Münztelefone an den Eingängen der Toiletten sah. Beeil' dich, dachte er
überflüssigerweise, denn er wusste ohnehin, dass er nicht viel Zeit hatte.
Er
riss den nächstbesten Hörer von der Gabel und wählte die bekannte Nummer so
schnell wie möglich. Es war klar, dass sie von ihm erwarten würden, dass er
ihnen eine Telefonnummer herunterrasselte, doch es war keine Zeit für ihren
Rückruf. Er musste einfach schnell reden und hoffen, dass sie zuhörten.
Dreimaliges
Klingeln, dann hörte Mulder Langleys Stimme. "Hallo?"
"Ich
bin's", sagte er rasch. "Legt nicht auf." Als sie es nicht
taten, ratterte er den Rest seiner Nachricht herunter. "Wir wurden
getrennt und ich stecke in Schwierigkeiten. Ihr müsst nach ihr suchen. Fangt in
Las Cruces, New Mexiko, an und arbeitet euch nach
Westen vor. Sie könnte in einem Motel unter 'Elliot Masters' sein. Ich rufe
wieder an, wenn ich kann."
Mulder
hörte Schritte hinter sich und knallte den Hörer zurück auf die Gabel, ohne auf
eine Antwort zu warten. Die Schritte gehörten einer schwergewichtigen Frau, die
ihn freundlich anlächelte, als sie in die Damentoilette ging.
Mulder
hatte seine Mission geschafft und ging wieder zurück in die Lobby, wo er wusste,
dass Curly ihn erwartete.
Nachdem
die Jungs gegangen waren, nahm Rebecca Lisa beim Arm und ging mit ihr über den
Hof zu dem Studio. Ihre Stille wurde nur durch Tuckers Bellen hin und wieder gebrochen,
als er neben ihnen her sprang. Rebecca wusste nicht, was sie sagen sollte, das
nicht dumm oder ungeschickt klingen würde, also sagte sie gar nichts. Während
sie die Tür aufschloss, wartete Lisa ruhig neben ihr, dann führte sie sie
hinein. Sie half Lisa auf einen Stuhl nahe der Wand und ging dann zum Tisch, um
die Bilder zu sortieren, die sie am Tag zuvor entwickelt hatte.
Nach
einiger Zeit bemerkte Lisa, "Du hast einen interessanten Namen, Rebecca.
Ich frage mich, wie du wohl aussiehst."
Rebecca
lachte. "Die Familie meines Vaters kommt aus Spanien", erklärte sie.
"Ich habe Cousins, die immer noch dort leben. Vor einigen Jahren war ich einen Sommer dort. Die andere Hälfte der Familie ist Irisch.
Ich wurde nach meiner Großmutter mütterlicherseits benannt."
"Und?"
"Und
was?" Rebecca konzentrierte sich auf die Bilder und merkte, dass sie den
Faden des Gesprächs verloren hatte.
"Wie
siehst du aus?"
"Oh.... dunkle Haare—gelockt, viel dunkler und länger als
deines. Und dunkle Augen. Olivfarbene Haut. Das genaue
Gegenteil von Elliot, falls du dich wunderst. Er ist hellblond und holt sich
einen Sonnenbrand, wenn er nur an Sonne denkt."
Lisa
grinste. "Kommt mir bekannt vor."
Sie
schwiegen wieder, aber dieses Mal war die Stille nicht so beklemmend. Rebecca
betrachtete die verschiedenen Fotos mit einem Vergrößerungsglas und kreiste die
besten ein. Zu ihrer Zufriedenheit waren recht viele ordentliche Bilder dabei.
"Was
machst du gerade?" fragte Lisa letztendlich.
"Ich
habe ein paar Fotos für das Museum gemacht", antwortet Rebecca ihr,
"um mich für den Job dort zu bewerben. Jetzt suche ich die besten aus.
Heute Mittag muss ich sie einreichen."
Lisa
nickte langsam. "Es muss Spaß machen, so kreativ zu arbeiten", sagte
sie. Tucker, der neben ihren Füßen saß, bellte seine Zustimmung.
Rebecca
lachte. "Ich weiß zwar nicht, wie kreativ diese Fotos hier gerade sind,
aber Fotografieren macht mir Spaß. Es ist allerdings nicht die einfachste Art,
seine Brötchen zu verdienen. Meine Eltern sind immer noch nicht darüber hinweg,
dass ich nicht irgendeinen handfesten Beruf gewählt habe, weißt du. Etwas, wo
ich jeden Tag im Anzug herum rennen würde und im Büro sitze. Aber das liegt mir
einfach nicht. Und so sehr ich sie auch glücklich machen will, ich konnte es
einfach nicht." Plötzlich war ihr diese lange Erklärung peinlich.
"Entschuldige—ich wollte nicht ausschweifend werden."
"Das
bist du nicht", versicherte Lisa ihr. "Ich weiß, was du meinst. Und
ich glaube, du hast die richtige Wahl getroffen. Man muss tun, was einen
glücklich macht.... auch wenn es nicht unbedingt den
Erwartungen anderer Leute entspricht."
Etwas
in Lisas Stimme ließ Rebecca von ihrer Arbeit aufschauen. Ihr Gesichtsausdruck
war nachdenklich, geradezu träumerisch, und Rebecca spürte, dass sie irgendwann
mal eine ähnliche Entscheidung getroffen hatte. Sie wurde neugierig, aber sie
zögerte unsicher. Dann entschied sie sich für eine allgemeine Alternative.
"Was macht dich glücklich, Lisa?"
"In
letzter Zeit nicht viel."
"Oh."
Rebecca wurde rot bei ihrer knappen Antwort, und sie wandte sich wieder den
Fotos zu. Sie bereute ihre Dummheit, diese Frage überhaupt gestellt zu haben.
"Rebecca,
es tut mir Leid", beeilte sich Scully sich zu entschuldigen. Sie schämte
sich für ihre Abruptheit. "Ich habe es nicht so gemeint. Ich... Ich
glaube, ich bin nur ein bisschen aufgewühlt. Ich habe es nicht so
gemeint."
"Ist
schon in Ordnung. Ich verstehe es." Ihre Worte waren steif, höflich.
"Das
ist es ja eben, du verstehst es nicht." Scully suchte nach Worten, um es
zu erklären. "Du verstehst es nicht, und du kannst es auch nicht. Ich kann
es dich nicht verstehen lassen."
Rebecca
antwortete zuerst nicht, und als sie es tat, waren ihre Worte sanft. "Ich
wollte mich nicht einmischen, Lisa. Aber du kannst es mir nicht vorwerfen, wenn
ich neugierig bin."
"Ich
weiß", sagte Scully. "Aber das einzige, über das ich nicht reden
kann, ist meine Arbeit." Sie zögerte und entschied dann, dass es in
Ordnung war, noch etwas mehr zu sagen. "Das ist nämlich einer der Gründe,
die mich überhaupt in diese Lage gebracht haben."
"Weil
du über deine Arbeit geredet hast?"
"Nein.
Meine Arbeit selbst. Es ist nicht gerade der einfachste Job der Welt."
"Aber
hast du ihn gern gemacht?"
Ein
Seufzen entkam Scully und sie nickte. "Ja. Ja, das habe ich." Und das
war stark untertrieben. Zum ersten Mal, seit sie geflohen waren, erkannte
Scully, dass sie nicht bloß ihr zu Hause und ihre Familie vermisste.
Sie erkannte, wie viel ihr ihre Arbeit beim FBI bedeutete, wie sehr sie es
geliebt hatte Agentin zu sein.
Doch
jetzt gibt es kein Zurück mehr, dachte sie reuevoll. Selbst wenn sie es
irgendwie schaffen würde, Mulder zu finden, und sie wirklich ihren Ruf
wiederherstellen konnten, dieser Teil ihres Lebens war vorüber. Immerhin gab es
für eine blinde Agentin keinen Platz beim FBI.
"Hast
du dort deinen Mann kennengelernt?"
Rebeccas
Frage brachte sie wieder zurück aus ihren Gedanken, in denen sie wieder einmal
den Tränen nahe gewesen war. Scully murmelte ein Ja.
"Wie
ist er so?"
"Wie
ist er so...." Sie wusste, es sollte ihr eigentlich nicht so schwer fallen
das zu beantworten, aber es war nicht leicht, Mulder in mit wenigen Worten zu
beschreiben. "Er ist.... brillant. Er ist klug
und witzig... und manchmal kann er sehr stur sein. Nun ja, nicht gerade stur.
Eher fokussiert. Sehr konzentriert und bedacht."
"Sieht
nicht so aus, als wäre er einfach mit umzugehen."
"Nicht
im Mindesten", stimmte Scully mit einem Lachen zu. "Er findet auch
nicht leicht Freunde. Und die, die er hat, sind ein wenig... außergewöhnlich." Die Einsamen Schützen
kamen ihr ins Gedächtnis und sie musste noch mehr lachen.
"Was
ist so lustig?"
"Nichts,
wirklich. Ich denke nur nach."
"Also",
lachte nun auch Rebecca, "hast du am Ende einen Weg gefunden, mit ihm klar
zu kommen. Schließlich hast du ihn ja geheiratet."
Scully
nickte wehmütig. "Wir kommen ganz gut miteinander aus. Ich habe großes
Glück... ihn in meinem Leben zu haben."
"Ich
würde sagen, er hat Glück, dich zu haben."
Plötzlich
fiel ihr etwas ein, und statt auf ihren Kommentar einzugehen, fragte sie, "Rebecca,
hast du eigentlich Coopers Büronummer?"
"Klar."
"Können
wir ihn mal anrufen? Ich würde ihn gerne etwas fragen."
"Sicher",
sagte Rebecca. "Lass mich das hier nur schnell zu Ende machen, dann gehen
wir zurück ins Haus." Sie hielt inne und fügte dann hinzu, "Aber nur,
wenn du mich endlich Beck nennst."
"Abgemacht",
grinste Scully.
Ende
von Teil 6...
X-6 X-6
GETEILTE WEGE
(7/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Der
Gestank von Zigarettenrauch verriet Skinner die Anwesenheit des Mannes, bevor
er überhaupt die Tür geöffnet hatte. "Willkommen zurück, Mr.
Skinner", sagte der Mann, als er das Zimmer betrat und neben dem
Schreibtisch zum Stehen kam.
Skinner
sah mit kaum unterdrücktem Ekel zu ihm auf. "Ich glaube, es hilft nicht
viel, Sie daran zu erinnern, dass das hier ein Nichtraucher-Gebäude ist."
Der
Mann schenkte ihm ein halbherziges Lächeln und nahm einen weiteren Zug.
"Wie war ihr Ausflug nach Texas?"
"Ich
bin überrascht, dass Sie mich das überhaupt fragen", entgegnete Skinner.
"Ich würde fast sagen, Sie wussten vor mir, dass er nicht da sein
würde."
"Sie
trauen mir viel zu viel zu", erwiderte der Mann. "Ich mache mir
allerdings Gedanken, wie Sie mit der Situation umgehen."
"So,
tun Sie das?" Skinner stand von seinem Platz auf und sah dem Mann genau in
die Augen. "Lassen Sie mich raten. Sie wollen mir irgendeinen vagen Grund
präsentieren, warum wir bei unserer Suche zurückschalten sollten. Lassen Sie
mich Ihnen etwas sagen." Er ließ seine Worte einen Moment sinken.
"Ich werde nicht weniger intensiv weitersuchen. Ich werde jeden zur
Verfügung stehenden Agenten Mulder und Scully und den Mann, der Mulder aus dem
Gefängnis geholt hat, suchen lassen. Und ich werde jedem ein Dorn im Auge sein,
der versucht, mich daran zu hindern."
Der
Mann hob eine Augenbraue, doch sagte nichts. Er starrte ihn bloß an. Sein Blick war geradezu niederschmetternd,
doch Skinner war nicht in der Stimmung, jetzt den Kürzeren zu ziehen. Der
Gestank des Nikotins ließ ihn letztendlich hinzufügen, "Wenn das alles
ist, bitte ich Sie, mich jetzt zu entschuldigen. Ich habe zu arbeiten."
"Sicher,
Mr. Skinner", antwortete der Mann. "Ich möchte Sie ja nicht bei ihrer
Arbeit aufhalten." Damit drehte er sich um, verließ das Büro und ließ eine
Rauchwolke zurück.
Skinner
wartete, bis die Tür hinter ihm zufiel und sank dann zurück in seinen ledernen
Schreibtischsessel. Dieser kurze Auftritt hatte ihn sehr verwirrt. Er hatte
keine Ahnung, welches As der Mann in seinem Ärmel hatte, aber er hatte den
starken Verdacht, dass sein Besuch nur eine Vorwarnung vor einem späteren
heimtückischen Schachzug war.
Cooper
starrte zum tausendsten Mal auf seinen Entwurf. Es war ein besonders komplexes
Design, das er mit peinlich genauer Präzision gefertigt hatte. Und jetzt wollte er alle möglichen Fehler
ausmerzen, bevor er ihn einreichte. Soweit, so gut, dachte er, und hielt es vor
sich in die Höhe.
Das
Klopfen an der Tür überraschte ihn. Beinahe hätte er die Blaupause fallen gelassen,
doch er fasste sich rechtzeitig, um "Herein" zu rufen.
"Hey,
Coop", grüßte Rebecca, als sie die Tür öffnete.
"Hast du einen Moment Zeit?"
Rebecca
hatte einen Anzug statt ihrer üblichen Jeans an, deshalb sah sie vollkommen
professionell aus. Cooper grinste ihr zustimmend zu. Lisa, die hinter ihr
stand, hielt sie am Arm mit einem Griff, der ihr Unwohlsein durch die
ungewohnte Umgebung verriet.
"Sicher",
sagte Cooper und stand auf. Er zog einen der Stühle zurück und Rebecca führte
Lisa dort hin. "Perfektes Timing, um genau zu sein."
"Danke,
dass ich herkommen durfte", sagte Lisa, als sie sich setzte und ihren
dunkelblauen Mantel auszog. "Es ist mir eine große Hilfe."
"Kein
Problem", versicherte er ihr.
Rebecca
war bereits wieder auf dem Weg zurück zur Tür. "Ich muss los, Leute -- ich
habe in einer Viertelstunde ein Meeting. Lisa, kommst du klar solange ich weg
bin?"
"Sicher",
sagte Lisa, als Cooper gleichzeitig, "Keine Sorge, ich behalte sie im
Auge", rief.
Rebecca
hob eine Augenbraue auf seinen Kommentar hin und grinste ihn an. Cooper war auf einmal froh, dass Lisa es
nicht sehen konnte. "Da bin ich mir sicher. Lisa, pass auf, dass er sich
benimmt." Lisa musste lachen. "Ja, mache ich."
Damit
zog Rebecca die Tür hinter sich zu. Cooper wandte sich an Lisa. "Okay, was ist los? Am Telefon sagtest
du, du würdest den Computer im Büro brauchen."
"Ich
würde gerne eine Nachricht auf einem Message-Board posten", erklärte sie, "aber ich will nicht, dass
es leicht zurückverfolgt werden kann." Nach einem Stirnrunzeln, "Bist
du sicher, dass die Firma hier eine öffentliche Adresse hat?"
Cooper
nickte, doch dann fiel ihm ein, dass er es ihr sagen musste. "Ja, ich bin
mir sicher. Wir haben zwei Möglichkeiten hier. Wir können uns entweder unter
unseren vollen Namen einloggen oder unter dem Screennamen der Firma. Jeder, der
sie zurückverfolgen will, würde bei der Firma landen, aber nicht direkt auf
mich kommen."
Lisa
dachte kurz nach und nickte dann. "Ich glaube, das wäre das Beste."
"Okay,
dann los." Cooper setzte sich wieder an seinen Tisch und machte sich an
die Arbeit. "Es wird einen Moment dauern", sagte er, "bis ich
bei den Boards bin. Wo soll ich hin?"
"alt.conspiracy", sagte sie und strich sich eine Strähne
hinters Ohr. Cooper ertappte sich, wie er sie dabei ansah. Er sah weg und
versuchte sich auf das zu konzentrieren, was er zu tun hatte.
Nach
ein paar Sekunden hatte sich die Seite vor ihm aufgebaut. "So, das hätten
wir", verkündete er. "Was soll der Titel sein?"
"Schreib,
dass es die 'Theorie Der Einsamen Schützen' betrifft", sagte sie. "Schreib alle Worte in Großbuchstaben.
Und schreib den Plural von 'Schütze'."
Cooper
sah sie verwundert an. "Wenn du den Schützen meinst, der beim JFK Mord am
Straßenrand stand, dann buchstabierst du es falsch."
"Glaub
mir", unterbrach ihn Lisa und lächelte ihr süßestes Lächeln in seine
Richtung, das jeden klaren Gedanken aus seinem Hirn verschwinden ließ.
Konzentriere
dich, ermahnte sich Cooper, als er die Adresse und den Rest der merkwürdigen
Nachricht eintippte.
Dank
des ungewöhnlich starken Verkehrs war es bereits später Nachmittag, als sie in
Las Cruces ankamen und Mulders Gehirn machte im
Bemühen einen Plan auszuhecken Überstunden.
Am
meisten störte ihn das stählerne Armband. Um fliehen zu können, musste er
herausfinden, wie es funktionierte; er hatte keine Ahnung, wo Christophe den
elektronischen Schlüssel aufbewahrte und er bezweifelte sowieso, dass er diesen
irgendwie bekommen konnte. Also konnte er die Idee, das Band loszuwerden, fürs
erste vergessen. Es blieb also nur die Möglichkeit, das System irgendwie zu
manipulieren, zumindest zeitweise.
Aber
wie?? Darüber dachte er die ganze Zeit nach, und bis jetzt war ihm noch kein
Licht aufgegangen. Am besten war es, es auszutesten, um zu sehen, wie es
funktionierte. Doch er fürchtete, dass Christophe sich einen Dreck um ihn
scheren und ihn einfach abknallen würde, wenn er versuchen würde abzuhauen.
Das
war ein Risiko, dachte Mulder, das er eingehen musste.
Curly parkte den
Wagen auf dem Parkplatz des Bahnhofes, und als sie ausstiegen, sah sich Mulder
nach einer passenden Gelegenheit um. Es waren allerdings nicht viele Leute auf
dem Parkplatz, also war das Timing schlecht. Noch.
Curly blieb im
Wagen und Mulder ging gehorsam mit Christophe und Moe
auf den Eingang zu, wobei er sich fragte, wo Larry eigentlich geblieben war.
Vielleicht hatte Christophe ihn zurück nach El Paso beordert, um bei dem
Flugzeug zu bleiben.
Genau
wie der Parkplatz, war der Bahnhof selbst ebenfalls ziemlich leer.
Als
sie auf das Reisezentrum zugingen, sah Mulder plötzlich seine Chance. Anders
als die meisten Bahnhöfe, in denen er gewesen war, hatte dieser hier einen
Metalldetektor und eine aus Röntgenstrahlen bestehende Schranke, die die
Haupthalle von den Gleisen trennte, ähnlich wie in einem Flughafen. Es war
anzunehmen, dass der Detektor Christophes Ortungsgerät erkennen würde,
zumindest einen Moment lang. Und das war genau das, was Mulder brauchte.
Das
Problem war nur, er wusste nicht, wie er nahe genug an die Maschine kommen
konnte. Moe war direkt neben ihm, sie atmeten
praktisch dieselbe Luft, und Mulder hatte keinen Zweifel, dass der Mann
schießen würde, wenn er die Möglichkeit dazu hatte.
Resigniert
entschied Mulder, diesen Plan zurückzustellen in der Hoffnung, dass sich die
Umstände ändern würden, bevor sie den Bahnhof wieder verließen. Mit Moe direkt neben sich folgte Mulder Christophe zur Kasse,
wo Christophe wieder einmal seinen falschen Ausweis präsentierte. Die
Bahnangestellte war eine ältere Frau, die Christophe auf sein Lächeln hin nur
zu gerne weiterhalf. Sie tippte auf der Tastatur ihres Computers herum und
suchte die Dateien aus der letzten Zeit durch, doch sie fand keinen Eintrag
über Lisa Wilder oder Lisa Steward.
Ein
schrilles Klingeln ertönte und alle vier erstarrten. Mulder blickte sich um und
sah, dass es von einem der Metalldetektoren kam. Er sah, wie einer der
Sicherheitsmänner die Frau, die den Alarm ausgelöst hatte, zur Seite treten
ließ und sie mit dem Handdetektor durchsuchte. Es war die Halskette der Frau,
und nachdem sie diese ausgezogen hatte, konnte sie ohne einen Alarm auszulösen
durch den Detektor.
Das
brachte Mulder auf etwas. Er drehte sich wieder zurück und gab vor, sich auf
Christophe und die Bahnangestellte zu konzentrieren, denn das letzte, was er
wollte, war dass Moe seine Absicht erkennen würde.
"Sir,
wir können leider nicht jede einzelne Person im Computer festhalten, die hier
ein- oder aussteigt", sagte die Frau mit einem Kopfschütteln. "Ich
bin mir sicher, es wäre einfacher für Sie, aber dem ist leider nicht so."
Christophe
ließ sich nichts anmerken und war, wie immer, cool mit seiner Antwort.
"Aber Sie können definitiv bezeugen, dass die Frau, die wir suchen, keinen
weiteren Fahrschein in diesem Bahnhof erworben hat."
"Das
ist korrekt, Sir. Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr helfen."
Christophe
entließ die Frau mit einem Nicken und trat beiseite. Mulder wagte sich einen
Schritt weiter. "Warum ist gerade dieser Bahnhof mit so vielen Security ausgestattet?"
"Oh",
antwortete sie. "Das ist nur, weil wir hier sehr nahe an der Grenze sind.
Es gab hier einige Vorfälle in der Vergangenheit, und Vorsicht ist besser als
Nachsicht."
"Das
ist wahr", stimmte Mulder zu. Er wollte sie unbedingt fragen, ob der
Sicherheitsmann eine Waffe trüge, doch Moe starrte
ihn grimmig an, also bedankte er sich und wandte sich ab.
Als
sie den Bahnhof verließen, merkte Mulder, dass sich der Himmel verdunkelt
hatte. Schwarze Wolken zogen auf und blockierten das schwächer werdende
Sonnenlicht. Christophe lenkte seine Aufmerksamkeit von dem aufziehenden Sturm
zurück auf sich. "Es scheint also, dass sie von hier aus nicht mit einem
weiteren Zug gefahren ist. Allerdings gibt es ja noch viele andere Wege aus Las
Cruces. Und wir werden jeden einzelnen unter die Lupe
nehmen."
Mulder
hatte diesbezüglich nicht den geringsten Zweifel.
Es
war schon spät, als Skinner seinen Wagen auf dem Parkplatz abstellte. Er dachte
daran, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn er vorher angerufen hätte, bevor
er hier auftauchte. Als er aus dem Wagen stieg wusste er jedoch, dass sein
Instinkt Recht behalten hatte. Ein Anruf wäre unweigerlich auf eine detailliertere Unterhaltung ausgelaufen, und er hielt es
für besser, mit dieser Angelegenheit lieber persönlich umzugehen.
Er
war sich im Klaren darüber, dass er es schon viel zu lange vor sich her
geschoben hatte. Als er die Treppen zur Eingangstür hinaufstieg, bemerkte er
wie schön der Vorgarten arrangiert war. Der Rasen und die Sträucher waren alle
gepflegt und kleine Pflänzchen waren entlang des Weges gepflanzt. Er erreichte
die Tür und rückte nervös seinen Anzug zurecht.
Die
Frau, die ihm öffnete, hatte einen bequemen Sweater und Hosen an und ihr
dunkles Haar wies bereits die ersten grauen Strähnen auf. Sie sah ihn mit genau
denselben weiten und blauen Augen ihrer Tochter an, nur ein paar kleine Falten
auf ihrer Stirn verrieten ihr Alter. "Hallo, Walter." Sie grüßte ihn
mit einer Informalität, die sich während ihrer letzten Treffen eingerichtet hatte.
Viele davon haben in irgendwelchen Krankenhauskorridoren stattgefunden. Weiter
sagte sie nichts, als ob es schlechte Neuigkeiten bringen würde, wenn sie es
täte.
"Hallo,
Margaret", sagte Skinner. "Kann ich einen Moment herein kommen?"
"Natürlich",
erwiderte sie und öffnete die Tür weiter, um ihn einzulassen. Sie führte ihn
ins Wohnzimmer, das einfach aber elegant eingerichtet war, und bot ihm einen
Platz an.
Skinner
setzte sich auf die Couch, und sie nahm auf dem Sessel genau vor ihm Platz,
stocksteif, mit den Händen in ihrem Schoß. "Gibt es etwas Neues über
Dana?"
So
schwer, dachte Skinner, es ist so schwer. Laut sagte er, "Mein Anruf
gestern war wohl ein wenig voreilig." Margaret Scully seufzte resigniert.
"Den Mann, den sie verhaftet haben. Es war nicht Fox."
Skinner
schüttelte den Kopf. "Im Gegenteil, ich bin mir ziemlich sicher, dass er
es war."
"Was
soll das heißen, *war*? Ist... ist er..."
"Nein,
so habe ich das nicht gemeint", beeilte sich Skinner zu versichern. "Soweit ich weiß, ist Agent Mulder
gesund und am Leben. Aber als ich nach Texas gefahren bin, war er fort. Jemand
hat es geschafft, ihn aus dem Gefängnis zu holen, indem er sich als mich
ausgegeben hat."
"Wer
würde denn so etwas tun?" fragte Margaret verwirrt.
"Ich
weiß es nicht." Skinner zuckte die Schultern. "Das wollen wir ja
gerade herausfinden." Margaret nickte. "Und Dana?"
"Von
ihr haben wir noch keine Spur. Wir haben die ganze Gegend gründlich abgesucht.
Die örtliche Polizei und einige Agenten suchen immer noch. Aber bis jetzt haben
wir noch nichts." Skinner schwieg einen Moment und fügte dann hinzu,
"Es tut mir leid."
Margaret
schloss die Augen und presste die Lippen zusammen. Sie versuchte, stark zu
bleiben. Dann sah sie ihn wieder an. "Ich weiß. Und ich bin sehr dankbar,
dass Sie versuchen, sie zu finden. Ich wünschte nur, es gäbe etwas
Neues..."
Sie
verstummte und Skinner wurde klar, wie unerträglich das alles für sie sein
musste. Er hatte Margaret gegenüber nie etwas von Scullys möglicher Blindheit
erwähnt, und in Momenten wie diesem war er dankbar dafür, dass er ihr dieses
Gerücht verschwiegen hatte. Er fand, es gab keinen Grund, es ihr noch schwerer
zu machen.
"Wir
werden nicht aufhören, bis wir sie gefunden haben", sagte Skinner mit
Zuversicht, und Margaret wollte ihm glauben. Sie konnte nicht mit dem Gedanken
leben, noch eine Tochter zu verlieren, doch jeden Morgen, wenn sie aufwachte,
fürchtete sie, dass nichts anderes passiert war.
Plötzlich
fiel ihr etwas ein. "Fox hat nichts von Dana gesagt, als sie ihn verhaftet
haben, oder?"
Skinner
schüttelte den Kopf. "Nicht ein Wort. Der Polizeichef hat nach ihr
gefragt, doch er hat nicht geredet. Ich nehme an, er will sie beschützen."
Ein
winziger Funke Erleichterung glühte in ihr und sie klammerte sich fest an
diesen Hoffnungsschimmer. "Er hätte keinen Grund, sie beschützen zu
wollen, wenn ihr etwas zugestoßen wäre, richtig?"
"Das
sehe ich auch so", bekräftigte Skinner. "Wir sind nahe dran,
Margaret, da bin ich mir sicher. Seit ihrem Verschwinden sind wir noch nie so
dicht dran gewesen. Es ist jetzt nur eine Frage der Zeit."
"Hoffentlich",
sagte sie und betete, dass sich seine Worte als wahr erweisen würden. "Ich
sollte jetzt wieder zurück", sagte er und erhob sich.
Margaret
nickte. Sie stand ebenfalls auf und begleitete ihn zum Ausgang. Sie hielt die Tür für ihn auf, als er nach
draußen trat. "Bitte, Walter", sagte sie, "Sie müssen es mich
wissen lassen, wenn Sie etwas erfahren. Ganz egal was."
"Das
werde ich", antwortete er und sie sah in seinen Augen, dass er die
Wahrheit sagte. Im Stillen dankte sie dem Mann, der sich so sorgfältig und
unermüdlich der Suche nach ihrer Tochter gewidmet hatte.
Skinner
drehte sich um und ging zurück zu seinem Auto. Margaret blieb in der Tür zurück
und sah ihm nach, bis verschwunden war. Er nahm alle ihre Hoffnungen mit.
Beim
zweiten Mal war Mulders Telefontrick viel einfacher, als er erwartet hatte.
Sie
waren in einem anderen Restaurant, dieses Mal ein wenig schicker eingerichtet,
aber trotzdem nicht gerade eines, das sich mit vier Sternen in einem Hotel-Führer
präsentieren würde. Alle vier hatten eine Pause fürs Abendessen eingelegt, und
für Außenstehende konnten sie glatt als die fünf Freunde ohne Hund durchgehen,
anstatt drei Gangster mit einer Geisel.
Dieses
Mal stand Moe von seinem Tisch auf und begleitete
ihn, und Mulder musste zähneknirschend feststellen, dass er viel mehr Wert auf
das Ausführen der Befehle legte als Curly - er folgte
ihm auf Schritt und Tritt. Deswegen war Mulder auch nicht allzu frustriert, als
er kein Telefon neben den Toiletten fand, weil er so ja sowieso keine
Möglichkeit gehabt hätte, anzurufen.
