RICHTUNG NIRGENDWO 5 - GETEILTE WEGE

(Originaltitel: A Divided Highway)

von Nicole Perry

( nvrgrim@aol.com )

 

Datum: 25. Februar 1997

 

aus dem Englischen übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de >

*** überarbeitet 2017 ***

 

Autorengelaber: Und schon wieder sind wir on the road!! Ein gaaaannzzz lautes DANKESCHÖN!! an alle, die während der letzten Monate nach einer Fortsetzung geschrien haben. Danke für Eure Geduld—ich hätte nie gedacht, dass ich sechs Monate brauchen würde, um das hier fertig zu bekommen. Was kann man dazu sagen? Manchmal geht das wirkliche Leben eben vor, und Fan Fiction muss zurückstehen. <grins> Ich widme diesen Teil Shannon, meiner treuen Road-Korrespondentin, deren Überseereise mir ein Zeitlimit gegeben hat, das ich *fast* einhalten konnte. Jetzt muss ich mich doch glatt auf die Schneckenpost in Europa verlassen... <breites Grinsen> Großes Lob für das Café—Leute, Ihr seid eine ganz tolle Inspirationsquelle für mich, und ich habe nur wegen Eurem Enthusiasmus diese Geschichte in meinen dunkleren und frustrierten Momenten weitergeschrieben. Ein spezielles Dankeschön an Bonnie, meine treue Anhängerin und "Ermutigerin"; an MD, deren endloses Bitten und Flehen nicht auf taube Ohren gestoßen ist; und natürlich an Karen—wo würde Bert ohne Ernie sein??? :-) Und last not least an WonderKat, mein Editor extraordinaire!!!

Spoiler Warnung: Diese Story ist die neuste Fortsetzung der Road-Story, zu der "Richtung Nirgendwo", "Durchreise", "Im Blauen Hotel" und "Über den Gleisen" gehört, die alle auf dieser Seite gefunden werden können. Wie ich zuvor bereits sagte, versuche ich dem was-zum-Teufel-ist-mit-Scully-passiert-als-sie-drei-Monate-verschwunden-war-Geheimnis auf die Spur zu kommen. Dazu beziehe ich mich auf Informationen aus der Duane Barry-Trilogie und all den anderen Mystery-Folgen aus der dritten Staffel. (Witzigerweise hat die 4. Staffel ja weder Scullys Entführung, noch den Chip in ihrem Nacken erwähnt—ich glaube ja fast, dass die 1013-Crew vergessen hat, dass das alles je passiert ist.  <großes Grinsen> Egal, jedenfalls findet Ihr hier nichts nach "Der Feind - Teil 1 & 2" (...)

:-) Allerdings habe ich mir hier den neuen und verbesserten Action-Mulder aus der 4. Staffel ausgeliehen—jeder, der "Herrenvolk" und "Tunguska" gesehen hat, sollte mich für seine Aktionen auf diesen Seiten nicht kritisieren. <grins>

Ein Wort An Unsere Sponsoren: Danke, wie immer, an Chris Carter und Fox, die mir ein so erstaunliches Sprungbrett für meine Vorstellungskraft geliefert haben. Jeder kennt ja nun schon die Leutchen aus Mr. Carters Gesellschaft—alle anderen Charaktere in diese Geschichte sind meine eigene Kreation. Ganz besonders möchte ich David und Gillian, die beiden *coolsten* Schauspielern im Fernsehen für ihre ununterbrochen inspirierenden Darstellungen danken!!

Fertig Leute??? Das hier ist ein längeres Teil, also schnallt Euch an und... let's hit the Road...

 

 

GETEILTE WEGE (1/16)  X, MSR

von Nicole Perry

nvrgim@aol.com

1/10/97

 

 

 

"...every minute

every hour

every day that passes by

there's not a second

or a moment

that you're not on my mind

if you wonder

when I think of you

well just let me put it this way

every minute

every hour

every day...."

 

james house

 

 

Fox Mulder war gefangen in einem Alptraum seiner eigenen Vorstellung. Ein Alptraum am helllichten Tag, von dem er völlig durcheinander aufwachte und seine Gliedmaßen sich erst langsam den Befehlen des Gehirns unterwarfen.

 

<LässtdumichwiederlinksliegenMulder>

<Daswürdeichnie>

Er hatte es ihr versprochen, und doch war er ohne sie gegangen.

Er würde es sich nie verzeihen.

<DanaohGottDanaestutmirleidestutmirsoleid>

Er hatte sie im Stich gelassen, obwohl sie ihn brauchte. Er hatte sie in dem Zug allein gelassen.

Aber andererseits hatte er so etwas nie erwartet...

Er hätte nie gedacht, dass er als Gefangener eines Mannes enden würde, dem zweifellos nichts lieber wäre, als sie beide tot zu sehen.

Mulder blickte dem Mann in seine dunklen, kalten, voll und ganz von seinem Sieg überzeugten Augen. Ein Sieg, der mehr dem Zufall zu verdanken war als irgendwelchen seiner Bemühungen. Mulder wollte auf keinen Fall den Mann seine Qualen sehen lassen, deshalb stellte er lediglich die Frage, worauf er eigentlich hinaus wolle.

Christophes Blick war kalt. "Ich will nur wissen, wo Sie sie zum letzten Mal gesehen haben." Mulder zögerte, er fühlte sich bei ihrem "Handel" immer noch nicht sehr wohl. "Ich werde Sie nicht zweimal fragen."

Doch in diesem Moment war Mulder sich sicher. Er wusste zweifellos, dass er die falsche Wahl getroffen hatte. Aber er hatte sie getroffen, und jetzt gab es kein Zurück mehr.

"El Paso", brachte er letztendlich gequält hervor. "Ich habe sie das letzte Mal in einem Amtrak-Zug namens Sunset Limited am Bahnhof von El Paso gesehen."

"Ah, also sind Sie mit dem *Zug* unterwegs gewesen", schlussfolgerte Christophe und verriet Mulder somit, dass er sie schon seit geraumer Zeit verfolgte. "Unter dem Namen Steward?" Mulder antwortete nicht, aber Christophe fasst seine Stille als ein Ja auf. "Glauben Sie, dass sie noch in dem Zug ist?"

Mulder zuckte die Schultern. Er hatte schon mindestens tausendmal über diese Frage nachgedacht, aber er wusste es einfach nicht. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, ob Christophe von ihrer Blindheit wusste, und er wollte ihm um keinen Preis etwas Unnötiges verraten. "Vielleicht", sagte er ausdruckslos.

"Dann fangen wir dort an." Christophe drehte sich zu dem Mann mit der Waffe und befahl, "Finde heraus, wo der Zug als nächstes hält. Wir werden dann da sein—und wenn sie nicht an Bord ist, werden wir von dort aus weiter sehen."

Der Mann nickte und reichte Christophe die Pistole, bevor er das Flugzeug verließ. Christophe legte die Waffe vor sich auf den Tisch und wandte seine Aufmerksamkeit dann wieder Mulder zu. "Ich bin froh, dass Sie sich an die Regeln halten."

"Die Frage ist nur, ob Sie das auch tun", konterte Mulder.

"Was soll das heißen?"

"Ich will nur sicher gehen, dass wir einen Handel haben", erklärte Mulder und wünschte sich mehr als zuvor, seine Hände nicht hinter seinem Rücken gefesselt zu haben. Er studierte Christophes Reaktion genau. "Ich will sicher sein, dass Sie lediglich hinter der Diskette her sind."

"Ich hoffe doch stark, Mulder, dass Sie nicht an mir zweifeln wollen und meine Ehre beleidigen, indem Sie andeuten, ich würde mein Versprechen nicht halten." Christophes Gesichtsausdruck war ein einziges Poker-Face, und so sehr er es auch versuchte, konnte Mulder nicht das Geringste darin lesen.  "Aber, wenn Sie sich dann besser fühlen, werde ich es Ihnen noch einmal sagen—ich bin überhaupt nicht an dem Mädchen interessiert."

Sie starrten sich an, braune trafen pechschwarze Augen—jeder versuchte, den anderen einzuschätzen. Mulder weigerte sich wegzuschauen, als ob es die erste von zahlreichen Prüfungen sei, die er in den nächsten Tagen vor sich hatte.

Doch in diesem Augenblick kam Christophes Assistent zurück und unterbrach den stillen Kampf zwischen ihnen. "Tucson", sagte er zu Christophe. "Der Zug wird in etwa fünfzehn Minuten in Tucson sein. Wir fliegen da jetzt hin und sollten in etwa einer knappen halben Stunde dort landen."

Christophe nickte zufrieden. Er deutete seinem Assistenten und befahl, "Wir müssen Mr. Mulder allerdings zuerst ein wenig verdrahten."

Mulder runzelte die Stirn, als der Mann nickte und zu dem Tisch ging, auf dem eine kleine Kiste lag. Er öffnete sie und holte ein großes Stahlarmband hervor. Er trat zu Mulder und machte ihn von seinen Fesseln los. Doch bevor Mulder sich an das Gefühl der Bewegungsfreiheit gewöhnen konnte, befahl der Mann, "Ihren rechten Arm, bitte."

"Was soll das denn jetzt?" fragte Mulder. Er bewegte nicht einen Muskel und blickte auf die Waffe, die auf dem Tisch genau in Christophes Reichweite lag.

"Nur zur Sicherheit", antwortet Christophe ihm mit zusammengekniffenen Augen. "Das ist für uns nur einen kleine Hilfe, um Sie aufzuspüren, wenn es sein muss."

Mulder regte sich nicht und widersetzte sich Christophe.

"Das Armband ist keine freiwillige Angelegenheit, Mulder. Ich fürchte, dass ich darauf bestehen muss."

Mulder merkte, dass jeder Widerstand im Moment sinnlos war und streckte dem Assistenten langsam seine rechte Hand entgegen Er krempelte seinen Ärmel hoch und befestigte das Gerät daran. Es lag eng an, aber es tat nicht weh, und doch hörte sich für ihn das Zuschnappen des Verschlusses wie das Knallen einer Gefängnistür an. "Neuester Stand der Technik", bemerkte er sarkastisch.

"Zweifellos", versicherte Christophe ihm. "Ohne einen speziellen elektronischen Schlüssel kann es nicht geöffnet werden und seine Reichweite ist nahezu unbegrenzt." Er griff in die Kiste, in der das Armband gewesen war, und holte ein kleines schwarzes Gerät von der Größe einer Fernbedienung heraus. Die obere Hälfte des Teils war ein mit Glas abgedeckter Bildschirm, während die untere fast nur aus Knöpfen bestand.  Christophe drückte auf einen davon und ein leises Summen ertönte, als der Bildschirm aufleuchtete und ein neongrünes Netz aus sich kreuzenden Linien darauf erschien. Genau in der Mitte des Bildschirms blinkte ein kleiner roter Punkt.

Mulder wusste haargenau, für was dieser Punkt stand.

Christophe ließ das nun aktivierte Gerät in seine Tasche gleiten. "So kann ich sicher sein, dass Sie sich nicht vorzeitig aus dem Staub machen."

Mulder sah Christophe noch einmal an und nickte kurz, bevor er sich von ihm abwandte und versuchte, über eine Fluchtmöglichkeit nachzudenken.

 

 

Rebecca tauchte das Blatt in die Entwicklungsflüssigkeit und schob es hin und her, um das Papier gleichmäßig in der Flüssigkeit zu halten. Nach zwei Minuten holte sie das Blatt mit einer Zange aus seinem Bad und ließ die Flüssigkeit abtropfen. Vorsichtig legte sie es ins nächste Bad und dann auf ein Tablett. Nach fünf Minuten sah sie mit gewohnter Begeisterung zu, wie sich das Bild auf dem Papier entwickelte und mehrere Reihen kleiner Bilder zum Vorschein brachte. Mit einem zufriedenen Lächeln hob sie den nassen Lappen aus dem Bad und hängte ihn neben die der anderen Filme, die sie gemacht hatte. Fast geschafft, dachte sie und war mit der Arbeit am heutigen Nachmittag zufrieden. Sie hatte sechs Filme entwickelt und obwohl sie auf den Kontaktstücken nicht richtig erkennen konnte was drauf war, bevor sie nicht ganz trocken waren, schien es ihr, dass diesmal nur sehr wenige Bilder dabei waren, die nichts geworden sind. Am Ende würden sie natürlich nicht unbedingt alle gebraucht werden, aber es war immer gut eine Auswahl zu haben.

Als sie ein Gewicht an den unteren Rand des Blattes befestigte, damit es nicht zerknittert, hörte Rebecca ein leises Knurren. Sie drehte sich um und blickte über ihre Schulter. Tucker war von seinem Nickerchen erwacht. Er stand nun auf allen Vieren und blickte neugierig zur Tür.

"Was ist denn los, Tucker?" fragte Rebecca. "Hast du etwas gehört? Hast du Dad gehört?"

Tuckers abermaliges Knurren vermittelte mehr als nur ein bisschen Ungeduld.

"Das hoffe ich auch", antwortete Rebecca ihm. Sie verstand genau, was der Hund meinte. "Er ist schon so lange weg." Obwohl sie noch nichts Ungewöhnliches hörte, vertraute Rebecca auf Tuckers Instinkt und sein extrem scharfes Gehör, und ihr Lächeln wurde zu einem erwartungsvollen Grinsen. Sie musste zwar zugeben, dass sie mehr Arbeit schaffte, wenn Elliot fort war, aber das würde sie freiwillig für seine Anwesenheit opfern. Die letzte Buchvorstellungsreise schien Ewigkeiten gedauert zu haben. Zehn endlos lange Tage, gespickt von lediglich kurzen Telefongesprächen, der nicht im Geringsten der Sehnsucht nacheinander abhalf.

"Wenn wir ihn nur in ein Flugzeug kriegen würden", sagte Rebecca zu Tucker, "würde diese ganze Reiserei nicht immer so lange dauern. Willst du mir dabei helfen?"

Tucker bellte einige Male aufgeregt und ging vor der Türe im Kreis herum.

"Okay", sagte Rebecca und putzte sich die Hände ab. "Hört sich nach einem guten Plan an."

Sie öffnete die Tür des Dunkelzimmers und blinzelte, als das Sonnenlicht durch die Fenster des Studios in ihre Augen fiel. Tucker folgte ihr heraus und sie schloss die Tür schnell hinter sich zu, obwohl das Licht den trocknenden Bilder nichts mehr ausmachte. Zufrieden blickte sich Rebecca in der umgebauten Scheune um, die jetzt ihr Studio war. Das Word 'Scheune' war vielleicht etwas übertrieben, aber von einem einfachen 'Schuppen' konnte man auch nicht reden. Es war ein ungefähr 27 Quadratmeter großes rechtwinkliges Gebäude, deren Hälfte etwa aus dem Dunkelzimmer bestand. Im übrigen Teil lagen alle möglichen Fotoausrüstungen verstreut: Kameras und Rahmen und Stative, die Tische waren mit Büchern, Ausdrucken und Layouts übersät, Flaschen mit Entwicklungsflüssigkeiten, Fixier- und Reinigungsmittel, alte Marmeladengläser, in denen Stifte und Pinsel steckten. Die Holzwände waren hell gestrichen, die roten Kreuztragbalken ein Kontrast zu den grünen Leisten und blauen Einfassungen an den Fensterbrettern. Fotos in alles Formen und Größen zierten die Wand, einige in glänzend gelbe oder violette Rahmen eingefasst, andere beschattet mit professionellen schwarzen Rahmen oder mit Glas verkleidet. Der Holzboden war an den Stellen abgenutzt, an denen er am meisten begangen wurde: zwischen der Tür und dem Waschbecken und dann wieder neben dem großen Steinofen, der das meiste der gegenüberliegenden Ecke beanspruchte.

Nicht weit von dem Ofen war eine geländerlose Treppe, die steil auf den darüberliegenden Dachboden führte. Er war halb so groß wie das Studio, und sein Holzboden wurde von  mächtigen Holzbalken gestützt, die am Dach des Studios deutlich sichtbar waren. Rebecca konnte von ihrem Standort neben der Tür des Dunkelzimmers genau in den oberen Raum sehen. Es gab nur ein sehr klappriges Geländer, das den Blick dorthin nicht gerade verstellte. Oben stand ein antikes eiseneingefasstes Bett in der Mitte des Zimmers mit einem passenden Nachttisch und einem kleinen Armsessel daneben. Nicht besonders viel, dachte Rebecca, aber es reicht. Sie hatte am Morgen das Bett frisch bezogen, das jetzt warm und einladend aussah.

Tucker kratzte an der Tür zum Schuppen. Rebecca schob den Riegel auf und drückte dann mit einer Hand auf die Tür. Endlich frei rannte der Hund in vollem Tempo über das trockene Gras auf das Tor unten am Hügel zu. Das kleine Haus war zu Rebeccas großer Freude etwa fünfzehn Meilen von Santa Fe entfernt. Sie waren nahe genug an der Stadt, um Besorgungen zu machen und weit genug davon weg, um die Schönheit der Wüste unverfälscht zu lassen. Ihre nächsten Nachbarn wohnten etwa in einer Meile Umkreis und am Nordende ihres Besitzes begannen bereits scheinbar endlose Bergketten. Als leidenschaftlicher Wanderer liebte Rebecca nichts mehr als lange Wandertouren durch die Berge, auf denen sie versteckte Höhlen und verlassene Minen erkundete und auf einen nach dem anderen Hügel stieg, um die atemberaubende Aussicht zu genießen.

Rebecca hatte es sich zur Gewohnheit gemacht, die Scheune mit je einem anderen Schlüssel für die beiden Schlösser abzuschließen. Cooper hatte die Schlösser bereits angebracht, bevor er überhaupt das Dunkelzimmer oder das Loft gebaut hatte, um ihre wertvolle Kameraausrüstung vor Diebstählen zu bewahren.

Als Rebecca Tucker den Hügel hinunter folgte, musste sie an Elliots kurzen Anruf zuvor denken. Sie hatten nur kurz miteinander geredet und sie war gerade dabei gewesen ihn zu necken, wie sie es immer tat, als er ihr das Wort abschnitt.

"Beck, hör zu", hatte er gesagt und sie hatte hören können, dass er sich überwinden musste, um ihr etwas zu sagen. "Ich bringe jemanden mit, der eine kurze Zeit bei uns bleiben wird."

"Wen?" hatte sie gefragt, aber er war nicht besonders detailliert gewesen.

"Eine Freundin", hatte er ihr geantwortet. "Jemand, den ich im Zug getroffen habe. Sie... sie bräuchte für ein paar Tage eine Unterkunft."

Rebecca hatte ungeduldig geseufzt. "Elliot! Was soll das heißen? Ein Mädchen, das du im Zug getroffen hast? Eine völlig Fremde?"

"Es ist sehr kompliziert, Beck. Du musst mir vertrauen. Ich kann jetzt nicht darüber reden." Diese Bemerkung hatte sie irgendwie beunruhigt, weil es so völlig untypisch für Elliot war. Normalerweise wollte er immer über alles und alle reden, jederzeit und möglichst detailliert. "Ich werde dir alles erklären, wenn ich da bin. Ich verspreche es."

Sie.... Das Wort rumorte in Rebeccas Kopf und sie rückte die Spange in ihrem langen Haar zurecht. Es machte ihr nicht wirklich etwas aus, dass Elliots mysteriöse Bekanntschaft eine Frau war. Nach vier Jahren des Zusammenseins und fast zwei Jahren des Zusammenlebens war sie sich in ihrer Beziehung sicher und sie wusste, dass Elliot sie genauso liebte wie sie ihn. Außerdem war es typisch für Elliot, immer eine offene Tür für jemand völlig Fremden zu haben. Er war der großherzigste Mensch, den sie kannte. Er war immer bereit, seine Zeit, seine Fähigkeiten oder auch sein Geld zu opfern, um jemandem zu helfen, die Schwächeren zu unterstützen und sich für Unterlegene einzusetzen. Er sprühte dann immer vor Enthusiasmus. Es war eines der Dinge, die Rebecca so sehr an ihm mochte. Sie war eine eher bemessene Person und sie brauchte immer einige Zeit, um sich anderen zu öffnen—aber nicht Elliot. Man könnte ihn bereits nach fünf Minuten nach dem Kennenlernen adoptieren, heiraten oder einfach so nach Hause nehmen.

Rebecca lachte in sich hinein, als sie sah, wie sich das Motorrad näherte und wieder einmal bewunderte sie Tucker für seine Fähigkeit, die Rückkehr seines Herrchens zu wittern. Das Motorrad fuhr auf das Tor zu und Rebecca winkte den beiden zu, als sie das Tor aufmachte. Sie zog es voll auf und ließ das Gefährt herein. Tucker drehte sich aufgeregt im Kreis, als sie das Tor wieder schloss und rannte dann auf die Scheune zu, wo Elliot neben ihrem verbeulten blauen Jeep angehalten hatte.

Elliot kletterte herunter, zog den Helm aus und hängte ihn an das Lenkrad.  Dann half er seiner Begleiterin, als sie etwas unbeholfen von dem Motorrad stieg. Als Rebecca näherkam, nahm ihr Elliot gerade vorsichtig den Helm vom Kopf, so dass ihr dunkles Haar frei auf ihre Schultern fiel. Sie war klein, trug Jeans und einen blauen Mantel und sie sah überhaupt nicht so mysteriös aus, wie Rebecca nach Elliots ausweichender Beschreibung erwartet hatte.

"Hey!" rief Rebecca und Elliot sah mit einem breiten Grinsen auf.

"Selber hey", antwortete er. Er fuhr sich mit der Hand durch seine blonden Haare und rückte sich etwas verlegen seine Brille zurecht.

Tucker erreichte sie nun und sprang aufgeregt bellend auf und ab. Der plötzliche Lärm schien die Frau zu erschrecken und sie griff erschrocken in einer so besitzergreifenden Art und Weise nach Elliots Arm, dass Rebecca die Stirn runzelte.

"Ist schon in Ordnung, Lisa", hörte Rebecca ihn sagen, als sie näherkam.  "Das ist nur Tucker, unser Hund... er wird dir nichts tun." Er beugte sich vor, um Tucker hinter den Ohren zu kratzen und zog die Frau mit sich, so dass sie jetzt neben ihm hockte. Elliot hielt Tucker am Halsband und legte die Hand der Frau auf den Rücken des Hundes. "Er ist ein guter Junge, stimmt's Tucker?"

Rebecca erreichte sie nun ebenfalls. Elliot stand auf, um sie zu begrüßen und er umarmte sie. "Beck...." murmelte er sanft, bevor er sie küsste. "Ich habe dich vermisst..."Eine Mischung von Sehnsucht und Verlangen stand in seinen braunen Augen, die offensichtlich genug war, um ihr das Blut ins Gesicht schießen zu lassen.

"Ich habe dich auch vermisst." Rebecca küsste ihn noch einmal und drehte sich dann zu der Frau um, die immer noch den Hund streichelte. "Hi", begrüßte sie sie. "Ich bin Rebecca. Rebecca Montoya. Aber du kannst mich auch gerne Beck nennen wie alle meine Freunde."

Die Frau hielt für einen Augenblick inne und stand dann langsam auf, eine Hand tastete hinter sich nach dem Motorrad, um es als Halt zu benutzen.  Rebecca hielt ihre Überraschung zurück, als sie sah, dass sie blind war.

"Hi", antwortete sie und streckte ihre Hand vor sich aus. "Ich bin Lisa. Lisa Wilder."

Rebecca brauchte einen Moment, um sich von dem Anblick der leeren Augen zu erholen, dann schüttelte sie fest ihre Hand. "Schön, dich kennenzulernen, Lisa." Rebecca sah zu Elliot und bemerkte sein zustimmendes Nicken. Die Hand der Frau war kühl und Rebecca schüttelte bedauernd den Kopf. "Dir muss ja richtig kalt sein nach der langen Fahrt. Ich hoffe, Elliot ist nicht wie ein Verrückter gefahren."

Lisa lächelte ein wenig. "Es war nicht so schlimm."

"Du brauchst mir nichts vorzumachen, Lisa. Ich bin auch damit gefahren, ich weiß wie er fährt." Rebecca lächelte auf Lisas nervöses Lachen hin. "Kommt, lasst uns rein gehen."

Elliot deutete auf die Tasche auf dem Gepäckträger des Motorrads. "Könntest du bitte Lisas Tasche nehmen, Beck?" sagte er, als er seinen Rucksack schulterte, in einer geschmeidigen, glatten Bewegung Lisas Arm nahm und sie mit einer Geschicklichkeit, die Rebecca überraschte, vorsichtig auf das Haus zu führte.

"Klar", erwiderte Rebecca, warf Elliot einen Blick zu und hob erstaunt eine Augenbraue, als sie nach der Tasche griff. Es war ihr berühmter du-hast-wieder-mal-eine-lange-Erklärunge-vor-dir-Blick und sie wusste, dass er ihn gesehen hatte. Mit Tucker auf den Fersen trug Rebecca die Tasche und ging neben ihnen her zum Haus.

 

 

Ende von Teil 1...

 

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GETEILTE WEGE (2/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Scully konzentrierte sich auf Elliots Schritte und versuchte, sich seinem Rhythmus anzupassen. Sie konnte hören, wie der Hund neben ihnen herumtollte und sie hoffte, dass ihr das Tier nicht in den Weg laufen und sie stolpern würde. Sie war müde, sehr müde, und es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, seit Mulder sie an diesem Morgen geweckt hatte.

Mulder... schon allein beim Gedanken an ihn zog sich ihr Herz zusammen. Scully atmete lang und bedacht durch und versuchte ihre Angst lange genug zu verdrängen, um sich auf ihre Schritte zu konzentrieren.

"Okay, Lisa", hörte sie Elliot sagen. "Hier sind jetzt drei Stufen und dann sind wir in der Küche."

Scully nickte. "Ich halte die Tür auf", sagte Rebecca. Scully hörte das Knarren einer Tür, die geöffnet wurde und dann wieder Rebeccas Stimme.  "Nein, Tucker, du bleibst draußen. Guter Junge."

Scully hielt weiterhin an seinem Arm fest, als sie Elliot die Treppe hinauf folgte, und sie war erleichtert, als sie in dem warmen Raum stand. Elliot ließ sie los und Scully hörte, wie etwas Schweres auf den Boden fiel. Sie nahm an, dass es sein Rucksack war. "Beck?" fragte er. "Wo soll ich..."

"In unser Zimmer", antwortete Rebecca, und Scully hörte einen Hauch von Ärger in ihren Worten. "Das Studio ist offensichtlich nicht angebracht."

"Glaube ich auch nicht", erwiderte Elliot. "Beck..."

Sie schnitt ihm das Wort ab und Scully erkannte den Ton in ihrer Stimme wieder. Es war der, den ihre Mutter immer gebrauchte, wenn sie wütend auf ihren Vater war. Wenn es etwas gab, worüber sie sprechen wollte, das aber nicht in Gegenwart der Kinder tun wollte. "Warum quartierst du Lisa nicht ein und ich mache uns etwas zu essen."

"Okay", antwortete Elliot und Scully fühlte, wie er wieder ihren Arm nahm. Als sie gehen wollten, fragte Elliot, "Ist Coop heute nicht dran mit Kochen? Wo ist er?"

"Er kommt heute später", sagte Rebecca. "Und ich habe angenommen, dass ihr nicht warten wollt."

"Habe ich dir jemals gesagt, dass du ein Genie bist?" Scully hörte daraufhin Rebeccas Lachen, und hörte dann das unverwechselbare Geräusch eines Kusses.

"Nicht in den letzten zehn Minuten", neckte Rebecca. "Aber Komplimente werden dich nicht vor dem Geschirrspülen bewahren."

Scully wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte, weil sich die Spannung etwas gelöst hatte oder ob es ihr peinlich sein sollte, weil sie die Ursache dafür war. Es schien, dass letzteres die Oberhand gewinnen würde. Als Elliot sie wieder beim Arm nahm, folgte sie ihm dankbar und hörte zu, wie er ihr die Einrichtungen im Haus erklärte.

"Wir kommen normalerweise alle durch die Küchentüre rein—wohl aus Gewohnheit. Es gibt vier Türen in der Küche", sagte Elliot und führte sie an jeder einzelnen vorbei. "Die erste ist die, wodurch wir hier rein gekommen sind. Dann gibt es an der hinteren Wand eine Tür zur Waschküche.  Die Tür an dieser Wand führt in den Flur, die Tür genau gegenüber führt ins Esszimmer. Da essen wir später." Scully hörte ihm genau zu und versuchte, ein Bild des Zimmers in ihrem Kopf zu malen.

"Jetzt sind wir im Flur. Das hier ist das Foyer. Und hier ist die Eingangstür." Scully streckte eine Hand aus und berührte das Holz der Tür und nickte dann ihr Verständnis. "Der Flur ist L-förmig. Wenn man die Tür als den Punkt nimmt, an dem die beiden Linien zusammenkommen, ist zu deiner Linken die kurze Seite, die in dem großen Esszimmer endet."

Elliot nahm wieder ihren Arm und führt sie das hinunter, was Scully für die lange Seite des L-förmigen Flurs hielt. Sie konnte die Tasche gegen sein Bein klopfen hören, als sie gingen. "Okay, obwohl der Flur hier ziemlich lang ist, ist es ganz einfach. Die erste Tür ist die zu Coopers Zimmer, und die zweite ist die Tür zum Badezimmer."

"Coopers Zimmer hat eine gemeinsame Wand mit dem Esszimmer, hab ich recht?" fragte Scully und hoffte, dass sie ihre Karte richtig gezeichnet hatte.

"Ganz genau." Elliot schien sich zu freuen und Scully lächelte. "Wenn du den Gang von dieser Seite hinunter gehst, gibt es nur eine Tür auf der linken Seite. Da ist unser Zimmer, Becks und meines. Das wird dein Zimmer sein, solange du hier bist."

Scullys Lächeln verschwand. "Ich möchte euch nicht aus eurem eigenen Zimmer vertreiben", widersprach sie.

"Mach dir darüber mal keine Sorgen", sagt Elliot und Scully hörte, wie sich die Tür öffnete. "In Becks Studio steht ein Bett, wir können dort schlafen." Scully wollte protestieren, aber er sprang ihr ins Wort. "So ist es einfacher, glaub mir. Und ein Badezimmer gibt es hier auch, also brauchst du nicht immer in den Flur."

Scully ließ sich widerwillig von Elliot in das Zimmer führen und er beschrieb ihr die Details. Das Bett stand an der Wand gegenüber, und die Tür zum kleinen Badezimmer war in der hinteren Ecke. Das Badezimmer nahm genauso viel Platz ein wie der große Wandschrank auf der Gegenseite, was aus dem viereckigen Raum eher ein Rechteck machte. Für Scully hörte es sich an, als sei der Boden genau wie im Rest des Hauses ein Holzfußboden, aber hier schienen einige Flickenteppiche zu liegen. Die verschiedenen Texturen des Bodens brachten Scully aus dem Gleichgewicht und sie erkannte, dass sie sich schnell an ihre neue Umgebung gewöhnen musste.

"Ich stelle deine Tasche aufs Bett", schloss Elliot. "Handtücher und so weiter sind im Badezimmer, aber wenn du etwas brauchst, sag Bescheid."

Scully nickte und ging zurück zum Bett, wo sie sich seufzend fallen ließ und ihren Mantel auszog.

"Alles in Ordnung?" fragte Elliot besorgt.

"Ja, es geht mir gut", antwortete Scully und zwang sich zu einem Lächeln.

"Du bist eine große Hilfe, Elliot, ehrlich. Ich bin nur ein bisschen müde."

"Ja, ich auch", erwiderte Elliot. "Ich lass dich dann mal eine Weile allein. Beck und ich lassen dich wissen, wenn das Essen fertig ist."

"Danke", sagte Scully und hörte wie die Tür ins Schloss fiel und Elliot Schritte sich entfernten. Endlich allein blieb Scully für eine lange Zeit sitzen. Sie spürte die Diskette in ihrer Hosentasche und sie berührte sie mit zitternden Fingern. Sie musste daran denken, was diese Diskette bedeutete. Erschöpft drehte sie sich um, legte sich mit dem Gesicht nach unten auf das Bett und vergrub es in einem der Kissen. Sie atmete tief durch und inhalierte den frischen Duft der sauberen Bezüge.

<MulderMulderMulder>

Sie drückte das Kissen ganz fest an sich und ließ endlich ihren Tränen freien Lauf.

 

 

Der Bahnhof in Tucson war brechend voll. Voll von hunderten eiliger Menschen. Mulder ging neben Christophe und seinen Assistenten her. Kurz vor der Landung hatte man ihm normale Zivilklamotten verpasst, die er jetzt trug. Ein dritter Mann, der auf dem Flug hinzugekommen war, war mit dem unscheinbaren Auto zurückgeblieben, in dem sie zum Bahnhof gefahren waren. Mulder war froh über diese Tatsache, denn immerhin schien es ihm einfacher, zwei Männern zu entkommen, anstatt dreien.

Nicht, dass er großartige Chancen dazu hätte. Christophe war während der ganzen Zeit nicht von seiner Seite gewichen und hatte ihm ständig die Pistole in den Rücken gehalten und Mulder war sich im Klaren, dass sein Assistent nicht weniger aufpasste. Und obwohl sein langärmliges Hemd das Sicherheitsarmband verdeckte, das er trug, konnte Mulder es nicht vergessen.

Das Timing war ein wenig daneben, denn der Sunset Limited war bereits im Bahnhof. Ohne Zeit zu verlieren erreichten sie den Bahnsteig, wo die Passagiere bereits ausstiegen.

"Sieh dich in der Menge nach jemandem um, der ihrer Beschreibung entspricht", befahl Christophe seinem Assistenten, der sich augenblicklich in der anonymen Menschenmenge rar machte.

Als sie den Schaffner fanden, hielt Christophe ihm einen Ausweis hin, der offensichtlich seinen Zweck erfüllte. Widerwillig ließ der Schaffner sie den Zug durchsuchen. Sie sahen in jedem Abteil nach, doch fanden keine Spur von Scully.

"Sie ist nicht hier", sagte Mulder, der zugleich erleichtert aber auch enttäuscht war.

Doch das stellte Christophe keineswegs zufrieden. "Wir müssen mit allen Zugbegleitern dieses Zuges sprechen, bevor Sie weiterfahren", verlangte er von dem Schaffner.

"Das ist aber keine normale Vorgehensweise", protestierte dieser. Er konnte seine Gereiztheit über die Verspätung kaum verbergen.

"Bedauerlicherweise", erwiderte Christophe ruhig, "ist das hier auch keine normale Situation."

Mit der Geschwindigkeit eines Profis marschierte Christophe durch alle Befragungen. Erst die vierte Zugbegleiterin war aufschlussreicher als die anderen.

"Ich glaube, ich weiß, von wem sie reden", sagte die Frau und fummelte nervös an ihren blonden Locken. "Da war eine Frau in einer der oberen Kabinen—sie hat auf ihren Mann gewartet. Sie hat gedacht, dass er vielleicht den Zug verpasst haben könnte."

Mulder blieb bei ihren Worten das Herz stehen, doch bevor er irgendetwas sagen konnte, ergriff Christophe das Wort.

"Es tut mir Leid", sagte er. "Ich habe wohl Ihren Namen vergessen."

"Sheila", antwortete die Frau.

"Sheila", fuhr Christophe fort, "konnten Sie den Ehemann der Frau ausfindig machen?"

"Nein", sagte Sheila. "Es gab keine Spur von ihm, weder im letzten Bahnhof noch in dem nächsten."

"Können Sie sich erinnern zwischen welchen Bahnhöfen das war?"  fragte Christophe.

"Hmm... " Sheila legte den Kopf zur Seite und schloss für einen Moment die Augen, als sie nachdachte. "Es war irgendwann um El Paso, glaube ich." Sie öffnete wieder die Augen und lächelte. "Es tut mir Leid. Es ist nur so, dass ich für sehr viele Reisende verantwortlich bin, dass ich ein wenig durcheinander bin. Der einzige Grund, warum ich mich an sie erinnere ist, dass ich es nicht für sehr sicher hielt, dass sie alleine unterwegs war."

Panik schnürte Mulder fast den Hals zu. Er wollte sie nicht noch mehr über Scullys Zustand verraten lassen. "Was ist ihr passiert?"

Sheila zuckte die Schultern und blickte entschuldigend drein. "Sie hat mir gesagt, dass sie ihre Mutter in Tucson treffen würde. Ich habe sie danach nicht mehr gesehen. Ich nehme an, dass sie hier ausgestiegen ist."

Christophe sah zu Mulder. Ein langer, durchdringender Blick, bevor er sich wieder Sheila zuwandte. "Danke sehr, Sheila. Sie waren eine große Hilfe."

"Keine Ursache", antwortete sie. "Ich muss jetzt aber wirklich wieder zurück, ist das okay?"

"Ja, natürlich", antwortete Christophe schmeichelnd.

Als die Frau wieder in den Zug stieg, kehrte der Assistent zurück. "Keine Spur von ihr, Sir", berichtete er.

Christophe wandte sich an Mulder. "Was meinen Sie", sagte er. "Ist sie wirklich hier in Tucson ausgestiegen oder eher vorher?"

Mulder zögerte. Er wusste nicht, was er antworten sollte. "Ich glaube, wir sollten hier anfangen zu suchen ", sagte er letztendlich. "Sheila ist sich immerhin ziemlich sicher, dass sie von diesem Bahnhof hier geredet hatte."

Christophe blickte ihn für einen langen Moment an und sah dann zu seinem Assistenten. "Beschaff' mir eine Liste mit allen Haltestellen zwischen El Paso und hier und komm dann zum Flugzeug, wenn alles erledigt ist." Zu Mulder sagte er dann, "Wir fangen hier an. Um unser beider Willen sollten wir sie schnell finden."

 

 

Skinner marschierte ungeduldig hinter seinem Schreibtisch hin und her und beobachtete, wie der Computerfachmann vor ihm die Befehle in die Tastatur haute und wie sich ein Bild auf dem Bildschirm entwickelte. Langsam nahm das Gesicht eines Mannes Formen an. Es war ein Mann mit dunklen Haaren und olivfarbener Haut. Ein Mann, der fast fremd in seiner Erscheinung wirkte. Wer war dieser Typ, fragte er sich, wer hat sich als Skinner ausgegeben und Mulder aus einem Gefängnis in Texas geschleust? Wer war er und wessen Befehle befolgte er?

Skinner war sich nicht sicher, ob er die Antwort überhaupt hören wollte.

Es war zugleich auch frustrierend, denn er war seit Ewigkeiten nicht mehr in Mulders oder Scullys Nähe gewesen. Die anfängliche Freude, die er empfunden hatte, als der Anruf ihn erreichte, war augenblicklich gedämmt worden, als er erfahren hatte, dass es von Scully nichts Neues gab. Aber er hatte gehofft, Mulder könnte den Lückentext füllen. Er hatte gehofft, Mulder könnte Klarheit in die Situation bringen.

Und jetzt war Mulder unerklärlicherweise wieder verschwunden. Und Skinner wurde das Gefühl nicht los, dass er wieder von vorne anfangen musste.

"Und? Ist er es?" polterte Skinner ungeduldig.

Die Frage war an Rusty Hackett gerichtet, den Polizeichef von El Paso, der genau neben Skinner im Büro der örtlichen FBI-Zweigstelle stand. "Sieht ganz nach ihm aus", sagte dieser, aber er klang nicht sonderlich überzeugend. "Ich habe ihn nur einen Moment gesehen, wissen Sie. Und ich hatte keinen Grund, ihn zu verdächtigen. Er hatte einen Ausweis dabei."

"Ich verstehe." Skinner bemühte sich, nicht zu laut zu werden und nicht die Geduld mit Hackett zu verlieren. "Aber das hier ist sehr wichtig. Also wäre es gut, wenn Sie sich ein wenig sicherer wären, ob das hier eine zutreffendes Phantombild ist oder nicht."

"Ja, es trifft ganz gut zu", sagte Hackett. "Ich würde ihn nur ein wenig...  ich weiß nicht... ein wenig intensiver machen."

"Was soll das heißen?"

"Naja, er hatte etwas an sich, etwas in seinen Augen, glaube ich. Etwas, dass ein Nein nicht als Antwort duldet." Hackett sah zu Skinner auf, bevor er weiter sprach. "Verdammt, ich war nicht weit davon entfernt, seine Story zu glauben. Sie haben auch so einen Blick."

 

 

Elliot ging in die Küche und fuhr sich mit der Hand durch sein immer noch feuchtes Haar. Er hatte in Coopers Badezimmer geduscht und versucht, das Unvermeidliche so lange wie möglich aufzuschieben. Er wusste genau, dass er es ihr nicht länger vorenthalten konnte.

Die Küche war erfüllt von einem wohlriechenden Aroma und Elliot zog genüsslich den Duft ein. "Mmmm", machte er erfreut. "Was gibt es zum Abendessen?"

"Paella", antwortete Rebecca vom Herd aus. "Ich weiß, die hast du am liebsten."

Etwas von der Spannung, die Elliot befallen hatte, löste sich bei ihren Worten von ihm. Er blickte sie an, wie sie am Herd stand und mit dem Kochlöffel das Gemüse in der Pfanne umrührte. Sie hatte eine langärmlige, cremefarbene Bluse, die am Kragen mit kleinen Blümchen bestickt war unter ihrem Lieblings-Overall an. Ihr langes, dunkel gelocktes Haar, das er so bewunderte, war zu einem Pferdeschwanz zusammengesteckt, der ihr am Rücken herunter hing und einige widerspenstige Strähnen, die der Spange entkommen waren, umrahmten ihr gebräuntes Gesicht. Sie sah ihn an mit dunklen, fast schwarzen Augen und mit einer Intensität, die Elliot nur zu gut kannte.

"Danke", sagte er als Einleitung für das bevorstehende Gespräch. "Soll ich schon mal den Tisch decken?"

"Gleich", sagte sie und nahm den Holzlöffel aus der Pfanne, bevor sie sie mit einem Deckel bedeckte. Sie drehte die Herdplatte niedriger und durchquerte dann den Raum zu der Stelle, wo er an der Wand gelehnt stand.  "Also", begann sie. "Erzähl mir doch erst einmal, was hier eigentlich los ist."

Elliot nahm ihr Hände in seine. Er wollte wirklich, dass sie verstand, was er getan hatte und er hoffte, dass sie ihm glauben würde, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Er sprach langsam und dachte über jeden Satz nach, den er sagte, als er ihr von der Zugreise erzählte. Wie er Rick und Lisa im Speisewagen getroffen hatte. Wie Lisa in sein Zimmer gekommen war und die Geschichte, die sie ihm erzählt hatte. Er ließ nichts aus, er wollte, dass Rebecca es genauso erfuhr, wie er es erlebt hatte und er hoffte, dass sie denselben Entschluss fassen würde.

Als er endete, schwieg sie. Während er erzählt hatte, hatte sie seine Hände losgelassen und war zu ihrem gewohnten Platz neben dem großen Tisch gegangen, der in der Mitte des Raumes stand. Sie saß immer noch da und fingerte nachdenklich an ihren Locken, die sie an dem langen Zopf an ihrem Rücken erreichte. Als sie endlich sprach, waren ihre Worte leise. "Was, glaubst du, ist ihm passiert?"

"Ich weiß es nicht", sagte Elliot mit einer hilflosen Geste und einem Schulterzucken. "Irgendwie denke ich immer noch, dass er sie verlassen hat. Einerseits schien es mir zwar, dass sie sehr verliebt sind—die große Liebe, weißt du?" Als Rebecca nickte, fuhr er fort. "Aber andererseits glaube ich nicht für eine Sekunde, dass sie wirklich verheiratet sind. Sie hatten keine Ringe. Okay, das beweist am Ende gar nichts, aber irgendwie hat mich die Art gestört, wie sie es sagten. Als ob es etwas sei, woran sie sich erst gewöhnen mussten, aber nicht wirklich."

"Aber warum sollten sie dich belogen haben?" Rebecca verstand es nicht.

"Hmm. Wenn sie wirklich in so großen Schwierigkeiten sind, wie Lisa behauptet, dann können sie wohl keinem vertrauen."

Rebecca sprang vom Tisch und ging wieder zum Herd. Sie hob den Deckel und sah nach dem Gemüse. "Sie vertraut dir."

Dieser einfache Satz lag wie ein Gewicht auf Elliots Schultern, als er hinüber zu dem Weinregal in der Ecke ging. Er zog eine Flasche heraus, stellte sie auf den Tisch und öffnete die Schublade auf der Suche nach einem Korkenzieher. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern fischte Rebecca den Korkenzieher aus einer anderen Schublade und reichte sie ihm.

Elliot lächelte dankbar, aber er ließ Rebeccas Bemerkung unbeantwortet und er konnte sehen, dass sie seine Schweigsamkeit störte. "Elliot!" Sie legte eine Dringlichkeit in ihre Stimme, dass er aufsah.

"Was sollte ich machen, Beck?" Elliot griff nach zwei Weingläsern aus dem Regal und stellte sie mit einer solchen Wucht auf den Tisch, dass sie fast zersprungen wären. "Ich konnte sie nicht in dem Zug allein lassen. Ich konnte es einfach nicht!"

"Und warum nicht?" Rebecca starrte ihn an. "Es ist nicht deine Aufgabe, die Welt zu retten, Elliot. Das war sie nie gewesen. Das hier ist etwas verdammt anderes als einen streuenden Hund nach Hause zu bringen und ihn behalten zu wollen."

"Beck!"

"Ich meine es ernst, Elliot! Das hier ist vollkommen lächerlich", wirbelte Rebecca mit funkelnden Augen. "Du triffst eine blinde Frau in einem Zug, die dir irgendeine hirnverbrannte Story über ihren vermissten Mann erzählt und du bringst sie nach Hause. Du weißt *überhaupt* nichts von ihr! Das könnte alles eine abgekartetes Spiel aus Gott weiß welchem Grund sein!"

Elliot hatte den Wein bereits in ein Glas geschüttet und hielt die Flasche jetzt über das andere, doch ihre Worte stoppten ihn. "Denkst du nicht, dass ich das weiß?" Er hielt inne, die Wut stieg nun auch in ihm auf und seine Worte waren eiskalt. "Ich *weiß* das. Ich habe über alles nachgedacht. Und ich habe getan, was ich tun musste."

Rebecca hatte die Arme vor ihrer Brust verschränkt, aber ihre gekreuzten Arme konnten nicht verbergen, dass sie anfing zu zittern. "Hast du je darüber nachgedacht, was es bedeutet, wenn sie wirklich die Wahrheit sagt?"

Elliot sagte nichts. Er blieb stehen wo er war, eine Hand immer noch im festen Griff um die Weinflasche.

"Wenn jemand hinter ihr her ist.... gefährliche Leute, wie du sagst...." Rebecca konnte den Satz nicht zu Ende sprechen und erst jetzt erkannt Elliot, dass sie Angst hatte. "Ist dir nie in den Sinn gekommen, dass sie ihr hierhin folgen könnten?"

Elliot war mit vier Schritten bei ihr und nahm sie in die Arme. Er ließ ein erleichtertes Seufzen frei, als sie ihn ebenfalls umarmte, ihn an sich heranzog und ihren Kopf auf seine Schulter legte. "Ich habe darüber nachgedacht, Beck", murmelte er ihr ins Ohr. "Seit dem Moment, in dem sie es mir gesagt hat und während des ganzen Weges hierher. Ich habe nie aufgehört, daran zu denken. Und es macht mir auch Angst."

Elliot löste sich etwas von ihr und streichelte zärtlich ihre Wange. "Aber weißt du, was mir geholfen hat, diese Entscheidung zu treffen?" Rebecca schüttelte den Kopf und ihr Gesicht rieb sanft gegen seine Handfläche. "Du, Beck. Ich habe immerzu daran gedacht, dass ich wollen würde, dass Rick es für dich täte, wenn du in dieser Situation wärest. Und da habe ich gewusst, dass ich keine andere Wahl hatte."

Rebecca hielt seinen Blick und Elliot war sich sicher, dass er Tränen in ihren Augen sah, aber sie sah weg, bevor er sich sicher sein konnte. Sie vergrub ihr Gesicht in seinem Hals und küsste ihn sanft. "Ich weiß", murmelte sie, ihre Stimme gedämpft an seinem Körper. "Und ich liebe dich dafür."

Elliot hob mit einer Hand ihr Kinn und küsste sie innig. Er war wie immer dankbar für ihre Klugheit und für ihr Verständnis. Rebecca lächelte ihn an und drückte seine Hand, bevor sie sich wieder dem Herd zuwandte. "Das beantwortet allerdings immer noch nicht die Frage, was wir tun sollen. Wie können wir ihr helfen, wenn wir nicht wirklich wissen, was los ist?" Er füllte das zweite Glas mit Wein, machte die Flasche wieder zu und nahm die beiden Gläser mit zu ihr herüber. "Das können wir morgen früh herausfinden", sagte er und gab ihr eines der Gläser. "Wir reden mit ihr. Vielleicht können wir sie überreden, zur Polizei zu gehen."

"Ich gehe nicht zur Polizei."

Elliot ließ bei diesem einfachen, energischen Statement fast sein Glas fallen. Er fuhr herum und sah Lisa in der Küchentür stehen, eine Hand am Türrahmen, ihre Haare feucht von der Dusche. Sie hatte nun Khakis an und immer noch den großen grünen Sweater, den Sweater, von dem ihm plötzlich einfiel, dass Rick ihn getragen hatte.

"Lisa!" Er suchte nach Worten, er suchte nach einer Erklärung und wünschte sich, er wüsste, wie lange sie da schon gestanden und das Gespräch mitbekommen hatte.

"Es tut mir Leid, Elliot", sagte Lisa, ihre Worte knapp, aber so ruhig, als ob es ihr sehr wehtun würde, sie zu äußern. "Ich wollte Rebecca und dich nicht in meine Probleme verwickeln. Es ist nicht fair euch gegenüber."

Elliot löste seinen Blick lange genug von Lisa, um Rebecca anzusehen, die stocksteif vor dem Herd stand und so erschrocken aussah, wie er sich fühlte.

"Lisa...." Elliot wusste, dass er herumstotterte, aber er wollte das Beste daraus machen. "Es ist in Ordnung, wirklich. Wir waren nur—"

Lisa schüttelte langsam den Kopf und sie konnten die Resignation in ihrer Bewegung sehen. "Ich weiß. Glaubt mir. Aber ich kann euch nicht länger in das hier hineinziehen. Ich möchte, dass ihr mich morgen in die Stadt bringt.  Von da aus sehe ich dann weiter." Damit drehte sie sich um und ging zurück in den Flur, ihre Schritte auf dem Holzfußboden kaum hörbar.

 

 

Ende von Teil 2...

 

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GETEILTE WEGE (3/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Rebecca rührte sich nicht vom Fleck. Eine Mischung von Verlegenheit und Beschämung befiel sie. Sie starrte Elliot an, dessen Blick hinter seinen Brillengläsern schmerzerfüllt war. Die Stille des Augenblicks wurde durch die aufspringende Küchentür zerrissen. Eine kalte Brise fegte herein, gefolgt von einer bekannten Stimme.

"Was ist denn hier los? Bin ich auf einer Beerdigung gelandet?"