Mulder
spielte aber trotzdem weiter und verschwand in der Herrentoilette. Wenigstens folgte ihm Moe
nicht auch noch dort hin—er blieb draußen vor der Türe stehen. Drinnen machte Mulder
fast einen Luftsprung, als er sah, dass die Sanitärräume das
Möchtegern-Schickimicki-Restaurants mit einem kleinen Foyer ausgestattet waren,
in dem unter anderem zwei geschmacklos-grelle Stühle und ein wunderbar
funktionierendes Münztelefon nicht fehlten.
Ein
Blick auf die Uhr verriet Mulder, dass es erst kurz nach sechs war. Seit seinem
ersten Anruf am Morgen waren fast neun Stunden vergangen. Hoffentlich hatten die Schützen schon etwas
Hilfreiches gefunden. Mit zitternden Fingern und dem Gedanken, dass Moe jeden Moment die Türe aufdrücken konnte, wählte Mulder
die Nummer und zählte wie oft es klingelte. Gleich nach dem zweiten hörte er
das bekannte Knacken und Byers' Stimme rang durch die Leitung.
"Hallo?"
"Ich
bin's. Irgendwas gefunden?"
"Kein
Glück bei der Suche."
Mulders
Herz setzte aus. Er war sich so sicher gewesen...
"Aber
wir haben vielleicht etwas anderes."
"Was?"
"Etwas,
was wir auf unserem täglichen Rundgang im Internet heruntergeladen haben. Es
stand auf dem Verschwörungs-Message-Board. Sein Herz
begann wieder zu schlagen. "Lies vor."
"Betreff:
'Re: Theorie der Einsamen Schützen'. Die Nachricht ist wie folgt: 'Es saßen
drei von Euch auf einem grasbewachsenen Hügel. Ich
suchte eine rote Sprosse in den spärlichen Gewächsen.'"
"Damit
bist Du gemeint!" rief Frohike aus dem Hintergrund. "So habe ich Dich
ihr gegenüber mal beschrieben. "
"Es
geht noch weiter“, fuhr Byres fort. 'Wenn Ihr ihn findet, sagt ihm, dass es mir
gut geht, und dass ich bei Barney Northrup
bin.' Die Unterschrift ist, 'Undurchschaubare Doc'."
Eine
Welle von Erleichterung überkam Mulder. "Das ist von ihr", rief er
aufgeregt. "Wann habt Ihr das bekommen?"
"Heute
Nachmittag", antwortete Frohike. "Allerdings konnten wir nicht
herausfinden, wen sie mit 'Barney Northrup'
meint."
"Das
ist aus einer Geschichte", half Mulder aus. "Keine Zeit, es zu
erklären. Ich brauche eine Adresse von dem Namen, den ich Euch vorher gegeben
habe, Elliot Masters."
"Schon
geschehen", klinkte sich Langly ein. "Wir
haben direkt nachgesehen, als du das erste Mal nach ihm gefragt hast. Er wohnt
in einem Ort bei Santa Fe, New Mexiko."
Mulder
prägte sich die Adresse ein, die Langly ihm gab, und
fragte, "Könnt Ihr eine Antwort auf die Nachricht posten?"
"Wir
können alles machen", sagte Byers.
Mulder
konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er teilte ihnen seine Antwort mit und
legte auf. Er fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.
Ende
von Teil 7...
X-7 X-7
GETEILTE WEGE
(8/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Es
war schon spät und tiefe Nacht hatte sich über das Land gelegt, und doch blieb
der Mann in seinem Büro - die antike Lampe, die seinen Schreibtisch erhellte,
war das einzig Helle in dem Raum. Es war besser die Akte, die er gerade las,
alleine an einem Ort durchzugehen, wo keine neugierigen Späher einen zu tiefen
Einblick in die Tagesordnung der Männer erhielten, die außerhalb des Gesetztes operierten.
Der
Mann blätterte eine Seite um und zündete sich noch eine Zigarette an. Seine
Bewegungen waren so eingespielt, dass er sie hätte im Schlaf ausführen können.
Er nahm einen langen Zug an seiner Zigarette und blies zufrieden den Rauch aus seinen Lugen. Er war zufrieden mit dem, was er las und
dankbar, dass sie genug Vertrauen in ihn hatten, um ihn diese Unterlagen lesen
zu lassen.
Die
Akte war in einige Abschnitte unterteilt, die alle zusammen den Großen Plan
umrissen - eine Strategie, die ein enormes Potential in ihren Auswirkungen
hatte, wenn sie richtig durchgeführt würde. Laut den bisherigen Erkenntnissen
war diese Methode jetzt angebracht. Alle möglichen Tests waren erfolgreich
durchgeführt worden.
Jetzt
war es an der Zeit, das Projekt in Gang zu setzen.
Jede
Seite des Dokumentes bezog sich auf die jeweilige Testperson mit einem Code.
Der Mann war einer der wenigen Leute, die wissen durften, dass die Nummer
2-65-49557 für Dana Katherine Scully stand.
Der
Mann schloss die Akte und steckte sie in eine dünne Mappe, die auf seinem
Schreibtisch lag. Er schloss beide Schlösser der Mappe und drehte die Zahlenräder
einige Male, so dass er die Nummern in einer wirren Reihenfolge zurückließ, die
keinen Hinweis auf die richtige Kombination hinterließen. Wie befohlen würde er
sie auf seinem Weg nach Hause zurückbringen; sie vertrauten ihm genug, um ihn
sie lesen zu lassen, nicht aber, um sie bei sich zu behalten. Noch nicht.
Der
Mann war sich allerdings sicher, dass wenn er es schaffen würde, den Männern im
Konsortium die Diskette und Dana Scully zu bringen, es endlich seinen Wert
beweisen würde und ihn zu einem wertvollen Teil des Kreises machen würde.
Er
hob die Mappe vom Tisch auf, knipste die Lampe aus und verließ das Büro, als er
noch einen letzten Zug an der Zigarette nahm und durch die dunklen Hallen des
Gebäudes ging.
Der
leichte Nieselregen war inzwischen zu einem richtigen Regenvorhang ausgeartet.
Es goss wie aus Eimern. Scully hatte schon immer den Regen geliebt, und sie
empfand das Geräusch der fallenden Tropfen beruhigend. Sogar jetzt, als noch
hundert andere Sachen ihr Gewissen quälten. Tuckers klimperndes Halsband
übertönte den hämmernden Regen an den Fenstern, als er im Zimmer hin und her
ging, in dem er jetzt wegen dem Sturm gefangen war.
Scully
machte es sich auf der Wohnzimmercouch in den Kissen bequem. Die Couch war sehr
gemütlich und sie nahm an, dass sie schon mehr als einmal als Bett gedient
hatte. Im Fernsehen lief eine Episode von "Seinfeld", und obwohl sie
nie ein großer Fan von Sitcoms gewesen war, hatte sie
seit der Explosion festgestellt, dass Comedys im
Großen und Ganzen interessanter anzuhören waren als Dramen. Es wurde viel mehr
geredet und nicht so viel Wert auf Musik gelegt.
Elliot
saß am Tisch auf der anderen Seite des Zimmers und arbeitete. Scully konnte das
gleichmäßige Kratzen des Stiftes auf dem Papier hören. Ab und zu lachten sie
gemeinsam wegen einem Witz im Fernsehen, und Scully fühlte sich wohl in der
freundschaftlichen Atmosphäre.
Als
die Folge durch eine Werbepause unterbrochen wurde, hörte Scully wie Elliot
seinen Stuhl zurückschob. "Ich gehe mir ein Bier holen", sagt er.
"Möchtest du irgendetwas?"
Sie
schüttelte den Kopf. "Nein", sagte sie. "Nein, danke."
"Bin
gleich zurück." Er hielt inne und fügte hinzu, "Ich hoffe Beck und
Cooper kommen bald nach Hause. Dieser Sturm wird von Minute zu Minute
schlimmer."
"Hört
sich ganz danach an", stimmte sie zu. Coopers Wagen hatte sich nämlich
ironischerweise, wenn man an seine stolzen Worte beim Frühstück zurückdenkt,
gerade den heutigen Tag für eine Panne ausgesucht, und als Rebecca ihn vom Büro
abgeholt hatte, hatte er ihn dort stehen lassen mit der Absicht, sich später
darum zu kümmern, wenn der Sturm vorbei war.
Scully
hörte, wie Elliots Schritte das Zimmer durchquerten und dann verklangen. Dann
war es, abgesehen von einer Waschmittelreklame, still. Sie seufzte und
versuchte, ihre Ungeduld zu unterdrücken. Sie wusste, es war lächerlich, eine
Antwort auf die Nachricht zu erwarten, die sie geschickt hatte, aber sie konnte
einfach nicht aufhören zu hoffen. Die Warterei schlauchte sie mehr als alles
andere. Sie wollte etwas tun, irgendetwas, um Mulder zu finden, aber sie wusste
beim besten Willen nicht, was sie machen konnte, ohne sich oder ihre neuen
Freunde in Gefahr zu bringen. Sie hatte keine Mittel, um alleine nach Mulder zu
suchen, und Elliot und seine Freunde zu fragen, ob sie ihr helfen könnten, war
einfach nicht fair.
Doch
Scully wusste, dass sie etwas tun musste, und zwar bald. Ihre Angst um Mulder
wurde immer größer und langsam hielt sie es nicht mehr aus.
Plötzlich
bellte Tucker zweimal kurz hintereinander, dann hörte Scully, wie er aus dem
Zimmer rannte. Sie hörte draußen eine Tür zufallen und vernahm Stimmen in der
Küche. Erwartungsvoll stand sie auf und ging langsam mit vorsichtigen Schritten
in die Richtung aus der die Stimmen kamen.
"Ich
sage dir, Coop, es wird Zeit für eine
Neuanschaffung", verkündete Rebecca, als sie ihren nassen Mantel auszog
und ihn an dem Hacken an der Tür aufhängte.
"Nur
über meine Leiche, Beck", erwiderte Cooper und schmiss seinen Mantel
gewohnheitsmäßig auf einen Stuhl. Tucker entschied sich gerade neben ihm das
überschüssige Wasser aus seinem Fell mittels eines kräftigen Hundeschüttelns
loszuwerden. "Verdammt, Tucker!" heulte Cooper und schüttelte den
Hund spielerisch an seinem Nackenfell. "Sehe ich aus, als könnte ich ein
Bad gebrauchen?"
Elliot
lachte bei dem Anblick laut los. "Vielleicht solltest du seinen Hinweis
ernst nehmen", grinste er und griff nach einer handvoll Bierflaschen im
Kühlschrank. "Irgendjemand Lust auf Sam Adams Besten?"
"Auf
jeden Fall", sagte Rebecca und schnappte sich eine der Flaschen. "Auf
ein neues Auto", ärgerte sie Cooper und öffnete die Flasche.
Cooper
holte sich ebenfalls eine und schlug vor, "Ich glaube, wir sollten besser
auf den neuen Job trinken". Er beobachtete Elliot, als dieser schaltete
und den Mund vor Überraschung offen ließ.
"Beck,
hast du den Job bekommen?" fragte Elliot und Rebecca nickte mit einem
Grinsen von einem Ohr zum anderen.
"Ich
habe es gerade erfahren, als ich in der Stadt war", sagte sie. "Ich
habe auf Coop gewartet und bin währenddessen mal eben
schnell im Museum vorbeigeflitzt...."
"Herzlichen
Glückwunsch!" Cooper sah erfreut zu, wie Elliot seine Freundin
freudestrahlend in die Arme nahm und ihr einen dicken Kuss gab. "Ich bin
so stolz auf dich", sagte er. Er warf Cooper einen verschmitzten Blick zu
und fügte hinzu, "Obwohl ich es besser gefunden hätte, wenn du es mir
zuerst erzählt hättest."
"Wer
zuerst kommt, malt zuerst", grinste Cooper und nahm einen kräftigen
Schluck von seinem Bier. Er hörte, wie sich Schritte näherten und sah auf. Lisa
stand im Türrahmen, ihr dunkles Haar in einem lockeren Pferdeschwanz
zusammengebunden.
"Hey,
Lisa. Willst du auch ein Bier?"
"Nein,
danke", lehnte sie mit einem Lächeln ab. "Elliot hat es auch bereits
angeboten."
"Rebecca
hat den Job!" verkündete Elliot stolz.
"Herzlichen
Glückwunsch, Beck", sagte Lisa. "Ich freue mich für dich."
"Danke,
Lisa", bedankte sich Rebecca. Sie legte ihre Arme um Elliot und stibitzte
einen weiteren Kuss.
Inmitten
dieser aufgebrachten Stimmung merkte Cooper, dass Lisa sehr still war.
"Alles in Ordnung?" fragte er leise.
"Ja,
es geht mir gut. Ich habe mich nur gefragt, ob..." Sie zögerte und
errötete leicht. "Es ist jetzt vielleicht nicht angebracht—ihr seid ja
gerade erst zurückgekommen—aber ich wollte dich fragen, ob wir nicht noch
einmal an deinen Computer gehen könnten, um das Messageboard
zu checken."
"Klar,
kein Problem", sagte er und sah wie sich ihr Gesicht erhellte. Er nahm
sein Bier in eine Hand und ging zu ihr, um sie mit der anderen beim Arm zu
nehmen. "Komm." Er warf Rebecca und Elliot einen Blick zu und sagte,
"Wir sehen uns später, Leute."
"Bis
später", echoten sie aus einem Munde. "Hey, ich bin heute mit kochen
dran", rief Elliot ihm hinterher. "Irgendwelche Wünsche?"
"Egal,
nur essbar sollte es sein", rief Cooper zurück und Lisa lachte, als sie
neben ihm den Flur hinunter ging.
In
seinem Zimmer platzierte er Lisa auf seinem Bett und schaltete den Computer
ein, der mit bekanntem Summen und Knacken die Startprozedur durchlief. Er
knipste das Modem an, und nachdem er sein Passwort eingegeben hatte, hörten sie
dem Singsang-Geräusch des Modems zu, als es die Verbindung herstellte.
Lisa
sagte kein Wort, als sie warteten, und Cooper blickte sie über seine Schulter
hinweg an. Sie saß auf dem Bett, ein Bein wie im Schneidersitz unter ihr
gefaltet, das andere baumelte über den Rand des Bettes. Ihre Haltung war
entspannt, mit Ausnahme ihrer Hände, die sie zusammengepresst in ihrem Schoß
hielt. Cooper wünschte sich wirklich, er würde gute Neuigkeiten für sie im Netz
finden.
Dann
erreichte er die Messageboards, doppelklickte
auf "alt.conspiracy" und wartete, bis der
Computer ihm den neuesten Index präsentierte. "Ich bin jetzt drauf,
Lisa", sagte er und fuhr mit der Maus den Bildschirm herunter, als er
jeden Betreff genau checkte. Im Augenwinkel sah er, wie Lisa nickte, doch sie
sagte nichts weiter.
Er
war schon fast am Ende der Liste, als er es sah. "Ich glaube, hier ist
etwas", sagte er und doppelklickte den Link.
"Was?"
"Das
Betreff ist: "Attn: 'Undurchschaubare Doc'",
sagte er. "So haben wir deine Nachricht
unterschrieben, richtig?"
"Ja,
ja... wie lautet die Nachricht?" sagte sie hastig.
"Es
sind nur zwei Zeilen. 'Bleib wo du bist, Doc. Sam Westing ist auf dem Weg.'"
Lisa
entwischte ein Geräusch der Überraschung. Cooper wirbelte in seinem Sitz herum
und sah, wie sie aufgeregt die Hände vor ihrem Gesicht zusammenschlug. "Oh
mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott...."
"Was
bedeutet das?" fragte Cooper, der sich nun sicher war, dass es gute
Neuigkeiten waren. "Wer ist Sam Westing?"
"Er
ist es, Mul—Rick, mein Mann", rief Lisa und
stolperte vor Aufregung über jedes Wort. "Es bedeutet, dass es ihm gut
geht, es ist aus diesem Buch, Elliots Buch, niemand sonst würde so antworten
außer ihm, er lebt.... oh, Gott, er lebt..."
Cooper
merkte plötzlich leicht alarmiert, dass ihre Freude anderen Emotionen gewichen
war—ihre Schultern bebten, als sie zu weinen begann. Er rutschte von seinem
Stuhl, setzte sich neben sie auf das Bett und legte zögerlich einen Arm um sie,
um sie zu beruhigen. "Natürlich lebt er, Lisa", sagte er. "Ich
habe es nicht für eine Sekunde bezweifelt."
"Ich—ich
auch nicht", gab sie leise zu und legte ihren Kopf auf seine Schulter.
"Aber ich hatte solche Angst um ihn..."
Er
hielt sie sanft fest, bis ihr Schluchzen verklang. Lisa hob ihren Kopf von
seiner Schulter und wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullovers über das
Gesicht, um die Tränen weg zu wischen. "Es tut mir Leid", murmelte
sie. "Ich wollte nicht so die
Fassung verlieren." Sie zuckte verlegen die Schultern. "Es scheint,
als bringt mich in letzter Zeit alles zum heulen."
"Das
ist ok", versicherte Cooper ihr. Er wusste nicht, was er sonst sagen
sollte. Er begann, seinen Arm wegzuziehen, doch Lisa zog ihn näher zu sich und
umarmte ihn kurz aber ehrlich. Sie fühlte sich warm und weich an in seinen
Armen und ihr Haar roch wie eine Frühlingsblüte, als es seine Wange streifte.
"Danke,
Cooper", sagte sie und ließ ihn los. Sie lächelte in seine Richtung, stand
auf und machte sich auf den Weg zur Tür.
"Gern
geschehen", antwortete er automatisch, doch als er ihr nachsah war er
immer noch wie elektrisiert von dem unerwarteten Effekt, den ihre Umarmung mit
sich gebracht hatte. Auf einmal war er unglaublich eifersüchtig auf den Mann,
den er nie getroffen hatte.
Mulder
musste zugeben, dass das billige Motel ein gutes Stück besser war als die
Unterkunft am Vorabend, obwohl er sich in dem Flughafen-Hangar wenigstens frei
bewegen konnte und nicht wie jetzt mit einer Hand am Bett gefesselt war.
Ganz
zu schweigen von der Tatsache, dass Curly mit der
Waffe in der Hand auf dem gegenüberliegenden Bett schlief.
Er
schlief und schnarchte.
In
der Not frisst der Teufel Fliegen, dachte Mulder trocken und ließ sich seine
gute Laune nicht austreiben.
<sieistsichersieistsicherundsielebtsielebtsielebt>
Der
Anruf bei den Schützen hatte seine Stimmung mehr gehoben, als er es je gedacht
hätte. Er hatte alle nagenden Zweifel und Ängste vernichtet, die er um Scullys
Sicherheit gehabt hatte. Jetzt war es nur eine Frage der Zeit.
Zeit
und ein wenig Strategie.
Der
Gedanke an die wenigen scheinbar unüberwindbaren Hindernisse tat nichts dazu
bei, seinen Enthusiasmus zu dämmen. Mulder war mehr als fest entschlossen, und
jetzt, wo sein Ziel in greifbarer Nähe war, konnte ihn nichts mehr aufhalten.
Auch nicht Christophe und seine Armee von Schlägertypen. Im Moment konnte er
jedoch nichts tun, als auf den Morgen zu warten.
Morgen,
dachte er zufrieden. Morgen....
Mulder
hatte seien Plan bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und versuchte nun mit
geschlossenen Augen Curlys Schnarchen zu ignorieren.
Das Wichtigste war jetzt zu schlafen.
Christophe
saß auf seinem Bett mit einem Glas Mineralwasser neben sich auf dem Nachttisch.
Er erlaubte sich nie den Genuss von Alkohol, denn er wollte immer und überall
einen klaren Kopf und sein Gedächtnis genauso scharf und präzise behalten wie
die Waffen, die er verwendete.
Er
wusste, dass ihm die Zeit davonlief, und es störte ihn gewaltig, dass er immer
noch so weit von seinem Ziel entfernt war. Wenigstens waren sie bis jetzt nicht
mit dem Gesetz aneinandergeraten. Er hatte sich darauf vorbereitet, jederzeit
seine gefälschte FBI Kennung zu zücken wenn nötig— wenn jemand ihn zusammen mit
Mulder gesehen hätte und neugierige Fragen gestellt hätte. Doch bis jetzt war
das noch nicht nötig gewesen. Das war wenigstens etwas, worüber er dankbar sein
konnte.
Das
einzige, was er nie tun wollte war, seine Geisel zu unterschätzen. Als er einen
Schluck von seinem Wasser nahm, gab Christophe zu, dass Mulder ein
interessanter Kontrahent war. Er war ohne Zweifel sehr intelligent, und er war
überrascht, dass er sich so lange der Gefangenschaft entziehen konnte, wie er
es getan hatte. Seine sture Tapferkeit, wenn es um das Mädchen ging, war
geradezu amüsant; Christophe hatte die Berichte von Vincent kurz vor seinem Tod
bekommen und demzufolge hatte er kaum Zweifel, dass sie in der Tat blind war.
Und doch gewährte er Mulder den Eindruck, dass er etwas vor ihm geheim hielt.
Es war alles Bestandteil des Spiels.
Was
Christophe faszinierend fand, war dass Mulder sich überhaupt nicht so benahm,
wie er es eigentlich erwartet hätte. Ganz im Gegenteil, der ehemalige Agent war
ein Bild eines Gefangenen, viel zu optimistisch in seiner Zwangslage und das
alarmierte Christophe. Er hatte eigentlich von Mulder erwartet, bis jetzt einen
Ausbruchsversuch unternommen zu haben; die Tatsache, dass er es nicht getan
hatte signalisiert ihm, dass er etwas im Schilde führte. Doch Christophe hatte
keine Ahnung, was das war und er wäre ein Dummkopf, wenn er nicht wachsam sein
würde, bis er es herausgefunden hatte.
Er
hörte das Geräusch eines Schlüssels in der Tür und sah erwartungsvoll auf. Er
hatte entschieden, dass Mulder nicht zwei Bodyguards brauchen würde, deshalb
hatte er Simon, den erfahreneren Mann, dazu beordert
weiter zu suchen.
Die
Tür öffnete sich und Simon kam herein. "Ich hab war", sagte er und
klopfte sich den Regen von seinem Mantel.
"Und
zwar?"
Simon
schloss die Tür hinter sich und durchquerte das Zimmer zum gegenüberliegenden
Bett. "So'n Typ im Busbahnhof in der Stadt
glaubt sich an das Mädchen zu erinnern."
"Sie
hat einen Fahrschein gekauft? Wohin?"
"Er
weiß es nicht genau, aber er ist sich ziemlich sicher, dass es vorgestern
gewesen war."
Christophe
nickte und dachte nach. "Das ist wenigstens ein Anfang."
"Außerdem—sie
ist nicht alleine gefahren."
"Wirklich..."
Endlich, dachte Christophe, hatten sie etwas, womit sie arbeiten konnten.
"Hast du einen Namen?"
"Nein",
antwortete Simon. "Aber eine Beschreibung. Sie ist ein wenig vage, aber
wie es scheint, ist er jemand, den sie im Zug kennengelernt hat. Ich denke, wir
können ihn auf diese Weise aufspüren."
"Exzellente
Idee", stimmte Christophe zu. Er zog sein Handy aus der Tasche, wählte
eine Ferngesprächnummer und wartete, bis jemand abhob.
Nachdem
sie endlich geduscht und sich angezogen hatte, ging Rebecca den Flur hinunter
und nahm sich vor, Cooper zu bitten, sich den Heißwasser-Boiler mal anzusehen.
Es war nicht besonders lustig, an einem kalten Novembertag die vierte in der
Dusche zu sein, besonders wenn man lange, lockige Haare zu waschen hatte.
Im
Wohnzimmer fand Rebecca Elliot an seinem gewohnten Platz am Tisch vor, Tucker
zusammengerollt auf dem Boden neben ihm. Die Stereoanlage spielte laute Musik,
als Elliot konzentriert arbeitete. "Wie läuft's?"
fragte sie ihn.
"Gut",
sagte er und sah zufrieden zu ihr auf. "Ich bin heute Morgen aufgewacht
und fühlte mich irgendwie inspiriert—fast so, als ob ich meine Ideen nicht
schnell genug zu Papier bringen könnte. Guck mal hier." Er hielt seine
Zeichnung hoch, damit sie sie besser sehen konnte, und Rebecca nickte erfreut.
"Das
ist klasse!" lobte sie und belohnte ihn mit einem Kuss auf die Stirn.
"Das
gehört immer noch zu der Fantasy-Serie, stimmt's?"
"Ja",
antwortete er und bewunderte nun selbst seine Zeichnung. "Ich bin im
Moment richtig in Fahrt, Beck. Ich wette, ich kriege vor heute Abend noch drei
solcher Dinger hin—vor allem, wenn das Wetter so bleibt."
"Du
hast vielleicht Glück", seufzte Rebecca. "Ich muss nämlich in die
Stadt." Sie blickte aus dem Fenster und beobachtete zerknirscht den Regen.
Die ganze Nacht hatte es wie aus Eimern gegossen, und obwohl der Wetterbericht
nur einen kurzen Sturm vorhergesagt hatte, schien es kein Ende zu nehmen.
"Kann
das nicht noch warten?" fragte Elliot mit einem Stirnrunzeln. "Ich
hasse es, wenn du bei diesem Wetter Auto fahren musst."
Obwohl
sie insgeheim geschmeichelt war, stritt sie seinen Kommentar ab. "Ich bin
doch schon groß, Elliot—ich glaube, ich werde mit dem Regen fertig",
grinste sie. "Außerdem habe ich keine Wahl. Ich treffe mich heute mit der
Museumsdirektorin, um einige ihrer Ideen durchzugehen."
"An
einem Samstag? Wer arbeitet denn samstags?"
"Du
zum Beispiel", sagte Rebecca und wies grinsend auf seine Zeichnungen.
"Okay,
okay", sagte er geschlagen. "Ich hab's kapiert. Sei vorsichtig,
ja?"
"Versprochen",
versprach sie. "Was haben Coop und Lisa
vor?"
Elliot
nahm einen blauen Stift und begann wieder zu zeichnen, als er antwortete.
"Coop ist in seinem Zimmer—er quatscht am
Telefon—und Lisa ist in der Küche und frühstückt." Er senkte seine Stimme
und fügte hinzu, "Glaubst du, dass Rick heute herkommt?"
"Ich
hab keine Ahnung", antwortete sie ebenfalls mit gedämpfter Stimme. "Hängt davon ab, wo er herkommt."
Dann, "Wehe du lässt ihn gehen bevor ich wieder da bin. Ich sterbe vor
Neugier."
"Keine
Sorge", versicherte er ihr. "Das werde ich nicht. Ich glaube, du
wirst ihn mögen."
"Wenn
er so toll ist, wie Lisa behauptet, bin ich sicher, dass ich ihn mögen
werde." Rebecca gab ihm einen Abschiedskuss und machte sich auf die Suche
nach einem Regenschirm.
Ende
von Teil 8...
X-8 X-8
GETEILTE WEGE
(9/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Trotz
des strömenden Regens war der Bahnhof in Las Curces
voller als tags zuvor, was Mulder dem beginnenden Wochenende anrechnete.
Christophe war mit seinen Gründen, wieder zu dem Bahnhof zurück zu gehen, sehr
ausweichend gewesen, doch das war Mulder ziemlich egal. Er war froh, noch eine
Gelegenheit zu bekommen, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
In
letzter Zeit war Moe immer beim Wagen zurück
geblieben. Dieses Mal war es nicht anders und Mulder ging neben Christophe und Curly und wartete auf einen passenden Moment. Heute empfing
sie ein anderer Bahnangestellter an dem Schalter, an dem sie sich am Vortag die
Informationen beschafft hatten. Ein junger Mann, der mit genauso großem Respekt
auf Christophes falschen Ausweis reagierte. Mulder beobachtete Curly aus seinem Augenwinkel und wartete, bis er mehr auf
die sexy Blondine in dem engen Pullover achtete als auf alles andere. So
schnell er es wagte wich Mulder von den beiden Männern in der Hoffnung, dass
sie lange genug beschäftigt waren, um seine Abwesenheit zu bemerken, bis er
weit genug weg war.
Mulder
hatte Glück und er schaffte es, sich in die Flut der Fahrgäste einzureihen,
bevor Christophe merkte, dass etwas nicht stimmte. Als Mulder sich umblickte,
sah er, wie Christophe Befragung Befragung sein ließ,
und Curly auf sein Verschwinden aufmerksam machte.
Als Curly auf ihn zugerannt
kam, sprintete Mulder in Richtung des Metalldetektors los.
Dort
drängelte er sich in der Schlange der wartenden Fahrgäste bis zu dem Detektor
vor, der wie erwartet ausschlug. Der schrille Ton alarmierte die
Sicherheitsangestellten.
"Treten
Sie bitte zur Seite", wies ihn der Mann an und Mulder tat wie ihm
geheißen. Wieder sah er sich um und erblickte Curly
nicht weniger als fünfzehn Meter von ihm entfernt. Der Beamte fuhr mit dem
Handdetektor über ihn, und als er seinen linken Arm erreichte, gab das Gerät
ein grelles Quietschen von sich. Das war alles, was Mulder hören wollte. Er
wusste, dass er nur eine einzige Chance hatte und verschwendete keine Sekunde.
Mit
der Linken riss er dem Mann den Detektor aus der Hand und stieß ihn mit dem
rechten Ellbogen in die Rippen. Der unerwartete Schlag brachte ihn zu Boden und
er riss im Fallen noch zwei weitere Passagiere mit sich. Curly
war jetzt keine zehn Meter entfernt und Mulder sprang mit einem Satz über die
am Boden liegenden Leute und rannte die Treppen auf der anderen Seite des
Metalldetektors herunter.