Rebecca drehte sich um und sah Cooper mit Tucker auf den Fersen in die Küche kommen. Er zog sich seine Buffalo Jacke aus und warf sie achtlos auf einen der Küchenstühle. Er zog sein Stirnband aus, das seine braunen Haare zusammengehalten hatte, die jetzt wirr um sein Gesicht fielen. "Hey, Mann!  Schön dich wiederzuhaben!" Als er keine Antwort erhielt, fragte er verunsichert, "Hab ich was Falsches gesagt?"

"Beck—" Ohne auf Cooper zu achten drehte sich Elliot mit einem Flehen in den Augen zu ihr. "Ich gehe besser—"

"Nein", erwiderte Rebecca und schnitt ihm das Wort ab. "Du erzählst ihm, was los ist. Es ist immerhin deine Geschichte. Ich rede inzwischen mit ihr."

Rebecca konnte Elliot ansehen, dass er protestieren wollte, doch er schwieg und nickte bloß.

Als ob überhaupt nichts los sei bemerkte Cooper, "Hier riecht's lecker. Ich glaube, ich sollte euch öfters das Kochen überlassen."

Rebecca warf Cooper ein kurzes Lächeln zu und verschwand dann im Flur.  Hinter sich konnte sie hören, wie Elliot Cooper begrüßte und ihm ein Glas Wein anbot. Die Stimmen wurden leiser, als sie den Gang hinunter auf die Türe des Schlafzimmers am anderen Ende zuging. Es schien zwar kein Licht unter der Tür durch, was normalerweise nicht gerade darauf schließen lässt, dass jemand im Zimmer war, aber Rebecca wusste es besser.

Sie klopfte leise an. "Lisa? Kann ich hereinkommen?" Zuerst erhielt sie keine Antwort, doch dann hörte Rebecca ihre leise Stimme. "Natürlich."

Rebecca drückte die Türe auf und sah Lisa mit unter sich gekreuzten Beinen im Dunkeln auf dem Bett sitzen, ihre Hände in ihrem Schoß. "Hey", sagte Rebecca vorsichtig. Lisa antwortete nicht. Sie blieb absolut still sitzen, wie eine Statue.

Rebecca machte die beiden antiken Lampen im Zimmer an, die an den Seiten des Bettes standen. Die Lampen waren zwar nicht besonders groß, aber es reichte. Lisa hatte den Kopf gesenkt und ihr dunkles Haar verdeckte ihr Gesicht. Langsam und zögernd durchquerte Rebecca den Raum und setzte sich neben Lisa aufs Bett.

Nach einem Moment hatte Rebecca Mut angesammelt und sprach. "Lisa.... ich weiß nicht, was du mitgehört hast oder was du denkst, dass du gehört hast --"

"Ich habe genug gehört", sagt Lisa. "Und du hast Recht. Es war falsch, dass ich hierher gekommen bin. Es war.... es war gedankenlos von mir, euch hier mit hinein zu ziehen."

"Nein." Dieses einzige Wort war kurz und abrupt, aber überraschend vehement. "Es war nicht falsch, dass du hierher gekommen bist, und Elliot hat auch richtig gehandelt, indem er dich mitgenommen hat. Ich... ich habe überreagiert. Ich glaube, es hat mich alles ein wenig überrascht."

"Rebecca..." Lisa hob den Kopf und wandte sich zu ihr, als ob sie ihr in die Augen sehen wollte. "Du verstehst es nicht."

"Ich muss es nicht verstehen", antwortete Rebecca, obwohl sie mehr als neugierig war, wie Lisa an den dunklen Bluterguss auf ihrer blassen Wange gekommen war. "Das ist nicht wichtig. Zumindest jetzt nicht."

 

 

Scully seufzte und fühlte sich mit einem Mal verletzlich und allein. "Doch." Sie suchte nach Worten, um es ihr zu erklären. "Es ist wichtiger als du denkst. Ich kann euch einfach nicht um so etwas bitten. Es ist nicht fair dir oder Elliot gegenüber."

"Warum lässt du uns das nicht entscheiden?" fragte Rebecca. Scully fand die Frage einerseits unglaublich lieb gemeint, aber andererseits wieder furchtbar naiv.

"Das geht nicht. Ich kann euch nicht darum bitten, für mich verantwortlich zu sein. Nicht in diesem Sinne."

Scully war überrascht, als sie eine Hand sanft auf ihrem Knie fühlte.  "Lisa... du steckst in Schwierigkeiten. Und Elliot hat Recht. Es ist egal in welchen oder warum. Ich muss die Hintergründe nicht wissen, es sei denn, du möchtest es. Ich vertraue Elliot, und ich vertraue darauf, dass er das Richtige getan hat, indem er dich hierher gebracht hat."

Vertrauen... dieses einfache Wort hallte in Scullys Kopf. So ein einfacher Begriff und doch eine so schwerwiegende Bedeutung. An jemand zu glauben, bedingungsloses Vertrauen in die Richtigkeit der Entscheidungen anderer zu haben, so dass deren Handeln gerechtfertigt ist. Etwas, das es in ihrer Beziehung zu Mulder ohne Zweifel gab. Es war ein Punkt in ihrer Partnerschaft, den sie nie in Frage gestellt hatte.

In Gedanken verloren merkte Scully nicht, dass Rebecca eine Antwort erwartete, bis sie sie sagen hörte, "Ich bin froh, dass du hier bist, Lisa, und nicht irgendwo ganz allein versuchst, mit der Situation klar zu kommen. Du kannst gerne bleiben solange du uns brauchst."

Scully wusste, dass es zugleich eine Entschuldigung und eine Einladung war. Und obwohl sie sich über die Tatsache im Klaren war, dass ihre bloße Anwesenheit das junge Paar in Gefahr brachte, war sie in dem Moment zu erschöpft, um ihr Angebot abzulehnen. "Danke", sagte sie letztendlich. "Es bedeutet mir sehr viel, mehr als du dir vorstellen kannst."

"Kein Problem", antwortete Rebecca und Scully konnte ein Lächeln in ihrer Stimme ausmachen. "Morgen früh versuchen wir eine Lösung zu finden. Ich bin sicher, wir werden eine finden. Möchtest du jetzt etwas zu Abend essen?"

"Ich bin am verhungern", gab Scully zu und merkte, dass es wirklich stimmte.

"Dann komm", forderte Rebecca sie auf und die Federn im Bett quietschten, als sie aufstand und Scully unterstützend sanft am Arm zog. "Bevor die Jungs alles alleine verputzen."

Scully konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken und ließ sich zur Tür führen. Doch kurz bevor sie auf den Flur traten, hielt Scully inne. Sie fand Rebeccas Hand und drückte sie. "Bitte versprich mir eines", sagte sie leise. "Versprich mir, dass du nicht zur Polizei gehst."

In der langen Pause, die folgte, fand es Scully schwer zu atmen. Sie hoffte, dass die Bitte ihre Gastgeberin nicht beleidigt oder erschreckt hatte. Doch dann antwortete Rebecca, langsam und betonend.

"Du hast mein Wort, Lisa. Wir werden nicht zur Polizei gehen."

"Danke", sagte Scully schlicht. "Ich hätte nicht gefragt, wenn es nicht wirklich wichtig wäre."

"Ich glaube dir", erwiderte Rebecca. Dann gingen sie gemeinsam den Flur hinunter.

 

 

 

Es gab keine Spur von Scully in und im Umkreis des Bahnhofs in Tucson. Zumindest nicht ihren ersten Ermittlungen zufolge. Irgendwie fühlte Mulder sich durch die Suche an einige seiner langweiligen Untersuchungen im FBI erinnert. Irgendwie jagten sie die Nadel im Heuhaufen und ihr einziger Hinweis war ziemlich dünn.

Das sollte allerdings nicht heißen, dass Christophe nicht seine eigene spezielle Methode zum Angriff hatte. Ganz im Gegenteil, er war äußerst konzentriert und folgte einem logischen Muster. Seine Intensität war erschreckend, und Mulder hatte im Moment keine andere Wahl als zu tun, wie ihm gesagt wurde.

Soweit er das beurteilen konnte, hatte Scully keinen Anschlusszug genommen. Sie war auch nicht in einen der City-Busse gestiegen, die rund um den Bahnhof standen. Sie hatten es nämlich geschafft, die drei Busse, die gleichzeitig mit ihrem Zug angekommen waren anzuhalten und zu durchsuchen. Mulder hatte auch nicht erwartet, etwas aus den unzähligen Taxifahrern herauszubekommen, aber wie das Schicksal es so will, war der Bahnhof so organisiert, dass alle Taxen an einer bestimmten Stelle vorbei mussten, um das Fahrgeld einzusammeln. Der Mann, der das ganze organisierte, war bei dem Anblick von Christophes Fünfzigdollarnote mit einem Mal super-freundlich geworden und hatte ihnen versichert, dass niemand, der auf Scullys Beschreibung passte, in den letzten paar Stunden ein Taxi genommen hatte.

Die letzte Station ihrer Suche der Umgebung war ein Lokal direkt auf der anderen Straßenseite vom Bahnhof. Keine der Kellnerinnen konnte sich daran erinnern, Scully gesehen zu haben, aber der Kaffee und die Sandwichs waren frisch und der Assistent war noch nicht zurück, also fand sich Mulder an einem der Tische neben Christophe wieder.

"Ich will wissen, was das heißen soll." Christophes Ton war fast gesprächig, doch er verbarg die Wichtigkeit seiner Forderung nicht. "Hat sie es etwa geschafft, sich vom Bahnhof zu schleichen, ohne dass sie jemand gesehen hat? Vielleicht hat sie es ja gar nicht bis Tucson geschafft."

Mulder antwortete nicht. Er sah keinen Grund, sich mit ihm zu unterhalten. Bis Christophe ihm die nächste Frage stellte. "Egal, es ist ein ziemlich pfiffiger Trick für eine Blinde, was?"

Das Blut gefror in seinen Adern. "Ich weiß nicht, wovon Sie reden."

"Nicht?" Christophes Gesicht völlig ausdruckslos, genau wie seine Augen. Es waren Augen eines Raubtieres, hungrig und fordernd. "Ich glaube schon. Ich habe bemerkt, wie Sie die Zugbegleiterin auf dem Bahnsteig unterbrochen haben. Sie hatten Angst, dass sie mir zuviel verraten würde, habe ich Recht?"

Er weiß es nicht, dachte Mulder verzweifelt. Nicht sicher, nicht hundertprozentig. Er fischt nur im Trüben hier und hofft, dass du aufgibst.

"Ich glaube", sagte Mulder vorsichtig, "dass Sie falsche Informationen erhalten haben." Er schwieg für einen Moment und spielte dann seinen Aufschlag aus. "Von wem bekommen Sie eigentlich ihre Informationen?"

"Sie können sich doch vorstellen, dass ich meine Quellen nie preisgeben würde", antwortete Christophe kurz angebunden.

"Ich dachte wir wären Partner", konterte Mulder. "Wir arbeiten zusammen, wissen Sie noch? Mir scheint, unsere kleine Abmachung ist ein wenig einseitig." Eine Kellnerin kam an ihren Tisch, um ihnen Kaffee nachzuschenken und Mulder wartete, bis sie weg war, bevor er flüsternd fortfuhr. "Ich weiß nicht einmal, wer hinter der Diskette her ist."

"Vielleicht will ich sie ja selbst haben..."

"Glaube ich nicht", schüttelte Mulder den Kopf. "Ich habe den Eindruck, dass Sie kaum mehr sind als nur ein kleiner angestellter Zinnsoldat."

Christophes Gesichtsausdruck nach zu urteilen war es offensichtlich, dass ihn diese Worte trafen. "Um eines klarzustellen", zischte er kaum hörbar.  "Ich arbeite für *niemanden*. Ich treffe meine eigenen Entscheidungen." Er ließ seine Worte sinken, bis Mulder nickte.

Christophe grinste zufrieden. "Es gibt nichts, absolut nichts, was mich davon abbringen würde, Sie auf der Stelle umzubringen, außer vielleicht meine eigene großzügige Natur. Und selbst die hat Grenzen, Mulder."

Das laute Dröhnen eine Autohupe machte sie auf die Rückkehr des Assistenten aufmerksam. Christophe schmiss ein paar zusammengeknüllte Dollarnoten auf den Tisch und stand auf. Mulder tat es ihm nach. Als er ihm nach draußen folgte, nahm Mulder das Geld vom Tisch und steckte sie in die Tasche seiner Jeans. Es hatte deswegen ein schlechtes Gewissen, doch er schob es mit dem Gedanken beiseite, dass er das Geld nötiger brauchte als die Kellnerin.

 

 

Skinner bezahlte den Fahrer und stieg aus dem Taxi, seine Brieftasche in der Hand. Als er den Terminal betrat hielt er nach dem United-Schalter Ausschau und steuerte darauf zu.

Es war sich immer noch nicht sicher, ob er Texas verlassen sollte, aber andererseits wusste er nicht, was es ihm bringen würde, wenn er bliebe. Das örtliche FBI-Büro hatte alle ihre Agenten zur Verfügung gestellt, die Umgebung sowohl nach Mulder und Scully, als auch nach dem mysteriösen Mann, der sich für ihn ausgegeben hatte, zu durchsuchen. Skinner war sich sicher, dass er den Mann nie zuvor gesehen hatte und deshalb war keinerlei Information über ihn in den FBI-Akten zu finden. Er musste zugeben die Frage, ob seine Identität nicht von internen Mächten im FBI verdeckt wurde, beschäftigte ihn zunehmend. Es wäre nicht das erste Mal.

Skinner bezahlte sein Ticket mit seiner Kreditkarte und machte sich auf den Weg zum Gate. Die Passagiere würden nicht vor einer halben Stunde ins Flugzeug gelassen, also setzte er sich auf einen der harten Flughafen-Sitze und wartete.

Und wieder ließ der Gedanke, er sollte lieber nicht fliegen, ihn nicht los. Vergiss es, Skinner, sagte er zu sich. Du kannst hier nichts mehr tun.

"Zumindest jetzt nicht", murmelte er, woraufhin das junge Mädchen, das neben ihm saß, ihm einen komischen Blick zuwarf. Er lächelte entschuldigend, was ihre Vermutung über ihn nur bestätigte. Sie hob ihren Rucksack auf und suchte sich einen anderen Platz. Skinner blieb allein zurück.

Das war das wirkliche Problem—Skinner kam sich vor, als ob er ganz allein in dieser Sache steckte. Es war frustrierend. Er hatte sich geweigert, Scully bei ihrer Suche zu helfen, weil er davon überzeugt gewesen war, dass ihre Handlungsweise nicht im Interesse des FBIs war. Es war sein Job, diese Interessen zu befolgen und zu wahren, und nicht sture Agenten bei ihren persönlichen Angelegenheiten zu unterstützen. Doch nun wurden zwei seiner Agenten vermisst und er gab sich selbst die Schuld dafür.  Obendrein schien die Institution, der er sein Leben gewidmet hatte, gegen ihn anstatt mit ihm zu arbeiten in seinem Versuch sie zu finden und sie zurückzubringen.

Skinner massierte mit zwei Fingern seinen Nasenrücken und nahm für einen Moment seine Brille ab in dem Versuch, die Kopfschmerzen zu lindern, die in seinen Augenhöhlen hämmerten. Es half nichts, aber er hatte es auch nicht wirklich erwartet. Es gab da noch etwas anderes, dessen Gewicht schwer auf seinen Schultern lag. Die Angst vor einem Gespräch, das noch vor ihm lag. Es war der Hauptgrund, warum er wieder nach D.C. zurückkehrte. Das Gespräch würde ihm sehr schwer fallen und es war etwas, das er nicht am Telefon hinter sich bringen wollte.

Skinner sah auf die Uhr und merkte, dass er noch mindestens eine Stunde warten musste. Er griff nach seinen Taschen und beschloss, rasch die Flughafen-Bar aufzusuchen.

 

 

Cooper ließ seine Hand über die beträchtliche CD-Sammlung gleiten, die auf ein paar aufgestapelten Regalen an der Wand des Wohnzimmers stand. Er suchte nach einer, die gerade zu seiner Stimmung passte. Cooper gab mehr Geld für Musik aus als er zugeben würde—es war etwas, dass ihn immer aufheiterte. Er sagte immer, wenn er am nächsten Tag von einem Bus überfahren werden würde, würde er in dem Moment wenigstens gute Musik hören. Doch irgendwie schien nichts in seine jetzige Verfassung zu passen, also war seine Entscheidung schwerer, als er es erwartete hatte.

Es herrschte eine seltsame Stimmung im Haus, von der er nicht behaupten könnte, dass er sie toll fand. Die Spannung zwischen Elliot und Rebecca, als er hereingekommen war, war so erheblich gewesen, dass er dachte, sie würden jeden Moment explodieren. Und das war äußerst ungewöhnlich für die beiden, denn sonst kamen sie immer wunderbar miteinander aus. Das war der einzige Grund, warum er überhaupt zu ihnen gezogen war. Nach einer fast dreijährigen Herumrtingelei in der Weltgeschichte, hatte er sich endlich zu einem festen Wohnsitz entschlossen und Elliot war einer seiner ältesten Freunde. Und Rebecca—tja, sie war, kurz gesagt, einsame Klasse. Cooper war froh über Elliots Wahl. Er war überzeugt, dass sie wunderbar zu ihm passte. Er musste zugeben, ihr Trio mache ein tolles Team und er hatte nicht einen Moment der Zeit bereut, die sie zusammen gewohnt hatten.

Aber heute—heute ging definitiv etwas Seltsames hier vor.  Wenigstens wusste Cooper, dass die Spannung auf etwas ganz bestimmtes zurückzuführen war.

Oder jemand bestimmten, um genau zu sein. Elliots mysteriöse Bekanntschaft aus dem Zug, die ihr neuer Hausgast geworden war.

Cooper hatte sie noch gar nicht gesehen, aber Elliots Geschichte hatte ihn mehr als neugierig gemacht. Wie seine beiden Mitbewohner, die Fotografin und der Illustrateur, war Cooper einfallsreich, doch waren seine Fähigkeiten eher im Bereich Architektur und Technik als für etwas, das man einrahmen und an die Wand hängen konnte. Er teilte mit ihnen auch eine gesunde Vorstellungskraft, die bei ihm momentan auf Hochtouren arbeitete. Er explodierte fast vor Neugier, er wollte wissen, wer diese blinde Frau war, die einfach so ohne Vorwarnung in ihr Haus spaziert war.

Mit diesen Gedanken gab Cooper letztendlich die Wahl nach einer geeigneten CD auf und griff nach der erstbesten, die ihm in die Quere kam. Tom Waits, las er und betrachtete das Booklet genauer. Keine schlechte Idee. Es steckte die Scheibe in den Player und stellte die Lautstärke auf ein zumutbares Level. Zufrieden machte er sich auf den Weg zurück zum Esszimmer. Die Musik, die er gewählt hatte, begleitete ihn aus den Boxen.

Als er das Esszimmer betrat, fand er Elliot bereits vor, wie er am Tisch saß und Wein in die vier Gläser schüttete, die vor den dazu passenden Tellern auf dem Tisch standen. Das Essen stand ebenfalls schon bereit, eine Pfanne mit Paella, Salat und ein Topf mit Gemüse.

"Chianti ist mein Leben. Gute Wahl, Mann." Auf Coopers Gesicht war die Freude über Elliots Wahl des Weines kaum zu übersehen.

"Der ist immer gut", gab Elliot heiter zurück, doch Cooper bemerkte seine Spannung.

"Brauchst du Hilfe da drin?" rief Cooper in Richtung Küche, obwohl es schien, dass der Tisch schon komplett gedeckt war.

"Nein, alles erledigt", sagte Rebecca und betrat einen Moment später ebenfalls das Esszimmer. In einer Hand hatte sie einen Korb mit Brot und führte mit der anderen ihren Gast zum Tisch.

Cooper legte seinen Kopf zur Seite und ignorierte die Haarsträhnen, die ihm dabei ins Gesicht fielen, als er die Fremde näher betrachtete. Sie war eine kleine Frau mit dunklen braunen Haaren und klaren blauen Augen. Ihr Gesicht war blass und verspannt und man konnte ihr deutlich ansehen, dass sie müde war. Und doch konnte ihre Erschöpfung nicht die außergewöhnliche Schönheit ihrer feinen Gesichtszüge verbergen.

Cooper stand auf, zog einen Stuhl vom Tisch zurück und griff mit einer Hand nach der Frau, um sie heranzuführen. "Hier, setz dich", sagte er und half ihr so gut er konnte. Als sie saß, nahm er ihre Hand und schüttelte sie leicht. "Ich bin Cooper—schön dich kennenzulernen."

"Ich bin Lisa", erwiderte die Frau. Ihre Augen blickten leicht an ihm vorbei und ihr Gesicht war ernst.

Cooper setzte sich wieder an seinen Platz und sah zu, wie Elliot einen großen Berg Essen auf Lisas Teller lud. Sie bewegte sich nicht und saß still wie eine Statue, als sich jeder von Rebeccas Kochkünsten bediente.  Als jeder genug auf dem Teller hatte, hob Cooper die Gabel und wollte schon über sein Essen herfallen, als er bemerkte, dass sich Lisa immer noch nicht geregt hatte.

Elliot hatte es auch bemerkt und sah bestürzt aus, doch dann fiel ihm etwas ein. "Oh, Lisa, verzeih", entschuldigte er sich und erklärte ihr dann, wie das Essen auf ihrem Teller platziert war mit Hilfe des Ziffernblattes einer Uhr.

Lisa nickte und als sie die Gabel hob und anfing zu essen, warf Cooper Rebecca einen überraschten Blick zu, den sie nicht weniger überrascht erwiderte. Schnell gelernt, dachte Cooper, als er den ersten Bissen seiner dampfenden Paella nahm.

Die Unterhaltung am Tisch bestand zumeist aus Elliots Berichten seiner Reise, natürlich reichlich verziert mit elliotschen Anekdoten. Cooper fand seine Storys wie immer lustig und er hatte Spaß an der Fähigkeit seines Freundes, Erlebnisse zu erzählen. Im Laufe des Essens wich etwas von der Spannung, die über allen lag. Obwohl Cooper versuchte, diskret zu sein, erhaschte er doch den einen oder anderen Blick, den Rebecca in Elliots Richtung warf, und er war froh, dass sie sich wieder vertrugen.

Lisa andererseits war fast völlig still und sprach nur, wenn man etwas zu ihr sagte. Es war offensichtlich, dass sie etwas plagte, und obwohl Cooper annahm, dass Rebecca und Elliot genauso gerne ihre Geheimnisse eingeweiht werden wollten wie er, unternahm keiner von ihnen den Versuch, sie diesbezüglich zu bedrängen.

Nach dem Essen half Cooper Elliot den Tisch abzuräumen und das Geschirr in die Spüle zu stellen. Als er sichergehen konnte, dass die beiden Frauen im Esszimmer außer Hörweite waren, flüsterte Cooper, "Sie ist ein schönes Stück Arbeit."

"Wer, Lisa?" fragte Elliot, als er den Wasserhahn aufdrehte und die Spüle sich füllte.

"Nee, Rebecca", sagte Cooper genervt. "*Natürlich* Lisa, wer denn sonst? Sie hat während des Essens nicht ein Wort gesagt."

Elliot zuckte die Schultern. "Naja, falls das, was sie sagt, wahr ist, hat sie eine Menge, worüber sie nachdenken kann."

Cooper kratzte ein paar Hühnchenreste aus der Pfanne und hielt sie Tucker hin, der ihm vor lauter Vorfreude schon fast auf den Füßen stand. "Hat sie dir nichts gesagt? Wer sie ist, oder wo sie herkommt?"

"So ist das nicht gewesen." Elliot schüttelte den Kopf als er mit Spülen anfing. "Es ist alles ziemlich schnell passiert. In der einen Sekunde unterhalte ich mich mit ihnen und gebe ihnen eine signierte Ausgabe meines Buches und als nächstes klopft sie an meine Tür."

Cooper wurde mit jeder Sekunde neugieriger. "Was glaubst denn *du*, was ihrem Mann passiert ist?" Er kam sich fast vor, als sei er mitten in ein Melodrama geraten und senkte seine Stimme für seine nächsten Worte. "Glaubst du, dass ihn jemand umgebracht hat?"

Überraschenderweise überlegte Elliot, bevor er antwortete. "Zuerst habe ich gedacht, dass der Typ einfach nur abgehauen ist. Er schien zwar unheimlich nett zu sein, aber man weiß ja nie." Elliot rückte seine Brille auf der Nase zurecht. "Aber von dem Bisschen zu urteilen, was sie mir erzählt hat, scheint es, als ob sie in großen Schwierigkeiten stecken. Es könnte also sein."

Cooper nahm wieder die Paellapfanne, fischte eine Stück Schrimps heraus und steckte es in den Mund, diesmal ohne Tuckers bettelnden Blick zu beachten.  "Ich weiß nicht. Ich wüsste nicht, ob ich sie mit hierhin genommen hätte."

Elliot lachte. "Nee, du wärst jetzt in irgendeinem Motel mit ihr, ohne daran zu denken, ihren Hintern zu retten."

"Erzähl keinen Müll, Elliot", sagte Cooper ein wenig beleidigt. "Traust mir nur so was zu."

"Oh, ich traue dir vieles zu", kam Elliots Antwort. "Die Frage ist nur, zu wessen Gunsten es dann wäre."

Cooper warf Elliot einen ironisch bösen Blick zu. "Wenn das so ist, bringe ich jetzt den Müll raus", erklärte er, zog den Plastiksack aus seinem Behälter und trug ihn auf den Hof, Tucker auf seinen Fersen.

 

 

Ende von Teil 3...