Es
waren nicht viele Leute auf der Treppe und Mulder hatte keine Mühe, seinen Weg
um sie herum zu finden—das gestohlene Gerät fest an sich gepresst. Er hatte
eigentlich vor, bis ganz nach unten zu den Gleisen zu laufen, doch er fand auf
halbem Weg eine alarmgesicherte Sicherheitstüre, die er aufstieß und sich in
einem langen Korridor wiederfand. Der Alarm ging los und als er den Gang
hinunter sprintete, stellte Mulder erleichtert fest, dass er ein Chaos auf der
Treppe verursacht hatte, in dem man kaum mehr vorwärts kam.
Doch
Curly gab nicht auf. Mulder hörte die trommelnden
Schritte hinter sich und wusste, dass er aufholte.
Verstecken,
verstecken, verstecken.... das Wort hämmerte in seinem
Kopf und er suchte verzweifelt in dem Korridor nach einem Versteck, doch
vergeblich. Er war leer, es schien keine einzige Tür zu geben außer der, die er
am anderen Ende gerade mal erkennen konnte. Auf einmal musste sich Mulder
fragen, warum Curly ihn eigentlich nicht auf der
Stelle erschoss. Doch er wollte einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen
und rannte weiter.
Als
er die Tür am Ende erreichte, stieß er sie auf und fand sich zu seiner Freude
draußen wieder, am anderen Ende des Parkplatzes. Er zwang sich weiter zu laufen
und stob dankbar für die Windjacke, die Moe ihm
gegeben hatte, in den strömenden Regen. Er blickte sich um und sah, dass Curly etwas zurückfiel, wahrscheinlich waren ihm seine
kürzeren Beine ein Hindernis.
Mulder
rannte über den Parkplatz und mitten auf die stark befahrene Hauptstraße. Er
ignoriert das laute Hupen und zickzackte zwischen den
Autos hin und her, als diese mit quietschenden Reifen versuchten, ihn nicht zu
überfahren. Er schaffte es bis zur anderen Straßenseite und beschleunigte
wieder.
Christophe
scherte sich nicht um den Regen, der durch seinen Mantel triefte, und kam
wutentbrannt aus der Bahnhofshalle. Wie befohlen fand er Simon im Wagen vor.
"Was ist los?"
"Mulder
ist weg", zischte Christophe zwischen zusammengebissenen Zähnen, kletterte
auf den Beifahrersitz und knallte die Tür zu. Er zog die kleine schwarze Kiste aus
seiner Tasche und war erleichtert, als er den kleinen roten Punkt inmitten des
grünen Gewirrs sich bewegen sah. "Und ich verspreche hoch und heilig, wenn
ich ihn finde, wird er bezahlen. Los jetzt!"
Simon
startete den Wagen. "Fahr links an der Ecke", orderte Christophe. Als
sie vom Parkplatz fuhren, klingelte sein Handy. Brüsk hob er ab.
"Ja?"
"Sie
hören sich gestresst an, Christophe." Es war die Stimme des Mannes.
"Ist irgendetwas passiert?"
"Nein",
antwortete Christophe und hoffte, dass der Mann nicht das Quietschen der Reifen
hörte, als sie scharf links abbogen. "Alles unter Kontrolle."
"Gut",
sagte der Mann und atmete hörbar aus. "Ich glaube, wir sind nahe dran, den
jungen Mann zu finden, den Sie suchen. Es waren nur
zwei Männer in diesem Zug, die allein reisten und auf die Beschreibung passen,
die Ihr Assistent bekommen hat; im Moment überprüfen wir die Identität beider
Männer."
Wenigstens
waren das gute Neuigkeiten. "Wie soll ich vorgehen?" fragte
Christophe und deutete Simon mit einer Hand, dass er eine weitere Linkskurve
nehmen sollte.
"Nehmen
sie den Flieger und warten Sie auf meinen Anruf."
"Alles
klar", sagte Christophe und drückte den 'Ende' Knopf. Er blickte auf das
Gerät und befahl Simon, die nächste rechts zu fahren.
Er
hatte schon fünf Häuserblöcke hinter sich und Curly
verfolgt ihn immer noch. Mulder blickte sich um und sah eine große Kreuzung am
Ende der Straße, auf die er jetzt mit hämmernden Schritten zusteuerte. Wieder
war das Glück mit ihm, als er die Kreuzung erreichte: ein Lieferwagen fuhr
gerade in eine offen stehende Halle und Mulder fand Deckung dahinter, indem er
neben ihm her lief und erschickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Curly es nicht gesehen hatte.
In
der Halle standen Unmengen von Lastern und Mulder rannte zwischen ihnen durch,
bis er die hinterste Wand erreichte und sich flach gegen den dort parkenden LKW
drückte. Er rang nach Atem, öffnete seine durchnässte Windjacke und zog sie
aus. Dann steckte er den kleinen Detektor in seinen Ärmel und hielt den Sensor
direkt an das Metallarmband. Es knackte und zirpte ununterbrochen und das
rapide Piepen, das nur ein wenig durch sein Hemd gedämmt wurde, kam dem
hektischen Hämmern seines Herzens gleich.
Mulder
streifte seinen Gürtel ab und band ihn so gut es ging um seinen Arm, um den
Detektor zu fixieren. Das erledigt zog er die Jacke wieder an und hockte sich
neben den Laster. Jetzt hieß es warten und sehen, ob sein Plan funktioniert
hatte.
Mit
wild arbeitenden Scheibenwischern näherten sie sich einer weiteren Kreuzung,
als Simon ihn auf etwas aufmerksam machte. "Sir, dort ist Kurt."
Christophe
sah von dem Ortungsgerät auf und sah seinen anderen Assistenten wild um sich
blickend an der Ecke stehen. "Hol ihn ab", sagte er.
Als
Simon den Wagen zu der Schranke manövrierte, ließ das Ortungsgerät ein
seltsames dunkles Piepen von sich und brach ab. Christophe richtete seinen
Blick wieder darauf und sah mit Schrecken, dass der rote Punkt nicht mehr
blinkte und das neongrüne Netz langsam blasser und blasser wurde. "Das
kann nicht sein", murmelte er und schüttelte es—vergeblich.
Kurt
kam zum Auto und beugte sich zu dem offenen Fenster. Er war klatschnass und
außer Atem. Christophe sah ihn angeekelt an. "Du hast ihn verloren."
Kurt
nickte, richtete sich so rasch wie möglich auf und wartete auf weitere Befehle.
Christophe
schüttelte wieder ungeduldig den Apparat. Doch das Ergebnis war immer noch
dasselbe: der rote Punkt war nun ein toter Punkt.
"Sir",
sagte Kurt, dem das Wasser nur so ins Gesicht tropfte, "er hat den
Handdetektor des Sicherheitsmannes gestohlen. Vielleicht blockiert er damit das
System."
Christophe
machte sich jetzt keine Mühe mehr, seine Wut zu überspielen. "Das hier ist keine Weltstadt",
schrie er wütend, "und er kann nicht weit gekommen sein. Findet ihn!
Findet ihn und bringt ihn zurück."
Christophe
stieg aus in den Regen und deutete Kurt, seinen Platz einzunehmen. Als er das
tat, fragte Kurt dunkel, "Und wenn er nicht mit zurück will?"
"Ich
will ihn lebend", befahl Christophe. "Mr. Mulder gehört mir."
Als er sich von ihnen entfernte, hielt er sein Telefon in die Höhe und fügte er
hinzu, "Haltet mich auf dem Laufenden."
"Wo
gehen Sie hin?" fragte Simon und startete wieder den Motor.
"Zum
Flugzeug", antwortete Christophe grimmig und mit wachsendem Zorn.
"Das hier ist noch lange nicht vorbei."
Mulder
wartete so geduldig wie er nur konnte und beobachtete den Zeiger seiner Uhr,
bis er fünfzehnmal das Zifferblatt umrundet hatte. Fünfzehn Minuten... er
konnte keinen Moment länger warten und hoffte, dass die Tatsache, dass er nicht
gefunden wurde bedeutete, dass sein Trick funktioniert hatte.
Mulder
stand auf und sah sich in der Garage um. Am anderen Ende sah er, wie sich zwei
Männer in einem Büro unterhielten, aber ansonsten war die Luft rein.
Rasch
bewegte er sich wieder zur Vorderseite. Er fand den Ausgang und trat, nachdem
er sich gründlich umgesehen hatte, hinaus auf die Straße. Die Regenflut, die
ihn nur kurze Zeit zuvor mit voller Wucht getroffen hatte, hatte sich
inzwischen zu ein paar Tropfen reduziert und die Straße war überfüllt von
Menschen. Mulder mischte sich unter sie und gab acht, dass seine kleine
Vorrichtung an seinem Arm unter der Jacke nicht verrutschte.
An
der nächsten Straße bog er links ab und entdeckte einen Supermarkt auf der
anderen Straßenseite. Der Parkplatz war voller Autos und Mulder sah darin eine
goldene Gelegenheit. Er lief bei rot über die Straße auf den Parkplatz, auf dem
er bis zum Ende durchjoggte. Hoffentlich weit genug von möglichen Zeugen,
dachte er und begann, die Autos zu begutachten. Er brauchte eines in guter
Verfassung, an dem keine Alarmanlage geschaltet war.
Er
fand einen relativ neuen Honda, bei dem keine rote Kontrolllampe am
Armaturenbrett blinkte und Mulder zog die Ärmel seines Hemds über die Faust und
schlug die Scheibe ein. Er sah sich um, ob jemand den Lärm gehört hatte und
öffnete die Tür. Drinnen fummelte er unter dem Lenkrad nach den Drähten, die er
suchte. Es war ein gutes Stück Arbeit mit dem lästigen Apparat um seinen Arm,
doch er brachte den Motor innerhalb von Sekunden zum laufen. Wenigstens war die
Ausbildung beim FBI doch für etwas gut.
Als
er vom Platz fuhr sah er, dass der Tank noch fast voll war und ein Grinsen
breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Als
Simon die Straßen der Stadt hoch und runter fuhr, hielt Kurt sein Gesicht am
Fenster und hielt die Augen nach dem entkommenen Gefangenen auf. Plötzlich wurde ihm klar, dass er allein für
Mulders Entkommen verantwortlich zu machen war und er hoffte, dass wenn er ihn
finden würde, seine Strafe geringer ausfallen würde, die ihn zweifellos
erwartete.
"Schneller",
rief Kurt ungeduldig. "Wir haben eine Menge abzufahren."
Simon
machte sich nicht die Mühe zu antworten, doch Kurt merkte, wie der Wagen an
Geschwindigkeit zunahm. "Wo lang?" fragte er. "Rechts oder
links?"
"Rechts",
entschied Kurt, dem es eigentlich ziemlich egal war.
Der
Wagen bog rechts ab und Kurts Augen verengten sich zu Schlitzen, als er jeden
Fußgänger und jedes vorbeifahrende Auto überprüfte. Weiter vorne, wo ein
grün-weißes Schild die Auffahrt auf einen Freeway ankündigte,
sah er einen grünen Honda Accord auf die Auffahrt zusteuern. Obwohl er den
Fahrer von so einer Entfernung nicht erkennen konnte, zog das hastige
Manövrieren des Wagens seine Aufmerksamkeit auf sich.
"Fahr'
da vorn auf die Auffahrt", orderte Kurt und betete, dass er Recht hatte
und er gerade einen Blick auf ihr Ziel erhascht hatte.
Mulder
sah auf das Freeway-Schild und steuerte den Wagen mit
der linken Hand auf die Auffahrt. Sein rechter Arm war immer noch verdrahtet
und fürs Lenken nicht zu gebrauchen. Auf dem Schild stand in weißen Buchstaben,
dass es der Freeway 25 Richtung Norden war, was genau
richtig zu sein schien. Als er sich
einreihte und direkt bis auf die linke Spur durchzog, fuhr er an einem
Hinweisschild vorbei, das noch 247 Meilen bis Alburquerque
anzeigte und er merkte, dass er wirklich auf dem richtigen Weg war. Wenn er
sich richtig erinnerte, war Santa Fe nur etwa eine Autostunde hinter Alburquerque.
Wenn
Mulders Glück anhielt, würde er in etwa vier Stunden in Santa Fe sein. Halt
durch, Dana. Nur noch vier Stunden.
Angetrieben
durch diese Aussichten, überholte er einen Ford-LKW,
der für seinen Geschmack viel zu langsam war, und wechselte wieder auf die
Schnellspur, die sich frei vor ihm ausdehnte. Mulder drückte das Gaspedal bis ganz
auf den Boden.
Der
gemietete Sedan war alt und nicht gerade in bester
Verfassung, doch Las Cruces war keine große Stadt und
Christophe musste nehmen, was er bekommen konnte. Er war sauer, weil er so viel
Zeit verlor, doch es gab keinen Platz in der Nähe, der groß genug war, um ein
Flugzeug landen zu lassen. Es war sinniger, zurück nach El Paso zu fahren und
Mike dort zu treffen.
Christophe
blickte auf sein mobiles Telefon, das neben ihm auf dem Beifahrersitz lag in
der Hoffnung, dass es klingelte. Er wartete auf Neuigkeiten von Kurt und Simon
und, was noch wichtiger war, er wartete auf den Anruf von dem Mann. Wenn er
erst einmal die Adresse dieses Typen hatte, mit dem das Mädchen aus dem Zug
gestiegen war, würde er dorthin fahren. Und wenn es das letzte war, was er tun
würde, schwor sich Christophe, er würde sie finden und zurück bringen.
Mulder
war keine zehn Meilen gefahren, als ihm der graue Mietwagen im Rückspiegel
auffiel. Er war vielleicht eine halbe Meile hinter ihm, aber die Art, wie er
sich durch den Verkehr schlängelte, ließ sein Herz schneller schlagen.
Nein,
nein, nein, dachte er, und blickte auf seinen Arm. Der Detektor war nicht
verrutscht und er konnte immer noch das metallene Piepsen hören, dass er sicher
sein konnte, dass das System immer noch blockiert wurde. Das heißt also, dass
wenn er verfolgt wurde, er es üblicher Aufspürtaktik und nicht neuester
Technologie zu verdanken hatte.
Okay,
dann wollen wir mal, dachte Mulder grimmig und schlug hart rechts ein, so dass
er um zwei langsamere Wagen herumfuhr. Hinter ihm beschleunigte der graue
Mietwagen. Er hatte Recht gehabt: sie waren ihm auf den Fersen. Er musste sich
etwas einfallen lassen und zwar schnell.
"Er
ist es hundertprozentig", verkündete Kurt, als sie aufholten.
"Was
jetzt?" fragte Simon und umfasste das Lenkrad enger. "Sollen wir ihn
abdrängen?"
Kurt
dachte kurz nach und nickte dann. "Sollten wir machen." Er sah sich
um und stellte fest, dass der Freeway ziemlich
befahren war. Es war die einzige große Nord-Süd Verbindung im Staat, also war
es nicht verwunderlich. Doch es machte ihr Vorhaben auch dementsprechend
schwerer. Besonders, weil es ein Auftrag von Christophe war. "Aber sei
vorsichtig—wir können uns keinen Ausrutscher leisten. Der Boss will ihn
lebend."
"Ich
habe alles unter Kontrolle", sagte Simon und presste seine Lippen zu einer
schmalen Linie zusammen.
Der
Regen hatte nun völlig aufgehört und Mulder kam leichter vorwärts. Bis jetzt
hatte er es geschafft, vor seinen Verfolgern zu bleiben, doch sein Vorsprung
war nicht sehr groß. Er hatte schon etliche Meilen hinter sich gebracht und sie
waren immer noch hinter ihm, doch bis jetzt hatten sie noch nichts unternommen,
um ihn aufzuhalten. Er war überrascht, dass sie nicht angefangen hatten auf ihn
zu schießen, und er nahm an, dass der einzige Grund dafür der starke Verkehr
war.
Im
Rückspiegel erhascht er einen Blick auf die Personen im Wagen und erkannte,
dass nur Moe und Curly drin
saßen. Keine Spur von Christophe, was Mulder extrem nervös machte. Wo war er?
Und warum hatte er seine Handlanger allein losgeschickt?
Mulder
verdrängte diese Sorge für den Moment und konzentrierte sich aufs Fahren. Moe und Curly hatten
wahrscheinlich den Befehl bekommen, ihn bloß zu verfolgen, was bestimmt auch
der Grund war, warum Curly ihn nicht einfach
erschossen hatte, als er ihn durch den Bahnhof gejagt hatte. Er nahm an, dass
sie ihn lediglich im Auge behalten sollten, doch Mulder hatte keineswegs vor,
sie ihn dorthin verfolgen zu lassen, wo er hin wollte.
Er
sah, dass sich die Straße weiter vorne verengte, weil sie sich den Bergen
näherten. Es ging auf zwei anstatt auf vier Spuren weiter. Eine Idee formte
sich in seinem Kopf. Er beschleunigte weiter und holte das Letzte aus dem Honda
heraus.
Christophe
fuhr wie ein Wilder und hatte schon die Hälfte der Strecke nach El Paso hinter
sich, als endlich das Telefon klingelte. Er riss es vom Beifahrersitz,
"Ja?"
Es
war der Mann, dessen Stimme wegen der schlechten Verbindung leicht flackerte.
"Wir haben den jungen Mann gefunden, den Sie suchen."
"Wo?"
"Santa
Fe, New Mexiko. Sein Name ist Elliot Masters." Der Mann hielt inne und
fragte dann, "Wie lange brauchen Sie noch, bis Sie das Problem bewältigt
haben?"
Christophe
dachte blitzartig nach und antwortet, "Nicht länger als ein paar Stunden.
Ich rufe an, sobald ich die Frau habe."
"Ich
warte", sagte der Mann. Dann war die Leitung tot.
Es
war ein lächerlicher Plan, und Mulder wusste das, doch er sah keine andere
Möglichkeit. Er musste seine Verfolger ein für allemal loswerden und wenn das
bedeuten würde, ein Risiko eingehen zu müssen, würde er sich nicht davor
scheuen. Der Überraschungseffekt war seine einzige Waffe, und er war mehr als
bereit, sie einzusetzen.
Der
Wagen ächzte, als die Tachonadel an ihren Grenzen schlug, und Mulder warf einen
Blick auf die Tankanzeige. Es war nicht mehr allzu viel drin, etwa ein Viertel.
Doch es würde für seine geplante Aktion reichen.
Als
er die Spitze der nächsten Anhöhe erreicht hatte, blickte Mulder auf den
Gegenverkehr, der ihm auf der anderen Seite des Freeways
entgegen kam. Im Moment befand sich keine Leitplanke in der Mitte, die die
beiden Richtungen voneinander trennte und die Hügel waren bereits dicht neben
der Straße—sie erhoben sich wie kleine Berge hinter den Autos. Mulder war in
der Schnellspur und es waren keine Autos neben ihm in der anderen Spur; hinter
ihm trennte ihn lediglich ein Wagen von seinen Verfolgern. Langsam nahm Mulder
den Fuß vom Gas, ließ den Wagen aufholen und behielt sein neues, langsameres
Tempo bei. Wie er gehofft hatte, war es dem Fahrer zu langsam und er ließ sich
von ihm auf der Nebenspur überholen, so dass nun kein weiteres Auto mehr
zwischen ihm und dem grauen Mietwagen war.
Den
ersten Schritt erledigt, prüfte Mulder abermals den Gegenverkehr. Fünf oder
sechs Autos kamen auf ihn zu, doch dahinter war die alles frei.
Die
Straße machte eine Biegung und er lenkte den Wagen herum, seine Verfolger jetzt
dicht hinter ihm. Mulder bereitete sich auf seinen Vorstoß vor. Jetzt oder nie.
Als der letzte der entgegenkommenden Wagen auf seinem Weg südlich nach Las Cruces vorbeigefahren war, fasste Mulder das Lenkrad enger.
Er bis die Zähne zusammen und riss es scharf nach links, so dass der Wagen mit
quietschenden Reifen über die doppelte gelbe Linie auf die Gegenseite
schlitterte.
Sein
Plan funktionierte besser, als er es sich je erträumt hätte. Als er sich
bemühte, den Wagen wieder geradezurichten, sah er durch das Autofenster, wie Moe versuchte, es ihm nachzutun und sein Lenkrad herumriss.
Die Straße war immer noch nass vom Regen und Moes Wagen
drehte sich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit unkontrolliert um seine
eigene Achse. Mulders Augen klebten an dem Wagen und er verlor fast die
Kontrolle über seinen eigenen, als er mit vor Schreck aufgerissenem Mund
beobachtete, wie er durch die Seitenplanke krachte, mit unvermindertem Speed seitwärts den Hügel herunter schnellte und beim
Aufprall augenblicklich explodierte und in Flammen aufging.
Erschrocken
manövrierte Mulder sein Auto auf den Seitenstreifen und sah, wie die Autos auf
der anderen Seite hupten und schlitterten, um einem ähnlichen Schicksal zu
entkommen. Zitternd stieg Mulder aus dem Wagen und starrte auf das Wrack. Sogar
aus dieser Entfernung stach ihm der Rauch in die Augen.
Mulder
blieb stehen und beobachtete den brennenden Wagen, ob seine Insassen nicht
irgendein Lebenszeichen von sich geben würden. Er wollte seine Verfolger
aufhalten, und das hatte er geschafft. Ein Anflug von Reue überkam ihn bei dem
Gedanken an die beiden toten Männer, doch er verdrängte ihn entschlossen. Er
hatte getan, was er tun musste.
Als
die Rettungswagen die Unglücksstelle erreichten, stieg Mulder wieder zurück ins
Auto und machte sich auf den Weg zur nächsten Ausfahrt. Er musste wieder die
Richtung wechseln, aber diesmal wollte er den üblichen Weg nehmen.
"Ich
glaube, jetzt wo der Regen aufgehört hat, fahre ich mal eben in die
Stadt", verkündete Elliot.
"Was
brauchst du denn?" fragte Cooper, der sich faul auf der Couch ausgestreckt
hatte.
"Ich
kann heute nichts mehr zeichnen, und ich sterbe für ein neues Buch, also schaue
ich mal im Buchladen vorbei. Außerdem", fügte er mit einem verschmitzten
Grinsen hinzu, "haben wir fast kein Bier mehr, und wir wollen an einem
Samstagabend doch nicht ohne da stehen."
"Geh,
mein junger Freund, geh!" erwiderte Cooper ebenfalls mit einem Grinsen.
"Aye aye, Käpt’n",
gehorchte Elliot. Er ging zu dem Stuhl, auf dem Lisa saß und drückte
freundschaftlich ihre Schulter. "Und was dich betrifft - wag' es ja nicht
von hier zu verschwinden, bevor ich wieder da bin. Ich will mich noch
verabschieden."
"Ich
denke nicht im Traum daran", versicherte sie ihm mit einem Lächeln.
"Keine
Sorge—wir sind noch hier, wenn du zurückkommst."
"Super",
freut Elliot sich. "Braucht irgendjemand irgendetwas?"
"Ja,
nimm mir bitte eine Newsweek mit, wenn du im Laden bist", rief Cooper.
"Wird
gemacht", grinste Elliot. "Bis gleich." Er schnappte sich seine
Motorradschlüssel und tätschelte Tucker, als er an ihm vorbei ging. "Pass
gut auf, während ich weg bin, Tuck." Der Hund
antwortete mit einem Bellen und Elliot verschwand in der Tür.
Christophe
fuhr den Mietwagen bis genau auf den Flugplatz und hielt mit quietschenden
Reifen kurz vor der Maschine an. Zufrieden sah er, dass die Motoren wie
beordert bereits liefen. Er stieg aus dem Wagen und sprintete auf die Treppe
zu, wo er zwei Stufen auf einmal nahm.
Mike
wartete bereits im Bauch des Flugzeuges, und nickte zur Begrüßung.
"Wir
sind startbereit, Sir", informierte er ihn. "Wohin soll's
gehen?"
"Santa
Fe", befahl Christophe. "Und sag dem Piloten, er soll voran
machen."
Ende
von Teil 9...
X-9 X-9
GETEILTE WEGE
(10/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Margaret
Scully blickte auf die Uhr. Es war erst kurz nach fünf und trotzdem war es
draußen schon fast stockdunkel, als die letzten Strahlen der Novembersonne
verblassten und die Ostküste in pechschwarze, mondlose Nacht einhüllte. Sie
konnte nicht länger den Text in dem Buch erkennen, das sie las, also klappte
sie er zu und knipste die Lampe neben ihr aus. Zeit fürs Abendessen.
Als
sie in die Küche ging versuchte sie, das starke Gefühl des Unbehagens
abzuschütteln, das sie schon seit dem Aufwachen gehabt hatte. Seit Skinners
Besuch am Vortag war sie nervös gewesen, und obwohl sie es nicht im Traum
erwartet hätte, dass er mit ihrer Tochter aus Texas zurückkommen würde, hatte
sie wenigstens auf ein paar handfeste Neuigkeiten gehofft. Es fiel ihr schwer,
sich mit dem enttäuschenden Ergebnis seiner Reise nach Texas abzufinden.
Sie
nahm den Kopfsalat und etwas Gemüse aus dem Kühlschrank, trug alles zum
Küchentisch und machte sich daran, einen Salat vorzubereiten. Sie hatte noch
etwas Huhn im Tiefkühlschrank, das sie aufwärmen konnte. Nicht viel für ein
Abendessen, aber richtigen Appetit hatte sie sowieso nicht.
Margarets
Gedanken wanderten zurück an einen kalten Novembertag, dessen Sonnenaufgang
endlich mal wieder nach einer Woche trüber Eintönigkeit hell gewesen war. Ein Anruf
hatte sie ins Krankenhaus beordert und sie hatte in dem Stuhl neben dem Bett
gesessen und ihre Augen geschlossen in einer Litanei endloser Gebete für ihre
im Koma liegende Tochter gebetet. Sie hatte die Veränderung in Danas
Atemrhythmus gehört und ihr Augen gerade rechtzeitig geöffnet um zu sehen, wie
die blauen Augen ihrer Tochter aufflatterten und sie erschöpft anblickten.
Sie
war stark, ihre Dana. Ein Kämpfernatur, seitdem sie ein kleines Mädchen gewesen
war. Sie hatte jede Herausforderung genommen, und sie hatte es geschafft, den
Kampf gegen das Koma zu gewinnen, das sie beinahe ihr Leben gekostet hatte.
Margaret
konnte nur hoffen, dass ihre Tochter weiterhin ein solches Glück haben würde.
Fox
ist bei ihr, dachte sie bei sich. Er passt auf sie auf, und sie auf ihn. Sie wusste, dass ihre Beziehung bloße
Partnerschaft überschritt. Sie wusste es schon seit langem, trotz Danas
Behauptungen für das Gegenteil. Sie hatte es in der Art gehört, in der ihre
Tochter über den Mann sprach, mit dem sie arbeitete, und sie hatte es mit recht
deutlich während der Zeit gesehen, die sie während Danas Verschwinden mit Fox
verbracht hatte. Margaret wusste mit der
Intuition einer Mutter, dass sie sich liebten. Egal, ob sie es sich je
eingestanden hatten, sie war sich sicher, dass diese Liebe der Grundstein ihrer
Beziehung war.
Sie
betete, dass wo immer sie waren, ihr Liebe füreinander genug sein würde, um sie
zu beschützen.
Mulder
befand sich wieder ungeachtet der anderen Wagen mit Höchstgeschwindigkeit auf
dem Highway Richtung Norden. Er hielt die Augen offen als er fuhr, doch er
konnte nie irgendwelche verdächtigen Fahrzeuge ausmachen, die sich ihm
näherten. Der Unfall steckte ihm immer noch in den Knochen, denn er wusste,
dass es ihm auch hätte passieren können. Und, so sehr er auch seine Verfolger
loswerden wollte, war es nicht sein Ziel gewesen, sie umzubringen.
Du
hast getan, was du tun musstest, redete er sich ein, ließ den Vorfall hinter
sich und konzentrierte sich auf das, was er erreichen wollte.
<DanaDanaDanaDanaDana>
Mulder
wurde das beklemmende Gefühl nicht los, dass Christophes Abwesenheit in dem
Wagen von erheblicher Bedeutung war. Aus irgendeinem Grund war er sich
hundertprozentig sicher, dass die wirklichen Probleme gerade erst begannen.
Er
blickte auf die Tankanzeige und stellte mit Schrecken fest, dass sich die Nadel
beharrlich im roten Bereich der Anzeige verankert hatte. Obwohl er den Gedanken
hasste, zum Tanken anhalten zu müssen, wollte er auf keinen Fall, dass es ihm
ausgeht. Er hatte noch eine viel zu weite Strecke vor sich, um das Risiko
einzugehen. Dankbar für das gestohlene Geld, das er immer noch in der Tasche
seiner Jeans hatte, lenkte Mulder den Wagen auf die rechte Spur und nahm die
nächste Ausfahrt.
"Ich
bin am Verhungern", verkündete Cooper. "Möchtest du irgendwas aus der
Küche?"
"Was
holst du denn?" fragte Lisa.
"Wahrscheinlich
Brezeln", antwortete er. "Ich weiß nicht, was wir sonst noch zum
Knabbern da haben."
"Brezeln
hören sich gut an", sagte Lisa.
"Kommt
sofort", rief er und lief mit Tucker an seinen Fersen in die Küche.
In
der Küche angekommen öffnete Cooper den Kühlschrank und sah nach, ob da nicht
noch etwas Interessanteres zum Essen war. Doch er fand nichts, was nicht aufwendiges
Vorbereiten verlangen würde. Hinter ihm lief Tucker in nervösen Kreisen herum
und bellte ab und an in Richtung Tür. "Was ist los, Junge?" fragte
Cooper, doch der Hund gab keine Antwort.