 

X-3 X-3

 

 

GETEILTE WEGE (4/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Sie nahmen ein Flugzeug zurück nach El Paso. Es war ein rascher aber turbulenter Trip, der Mulder wieder mal an seine Abneigung kleinen Flugzeugen gegenüber erinnerte. Christophes erster Assistent war wieder dabei und zwei weitere waren dazugekommen. Als offenbar keinerlei Vorstellungen der Männer geplant war, hatte Mulder ihnen insgeheim die Namen Larry, Moe und Curly verpasst, die sogar angebracht schienen, da der dritte Mann fast kein einziges Haar auf dem Kopf hatte. Jetzt, wo noch mehr Männer dabei waren, die ihn lediglich an den Ernst ihrer Lage erinnern sollten, fühlte sich Mulder zunehmend unwohler.

Christophe sprach kaum während des Fluges. Er saß ruhig auf einem Sitz am Fenster und von Zeit zu Zeit ertappte Mulder ihn dabei, wie er ihn beobachtete. Er spürte geradezu, wie Christophe ihn studierte, wie seine stahlgrauen Augen ihn grimmig anstarrten. Es war fast so, als ob Christophe glaubte, er könne Gedanken lesen, wenn er es nur intensiv versuchen würde. Mulder fragte sich, ob er es konnte.

Das Flugzeug landete auf demselben Flugplatz, auf dem Mulder schon das erste Mal gelandet war, aber dieses Mal blieb es nicht auf der Rollbahn stehen. Stattdessen fuhr der Pilot es in den Hangar auf der anderen Seite des Feldes und erst dort stiegen Mulder und die anderen aus.

Christophe wandte sich an Moe und Curly und befahl, "Fahrt in die Stadt und sucht weiter. Fangt am Bahnhof an und arbeitet von da weiter." Er warf Mulder einen Blick zu und fügte dann hinzu, "Ich will vor allem wissen, ob sie hier in El Paso aus dem Zug gestiegen ist. Die Zugbegleiterin war sich nicht hundertprozentig sicher, wann sie mit ihr gesprochen hatte. Ich will nicht wieder alle Spuren zurückverfolgen, verstanden?"

Moe und Curly nickten gleichzeitig und Mulder musste bei ihrer synchronen Antwort wie aus dem Lehrbuch ein Lachen unterdrücken.

Als die beiden weg waren, gab Christophe Mulder ein Zeichen, dass er ihm folgen solle und ging zu einer kleinen Tür an der Seite des Hangars.

Der Raum dahinter war klein, kaum größer als ein Badezimmer. Es war eine Art Behelfs-Büro, doch die einzigen Möbel darin waren ein ausgelutschter Armsessel und ein kleiner stählerner Tisch. Es gab keine Fenster und keine weiteren Türen und, stellte Mulder fest, kein Telefon.

"Ich wünschte, ich könnte behaupten, die Unterbringung wäre erster Güte", sagte Christophe, "aber das hier ist das Beste, was ich kurzfristig auftreiben konnte." Er schob Mulder in das Zimmer und blieb in der Türe stehen, eine Hand auf dem Türgriff.

"Falls Ihnen einfallen sollte fliehen zu wollen, Mike steht die ganze Zeit genau vor der Tür."

Mulder sah den Typen an, der neben Christophe stand und lächelte sein sorglosestes Lächeln. "Ah, also *Mike* heißt er. Und ich habe ihn die ganze Zeit Larry genannt. Freut mich, dass wir das geklärt haben."

"Und mich freut es, dass Sie immer noch so guter Laune sind", antwortete Christophe kalt. "Das macht uns allen die Aufgabe erheblich leichter."

Damit zog er die Tür hinter sich zu und eine Sekunde später hörte Mulder das unverwechselbare Geräusch eines zuschnappenden Schlosses. Er hörte, wie Christophe mit gedämpfter Stimme seinem Mann Befehle erteilte und dann das Echo seiner sich entfernenden Schritte, als sie in dem Hangar widerhallten.

Jetzt war er allein, mit Ausnahme des Wächters vor der Türe und Mulder nutzte die Gelegenheit, um den öden Raum näher zu untersuchen in der vagen Hoffnung, eine mögliche Waffe zu finden. Erfolglos. Der Stahltisch war aus einem Stück und es war unmöglich, eines der Beine abzubrechen. Der Sessel war mit irgendwelchem weichen Zeug gefüttert und hatte auch keine Metallfedern, die er eventuell zu etwas Brauchbarem basteln könnte. Der Rest des Raumes war, wie er zuvor auch schon festgestellt hatte, völlig leer. Nicht einmal die Deckenbeleuchtung war zu gebrauchen—die Glühbirne war durch Maschendraht geschützt, den er trotz wiederholter Versuche nicht aus seiner Halterung lösen konnte.

Mulder war frustriert und, obwohl er es nicht zugeben wollte, müde. Er griff in seine Tasche und zählte das Geld, das er in dem Lokal hat mitgehen lassen. Elf Dollar. Würde nicht für viel reichen, doch wenigstens kam er sich jetzt nicht völlig mittellos vor.

Er ließ sich in den Sessel fallen, streckte die Beine vor sich aus und lehnte seinen Kopf an die knarrende Lehne. Das Sicherheitsband scheuerte an seinem Handgelenk und er drehte es ein wenig, um den Druck zu erleichtern. Mulder schloss die Augen. Ungebeten tauchte Scullys Bild vor ihm auf.

<DanaDanaDanaDanaDana>

Tausend schreckliche Gedanken wirbelten in seinem Gehirn und er geriet vor lauter Sorge in Panik. Er sah sie allein und verängstigt vor sich. Verletzt und verwundet. Hilflos.

Er sah sie sterbend. Er sah sie tot.

Mulder schlug die Augen auf und kämpfte gegen den Schmerzensschrei an, der ihm im Hals steckte. Er stand auf und ging ruhelos in dem winzigen Raum hin und her und versuchte, diese dunklen Visionen aus seinem Kopf zu verdrängen. Er hoffte verzweifelt, dass es nur fürchterliche Bilder seiner Phantasie waren und nicht irgendeine Art schreckliche Vorahnung.

Er verlor sich völlig in der Bewegung seines Hin und Hers, so dass ihn das Hämmern an der Tür völlig überraschte. "Setz dich endlich hin da drin!"

Es war Larrys Stimme, erkannte Mulder. Larry oder Mike oder wie immer er auch hieß. Die Tatsache, dass sein Hin und Her ihn aus der Ruhe brachte, war fast Grund genug für Mulder weiter zu laufen, aber eigentlich war er nicht gerade scharf auf eine Auseinandersetzung mit dem schießfreudigen Bodyguard.

Mulder sank wieder auf dem Sessel zusammen und versuchte, sich zu entspannen. Er schloss wieder die Augen, und als ihn die Visionen abermals zu überfallen drohten, kämpfte er gegen sie an in der Hoffnung, die dunklen Bilder von Scully in Lebensgefahr mit schöneren zu ersetzen. Mit Bildern, die ihm Kraft geben würden und Hoffnung und Mut. Er dachte daran wie weich sich ihre Haut unter seinen Fingern angefühlt hat. Er dachte an ihr Lächeln und an ihr herzhaftes Lachen, das es manchmal begleitete. Er erinnerte sich daran, wie sie auf seinem Schoß gesessen und zwei zierliche Finger auf seine Lippen gelegt hatte, um ihm zu bedeuten nicht mehr zu weiter zu lesen.

Gestern, dachte er. Es war gestern gewesen.

Irgendetwas an dieser Erinnerung weckte in ihm den Eindruck, dass er etwas Wichtiges übersehen würde. Doch er war viel zu müde, um sich jetzt darauf zu konzentrieren, also schlief er mit dem Gedanken an Scullys zärtliche Küsse ein.

 

 

Christophe rutschte hinter das Steuer des Mietwagens, der extra für ihn draußen vor dem Hangar bereitgestellt wurde. Er steckte den Schlüssel ins Zündschloss und fuhr zurück in die Stadt. Er machte sich keine Sorgen darüber, Mulder in dem Hangar zurückzulassen. Es war unter Berücksichtigung aller Fakten der sicherste Ort für ihn. Es gab außer der Tür, die Mike bewachte, keinen Weg aus dem Zimmer heraus, und selbst wenn er es auf irgend eine Weise heraus schaffen würde, würde er ihnen dank des Radars nicht lange entkommen.

Außerdem gab es ein paar Dinge, um die sich Christophe kümmern musste.

Er griff in seine Tasche und holte sein Handy hervor. Mit einer Hand wählte er die Nummer und hielt es an sein Ohr, während er mit der anderen den Wagen auf der Straße behielt. Nach dem zweiten Klingeln und kurzem störendem Knacken bekam er Antwort.

"Ja?" Der Mann machte aus dem einen Wort gleichzeitig eine Frage und einen Befehl.

"Alles läuft nach Plan", sagte Christophe. "Ich habe ihn in meiner Obhut."

"Und das Mädchen?"

"Wir sind auf der Suche nach ihr", antwortete Christophe und wünschte sich, er hätte bessere Neuigkeiten. "Morgen früh sollten wir Näheres wissen."

Da war eine Stille am anderen Ende, aber Christophe war ein geduldiger Mann und ertrug die lange Pause.

Dann, endlich, antwortete der Mann. "Zeit", sagte er, "hat eine große Bedeutung in dieser Angelegenheit." Er atmete gemächlich aus und Christophe konnte den Rauch der Zigarette fast durch den Hörer riechen. "Sie sind sich darüber doch im Klaren."

"Ja", antwortete Christophe. "Sie werden bekommen, was Sie wollen. Sie haben mein Wort darauf."

Er schwieg für einen Moment und fügte dann hinzu, "Solange ich bekomme, was ich will."

"Sie haben *mein* Wort darauf", erwiderte der Mann. "Finden Sie das Mädchen und die Diskette, dann gehört er Ihnen, und Sie können entscheiden, was mit ihm geschieht."

Dann war die Leitung tot, zurück blieb nur das hohle Summen des Wähltons.  Christophe schaltete das Gerät aus und warf es auf den Sitz neben ihm, als er weiter die Straße entlang fuhr.

 

 

Er glaubt dir nicht sieh nur in sein Gesicht er denkt du bist verrückt verrückt wie Mulder—

< SiemüssenmirglaubenSirichsagedieWahrheit >

 

Er dreht sich um du hast Skinner verloren du hast alles verloren—

< AgentScullySieführendashierzuweitesistsinnlos > --

< EsistnichtsinnlosSiehörenmirnurnichtzuichhabeBeweise > --

< WennichSiesuspendierenmüsstewürdeichestunführenSieesnichtzuweit > --

Vergiss es versuch nicht ihn zu überreden er arbeitet sowieso für die sie stecken alle unter einer Decke vielleicht vertraut Mulder sogar keinem von ihnen tu's nicht du kannst das auch allein—

< HabeichmichdeutlichausgedrücktScully > --

< jaSirichweißwelchePositionSievertreten > --

Verschwinde von da verschwinde von da vergeude nicht noch mehr Zeit mit ihm vergeude nicht noch mehr Zeit mit irgendjemandem von ihnen—

 

 

Scully seufzte leise. Sogar im Schlaf arbeitete ihr Gedächtnis fieberhaft. Es brachte sie wieder zurück in die langen Gänge der Erinnerung, die sie mit allen Mitteln versucht hatte zu versiegeln. Korridore, die mit einem Mal trotz ihrer Versuche sie geschlossen zu halten offen vor ihr standen.

 

Er kommt gerade durch die Tür schnell schnell wenn du rennst wirst du ihn einholen verdammt die Tür ist zu wie hat er das bloß gemacht? Am anderen Ende der Halle muss noch ein Eingang sein es ist immerhin die Mitte des Gebäudes es muss einfach einen anderen Weg hinein geben was ist das für ein Lärm hinter mir laute Fußtritte jemand schreit mich die ganze Zeit an

< ScullyhaltnichthinterihmheresisteineFalle > --

Er greift nach meinem Arm und zieht mich mit sich—

< Lassloslassloslassloserkommtdavon >

< LassihngehenScullywirmüssenweg > --

Kämpfe tritt fest zu er soll von mir runter—

< Muldergehvonmirrunter >--

 

Scully warf sich im Bett hin und her. Sie umklammerte fest die Laken, als sie verzweifelt versuchte, gegen ihr eigenes Unterbewusstsein anzukämpfen.

 

Trete ihn ganz fest jetzt stolpert er und fällt wie habe ich das geschafft egal lauf weiter ich kann den Mann nicht entkommen lassen da ist noch eine Tür sie ist offen los rein und mach die Tür hinter dir zu wo bin ich hier?  in einem Labor? ist das das Labor, wo sie es gefunden haben? Aber wo ist er hin wo ist der Arzt? ein Hämmern hinter mir an der Tür—

< ScullymachverdammtnochmaldieTürauf > --

Ignoriere es einfach -

< DukannstmichjetztnichtaufhaltenMuldernichtjetztnichtjetzt > --

Los, untersuche die Wände, es muss irgendwo noch einen versteckten Ausgang geben ich weiß dass er hier ist wo soll er auch sonst hingegangen sein was ist das für ein Geräusch?

< OhmeinGottohmeinGott > --

 

Und plötzlich veränderte sich der Traum, er änderte seinen Verlauf, wand sich abwärts in einer fürchterlichen Spirale, erhellte ihre dunkelsten Ängste mit einer gestochen scharfen Klarheit.

 

Jetzt ist nichts mehr hier es ist leer und still warum ist es so still mach die Tür auf da ist eine Straße wie bin ich auf die Straße gekommen? Ich war doch gerade eben noch im Labor nicht in dieser Gasse was ist das? auf dem Boden? komm nicht näher nicht nicht nicht geh einfach weiter sieh nicht hin nicht nicht nicht

< MulderMulderMulderohmeinGott >

Es ist eine Leiche es ist seine Leiche oh mein Gott oh mein Gott sie haben ihm die Kehle durchgeschnitten und seine Augen seine Augen sind leer so leer und hohl seine Hände sind so kalt oh mein Gott sie haben ihn umgebracht sie habe ihn hier liegen lassen—

< MulderMulderMulderneinneinneinnein >

 

Mit einem Schrei auf den Lippen schoss Scully kerzengerade im Bett auf. In letzter Sekunde gewann sie den ersten Bruchteil ihrer Fassung wieder— genug, um ihr zu versichern, dass es nur ein Traum war, genug, um den Schrei des Schmerzes und der Pein zurückzuhalten, der laut genug war, um Tote zu wecken.

Sie presste ihre Knie an die Brust und schlang die Arme eng um ihre Beine auf der Suche nach Trost und Zuversicht, die sie nirgendwo finden konnte. Ihr Körper zitterte stark durch die grausamen Schüttelanfälle und sie konnte die Tränen, die über ihr Gesicht liefen, nicht im Mindesten zurückhalten. Tränen der Hilflosigkeit, der Scham und der Wut, die aus ihr ein zitterndes Wrack machten und drohten, ihr Innerstes in tausend Stücke zu sprengen.

Scully rang nach Atem. Sie versuchte krampfhaft sich zu beruhigen und die Alpträume aus ihren Gedanken zu verbannen. Lange Zeit verging, in der sie fast nachgab, nahe dran war, sich der Panik zu unterwerfen, bis sie sich schließlich soweit beruhigt hatte, nach ihrer Decke griff und sich die Tränen aus dem Gesicht wischen konnte.

Lieber Gott, dachte sie, doch sie brachte nicht mehr als dieses kleine Gebet zustande.

Mit einer zitternden Hand strich sie sich die Haare aus dem Gesicht und lauschte nach Geräuschen, nach irgendeinem Hinweis, ob sie vielleicht das ganze Haus alarmiert hatte. Doch alles blieb ruhig, stellte sie dankbar fest. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war, wie spät am Abend oder wie früh am Morgen, aber sie war sicher, dass sie diese Nacht nicht mehr schlafen würde.

Der plötzliche Drang, draußen zu sein überkam sie, weg von dem fremden Raum mit der ungewohnten Möblierung. Vorsichtig stieg sie aus dem Bett. So leise wie möglich suchte sie nach ihrer Hose, die sie irgendwo liegen gelassen hatte, und schlüpfte hinein. Dann ertastete sie ihre Schuhe und zog sie an. Der Pullover, den sie vorher anhatte, lag am Fußende des Bettes und sie zog ihn sich wieder über ihr T-Shirt. Sie hielt einen der Ärmel des Sweaters an ihre Nase und atmete tief ein in der Hoffnung, irgendwo Mulders Geruch inmitten der Wolle zu finden. Er war da, aber nur schwach, und es half nicht viel, um ihre Furcht zu lindern.

Angezogen fühlte Scully unter dem Kopfkissen nach der Diskette, die sie darunter gelegt hatte, und steckte sie in ihre Hosentasche. Dann ging sie zur Tür und zuckte, als der Holzboden unter ihren Füßen knackte. Sie fand den Türgriff und ging in den Flur, immer eine tastende Hand an der Wand. Ihr fielen Elliots Beschreibung des Hauses ein und sie ging am Ende des L's nach links in die Küche. Dort hielt sie sich zuerst an die Spüle und dann an den Tisch als Wegweiser, bis sie quer durch den Raum an der Tür nach draußen stand. Diese schien jedoch verschlossen, und sie schob den Riegel zur Seite. Endlich konnte raus.

Der Luftzug, der auf ihr Gesicht traf, war erschreckend kalt, aber die beißende Kälte fegte förmlich die letzten Reste ihres Alptraums fort. Scully nahm einen tiefen Zug von der sauberen Luft und zog die Tür hinter sich zu, als sie einen kleinen Schritt zu den Stufen vor sich ging. Sie setzte sich auf die zweite Stufe und stülpte die Ärmel über ihre Hände, die sie zu Fäusten ballte und so den Stoff festhielt. Sie schlang die Arme um ihre Beine und vergrub ihr Gesicht in ihren Knien. Sie wollte nachdenken, ihren Kopf frei bekommen auf der Suche nach einer Antwort, einem Weg, der sie vielleicht aus ihrem Unglück herausbringen würde.

Aber was konnte sie schon tun? Obwohl Elliots Vorschlag zwar wunderbar einfach gewesen war, sie wusste genau, dass sie nie ihre Mutter kontaktieren könnte aus bloßer Angst, sie in Gefahr zu bringen. Skinner war auch keine Möglichkeit. Ihr Alptraum hatte wenigstens einen Vorteil gehabt: er hatte sie wieder daran erinnert, wie unwillig er gewesen war, ihr zu glauben, als sie dringender denn je seine Hilfe gebraucht hatte. Die Einsamen Schützen wären eine Möglichkeit, aber Scully hatte nicht die leiseste Ahnung, wie sie mit ihnen in Kontakt treten könnte. Das war immer Mulders Sache gewesen, und sie hatte nie daran gedacht, dass sie sie selber einmal brauchen würde.

Alle Wege hatten sich als Sackgassen herausgestellt, doch Scully wusste, dass sie etwas tun musste. Es waren Leute hinter der Diskette her, die sie bei sich trug, Leute wie der Mann, dem sie in New Orleans begegnet war, und sie wusste, dass es nur eine Frage der Zeit sein würde, bis sie sie fanden. Sie zitterte, als ihr auffiel, dass sie nicht einmal eine Waffe hatte, weil ihre Pistole ja in der Gasse in Louisiana zurückgeblieben war.

Sie war allein, unbewaffnet und praktisch wehrlos. Sie konnte denken, was sie wollte, ein Gedanke hallte ununterbrochen in ihrem Kopf, ein Name, der wie die Schläge ihres Herzens immerzu in ihr schlug.

< MulderMulderMulder >

 

 

Der Mann war ein Frühaufsteher, schon immer gewesen. Er behauptete, er würde mehr am Tag schaffen, aber in Wirklichkeit brauchte er eigentlich nie viel Schlaf.

Er hob die Zeitung vor seiner Wohnungstüre auf und ging damit in die Küche, wo eine Tasse starker schwarzer Kaffee auf ihn wartete, die er trank während er die Schlagzeilen las. Der Mann hatte immer schon seinen Spaß daran gehabt, wie es die Journalisten immer wieder schafften, ihre Storys zu frisieren. Auffällige Layouts und überwältigende Erkenntnisse, als ob sie wirklich wüssten, wovon sie schrieben. Er zündete sich eine Zigarette an, inhalierte tief den Rauch ein und genoss den ersten Nikotin-Stoß des Tages. Dann blätterte er durch das Blatt, bis er am Ende angekommen war.

Er sah auf die Uhr und fragte sich auf einmal, wann er wohl das nächste Mal von Christophe hören würde. Er hoffte bald, denn seine Geduld neigte sich langsam dem Ende, und er wusste, wenn er ungeduldig wurde, würden es die Männer, denen er Rede und Antwort stehen musste, auch sein.

Nicht zum ersten Mal zweifelte er an der Entscheidung, solche äußerst wichtigen Angelegenheiten Männern wie Christophe zu überlassen. Allerdings hatte der Mann bewiesen, dass er etwas taugte—er hatte Mulder rechtzeitig geholt, bevor Skinner ihn bekam. Der Mann ärgerte sich über Skinner. Er hielt ihn für einen Mann, der widersprüchliche Loyalitäten befolgte, und er fand es bedauernswert, dass er selbst nicht den X-Akten zugeteilt worden war. Blevins war diesbezüglich sehr inkompetent gewesen, aber wenigstens war Blevins jemand gewesen, den man kontrollieren konnte.

Ein dünnes Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus, als er merkte, dass ihm Skinner, wenn alles nach Plan laufen würde, nicht mehr ein Dorn im Auge sein würde. Immerhin würde es die X-Akten nicht mehr geben, wenn Mulder tot und Scully anderweitig verplant war. Zufrieden drückte der Mann seine Zigarette aus und ging in sein Schlafzimmer, um sich für die Arbeit des Tages anzuziehen.

 

 

 

Ende von Teil 4...

 

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GETEILTE WEGE (5/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

"Tucker.... nicht jetzt, Junge." Cooper rollte sich auf die andere Seite und hoffte, dass der Hund von ihm ablassen würde. Er war es nicht gewohnt, sein Zimmer mit Tucker zu teilen. Und obwohl er das Tier mochte, war Tucker Elliots Hund und bis jetzt hatte er auch jede Nacht bei Elliot und Rebecca im Zimmer geschlafen. Aber durch ihren neuen Hausgast hatte sich das jetzt geändert. Es wäre nicht gut, wenn Tucker im Studio schlafen würde—zwar wäre es kein Problem für den Hund, doch Rebeccas Fotos und die ganze Ausrüstung würde nicht mehr sicher sein. Und Tucker bei Lisa unterzubringen, schien auch nicht angebracht zu sein. Also war Coopers Zimmer die beste Alternative, besonders jetzt, wo der kalte Novemberwind über Santa Fe fegte.

Doch Tucker war mehr als hartnäckig, und dass Cooper ihm den Rücken zudrehte, stachelte den Hund noch mehr an. Tuckers Schwanz klopfte rhythmisch gegen den Boden und der Hund lief einmal um das Bett herum, wo er Cooper mit der Nase am Arm stupste.

"Tucker... es ist viel zu früh. Viel zu früh, um jetzt raus zu gehen." Cooper blinzelte und sah auf die Uhr, die auf der Milchkiste neben dem Bett stand. Die Leuchtziffern zeigten 5.27 Uhr. Cooper stöhnte. "Geh wieder schlafen, Junge."

Wenn Tucker ihn verstand, ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen sprang er aufs Bett und trampelte wie verrückt auf der Matratze herum. Mit einem langgezogenen Stöhnen gab Cooper nach.

"Du lässt mich nicht eine Minute zufrieden, was Junge?" Cooper setzte sich auf, streckte sich und gähnte. Er kratzte sich am Kopf und sah noch einmal auf die Uhr in der Hoffnung, dass sich die Ziffern jetzt wo er wach war verändert hatten. Kein Glück. 5.28 Uhr. Immer noch viel zu früh.

"Okay, Tucker", ließ sich Cooper breitschlagen. "Du hast gewonnen. Wir gehen eine Runde raus." Dann murmelte er viel leiser. "Ist ja nicht so, dass ich den Schlaf bitter nötig hätte oder so was."

Widerwillig kroch Cooper aus den Federn, zog sich ein paar Hosen und ein altes Mannschafts-Sweatshirt mit einem riesigen Loch in der Schulter an. Er schob den Hund zur Seite und grub in dem ganzen Krempel, der um das Bett herum lag, und hielt eine Sekunde später triumphierend ein paar Tennisschuhe hoch. "Immer langsam mit den jungen Pferden", grummelte er zu dem ungeduldigen Hund. Was war bloß in das Tier gefahren, dass es ihn so früh weckte?

Cooper malte sich aus, später noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen und folgte Tucker den Flur hinunter in die Küche. Er zog die Tür auf und war überrascht, als er Lisa auf den Stufen sitzen sah, zusammengekauert wegen des kalten Morgenwindes. Sie erschrak bei dem Geräusch der sich öffnenden Tür und Cooper beeilte sich, sie zu beruhigen.

"Lisa? Ich bin's nur.... Coop."

Sie hob beim Klang seiner Stimme den Kopf und wischte sich mit dem Arm über das Gesicht. Cooper nahm an, um ihre Tränen zu trocknen. "Hi", sagte sie mit schwacher Stimme.

Cooper wollte sie nicht in Verlegenheit bringen und ignorierte die offensichtliche Tatsache, dass sie geweint hatte. "Du bist aber früh auf."

Lisa nickte und ihr dunkles Haar strich über ihre Schultern. "Ich konnte nicht schlafen."

"Ist schwer manchmal", gab Cooper zu. "Vor allem an einem fremden Ort."

Lisa sagte nichts. Sie hatte den Kopf zur Seite gelegt, als ob sie den mit Raureif bedeckten Hof betrachten würde, aber Cooper wusste es besser. Sie sah einsam und verlassen aus und es brach Cooper fast das Herz. Obwohl er sich danach sehnte, sie zu trösten, wusste er nicht, wie er das anstellen sollte.

"Macht es dir etwas aus, wenn ich mich für eine Weile hier hin setze?" fragte er und ignorierte Tucker, der ungeduldig unten an der Treppe hin und her lief.

Lisa zuckte die Schultern, also nahm Cooper das als ein Ja auf und setzte sich neben sie auf die Stufe. Jetzt, wo er so nahe neben ihr saß, wurde ihm plötzlich bewusst, wie klein sie war. In dem riesigen Pullover, den sie an hatte, schien sie unheimlich zart und zerbrechlich.

Sie saßen für eine Weile beisammen und sagten kein Wort, bis Cooper die Schwere der Stille nicht mehr ertragen konnte. "Willst du darüber reden?"

"Worüber?" war ihre schwache Gegenfrage.

"Weswegen du vor Sonnenaufgang hier draußen sitzt."

Zuerst dachte Cooper, sie würde den ärmlichen Versuch, eine Unterhaltung zu beginnen, ignorieren und war dann überrascht, als sie dann über seine Worte nachdachte. "Ich habe darüber nachgedacht", sagte sie letztendlich, "die Dinge einfach so hinzunehmen, wie sie sind."

"Welche Dinge?"

"Alles", seufzte sie. "Die Dinge, die passieren, die du nie geplant hast. Ich meine.... du denkst, du hast alles genau durchkalkuliert. Und dann kommt alles anders und du erkennst, dass du nichts davon geplant hast."

"Ich weiß, was du meinst", antwortete Cooper und er meinte es. Lisa drehte ein wenig ihren Kopf zu ihm, als er fortfuhr. "Ich bin das beste Beispiel dafür. Ich bin gelernter Konstrukteur und habe auch einen Abschluss in Geschichte. Habe mir ein bisschen die Welt angesehen— bin ein bisschen herumkommen, du weißt schon, meinen Horizont erweitert. Und als ich zurück gekommen bin, hatten alle anderen einen Karriere. Nicht nur einen Job. Und ich hatte nie darüber nachgedacht. Ich hatte immer gedacht, dass die Dinge eben so kommen wie sie kommen."

"Lisa nickte und bedachte seine Worte. "Und war es so?"

"Ich glaube, ja", sagte er. "Ich arbeite für den Staat, Städteplanung. Es ist ein ganz guter Job, aber es ist nicht gerade das, wie ich mir mein Leben vorgestellt hatte."

"Ich glaube, ich kann dasselbe von mir sagen", sagte sie und schlang ihre Arme enger um ihre Beine.

"Wirklich?" Scully war überrascht, eine Spur von Amüsement in Coopers Stimme zu hören. "Hast du deine Collegeabschluss auch in den Wind geschrieben?"

"Nein", antwortete sie und hielt ein Lächeln zurück. "Den habe ich ganz gut hinter mich gebracht."

"In welchem Fach hast du deinen Abschluss gemacht?" Die Absurdität dieser Frage ließ sie unerwartet lachen.

"Was ist so lustig?" fragte er.

"Hast du eine Ahnung, wie lange es her ist, seit mich das jemand gefragt hat?"

Jetzt musste Cooper lachen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass es sehr lange her ist", grinste er. "Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, du seiest jetzt noch im College."

Sie wurde rot bei diesem indirekten Kompliment. "Nicht im Mindesten", gab sie zurück. "Ich habe das College *und* ein Doktorstudium hinter mir."

"Ah.... also bist du Ärztin, was?"

"Ja. Zumindest... so ähnlich." Plötzlich kam sich Scully vor, als hätte sie zuviel gesagt und sie wandte den Kopf in der Hoffnung, dass Cooper ihren stillen Hinweis sehen würde.

Wenn er es tat, ließ er sich nichts anmerken. Nach einem Moment fragte er, "Wie ist es passiert?"

"Was?" fragte Scully, obwohl sie genau wusste, was er meinte. "Wie du dein Augenlicht verloren hast. War es ein Unfall?"

"Könnte man sagen", erwiderte Scully, unwillig noch mehr zu verraten. Cooper bestand aber darauf. "Ist es lange her?"

"Nein", sagte Scully nach einer langen Pause. "Nicht allzu lang."

Scully hörte Cooper seufzen, obwohl das Geräusch fast in Tuckers ungeduldigem Grummeln unterging. "Es tut mir Leid."

"Mir auch."

Tucker bellte. Er war offensichtlich von dem Gespräch zu Tode gelangweilt und sie fühlte, wie sich Cooper neben ihr auf der Stufe nach vorne lehnte, und den Hund tätschelte.

"Ich glaube, Tucker braucht ein wenig Bewegung", bemerkte Cooper. "Willst du ein Stück mitgehen?"

Der Vorschlag kam überraschend, aber nicht völlig unwillkommen und Scully überlegte. "Kommt drauf an wie schnell und wie weit."

"Nicht sehr weit. Ich brauche einen Kaffee vor einem richtigen Marsch", antwortete Cooper mit einem Lachen. "Ich kann nicht für Tucker sprechen, aber es ist noch früh und ich kann noch nicht so schnell."

"Ich glaube, mit 'nicht so schnell' komme ich klar", lächelte Scully und ließ sich von Cooper auf die Füße ziehen. Er bot ihr seinen Arm an und sie hielt sich daran fest. Er war größer als Elliot und aus irgend einem Grund fand sie das beruhigend und sie passte sich leicht seinem Schritt an. An seiner Seite ging sie über das feuchte Gras und hörte auf Tuckers klimperndes Halsband, als er vor ihnen her rannte.

 

 

 

Wie vom Blitz getroffen wachte Mulder auf und sprang aus dem Sessel. Instinktiv griff er nach der Waffe, die er nicht mehr hatte. Nach ein paar Schrecksekunden orientierte er sich und sah sich wild im Raum um, bevor er sich erinnerte, wo er war.

Eingeschlossen in einem leeren Zimmer in einem privaten Hangar. Ein Gefangener ohne Fluchtmöglichkeit.

Aber es ist viel schlimmer als das, sagte Mulder sich. Du bist mehr als ein Gefangener. Du bist ein Judas. Du bist zur Waffe ihres Zerstörens geworden.

Er blieb ein paar Sekunden in diesen Gedanken versunken, immer noch mitgenommen von dem Alptraum, den er gehabt hatte. Ein Alptraum, in dem er Scully gefunden hatte, gesund und am Leben. Er hatte sie in die Arme genommen und mit ansehen müssen, wie sie im wahrsten Sinne des Wortes in seinen Armen hinweg schmolz, wie ihre Existenz verblasste, als er sie hielt, wie ihre leeren Augen ihn immer noch anklagten, sie allein gelassen zu haben, und ihm die Schuld für alles gaben, als sie blasser und blasser wurde. Es war so wirklich, so schrecklich wirklich, dass er sich sogar jetzt noch einreden musste, dass es nicht passiert war.

Wenn es nach ihm ginge, würde so etwas auch nie passieren.

Mulder sah auf die Uhr und merkte, dass es gerade mal nach acht Uhr morgens war. Fast vierundzwanzig Stunden, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte.

Vierundzwanzig Stunden. Ihm wurde schlecht bei dem bloßen Gedanke daran. Wo war sie?

Urplötzlich, mit einer Klarheit, die nur ausreichend Schlaf mit sich bringen konnte, wurde ihm eine mögliche Antwort bewusst, als er sich an Elliot erinnerte, den jungen Mann aus dem Zug. Könnte Scully ihn um Hilfe gebeten haben?

Mulder wägte diese Möglichkeit ab und fing an, im Zimmer wieder hin und her zu gehen. Es machte Sinn, wenn Scully zu ihm gegangen wäre. Immerhin war er der einzige Mensch im Zug, mit dem sie irgendeine Verbindung eingegangen waren. Und wenn sie mit Elliot den Zug verlassen hatte, könnte es erklären, warum ihr Ausstieg nie bemerkt wurde. Sie hatten immerhin nach einer allein reisenden Frau gefragt, nicht nach einem Pärchen.

Durch diesen Gedanken wachgerüttelt erkannte Mulder mit einer gewissen Aufregung, dass es gut sein könnte, dass sie noch in El Paso war. Sie würde so schnell wie möglich weg vom Zug kommen wollen aus Angst, dass er in Schwierigkeiten stecken könnte, weil er nicht zurück gekommen war. Sie hatte Elliot vielleicht überreden können, sie zu verstecken.... aber wo? Ein Motel vielleicht, irgendwo, wo sie untertauchen und warten konnten.

Würden sie ihren Namen benutzt haben oder seinen? Mulder dachte gründlich über jede Option nach. Scully wusste, dass sie ihren Decknamen zu Steward geändert hatten, doch der Ausweis, den sie trug, identifizierte sie immer noch als Lisa Wilder. Sie könnte vielleicht beide benutzt haben in der Hoffnung, dass er sie so schneller finden könnte. Doch dann verwarf er diesen Gedanken—es wäre zu gefährlich, besonders weil sie nicht wusste, was ihm passiert war. Es war sinniger, Elliots Namen benutzt zu haben.

Wie war der noch gleich... Mulder zwang sich zum Nachdenken und suchte in seinem fotografischen Gedächtnis nach der Antwort. Er dachte an das Buch und an die Worte, die im Einband gestanden haben. Elliot Masters... ja, das war's. Elliot Masters.

Gerade als Mulder der Name wieder einfiel, hörte er, wie ein Schlüssel in das Schloss seiner Zelle gesteckt wurde. Er fuhr herum, als die Tür aufsprang und sah Christophe im Türrahmen stehen.

"Es wird Zeit, sich an die Arbeit zu machen", verkündete er, seine Miene dunkel und verschlossen.

Mulder hielt fest an seiner neuen Hoffnung und folgte Christophe aus der Zelle.

 

 

 

Elliot rollte sich auf den Rücken und sah zu Rebecca auf, die neben dem Bett stand. Ihre dunkle Mähne fiel über ihr Flannell-Shirt, dass sie über ihrem Pyjama trug. "Beck...." Er legte seinen ganzen Charme in seine Worte. "Es ist eiskalt draußen, und hier drin ist es warm. Besonders—" er zog mit einem dramatischen Schwung die Decke zurück—"hier drunter. Also, wieso die Eile?"

"Weil ich bis heute Mittag die Unterlagen ins Museum gebracht haben muss. Und", fügte Rebecca mit einem Glänzen in den Augen zu, "wenn wir uns beeilen, sind wir als erstes in der Dusche."

"Hast du gesagt wir?"

"Das habe ich gesagt."

Auf einmal war das Bett nicht mehr so interessant. "Okay, ich schlage vor, im Interesse des steigenden Wasserverbrauchs...." Elliot kletterte aus dem Bett zu seiner Freundin und gab ihr einen raschen Kuss, bevor er es ihr nach tat und sich ein Sweatshirt überstreifte, um sich gegen die morgendliche Kälte zu wappnen.

"Ich wusste nicht, dass du so daran interessiert bist, den Planeten zu retten", neckte Rebecca ihn und gab ihm auch einen Kuss, bevor sie die Treppen herunter stieg.

Als Elliot ihr die Stufen hinunter folgte, die das Loft mit dem Studio verbanden, dachte er wieder daran, wie viel Glück er hatte, sie in seinem Leben zu haben. Hand in Hand gingen sie über den Hof und betraten die gemütlich warme Küche.

"Ich setze nur mal schnell Kaffee auf", sagte Rebecca mit einem warmen Lächeln. "Geh schon mal vor, ich komme gleich nach."

Elliot nickte und wandte sich Richtung Flur. Zu seiner Überraschung stand Coopers Tür offen. Er warf einen Blick in sein Zimmer und fand das Bett leer, aber benutzt vor. Er ging wieder zurück in die Küche und fragte Rebecca, "Wo ist Coop den schon so früh hin?"

"Er ist nicht in seinem Zimmer?" Rebecca war verwirrt. Als sie den Kaffee in den Filter löffelte, nahm sie an, "Vielleicht ist er schon ins Büro gegangen?"

"Coop? Nachdem er gestern so spät Schluss gemacht hatte? Das soll wohl ein Witz sein." Elliot stellte sich hinter Rebecca und schmiegte sich an ihren Nacken. "Aber es soll mir egal sein—solange er nicht gerade jetzt zurückkommt und unbedingt vor uns duschen will."

"Ich werde es bereuen", grummelte sie und versuchte, ernst zu klingen, aber Elliot ging nicht darauf ein.

"Keine Sorge.... das wirst du nicht", versprach er und fuhr sanft mit den Lippen über ihr Ohr.

 

 

Rebecca lehnte sich rückwärts gegen ihn, als sie das Wasser in die Kaffeemaschine einfüllte, und genoss seine frühmorgendlichen Liebkosungen. Doch plötzlich flüsterte Elliot ihr ins Ohr, "Beck, sie nur!"

Sie stellte die Kanne an ihren Platz und folgte seinem Blick. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung, als sie sah, wie sich zwei Gestalten aus der Ferne näherten. Tucker war leicht auszumachen, sie kannte seinen quirligen Gang. Es waren die beiden Menschen, die ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen, genau wie Elliots. Lisa war mit einem Arm bei Cooper eingehängt und sogar aus der weiten Entfernung konnte Rebecca die junge Frau lächeln sehen.

"Ich glaube, jetzt wissen wir, warum Cooper so früh auf war", bemerkte Rebecca.

"Ja", stimmte Elliot mit einer Spur Schuldbewusstsein zu. "Ich hätte nach ihr sehen sollen. Ich hoffe, sie hat gut geschlafen."

Rebecca drehte sich zu ihm um und drückte ihm einen Kuss auf die Wange, um ihm zu versichern, "Es scheint ihr gut zu gehen. Ich würde mir keine Sorgen machen. Wo waren wir stehen geblieben...?"

"Wo du recht hast, hast du recht", antwortete Elliot, nahm sie bei der Hand und führte sie ins Badezimmer.

 

 

Das Geräusch des Eingangstores verriet Scully, dass sie wieder beim Haus waren. "Ich weiß nicht, Cooper", keuchte sie leicht außer Atem. "Das war eher eine ganze Wanderung."

"Nur weil es so hüglig ist", erklärte er. "Wenn wir hinterm Haus Richtung Norden gegangen wären, wär's sogar noch schlimmer gewesen. Beck und ich gehen da manchmal rauf—sie ist ein richtiger Wander-Fan. Es gibt ein paar verlassene Minen da oben, aber wir erkunden immer nur die Berge."

"Ich habe gar nicht gewusst, dass es in New Mexiko Minen gibt." Scully war erstaunt.

"Doch, klar", sagte Cooper. "Viele verschiedene Arten sogar. Manche sind von Menschen gemacht, und eine Menge sind natürlich entstanden. Du hast doch schon mal von den Carlsbad Höhlen gehört, stimmt's?"

"Ja, klar."

"Das sind die größten Höhlen im ganzen Staat, aber es gibt noch eine Menge mehr, Salpeter und andere natürliche Mineralien und einige sind lediglich für Fledermaus-Mist gebaut."

"Das ist ja ekelhaft. Wofür das denn?" sagte sie und runzelte die Stirn.

"Meistens Düngemittel", lachte er.

Scully trat noch einen Schritt vor und stieß mit dem Fuß gegen etwas, so dass sie die Balance verlor. Cooper griff nach ihrem Arm und hielt sie fest, bevor sie fallen konnte. "Gott, Lisa, es tut mir Leid!" hörte sie ihn sagen. "Wir sind an der Treppe. Ich hätte dich warnen sollen."

"Ist nicht so schlimm", sagte sie und hob ihren Fuß, um die Stufen zu nehmen.

"Ich glaube, es ist meine Schuld, dass unser kleiner Ausflug so lange gedauert hat", stöhnte Cooper. "Offensichtlich bin ich nicht gerade die beste Eskorte. Du bist wahrscheinlich wegen mir die ganze Zeit gestolpert."

"Nein, du hast es gut gemacht", versicherte Scully ihm, als sie die Stufen hinaufstiegen und die warme Küche betraten, wo ihnen der Duft von frisch gebrühtem Kaffee in die Nasen stieg. "Mmmm", machte sie, "jemand hat Kaffee aufgesetzt."

"Worauf du wetten kannst", sagte Cooper. "Wir sind alle kaffeesüchtig hier. Willst du welchen?"

"Ja, gerne." Scully fand den Tisch, ließ Coopers Arm los und lehnte sich dagegen. Der Hund setzte sich neben sie. Sie hörte ihn hecheln und beugte sich zu ihm, um ihn zu kraulen. "Guter Junge", sagte sie. "Hört sich an, als ob du etwas zu Trinken gebrauchen könntest."

"Ich habe gerade seine Schüssel aufgefüllt", sagte Cooper. "Keine Sorge, er weiß, wo sie steht."

Als ob er Cooper verstanden hätte, trottete Tucker kurz darauf von ihr weg und sie hörte, wie sich sein Schlabbern unter die restlichen Geräusche mischte, die Cooper machte, als er in der Küche rumorte, Schranktüren öffnete und wieder schloss und Tassen auf den Tisch stellte. Erfreut hörte sie zu, wie er sie füllte und nahm ein paar Zimmer weiter das Geräusch von fließendem Wasser wahr. "Hört sich an, als seien alle wach", bemerkte sie.

"Ja", lachte Cooper. "Beck ist ein Morgenmensch, also hat Elliot keine große Wahl." Nach einer kurzen Pause, "Wie magst du deinen Kaffee?"

"Mit ein wenig Milch", antwortete sie. "Kein Zucker."

Einen Moment später fühlte sie, wie Cooper ihr etwas in die Hand drückte.  Eine ziemlich große Tasse, von dem zu schließen, was sie fühlte. "Sei vorsichtig", warnte er. "Er ist noch heiß."

Scully nickte und nahm einen Schluck. Cooper stand neben ihr, als sie das unverwechselbare Geräusch von Papierrascheln hörte. "Zeitung?" fragte sie.

Cooper murmelte bejahend. "Nichts Interessantes in den Schlagzeilen. Die übliche deprimierende Litanei."

Sein trockener Kommentar brachte sie zum Lächeln. "Ich weiß, was du meinst." Dann fiel ihr etwas ein. "Kann man hier irgendwo in der Nähe Zeitungen aus dem Ausland bekommen?"

"Ja, es gibt eine internationale Presse in der Stadt", antwortete Cooper ihr. "Die haben Zeitungen aus allen möglichen großen Städten, aber normalerweise immer nur die Sonntagsausgaben. Was auch immer sie jetzt haben ist wahrscheinlich von letztem Wochenende." Zögernd fuhr er fort. "Suchst du nach etwas bestimmten?"

Scully bedachte ihre nächsten Worte und blieb absichtlich vage. "Vielleicht", sagte sie. "Aber es würde nur in einer texanischen Zeitung stehen, wenn überhaupt."

"Du meinst Neuigkeiten über deinen Mann, richtig?"

Es war nicht wirklich eine Frage, aber Scully wusste, dass er eine ehrliche Antwort verdiente. "Ja", gab sie leise zu. "Wenn—wenn er in Schwierigkeiten steckt, steht es vielleicht drin."

"Tja", begann Cooper, "da können wir uns ganz leicht schlau machen. Heutzutage kann man alle möglichen größeren Zeitungen auch über das Internet lesen. Ich habe noch ein wenig Zeit, bevor ich arbeiten muss, also könnte ich mal nachsehen."

Scully war sehr dankbar für sein Angebot. "Das wäre toll, Cooper. Ich wäre dir sehr dankbar."

"Ok, dann lass uns mal gucken, was wir finden können", sagte er. "Mein Computer ist in meinem Zimmer." Er lachte, als er sie beim Arm nahm. "Ich muss dich allerdings warnen, es ist ein heilloses Durcheinander."

Sie lachte ebenfalls, als sie vorsichtig ihre Tasse abstellte. "Solange du mich nicht über alles stolpern lässt, werde ich es nicht gegen dich verwenden."

"Abgemacht", sagte Cooper und gemeinsam verließen sie die Küche.

 

 

Ende von Teil 5...

 

X-5  X-5

 

 

 

GETEILTE WEGE (6/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Moe und Curly hatten kein Glück, was ihre Suche nach Scully betraf. Mulder konnte nichts dafür, aber er fand das toll. Jetzt, wo er seine eigene Theorie hatte was ihren möglichen Aufenthaltsort betraf, war seine einzige Sorge, seine "Freunde" so lange los zu werden, dass er sie finden konnte.

Das wirkliche Problem war: wie sollte er das anstellen? Mulder war nicht für eine Sekunde allein gewesen, seit Christophe ihn aus der provisorischen Zelle gelassen hatte, mit Ausnahme eines Trips aufs Klo, wo er sich umgezogen hatte und sich ein wenig frisch gemacht hatte.

Im Moment saßen er und die anderen drei in einem gemieteten Sedan, der in einer Seitenstraße nicht weit vom Bahnhof El Paso parkte. Christophe war von dem Privatflughafen hierher gefahren, und als Curly und Moe aus dem Bahnhof kamen, hatte Curly das Steuer übernommen. Christophe hatte es sich auf dem Beifahrersitz bequem gemacht und Mulder nach hinten beordert. Von Larry war keine Spur zu sehen. Mulder hatte ihn zum letzten Mal gesehen, als sie aus dem Flughafen-Hangar heraus gefahren waren. Am Ende war es ihm auch egal, wo er steckte, immerhin war es jetzt einer weniger, um den er sich Sorgen machen musste.

"Wir haben alles gecheckt, Sir", berichtete Curly. "Sie ist in keinem der Hotels oder Motels in der Gegend hier."

"Sicher?!" Das Wort war keine Frage, eher eine Feststellung.

Moe, der auf dem Rücksitz neben Mulder saß, antwortete. "Ja. Und wir waren auch nicht die ersten, die gefragt haben. Die Polizei und das FBI waren schon hier."

Die haben ja auch nicht nach 'Masters' gefragt, dachte Mulder bei sich.

Als er sich nach Mulder umdrehte, legte Christophe seine Stirn ein winziges Bisschen in Falten, was als einziges Zeichen den Stress verriet, unter dem er ohne Zweifel stand. "Ich kann mich einfach nicht mit dem Gedanken anfreunden, dass Sie und das Mädchen im Falle einer Trennung nicht irgendeinen Plan ausgemacht haben."

Mulder zuckte die Schultern und grinste innerlich mit der Zuversicht, die er niemandem zeigte. "Wir sind nicht gerade welche, die im Voraus planen."

Christophe warf Moe einen kurzen Blick zu und bevor Mulder wusste, wie ihm geschah, fühlte er Moes Waffe hart an seinen Rippen.

"Ich habe ein Lieblingssprichwort, Mulder", sagte Christophe, sein Gesicht ausdruckslos und kalt wie Eis. "Alles, was keine Hilfe ist, ist ein Hindernis. Und für solche Art Hindernisse habe ich weder die Zeit noch den Platz. Also schlage ich vor, Sie beweisen Ihre Nützlichkeit."

Die Knarre an seiner Seite war mehr als nur eine Aufforderung zum Nachdenken—zum schnellen Nachdenken. Als er überlegte, fiel ihm eine weitere Idee ein. Wenn Scully Elliot um Hilfe gebeten hatte, hatte sie es bestimmt nicht geschafft, in El Paso aus dem Zug zu steigen. Und umso mehr Mulder darüber nachdachte, umso überzeugter war er davon. Sie hätte gewartet, vielleicht sogar bis nachdem der Zug den Bahnhof wieder verlassen hatte, bevor sie irgendetwas tat. Was heißen würde, dass wenn seine Theorie stimmte, sie an der nächsten Station ausgestiegen waren.

Er fragte sich nur, ob er Christophe das verraten sollte. Es würde ihn vielleicht wieder auf ihre Spur setzen, und das wollte Mulder auf keinen Fall riskieren. Doch der Blick in Christophes Augen duldete kein Schweigen, und er war davon überzeugt, dass er nicht mehr lange leben würde, um sie zu finden und sie vor ihm zu beschützen, wenn er ihm nicht bald ein paar Informationen lieferte.

"Ich warte, Mulder."

Mulder traf seine Entscheidung. "Ich glaube nicht, dass Scully in El Paso ausgestiegen ist." Er sprach langsam und mit Widerwillen. "Ich glaube nicht, dass sie ausgestiegen ist, bis sie sich sicher war, dass ich nicht wieder zurück komme."

Christophe beobachtete ihn genau und schlussfolgerte dann, "Also glauben Sie, dass sie an der nächsten Station ausgestiegen ist."

Mulder nickte. Er war sich sicher, dass er nichts von Elliots Existenz wusste und er betete, dass wenn Scully sich auf ihrer Suche nach Hilfe an ihn gewandt hatte, sie Elliots Namen benutzt hatte, um ihre eigene Identität zu verbergen."

Christophe fasste sein Nicken als Zustimmung auf und drehte sich wieder nach vorn zu Curly hinter dem Lenkrad. "Welche war die nächste Haltestelle?"

Curly zog einen Zettel aus seiner Jacke und sah nach. "Las Cruces", sagte er.

"Dann los", befahl Christophe und Mulder war erleichtert, dass Moe seine Waffe von seiner Seite nahm und sie wieder zurück in seinen Mantel steckte.

Als Curly den Zündschlüssel drehte, fand Mulder, dass es an der Zeit war, Teil A von seinem Plan in die Gänge zu bekommen. "Wäre es vielleicht möglich, noch einmal zur Toilette zu gehen, bevor wir losfahren?"

Christophe fixierte ihn mit einem weiteren langen Blick. "Ich habe keine Lust auf Spielchen."

"Ich auch nicht", antwortete Mulder im selben Ton.