Als
er den Schrank auf machte, hörte er das Geräusch, das Tucker so verärgerte. Es
war der Motor eines sich nähernden Wagens stellte Cooper fest, als er aus dem
Fenster blickte und den Wagen am Fuß des Hügels parken sah. Er hatte das Auto
noch nie zuvor gesehen, genauso wenig wie die beiden Männer, die aus ihm ausstiegen.
Cooper lief es kalt den Rücken herunter.
"Lisa",
rief er, "wie sieht Rick aus?"
"Warum?"
fragte sie zurück und er hörte ihr Schritte auf dem Holzboden näherkommen.
"Da
kam gerade ein Auto an, es parkt unten am Hügel", antwortete er und sah
zu, wie sich die beiden Männer auf den Weg zu ihrer Haustür machten. "Sie
kommen gerade hierher."
Als
sie näher kam, beschrieb sie ihm ihren Mann, und Cooper merkte alarmiert, dass
die Beschreibung, obwohl er sich aus der Entfernung nicht ganz sicher sein
konnte, auf keinen der beiden Männer zutraf. Einer von ihnen war definitiv zu
klein, und der andere, größere Mann hatte etwas Bedrohliches an sich, das ihn
beunruhigte.
"Lisa",
sagte er und versuchte seine Stimme nonchalant zu halten. "Ich glaube, wir
sollten von hier verschwinden."
Sie
war jetzt genau hinter ihm, und als er sich nach ihr umdrehte sah er, wie ihr
alle Farbe aus dem Gesicht wich. "Wer sind sie?" fragte sie mit einem
Zittern in der Stimme.
"Ich
habe keine Ahnung", erwiderte er, "aber ich glaube nicht, dass es
Staubsaugervertreter für sind."
Instinktiv
packte Cooper Tucker beim Halsband und sperrte ihn in die Waschküche. Tucker
begann wie wild zu bellen, doch er ignorierte ihn. Er wollte nicht riskieren,
dass er ihnen folgte und den Männern verriet, wo sie waren.
Als
er wieder nach draußen schaute, sah er, wie der kleinere Mann das Gartentor für
ihn und den größeren Mann aufhielt und es dann hinter sich zufallen ließ.
Coopers Gedanken rasten, hektisch suchte er nach einer Möglichkeit zu fliehen.
Er wünschte, er hätte sein Auto hier.
"Komm
mit", sagte er und packte Lisa fest beim Arm. Sie konnten nicht durch die
Küche raus, auch nicht durch die Eingangstüre, denn sie würden in dem
Augenblick entdeckt werden, in dem sie den Hof betraten. Cooper dachte schnell
und führte sie den Flur hinunter auf Becks und Elliots Zimmer zu. Er schloss
die Tür fest hinter sich, wobei er Lisas Arm los ließ, als er es aufmachte.
"Was
sollen wir machen?" fragte sie leise.
"Wir
verschwinden von hier", murmelte er. "Durch das Fenster. Komm her,
ich helfe dir raus."
Lisa
nickte und hielt ihm ihre Arme hin, als er sie auf das Fensterbrett hob. Das
Fenster war gerade groß genug, dass er durchpasste und sie immer noch auf dem
Sims halten konnte. Bis zum Boden war es nicht sehr tief. Er sprang herunter
und half dann Lisa vom Fensterbrett. Sie blieb neben ihm stehen, als er das
Fenster wieder zu machte. Wieder nahm er sie bei der Hand. "Auf
geht's."
"Wohin?"
"Zu
den Hügeln", antwortete er grimmig. "Und dann ... weiß ich auch
nicht."
Mit
vollem Tank wieder zurück auf der Straße drückte Mulder das Gaspedal so weit
herunter wie es nur ging. Er behielt lediglich die Geschwindigkeitsanzeige im
Auge, denn im Moment würde es sich mit jedem Cop
anlegen, der ihn aufhalten wollte. Er fuhr an einem Schild vorbei, das ihm
verriet, dass es nur noch 20 Meilen bis Santa Fe waren. Laut der Karte, die es
an der Tankstelle gekauft hatte, war Elliots Haus etwa fünfzehn Meilen vom
Stadtzentrum entfernt.
"Komm
schon, komm schon, komm schon", trieb er den Wagen an, als ob es das Auto
tatsächlich schneller machen würde. Er dirigierte es in die Schnellspur und
hämmerte ruhelos mit seinen Fingern auf dem Lenkrad. Nur noch eine halbe
Stunde, dachte er, als er auf Santa Fe zuraste.
Sie
gingen auf der Nordseite hinter dem Haus entlang, Cooper führte Lisa so schnell
er es wagte. Eine halbe Meile vom Haus weg gab es eine kleine Ansammlung von
Bäumen, bei der er mit Lisa anhielt. Die Bäume waren zu klein, um Schutz zu
bieten, doch mit der Entfernung dazwischen schien es zu reichen.
Außerdem
konnte Cooper von diesem Punkt aus noch das Haus sehen.
In
den Minuten, in denen sie dort zusammengekauert hockten, hatte Cooper nur einen
der Männer gesehen, als er einen halbherzigen Versuch unternommen hatte, in das
Studio zu kommen. Wenn er nicht versuchen würde, die Tür einzubrechen, würde
sich wenigstens eine von Coopers Vermutungen über die Männer bestätigen: sie
waren keine Diebe, zumindest nicht welche von der üblichen Sorte.
Jetzt
gab es keine Spur mehr von den Männern und Cooper nahm an, dass sie jetzt im
Haus waren und warteten.
Es
war kalt und Cooper verfluchte sich dafür, nicht an Jacken gedacht zu haben,
bevor sie geflohen waren. Lisa hatte zwar einen Rollkragenpullover an, doch er
konnte fühlen, wie sie neben ihm zitterte. Er knöpfte sein Flanellhemd auf und
spürte, wie die kalte Luft augenblicklich durch sein langärmliges T-Shirt
drang, als er es auszog. "Zieh das hier an", sagte er und drückte ihr
das Hemd in die Hand.
"Mir
ist nicht kalt", protestierte sie, doch der ihre klappernden Zähne
verrieten sie. "Zieh es an", wiederholte Cooper. "Es ist kalt und ich weiß nicht,
wie lange wir hier draußen warten müssen."
Das
schien ihr einzuleuchten, denn sie schlüpfte in das Hemd und knöpfte es mit
zitternden Fingern zu.
Coopers
Hemd war viel zu groß für sie und Scully rollte die Ärmel nach oben, um
sicherzustellen, dass ihre Hände frei waren. Ihr wurde etwas wärmer und
physisch fühlte sie sich etwas besser, doch innerlich war sie immer noch gespannt.
Sie griff nach Coopers Arm und drückt ihn sanft.
"Was
machen sie?" fragte sie.
"Sie
sind immer noch im Haus. Ich weiß nicht, was sie da treiben."
Das
ist alles ein böser Traum, dachte Scully, doch sie wusste es besser. Die
Ankunft der Männer hatte ihr panische Angst eingejagt,
sowohl für Mulder, als auch für sich selbst. Niemand konnte wissen, wo sie sich
versteckt hielt, es sei denn, ihre Nachricht für Mulder wurde auf irgendeinem
Weg zurückverfolgt. Seiner Antwort nach zu urteilen war alles in Ordnung
gewesen und Scully konnte den Gedanken daran nicht ertragen, das ihm seitdem
etwas zugestoßen sein könnte.
Obwohl
Scully keinen blassen Schimmer hatte, wer diese mysteriösen Männer waren,
wusste sie warum sie hier waren. Und sie wollte Cooper nicht in eine noch
größere Gefahr bringen, ohne ihm die Wahrheit zu sagen.
"Sie
suchen nach mir", sagte sie ihm. "Genauer gesagt, suchen sie das
hier". Sie griff in ihre Hosentasche und zog die Diskette heraus.
"Was
ist das?"
"Witzigerweise
weiß ich es selber nicht". Scully zögerte, und sagte es ihm dann.
"Aber es ist wichtig genug, um Menschen umzubringen. Ich habe mein
Augenlicht verloren, um es zu bekommen. Ich darf es um keinen Preis
verlieren."
Cooper
sah auf das Objekt in ihrer Hand. Es sah ihm nicht nach viel aus, nur ein
glänzender Metallkreis mit einigen farbigen Rillen, der einer Mini-CD ähnlich sah, von dem er angenommen hätte, dass es
sich um irgendein Stück einer Festplatte handelte. Doch andererseits, dachte
er, ist es vielleicht genau das—ein Teil von einer Festplatte, die
Informationen hielt, für die es wert war zu sterben.
Sein
Hals war plötzlich trocken und Cooper zwang sich zum Schlucken. Er den Kopf
hob, um sie anzusehen. Auf den ersten Blick schien ihr Ausdruck ruhig zu sein,
doch als er genauer hinsah, konnte er sehen, wie sie ihre Zähne krampfhaft
zusammenbiss. Obwohl ihre leeren blauen Augen blicklos hinter ihn starrten,
bestand kein Zweifel in der festen Entschlossenheit, die ihr im Gesicht stand.
"Was
willst du damit machen?" fragte er letztendlich.
"Wir
müssen es verstecken. Ich kann es nicht riskieren, dass es jemand bei mir
findet."
Cooper
nickte und dachte nach. Das Haus war offensichtlich ausgeschlossen, und er
wollte nicht wieder zurück zum Hof gehen. Das Risiko gesehen zu werden war viel
zu groß. Sie konnten es auch nicht einfach vergraben, weil sie nichts hatten,
um es von den Elementen zu schützen und die Wahrscheinlichkeit groß war, dass
es wieder regnen würde und es fortspülte. Cooper blickte sich um und suchte
nach einer Möglichkeit, welche er hinter den Hügeln fand.
"Komm
mit", sagte er und half Lisa auf.
Sie
steckte die Diskette wieder zurück in ihre Tasche und fragte, "Wohin
jetzt?"
"Weißt
du noch, wie ich dir von den Minen erzählt habe?" Als Lisa nickte, fuhr er
fort. "Es gibt eine nicht weit von hier. Wir können es dort verstecken,
zumindest für eine Weile. Hier draußen ist es zu nass, um es irgendwo zu
verbuddeln."
Lisa
dachte kurz darüber nach und nickte dann. "Okay, gehen wir."
Rebecca
sah den parkenden Mietwagen neben dem Tor und fühlte, wie ihr Herz vor
Vorfreude begann schneller zu schlagen. Er ist hier, dachte sie aufgeregt,
sprang aus dem Jeep und öffnete das Tor. Als sie auf den Hof fuhr, um den Wagen
dort abzustellen, merkte sie, dass Elliots Motorrad gar nicht auf seinem
gewohnten Platz stand. Sie wunderte sich wo er hingegangen war und griff nach
ihrer Tasche.
Als
sie die Küchentür öffnete und eintrat, bekam Rebecca plötzlich das Gefühl, dass
etwas nicht stimmte. Sie wusste jedoch nicht was es war. Sie hörte Tuckers durch
die Tür gedämpftes Bellen und hatte gerade noch Zeit sich zu fragen, warum er
nicht angelaufen kam, um sie zu begrüßen, bevor sie das unverwechselbare
Geräusch einer geladenen Waffe hinter ihrem Kopf hörte.
"Keine
Bewegung", befahl eine unbekannte Stimme, doch Rebecca war noch nie jemand
gewesen, den man herumkommandieren konnte. Sie drehte sich um und sah einen
Mann hinter der offenen Türe stehen, der seine Waffe genau auf ihren Kopf
richtete.
"Oh
mein Gott..." Auf einmal klopfte ihr Herz laut genug, um alles andere zu
übertönen, und Rebecca hatte Mühe, die nächsten Worte des Mannes zu verstehen.
"Lass
die Tasche fallen und geh zur Seite."
Wie
gelähmt tat sie, was er von ihr verlangte und ging mit hängenden Armen weiter in
die Küche. Erst jetzt bemerkte sie den zweiten Mann neben der Tür zum
Esszimmer. Unbewusst ballte Rebecca die Hände zu Fäusten, als eine Welle von
Horror sie überlief.
Der
zweite Mann war groß und imposant, und unter anderen Umständen hätte Rebecca
ihn als gutaussehend bezeichnet. Doch jetzt, als er unbekümmert auf sie zu
ging, schien er lediglich bedrohlich. Obwohl dieser Mann nicht bewaffnet zu
sein schien, sah er nicht weniger gefährlich aus, als das Lächeln, das sich auf
seinem Gesicht breit machte, dem unverwechselbaren Flair purer Bosheit mit sich
brachte.
"Wo
ist sie?" fragte der Mann.
"W-wer?" stotterte Rebecca.
"Die
Frau, die hier bei Ihnen untergetaucht ist", antwortete der Mann.
"Ihre Sachen sind im Schlafzimmer. Ich will wissen, wo sie ist."
Rebeccas
Gedanken wirbelten in purer Verwirrung, ein Gefühl der Taubheit, das sich noch
verschlimmerte, als sie die Waffe des anderen Mannes in ihrem Rücken fühlte.
"Nein..." flehte sie, zu gelähmt, um mehr zu sagen.
Der
größere Mann bemerkte offensichtlich ihre Panik. Er machte eine kleine
Kopfbewegung und die Pistole verschwand aus ihrem Rücken. Doch in ihrem
Augenwinkel konnte sie immer noch sehen, dass sie auf sie gerichtet war.
"Lassen wir es uns noch einmal versuchen", sagte der Mann. "Ich
will Ihnen nicht weh tun—davon würde ich überhaupt nichts haben. Ich will nur
das Mädchen und die Diskette finden, die sie hat. Wenn Sie mir dabei helfen,
versprechen ich, dass Ihnen nichts passieren wird."
Diese
Bestätigung hatte keinerlei Bedeutung für Rebecca und der hämische Blick in
seinen Augen war genug, um sie davon zu überzeugen, dass egal was sie tat oder
sagte, sie in keinem Fall lebendig hier herauskommen würde. Sie hatte
Todesangst. Und doch war sie noch soweit bei Sinnen, dass sie sich fragte, was
mit den anderen geschehen war. Elliots Motorrad war weg, was ein gutes Zeichen
war. Es bedeutete, dass er noch nicht zurück gekommen war, als die Männer hier
aufgetaucht waren. Und was Cooper und Lisa betraf hatte Rebecca keine Ahnung wo
sie waren, doch sie war dankbar, dass sie es auch irgendwie geschafft hatten zu
fliehen.
Sie
wusste nicht, was sie tun sollte, also wichen Rebeccas Augen nicht von denen
des Mannes. Sie sagte nichts.
Das
Mädchen starrte ihn an und sagte kein Wort, und Christophe wurde ungeduldig.
"Machen Sie bloß keinen Fehler", fauchte er, "ich habe keine
Zeit für Spielchen. Sagen Sie mir, was ich wissen will."
"Ich
weiß nicht, wo sie ist", sagte das Mädchen. "Ich bin gerade erst nach
Hause gekommen—Sie haben gehört, wie ich angekommen bin. Ich weiß nicht, wo
alle sind, und ich weiß auch nichts von einer Diskette."
Christophe
beäugte sie genau und suchte nach Anzeichen, ob sie log. Er hatte genau
gesehen, dass niemand mehr in dem Jeep gesessen hatte, mit dem sie gekommen
war. Das hieß jedoch nicht, dass sie das Mädchen nicht irgendwo hingebracht
hatte, bevor sie hierher zurück gefahren war. Andererseits sprach die Angst in
ihren Augen für ihre Unwissenheit, und ließ annehmen, dass sie die Wahrheit
sagte. Wenn sie gebeten worden war, Dana Scully zu verstecken, mutmaßte er,
würde sie zumindest über die Lage Bescheid wissen. Und das schien nicht der Fall zu sein. Fürs
Erste akzeptierte er ihre Story.
"Ja,
das könnte stimmen", sagte er zu ihr. "Vielleicht tut es das. Aber
Sie wohnen hier, richtig?" Die Frau nickte mit Panik in den Augen.
"Dann
nehme ich an, dass Sie die Schlüssel zu dem Nebengebäude haben."
Sie
zögerte, und Christophe konnte ihr ansehen, dass sie ihre Möglichkeiten
durchging. Letztendlich nickte sie wieder, dieses Mal widerwilliger.
"Wir
wollen mal einen Blick dort herein werfen. Lassen Sie uns da rein."
Wieder
nickte das Mädchen, automatisch wie eine Marionette an einem Seil, und trat zu
ihrer Tasche, die sie hatte fallen lassen müssen. Sie suchte in ihrer
Handtasche und holte einen Schlüsselring hervor, den sie ihm entgegenhielt.
Christophe
nahm die Schlüssel und nickte Mike zu, der sie mit der Knarre auf die Tür zu
winkte. Sie traten nach draußen, und als ihre Schuhe im nassen Gras
quietschten, fiel Christophe plötzlich etwas ein.
"Warte
hier", befahl er Mike, welcher nickte und die Waffe weiter auf Rebecca
gerichtet hielt.
Christophe
ging alleine um das Haus herum und untersuchte genau den Boden. An dem Fenster
an der Rückseite sah er, dass das Gras umgeknickt war— flache Abdrücke, die
sehr nach Fußspuren aussahen. Etwas weiter ging das Gras in schlammigen, nassen
Boden über, dort waren die Spuren viel deutlicher. Zwei verschiedene Spuren.
Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.
Als
er wieder bei seinem Assistenten und dem Mädchen war, sagte Christophe,
"Da sind Schuhabdrücke hinter dem Haus, die zu
den Bergen führen. Nimm sie mit, sieh' in der Scheune nach und warte da auf
mich."
Mike
nickte. Christophe zog seine eigene Waffe aus seinem Mantel und lud sie. Dann
ging er zurück zu den Spuren im Schlamm.
Ende
von Teil 10...
X-10 X-10
GETEILTE WEGE
(11/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
In
der Mine war es viel wärmer, stellte Scully dankbar fest. Doch es half trotzdem
nicht, ihre Angst zu lindern. Sie hatte sogar noch mehr Angst als zuvor, wenn
das überhaupt möglich war. Die Luft in der Mine war muffig und abgestanden und
gab ihr ein leises Gefühl der Klaustrophobie. Sie behielt festen Griff an
Coopers Arm aus Angst, in dieser nasskalten Höhle hinzufallen.
"Wie
weit sind wir schon drin?" fragte sie ihn. Es kam ihr vor, als wären sie
schon meilenweit gelaufen.
"Noch
nicht weit", antwortete er und seine Worte hallten von dem Echo in der
Mine. "Wir sind gerade durch die äußere Höhle durch. Das hier ist einer
der Haupttunnels."
"Ist
es hier sicher?"
"Sicher
genug", erwiderte Cooper. "Einige Stellen des Haupttunnels kann man
von draußen sehen, also ist es nicht gerade der beste Platz für ein Versteck.
Hier drin sind die Chancen nicht so groß, dass uns jemand entdeckt."
Wenigstens
beruhigten sie das etwas. Cooper hatte die Diskette in einer Nische in einem
Felsen in der Nähe ihres Verstecks verankert und sie war sich ziemlich sicher,
dass selbst wenn man sie fand, die Diskette immer noch in Sicherheit war.
Scully wünschte sich sehnlichst, dass ihre Verfolger
sie nicht finden würden. Sie wusste, dass wenn sie es täten, es die Lage für
Mulder nur noch verschlimmern würde. Vorausgesetzt, Mulder war noch am Leben.
Der
Gedanke ließ sie erzittern, und sie fühlte wie sich Coopers Arm um ihre
Schulter legte. "Ist dir immer noch kalt?"
"Nein",
antwortete sie. "Ich bin nur ein wenig... beunruhigt."
"Ja,
das bin ich auch", sagte er. "Aber ich glaube, wenn wir hier bleiben,
sind wir in Sicherheit."
"Hoffentlich",
sagte Scully schwach und lehnte sich ein wenig näher an ihn, als sie auf das
warteten, was ihnen bevorstand.
Der
Mann stieß sie wieder mit der Waffe und Rebecca reagierte, indem sie so langsam
wie sie es wagte auf die Scheune zu ging. Sie erreichten die Tür und sie
fummelte mit dem Schlüssel. Nachdem aufgeschlossen war, trat der Mann neben
sie, öffnete die Tür und stieß sie hinein.
Rebecca
ließ erleichtert die Luft aus den Lungen, als sie merkte, dass sie das Studio
dunkel und offensichtlich leer vorfanden. "Mach das Licht an", befahl
der Mann und sie tat es.
"Komm
mit", sagte er und klopfte mit der Waffe an ihre Seite. Rebecca ging
einige Schritte vor ihm her, als er den Raum durchsuchte. Der Mann war alles
andere als ungenau. Er untersuchte jede Ecke und jeden Winkel, in dem sich
jemand hätte verkriechen können. Das Dunkelzimmer war zu und sie öffnete es auf
seinen Befehl hin. Wieder war sie froh, dass niemand drin war.
Offensichtlich
zufrieden drehte sich der Mann zu ihr um und fragte, "Habt Ihr die
Diskette hier versteckt?"
Rebecca
schüttelte heftig den Kopf in der Hoffnung, dass er ihr glauben würde.
"Ich weiß nichts von einer Diskette", sagte sie. "Hier ist
nichts versteckt."
"Bleib
wo du bist", orderte der Mann. "Denk nicht einmal daran zu
fliehen."
Doch
das war das letzte, woran Rebecca jetzt dachte. Sie wollte nur lebend hier raus
kommen, also blieb sie stehen und sah, wie er auf der Suche nach dieser
geheimnisvollen Diskette, die ihm so wichtig war ihre Fotoausrüstung
durchwühlte. Vor Schreck gelähmt nahm sie ihren Blick weder von dem Mann, noch
von der Waffe in seiner Hand.
Und
da, als der Mann ihr seinen Rücken zuwandte, bemerkte Rebecca in ihrem
Augenwinkel einen weiteren Mann. Er stand im Türrahmen und als sie ihren Kopf
etwas wandte, um ihn besser zu sehen, war sie überrascht, dass er seine Finger
über seine Lippen legte und ihr bedeutete ihn nicht zu verraten. Er war
unbewaffnet, in Windjacke und Jeans gekleidet und es war nicht die Tatsache,
dass er keine offensichtliche Bedrohung war, die beruhigend auf sie wirkte. Es
war der Blick in seinen Augen, ein Blick, der zugleich ehrlich und entschlossen
war, und der sie instinktiv veranlasste, ihm zu vertrauen.
Rebecca
nickte ihm leicht zu und sah dann zurück zu dem Typen, der sie dazu gezwungen
hatte, ihr Studio seinen neugierigen Blicken auszusetzen. Er wühlte gerade
durch die Ausrüstung, die sie auf einen der kleinen Tische gelegt hatte, und
als sie ihn so beobachtete, fiel ihr etwas ein.
"Sie
sollten vielleicht auch in dem Wandschrank dort hinten nachsehen", bot sie
an, denn sie wusste, dass nichts dort drin war, was für ihn von Interesse sein
konnte. Aber es war den Versuch wert, ihn etwas aus dem Konzept zu bringen. Der
Mann sah sie an und machte einen Schritt auf das Regal zu, dann zeigte er
wieder mit der Pistole auf sie.
"Komm
mit da hin", befahl er. Sie gehorchte und ging mit ihm zur anderen Seite
des Studios.
Dort
angekommen, stieß der Mann sie wieder mit dem Lauf der Waffe. "Mach's
auf", zischte er und Rebecca folgte. In dem Regal standen viele
verschiedene Plastikbehälter, in denen jeweils ein anderes Mittel für
Photoarbeit war. Der Mann beugte sich näher zu ihr, als er die Aufschriften auf
den Dosen las, und sie spürte seinen stinkenden, heißen Atem an ihrem Genick.
Plötzlich
hörte sie wie hinter ihnen ein loses Brett am Boden knackste. Der Mann fuhr
herum und richtete seine Waffe vor sich. Blitzschnell griff Rebecca nach dem
nächsten Behälter und schraubte ihn auf. "Hey!" rief sie, als sie
sich wieder dem Mann zu wandte.
Als
er sich wieder zurück drehte, hob Rebecca in Sekundenschnelle den Behälter und
spritzte ihm den Inhalt ins Gesicht. Der Mann schrie laut auf vor Schmerz und
ließ die Waffe fallen, als er sich mit beiden Händen die Augen rieb.
Der
Mann, den Rebecca zuerst in der Tür hatte stehen sehen, sprang auf ihn zu, riss
ihn zu Boden und bearbeitete ihn mit den Fäusten, bis der vorübergehend Blinde
nach Atem rang. Er griff nach der Waffe und richtete sie keuchend auf den am
Boden liegenden.
"Gut
gemacht", sagte er zu ihr, als er zu Rebecca aufsah.
Rebecca
hatte plötzlich Mühe, zu Atem zu kommen und nickte nur. Jetzt fiel es ihr wie
Schuppen von den Augen. "Rick?"
Er
nickte und sah den Typen an, der nur noch ein Häufchen Elend am Boden war. Dann
wandte er seinen Blick wieder Rebecca zu. "Ja", sagte er, die Waffe
fest und sicher in der Hand. "Und Sie sind Rebecca, richtig?"
Sie
nickte wieder und stützte die Hände auf ihre Oberschenkel. Sie war wie durch
den Wolf gedreht, als etwas von dem Schreck von ihr wich.
"Womit
haben Sie ihn getroffen?" fragte Rick und Rebecca sah auf den Behälter auf
dem Boden, den sie nach ihrem Angriff fallen gelassen hatte.
"Fixiermittel",
sagte sie. "Sodium Thiosulfat.
Ziemlich giftig."
"Denke
ich auch", antwortete Rick und sah wieder auf den Mann, der sich am Boden
wand.
Mulder
streckte seine Hand aus und zerrte Larry auf die Füße, die Waffe immer noch auf
seinen Kopf gerichtet. Larry stand und rieb sich weiter die Augen. "Gib
mir den Schlüssel", sagte Mulder.
Larry
warf ihm einen bösen Blick zu, doch bewegte sich nicht, also schwang Mulder die
Waffe. "Gib ihn mir!"
Larry
griff in seine Hosentasche und zog den elektronischen Schlüssel zu dem Armband
heraus. "Helfen Sie mir hier heraus", sagte er zu Rebecca, die sich
die Schlüssel schnappte.
"Krempeln Sie meinen rechten Ärmel
hoch", sagte Mulder und hielt mit der Linken weiterhin die Waffe auf
Christophes Kumpel. Rebecca tat wie ihr geheißen und löste den Gürtel, mit dem
er den Detektor befestigt hatte und schmiss ihn beiseite. Sie rupfte den
Detektor von seinem Ärmel, warf ihn ebenfalls weg und machte mit dem Schlüssel
die Fessel von seinem Arm los. Sie fiel zu Boden mit einem erlösenden "Klong" und Mulder konnte sich ein triumphierendes
Grinsen nicht verkneifen.
"Jetzt",
sagte er zu Larry, "sag mir, wo Christophe ist." Larry antwortete
nicht. Seine Augen wichen nie von der Waffe, die ihn bedrohte.
"Los,
sag schon!" wiederholte Mulder, vergeblich.
"Es
war noch ein anderer Typ hier", sagte Rebecca und Larrys wütender Blick
zog Mulders Aufmerksamkeit auf sich.
"Er
hat hinterm Haus", fuhr Rebecca fort, "ein paar Fußspuren entdeckt.
Ich glaube, Coop und Lisa sind durchs Fenster raus
und jetzt in den Bergen— der Mann, der ist ihnen gefolgt, glaube ich."
Mulder
wandte sich wieder Larry zu. "Stimmt das?" Dieses Mal zog Mulder den
Abzug etwas zurück, bevor er die Frage wiederholte. "Ist das wahr?"
Larry
zuckte leicht die Schultern. "Was ist da oben?" fragte er Rebecca.
"Die
Berge sind voller Höhlen", antwortete Rebecca. "Einige waren mal
Minen -- Cooper weiß, wo die sind. Sie haben sich da oben vielleicht
versteckt."
Das
macht Sinn, dachte Mulder und nickte. "Wir gehen ihnen nach", sagte
er zu Rebecca. "Ich möchte, dass Sie hier bleiben—gehen Sie ins Haus und
schließen Sie alle Türen ab. Lassen Sie niemanden herein außer mir."
Rebecca
nickte und hob dann ihre Hand in einer Geste, die ihm bestimmte, dass er warten
sollte. Sie trat aus seinem Blickfeld und Mulder hörte wie sie einige
Wandschränke durchsuchte.
Einen
Moment später kam sie mit einer Laterne in der Hand zurück. "Hier",
sagte sie und reichte sie ihm. "Ich benutze sie immer, wenn ich in die
Höhlen gehe, denn es ist stockduster da drin—Sie werden froh darüber sein.
Cooper
hockte neben Lisa in der Dunkelheit, ein Arm immer noch um ihre Schultern. Sie
zitterte leicht, aber er nahm an, dass sie ehrlich gewesen war, und dass es
nicht wegen der Kälte, sondern wegen der Anspannung war. Um genau zu sein war
es in der Höhle wärmer als draußen, was ihnen sehr zupass kam, denn er wusste
nicht, wann sie hier wieder raus konnten. Er wusste nicht, was die Fremden, die
so unerwartet aufgetaucht waren, vor hatten.
Er
dachte an Rebecca und Elliot und fragte sich was passieren würde, wenn einer
von ihnen zurückkommen würde, während die Männer noch im Haus waren. Er zitterte und hoffte, dass sie lange genug
in der Stadt bleiben würden.
"Alles
in Ordnung?" fragte Lisa, der das Zittern nicht entgangen war.
"Ja",
sagte er. "Ich habe nur nachgedacht."