 

 

 

Mit einer heißen Dusche zu zweit hinter und der Zeitung vor ihm, sowie einer Tasse Kaffee in der Hand fühlte sich Elliot wie neugeboren. "Hey, Beck", sagte er und sah sie über den Esszimmertisch an. "Ich glaube, ich fahre heute mit Coop in die Stadt."

"Was brauchst du?" fragte sie mit einem Löffel voller Cornflakes.

"Ich will ein paar Zeichnungen im Copyshop editieren", erklärte er. Durch das Essen herbeigelockt, machte Tucker neben ihm auf sich aufmerksam in der Hoffnung, etwas von dem frischen Brötchen abzubekommen. "Außerdem will ich sehen, wie sich einige der Skizzen als Drucke machen, dann brauche ich nicht die ganze Zeit meine Aktentasche auf dem Motorrad mit rumschleppen."

"In Ordnung", stimmte Rebecca zu. "Wenn du um eins zu mir ins Museum kommst, kann ich dich mit zurück nehmen."

"Ganz genau darauf habe ich gehofft", grinst er.

Rebecca zeigte spöttisch mit dem Löffel auf ihn. "Du", sagte sie, "bist ein Meister der Manipulation."

"Hey", protestierte Elliot und hielt defensiv die Arme in die Höhe. "Ich habe nichts gesagt, du hast es angeboten."

"Ja, aber du wusstest, dass ich es tun würde", konterte sie. Sie nahm wieder einen Löffel ihres Frühstücks und fragte dann, "Sind Coop und Lisa immer noch am Computer?"

"Denke ja", antwortete er. Rebecca sah auf die Uhr an der Wand. "Wenn er nicht aufpasst, wird er spät dran sein."

"Ist das so außergewöhnlich?" fragte Cooper, als er die Küche betrat, Lisa hinter ihm her.

"Wenn du für den Staat arbeiten würdest, Beck, würdest du auch nicht jeden Morgen ins Büro hetzen wollen."

"Stimmt", grinste Rebecca. "Aber mit meinem Auto kann man sich wenigstens beeilen. Ich glaube, bei deinem ist das anders."

"Mit meinem Auto ist überhaupt nichts verkehrt", protestierte Cooper. „Ich habe es schon seit dem College."

"Ganz genau das meine ich", konterte Rebecca und leerte ihre Schüssel Cornflakes.

Als Cooper ihr zu einem Stuhl half, merkte Elliot, dass Lisas Gesichtsausdruck ziemlich nichtssagend war. "Habt ihr gefunden, wonach ihr gesucht habt?"

"Wir habe nicht viel gefunden", sagte sie. "Stimmt", sagte Cooper, als er sich ein Brötchen vom Teller schnappte. "Aber keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten, was?"

"Ja", seufzte Lisa nicht besonders überzeugt.

"Über gute Neuigkeiten", philosophierte Cooper, "sollte man sich eigentlich freuen." Er tätschelte Lisas Schulter und sagte, "Wir sehen später noch mal nach. Versporchen."

"Okay", sagte Lisa und Elliot sah, wie sich ihre Mundwinkel ein wenig nach oben bewegten.

Cooper verschwand mit seinem Brötchen wieder in seinem Zimmer. "Elliot, ich springe nur kurz unter die Dusche und dann verschwinden wir Richtung Stadt."

"Bereit wenn du's bist", gab Elliot zurück und wandte sich wieder Lisa zu. "Lisa, möchtest du etwas essen?"

Sie schüttelte den Kopf. "Ich habe eigentlich keinen Hunger."

"Brauchst du etwas aus der Stadt?"

Noch ein schüchternes Lächeln. "Nein, danke, Elliot. Aber danke fürs fragen."

Rebecca stand auf, die Cornflakes-Schüssel in der Hand. "Okay, Lisa, wenn uns die Jungs schon hier sitzen lassen, bleiben nur noch wir übrig. Ich muss ins Studio und ein wenig Arbeit hinter mich bringen. Willst du mitkommen?"

"Sicher. Ich möchte nur vorher schnell duschen." Sie stand auf und winkte kurz in Elliots Richtung. "Bis dann, Elliot."

"Bis dann", antwortete er und sah zu, wie sie vorsichtig ihren Weg zurück in den Flur fand.

Als er zu Rebecca sah, merkte er, dass sie ebenfalls Lisas langsame, aber sichtbare Fortschritte beobachtete. Als sie die Tür zum Schlafzimmer hinter sich schloss, flüsterte Elliot, "Ich wünschte, ich könnte mehr für sie tun."

"Ich glaube, es fällt ihr schwer, andere um Hilfe zu bitten", erwiderte Rebecca verständnisvoll, und trug dann ihr Geschirr in die Küche.

 

 

Sie hielten vor einem zweifelhaft aussehenden Restaurant an. Mulder stieg aus dem Wagen und Curly war keine Sekunde später hinter seinem Steuer hervorgekrochen und an seiner Seite. Christophe griff in seine Tasche und zog das Ortungsgerät heraus. Er zeigte auf den blinkenden roten Punkt. "Ich werde böse, wenn der sich bewegt."

Mulder nickte und ging auf den Eingang zu, Curly auf seinen Fersen. Das Restaurant war wirklich nur ein besserer Fast Food Laden, aber Mulder hatte das Gefühl, dass es ihm genau gelegen kommen würde. Er ging auf die Kellnerin zu, die hinter der Theke stand und fragte, "Könnten Sie mir bitte sagen, wo hier die Toiletten sind?"

"Um die Ecke und den Flur hinunter", sagte das Mädchen, dessen Namensschild sie als 'Jackie' identifizierte.

"Danke", sagte Mulder mit einem Lächeln. Er sah zu Curly, der seine Hände in seinen Taschen hatte und ihm signalisierte, dass auch er eine Waffe hatte. Mulder wartete, dass Curly ihm folgte, aber der Schlägertyp postierte sich bloß an der Wand der Lobby. "Mach's kurz", zischte er. Mulder nickte.

Mulder ging also allein um die Ecke und, wie beschrieben, den Flur entlang, der mit einigen der hässlichsten Bildern dekoriert war, die er je gesehen hatte. Dann konnte er nur schwerlich einen Freudenschrei unterdrücken, als er zwei Münztelefone an den Eingängen der Toiletten sah. Beeil' dich, dachte er überflüssigerweise, denn er wusste ohnehin, dass er nicht viel Zeit hatte.

Er riss den nächstbesten Hörer von der Gabel und wählte die bekannte Nummer so schnell wie möglich. Es war klar, dass sie von ihm erwarten würden, dass er ihnen eine Telefonnummer herunterrasselte, doch es war keine Zeit für ihren Rückruf. Er musste einfach schnell reden und hoffen, dass sie zuhörten.

Dreimaliges Klingeln, dann hörte Mulder Langleys Stimme. "Hallo?"

"Ich bin's", sagte er rasch. "Legt nicht auf." Als sie es nicht taten, ratterte er den Rest seiner Nachricht herunter. "Wir wurden getrennt und ich stecke in Schwierigkeiten. Ihr müsst nach ihr suchen. Fangt in Las Cruces, New Mexiko, an und arbeitet euch nach Westen vor. Sie könnte in einem Motel unter 'Elliot Masters' sein. Ich rufe wieder an, wenn ich kann."

Mulder hörte Schritte hinter sich und knallte den Hörer zurück auf die Gabel, ohne auf eine Antwort zu warten. Die Schritte gehörten einer schwergewichtigen Frau, die ihn freundlich anlächelte, als sie in die Damentoilette ging.

Mulder hatte seine Mission geschafft und ging wieder zurück in die Lobby, wo er wusste, dass Curly ihn erwartete.

 

 

Nachdem die Jungs gegangen waren, nahm Rebecca Lisa beim Arm und ging mit ihr über den Hof zu dem Studio. Ihre Stille wurde nur durch Tuckers Bellen hin und wieder gebrochen, als er neben ihnen her sprang. Rebecca wusste nicht, was sie sagen sollte, das nicht dumm oder ungeschickt klingen würde, also sagte sie gar nichts. Während sie die Tür aufschloss, wartete Lisa ruhig neben ihr, dann führte sie sie hinein. Sie half Lisa auf einen Stuhl nahe der Wand und ging dann zum Tisch, um die Bilder zu sortieren, die sie am Tag zuvor entwickelt hatte.

Nach einiger Zeit bemerkte Lisa, "Du hast einen interessanten Namen, Rebecca. Ich frage mich, wie du wohl aussiehst."

Rebecca lachte. "Die Familie meines Vaters kommt aus Spanien", erklärte sie. "Ich habe Cousins, die immer noch dort leben. Vor einigen Jahren war ich einen Sommer dort. Die andere Hälfte der Familie ist Irisch. Ich wurde nach meiner Großmutter mütterlicherseits benannt."

"Und?"

"Und was?" Rebecca konzentrierte sich auf die Bilder und merkte, dass sie den Faden des Gesprächs verloren hatte.

"Wie siehst du aus?"

"Oh.... dunkle Haare—gelockt, viel dunkler und länger als deines. Und dunkle Augen. Olivfarbene Haut. Das genaue Gegenteil von Elliot, falls du dich wunderst. Er ist hellblond und holt sich einen Sonnenbrand, wenn er nur an Sonne denkt."

Lisa grinste. "Kommt mir bekannt vor."

Sie schwiegen wieder, aber dieses Mal war die Stille nicht so beklemmend. Rebecca betrachtete die verschiedenen Fotos mit einem Vergrößerungsglas und kreiste die besten ein. Zu ihrer Zufriedenheit waren recht viele ordentliche Bilder dabei.

"Was machst du gerade?" fragte Lisa letztendlich.

"Ich habe ein paar Fotos für das Museum gemacht", antwortet Rebecca ihr, "um mich für den Job dort zu bewerben. Jetzt suche ich die besten aus. Heute Mittag muss ich sie einreichen."

Lisa nickte langsam. "Es muss Spaß machen, so kreativ zu arbeiten", sagte sie. Tucker, der neben ihren Füßen saß, bellte seine Zustimmung.

Rebecca lachte. "Ich weiß zwar nicht, wie kreativ diese Fotos hier gerade sind, aber Fotografieren macht mir Spaß. Es ist allerdings nicht die einfachste Art, seine Brötchen zu verdienen. Meine Eltern sind immer noch nicht darüber hinweg, dass ich nicht irgendeinen handfesten Beruf gewählt habe, weißt du. Etwas, wo ich jeden Tag im Anzug herum rennen würde und im Büro sitze. Aber das liegt mir einfach nicht. Und so sehr ich sie auch glücklich machen will, ich konnte es einfach nicht." Plötzlich war ihr diese lange Erklärung peinlich. "Entschuldige—ich wollte nicht ausschweifend werden."

"Das bist du nicht", versicherte Lisa ihr. "Ich weiß, was du meinst. Und ich glaube, du hast die richtige Wahl getroffen. Man muss tun, was einen glücklich macht.... auch wenn es nicht unbedingt den Erwartungen anderer Leute entspricht."

Etwas in Lisas Stimme ließ Rebecca von ihrer Arbeit aufschauen. Ihr Gesichtsausdruck war nachdenklich, geradezu träumerisch, und Rebecca spürte, dass sie irgendwann mal eine ähnliche Entscheidung getroffen hatte. Sie wurde neugierig, aber sie zögerte unsicher. Dann entschied sie sich für eine allgemeine Alternative. "Was macht dich glücklich, Lisa?"

"In letzter Zeit nicht viel."

"Oh." Rebecca wurde rot bei ihrer knappen Antwort, und sie wandte sich wieder den Fotos zu. Sie bereute ihre Dummheit, diese Frage überhaupt gestellt zu haben.

 

 

"Rebecca, es tut mir Leid", beeilte sich Scully sich zu entschuldigen. Sie schämte sich für ihre Abruptheit. "Ich habe es nicht so gemeint. Ich... Ich glaube, ich bin nur ein bisschen aufgewühlt. Ich habe es nicht so gemeint."

"Ist schon in Ordnung. Ich verstehe es." Ihre Worte waren steif, höflich.

"Das ist es ja eben, du verstehst es nicht." Scully suchte nach Worten, um es zu erklären. "Du verstehst es nicht, und du kannst es auch nicht. Ich kann es dich nicht verstehen lassen."

Rebecca antwortete zuerst nicht, und als sie es tat, waren ihre Worte sanft. "Ich wollte mich nicht einmischen, Lisa. Aber du kannst es mir nicht vorwerfen, wenn ich neugierig bin."

"Ich weiß", sagte Scully. "Aber das einzige, über das ich nicht reden kann, ist meine Arbeit." Sie zögerte und entschied dann, dass es in Ordnung war, noch etwas mehr zu sagen. "Das ist nämlich einer der Gründe, die mich überhaupt in diese Lage gebracht haben."

"Weil du über deine Arbeit geredet hast?"

"Nein. Meine Arbeit selbst. Es ist nicht gerade der einfachste Job der Welt."

"Aber hast du ihn gern gemacht?"

Ein Seufzen entkam Scully und sie nickte. "Ja. Ja, das habe ich." Und das war stark untertrieben. Zum ersten Mal, seit sie geflohen waren, erkannte Scully, dass sie nicht bloß ihr zu Hause und ihre Familie vermisste. Sie erkannte, wie viel ihr ihre Arbeit beim FBI bedeutete, wie sehr sie es geliebt hatte Agentin zu sein.

Doch jetzt gibt es kein Zurück mehr, dachte sie reuevoll. Selbst wenn sie es irgendwie schaffen würde, Mulder zu finden, und sie wirklich ihren Ruf wiederherstellen konnten, dieser Teil ihres Lebens war vorüber. Immerhin gab es für eine blinde Agentin keinen Platz beim FBI.

"Hast du dort deinen Mann kennengelernt?"

Rebeccas Frage brachte sie wieder zurück aus ihren Gedanken, in denen sie wieder einmal den Tränen nahe gewesen war. Scully murmelte ein Ja.

"Wie ist er so?"

"Wie ist er so...." Sie wusste, es sollte ihr eigentlich nicht so schwer fallen das zu beantworten, aber es war nicht leicht, Mulder in mit wenigen Worten zu beschreiben. "Er ist.... brillant. Er ist klug und witzig... und manchmal kann er sehr stur sein. Nun ja, nicht gerade stur. Eher fokussiert. Sehr konzentriert und bedacht."

"Sieht nicht so aus, als wäre er einfach mit umzugehen."

"Nicht im Mindesten", stimmte Scully mit einem Lachen zu. "Er findet auch nicht leicht Freunde. Und die, die er hat, sind ein wenig...  außergewöhnlich." Die Einsamen Schützen kamen ihr ins Gedächtnis und sie musste noch mehr lachen.

"Was ist so lustig?"

"Nichts, wirklich. Ich denke nur nach."

"Also", lachte nun auch Rebecca, "hast du am Ende einen Weg gefunden, mit ihm klar zu kommen. Schließlich hast du ihn ja geheiratet."

Scully nickte wehmütig. "Wir kommen ganz gut miteinander aus. Ich habe großes Glück... ihn in meinem Leben zu haben."

"Ich würde sagen, er hat Glück, dich zu haben."

Plötzlich fiel ihr etwas ein, und statt auf ihren Kommentar einzugehen, fragte sie, "Rebecca, hast du eigentlich Coopers Büronummer?"

"Klar."

"Können wir ihn mal anrufen? Ich würde ihn gerne etwas fragen."

"Sicher", sagte Rebecca. "Lass mich das hier nur schnell zu Ende machen, dann gehen wir zurück ins Haus." Sie hielt inne und fügte dann hinzu, "Aber nur, wenn du mich endlich Beck nennst."

"Abgemacht", grinste Scully.

 

 

Ende von Teil 6...

 

X-6  X-6

 

 

GETEILTE WEGE (7/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Der Gestank von Zigarettenrauch verriet Skinner die Anwesenheit des Mannes, bevor er überhaupt die Tür geöffnet hatte. "Willkommen zurück, Mr. Skinner", sagte der Mann, als er das Zimmer betrat und neben dem Schreibtisch zum Stehen kam.

Skinner sah mit kaum unterdrücktem Ekel zu ihm auf. "Ich glaube, es hilft nicht viel, Sie daran zu erinnern, dass das hier ein Nichtraucher-Gebäude ist."

Der Mann schenkte ihm ein halbherziges Lächeln und nahm einen weiteren Zug. "Wie war ihr Ausflug nach Texas?"

"Ich bin überrascht, dass Sie mich das überhaupt fragen", entgegnete Skinner. "Ich würde fast sagen, Sie wussten vor mir, dass er nicht da sein würde."

"Sie trauen mir viel zu viel zu", erwiderte der Mann. "Ich mache mir allerdings Gedanken, wie Sie mit der Situation umgehen."

"So, tun Sie das?" Skinner stand von seinem Platz auf und sah dem Mann genau in die Augen. "Lassen Sie mich raten. Sie wollen mir irgendeinen vagen Grund präsentieren, warum wir bei unserer Suche zurückschalten sollten. Lassen Sie mich Ihnen etwas sagen." Er ließ seine Worte einen Moment sinken. "Ich werde nicht weniger intensiv weitersuchen. Ich werde jeden zur Verfügung stehenden Agenten Mulder und Scully und den Mann, der Mulder aus dem Gefängnis geholt hat, suchen lassen. Und ich werde jedem ein Dorn im Auge sein, der versucht, mich daran zu hindern."

Der Mann hob eine Augenbraue, doch sagte nichts. Er starrte ihn bloß an.  Sein Blick war geradezu niederschmetternd, doch Skinner war nicht in der Stimmung, jetzt den Kürzeren zu ziehen. Der Gestank des Nikotins ließ ihn letztendlich hinzufügen, "Wenn das alles ist, bitte ich Sie, mich jetzt zu entschuldigen. Ich habe zu arbeiten."

"Sicher, Mr. Skinner", antwortete der Mann. "Ich möchte Sie ja nicht bei ihrer Arbeit aufhalten." Damit drehte er sich um, verließ das Büro und ließ eine Rauchwolke zurück.

Skinner wartete, bis die Tür hinter ihm zufiel und sank dann zurück in seinen ledernen Schreibtischsessel. Dieser kurze Auftritt hatte ihn sehr verwirrt. Er hatte keine Ahnung, welches As der Mann in seinem Ärmel hatte, aber er hatte den starken Verdacht, dass sein Besuch nur eine Vorwarnung vor einem späteren heimtückischen Schachzug war.

 

 

Cooper starrte zum tausendsten Mal auf seinen Entwurf. Es war ein besonders komplexes Design, das er mit peinlich genauer Präzision gefertigt hatte.  Und jetzt wollte er alle möglichen Fehler ausmerzen, bevor er ihn einreichte. Soweit, so gut, dachte er, und hielt es vor sich in die Höhe.

Das Klopfen an der Tür überraschte ihn. Beinahe hätte er die Blaupause fallen gelassen, doch er fasste sich rechtzeitig, um "Herein" zu rufen.

"Hey, Coop", grüßte Rebecca, als sie die Tür öffnete. "Hast du einen Moment Zeit?"

Rebecca hatte einen Anzug statt ihrer üblichen Jeans an, deshalb sah sie vollkommen professionell aus. Cooper grinste ihr zustimmend zu. Lisa, die hinter ihr stand, hielt sie am Arm mit einem Griff, der ihr Unwohlsein durch die ungewohnte Umgebung verriet.

"Sicher", sagte Cooper und stand auf. Er zog einen der Stühle zurück und Rebecca führte Lisa dort hin. "Perfektes Timing, um genau zu sein."

"Danke, dass ich herkommen durfte", sagte Lisa, als sie sich setzte und ihren dunkelblauen Mantel auszog. "Es ist mir eine große Hilfe."

"Kein Problem", versicherte er ihr.

Rebecca war bereits wieder auf dem Weg zurück zur Tür. "Ich muss los, Leute -- ich habe in einer Viertelstunde ein Meeting. Lisa, kommst du klar solange ich weg bin?"

"Sicher", sagte Lisa, als Cooper gleichzeitig, "Keine Sorge, ich behalte sie im Auge", rief.

Rebecca hob eine Augenbraue auf seinen Kommentar hin und grinste ihn an.  Cooper war auf einmal froh, dass Lisa es nicht sehen konnte. "Da bin ich mir sicher. Lisa, pass auf, dass er sich benimmt." Lisa musste lachen. "Ja, mache ich."

Damit zog Rebecca die Tür hinter sich zu. Cooper wandte sich an Lisa.  "Okay, was ist los? Am Telefon sagtest du, du würdest den Computer im Büro brauchen."

"Ich würde gerne eine Nachricht auf einem Message-Board posten", erklärte sie, "aber ich will nicht, dass es leicht zurückverfolgt werden kann." Nach einem Stirnrunzeln, "Bist du sicher, dass die Firma hier eine öffentliche Adresse hat?"

Cooper nickte, doch dann fiel ihm ein, dass er es ihr sagen musste. "Ja, ich bin mir sicher. Wir haben zwei Möglichkeiten hier. Wir können uns entweder unter unseren vollen Namen einloggen oder unter dem Screennamen der Firma. Jeder, der sie zurückverfolgen will, würde bei der Firma landen, aber nicht direkt auf mich kommen."

Lisa dachte kurz nach und nickte dann. "Ich glaube, das wäre das Beste."

"Okay, dann los." Cooper setzte sich wieder an seinen Tisch und machte sich an die Arbeit. "Es wird einen Moment dauern", sagte er, "bis ich bei den Boards bin. Wo soll ich hin?"

"alt.conspiracy", sagte sie und strich sich eine Strähne hinters Ohr. Cooper ertappte sich, wie er sie dabei ansah. Er sah weg und versuchte sich auf das zu konzentrieren, was er zu tun hatte.

Nach ein paar Sekunden hatte sich die Seite vor ihm aufgebaut. "So, das hätten wir", verkündete er. "Was soll der Titel sein?"

"Schreib, dass es die 'Theorie Der Einsamen Schützen' betrifft", sagte sie.  "Schreib alle Worte in Großbuchstaben. Und schreib den Plural von 'Schütze'."

Cooper sah sie verwundert an. "Wenn du den Schützen meinst, der beim JFK Mord am Straßenrand stand, dann buchstabierst du es falsch."

"Glaub mir", unterbrach ihn Lisa und lächelte ihr süßestes Lächeln in seine Richtung, das jeden klaren Gedanken aus seinem Hirn verschwinden ließ.

Konzentriere dich, ermahnte sich Cooper, als er die Adresse und den Rest der merkwürdigen Nachricht eintippte.

 

 

Dank des ungewöhnlich starken Verkehrs war es bereits später Nachmittag, als sie in Las Cruces ankamen und Mulders Gehirn machte im Bemühen einen Plan auszuhecken Überstunden.

Am meisten störte ihn das stählerne Armband. Um fliehen zu können, musste er herausfinden, wie es funktionierte; er hatte keine Ahnung, wo Christophe den elektronischen Schlüssel aufbewahrte und er bezweifelte sowieso, dass er diesen irgendwie bekommen konnte. Also konnte er die Idee, das Band loszuwerden, fürs erste vergessen. Es blieb also nur die Möglichkeit, das System irgendwie zu manipulieren, zumindest zeitweise.

Aber wie?? Darüber dachte er die ganze Zeit nach, und bis jetzt war ihm noch kein Licht aufgegangen. Am besten war es, es auszutesten, um zu sehen, wie es funktionierte. Doch er fürchtete, dass Christophe sich einen Dreck um ihn scheren und ihn einfach abknallen würde, wenn er versuchen würde abzuhauen.

Das war ein Risiko, dachte Mulder, das er eingehen musste.

Curly parkte den Wagen auf dem Parkplatz des Bahnhofes, und als sie ausstiegen, sah sich Mulder nach einer passenden Gelegenheit um. Es waren allerdings nicht viele Leute auf dem Parkplatz, also war das Timing schlecht. Noch.

Curly blieb im Wagen und Mulder ging gehorsam mit Christophe und Moe auf den Eingang zu, wobei er sich fragte, wo Larry eigentlich geblieben war. Vielleicht hatte Christophe ihn zurück nach El Paso beordert, um bei dem Flugzeug zu bleiben.

Genau wie der Parkplatz, war der Bahnhof selbst ebenfalls ziemlich leer.

Als sie auf das Reisezentrum zugingen, sah Mulder plötzlich seine Chance. Anders als die meisten Bahnhöfe, in denen er gewesen war, hatte dieser hier einen Metalldetektor und eine aus Röntgenstrahlen bestehende Schranke, die die Haupthalle von den Gleisen trennte, ähnlich wie in einem Flughafen. Es war anzunehmen, dass der Detektor Christophes Ortungsgerät erkennen würde, zumindest einen Moment lang. Und das war genau das, was Mulder brauchte.

Das Problem war nur, er wusste nicht, wie er nahe genug an die Maschine kommen konnte. Moe war direkt neben ihm, sie atmeten praktisch dieselbe Luft, und Mulder hatte keinen Zweifel, dass der Mann schießen würde, wenn er die Möglichkeit dazu hatte.

Resigniert entschied Mulder, diesen Plan zurückzustellen in der Hoffnung, dass sich die Umstände ändern würden, bevor sie den Bahnhof wieder verließen. Mit Moe direkt neben sich folgte Mulder Christophe zur Kasse, wo Christophe wieder einmal seinen falschen Ausweis präsentierte. Die Bahnangestellte war eine ältere Frau, die Christophe auf sein Lächeln hin nur zu gerne weiterhalf. Sie tippte auf der Tastatur ihres Computers herum und suchte die Dateien aus der letzten Zeit durch, doch sie fand keinen Eintrag über Lisa Wilder oder Lisa Steward.

Ein schrilles Klingeln ertönte und alle vier erstarrten. Mulder blickte sich um und sah, dass es von einem der Metalldetektoren kam. Er sah, wie einer der Sicherheitsmänner die Frau, die den Alarm ausgelöst hatte, zur Seite treten ließ und sie mit dem Handdetektor durchsuchte. Es war die Halskette der Frau, und nachdem sie diese ausgezogen hatte, konnte sie ohne einen Alarm auszulösen durch den Detektor.

Das brachte Mulder auf etwas. Er drehte sich wieder zurück und gab vor, sich auf Christophe und die Bahnangestellte zu konzentrieren, denn das letzte, was er wollte, war dass Moe seine Absicht erkennen würde.

"Sir, wir können leider nicht jede einzelne Person im Computer festhalten, die hier ein- oder aussteigt", sagte die Frau mit einem Kopfschütteln. "Ich bin mir sicher, es wäre einfacher für Sie, aber dem ist leider nicht so."

Christophe ließ sich nichts anmerken und war, wie immer, cool mit seiner Antwort. "Aber Sie können definitiv bezeugen, dass die Frau, die wir suchen, keinen weiteren Fahrschein in diesem Bahnhof erworben hat."

"Das ist korrekt, Sir. Ich wünschte, ich könnte Ihnen mehr helfen."

Christophe entließ die Frau mit einem Nicken und trat beiseite. Mulder wagte sich einen Schritt weiter. "Warum ist gerade dieser Bahnhof mit so vielen Security ausgestattet?"

"Oh", antwortete sie. "Das ist nur, weil wir hier sehr nahe an der Grenze sind. Es gab hier einige Vorfälle in der Vergangenheit, und Vorsicht ist besser als Nachsicht."

"Das ist wahr", stimmte Mulder zu. Er wollte sie unbedingt fragen, ob der Sicherheitsmann eine Waffe trüge, doch Moe starrte ihn grimmig an, also bedankte er sich und wandte sich ab.

Als sie den Bahnhof verließen, merkte Mulder, dass sich der Himmel verdunkelt hatte. Schwarze Wolken zogen auf und blockierten das schwächer werdende Sonnenlicht. Christophe lenkte seine Aufmerksamkeit von dem aufziehenden Sturm zurück auf sich. "Es scheint also, dass sie von hier aus nicht mit einem weiteren Zug gefahren ist. Allerdings gibt es ja noch viele andere Wege aus Las Cruces. Und wir werden jeden einzelnen unter die Lupe nehmen."

Mulder hatte diesbezüglich nicht den geringsten Zweifel.

 

 

Es war schon spät, als Skinner seinen Wagen auf dem Parkplatz abstellte. Er dachte daran, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn er vorher angerufen hätte, bevor er hier auftauchte. Als er aus dem Wagen stieg wusste er jedoch, dass sein Instinkt Recht behalten hatte. Ein Anruf wäre unweigerlich auf eine detailliertere Unterhaltung ausgelaufen, und er hielt es für besser, mit dieser Angelegenheit lieber persönlich umzugehen.

Er war sich im Klaren darüber, dass er es schon viel zu lange vor sich her geschoben hatte. Als er die Treppen zur Eingangstür hinaufstieg, bemerkte er wie schön der Vorgarten arrangiert war. Der Rasen und die Sträucher waren alle gepflegt und kleine Pflänzchen waren entlang des Weges gepflanzt. Er erreichte die Tür und rückte nervös seinen Anzug zurecht.

Die Frau, die ihm öffnete, hatte einen bequemen Sweater und Hosen an und ihr dunkles Haar wies bereits die ersten grauen Strähnen auf. Sie sah ihn mit genau denselben weiten und blauen Augen ihrer Tochter an, nur ein paar kleine Falten auf ihrer Stirn verrieten ihr Alter. "Hallo, Walter." Sie grüßte ihn mit einer Informalität, die sich während ihrer letzten Treffen eingerichtet hatte. Viele davon haben in irgendwelchen Krankenhauskorridoren stattgefunden. Weiter sagte sie nichts, als ob es schlechte Neuigkeiten bringen würde, wenn sie es täte.

"Hallo, Margaret", sagte Skinner. "Kann ich einen Moment herein kommen?"

"Natürlich", erwiderte sie und öffnete die Tür weiter, um ihn einzulassen. Sie führte ihn ins Wohnzimmer, das einfach aber elegant eingerichtet war, und bot ihm einen Platz an.

Skinner setzte sich auf die Couch, und sie nahm auf dem Sessel genau vor ihm Platz, stocksteif, mit den Händen in ihrem Schoß. "Gibt es etwas Neues über Dana?"

So schwer, dachte Skinner, es ist so schwer. Laut sagte er, "Mein Anruf gestern war wohl ein wenig voreilig." Margaret Scully seufzte resigniert. "Den Mann, den sie verhaftet haben. Es war nicht Fox."

Skinner schüttelte den Kopf. "Im Gegenteil, ich bin mir ziemlich sicher, dass er es war."

"Was soll das heißen, *war*? Ist... ist er..."

"Nein, so habe ich das nicht gemeint", beeilte sich Skinner zu versichern.  "Soweit ich weiß, ist Agent Mulder gesund und am Leben. Aber als ich nach Texas gefahren bin, war er fort. Jemand hat es geschafft, ihn aus dem Gefängnis zu holen, indem er sich als mich ausgegeben hat."

"Wer würde denn so etwas tun?" fragte Margaret verwirrt.

"Ich weiß es nicht." Skinner zuckte die Schultern. "Das wollen wir ja gerade herausfinden." Margaret nickte. "Und Dana?"

"Von ihr haben wir noch keine Spur. Wir haben die ganze Gegend gründlich abgesucht. Die örtliche Polizei und einige Agenten suchen immer noch. Aber bis jetzt haben wir noch nichts." Skinner schwieg einen Moment und fügte dann hinzu, "Es tut mir leid."

Margaret schloss die Augen und presste die Lippen zusammen. Sie versuchte, stark zu bleiben. Dann sah sie ihn wieder an. "Ich weiß. Und ich bin sehr dankbar, dass Sie versuchen, sie zu finden. Ich wünschte nur, es gäbe etwas Neues..."

Sie verstummte und Skinner wurde klar, wie unerträglich das alles für sie sein musste. Er hatte Margaret gegenüber nie etwas von Scullys möglicher Blindheit erwähnt, und in Momenten wie diesem war er dankbar dafür, dass er ihr dieses Gerücht verschwiegen hatte. Er fand, es gab keinen Grund, es ihr noch schwerer zu machen.

 

 

"Wir werden nicht aufhören, bis wir sie gefunden haben", sagte Skinner mit Zuversicht, und Margaret wollte ihm glauben. Sie konnte nicht mit dem Gedanken leben, noch eine Tochter zu verlieren, doch jeden Morgen, wenn sie aufwachte, fürchtete sie, dass nichts anderes passiert war.

Plötzlich fiel ihr etwas ein. "Fox hat nichts von Dana gesagt, als sie ihn verhaftet haben, oder?"

Skinner schüttelte den Kopf. "Nicht ein Wort. Der Polizeichef hat nach ihr gefragt, doch er hat nicht geredet. Ich nehme an, er will sie beschützen."

Ein winziger Funke Erleichterung glühte in ihr und sie klammerte sich fest an diesen Hoffnungsschimmer. "Er hätte keinen Grund, sie beschützen zu wollen, wenn ihr etwas zugestoßen wäre, richtig?"

"Das sehe ich auch so", bekräftigte Skinner. "Wir sind nahe dran, Margaret, da bin ich mir sicher. Seit ihrem Verschwinden sind wir noch nie so dicht dran gewesen. Es ist jetzt nur eine Frage der Zeit."

"Hoffentlich", sagte sie und betete, dass sich seine Worte als wahr erweisen würden. "Ich sollte jetzt wieder zurück", sagte er und erhob sich.

Margaret nickte. Sie stand ebenfalls auf und begleitete ihn zum Ausgang.  Sie hielt die Tür für ihn auf, als er nach draußen trat. "Bitte, Walter", sagte sie, "Sie müssen es mich wissen lassen, wenn Sie etwas erfahren. Ganz egal was."

"Das werde ich", antwortete er und sie sah in seinen Augen, dass er die Wahrheit sagte. Im Stillen dankte sie dem Mann, der sich so sorgfältig und unermüdlich der Suche nach ihrer Tochter gewidmet hatte.

Skinner drehte sich um und ging zurück zu seinem Auto. Margaret blieb in der Tür zurück und sah ihm nach, bis verschwunden war. Er nahm alle ihre Hoffnungen mit.

 

 

Beim zweiten Mal war Mulders Telefontrick viel einfacher, als er erwartet hatte.

Sie waren in einem anderen Restaurant, dieses Mal ein wenig schicker eingerichtet, aber trotzdem nicht gerade eines, das sich mit vier Sternen in einem Hotel-Führer präsentieren würde. Alle vier hatten eine Pause fürs Abendessen eingelegt, und für Außenstehende konnten sie glatt als die fünf Freunde ohne Hund durchgehen, anstatt drei Gangster mit einer Geisel.

Dieses Mal stand Moe von seinem Tisch auf und begleitete ihn, und Mulder musste zähneknirschend feststellen, dass er viel mehr Wert auf das Ausführen der Befehle legte als Curly - er folgte ihm auf Schritt und Tritt. Deswegen war Mulder auch nicht allzu frustriert, als er kein Telefon neben den Toiletten fand, weil er so ja sowieso keine Möglichkeit gehabt hätte, anzurufen.

Mulder spielte aber trotzdem weiter und verschwand in der Herrentoilette.  Wenigstens folgte ihm Moe nicht auch noch dort hin—er blieb draußen vor der Türe stehen. Drinnen machte Mulder fast einen Luftsprung, als er sah, dass die Sanitärräume das Möchtegern-Schickimicki-Restaurants mit einem kleinen Foyer ausgestattet waren, in dem unter anderem zwei geschmacklos-grelle Stühle und ein wunderbar funktionierendes Münztelefon nicht fehlten.

Ein Blick auf die Uhr verriet Mulder, dass es erst kurz nach sechs war. Seit seinem ersten Anruf am Morgen waren fast neun Stunden vergangen.  Hoffentlich hatten die Schützen schon etwas Hilfreiches gefunden. Mit zitternden Fingern und dem Gedanken, dass Moe jeden Moment die Türe aufdrücken konnte, wählte Mulder die Nummer und zählte wie oft es klingelte. Gleich nach dem zweiten hörte er das bekannte Knacken und Byers' Stimme rang durch die Leitung. "Hallo?"

"Ich bin's. Irgendwas gefunden?"

"Kein Glück bei der Suche."

Mulders Herz setzte aus. Er war sich so sicher gewesen...

"Aber wir haben vielleicht etwas anderes."

"Was?"

"Etwas, was wir auf unserem täglichen Rundgang im Internet heruntergeladen haben. Es stand auf dem Verschwörungs-Message-Board. Sein Herz begann wieder zu schlagen. "Lies vor."

"Betreff: 'Re: Theorie der Einsamen Schützen'. Die Nachricht ist wie folgt: 'Es saßen drei von Euch auf einem grasbewachsenen Hügel. Ich suchte eine rote Sprosse in den spärlichen Gewächsen.'"

"Damit bist Du gemeint!" rief Frohike aus dem Hintergrund. "So habe ich Dich ihr gegenüber mal beschrieben. "

"Es geht noch weiter“, fuhr Byres fort. 'Wenn Ihr ihn findet, sagt ihm, dass es mir gut geht, und dass ich bei Barney Northrup bin.' Die Unterschrift ist, 'Undurchschaubare Doc'."

Eine Welle von Erleichterung überkam Mulder. "Das ist von ihr", rief er aufgeregt. "Wann habt Ihr das bekommen?"

"Heute Nachmittag", antwortete Frohike. "Allerdings konnten wir nicht herausfinden, wen sie mit 'Barney Northrup' meint."

"Das ist aus einer Geschichte", half Mulder aus. "Keine Zeit, es zu erklären. Ich brauche eine Adresse von dem Namen, den ich Euch vorher gegeben habe, Elliot Masters."

"Schon geschehen", klinkte sich Langly ein. "Wir haben direkt nachgesehen, als du das erste Mal nach ihm gefragt hast. Er wohnt in einem Ort bei Santa Fe, New Mexiko."

Mulder prägte sich die Adresse ein, die Langly ihm gab, und fragte, "Könnt Ihr eine Antwort auf die Nachricht posten?"

"Wir können alles machen", sagte Byers.

Mulder konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er teilte ihnen seine Antwort mit und legte auf. Er fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr.

 

 

Ende von Teil 7...

 

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GETEILTE WEGE (8/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Es war schon spät und tiefe Nacht hatte sich über das Land gelegt, und doch blieb der Mann in seinem Büro - die antike Lampe, die seinen Schreibtisch erhellte, war das einzig Helle in dem Raum. Es war besser die Akte, die er gerade las, alleine an einem Ort durchzugehen, wo keine neugierigen Späher einen zu tiefen Einblick in die Tagesordnung der Männer erhielten, die außerhalb des Gesetztes operierten.

Der Mann blätterte eine Seite um und zündete sich noch eine Zigarette an. Seine Bewegungen waren so eingespielt, dass er sie hätte im Schlaf ausführen können. Er nahm einen langen Zug an seiner Zigarette und blies zufrieden den Rauch aus seinen Lugen. Er war zufrieden mit dem, was er las und dankbar, dass sie genug Vertrauen in ihn hatten, um ihn diese Unterlagen lesen zu lassen.

Die Akte war in einige Abschnitte unterteilt, die alle zusammen den Großen Plan umrissen - eine Strategie, die ein enormes Potential in ihren Auswirkungen hatte, wenn sie richtig durchgeführt würde. Laut den bisherigen Erkenntnissen war diese Methode jetzt angebracht. Alle möglichen Tests waren erfolgreich durchgeführt worden.

Jetzt war es an der Zeit, das Projekt in Gang zu setzen.

Jede Seite des Dokumentes bezog sich auf die jeweilige Testperson mit einem Code. Der Mann war einer der wenigen Leute, die wissen durften, dass die Nummer 2-65-49557 für Dana Katherine Scully stand.

Der Mann schloss die Akte und steckte sie in eine dünne Mappe, die auf seinem Schreibtisch lag. Er schloss beide Schlösser der Mappe und drehte die Zahlenräder einige Male, so dass er die Nummern in einer wirren Reihenfolge zurückließ, die keinen Hinweis auf die richtige Kombination hinterließen. Wie befohlen würde er sie auf seinem Weg nach Hause zurückbringen; sie vertrauten ihm genug, um ihn sie lesen zu lassen, nicht aber, um sie bei sich zu behalten. Noch nicht.

Der Mann war sich allerdings sicher, dass wenn er es schaffen würde, den Männern im Konsortium die Diskette und Dana Scully zu bringen, es endlich seinen Wert beweisen würde und ihn zu einem wertvollen Teil des Kreises machen würde.

Er hob die Mappe vom Tisch auf, knipste die Lampe aus und verließ das Büro, als er noch einen letzten Zug an der Zigarette nahm und durch die dunklen Hallen des Gebäudes ging.

 

 

Der leichte Nieselregen war inzwischen zu einem richtigen Regenvorhang ausgeartet. Es goss wie aus Eimern. Scully hatte schon immer den Regen geliebt, und sie empfand das Geräusch der fallenden Tropfen beruhigend. Sogar jetzt, als noch hundert andere Sachen ihr Gewissen quälten. Tuckers klimperndes Halsband übertönte den hämmernden Regen an den Fenstern, als er im Zimmer hin und her ging, in dem er jetzt wegen dem Sturm gefangen war.

Scully machte es sich auf der Wohnzimmercouch in den Kissen bequem. Die Couch war sehr gemütlich und sie nahm an, dass sie schon mehr als einmal als Bett gedient hatte. Im Fernsehen lief eine Episode von "Seinfeld", und obwohl sie nie ein großer Fan von Sitcoms gewesen war, hatte sie seit der Explosion festgestellt, dass Comedys im Großen und Ganzen interessanter anzuhören waren als Dramen. Es wurde viel mehr geredet und nicht so viel Wert auf Musik gelegt.

Elliot saß am Tisch auf der anderen Seite des Zimmers und arbeitete. Scully konnte das gleichmäßige Kratzen des Stiftes auf dem Papier hören. Ab und zu lachten sie gemeinsam wegen einem Witz im Fernsehen, und Scully fühlte sich wohl in der freundschaftlichen Atmosphäre.

Als die Folge durch eine Werbepause unterbrochen wurde, hörte Scully wie Elliot seinen Stuhl zurückschob. "Ich gehe mir ein Bier holen", sagt er. "Möchtest du irgendetwas?"

Sie schüttelte den Kopf. "Nein", sagte sie. "Nein, danke."

"Bin gleich zurück." Er hielt inne und fügte hinzu, "Ich hoffe Beck und Cooper kommen bald nach Hause. Dieser Sturm wird von Minute zu Minute schlimmer."

"Hört sich ganz danach an", stimmte sie zu. Coopers Wagen hatte sich nämlich ironischerweise, wenn man an seine stolzen Worte beim Frühstück zurückdenkt, gerade den heutigen Tag für eine Panne ausgesucht, und als Rebecca ihn vom Büro abgeholt hatte, hatte er ihn dort stehen lassen mit der Absicht, sich später darum zu kümmern, wenn der Sturm vorbei war.

Scully hörte, wie Elliots Schritte das Zimmer durchquerten und dann verklangen. Dann war es, abgesehen von einer Waschmittelreklame, still. Sie seufzte und versuchte, ihre Ungeduld zu unterdrücken. Sie wusste, es war lächerlich, eine Antwort auf die Nachricht zu erwarten, die sie geschickt hatte, aber sie konnte einfach nicht aufhören zu hoffen. Die Warterei schlauchte sie mehr als alles andere. Sie wollte etwas tun, irgendetwas, um Mulder zu finden, aber sie wusste beim besten Willen nicht, was sie machen konnte, ohne sich oder ihre neuen Freunde in Gefahr zu bringen. Sie hatte keine Mittel, um alleine nach Mulder zu suchen, und Elliot und seine Freunde zu fragen, ob sie ihr helfen könnten, war einfach nicht fair.

Doch Scully wusste, dass sie etwas tun musste, und zwar bald. Ihre Angst um Mulder wurde immer größer und langsam hielt sie es nicht mehr aus.

Plötzlich bellte Tucker zweimal kurz hintereinander, dann hörte Scully, wie er aus dem Zimmer rannte. Sie hörte draußen eine Tür zufallen und vernahm Stimmen in der Küche. Erwartungsvoll stand sie auf und ging langsam mit vorsichtigen Schritten in die Richtung aus der die Stimmen kamen.

 

 

"Ich sage dir, Coop, es wird Zeit für eine Neuanschaffung", verkündete Rebecca, als sie ihren nassen Mantel auszog und ihn an dem Hacken an der Tür aufhängte.

"Nur über meine Leiche, Beck", erwiderte Cooper und schmiss seinen Mantel gewohnheitsmäßig auf einen Stuhl. Tucker entschied sich gerade neben ihm das überschüssige Wasser aus seinem Fell mittels eines kräftigen Hundeschüttelns loszuwerden. "Verdammt, Tucker!" heulte Cooper und schüttelte den Hund spielerisch an seinem Nackenfell. "Sehe ich aus, als könnte ich ein Bad gebrauchen?"

Elliot lachte bei dem Anblick laut los. "Vielleicht solltest du seinen Hinweis ernst nehmen", grinste er und griff nach einer handvoll Bierflaschen im Kühlschrank. "Irgendjemand Lust auf Sam Adams Besten?"

"Auf jeden Fall", sagte Rebecca und schnappte sich eine der Flaschen. "Auf ein neues Auto", ärgerte sie Cooper und öffnete die Flasche.

Cooper holte sich ebenfalls eine und schlug vor, "Ich glaube, wir sollten besser auf den neuen Job trinken". Er beobachtete Elliot, als dieser schaltete und den Mund vor Überraschung offen ließ.

"Beck, hast du den Job bekommen?" fragte Elliot und Rebecca nickte mit einem Grinsen von einem Ohr zum anderen.

"Ich habe es gerade erfahren, als ich in der Stadt war", sagte sie. "Ich habe auf Coop gewartet und bin währenddessen mal eben schnell im Museum vorbeigeflitzt...."

"Herzlichen Glückwunsch!" Cooper sah erfreut zu, wie Elliot seine Freundin freudestrahlend in die Arme nahm und ihr einen dicken Kuss gab. "Ich bin so stolz auf dich", sagte er. Er warf Cooper einen verschmitzten Blick zu und fügte hinzu, "Obwohl ich es besser gefunden hätte, wenn du es mir zuerst erzählt hättest."

"Wer zuerst kommt, malt zuerst", grinste Cooper und nahm einen kräftigen Schluck von seinem Bier. Er hörte, wie sich Schritte näherten und sah auf. Lisa stand im Türrahmen, ihr dunkles Haar in einem lockeren Pferdeschwanz zusammengebunden.

"Hey, Lisa. Willst du auch ein Bier?"

"Nein, danke", lehnte sie mit einem Lächeln ab. "Elliot hat es auch bereits angeboten."

"Rebecca hat den Job!" verkündete Elliot stolz.

"Herzlichen Glückwunsch, Beck", sagte Lisa. "Ich freue mich für dich."

"Danke, Lisa", bedankte sich Rebecca. Sie legte ihre Arme um Elliot und stibitzte einen weiteren Kuss.

Inmitten dieser aufgebrachten Stimmung merkte Cooper, dass Lisa sehr still war. "Alles in Ordnung?" fragte er leise.

"Ja, es geht mir gut. Ich habe mich nur gefragt, ob..." Sie zögerte und errötete leicht. "Es ist jetzt vielleicht nicht angebracht—ihr seid ja gerade erst zurückgekommen—aber ich wollte dich fragen, ob wir nicht noch einmal an deinen Computer gehen könnten, um das Messageboard zu checken."

"Klar, kein Problem", sagte er und sah wie sich ihr Gesicht erhellte. Er nahm sein Bier in eine Hand und ging zu ihr, um sie mit der anderen beim Arm zu nehmen. "Komm." Er warf Rebecca und Elliot einen Blick zu und sagte, "Wir sehen uns später, Leute."

"Bis später", echoten sie aus einem Munde. "Hey, ich bin heute mit kochen dran", rief Elliot ihm hinterher. "Irgendwelche Wünsche?"

"Egal, nur essbar sollte es sein", rief Cooper zurück und Lisa lachte, als sie neben ihm den Flur hinunter ging.

 

 

In seinem Zimmer platzierte er Lisa auf seinem Bett und schaltete den Computer ein, der mit bekanntem Summen und Knacken die Startprozedur durchlief. Er knipste das Modem an, und nachdem er sein Passwort eingegeben hatte, hörten sie dem Singsang-Geräusch des Modems zu, als es die Verbindung herstellte.

Lisa sagte kein Wort, als sie warteten, und Cooper blickte sie über seine Schulter hinweg an. Sie saß auf dem Bett, ein Bein wie im Schneidersitz unter ihr gefaltet, das andere baumelte über den Rand des Bettes. Ihre Haltung war entspannt, mit Ausnahme ihrer Hände, die sie zusammengepresst in ihrem Schoß hielt. Cooper wünschte sich wirklich, er würde gute Neuigkeiten für sie im Netz finden.

Dann erreichte er die Messageboards, doppelklickte auf "alt.conspiracy" und wartete, bis der Computer ihm den neuesten Index präsentierte. "Ich bin jetzt drauf, Lisa", sagte er und fuhr mit der Maus den Bildschirm herunter, als er jeden Betreff genau checkte. Im Augenwinkel sah er, wie Lisa nickte, doch sie sagte nichts weiter.

Er war schon fast am Ende der Liste, als er es sah. "Ich glaube, hier ist etwas", sagte er und doppelklickte den Link.

"Was?"

"Das Betreff ist: "Attn: 'Undurchschaubare Doc'", sagte er. "So haben wir deine Nachricht unterschrieben, richtig?"

"Ja, ja... wie lautet die Nachricht?" sagte sie hastig.

"Es sind nur zwei Zeilen. 'Bleib wo du bist, Doc. Sam Westing ist auf dem Weg.'"

Lisa entwischte ein Geräusch der Überraschung. Cooper wirbelte in seinem Sitz herum und sah, wie sie aufgeregt die Hände vor ihrem Gesicht zusammenschlug. "Oh mein Gott, oh mein Gott, oh mein Gott...."

"Was bedeutet das?" fragte Cooper, der sich nun sicher war, dass es gute Neuigkeiten waren. "Wer ist Sam Westing?"

"Er ist es, Mul—Rick, mein Mann", rief Lisa und stolperte vor Aufregung über jedes Wort. "Es bedeutet, dass es ihm gut geht, es ist aus diesem Buch, Elliots Buch, niemand sonst würde so antworten außer ihm, er lebt.... oh, Gott, er lebt..."

Cooper merkte plötzlich leicht alarmiert, dass ihre Freude anderen Emotionen gewichen war—ihre Schultern bebten, als sie zu weinen begann. Er rutschte von seinem Stuhl, setzte sich neben sie auf das Bett und legte zögerlich einen Arm um sie, um sie zu beruhigen. "Natürlich lebt er, Lisa", sagte er. "Ich habe es nicht für eine Sekunde bezweifelt."

"Ich—ich auch nicht", gab sie leise zu und legte ihren Kopf auf seine Schulter. "Aber ich hatte solche Angst um ihn..."

Er hielt sie sanft fest, bis ihr Schluchzen verklang. Lisa hob ihren Kopf von seiner Schulter und wischte sich mit dem Ärmel ihres Pullovers über das Gesicht, um die Tränen weg zu wischen. "Es tut mir Leid", murmelte sie.  "Ich wollte nicht so die Fassung verlieren." Sie zuckte verlegen die Schultern. "Es scheint, als bringt mich in letzter Zeit alles zum heulen."