"Ja,
ich auch", antwortete sie und er zog sie noch ein wenig näher an sich
heran.
Sie
hatten sich am Ende des ersten Tunnels versteckt, nahe eines
schmalen Stegs, der über eine kleine Schlucht führt. Diese Risse waren
gefährlich tief, worüber sich Cooper bewusst war. Doch wo sie sich befanden war
der Boden fest, das war sicher. Der Tunnel an sich führte auf ausschließlich
festem Boden.
Neben
ihm auf dem Boden lag eine alte verrostete Schaufel, die er aus einem der
breiteren Gänge gezogen hatte. Es gab dort einige zurückgelassene Werkzeuge,
und die Schaufel hatte am stabilsten von allem ausgesehen. Es war nicht die
beste Waffe, aber er fühlte sich trotzdem besser damit.
Lisa
legte ihren Kopf zur Seite und runzelte die Stirn, das im Halbdunkel der Mine
kaum zu erkennen war. "Cooper? Was ist das für ein Geräusch?"
Cooper
horchte angestrengt, doch er konnte kein verdächtiges Geräusch ausmachen.
"Ich höre nichts."
"Hör
hin", murmelte sie. "Da ist etwas."
Jetzt
konnte Cooper ein Rattern in der Ferne hören. Er lauschte und merkte, dass es
Schritte auf einem Felsen waren. Sein Herz begann schneller zu schlagen, denn
er merkte, dass sich ihnen jemand näherte.
"Warte
hier", flüsterte er und nahm seinen Arm von ihrer Schulter, bevor er sie
beruhigend tätschelte.
"Wohin
gehst du?" fragte sie, und obwohl sie leise sprach, konnte er die Panik in
ihrer Stimme hören.
"Ich
will mir das nur mal ansehen", sagte er ihr wahrheitsgemäß.
Lisa
schüttelte hastig den Kopf. "Nein. Geh nicht."
Cooper
wollte nichts lieber als bei ihr bleiben, doch wenn er sich jemandem stellen
musste war es besser, es in dem breiteren Hauptgang zu tun.
"Es
ist bestimmt gar nichts", versuchte Cooper sie zu beruhigen.
"Bestimmt nur irgendein Stein, der heruntergefallen ist oder so. Ich gehe
nur mal nachsehen."
Im
Dunkeln der Höhle konnte er ihr Gesicht kaum sehen. Doch trotzdem hatten sich
seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt und er konnte erkennen, dass sie ihre
Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst hatte. Dann, endlich, nickte
sie zustimmend. "Dann nimm mich mit."
"Nein",
sagte er und schüttelte den Kopf, obwohl ihm klar war, dass sie es nicht sehen
konnte. "Blieb' hier—rühr' dich nicht vom Fleck. Ich bin in einer Sekunde
zurück."
Bevor
sie weiter protestieren konnte, schlich er sich schon mit der Schaufel in der Hand
weg. Er wusste, dass er es ihr nicht abschlagen könnte, wenn sie ihn noch
einmal fragte.
Langsam
und darauf bedacht, keinen Mucks zu machen, schlich sich Cooper wieder zurück
zum Haupttunnel. Er trat hinein und ließ seine Augen sich an das schwach Licht
gewöhnen, das von draußen hereinfiel und verformte Schatten an die Wand warf.
Er konnte nichts Ungewöhnliches erkennen und obwohl er still stand und wartete,
hörte er gar nichts.
Unzufrieden
ging er weiter in den Gang, die Schaufel immer noch fest in der Hand. Er sah
sich um, von rechts nach links, und suchte nach der Ursache des Geräusches. Er
sah gerade nach links, als er etwas rechts von ihm hörte. Er drehte sich um und
sah, wie sich ein Schatten auf ihn zu bewegte. Cooper verlor keine Zeit, er
holte mit der Schaufel aus und schlug zu. Er hatte überraschend gut gezielt und
er merkte, dass der Schlag sein Ziel getroffen hatte, als der Angreifer einen
Schmerzensschrei los lies. Ein lauter Knall echote von den Wänden der Höhle und
Cooper brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass gerade ein Schuf abgefeuert
worden war.
Erleichtert,
dass die Kugel ihr Ziel verfehlt hatte, schlug er erneut zu, fest entschlossen,
seinen Gegner kampfunfähig zu machen. Sein zweiter Schlag war genauso
erfolgreich. Dann knallte etwas gegen seinen Kopf und er schrie auf, als
tausend Sterne in seinem Kopf explodierten und ihm fast das Bewusstsein
raubten. Ein zweiter Schlag ließ ihn stolpern und mit einem Mal raste der Boden
auf ihn zu. Er fiel mit einem lauten Knall in seinen Ohren hart auf seine linke
Seite. Der Schmerz durchriss seinen Körper und alles um ihn herum wurde
schwarz.
Scully
hörte den Schuss gefolgt von Coopers Aufschrei und sie wurde von einem
Schütteln gepackt. Jeder Instinkt sagte ihr, zu ihm zu laufen und ihm zu
helfen. Sie stand auf, doch die Vernunft stoppte sie.
Versteck
dich, dachte sie. Du musst dich verstecken. Doch sie hatte keine Ahnung, wo sie
hin sollte. Ohne Cooper an ihrer Seite war die Mine ein riesiges, ungewisses
Labyrinth. Scully konnte nicht wissen, wohin sie ihren nächsten Schritt wagen
konnte aus Angst, dass die Gefahr an jeder Ecke lauerte.
Zu
Tode erschrocken hörte sie die Schritte näherkommen. Sie hatte keine Wahl, sie
musste handeln. Wild um sich tastend suchte sich nach irgendetwas, um sich zu
verteidigen. Hinter ihr fand Scully ein Geländer, das sie mit beiden Händen
umklammerte. Vorsichtig trat sie einen Schritt vorwärts, und als sie festen
Boden unter ihren Füßen vorfand, ging sie weiter. Mit festem Griff an dem
Geländer bewegte sie sich weiter in die Mine hinein.
Mulder
und Larry hatten fast das Ende der Spur erreicht, so dass sie sehen konnten,
dass sie in einer der dunklen Höhlen endete, als ein Schuss die Luft zerriss.
Mulder
war für einen Moment so erschrocken und besorgt um Scully, und Larry nutzte
seine Verwirrung für seinen Angriff aus. Er sprang Mulder an und versuchte, ihm
die Waffe zu entreißen. Obwohl Mulder die Lampe fallen ließ, ließen ihn etliche
Jahre FBI-Training nicht im Stich: er wehrte den Angriff ab und feuerte. Larry
fiel zurück und knallte auf den Boden.
Mulder
kämpfte gegen den Drang an, sofort in die Mine zu laufen, um Scully zu suchen,
und trat auf den gefallenen Mann zu. Er wollte nicht noch nach allem, was
passiert war, von ihm überrascht werden. Er hielt die Waffe fest umklammert und
beobachtete ihn genau. Allem Anschein nach war sein Schuss ein Treffer gewesen,
genau in die Brust. Larry lag auf dem Rücken und das Blut strömte
ununterbrochen aus der Wunde.
Mulder
näherte sich bis er dicht genug dran war, um sein Gesicht zu sehen. Larry sagte
nichts und starrte ihn mit einem Ausdruck purer Wut an, bis sich seine Augen
letztendlich schlossen. Mulder beugte sich zu ihm und suchte nach einem Puls,
doch er fand keinen.
Er
ließ ihn liegen, hob die Laterne auf und sprintete auf den Eingang der Mine zu.
Ende
von Teil 11...
X-11 X-11
GETEILTE WEGE
(12/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Rebecca
saß auf der Couch und presste ihre Knie gegen ihre Brust. Tucker lag zusammengerollt
neben ihr und knurrte leise. Es beruhigte Rebecca, dass sie ihn bei sich hatte.
Es kam ihr vor, als ob sie eine Ewigkeit dort gesessen hatte, als der Hund
seinen Kopf hob und zu bellen anfing. Er sprang von der Couch und lief in die
Küche. Mit klopfendem Herzen folgte Rebecca ihm.
In
der Küche sah sie aus dem Fenster und fühlte, wie die Erleichterung sie
überkam, als sie Elliot das Motorrad den Hügel hinauf steuern sah. Rebecca riss
die Küchentür auf und stürmte die Treppen herunter. Tucker lief neben ihr her,
als sie auf die Scheune zusteuerte.
"Elliot!"
Verzweifelt warf sie die Arme um ihn, bevor er überhaupt seinem Helm abnehmen
konnte.
"Beck—was
ist los? Was ist passiert?"
Er
hatte ebenfalls seine Arme um sie gelegt, was Rebecca stärkte. Sie löste sich
weit genug von ihm, um ihn anzusehen. "Wir müssen was tun", rief
sie. "Diese Männer—diese Männer
sind hier aufgetaucht, und sie waren bewaffnet—Cooper und Lisa ist etwas
zugestoßen...." Sie wusste, dass es keinen Sinn machte, was sie hervorsprudelte,
doch die Worte verließen sie in wirrer Panik und sie begann zu weinen.
Elliot
behielt einen Arm um sie und nahm mit dem anderen seinen Helm ab. "Beck,
Schatz, du musst mir sagen, was los war. Welche Männer? Was ist passiert?"
Er streichelte sanft ihr Haar und versuchte, sie zu beruhigen.
Rebecca
nickte und keuchte, als sie versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten und ihm zu
erzählen, was in der kurzen Zeit, in der er weg gewesen war, vorgefallen war.
Erschrocken hörte er ihr zu, und nahm sie dann wieder in die Arme, dankbar,
dass wenigstens sie okay war.
"Was
sollen wir machen, Elliot?" fragte sie ihn. "Sollen wir die Polizei
rufen?"
Elliot
grübelte und durchdachte pro und contra. Es wäre sinnig—verdammt, es wäre sogar
richtig, die Polizei zu rufen, um das Ganze ein für allemal zu beenden. Wut
quoll bei dem Gedanken in ihm auf, dass die Frau, die er liebte irgendeinem
Irren mit einer Knarre ausgesetzt worden war, und ein Teil von ihm wollte Rick
und Lisa dafür verfluchen, dass sie sie überhaupt in diese Situation gebracht
hatten.
Doch
anderseits waren Rick und Lisa nicht ganz alleine Schuld daran; er hatte Lisa
von sich aus mit nach Hause gebracht, und er war sich zumindest zum Teil über
die Gefahr im Klaren gewesen, die es mit sich brachte. So sehr er es auch
versuchte, konnte Elliot sich nicht ganz schuldlos sprechen. Und das Einzige,
das Rick und Lisa mehr alles andere fürchteten, war die Polizei. Er war sich
nicht sicher, ob er es riskieren wollte, das Vertrauen zu verlieren, dass sie
in ihm geschenkt hatten.
"Ich
weiß nicht, Beck. Ich habe Lisa versprochen, dass wir das nicht tun werden. Wir
haben es ihr beide versprochen."
Rebecca
nickte, doch sie sagte nichts und überließ ihm die Entscheidung.
Am
Ende entschied sich Elliot für eine Art Kompromiss. "Ich werde Rick
folgen—ich werde versuchen herauszufinden, was da oben vor sich geht. Wenn die Lage außer Kontrolle geraten ist,
rufe ich die Polizei. Es geht jetzt um mehr als um Rick und Lisa—Coop könnte in Gefahr sein, und ich kann nicht riskieren,
dass ihm etwas passiert."
"Okay",
sagte Rebecca, "aber ich komme mit." Elliot öffnete den Mund, um ihr
zu widersprechen, doch sie schnitt ihm das Wort ab. "Ich lasse dich nicht
allein gehen—wenn du mich nicht mitnimmst, ruf ich die Polizei, jetzt und auf der
Stelle."
Er
konnte sehen, dass sie es ernst meinte, und weil er nicht länger mit ihr
diskutieren wollte, gab Elliot nach. "Dann komm", sagte er und nahm
sie bei der Hand.
Mulder
betrat den Eingang der Mine und ließ seine Augen sich an das Dunkel gewöhnen. Er machte die Laterne an, dankbar, dass er
sie hatte. Das Licht war schwach, und er nahm an, dass nicht viel Brennstoff
drin war. Doch es reichte, um seine nächste Umgebung zu erhellen.
Die
Mine war geradewegs in den Felsen geschlagen worden und die Seiten der Mine
wurden von uralten Holzbalken gestützt. Die Decke war nicht sehr hoch, obwohl
der Raum an sich breit genug war, so dass er weder die eine noch die andere
Seitenwand sehen konnte, weil sie in den Schatten der Felsen verschwand.
Mulder
dachte wieder an den Schuss, den er von draußen gehört hatte und zwang sich zur
mit gespitzten Ohren zur Vorsicht. Als er angestrengt lauschte, vernahm er
heftiges, schweres Atmen. Furcht packte ihn und er begann, nach der Ursache zu
suchen.
Er
hielt die Laterne in der einen und die Waffe in der anderen Hand und ging dicht
an der Wand entlang tiefer in die Mine. Einige rostige Werkzeuge lagen auf dem
rauen, unebenen Boden verstreut, ein paar Schaufeln und etwas, das wie eine
Spitzhacke aussah, lag neben einem alten, ausgefransten, zusammengerollten Seil
in einer Ecke. Es sah aus, als ob es genauso lange dort gelegen hatte, wie der
Rest der Werkzeuge.
Das
Geräusch kam von irgendwoher weiter drinnen und Mulder ging weiter. In der Nähe
der hinteren Wand entdeckte Mulder ein paar primitiv aufgebaute Holzbalken. Da
hinten, dachte er, und kam näher. Sie sahen fast wie Tröge aus und als er die
Laterne hob, um näher hinsehen zu können, fand er körnigen, staubigen Dreck
darin. Daneben lag ein Stapel rostiges Metall und Mulder erkannte beim
genaueren Hinsehen, dass er eine Art Sieb vor sich hatte, mit dem man den Dreck
von dem trennte, was es in der Mine Wertvolles zu finden gab.
Zwischen
den Holztrögen und der Felsenwand war ein breiter Spalt, und als Mulder die
Laterne in die Richtung hob, weiteten sich seine Augen vor Schreck, als er
einen jungen Mann bewusstlos auf dem Boden liegen sah. Blut floss aus einer
hässlichen Wunde auf seiner Stirn und das unregelmäßige Heben und Senken seiner
Brust sagte ihm, dass seine Verletzung schwer war. Mulder wusste sofort, wer
der junge Mann war.
"Cooper?"
fragte er, doch bekam keine Antwort.
Mulder
stellte die Laterne neben sich, zog den Mann hinter dem Trog hervor und legte
ihn flach auf den Rücken. "Cooper? Cooper, kannst du mich hören?"
Mulder prüfte Coopers Puls und stellte erleichtert fest, dass es relativ stabil
war.
Coopers
linker Arm war in einem ungewöhnlichen Winkel verdreht und eine schnelle
Untersuchung zeigte, dass er definitiv gebrochen war. Mulder fand keine
Anzeichen dafür, dass der junge Mann angeschossen war, doch die Tatsache, dass
er nicht bei Bewusstsein war, machte ihm Sorgen.
Nirgendwo
war eine Spur von Scully zu sehen. Er wollte Cooper nicht allein lassen, doch
Mulder wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Rasch zog er seine Jacke aus
und legte sie über den Verletzten. Er hob wieder die Laterne auf und ging mit
erhobener Waffe in den Tunnel, der von dem breiten Gang abzweigte, auf dem er
sich befand.
Es
war fast stockduster in dem Tunnel und Christophe verfluchte sich dafür, nicht
an die Taschenlampe aus dem Wagen gedacht zu haben. Er war bis ans Ende gelangt
und stand nun absolut still und strengte sich an, etwas in der Tiefe der Höhle
auszumachen.
Als
sich seine Augen langsam anpassten, konnte er schwach die Umrisse einer
Holzbrücke erkennen, die etwa drei Meter von ihm aus begann und die über eine,
wie es aussah, Schlucht zu einem weiteren Tunnel auf der anderen Seite führte.
Als er länger hinsah, erkannte er, dass das Gerüst eher einem Laufsteg glich
als einer Brücke. Ohne Licht konnte Christophe unmöglich sehen, was die Brücke
über der gähnenden Leere festhielt. Doch darüber machte er sich jetzt weniger
Sorgen, weil er gerade erspäht hatte, wonach er gesucht hatte.
Das
Mädchen stand auf der rechteckigen Plattform, ihre Hände fest um das Geländer
geklammert, die entlang des Laufsteges und der Plattform am anderen Ende
führte. Sie hatte ihren Kopf zur Seite gelegt, und Christophe hatte keinen
Zweifel daran, dass sie ihn gehört hatte und jetzt darauf wartete, was er als
nächstes tun würde.
Christophe
lächelte dunkel. "Dana Scully. Endlich lernen wir uns kennen."
Ihr
Kopf schnellte hoch beim Klang seiner Stimme. Er konnte ihr Gesicht von der
Position in der er stand nicht sehen, doch er konnte ihre Panik riechen.
"Wer sind Sie?" fragte sie mit überraschend fester Stimme.
"Sie
können mich gerne Christophe nennen", antwortete er und erfreute sich an
ihrer wachsenden Angst. "Solange ich Sie Dana nennen kann."
Sie
antwortete nicht, doch er sah, wie sich ihre Finger enger um das Geländer
legten.
Mit
der Waffe in der Hand trat Christophe auf die ersten Latten des Steges, die
unter seinem Gewicht knackten. Vorsichtig näherte er sich ihr.
Das
Knacken des Stegs erschreckte sie und Christophe sah, wie sie einige Schritte
von ihm wich. "Bleiben Sie mir vom Leib", warnte sie ihn. Ihr Trotz
brachte Christophe zum Lachen.
"Den
Wunsch kann ich Ihnen leider nicht erfüllen", sagte er, als er den halben
Weg bereits hinter sich hatte. "Sie haben mich auf eine lustige Gänsejagd
geschickt, Dana, aber ich fürchte, die ist jetzt vorbei."
"Bleiben
Sie weg!"
Er
war jetzt nahe genug dran, um sie besser zu sehen, nahe genug, um sie zittern
zu sehen, als sie sein unaufhaltsames Näherkommen hörte. Ein Gefühl des Sieges
überkam ihn beim Anblick ihrer Angst.
Das
Geräusch von rennenden Schritten erreichte seine Ohren eine Sekunde bevor
gelbes Licht die Mine erhellte. "Bleiben Sie weg von ihr!" schrie
eine Stimme. Christophe drehte den Kopf und sah Mulder am Eingang des Tunnels
stehen, eine Lampe in einer Hand und in der anderen eine Waffe, die genau auf
seinen Kopf gerichtet war.
Der
Triumph, den Christophe schon sicher geglaubt hatte, schwang in Ärgernis um,
als er seinen Widersacher anstarrte. Er hatte noch genug Verstand bei sich, um
seine Waffe auf das Mädchen gerichtet zu halten, und diese Tatsache gab ihm
Zuversicht. Er wusste, dass es Mulder aus Angst um ihre Sicherheit nicht wagen
würde, von seiner Waffe Gebrauch zu machen.
"Es
ist vorbei", sagte Christophe. "Lassen Sie die Waffe fallen, oder ich
schieße."
Für
einen Moment zögerte Mulder und Christophe dachte schon, es würde so einfach
sein. Doch dann schüttelte Mulder den Kopf. "Sie werden nicht
schießen", sagte Mulder. "Aber ich."
Scully
klammerte sich an das Geländer und hörte dem Wortwechsel zu, der sich in ihrer
unmittelbaren Nähe zutrug. Die unglaubliche Erleichterung, die sie beim Klang
von Mulders Stimme empfunden hatte, hatte jedoch nichts von ihrer Todesangst
verringert. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass Christophes Waffe auf sie
gerichtet war, und sie wusste, dass es sehr wahrscheinlich war, dass er sein
Versprechen halten und sie umbringen würde.
"Versuchen
Sie es ruhig", bot Christophe an. "Aber ich bin viel näher an ihr
dran als Sie an mir, was heißt, dass Sie keine große Chance haben, mich
aufzuhalten."
Scully
wusste, dass Mulder darüber nachdachte, was Christophe gesagt hatte. Sie wollte nicht, dass er seine Waffe weg
legte und sich so in einem schwachen Versuch, sie zu schützen, zu einem perfekten
Ziel machen würde. Ihre Angst um Mulder
ließ plötzlich alles andere unwichtig erscheinen. "Wir geben Ihnen die
Diskette", rief sie, "solange Sie uns zufrieden lassen."
"Leider,
Dana, ist die Diskette nur eins von den Dingen, die ich mitnehmen möchte",
sagte Christophe und seine Worte hallten klar von den Wänden der Höhle wider.
"Es gibt da einige Leute, die noch nicht ganz fertig mit Ihnen sind.
Leute, die wollen, dass ich Sie zu ihnen zurück bringe."
"Sie
Schwein." Es war Mulders Stimme, angefüllt mit unendlichem Hass. "Sie
haben mich glauben lassen, dass sie nichts damit zu tun hat."
"Ganz
im Gegenteil", widersprach Christophe. "Ich habe Ihnen gesagt, dass
*ich* keinerlei Interesse an ihr habe. Ich nicht—ich will nur, dass Sie für den
Tod einer meiner besten Männer bezahlen. Die Tatsache, dass ich einen Deal
habe, sie an jemand anderes zu übergeben, spielt hier keine Rolle."
Scully
hörte Christophes Worte kaum. Alles, woran sie denken konnte war, dass Mulders Leben
in Gefahr war. Er hatte den Mann in New Orleans umgebracht um sie zu retten,
und sie wollte um keinen Preis, dass er dafür leiden musste. Ohne auch nur eine
Sekunde zu zögern rief sie, "Ich mache Ihnen einen Vorschlag."
"Scully,
nicht", unterbrach Mulder sie, doch sie ignorierte ihn.
"Sie
wollen mich zurückbringen?" fragte sie. "In Ordnung, das können Sie—
ich komme freiwillig mit. Unter einer Bedingung. Sie lassen ihn gehen und
vergessen Ihre verdammte Rache."
"Nie
im Leben", rief Mulder laut, doch Christophe konnte sehen, wie die Waffe
in seiner Hand zitterte. "Machen Sie mit mir was Sie wollen, aber lassen
Sie sie in Ruhe. Sie geht nicht wieder zurück."
Christophe
scherte sich einen Dreck um seinen waghalsigen Mut und dachte kurz über ihr
Angebot nach. Er hatte nicht im Geringsten vor, seinen Teil des Geschäftes
einzuhalten, denn es hielt ihn nichts davon ab, Mulder später umzubringen. Und
die Tatsache, dass sie freiwillig mit ihm kommen würde, würde den Auftrag von
dem Mann sicherlich ein ganzes Stück einfacher machen.
"Der
Deal steht, Dana", sagte er. "Ihr Leben für seins."
Scully
trat einen Schritt auf Christophe zu. Es war ein kleiner, zögerlicher Schritt,
doch er ließ jede Zelle in Mulders Körper zu Eis erfrieren. Christophe drehte
sich wieder zu ihr und beobachtete sie mit einem hämischem
Grinsen auf seinem kalten, harten Gesicht. Mulder wusste, dass es jetzt oder
nie war.
Mulder
zog ab und feuerte einmal. Der Schuss war abscheulich laut in der relativen
Stille der Mine. Scully schrie und fiel auf der Plattform auf die Knie.
Der
Schuss ging ins Leere und Christophe wirbelte herum und hob seine eigene Waffe.
Ohne zu zögern schoss Mulder ein weiteres Mal. Volltreffer. Christophe schrie
auf und ließ seine Waffe fallen, als seine Muskeln erschlafften und er gegen
das Geländer taumelte. Das alte Holz knackte unter seinem Gewicht und das
Geländer brach unter ihm weg. Christophe stürzte und riss einen Teil des Steges
mit sich. Ein unmenschliches Heulen hallte durch die Mine, als er in die Tiefe
fiel, immer schwächer werdend, bis es abrupt abriss und keinen Zweifel an
seinem Schicksal übrig ließ.
Seine
Augen auf Christophes Sturz gerichtet hörte Mulder Scullys Schrei. Er wirbelte
herum und starrte kreidebleich vor Schreck auf die Stelle, auf der sie vor
einigen Sekunden noch gestanden hatte. Die Plattform, die Scully gehalten
hatte, war weg, einfach verschwunden, als ob sie nie da gewesen war. Mulder
starrte in gähnende Leere. In dem Buchteil einer Sekunde erkannte Mulder, dass
Christophes Fall die ganze Plattform aus ihren Ankern gerissen hatte.
"Scully!"
schrie er zu Tode erschrocken. "SCULLY!"
"Mulder!"
Ihre Stimme erreichte seine Ohren aus einer viel zu weiten Entfernung.
"Mulder!! HILFE!!"
Mulder
konnte die Panik in ihrer Stimme hören, und er kämpfte gegen seine eigene an,
um sie zu beruhigen. "Ich komme, Scully, ich komme!"
So
schnell er konnte, sich der steinalten Holzlatten bewusst, tastete sich Mulder
vorsichtig über den übrig gebliebenen Steg vorwärts. Als er sich der Stelle
näherte, an der die Plattform befestigt gewesen war, hockte er sich hin und
hielt sich an der Eisenstange fest, als er sich über den Rand lehnte. Und dann
blieb sein Herz stehen.
Die
zusammengefallene Plattform war halbwegs den Schacht herunter gefallen und hing
jetzt in einen bedenklichen Winkel wackelnd zwischen zwei herausragenden
Felsstücken. Das höhere Ende der Plattform hing gute zehn Meter unter ihm, das
untere Ende noch mal drei Meter tiefer.
Scully
klammerte sich mit beiden Händen an das untere Ende mit einer Intensität, die
das Weiße in ihren Knöcheln hervor stehen ließ. Ihre Beine traten unter ihr ins
Leere. Der dunkle Felsen stahl das meiste Licht, das von oben einfiel, und
hüllte ihren kleinen Körper in einen einzigen Schatten und machte es unmöglich
für Mulder, ihr Gesicht zu sehen. Doch er hatte keine Probleme, ihre Schreie zu
hören.
"Mulder!!! Mulder!!!
HILFE!!!"
"Ich
bin hier, Scully", rief er und versuchte, die Entfernung abzuschätzen.
"Halt
durch, halt dich fest—"
"Mulder!!!"
Scully trat wie wild mit den Beinen, um irgendwie besseren Halt zu bekommen.
Doch ihre Versuche hatten nur zur Folge, dass die Plattform weiter aus ihren
Angeln gerissen wurde. Mulder wurde schlecht als er sah, wie die Plattform
weitere drei Meter in die Tiefe rutschte und wieder an einem Vorsprung hängen
blieb, dieses Mal in einem noch schrägeren Winkel.
Scullys
Schreie verliefen sich in panischem Wimmern, das Mulder durch das Echo im
Schacht hundertmal verstärkt hörte.
Mulder
zwang sich zu einer Ruhe, die er nicht besaß und rief zu ihr mit der festesten
Stimme, die er zustande brachte. "Scully!! Beweg dich nicht!! Die
Plattform ist nicht stabil... du musst still halten, hörst du, halt aus, halt
dich fest nur noch ein kleines Bisschen—"
Es
gab niemanden, der helfen konnte. Mulder hatte auch keine Zeit, jemanden zu
finden—er bezweifelte, dass sie so lange durchhalten konnte. Wieder waren sie
auf sich allein gestellt.
"Mulder,
hilf mir, bitte, BITTE..."
Sie
war viel zu weit unten in dem Schacht. Die Wände waren zu feucht, die
Vorsprünge zu instabil, um ohne irgendeine Form von Absicherung hinunter zu
klettern. Mit einer schmerzenden Klarheit wusste Mulder, dass er nur eine
Chance hatte.
"Scully,
hör mir zu—ich kann nicht zu dir ohne ein Seil—ich muss kurz weg und—"
"NEIN!"
Ein weiterer gequälter Schrei. "Geh' nicht weg, Mulder, geh' nicht weg von
mir, bitte, BITTE -"
Ihre
Worte stachen wie Nadeln in sein Herz, durchbohrten ihn mit wahnsinniger Schuld
und dem Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben. Du hast das getan, du hast mir
das angetan, jetzt bring es wieder in Ordnung....
Seine
Angst um sie machte ihn wütend und Mulder legte all seine hilflose Rage in
seine nächsten Worte. "Verdammt, Dana—wir haben jetzt keine ZEIT
dafür—jetzt HÖR' mir zu!! Ich werde jetzt ein Seil holen und ich werde SOFORT
wieder zurück sein und du WIRST durchhalten, bis ich wieder da bin, HÖRST du
mich?!!"
Ein
Schluchzen antwortete ihm.
"Dana??
Antworte mir...."
"BITTE,
geh' nicht weg...."
Er
zog sich bereits von dem Rand zurück und griff mit zitternden Fingern nach der
Laterne. "Ich muss—vertrau' mir, okay—ich bin gleich zurück, ich
verspreche es...."
Darauf
antwortete sie nicht, doch er konnte sie weinen hören. Ihr Schluchzen verfolgte
ihn, als er auf dem Absatz kehrt machte und zurück zum Anfang des Tunnels
rannte.
Scully
hing in der Luft, ihr einziger Halt an der Wirklichkeit war das dünne Holz in
ihren Händen. Es war erschreckend bizarr den Raum zu definieren, in dem sie
sich gerade befand, in dem ihre einzige Verbindung zum Leben das Brett war, an
das sie sich verzweifelt klammerte.
Es
war feucht und kalt in dem Schacht—der Gestank, den sie ertragen musste ließ
keinen Zweifel daran, wo sie baumelte. Es stank nach Dreck und Schwefel und
nach tausend andern Sachen, die sie gar nicht benennen wollte. Alles, woran sie denken konnte war zu
verstehen, was gerade passierte.
Allein,
sie war so allein....
Sie
hörte, wie Mulders Schritte in der Ferne verklangen und konnte fühlen, wie ihr
Herz von Panik zerdrückt wurde. Trotz ihrer Versuche, ihren Körper ruhig zu
halten, strampelten ihre Füße unter ihr in einem verzweifelten Versuch, festen
Halt zu finden. Sie hörte das laute Knartzen des
Brettes, an dem sie sich festhielt, als es weiter in den Abgrund rutschte.
Das
scheinbar immerwährende Geräusch eines Steins, der in die weite Tiefe fiel und
ununterbrochen gegen die Wände prallte auf seinem Weg zu dem endlosen Grund.
<Neinbittenichtnichtlassmichnichtfallen>
Sie
nahm einen tiefen und zitternden Atemzug und zwang sich zitternd dazu, ihre
Beine still zu halten. Ein Stein hatte ihre Stirn gestreift und sie konnte
fühlen, wie das Blut warm ihre Wange hinunter rann.
<bittebitteMulderbeeildichbeeildichbeeildichbitte>
Ihre
Arme brannten und ihre Finger kribbelten, als sie versuchte, Halt an dem Stück
Holz zu bewahren, das in seiner schwachen Verankerung zu splittern schien. Der
Schweiß lief ihr in Bächen das Genick herunter und tränkte mit dem salzigen
Beigeschmack der Todesangst ihr Hemd.
<hilfmirbitteohhilfmirbitteGotthilfmirbitte>
Sie
fühlte, wie sich ein Krampf in ihrer linken Schulter bildete und sie verlagerte
ihr Gewicht ein wenig auf die andere, um den Schmerz zu lindern. Ein Schrei entkam ihren Lippen, als sie
merkte, wie das Brett noch ein weiteres Stück tiefer sank auf seinem Weg in den
dunklen Schacht.
Angst.
Sie hatte schreckliche Angst....
<bittebittehilfmirohGottMulderbittebitte>
Ewigkeiten.... sie war schon Ewigkeiten hier unten. Das Geräusch
fallender Steine krachte in ihren Ohren, als sie von Zeit zu Zeit die Stille
zerrissen. Es war so stickig hier unter der Erde. Wie ein Grab. Ihr Grab.
<ohbittebittebitteholmichhierraus>
Wieder
spürte sie, wie das Brett rutschte und sie schrie den hilflosen Schrei des
Untergangs.
Ende
von Teil 12...
X-12 X-12
GETEILTE WEGE
(13/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Mulder
erreichte mit hämmernden Schritten den Hauptgang in weniger als einer Minute,
indem er ungeachtet irgendwelcher Gefahr für ihn selbst seine eigene Spur
zurückverfolgte. Halt durch, halt durch, halt durch.... die Worte echoten in seinem Kopf.
Erleichtert
stellte er fest, dass er sich richtig an den Weg in der Höhle erinnert hatte,
und dass er sich das Bergwerkszeug nicht nur eingebildet hatte. Allerdings
bemerkte er, dass die Sachen nicht ohne Grund zurück gelassen worden sind. Die
eisernen Werkzeuge waren verrostet, das Holz der Griffe verbogen und verfault.
Es waren jedoch nicht die Werkzeuge, die seine Aufmerksamkeit auf sich
zogen—jedes von ihnen war viel zu kurz, um von Nutzen zu sein. Das Seil lag
immer noch zusammengerollt daneben, und er ging die letzten Schritte eins nach
dem anderen. Die ersten beiden Stücke waren hoffnungslos ausgefranst und fielen
durch bloße Berührung auseinander. Nicht zu gebrauchen. Das dritte schien stark
genug zu sein, doch Mulder sah mit einem Blick, dass seine Länge nie reichen
würde. Das vierte und fünfte Stück schienen beide jedoch ideal—lang genug, um
etwas mit ihnen anzufangen und dazu stabil ohne irgendwelche offensichtlichen
Anzeichen von Verrottung.
Mulder
entschied sich für die letzten beiden Stücke und rannte zurück in den Tunnel in
der Hoffnung, dass er schnell genug war, dass es nicht zu spät war.
"Scully?
Dana??"
Keine
Antwort. Wieder fühlte er, wie sich sein Magen umdrehte.
"Dana??
ANTWORTE MIR!!!"
Er
war jetzt wieder zurück auf dem Steg, fast an der Stelle, wo die Plattform
einmal gewesen war.
"DANA???
KANNST DU MICH HÖREN???"
Mulder
beugte sich vor und starrte in die dunklen Tiefen. Die Plattform hatte sich
mindestens weitere drei Meter nach unten verschoben und Dank des Winkels, in
dem sie jetzt hing, war das untere Ende jetzt komplett in der Dunkelheit
verschlungen. Trotz des Lichtes der Laterne konnte er nichts sehen, überhaupt
nichts....
"DANA???"
Endlich
hörte er sie. Ihre Stimme zitterte mit dem Versuch, die kurzen Worte heraus zu
bekommen.
"…
bin hier, Mulder...."
"Gut",
rief er zurück, erleichtert über alle Maßen. Seine Hände zitterten und er
atmete tief durch, um seine Nerven zu beruhigen. "Ich bin wieder da, Dana,
ich habe ein Seil und ich komme jetzt runter und hole dich, okay?? Halt durch,
nur noch eine Minute, dann bin ich da. Kannst du das tun??"
"Ja...."
Ihre Antwort war schwach und leise, doch entschlossen und es gab ihm Hoffnung.
So
schnell er es wagte band Mulder die zwei Seilstücke mit einem Doppelknoten
zusammen und zog es fest. Ein Ende band er um das Verbindungsstück zur
Plattform und knotete es fest, nachdem er es einige Male um das Eisen gewunden
hatte. Das andere Seilende band er um seine Hüften, knotete es so eng wie möglich.
Während
er das tat rief er ihr gut zu, kleine sinnlose Worte der Ermutigung, die ihnen
beiden die Zuversicht geben sollten, die sie so dringend brauchten. "Es
ist gar nicht so schlimm, Dana, ich bin gleich unten, wir sind im Handumdrehen
hier raus, versprochen. Halt nur noch ein kleines Weilchen aus...."
Sie
antwortete ihm mit einer Reihe von schwachem Stöhnen vermischt mit leisem
Flehen, dass er nicht genau verstehen konnte. Er wollte nicht, dass sie ihre
Kraft verbrauchte, und er sagte es ihr. "Versuch nicht, mir zu antworten,
Dana—hör' mir nur zu. Hör' auf meine Stimme und halt aus, tu's
für mich, okay?"
Dann,
endlich, gab es nichts mehr zu überprüfen, nichts mehr zum Festbinden. Es war jetzt
oder nie, und Mulder schluckte, als er am Rand des zusammengefallenen Laufstegs
stand und in den dunklen Abgrund unter ihm starrte. Er stellte die Laterne so
nahe wie möglich an den Rand der Schlucht in der Hoffnung, dass das schwache
Licht genug sein würde, wenn er dort herunter stieg. Grimmig entschlossen,
drehte er der Kluft den Rücken zu, griff das Verbindungsstück mit beiden Händen
und verließ den sicheren Rand.
Die
Rolle der Sicherheitsleine, die er aus den Stücken des vor Ewigkeiten
zurückgelassenen Seils gebastelt hatte, baumelte unter seinen frei in der Luft
hängenden Beinen, und Mulder widerstand der Versuchung sich fallen zu lassen
und sich von dem Seil auffangen zu lassen. Er hatte keine Ahnung, ob es diesen
Ruck aushalten würde—wenn er fallen würde und es riss, würde es das Ende für
ihn und Scully bedeuten. Er musste pragmatisch handeln und das Seil als das
benutzen, was es war: ein Mittel zur Sicherheit. Er musste sich stückweise den
Schacht hinunter hangeln.
Vorsichtig
und bedacht ließ er mit der Linken die Verbindung los und griff nach dem
scharfen Vorsprung im Felsen. Er schwang seinen Körper, so dass seine Füße
gegen die Felswand gestemmt waren und ließ dann mit der Rechten ebenfalls los,
bis er wie eine Spinne an der Wand des Schachtes hing, das behelfsmäßige
Notseil um seine Hüften die fragilste Verbindung zur Oberfläche.
"Mulder??"
"Kinderspiel",
rief er zurück mit zusammengebissenen Zähnen. "Ich bin gleich da."
Er
wollte nichts mehr als sein Versprechen halten und hangelte sich weiter an der
steilen Wand entlang. Er fand nur wenige Griffe, die zudem noch weit
auseinander lagen, und er musste seine Arme völlig ausstrecken, um es von einer
stabilen Stelle zur nächsten zu schaffen. Er versuchte, mit den Füßen Halt zu
finden, doch es war fast vergeblich. Zweimal verlor er den Halt und rutschte
ab, wodurch sich eine Reihe von Steinen und Splittern lösten, den Schacht
hinunter fielen und mit ihrem Echo dazu beitrugen, die angestrengte Stille zu
zerreißen. Beim zweiten Mal verlor er komplett das Gleichgewicht. Für einige Sekunden hing er lediglich an
einem Arm und suchte verzweifelt mit dem anderen irgendetwas, woran er sich
festhalten konnte. Bevor er wieder eine halbwegs stabile Position erreichen konnte,
knallte er mit dem Kopf gegen einen Vorsprung. Mulder sah Sterne und fühlte
warmes, nasses Blut an seiner Stirn. Vom Schmerz gestochen schrie er auf.
"Mulder!!!
Bist du okay??"
"Ja,
alles in Ordnung", versicherte er ihr, obwohl seine Worte nicht weiter von
der Wahrheit entfernt sein könnten. Sein Kopf hämmerte, seine Arme schmerzten,
seine Hände waren wundgescheuert und, was noch schlimmer war, langsam ging ihm
das Seil aus. Und er hatte noch nicht einmal das obere Ende der Plattform
erreicht.
Wenigstens
konnte er sie wieder sehen. Scullys Augen waren geschlossen, und ihr Mund stand
offen, als sie sich bemühte, Luft in ihre Lungen zu pumpen. Ihre Beine hingen
unter ihr wie totes Gewicht, was zeigte, dass sie es endlich geschafft hatte,
ihre natürlichen Instinkte zu unterdrücken, sich mit eigener Kraft aus dem
Schacht ziehen zu wollen. Er war jetzt so nahe, dass er sie atmen hören konnte,
so nahe bei ihr, dass er ihren Angstschweiß riechen konnte.
Nur
noch nicht nahe genug, um sie zu erreichen. Noch nicht nahe genug, um sie zu
retten.
Vorsichtig
kletterte Mulder tiefer, Zentimeter für Zentimeter und griff dankbar nach jedem
möglichen Halt, bis er nur ein kleines Stück von ihr entfernt war. Bis ihm das
Seil endgültig ausgehen würde.
Mit
beiden Händen an die steinige Wand geklammert und dem Seil um seine Hüften
blickte Mulder über seine Schulter zu Scully. Sie war nur noch ungefähr einen
Meter von ihm weg und einen weiteren halben Meter unter ihm. So nah, und trotzdem schien es ihm wie eine
unüberwindbare Entfernung.
Mulder
gab dem Seil einen Ruck in der vagen Hoffnung, dass es sich irgendwie strecken
würde und ihm erlauben würde, näher an sie heran zu kommen, doch vergeblich.
Okay, dachte er. Augen zu und durch.
"Ich
bin jetzt hier, Dana", sagte er zu ihr. "Ich bin jetzt hier, und ich
hole dich jetzt da raus, okay?"
"Ja...."
Mulder
stemmte beide Füße gegen die Wand und griff mit der Linken nach dem Seil, weil
es ihm besser schien, ihr seinen stärkeren Arm zu reichen. Er steckte seinen
rechten Arm hinter sich aus und lehnte sich so weit herunter, wie es nur ging.
Er konnte zwar nicht weit genug greifen, um sie zu erreichen, doch er könnte es
vielleicht schaffen, ihre Hand zu greifen.
"Okay,
Dana, wir müssen es so machen. Ich bin genau neben dir und ich bin bereit, dich
hoch zu ziehen, aber du musst mir deine Hand geben."
"Welche...
welche Hand?" fragte sie mit erstaunlich fester Stimme.
"Deine
linke", antwortete er ohne Zögern, denn er wollte, dass sie sich mit ihrem
stärkeren Arm an dem Holz festhielt. "Halte dich mit der Rechten weiter an
der Plattform fest und streck deine Linke in die Richtung meiner Stimme aus,
und ich greife sie. Okay?"
Scully
hatte ihre Augen jetzt offen und sogar in dem schwächlichen Licht der Laterne
oben konnte Mulder sehen, dass ihr Gesicht tränenverschmiert war.
"Okay", sagte sie. "Jetzt?"
"Jetzt",
bestätigte er.
Er
konnte sehen, wie sich ihre Schultern verkrampften, konnte die leichte Drehung
in ihrer Position sehen, und dann bewegte sie sich. Ihr linker Arm schwang auf
ihn zu, ihre Hand streifte seine.
Und
verfehlte.
Für
eine Sekunde schwang sie in der schwarzen Leere. Als ihre Hand seine für den
Bruchteil einer Sekunde berührte, war es, als ob sie festen Boden gefunden
hätte.
Und
dann war er fort, und ihre Hand griff nichts als blanke Luft.
"MULDER!"
Der Schrei verließ ihren Mund hinter verschlossenen Zähen, zusammengepresst in
blanker Angst. Sie hatte völlig das Gleichgewicht verloren. Verzweifelt
versuchte sie, wieder Halt auf der Plattform zu gewinnen, und trat wild unter
sich, hievte ihren Körper, als sie ihre linke Hand blind nach oben streckte.
Ihre Finger streiften das mitgenommene Holz und sie kämpfte um einen festen
Griff. Sie fand ihn, kaum, und ihre linke Hand kreiste wieder neben ihrer
rechten. Sie schrie abermals als das Brett zu rutschen begann.
Das
krachende Echo von fallenden Steinen füllte ihre Ohren....
"DANA!!
HALT AUS!!"
Sie
konnte den Horror in Mulders Stimme hören und alles, woran sie denken konnte
war Lieber Gott, es muss schlimmer sein, als ich dachte, es muss viel schlimmer
sein, ich werde sterben, ich werde hier und heute sterben....
Doch
so plötzlich das Rutschen begann, so schnell hörte es auch wieder auf, denn das
Brett hatte sich wieder irgendwie in der Wand verhackt. In der relativen Stille
des Schocks war Scully immer noch betäubt von dem Donnern in ihren Ohren, und
sie brauchte einen Moment, um sich auf Mulders Worte zu konzentrieren.
"Dana??
Dana, wir müssen es noch einmal versuchen, okay? Wir haben—wir haben nicht mehr
viel Zeit."
Er
klang so weit weg, viel weiter als zuvor, und Scullys Herz sank. Wenn es vorher
nicht geklappt hatte, war es unmöglich, dass es jetzt gelingen würde. "Mulder", stöhnte sie, "Ich
kann nicht... ich kann nicht mehr."
"Doch,
du kannst. Ich weiß, dass du es kannst", ermutigte er sie. "Du musst
nur nach mir greifen und—"
"NEIN!"
Die Furcht, die sie während dieser unsicheren Momente befallen hatte, in denen
sie an einer Hand über dem todbringenden Schacht gehangen hatte, drohte, sie
vollends zu lähmen. "Ich kann nicht, ich kann nicht wieder loslassen
Mulder, wenn ich loslasse falle ich, ich falle, ich kann es nicht—"
Mulders
Stimme erreicht sie, ruhig und fest. "Du wirst nicht fallen, Dana, ich
verspreche dir, ich werde dich nicht fallen lassen. Du kannst es—wir stehen das
zusammen durch."
"Nein,
Mulder, nein nein nein—ich
kann nicht..."
"Du
musst mir vertrauen, Dana", beschwor er sie und seine Worte hielten ihre
Panik etwas zurück. "Du vertraust mir, richtig?"
Er
wusste, dass sie es tat; er musste nicht fragen, doch Scully wusste, was er
beabsichtigte. Er versuchte, sie daran zu erinnern, dass sie trotz allem
Partner waren, ein Team im wahrsten Sinne des Wortes. Sie konnte ihm mit ihrem
Leben vertrauen, und sie konnte ihm mit ihrer Furcht vertrauen."
"Ich
habe Angst, Mulder..."
"Ich
habe auch Angst." Er schwieg kurz und sagte dann, "Aber wir können
das. Greif' hinter dich und greif' nach oben und ich werde dich fassen. Auf
drei gibst du mir deine Hand, okay?"
"Okay",
sagte Scully und atmete tief durch, als sie auf sein Kommando wartete.
"Eins...
zwei... drei!"
Angetrieben
durch die Kraft in seinen Worten verlagerte Scully ihr Gewicht wieder auf ihren
rechten Arm und schwang ihren linken hinter sich und streckte sich hoffend so
weit es ging nach oben in die dunkle Leere des Raumes, die sie umhüllte.
Scully
fühlte wie Mulders Finger ihre Handfläche streiften, in der kürzesten
Berührung, dann war er fort und ihr Herz brach mit dem brennenden Stich des
Versagens.
Und
dann fühlte sie, wie sich seine Hand mit angsteinjagendem
Druck um ihr Handgelenk schloss und sie hart nach oben riss, so dass sie ihren
wertvollen Halt an der Plattform verlor. Ihre rechte Hand rutschte von der
splitterigen Oberfläche weg und ihr Körper folgte in einem quälenden Moment des
freien Falles, nur aufgehalten durch den fast unerträglichen Druck an ihrem
Handgelenk. Es fühlte sich an, als ob ihr Arm geradewegs aus dem Gelenk
gerissen wurde. Wieder entkam ihr ein Wimmern und Scully erkannte, dass das
einzige, was sie davon abhielt zum Grund des Schachtes zu fallen, Mulders
stahlharter Griff war.
Doch
das war nur ein schwacher Trost als sie fühlte, wie sie weiterhin richtungslos
in dem leeren Raum schwang und ihr Wimmern eskalierte in einem
markerschütternden Schmerzensschrei, als sie gegen die steinharte Wand knallte.
Sie hörte Mulders Schrei und fühlte seinen Griff an ihrem Handgelenk enger als
je zuvor.
Und
dann verschlang das Geräusch sie völlig, ein ununterbrochenes Krachen und
Hämmern, das alles ausbot, das sie bis jetzt gehört
hatte; eine polternde Reihenfolge vom Krachen knallender Steine.
"HALT
DICH FEST!" hörte sie Mulder schreien. Wie versteinert versuchte Scully,
genau das zu tun.
Mulder
sah mit von Schreck aufgerissenen Augen, wie sich die Plattform völlig aus
ihrer Halterung löste und in Millionen Stücke zerbrach, als sie unaufhaltsam
und mit rasender Geschwindigkeit herunter stürzte. Der Lärm war ohrenbetäubend
und echote in dem Schacht mit Dolby Surround
Qualität.
Er
hatte die größte Mühe sich überhaupt festzuhalten, denn sein letzter Versuch,
Scullys Hand zu greifen hatte darin resultiert, dass er sowohl mit den Händen
als auch mit den Füßen den Halt verloren hatte. Seine Handflächen waren von dem
Seil aufgescheuert, das bereits von seinem Blut getränkt war und glitschig
wurde und mit verzweifelter Entschlossenheit hielt er sie mit der einen fest
und kämpfte mit der anderen gegen das Seil an. Durch die Schwerkraft schwangen
sie beide haltlos in freiem Raum und nichts hielt ihre Körper davon ab, gegen
die Wand des Schachtes zu knallen. Zweimal war es schon passiert und Mulder
litt mehr unter Scullys Angstschreien als von dem Schmerz des Aufpralls.
"Ich
habe dich, Dana, ich habe dich", bemühte sich Mulder ihr zuzurufen. Er
hatte sie, soviel stimmte, doch sein Griff war nicht besonders sicher und der
Winkel, in dem sie hing, verlieh ihrem zierlichen Körper mehr als nur ein paar
zusätzliche Pfund.
Als
sie von ihrem dritten Knall wieder in den freien Raum schwangen, positionierte
Mulder seinen Körper so, dass der Arm mit dem er das Seil hielt, direkt gegen
die Wand schlug, und er beide Füße wieder gegen die sie stemmen konnte.
Er
hörte Scullys Stöhnen, leises abgehacktes Schluchzen des Schmerzes.
"Bist
du verletzt?" rief er.
"Nein..."
"Dana,
hör' mir zu. Ich werde uns beide hoch ziehen und uns hier raus bringen, aber du
musst erst einen besseren Halt finden." Mulder holte tief Atem und zwang
sich dazu weiter zu sprechen. "Ich werde dich hoch heben und ich möchte,
dass du mit deiner freien Hand nach oben greifst und dich an meinem Hals fest
hältst, so dass ich dich tragen kann."
"Huckepack",
antwortete sie mit schwacher Stimme.
"Ganz
genau", sagte er, erleichtert, dass sie verstand, was er meinte.
"Fertig?"
"Ja."
Mulder
nahm all seine Kräfte zusammen und zog die Frau, die er liebte, so hoch wie er
nur konnte. Er fühlte, wie ihre Hand an seiner Hüfte tastete, dann an seinem
Rücken und dann an seiner Schulter. Er ächzte, um sie noch höher zu heben, um
ihr die Möglichkeit zu geben, ihren Arm um ihn zu legen. Endlich klappte es und sie umschlang seinen
Hals fast eng genug, um ihm die Luft zu rauben, und er krächzte, um zu
sprechen. "Leg deine Beine... um meine Hüften..."
Scully
bemühte sich, das zu tun und kletterte auf den Mann, den sie liebte, wie auf
ein Turngerät. Endlich schaffte sie es, klammerte sich mit ihren Beinen an
seine Hüften und kreuzte ihre Fußgelenke vor ihm, um besser die Balance halten
zu können. Sie fühlte, wie er seinen steinharten Griff um ihr Handgelenk löste
und sie legte ihren Arm an seinen Hals, wo sie sich jetzt mit beiden Armen
festhalten konnte.
Als
Scully ihr Gesicht gegen seinen Rücken presste dachte sie, dass sie nie in
ihrem ganzen Leben etwas so Gutes gerochen hatte wie seinen Schweiß.
"Okay", flüsterte sie. "Tue ich dir weh?"
"Nein,
es geht", erwiderte er, doch die Erschöpfung in seiner Stimme widersprach
seinen Worten. "Halt dich fest, Dana, wir haben's gleich geschafft."
Scully
spürte, wie seine Arme begannen, sie nach oben zu ziehen, und sie fühlte die
Muskeln in seinem Rücken arbeiten, als er versuchte, sie aus diesem feuchten
Loch zu hieven. Sie hatte keine Ahnung, wie weit es bis zur Oberfläche war, und
Mulders quälendes Keuchen mithören zu müssen, als er sich vorwärts kämpfte,
ließ sie tausend Tode sterben. Verzweifelt klammerte sie sich an ihn und
betete, dass er die Kraft finden würde, sie beide zu retten.
Mulder
kämpfte und hangelte sich, eine Hand über der anderen, langsam das Seil hinauf.
Mit den Füßen stützte er sich ab, und bewegte sich krabbenartig an der Wand
empor, während er bei jedem Tritt Steine aus der Wand löste. Scullys Atem war
warm in seinem Nacken und er konzentrierte sich auf den staccatoartigen,
ungleichmäßigen Rhythmus, jeder ihrer Atemzüge wirkte wie ein weiteres Stück
Ermutigung, um ihn weiter und weiter zu puschen.
"Fast
da", murmelte er, obwohl das gehörig übertrieben war. Sie hatten erst die
Hälfte der Strecke hinter sich und Mulder begann sich insgeheim zu fragen, ob
er es schaffen würde. Seine Handflächen waren wund und aufgescheuert vom
ständigen Reiben gegen das Seil, und der Schmerz schoss ihm
wie Feuer durch die Hände, durch die Arme und schüttelte seinen Körper.
Scully
sagte kein Wort, aber ihr Herzschlag an seinem Rücken gab ihm die Sicherheit,
die er brauchte. Du schaffst das, Mulder, sagte er zu sich. Nur noch ein
Bisschen, nur noch ein kleines Bisschen....
Der
Schweiß strömte Mulder nun aus den Poren. Sein Hemd war völlig durchnässt und
die Nässe drang nun auch durch ihres. "Mulder...." sie flüsterte
seinen Namen, sie wollte ihm Kraft geben, doch sie wusste nicht, was sie sagen
sollte.
"Nur
noch… ein... kleines Stück... weiter..." stöhnte er und Scully kämpfte, um
sich an ihm festzuhalten. Sie war müde, doch sie wusste, dass es für ihn
tausendmal schlimmer sein musste. Sie betete zu Gott, dass seine Bemühungen
nicht umsonst waren.
Scully
glaubte schon, dass das Delirium eingesetzt hatte, als sie Rufe hörte. Stimmen,
die von weiter Ferne her hallten, doch anstatt leiser zu werden, wurden sie
immer lauter. "Mulder", sagte sie, "ich glaube, es kommt
jemand..."
"Lisa??
Rick?? Seid ihr da drin??"
Mulder
stöhnte und Scully erkannte augenblicklich, dass er nicht die Kraft hatte, um
zu antworten. Sie schluckte, um das kratzige, trockene Gefühl in ihrem Hals
loszuwerden und rief so laut sie konnte.
"HILFE!!
WIR SIND HIER UNTEN!! BITTE, HILFE!!"
Die
Rufe wurden lauter und Scully antwortete jedes Mal. Eine Welle von
Erleichterung überkam sie als sie hörte, wie sich Schritte näherten.
"Oh
mein GOTT!!" Es war Rebeccas Stimme, die aufschrie, gefolgt von Elliots.
"Haltet durch, Leute, haltet aus, wir ziehen euch da raus."
Dann
verzerrten sich die Stimmen und Elliots vermischte sich mit Lisas und Coopers
in aufgeregtem Wortwechsel, dann rief Elliot wieder.
"Rick,
wir ziehen euch von hier aus raus, okay? Auf drei, dann ziehen wir."
Mulder
versuchte seine Zustimmung zu antworten, doch Scully bezweifelte, dass sie das
Krächzen hören konnten, das seinen Hals verließ. "Okay", rief sie
stattdessen. "Wir sind fertig."
"Eins,
zwei, drei!"
Scully
fühlte, wie sie mit einem solchen Ruck nach oben bewegt wurden, dass sie ein
wenig schwankte, und ihren Griff um Mulders Schultern enger fassen musste. Sie
spürte, wie sich sein Körper unter ihr bewegte, wie seine Beine gegen die Wand
traten und seine Arme ununterbrochen ein Seilstück nach dem nächsten griff,
angetrieben durch die Aufwärtsbewegung des Seils. Sie kamen jetzt viel
schneller voran, und Scully hielt den Atem an in der Hoffnung, dass ihre Gebete
erhört wurden.
Einige
Rucke später, fühlte Scully Hände an ihren Schultern, die unter ihre Achseln
griffen und sie von Mulder weg hoben. "Ich habe dich, Lisa, ich habe dich,
komm schon...." Es war Elliots Stimme, beruhigend, ermutigend. Scully entspannte sich in seinem Griff und
ließ sich von ihm hochziehen. Im nächsten Moment spürte sie die schockierende
Stabilität festen Bodens unter sich und fiel auf die Knie, nur von den Armen
gestützt, die sie hielten.
Nach
Atmen ringend ließ sich Scully zu Boden sinken. Beruhigende Worte erreichten
ihre Ohren, und sie merkte wie durch einen Schleier, dass es Rebecca war, die
sie in den Armen hielt. "Es ist okay, Lisa, es ist alles in
Ordnung..."
Hinter
ihr konnte Scully Elliot und Cooper ächzen und stöhnen hören, wie sie Mulder
bei seinem Alias riefen und ihn auf die Oberfläche zerrten. Es fühlte sich so
gut an, wieder auf festem Boden zu sein und Rebeccas Arme um sich zu haben.
Doch es waren nicht die Arme, nach denen sie sich sehnte und Scully wusste,
dass sie sich nie wirklich sicher fühlen konnte, bis sie wusste, dass Mulder
unverletzt war.
Rebecca
hielt Lisa so fest sie konnte und sah zu, wie Elliot und Cooper Rick aus dem
Schacht zogen. Coopers linker Arm hing schlapp an seiner Seite und sie konnte
sehen, wie er die Zähne zusammenbiss und gegen den stechenden Schmerz
ankämpfte, als er Elliot mit seinem rechten Arm half und mit aller Kraft zog.
Sie
holten ihn raus und Rick fiel nach Atem ringend auf die Knie. Elliot bemühte
sich, den Knoten um Ricks Hüften zu lösen und war kaum fertig, als er ihn zur
Seite schob und seine vor Erschöpfung zitternden Armen nach Lisa ausstreckte.
Rebecca ließ von Lisa ab und Rick schlang seine Arme um sie.
Ein
lautes Schluchzen entkam Lisa, als sie ihr Gesicht in Ricks Brust vergrub, die
Arme um ihn schlang und ihn fest an sich heranzog. Er legte ihren Kopf an
seinen Hals, wiegte sie sanft und murmelte leise, beschwichtigende Worte zu
ihr. Was er sagte war kaum zu verstehen, doch Rebecca war sich ziemlich sicher,
dass der Name, den er murmelte nicht 'Lisa' war, obwohl er ziemlich ähnlich
klang.
Rebecca
fühlte sich geradezu fehl am Platz, als sie die beiden zusammen sah. Es war,
als ob sie in ihrer eigenen Welt versunken wären, völlig von allem und jedem
abgeschnitten. Sie war zutiefst berührt von der Innigkeit ihrer Verbindung
zueinander. Als ob er spürte, was sie empfand, nahm Elliot ihre Hand und
drückte sie mitfühlend.
Es
war Coopers Grunzen, das sie wieder zurück in die Wirklichkeit brachte und sie
ihre Augen von dem wieder vereinten Paar riss. "Elliot", flüsterte
sie, "wir müssen Coop zu einem Arzt
bringen."
"Ich
bin okay", murmelte Cooper, der es mitbekommen hatte, doch Elliot ging
nicht darauf ein.
"Beck
hat Recht", sagte er. Er beugte sich nach vorne und tippte Rick auf die
Schulter. "Rick, lass uns von hier verschwinden."
Rebecca
sah Ricks antwortendes Nicken. Mit seiner blutverschmierten Hand strich er Lisa
eine Haarsträhne aus dem Gesicht und flüsterte etwas in ihr Ohr, worauf er ihr
auf die Füße half. Rebecca tat es ihm nach und nahm Cooper bei seinem gesunden
Arm und folgte Elliot, der sie aus der Mine heraus führte.
Ende
von Teil 13...
X-13 X-13
GETEILTE WEGE
(14/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Als
er fertig geduscht hatte, ging Mulder in die Küche, wo er Rebecca vorfand, die damit
beschäftigt war, einen Salat zu machen.
"Hey",
grüßte er.
"Wie
geht es dir?" fragte sie und unterbrach sich beim Schneiden einer Gurke,
um ihn anzusehen.
"Gut",
erwiderte Mulder. "Besser, jetzt, wo ich mich frisch machen konnte."
Und es stimmte—gewaschen, rasiert und in frischen Klamotten fühlte er sich mehr
wie er selbst wie schon in einer ganzen Weile nicht mehr. Er hörte die Dusche
im anderen Badezimmer und seine Stimmung hob sich, weil er wusste, dass es
seine Scully war, die dort rumorte.
"Super",
antwortete Rebecca und warf einen Blick auf seine Hände. Ohne es zu wissen
presste Mulder seine Handflächen aneinander. Trotz bester Versuche, sie in der
Dusche sauber zu bekommen, waren sie immer noch rot und schmerzten.
"Okay",
berichtigte er sich, "vielleicht nicht ganz so gut. Meine Hände sind immer
noch ziemlich wund."
Rebecca
nickte und legte dann das Messer beiseite, mit dem sie das Gemüse geschnitten
hatte. "Warte eine Sekunde", sagte sie zu ihm. "Vielleicht kann
ich da helfen."
Sie
verschwand in der Tür. Mulder ließ sich auf einen Stuhl fallen und stützte die
Ellbogen auf den Tisch. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass Elliot und Cooper
bald wieder vom Krankenhaus zurück sein würden, wo Coopers gebrochener Arm
verarztet wurde, den er sich bei seinem Kampf mit Christophe geholt hatte.
Christophe....
Mulder atmete tief durch vor Erleichterung bei dem Gedanken, dass er ihnen
nicht mehr zusetzen würde. Genauso wenig wie die Jungs aus seinem Gefolge.
Nachdem sie zurück zum Haus gegangen waren, war Mulder noch einmal kurz zurück
zur Mine gegangen, um die Diskette zu holen. Er hatte Larrys toten Körper in
den Schacht Christophe hinterher geworfen. Ein kleiner Teil von ihm bedauerte
fast, dass die Dinge so gekommen waren, wie sie gekommen waren, doch Mulder
wusste, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Es gab nichts, was er nicht tun
würde, um Scully zu beschützen oder die Menschen, die ihr in seiner Abwesenheit
geholfen hatten. Nichts.
Rebecca
kehrte zurück mit einem kleinen Erste-Hilfe-Koffer. "Er ist ziemlich
alt", sagte sie, "aber ich denke, dass da ein paar brauchbare Sachen
drin sind."
Sie
öffnete den Koffer und holte eine Salbe und eine Verbandsrolle hervor. Sie
drückte ein wenig aus der Tube in seine Hand und rieb die Salbe vorsichtig auf,
worauf sie sie seine Hand verband. "Besser?" fragte sie.
Mulder
nickte und sah zu, wie sie ihn verarztete. Sie war eine hübsche Frau, dachte
er, intelligent, stark und sehr zu vielem fähig. "Elliot kann von Glück
reden, dass er dich hat", sagte er und meinte es ernst.
"Glaubst
du?" Sie lächelte ihn für einen Moment an, dann wurde sie wieder ernst.
"Rick? Ist es—ist es vorbei? Glaubst du, dass sie wieder zurück
kommen?"
"Mach
dir keine Sorgen", versicherte er ihr. "Sie kommen nicht wieder
zurück."
Mulder
sagte es laut und zuversichtlich und er war sich für den Moment sicher, dass es
stimmte. Er sah die Erleichterung auf ihrem Gesicht und wünschte sich, dass er
genauso empfinden könnte, dass er auch sicher sein könnte, dass alle Gefahren
hinter ihnen lagen.
Doch
als er an Christophes Worte über Scully dachte, fürchtete Mulder, dass er sich
dessen nie wieder sicher sein könnte.
Beim
Geräusch von Schritten auf dem Holzboden sah Mulder auf und grinste, als er
Scully die Küche betreten sah. Sie hatte ein Flanellhemd und Jeans an und ihre
Haare waren immer noch feucht von der Dusche. "Hey", sagte sie.
"Was ist los?"
"Gar
nichts", sagte Mulder und wartete, bis Rebecca seine andere Hand fertig
verbunden hatte, bevor er von seinem Stuhl aufstand. Mit wenigen Schritten war
er neben ihr und nahm sie in die Arme. "Ich habe nur gewartet, bis du aus
der Dusche kommst."
"Soll
das heißen, dass ich langsam bin?" neckte Scully ihn, und er lachte leise.
"Nein", sagte er. "Es soll heißen, dass ich mich darauf gefreut
habe, wenn du fertig bist."
Mulders
Worte brachten ein Lächeln auf ihr Gesicht und sie ließ sich von ihm zu einem
Stuhl führen. Sie ließ sich darauf fallen und war unglaublich erleichtert,
wieder hier mit Mulder zurück im Haus zu sein—sicher und am Leben. "Sind
die Jungs schon zurück?" fragte sie.
"Nein",
antwortete Rebecca. "Aber sie sollten jede Minute da sein. Elliot hat
angerufen, als du in der Dusche warst—sie bringen Pizza mit."
"Hört
sich gut an", bemerkte Mulder und Scully stimmte zu. Sie fühlte, wie Mulder
ihre Hand nahm und umschloss seine Finger. Wieder kam sie sich wie ein
liebeskranker Teenager vor, doch sie war viel zu glücklich, um verlegen darüber
zu sein.
Scully
hörte, wie Rebecca aufstand und zurück in die Küche ging und sie beide allein
ließ. Sie beugte sich zu Mulder und fragte mit gedämpfter Stimme, "Was
sollen wir jetzt machen?"
"Wir
sollen von hier weg", antwortete er. "Wir haben sie schon in genug
Probleme verwickelt."
"Du
hast Recht", stimmte sie ihm zu, doch irgendwie wollte sie nicht so
schnell gehen. Sie war erschöpft, und im Moment konnte sie sich nichts
Schöneres vorstellen als ein paar Stunden Schlaf. Doch wenn man all das in
Betracht zog, was passiert war, wusste sie, dass Mulders Vorschlag das Beste
war—es wäre besser, sich auf der Stelle zu verabschieden, bevor nicht noch
etwas Unerwartetes passierte.
Draußen
hörte Scully Tuckers unverwechselbares Bellen, und einen Moment später hörte
sie wie er über den Holzboden an ihnen vorbei lief. "Ich glaube, die Jungs
sind wieder zurück", sagte sie und ihre Vermutung bestätigte sich, als
sich die Küchentür mit lautem Quietschen öffnete.
"Wir
sind wieder da und wir haben etwas für euch!" hörte Scully Elliot rufen.
Sie lächelte und stand auf, ihre Hand immer noch in Mulders.
"Hallo
zusammen", begrüßte sie sie lächelnd. "Cooper? Wie fühlst du
dich?"
"Gut",
kam die Antwort und einen Moment später fühlte Scully Coopers Hand auf ihrer
Schulter. "Du weißt, wenn man sich den Arm bricht, wird man mit allerlei
Zeugs vollgestopft. Ich kann es nur empfehlen."
"Ja,
das würdest du", sagte Rebecca, als sie in die Küche kam, Elliot einen
Kuss auf die Wange drückte und ihm den Pizzakarton abnahm, den er mitgebracht
hatte.
Cooper
ignorierte ihren Sarkasmus und wandte seine Aufmerksamkeit Lisa zu, die neben
ihm stand. Sie sah sehr glücklich aus und irgendwie machte es überhaupt nichts
aus, dass ihr Blick nur knapp sein Gesicht verfehlte. "Wie fühlst *du*
dich?" fragte er und bemerkte, wie Rick ihre Hand hielt.
"Gut",
sagte sie. "Aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Coop."
"Ach,
es braucht mehr als einen gebrochenen Arm, um mich aus der Bahn zu
werfen", sagte er, obwohl ihm sein Arm unter dem Gips höllisch weh tat.
Aus irgendeinem Grund wurde er das Gefühl nicht los, dass Rick ihn mit
Adleraugen beobachtete. Ach, was soll's, dachte Cooper und beugte sich vor, um
Lisa mit seinem gesunden Arm zu umarmen.
Sie
ließ Ricks Hand los, legte ihre Arme um seine Hüften und für einen kurzen
Moment war Cooper der glücklichste Mann der Welt.
"Danke,
Coop", flüsterte Lisa und legte ihren Kopf an
seine Schulter. "Danke für alles."
"Jederzeit",
antwortete Cooper. Er löste sich von ihr und sah sie an. Er wusste, dass er ihr
liebliches Gesicht nicht vergessen würde, solange er lebte.
Dann
drehte er sich zu Rebecca und Elliot und verkündete, "Ich glaube, wir
sollten lieber essen, bevor es kalt wird."
Es
war schon spät und Cooper war bereits mit ein paar weiteren Schmerztabletten im
Leib schlafen gegangen, die er im Krankenhaus bekommen hatte. Sie hatten die
Pizza schon vor Ewigkeiten verputzt und Mulder konnte sich nicht erinnern, wann
er das letzte Mal so zufrieden gewesen war. Neben ihm hob Scully ihre zierliche
Hand, um ihr Gähnen zu verdecken. Mulder musste lächeln.
Elliot
hatte es ebenfalls gesehen und bemerkte, "Ich finde es eine gute
Entscheidung, dass ihr euch erst morgen auf den Weg machen wollt."
"Ich
könnte eine Nacht Schlaf gebrauchen", gab Scully zu, gerade rechtzeitig
bevor sie ein weiteres Gähnen überkam.
"Ja,
ich auch", stimmte Mulder zu. "Sollen wir?"
Scully
nickte und Mulder stand auf. "Kann ich abräumen helfen?"
Elliot
schüttelte den Kopf. "Mach dir darüber keinen Kopf", sagte er.
"Das machen wir schon."
Und
wirklich, Rebecca hatte bereits begonnen, die Teller aufzusammeln. Als sie sie
aufeinander aufstapelte, schlug sie vor, "Warum nehmt ihr nicht das
Studio? Elliot hat vor dem Essen den Ofen dort angemacht, also sollte es warm
genug sein, und ihr hättet dort eure Ruhe." Mulder entging der schwache
Rotstich in ihrem Gesicht nicht, als sie hinzufügte, "Ich habe das Bett
frisch bezogen, als wir zurück gekommen sind."
Der
Gedanke daran, mit Scully ungestört zu sein, war unglaublich verlockend und
Mulder nahm das Angebot an. "Nichts geht über gute südwestliche
Gastfreundlichkeit", sagte er dankend.
Er
half Scully auf und sie sagten Gute Nacht bevor sie in die Küche gingen, wo sie
ihre Mäntel anzogen. Die Nachtluft war kalt und frisch und als sie über den Hof
gingen, hielt Mulder Scully nah bei sich. Er zog die Tür zu der Scheune auf und
machte das Licht an, das hell über die durchwühlte Ausrüstung fiel. Als sie
eintraten war Mulder wieder einmal beeindruckt von der Schönheit der kunstvoll
gerahmten Fotografien, schwarz-weiße vermischt mit farbigen in blendender
Anordnung.
"Beck
hatte Recht", bemerkte Scully neben ihm, "es ist sehr warm hier
drin."
"Ja",
stimmte Mulder zu. "Ich möchte nur sichergehen, dass es auch so
bleibt."
Er
wandte sich so lange von ihr ab, um neues Holz in den Steinofen zu werfen, dann
nahm er sie wieder bei der Hand. Arm in Arm gingen sie zur Treppe und er sagte,
"Wir müssen vorsichtig auf den Stufen sein. Blieb' nahe bei mir, ja?"
"Immer",
sagte sie mit plötzlicher Verlegenheit und er drückte ihren Arm leicht.
Zusammen stiegen sie die Stufen hinauf, langsam, eine nach der anderen, bis sie
oben waren. Mulder führte Scully weg von dem Rand auf das Bett zu. Als er ihr
half, den Mantel auszuziehen, sah Mulder mit einer seltsamen Zufriedenheit,
dass das Bett fast zweimal so groß war als das, in dem sie im Zug geschlafen
hatten. Ein Gefühl der Vorfreude überkam ihn und er nahm ihre Hand. Sanft
küsste er ihre Handfläche und Scully lächelte.
Mulder
zog nun auch seine Jacke aus und hing sie und ihren Mantel an den Hacken. Er
sah sich um. "Du sagtest, Cooper hat das gebaut?"
"Ja."
"Er
hat einiges geleistet", sagte Mulder anerkennend und trat wieder an ihre
Seite. "Allerdings ist das Geländer nicht sehr stabil, also möchte ich
nicht, dass du hier oben ohne mich die Gegend erkundest."
"Ich
werde nirgendwo hingehen, Mulder", sagte Scully und schlang die Arme um
seine Hüften.
Er
drehte sich zu ihr und legte auch seine Arme um ihre schlanke Gestalt und hielt
sie fest. "Das hoffe ich", flüsterte er und beugte sich hinunter, um
sie zu küssen.
Zuerst
war es ein sanfter Kuss, ihre Lippen berührten sich kaum. Ein zärtlicher Kuss,
der von Vereinigung und neuem Anfang sprach. Ein süßer Kuss, der für geteilte
Vergangenheit und gemeinsame Zukunft stand. Ein wunderbarer Kuss, der
Versprechen und Hoffnung war.
Langsam
vertieften sie sich ineinander, ihre Lippen teilten sich, ihre Zungen suchten
und schmeckten ihre neu gefundene Nähe. Mulder ließ eine seiner Hände ihren
Rücken zu ihrem Genick hinauf gleiten, bis seine Finger sich in ihren Haaren
verloren und ihren Kopf sanft zu ihm zogen, um ihm einen besseren Winkel zu
ihrem Mund zu geben. Ein leises Seufzen entwich ihr und es steigerte sein
Verlangen nach ihr. Er war wie auf die Folter gespannt durch ihre Nähe, durch
die Tatsache, dass sie hier und wirklich in seinen Armen war. Es war fast mehr
als er ertragen konnte.
Er
führte sie ohne den Kuss zu unterbrechen zurück zu dem Bett, und behielt ihren
Körper sicher in seinen Armen. Scully ließ sich von ihm geleiten. Als ihre Knie
den Rand des Bettes berührten, ließ sie sich darauf sinken und zog ihn mit
sich, bis er in kniender Position vor ihr war.
Mulder
wich ein wenig von ihr und sah sie an, ihr Gesicht jetzt in derselben Höhe wie
seines. Ihre blicklosen Augen waren geschlossen und ihre tadellosen Lider
ruhten auf ihren geröteten Wangen. Ihre von ihren Küssen feuchten Lippen
standen etwas offen und obwohl er sich noch nicht ganz an ihre dunkleren,
längeren Haare gewöhnt hatte, liebte er ihr seidiges Gefühl in seinen Händen.
Er wand seine Finger durch ihr Haar und legte es zärtlich auf ihre Schultern.
Ihre blasse Haut war übersäht von kleinen Rissen und Wunden, die sie während
dem Vorfall in der Mine erlitten hatte, doch für Mulder machte es keinen
Unterschied. Sie war die schönste Frau der Welt, und sie gehörte ihm.
"Dana",
hauchte er. "Gott, ich habe dich vermisst."
"Ich
habe dich vermisst", flüsterte Scully ihre Antwort, schlang ihre Arme um
seinen Hals und küsste ihn innig. Er hob seine Hände und bedeckte ihre Wangen
und grollte im Stillen über die Verbände, die ihn davon abhielten, das Gefühl
ihrer weichen Haut an seiner vollends zu genießen. Ihre Beine standen leicht
offen und er kniete sich zwischen ihre Oberschenkel. Sie hielt ihn mit ihren
Beinen fest und zog ihn noch näher zu sich.
Als
der Kuss endete, merkte Mulder, dass ihr Gesicht feucht war. Überrascht er sah
auf und merkte, dass sie weinte. Er hob seine rechte Hand, um ihr eine Strähne
von der Stirn zu streichen. "Alles in Ordnung?"
Sie
nickte, und Mulder fühlte die Kopfbewegung zwischen seinen Handflächen.
"Aber
du weinst ja", sagte er. "Stimmt irgendetwas nicht?"
Scully
hob langsam ihre Hände und umschloss seine Finger. "Die Art wie du mich
berührst, Mulder", hauchte sie. "Die Art wie du mich hältst. Du... du
jagst alle Dunkelheit fort."
Ihre
zärtlichen Worte brachten Tränen in seine Augen. "Oh, Dana", murmelte
er. "Das möchte ich auch. Ich liebe dich."
Und
er tat es, oh Gott, er tat es. Er liebte sie mit jeder Faser seines Körpers,
mit jedem Atemzug, den er nahm—mit seinem ganzen Herzen und aus tiefster Seele.
"Ich
liebe dich", wiederholte er und strich mit den Lippen sanft über ihre.
"Ich
liebe dich auch", sagte sie ebenso leise.
"Dana..."
Er konnte nicht zu Ende sprechen und er suchte nach Worten. "Wenn dir
irgend etwas zugestoßen wäre..."
Sie
stoppte das, was er sagen wollte, indem sie ihre geschlossenen Hände in ihren
Schoß legte. "Mir ist nichts zugestoßen, Mulder. Es ist nichts Schlimmes
passiert—ich bin hier, und es geht mir gut." Ihre Augen waren nun offen,
auf einen Punkt weit hinten neben seinem Ohr gerichtet. Sanft drückte sie seine
Hand, um ihren Worten Bedeutung zu verleihen. Dann fügte sie hinzu, "Und
dir auch."
Mulder
fühlte, wie es ihm den Hals zuschnürte und er musste sich bemühen, um es ihr zu
sagen. "Weißt du", fragte er sie, "wie stolz ich auf dich bin?
Wie sehr ich dich liebe? Du bist so mutig... so stark..."
"Ich
war so stark wie deine Überzeugungen", antwortete Scully und die bekannten
Worte brachten ein Lächeln auf seine Lippen. "Ich glaube an dich, Mulder.
Ich glaube an uns. Das ist alles, was ich brauche—und das hat mir Kraft
gegeben."
Ihre
Worte beschrieben seine Empfindungen besser als er es je hätte ausdrücken
können. Sprachlos versuchte Mulder ihr seine Gefühle zu zeigen, indem er sie
abermals küsste und ihr mit seinen Lippen zu sagen suchte, was Worte nie
umschreiben könnten.
Er
küsste sie, langsam, lang und innig, und Scully seufzte. Als er sich von ihre
löste, flüsterte er, "Du gibst *mir* Kraft. Das hast du schon immer
getan." Er schwieg für einen Moment, und als er weiter sprach, konnte sie
die nackte Wahrheit in seinen Worten hören.
"Es
tut mir Leid, Dana. Es tut mir so Leid, dass ich dich allein gelassen habe—es
tut mir Leid, dass ich es zugelassen habe, dass dir so etwas passiert."
"Mulder!"
Er fing schon wieder an, die altbekannte Litanei von Selbstbeschuldigungen, und
Scully hatte nicht im Geringsten vor, ihn weiter reden zu lassen. "Mach
dich nicht lächerlich", sagte sie. "Du hättest nie im Leben wissen
können, dass das alles passieren würde. Ich werde nicht zulassen, dass du dir
die Schuld dafür gibst. Ich werde es nicht zulassen", endete sie und
berührte wieder sein Gesicht mit ihrer Hand.
Er
antwortete für einen langen Moment nicht und Scully wünschte, dass sie sein
Gesicht sehen könnte und ihm seine Gedanken an den Augen ablesen konnte. Dann,
so leise, dass sie es kaum verstehen konnte, sagte er, "Ich verdiene dich
nicht."
Unerwartet
musste sie lächeln. Nur Mulder konnte ihr ein solches Gefühl geben. Trotz
allem, was passiert war, dachte er immer noch, dass sie etwas so Kostbares war,
das man hegen und pflegen und in Ehren halten musste.
"Du
hast mich aber", antwortete sie, "also denke ich, solltest du das
Beste daraus machen."
Ihre
Hand lag immer noch an seiner Wange und sie fühlte das Lächeln auf seinem
Gesicht. "Oh", versprach Mulder, "das werde ich."
Er
begann, sie wieder leidenschaftlich zu küssen und Scully verlor sich in dem
Gefühl seiner Lippen auf ihrem Gesicht, an ihrer Wange und an ihrem Kinn. Sie
krümmte ihren Rücken, als sein Mund ihren Hals fand und mit hungrigen kleinen
Bissen an ihrer Haut knabberte. Ihre Hände rutschten auf seine Schultern und er
stützte mit seinen Armen ihren Rücken. Die Intensität ihrer Küsse nahm zu, als
Mulder sich von seiner knienden Position aufrichtete und sie so weiter zurück
drückte, bis sie fast auf dem Bett lag, die Überdecke weich und kühl an ihrer
Haut.
Jetzt,
wo sie flach auf dem Bett lag, brauchte sie nicht länger seine Schultern für
Balance und Scully strich an seinem Hals entlang, bis ihre Finger tief in den
weichen Strähnen seiner Haare verstrickt waren. Ihre Beine baumelten über den
Rand des Bettes und Mulder stellte sich dazwischen. Er beugte sich über sie und
fuhr mit den Händen über ihren Körper, als seine Lippen ihr Schlüsselbein streichelten.
"Dana,
Dana, Dana..." Er murmelte ihren Namen zwischen seine Küssen und die Art,
wie seine dunkle Stimme über sie floss und sie in seiner Wärme einlullte,
erregte Scully sehr. Nun brauchten sie keine Worte mehr, sie wusste es; sie
hatten sich so viel zu sagen, so viel zu teilen, doch jetzt war nicht die Zeit
dazu. Alles was jetzt zählte war, ihn nah bei sich zu haben und in dem Gefühl
seiner Berührungen zu ertrinken. Sie seufzte, als sie sich seiner Nähe hingab.
Sie wusste, dass sie - zumindest in diesem Moment - alle Zeit der Welt hatten.
Wieder
schloss er seinen Mund über ihrem und Scully spürte seine Hände an ihrem Hals
und auf ihrem Kinn, als er seine Lippen von ihr nahm. Er strich mit den Fingern
über ihre Wange zu ihrem Haaransatz, dann wieder zurück über ihre Stirn und
ihre Nase herunter zu ihren Lippen. Sie stöhnte, als er langsam die Form ihrer
Lippen nach strich, zwei Finger, die sanft ihr Gesicht in einer unglaublich
gefühlvollen Berührung streichelten.
"Hör
auf, mich zu ärgern, Mulder", ermahnte sie ihn, doch sie meinte es nicht
so, erregt wie sie durch seine Finger an ihrer Haut war. Sie spürte, wie er sie
beobachtete, wie er sie anstarrte, und das Gewissen brachte ein dumpfes Gefühl
in ihre Magengegend. Unwohl rutschte sie auf den Laken. "Ärgere mich
nicht", bat sie kleinlaut.
"Sorry",
murmelte er, sein Atem heiß an ihrem Ohr. "Es hat mich überwältigt. Du
bist so wunderschön..." Sie hörte die Überzeugung in seinen geflüsterten
Worten und sie glaubte ihm.
Er
brachte seine Lippen wieder an ihre und Scully stöhnte, als er sie abermals
küsste und seine Zunge tief in ihren Hals stieß. Seine Hände waren jetzt an
ihrem Genick und seine Finger zerrten an den Knöpfen an ihrem Hemd. Seine Hände
waren warm, doch sie zitterte, als er ihr Hemd öffnete und ihre nackte Haut der
Luft ausgesetzt war.
"Ist
dir kalt?" flüsterte Mulder und sie nickte. Dann schloss sie die Augen,
als er sie zwischen ihren Brüsten küsste und mit den Zähnen an ihrem
Büstenhalter knabberte.
"Ein
wenig", hauchte sie, "aber ich möchte nicht, dass du aufhörst."
Er
musste leise lachen. "Keine Sorge. Ich habe eine Idee."
Damit
machte er ihr Hemd wieder zu. Scully ließ ihn los, als er sich aufrichtete, und
ließ ihre Hände neben sich fallen. Sie hörte die Bodenlatten unter ihm knacken,
als er sich zwischen ihren Beinen zurücksetzte und ihr die Schuhe, einen nach
dem anderen, und ihre Socken auszog. Seine Hände glitten hoch zu ihrem
Hosenbund, den er rasch öffnete und dabei die Stelle über dem Rand ihrer Jeans
küsste, bevor er sie von ihr streifte.
"Komm",
flüsterte er und nahm sie bei der Hand. Scully verstand ihn und rutschte hoch
bis zum Kopf des Bettes. Mulder zog die Decke zurück und sie glitt immer noch
in Hemd und Unterwäsche unter die Laken. Sie war überrascht, dass die Laken
ebenfalls aus Flanell waren, sehr weich und warm. Ein zufriedenes Seufzen entkam ihren Lippen.
"Besser?"
fragte Mulder und sie nickte energisch. Dann verzehnfachte sich ihre
Zufriedenheit, als er sie zärtlich auf den Mund küsste.
"Ich
würde mich besser fühlen, wenn du dich beeilen würdest und zu mir unter die
Decke kommst", sagte sie und wurde mit dem vollen Klang seines Lachens
belohnt.
Ende
von Teil 14... WICHTIG: der nächste Teil ist ***NC-17*** (ab 18!!)-- wenn Ihr
jünger seid oder so etwas nicht lesen wollt, überschlagt Teil 15 -- ich
verspreche hoch und heilig, dass Ihr nichts wichtiges von der Story versäumt!!!
X-14 X-14
WICHTIG:
Dieser Teil ist NC-17 -- wenn Ihr nicht volljährig seid oder Euch so etwas einfach
nicht interessiert, lest direkt mit Teil 16 weiter—ich *verspreche*, dass Ihr
nichts Wichtiges von der Story versäumt!!!
ANMERKUNG:
Für diejenigen unter Euch, die sich in "Über den Gleisen" an der
Tatsache gestört haben, dass Mulder und Scully keinen Safe Sex hatten, möchte
ich hier auf den Absatz 'Sex' in dem sehr amüsanten Buch "Everything You Always Wanted To Know About Life Inside A Movie" verweisen.
Es behauptet, dass 'Charaktere in einem Film jederzeit und an jedem Ort Sex
haben können ohne an die üblichen, eventuellen Folgen zu denken (z.B.
Schwangerschaft), es sei denn, oben genannte Folgen sind Intention des Films'.
Und das ist hier nicht der Fall, nicht in dieser Geschichte—das letzte, was die
beiden an diesem Punkt gebrauchen könnten, wäre ein Baby, zumindest im Moment.
Da habt Ihr's also, sollen wir jetzt loslegen??
<grins> ;-)
Dies
hier ist der fünfzehnte Teil eines Sechzehnteilers. Wort der Autorin, Spoiler
Warnung und Disclaimer stehen am Anfang von Teil 1.
GETEILTE WEGE
(15/16) *NC-17*
von
Nicole Perry
1/10/97
Als
es sich Scully unter den Decken gemütlich gemacht hatte, beeilte sich Mulder,
seine Sachen loszuwerden, die er achtlos neben dem Bett auf den Boden fallen
ließ. Als letztes entledigte er sich seiner Shorts und schlüpfte zu ihr unter
die Decke. Sie rollte sich zu ihm, griff mit ihren Armen um seinen Körper und
legte ihren Kopf an seine nackte Brust. Sie verteilte kleine Küsse überall, wo
sie hinkam und streichelte seinen Rücken.
"Mmmmm", machte sie. "Du fühlst dich gut an."
"Das
möchte ich auch von dir sagen können", sagte Mulder und Scully lachte, ein
helles, klingendes Lachen, das sein Herz erwärmte. Mulder nahm es als Stichwort
und zog das Hemd von ihren Schultern und ihren Armen und warf es neben das
Bett. Er nahm sie in die Arme und rollte sie auf den Rücken. Er selbst legte
sich auf die Seite und strich mit seiner Hand an ihrem Körper entlang, was ihr
ein leises Murmeln entlockte, als er seine Finger um die sanften Kurven ihrer
Brüste spielen ließ. Der Büstenhalter war ihm im Weg und er griff hinter sie,
um den Verschluss zu öffnen, der dann locker an ihre Haut fiel. Sanft strich er
die Träger von ihren Schultern und warf ihn ebenfalls beiseite.
Mulder
rückte wieder näher an sie heran, so dass sie beide auf der Seite lagen, ihr
zartes Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. "Jetzt",
sagte er und drückt einen Kuss auf ihre Stirn, "kann ich definitiv
dasselbe sagen." Ihre Haut war weich wie Seide und sie rieb an seinen
Körper auf eine unglaublich erregenden Art und Weise. Er streichelte ihren
Rücken und Scully drängte sich noch näher an ihn, ihre Arme um seine Hüften und
ihre vollen Brüste gegen seinen Rumpf gepresst.
Er
glaubte nicht, dass er je genug davon bekommen würde, sie einfach nur zu halten
und er sagte es ihr flüsternd zwischen seine Küssen.
Scully
hob eine ihrer kleinen Hände von seinem Rücken zu seinem Gesicht und
streichelte seine Wange. "Ich liebe es", sagte sie leise. "Ich
liebe es, dich so berühren zu können, dein Gesicht mit meinen Fingern betasten
zu können." Zärtlich küsste sie ihn und kam mit einem Lächeln auf den
Lippen zurück. "Ich werde dich nie wieder diesen Bart wachsen
lassen."
"Was
soll ich denn dann als Tarnung benutzen?" fragte er.
"Ich
weiß nicht", antwortete sie und küsste ihn wieder. "Und im Moment ist
es mir auch egal."
Sie
bewies es ihm, indem sie sein Gesicht mit ihren Lippen liebkoste und unzählige
kleine Küsse über jeden Zentimeter seiner Haut regnen ließ. Mulder stöhnte laut
vor Wonne.
Scully
fühlte ihre Erregung wachsen, wie sie sie mit zunehmender Intensität überkam.
Sie seufzte. Ihr Höschen klebte nun feucht an ihrer Haut und sie brachte eine
Hand zu ihrer Hüfte, um es loszuwerden.
"Warte,
ich helfe dir", flüsterte Mulder und sie nickte, als sie mit ihrem Mund
wieder seinen fand und er sich daran machte, sie von dem nun überflüssigen
Stück Stoff zu befreien. Sie hob ihre Beine zu seiner Brust und er streifte es
von ihr. Ihr Höschen endete ebenfalls auf dem wachsenden Kleiderberg neben dem
Bett und sie stöhnte, als seine Hand ihren Po fand und erst leicht, dann etwas
stärker drückte.
"Oh,
Mulder..." Er murmelte irgendetwas, doch sie konnte nicht ganz verstehen,
was er sagte. Dann fühlte sie seine Hand zwischen ihren Körpern wie sie sanft
das feuchte Haar zwischen ihren Beinen betastete. Er führte zwei Finger in sie
ein und Scully wand sich in schierer Wonne. Als Antwort faste Mulder seinen
Griff um ihre Hüften enger und drückte sie noch dichter an seinen Körper, eine Hand
immer noch an ihrem Gesäß. Sie konnte den Verband an seiner Hand fühlen, dessen
glatte und kühle Textur ganz im Gegensatz zu der warmen Feuchte seine Hand
stand.
Die
Erschöpfung, die sie bis jetzt empfunden hatte, begann zu schwinden, als seine Finger
ihr tiefstes Inneres drückten und liebkosten und erkundeten. Sie ließen sie
erschaudern, sie ließen sie erschlaffen, doch nichts davon hatte mit
körperlicher Schwäche zu tun, sondern nur mit völliger emotionaler
Unterwerfung. Eine Welle von Verlangen durchflutete sie, als er sie weiter
durchdrang und sie stöhnte laut auf. Es passierte so schnell und sie kämpfte
dagegen an, weil sie jede Sekunde dieses Gefühles genießen wollte, das er in
ihr weckte, das sie mit ihm teilen wollte. Doch sie fühlte wie ihr Körper nicht
mitmachte und schneller und schneller der ersuchten Erlösung zustrebte.
Scullys
Haut war schweißnass und sie zappelte in seinen Armen. Mulder bemühte sich, sie
festzuhalten, denn er wollte sie so nahe wie möglich bei sich spüren. Sie keuchte
hastig und unregelmäßig und ihre Haare kitzelten sein Kinn, als ihr Kopf wild
auf dem Kissen hin und her schlug.
"Mulder..."
Sein Name auf ihren Lippen war ein schwaches Flehen und er pumpte weiter, um
ihr zu geben, was sie wollte. Unter der Decke waren ihre Beine ineinander
verfangen und ihre Schenkel rieben mit einer Intensität gegen seine Erektion,
die drohte, ihm die Kontrolle zu rauben.
Scully
hatte ihren Arm um seinen Nacken gelegt, doch als er sie weiter streichelte,
fühlte Mulder wie sie eine ihrer kleinen Hände abwärts schob, von seinem Genick
über seinen Rücken zu seinem Gesäß. Sie drückte ihn dort ähnlich wie er sie
immer noch hielt und griff dann herum, um seine Hoden zu fassen.
"Ahh..." Ein leiser Aufschrei entkam ihm bei ihrer
Berührung und beinahe wäre es auf der Stelle für ihn vorbei gewesen.
"Dana, nein, noch nicht...."
Sie
ignorierte ihn und umfasste ihn für einen Moment eng und fest, bevor sie ihre
Finger an ihm langsam hoch und runter gleiten ließ. Mulder schloss die Augen
und biss sich auf die Lippe in einem letzen, kläglichen Versuch sich
zurückzuhalten.
"Mulder...."
Sie wimmerte seinen Namen, als sie ihn an sich heran zog. Er wusste, um was sie
ihn bat und er hatte keine Kraft zu widerstehen, er war unfähig, es ihr
abzuschlagen. Vorsichtig zog er seine Finger aus ihr heraus und hob ihr Bein,
um es um seine Hüfte zu legen und sie für ihn zu öffnen. Er öffnete die Augen,
denn er musste sie sehen, als er seinen Weg in sie fand.
Scully
öffnete den Mund mit einem Seufzen, als er in sie eindrang, und sie ließ ihren
Kopf zurückfallen, als sie sich ihm völlig hingab. Sie hob ihre Arme, um sie um
seinen Hals zu legen und schob ihr Bein weiter hoch, um ihm besseren Zugang zu
geben. Er ging auf sie ein und umfasste ihren Po mit beiden Händen, um sie so
nahe wie möglich zu ihm zu bringen. Neben ihr zu liegen, ihre Körper vereint
und ihrem liebevollen Gesicht nur Zentimeter von seinem, war fast zuviel für
ihn. Unfähig sich zurückzuhalten begann Mulder, sich in ihr zu bewegen, als er
sich nach vorne lehnte und sie abermals küsste.
Er
küsste sie, er stieß seine Zunge tief in die Höhle ihres Mundes, seine
Bewegungen spiegelten die seines Glieds tief in ihr wider. Scully stieß und
rieb gegen seinen Körper und stöhnte in der Ekstase des beidseitigen Vordringens.
Sie wünschte sich, dass die Zeit still stände und sie für immer dieses magische
Gefühl empfinden lassen würde. Sie war völlig eingenommen von ihrem Begehren
und ihrem Verlangen nach ihm, und es gab nichts, das sie mehr wollte, als sich
und ihm Befriedigung zu bringen.
Er
stieß nun tief in ihrem Körper, hinein und hinaus, immer stärker und schneller.
Ununterbrochen drückte sie ihren Körper an seinen, ihre Beine nun fest um seine
Hüften geschlungen und von weichen Flanelldecken um sie an ihn gezogen.
Mulder
löste seine Lippen von ihrem Mund und fuhr mit feuchten Lippen über ihre
Wangen. Scully erwiderte es. Sie nibbelte an seinem
Ohr und fuhr mit der Zunge über die Konturen seiner Ohrmuschel. Sie hörte ihn
stöhnen, ein tiefes, dunkles Grunzen in seinem Hals, das ein Feuer in ihr
auslöste. Sie stieß fester gegen ihn und zog sie beide näher und näher zum
Höhepunkt.
Scully
fühlte wie Mulder ihre verbundenen Körper wiegte, sie immer noch fest in seien
Armen hielt, bis sie merkte, dass sie über ihm war und er nun flach auf dem
Bett lag. Der Grund für die Veränderung in ihrer Position wurde ihr klar, als
sie spürte wie er seine Hände von ihrem Rücken nahm und hungrig ihre Brüste
umfasste. Sie schrie auf bei dem Kontakt und richtete sich mehr auf, um sich besser
in seine Hände zu pressen. Das Laken, das auf ihren Schultern geruht hatte,
glitt ihren Rücken herunter und sie saß auf, als sie Mulders Schultern fand und
sich daran festhielt, und ihre Hüften mit aller Kraft gegen seinen Unterleib
drückten.
"Dana..."
Sie hörte ihn ihren Namen sagen und sie wimmerte. Sie war nicht mehr imstande,
zusammenhängende Worte zu formen. Er drückte ihre Brüste fester und sie
wimmerte wieder. Sie verlor die Kontrolle, sie wollte nichts mehr, als mit ihm
an ihrer Seite in den Abgrund völliger Ekstase zu fallen.
"Dana..."
Er konnte nicht aufhören, ihren Namen zu sagen, er war das einzige, was sein
Bewusstsein noch erfassen konnte, genauso wie ihr Körper das einzige war, das
er spürte. Mulder hob seine Hüften und stieß mit wachsender Intensität in sie.
Er wollte ihr genauso Befriedigung bringen wie sich selber. "Oh,
Dana...."
Er
fuhr mit dem Mund an ihrem Hals herunter, nahm eine ihrer Brüste in den Mund
und streichelte die andere mit seiner Hand, als er zu ihren erregten Aufschreien
an ihrer Brustwarze saugte und nibbelte. Sie hob eine
Hand und vergrub sie in seinen Haaren, die andere stützte sich auf seine
Schulter, als sie ihn mit aller Kraft ritt.
Mulder
fühlte, wie ihre Beine sich enger um ihn schlossen, als die Kontraktionen
begannen und ihr Innerstes ihn völlig zu verschlingen schien. Willig ließ er sich mitziehen und wölbte
seine Körper, als er sich der kraftvollen Erlösung hingab. Das Gefühl ihres
Körpers, der sich über seinem schloss, ließ ihn über den Abgrund hinaus schießen,
es raubte ihm seine Essenz, erschöpfte ihn so einfach wie Wasser, das durch ein
Sieb floss, das blanke Hochgefühl sie zu lieben riss ihn in den Wahnsinn,
machte ihn verrückt, zwang ihn, ihr alles zu geben, was er hatte, alles, was er
war.
Ein
weiterer Aufschrei von ihr und Scully kollabierte auf ihm, ihr Kopf an seiner
Brust hinter dem Vorhang ihrer Haare vergraben. Völlig erschöpft nahm Mulder
sie in die Arme und rollte sie mit den Resten seiner Kraft zurück auf die
Seite, ihre Körper unter der vom Schweiß feuchten Decke immer noch vereint. Ihr
Kopf fiel zurück auf das Kissen und sie rang mit offenem Mund nach Atem. Mulder
küsste sie und füllte sie mit dem Sauerstoff aus seinen Lungen, er gab ihr das
himmlische Geschenk zurück, dass sie ihm gegeben hatte, indem sie ihm ihren
Körper so offen und vertrauensvoll gegeben hatte.
Er
hielt sie fest und sie wollte ihn nie wieder los lassen. Sie wollte jeden
Schlag seines Herzens in sich aufnehmen, das laut und schnell gegen ihre Wange hämmerte.
Scully fühlte seine Hand ihren Rücken hoch gleiten und das Streicheln brachte
ein Prickeln über ihre Wirbelsäule. Er nahm ihren Kopf in seine Hände und
vergrub seine Finger in ihrem feuchten, langen Haar und sie hörte seine Stimme
durch die Dunkelheit der Nachwirkungen ihres Höhepunktes schneiden.
"Ich
liebe dich, Dana", flüsterte er, jedes einzelne Wort laut in der Stille
ihrer Erholung. "Jetzt, für immer, in alle Ewigkeit."
Und
wie zuvor auch küsste er sie nach jedem Wort in der Art, die sie liebte. Sie lächelte und schmiegte ihr Gesicht enger
an seine Brust. Mulder verstärkte den Griff seiner Arme um ihren Rücken ein
wenig und glitt dann langsam und vorsichtig aus ihr heraus. Obwohl sie den
intimen Kontakt augenblicklich vermisste, tröstete sie sich in der Kraft seiner
Umarmung. Sie kuschelte sich näher an ihn und ließ die Erschöpfung, die sie bis
jetzt von sich gehalten hatte, sie langsam überkommen.
Sie
träumte, träumte von einem weichen Sandstrand, wo riesige Wellen gleichmäßig
ans Ufer krachten. Der Himmel war blau und der Geruch von Salz lag in der Luft.
Mulders Arme waren um sie gelegt, stark und solide und wirklich, sein Gesicht
deutlich sichtbar vor ihrem und seine haselnussbraunen Augen glänzten, als er
auf sie hinab blickte. Seine Lippen waren weich und voll und zärtlich, als er
sie küsste und seine Hände hielten sie nahe bei sich, dicht an seine nackte
Haut gepresst. Eine Welle krachte über ihnen zusammen und ertränkte sie in
eiskaltem Wasser...
Es
war Kälte, die sie weckte, und Scully rutschte unbequem über die Matratze, als
ihre Hände nach der Wärme der Decke suchten. Der leichte Schreck, den sie bei
Mulders Abwesenheit neben ihr empfand, verschwand, als sie seine
schlaftrunkenen Atemzüge hörte. Sie rollte näher zu ihm.
Sie
ertastete ein Stück Decke und zog daran, doch Mulder schien darin eingewickelt
zu sein und sie zerrte vergeblich. Scully zog wieder, diesmal etwas stärker, so
dass die Bewegung in ihrem Arm schmerzte.
Mulder
hörte ihr leises Stöhnen, das ihn augenblicklich weckte. "Dana? Alles in
Ordnung?" fragte er verschlafen.
"Ja,
Mulder", sagte sie, ihr Gesicht in ihrem Kissen vergraben. "Es ist
nur kalt."
Mulder
rollte sich auf die Seite und merkte, dass er mehr als nur die Hälfte der Decke
geklaut hatte, und Scullys nackter Rücken der kalten Luft ausgesetzt war.
"Sorry", entschuldigte er sich und zog die Decke wieder über ihre
Schultern.
"Schon
okay", murmelte sie schlaftrunken, doch als sie sich an ihn schmiegte,
hörte er sie wieder stöhnen.
"Was
ist los?" Er war jetzt wirklich besorgt und strich mit einer Hand über
ihren Rücken.
"Nichts...
es tut nur ein wenig weh, das ist alles."
Mulder
kannte das Gefühl. Seine Schultern und Rücken pulsierten immer noch von den
Anstrengungen in der Mine. Doch Scully war wie immer seine größte Sorge und er
verstärkte den Druck seiner Hand an ihrem Rücken. "Besser?" fragte er
und sie murmelte ihre Antwort. "Ja."
Durch
dieses einzelne Wort inspiriert regte sich Mulder unter der Decke, bis er mit
je einem Bein neben ihren Hüften über ihrem schlanken Körper hockte. Er erhob
sich auf seine Ellenbogen und verlagerte dann sein Gewicht auf seine Knie, so
dass seine Arme und Hände frei waren und die Decke von seinen Schultern fiel
und sie beide bedeckte.
Mit
langsamen, kreisenden Bewegungen begann er, ihr Genick und ihren Rücken zu
massieren. Widerspenstige Locken ihrer Haare verstreuten sich über ihre
Schultern und er strich sie beiseite. Scully seufzte.
"Gut?"
fragte er und sie nickte.
Mulder
massierte sie weiter, und knetete langsam und gründlich ihre beanspruchte
Rückenmuskulatur. Er fand eine besonders verspannte Stelle und rieb, bis er die
Spannung schwinden spürte und sie zufrieden seufzte.
"Oh",
hauchte sie, "so gut..."
Unerwartet
spürte Mulder wie sich sein Unterleib bei ihren geflüsterten Worten zusammenzog
und das Gefühl ihrer Haut unter seinen Händen erregte ihn trotz seiner
Erschöpfung. Er beugte sich vor und drückte sich angeregt durch den
Körperkontakt enger an sie.
Scully
steckte ihre Hände unter das Kissen unter ihrem Kopf und widerstand dem Impuls,
sich umzudrehen und Mulder an sich zu drücken. Die Massage fühlte sich zu gut
an, und sie wollte nichts tun, was ihn womöglich aufhalten würde.
Doch
es schien, als wäre dies das letzte, was er im Moment wollen würde. Ganz im
Gegenteil: obwohl seine Hände jetzt nicht mehr auf ihren Schultern waren,
schien er wunderbar zufrieden damit zu sein, mit geübtem Können ihren Rücken
auf und ab zu massieren. Zu ihrer Überraschung fühlte
Scully Mulders Lippen zärtlich an ihrem Genick. Sie seufzte und drehte ihren
Kopf, ein stilles Zeichen, dem er antwortete, indem er unzählige Küsse auf
ihrer Wange verstreute.
Sie
fühlte, wie er sich über sie lehnte und sie unter sich einschloss. Scully gab sich völlig dem Gefühl hin und
genoss seine warme Nacktheit. Sie konnte seine Erregung an ihrem Rücken
pulsieren fühlen und sie stöhnte. Seine Hände stoppten ihre sanften Bewegungen
und glitten unter ihren Körper.
Er
umschloss ihre Brüste und hielt sie sanft fest, als er sich an ihr rieb.
"Dana..." Seine dunkle Stimme streichelte ihren Namen, sang ihn wie
ein Dankgebet und sie antwortete ihm mit einem leisen Aufschrei.
"Mulder,
oh...."
Eine
seiner Hände glitt von ihrer Brust tiefer und drückte an ihren flachen Bauch, bevor
sie noch weiter herunter zu den sensibelsten Stellen ihres Körpers rutschte. Er
berührte sie kurz dort und zog dann seine Hand weg.
Mit
seiner von ihrer erregten Mitte feuchten Hand nahm Mulder seine Erektion und
führte sie unter ihren runden Po und in sie hinein. Die Luft wich aus seinen
Lungen, als er sie ein weiteres Mal füllte.
Jetzt
wieder mit ihr zu schlafen war mehr als er je geträumt hatte, und sein Körper
reagierte auf sie, füllte sie, und stieß gleichmäßig in sie, als er den Winkel
fand, in dem es am besten passte.
Scully
wimmerte, ein leiser Aufschrei, der in seinen Ohren widerhall und er glitt
tiefer in sie, als er spürte, wie sie auf ihn ansprach und ihren Po hob und
sich gegen seinen Unterleib drückte. Er umfasste sie enger und ließ seine
Finger an ihren Brustwarzen spielen, als er ihre Brüste umschloss und seine
Beine mit ihren verstrickte. Es war unglaublich entspannt, als ihr warmer,
weicher Körper unter seinem großen, stählernen gefangen war, und ihre heiße Nassheit ihn mit jedem Stoß seiner Hüften immer tiefer in
sich hineinzog. Mulder spürte, wie sich sein Körper ein weiteres Mal
vorbereitete und er stieß in sie, küsste ihre Schultern, ihren Hals, ihre
Ohren. Sie drehte ihren Kopf nach ihm und suchte mit ihren Lippen hungrig nach seinen.
Er gab nach und beugte sich vor, um ihre Lippen zu umschließen, fortgespült auf
einer rasenden Welle puren Verlangens.
Er
stieß in sie einige Male schnell hintereinander und Scully krümmte ihren Rücken
und fühlte, wie er ihre Brüste enger quetschte, als sie ihm mehr Spielraum
gewährte. Ihre eigenen Hände waren immer noch unter dem Kissen gefangen, und
ihre Unfähigkeit ihn zu berühren, steigerte nur ihr Verlangen. Sie wollte ihn
mehr als sie je etwas in ihrem Leben gewollt hatte, und sie stöhnte vor purer
Lust, als er von ihrem Körper Besitz ergriff. Mit raschen Stößen vergrub er
sich tiefer und tiefer in ihr, so weit es nur ging, und sie spreizte ihre Beine
unter ihm, hob sich ihm entgegen, gab ihm so viel Spielraum wie nur irgend
möglich, denn sie wollte ihm alles geben. Sie wollte, dass er sie mit einer
Wildheit nahm, die ihre Sinne vor Begehren betäubte.
Scully
ertrank in der Heftigkeit ihres Verlangens und fühlte ihren Körper sich
vollends entspannen. Sie schmolz zu einem Bündel aus Nerven dahin, die nur
durch seine Hände, seine Bewegungen, seine Berührungen stimuliert wurde. Sie
fühlte seinen Mund an ihrem und sie gab sich ihm vollends hin, ihre Lippen
öffneten sich, als er ein letztes Mal in sie hinein fuhr und sie beide mit nie
zuvor dagewesener Kraft in den Abgrund der tausend Feuerwerke riss. Scully
fühlte wie die Orgasmen ihren Körper durchrissen, einer nach dem anderen und
sie mit ihrer Intensität lähmten.
Dann,
nach einer langen Weile, als das stärkste Zittern gewichen war, fühlte Scully
Mulders Hände unter sich bewegen und sie an sich heran drückte. Sie ließ ihn
gewähren, als er aus ihr glitt und genoss das Gefühl seiner Arme um ihre Brust,
als sie sich bis über alle Vorstellungen hinaus befriedigt neben ihm fallen
ließ und sich mit nichts als dem Geräusch seiner Atemzüge an ihrem Nacken
bewusst vom Schlaf übermannen ließ.
Ende
von Teil 15...
X-15 X-15
GETEILTE WEGE
(16/16)
von
Nicole Perry
1/10/97
Mulder
wachte in den ruhigen Morgenstunden auf und sah, dass Scully immer noch an
seine Brust gedrückt lag. Die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster einfielen
erinnerten ihn daran, dass es langsam an der Zeit war, Abschied zu nehmen,
obwohl er nichts lieber wollte, als für immer in diesem sicheren Ort zu
bleiben.
Mulder
wiegte sie sanft und weckte sie mit kleinen Küssen über ihrem Gesicht, bis sie
sich regte. "Guten Morgen", flüsterte er.
Scully
hob den Kopf, fand seine Lippen und küsste ihn. "Er *ist* gut, was?" murmelte
sie mit einem Lächeln, als sie zurück zog.
"Ich
liebe dich", sagte er. Er musste die Worte einfach wiederholen, obwohl er
sie ihr fast die ganze Nacht über gesagt hatte.
"Ich
liebe dich auch", sagte sie leise. "Jetzt, für immer,..."
"...
in alle Ewigkeit", endete er und küsste sie auf die Stirn. "Für
immer."
Für
ein paar Momente war Scully still und ließ ihre Finger über seine Brust
gleiten. Als sie sprach, hörte er die Resignation in ihrer Stimme, die seine
dunkelsten Ängste in Worte fasste. "Sie wollen mich zurück."
"Sie
werden dich nie zurück bekommen", erklärte Mulder und umarmte sie enger.
"Niemals. Nicht solange ich lebe."
"Aber
das ist es ja, wovor ich Angst habe", gab sie zu. "Ich habe Angst,
dass sie dich umbringen, um zu bekommen, was sie wollen." Sie hielt für
einen Moment inne und fuhr dann fort. "Vielleicht sollte ich mich
stellen."
"Hör
auf", ermahnte er sie. "Hör auf so zu reden. Dir wird nichts
passieren, und mir auch nicht."
Scully
wusste, dass er träumte, und sie sagte es ihm auch. Christophes Worte in dem
Tunnel rangen noch in ihren Ohren. "Mulder, sie haben uns schon einmal
gefunden, und sie werden uns wieder finden. Wir können nicht für immer so
weiterleben. Nicht wo wir jetzt wissen, was sie wollen."
Sie
fühlte, wie er mit seiner Hand an ihrem Kinn ihren Kopf hob. "Hör mir zu,
Dana. Wir werden nicht aufgeben. Wir werden uns nicht aufgeben. Wenn wir das
tun, lassen wir sie gewinnen."
Seine
Worte waren so stark, so mutig, und trotz allem merkte Scully, dass sie ihm
glauben wollte. "Aber wie können wir sie besiegen?" fragte sie.
"Wir haben nichts. Keinen Einfluss, keinen Unterstützung, niemanden, dem
wir trauen können."
"Wir
haben uns", sagte er und sie spürte seine Lippen an ihren. Scully ließ ihn
mit sanftem Druck ihren Mund öffnen und suchte Trost in seinem Kuss. Als sie
endlich nach Luft schnappen mussten, fasste Mulder seinen Gedanken in Worte.
"Zusammen, Dana, sind wir unschlagbar. Vergiss das nicht."
"Ich
versuche es", antwortete sie. In seinen Armen fühlte sie sich stark genug,
um die Wahrheit zuzugeben. "Aber ich habe Angst, Mulder. Ich habe Angst,
dass wir kein Glück mehr haben werden."
Zu
ihrer Überraschung hörte sie ihn lachen. "Weißt du denn nicht? Die Guten
gewinnen immer."
Nun
musste sie auch lachen. Sie schmiegte sich an ihn, und ließ sich von dem warmen
Gefühl der Zufriedenheit einlullen. Nichts konnte ihr passieren, wenn sie so
beisammen waren, das wusste sie. Überhaupt nichts.
"Es
ist Zeit zu gehen", sagte er letztendlich, und Scully konnte den
Widerwillen in seiner Stimme hören.
"Ich
weiß", erwiderte sie, doch blieben sie noch für eine lange Weile liegen in
einem vergeblichen Versuch, das Unvermeidliche heraus zu schieben.
Alle
fünf hatten sich in Rebeccas Jeep gezwängt, mit dem sie jetzt nach Alburquerque unterwegs waren. Trotz der Musik im Radio war
es eine ziemlich stille Fahrt, denn keiner wusste so recht, was er sagen
sollte.
Als
sie am Busbahnhof angekommen waren, stellte Elliot den Wagen ab und kletterte
heraus neben Rebecca, Coop und Lisa, während Rick
hinein ging und zwei Tickets nach Los Angeles kaufte. Elliot hatte ihm das Geld
dafür gegeben, obwohl Rick es zuerst nicht annehmen wollte.
"Betrachte
es als geliehen", hatte Elliot ihm gesagt, und Rick hatte es nach langem
Hin und Her genommen.
"Ich
werde es dir zurückzahlen", hatte er versprochen. "Sobald wir dort
ankommen, wo wir hin wollen."
"Ja,
ja, ja..." hatte er mit einer lässigen Handbewegung gesagt. Er war froh,
dass er helfen konnte.
Viel
zu früh kam Rick mit den Fahrscheinen zurück und sie sagten sich Auf
Wiedersehen. Elliot umarmte Lisa herzlich und schüttelte Rick die Hand und sah
zu, wie seine Freunde es ihm nach taten.
Elliot
fühlte eine Hand an seinem Arm und er drehte sich nach Lisa um, die mit einem
schwermütigen Lächeln neben ihm stand. "Ich werde dich vermissen,
Elliot", sagte sie. "Ich bin so froh, dass wir uns getroffen
haben."
"Ja,
ich auch", sagte er und umarmte sie noch ein letztes Mal. Es stimmte.
Er
würde sie vermissen, trotz der Gefahr, die sie mit sich gebracht hatte. Gefahr,
die sein Leben auf eine Art und Weise berührt hatte, die er nie für möglich
gehalten hätte. Lisa hatte etwas an sich, etwas, das er mit Worten nicht
umschreiben konnte, und es machte Elliot froh, dass sich ihre Wege gekreuzt
hatten.
Dann
fuhr der Bus vor. Rick schulterte ihre Tasche und half Lisa die Stufen hoch.
Elliot stand neben Cooper mit einem Arm um Rebecca und die drei sahen zu, wie
der Bus in Richtung Westen auf die Straße hinaus fuhr.
Endlich
in ihren Sitzen lehnte Scully ihren Kopf an Mulders Schulter und seufzte.
"Alles in Ordnung?" fragte er und sie nickte.
"Ja,
alles okay", sagte sie und sie meinte es auch. Mulder an ihrer Seite war
alles, was sie brauchte, um die Welt für sie in Ordnung zu bringen.
"Es
wird eine lange Fahrt", bemerkte er. "Wir werden morgen erst in Los
Angeles sein."
Plötzlich
fiel ihr etwas ein und sie fragte, "Ist es sicher genug, wenn wir den
ganzen Weg mit dem Bus hinfahren?"
"Ich
denke schon", antwortete Mulder. "Ich glaube, wir sind fürs Erste
sicher."
In
der Hoffnung, dass er Recht hatte, kuschelte sich Scully näher an ihn und
fühlte, wie er seinen Arm um ihre Schulter drückte. Sie gähnte und er fragte,
"Bist du schon müde?"
"Ein
wenig", sagte sie. "Wir haben ja nicht viel geschlafen."
"Nein",
gab er zu, "aber das war's wert."
"Definitiv",
grinste sie und er küsste sie rasch auf die Lippen.
"Schlaf
ein bisschen, wenn du willst", sagte Mulder. "Ich werde hier sein,
wenn du aufwachst."
"Darauf
zähle ich", sagte Scully und schloss die Augen.
"...if our troubles should vanish
Like rain at the midday
I've no doubt there'll be more
We can't run and we can't cheat
Because when we meet
What we're afraid of
We find out what we're made of
So if you lose your faith, you can
have mine
If when I'm lost, you're right
behind
And if it's dark, there's a light
I'll shine
We walk the same line..."
everything but the girl
Und
das ist alles, was sie schrieb... wir sind am Ende der Straße angekommen,
zumindest für jetzt. <g> Ich hoffe, dass das Stück hier das lange Warten wert
war—ich würde mich über nichts mehr freuen als ein paar Zeilen Feedback—und
wenn Ihr nur schreibt, dass Ihr bis zum Ende durchgelesen habt!! Meine Adresse
ist nvrgrim@aol.com
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