"Das ist ok", versicherte Cooper ihr. Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte. Er begann, seinen Arm wegzuziehen, doch Lisa zog ihn näher zu sich und umarmte ihn kurz aber ehrlich. Sie fühlte sich warm und weich an in seinen Armen und ihr Haar roch wie eine Frühlingsblüte, als es seine Wange streifte.

"Danke, Cooper", sagte sie und ließ ihn los. Sie lächelte in seine Richtung, stand auf und machte sich auf den Weg zur Tür.

"Gern geschehen", antwortete er automatisch, doch als er ihr nachsah war er immer noch wie elektrisiert von dem unerwarteten Effekt, den ihre Umarmung mit sich gebracht hatte. Auf einmal war er unglaublich eifersüchtig auf den Mann, den er nie getroffen hatte.

 

 

Mulder musste zugeben, dass das billige Motel ein gutes Stück besser war als die Unterkunft am Vorabend, obwohl er sich in dem Flughafen-Hangar wenigstens frei bewegen konnte und nicht wie jetzt mit einer Hand am Bett gefesselt war.

Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass Curly mit der Waffe in der Hand auf dem gegenüberliegenden Bett schlief.

Er schlief und schnarchte.

In der Not frisst der Teufel Fliegen, dachte Mulder trocken und ließ sich seine gute Laune nicht austreiben.

<sieistsichersieistsicherundsielebtsielebtsielebt>

Der Anruf bei den Schützen hatte seine Stimmung mehr gehoben, als er es je gedacht hätte. Er hatte alle nagenden Zweifel und Ängste vernichtet, die er um Scullys Sicherheit gehabt hatte. Jetzt war es nur eine Frage der Zeit.

Zeit und ein wenig Strategie.

Der Gedanke an die wenigen scheinbar unüberwindbaren Hindernisse tat nichts dazu bei, seinen Enthusiasmus zu dämmen. Mulder war mehr als fest entschlossen, und jetzt, wo sein Ziel in greifbarer Nähe war, konnte ihn nichts mehr aufhalten. Auch nicht Christophe und seine Armee von Schlägertypen. Im Moment konnte er jedoch nichts tun, als auf den Morgen zu warten.

Morgen, dachte er zufrieden. Morgen....

Mulder hatte seien Plan bis ins kleinste Detail ausgearbeitet und versuchte nun mit geschlossenen Augen Curlys Schnarchen zu ignorieren. Das Wichtigste war jetzt zu schlafen.

 

 

Christophe saß auf seinem Bett mit einem Glas Mineralwasser neben sich auf dem Nachttisch. Er erlaubte sich nie den Genuss von Alkohol, denn er wollte immer und überall einen klaren Kopf und sein Gedächtnis genauso scharf und präzise behalten wie die Waffen, die er verwendete.

Er wusste, dass ihm die Zeit davonlief, und es störte ihn gewaltig, dass er immer noch so weit von seinem Ziel entfernt war. Wenigstens waren sie bis jetzt nicht mit dem Gesetz aneinandergeraten. Er hatte sich darauf vorbereitet, jederzeit seine gefälschte FBI Kennung zu zücken wenn nötig— wenn jemand ihn zusammen mit Mulder gesehen hätte und neugierige Fragen gestellt hätte. Doch bis jetzt war das noch nicht nötig gewesen. Das war wenigstens etwas, worüber er dankbar sein konnte.

Das einzige, was er nie tun wollte war, seine Geisel zu unterschätzen. Als er einen Schluck von seinem Wasser nahm, gab Christophe zu, dass Mulder ein interessanter Kontrahent war. Er war ohne Zweifel sehr intelligent, und er war überrascht, dass er sich so lange der Gefangenschaft entziehen konnte, wie er es getan hatte. Seine sture Tapferkeit, wenn es um das Mädchen ging, war geradezu amüsant; Christophe hatte die Berichte von Vincent kurz vor seinem Tod bekommen und demzufolge hatte er kaum Zweifel, dass sie in der Tat blind war. Und doch gewährte er Mulder den Eindruck, dass er etwas vor ihm geheim hielt. Es war alles Bestandteil des Spiels.

Was Christophe faszinierend fand, war dass Mulder sich überhaupt nicht so benahm, wie er es eigentlich erwartet hätte. Ganz im Gegenteil, der ehemalige Agent war ein Bild eines Gefangenen, viel zu optimistisch in seiner Zwangslage und das alarmierte Christophe. Er hatte eigentlich von Mulder erwartet, bis jetzt einen Ausbruchsversuch unternommen zu haben; die Tatsache, dass er es nicht getan hatte signalisiert ihm, dass er etwas im Schilde führte. Doch Christophe hatte keine Ahnung, was das war und er wäre ein Dummkopf, wenn er nicht wachsam sein würde, bis er es herausgefunden hatte.

Er hörte das Geräusch eines Schlüssels in der Tür und sah erwartungsvoll auf. Er hatte entschieden, dass Mulder nicht zwei Bodyguards brauchen würde, deshalb hatte er Simon, den erfahreneren Mann, dazu beordert weiter zu suchen.

Die Tür öffnete sich und Simon kam herein. "Ich hab war", sagte er und klopfte sich den Regen von seinem Mantel.

"Und zwar?"

Simon schloss die Tür hinter sich und durchquerte das Zimmer zum gegenüberliegenden Bett. "So'n Typ im Busbahnhof in der Stadt glaubt sich an das Mädchen zu erinnern."

"Sie hat einen Fahrschein gekauft? Wohin?"

"Er weiß es nicht genau, aber er ist sich ziemlich sicher, dass es vorgestern gewesen war."

Christophe nickte und dachte nach. "Das ist wenigstens ein Anfang."

"Außerdem—sie ist nicht alleine gefahren."

"Wirklich..." Endlich, dachte Christophe, hatten sie etwas, womit sie arbeiten konnten. "Hast du einen Namen?"

"Nein", antwortete Simon. "Aber eine Beschreibung. Sie ist ein wenig vage, aber wie es scheint, ist er jemand, den sie im Zug kennengelernt hat. Ich denke, wir können ihn auf diese Weise aufspüren."

"Exzellente Idee", stimmte Christophe zu. Er zog sein Handy aus der Tasche, wählte eine Ferngesprächnummer und wartete, bis jemand abhob.

 

 

Nachdem sie endlich geduscht und sich angezogen hatte, ging Rebecca den Flur hinunter und nahm sich vor, Cooper zu bitten, sich den Heißwasser-Boiler mal anzusehen. Es war nicht besonders lustig, an einem kalten Novembertag die vierte in der Dusche zu sein, besonders wenn man lange, lockige Haare zu waschen hatte.

Im Wohnzimmer fand Rebecca Elliot an seinem gewohnten Platz am Tisch vor, Tucker zusammengerollt auf dem Boden neben ihm. Die Stereoanlage spielte laute Musik, als Elliot konzentriert arbeitete. "Wie läuft's?" fragte sie ihn.

"Gut", sagte er und sah zufrieden zu ihr auf. "Ich bin heute Morgen aufgewacht und fühlte mich irgendwie inspiriert—fast so, als ob ich meine Ideen nicht schnell genug zu Papier bringen könnte. Guck mal hier." Er hielt seine Zeichnung hoch, damit sie sie besser sehen konnte, und Rebecca nickte erfreut.

"Das ist klasse!" lobte sie und belohnte ihn mit einem Kuss auf die Stirn.

"Das gehört immer noch zu der Fantasy-Serie, stimmt's?"

"Ja", antwortete er und bewunderte nun selbst seine Zeichnung. "Ich bin im Moment richtig in Fahrt, Beck. Ich wette, ich kriege vor heute Abend noch drei solcher Dinger hin—vor allem, wenn das Wetter so bleibt."

"Du hast vielleicht Glück", seufzte Rebecca. "Ich muss nämlich in die Stadt." Sie blickte aus dem Fenster und beobachtete zerknirscht den Regen. Die ganze Nacht hatte es wie aus Eimern gegossen, und obwohl der Wetterbericht nur einen kurzen Sturm vorhergesagt hatte, schien es kein Ende zu nehmen.

"Kann das nicht noch warten?" fragte Elliot mit einem Stirnrunzeln. "Ich hasse es, wenn du bei diesem Wetter Auto fahren musst."

Obwohl sie insgeheim geschmeichelt war, stritt sie seinen Kommentar ab. "Ich bin doch schon groß, Elliot—ich glaube, ich werde mit dem Regen fertig", grinste sie. "Außerdem habe ich keine Wahl. Ich treffe mich heute mit der Museumsdirektorin, um einige ihrer Ideen durchzugehen."

"An einem Samstag? Wer arbeitet denn samstags?"

"Du zum Beispiel", sagte Rebecca und wies grinsend auf seine Zeichnungen.

"Okay, okay", sagte er geschlagen. "Ich hab's kapiert. Sei vorsichtig, ja?"

"Versprochen", versprach sie. "Was haben Coop und Lisa vor?"

Elliot nahm einen blauen Stift und begann wieder zu zeichnen, als er antwortete. "Coop ist in seinem Zimmer—er quatscht am Telefon—und Lisa ist in der Küche und frühstückt." Er senkte seine Stimme und fügte hinzu, "Glaubst du, dass Rick heute herkommt?"

"Ich hab keine Ahnung", antwortete sie ebenfalls mit gedämpfter Stimme.  "Hängt davon ab, wo er herkommt." Dann, "Wehe du lässt ihn gehen bevor ich wieder da bin. Ich sterbe vor Neugier."

"Keine Sorge", versicherte er ihr. "Das werde ich nicht. Ich glaube, du wirst ihn mögen."

"Wenn er so toll ist, wie Lisa behauptet, bin ich sicher, dass ich ihn mögen werde." Rebecca gab ihm einen Abschiedskuss und machte sich auf die Suche nach einem Regenschirm.

 

 

Ende von Teil 8...

 

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GETEILTE WEGE (9/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Trotz des strömenden Regens war der Bahnhof in Las Curces voller als tags zuvor, was Mulder dem beginnenden Wochenende anrechnete. Christophe war mit seinen Gründen, wieder zu dem Bahnhof zurück zu gehen, sehr ausweichend gewesen, doch das war Mulder ziemlich egal. Er war froh, noch eine Gelegenheit zu bekommen, seinen Plan in die Tat umzusetzen.

In letzter Zeit war Moe immer beim Wagen zurück geblieben. Dieses Mal war es nicht anders und Mulder ging neben Christophe und Curly und wartete auf einen passenden Moment. Heute empfing sie ein anderer Bahnangestellter an dem Schalter, an dem sie sich am Vortag die Informationen beschafft hatten. Ein junger Mann, der mit genauso großem Respekt auf Christophes falschen Ausweis reagierte. Mulder beobachtete Curly aus seinem Augenwinkel und wartete, bis er mehr auf die sexy Blondine in dem engen Pullover achtete als auf alles andere. So schnell er es wagte wich Mulder von den beiden Männern in der Hoffnung, dass sie lange genug beschäftigt waren, um seine Abwesenheit zu bemerken, bis er weit genug weg war.

Mulder hatte Glück und er schaffte es, sich in die Flut der Fahrgäste einzureihen, bevor Christophe merkte, dass etwas nicht stimmte. Als Mulder sich umblickte, sah er, wie Christophe Befragung Befragung sein ließ, und Curly auf sein Verschwinden aufmerksam machte. Als Curly auf ihn zugerannt kam, sprintete Mulder in Richtung des Metalldetektors los.

Dort drängelte er sich in der Schlange der wartenden Fahrgäste bis zu dem Detektor vor, der wie erwartet ausschlug. Der schrille Ton alarmierte die Sicherheitsangestellten.

"Treten Sie bitte zur Seite", wies ihn der Mann an und Mulder tat wie ihm geheißen. Wieder sah er sich um und erblickte Curly nicht weniger als fünfzehn Meter von ihm entfernt. Der Beamte fuhr mit dem Handdetektor über ihn, und als er seinen linken Arm erreichte, gab das Gerät ein grelles Quietschen von sich. Das war alles, was Mulder hören wollte. Er wusste, dass er nur eine einzige Chance hatte und verschwendete keine Sekunde.

Mit der Linken riss er dem Mann den Detektor aus der Hand und stieß ihn mit dem rechten Ellbogen in die Rippen. Der unerwartete Schlag brachte ihn zu Boden und er riss im Fallen noch zwei weitere Passagiere mit sich. Curly war jetzt keine zehn Meter entfernt und Mulder sprang mit einem Satz über die am Boden liegenden Leute und rannte die Treppen auf der anderen Seite des Metalldetektors herunter.

Es waren nicht viele Leute auf der Treppe und Mulder hatte keine Mühe, seinen Weg um sie herum zu finden—das gestohlene Gerät fest an sich gepresst. Er hatte eigentlich vor, bis ganz nach unten zu den Gleisen zu laufen, doch er fand auf halbem Weg eine alarmgesicherte Sicherheitstüre, die er aufstieß und sich in einem langen Korridor wiederfand. Der Alarm ging los und als er den Gang hinunter sprintete, stellte Mulder erleichtert fest, dass er ein Chaos auf der Treppe verursacht hatte, in dem man kaum mehr vorwärts kam.

Doch Curly gab nicht auf. Mulder hörte die trommelnden Schritte hinter sich und wusste, dass er aufholte.

Verstecken, verstecken, verstecken.... das Wort hämmerte in seinem Kopf und er suchte verzweifelt in dem Korridor nach einem Versteck, doch vergeblich. Er war leer, es schien keine einzige Tür zu geben außer der, die er am anderen Ende gerade mal erkennen konnte. Auf einmal musste sich Mulder fragen, warum Curly ihn eigentlich nicht auf der Stelle erschoss. Doch er wollte einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen und rannte weiter.

Als er die Tür am Ende erreichte, stieß er sie auf und fand sich zu seiner Freude draußen wieder, am anderen Ende des Parkplatzes. Er zwang sich weiter zu laufen und stob dankbar für die Windjacke, die Moe ihm gegeben hatte, in den strömenden Regen. Er blickte sich um und sah, dass Curly etwas zurückfiel, wahrscheinlich waren ihm seine kürzeren Beine ein Hindernis.

Mulder rannte über den Parkplatz und mitten auf die stark befahrene Hauptstraße. Er ignoriert das laute Hupen und zickzackte zwischen den Autos hin und her, als diese mit quietschenden Reifen versuchten, ihn nicht zu überfahren. Er schaffte es bis zur anderen Straßenseite und beschleunigte wieder.

 

 

 

Christophe scherte sich nicht um den Regen, der durch seinen Mantel triefte, und kam wutentbrannt aus der Bahnhofshalle. Wie befohlen fand er Simon im Wagen vor. "Was ist los?"

"Mulder ist weg", zischte Christophe zwischen zusammengebissenen Zähnen, kletterte auf den Beifahrersitz und knallte die Tür zu. Er zog die kleine schwarze Kiste aus seiner Tasche und war erleichtert, als er den kleinen roten Punkt inmitten des grünen Gewirrs sich bewegen sah. "Und ich verspreche hoch und heilig, wenn ich ihn finde, wird er bezahlen. Los jetzt!"

Simon startete den Wagen. "Fahr links an der Ecke", orderte Christophe. Als sie vom Parkplatz fuhren, klingelte sein Handy. Brüsk hob er ab. "Ja?"

"Sie hören sich gestresst an, Christophe." Es war die Stimme des Mannes. "Ist irgendetwas passiert?"

"Nein", antwortete Christophe und hoffte, dass der Mann nicht das Quietschen der Reifen hörte, als sie scharf links abbogen. "Alles unter Kontrolle."

"Gut", sagte der Mann und atmete hörbar aus. "Ich glaube, wir sind nahe dran, den jungen Mann zu finden, den Sie suchen. Es waren nur zwei Männer in diesem Zug, die allein reisten und auf die Beschreibung passen, die Ihr Assistent bekommen hat; im Moment überprüfen wir die Identität beider Männer."

Wenigstens waren das gute Neuigkeiten. "Wie soll ich vorgehen?" fragte Christophe und deutete Simon mit einer Hand, dass er eine weitere Linkskurve nehmen sollte.

"Nehmen sie den Flieger und warten Sie auf meinen Anruf."

"Alles klar", sagte Christophe und drückte den 'Ende' Knopf. Er blickte auf das Gerät und befahl Simon, die nächste rechts zu fahren.

 

 

Er hatte schon fünf Häuserblöcke hinter sich und Curly verfolgt ihn immer noch. Mulder blickte sich um und sah eine große Kreuzung am Ende der Straße, auf die er jetzt mit hämmernden Schritten zusteuerte. Wieder war das Glück mit ihm, als er die Kreuzung erreichte: ein Lieferwagen fuhr gerade in eine offen stehende Halle und Mulder fand Deckung dahinter, indem er neben ihm her lief und erschickte ein Stoßgebet zum Himmel, dass Curly es nicht gesehen hatte.

In der Halle standen Unmengen von Lastern und Mulder rannte zwischen ihnen durch, bis er die hinterste Wand erreichte und sich flach gegen den dort parkenden LKW drückte. Er rang nach Atem, öffnete seine durchnässte Windjacke und zog sie aus. Dann steckte er den kleinen Detektor in seinen Ärmel und hielt den Sensor direkt an das Metallarmband. Es knackte und zirpte ununterbrochen und das rapide Piepen, das nur ein wenig durch sein Hemd gedämmt wurde, kam dem hektischen Hämmern seines Herzens gleich.

Mulder streifte seinen Gürtel ab und band ihn so gut es ging um seinen Arm, um den Detektor zu fixieren. Das erledigt zog er die Jacke wieder an und hockte sich neben den Laster. Jetzt hieß es warten und sehen, ob sein Plan funktioniert hatte.

 

 

 

Mit wild arbeitenden Scheibenwischern näherten sie sich einer weiteren Kreuzung, als Simon ihn auf etwas aufmerksam machte. "Sir, dort ist Kurt."

Christophe sah von dem Ortungsgerät auf und sah seinen anderen Assistenten wild um sich blickend an der Ecke stehen. "Hol ihn ab", sagte er.

Als Simon den Wagen zu der Schranke manövrierte, ließ das Ortungsgerät ein seltsames dunkles Piepen von sich und brach ab. Christophe richtete seinen Blick wieder darauf und sah mit Schrecken, dass der rote Punkt nicht mehr blinkte und das neongrüne Netz langsam blasser und blasser wurde. "Das kann nicht sein", murmelte er und schüttelte es—vergeblich.

Kurt kam zum Auto und beugte sich zu dem offenen Fenster. Er war klatschnass und außer Atem. Christophe sah ihn angeekelt an. "Du hast ihn verloren."

Kurt nickte, richtete sich so rasch wie möglich auf und wartete auf weitere Befehle.

Christophe schüttelte wieder ungeduldig den Apparat. Doch das Ergebnis war immer noch dasselbe: der rote Punkt war nun ein toter Punkt.

"Sir", sagte Kurt, dem das Wasser nur so ins Gesicht tropfte, "er hat den Handdetektor des Sicherheitsmannes gestohlen. Vielleicht blockiert er damit das System."

Christophe machte sich jetzt keine Mühe mehr, seine Wut zu überspielen.  "Das hier ist keine Weltstadt", schrie er wütend, "und er kann nicht weit gekommen sein. Findet ihn! Findet ihn und bringt ihn zurück."

Christophe stieg aus in den Regen und deutete Kurt, seinen Platz einzunehmen. Als er das tat, fragte Kurt dunkel, "Und wenn er nicht mit zurück will?"

"Ich will ihn lebend", befahl Christophe. "Mr. Mulder gehört mir." Als er sich von ihnen entfernte, hielt er sein Telefon in die Höhe und fügte er hinzu, "Haltet mich auf dem Laufenden."

"Wo gehen Sie hin?" fragte Simon und startete wieder den Motor.

"Zum Flugzeug", antwortete Christophe grimmig und mit wachsendem Zorn. "Das hier ist noch lange nicht vorbei."

 

 

Mulder wartete so geduldig wie er nur konnte und beobachtete den Zeiger seiner Uhr, bis er fünfzehnmal das Zifferblatt umrundet hatte. Fünfzehn Minuten... er konnte keinen Moment länger warten und hoffte, dass die Tatsache, dass er nicht gefunden wurde bedeutete, dass sein Trick funktioniert hatte.

Mulder stand auf und sah sich in der Garage um. Am anderen Ende sah er, wie sich zwei Männer in einem Büro unterhielten, aber ansonsten war die Luft rein.

Rasch bewegte er sich wieder zur Vorderseite. Er fand den Ausgang und trat, nachdem er sich gründlich umgesehen hatte, hinaus auf die Straße. Die Regenflut, die ihn nur kurze Zeit zuvor mit voller Wucht getroffen hatte, hatte sich inzwischen zu ein paar Tropfen reduziert und die Straße war überfüllt von Menschen. Mulder mischte sich unter sie und gab acht, dass seine kleine Vorrichtung an seinem Arm unter der Jacke nicht verrutschte.

An der nächsten Straße bog er links ab und entdeckte einen Supermarkt auf der anderen Straßenseite. Der Parkplatz war voller Autos und Mulder sah darin eine goldene Gelegenheit. Er lief bei rot über die Straße auf den Parkplatz, auf dem er bis zum Ende durchjoggte. Hoffentlich weit genug von möglichen Zeugen, dachte er und begann, die Autos zu begutachten. Er brauchte eines in guter Verfassung, an dem keine Alarmanlage geschaltet war.

Er fand einen relativ neuen Honda, bei dem keine rote Kontrolllampe am Armaturenbrett blinkte und Mulder zog die Ärmel seines Hemds über die Faust und schlug die Scheibe ein. Er sah sich um, ob jemand den Lärm gehört hatte und öffnete die Tür. Drinnen fummelte er unter dem Lenkrad nach den Drähten, die er suchte. Es war ein gutes Stück Arbeit mit dem lästigen Apparat um seinen Arm, doch er brachte den Motor innerhalb von Sekunden zum laufen. Wenigstens war die Ausbildung beim FBI doch für etwas gut.

Als er vom Platz fuhr sah er, dass der Tank noch fast voll war und ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus.

 

 

Als Simon die Straßen der Stadt hoch und runter fuhr, hielt Kurt sein Gesicht am Fenster und hielt die Augen nach dem entkommenen Gefangenen auf.  Plötzlich wurde ihm klar, dass er allein für Mulders Entkommen verantwortlich zu machen war und er hoffte, dass wenn er ihn finden würde, seine Strafe geringer ausfallen würde, die ihn zweifellos erwartete.

"Schneller", rief Kurt ungeduldig. "Wir haben eine Menge abzufahren."

Simon machte sich nicht die Mühe zu antworten, doch Kurt merkte, wie der Wagen an Geschwindigkeit zunahm. "Wo lang?" fragte er. "Rechts oder links?"

"Rechts", entschied Kurt, dem es eigentlich ziemlich egal war.

Der Wagen bog rechts ab und Kurts Augen verengten sich zu Schlitzen, als er jeden Fußgänger und jedes vorbeifahrende Auto überprüfte. Weiter vorne, wo ein grün-weißes Schild die Auffahrt auf einen Freeway ankündigte, sah er einen grünen Honda Accord auf die Auffahrt zusteuern. Obwohl er den Fahrer von so einer Entfernung nicht erkennen konnte, zog das hastige Manövrieren des Wagens seine Aufmerksamkeit auf sich.

"Fahr' da vorn auf die Auffahrt", orderte Kurt und betete, dass er Recht hatte und er gerade einen Blick auf ihr Ziel erhascht hatte.

 

 

Mulder sah auf das Freeway-Schild und steuerte den Wagen mit der linken Hand auf die Auffahrt. Sein rechter Arm war immer noch verdrahtet und fürs Lenken nicht zu gebrauchen. Auf dem Schild stand in weißen Buchstaben, dass es der Freeway 25 Richtung Norden war, was genau richtig zu sein schien.  Als er sich einreihte und direkt bis auf die linke Spur durchzog, fuhr er an einem Hinweisschild vorbei, das noch 247 Meilen bis Alburquerque anzeigte und er merkte, dass er wirklich auf dem richtigen Weg war. Wenn er sich richtig erinnerte, war Santa Fe nur etwa eine Autostunde hinter Alburquerque.

Wenn Mulders Glück anhielt, würde er in etwa vier Stunden in Santa Fe sein. Halt durch, Dana. Nur noch vier Stunden.

Angetrieben durch diese Aussichten, überholte er einen Ford-LKW, der für seinen Geschmack viel zu langsam war, und wechselte wieder auf die Schnellspur, die sich frei vor ihm ausdehnte. Mulder drückte das Gaspedal bis ganz auf den Boden.

 

 

Der gemietete Sedan war alt und nicht gerade in bester Verfassung, doch Las Cruces war keine große Stadt und Christophe musste nehmen, was er bekommen konnte. Er war sauer, weil er so viel Zeit verlor, doch es gab keinen Platz in der Nähe, der groß genug war, um ein Flugzeug landen zu lassen. Es war sinniger, zurück nach El Paso zu fahren und Mike dort zu treffen.

Christophe blickte auf sein mobiles Telefon, das neben ihm auf dem Beifahrersitz lag in der Hoffnung, dass es klingelte. Er wartete auf Neuigkeiten von Kurt und Simon und, was noch wichtiger war, er wartete auf den Anruf von dem Mann. Wenn er erst einmal die Adresse dieses Typen hatte, mit dem das Mädchen aus dem Zug gestiegen war, würde er dorthin fahren. Und wenn es das letzte war, was er tun würde, schwor sich Christophe, er würde sie finden und zurück bringen.

 

 

Mulder war keine zehn Meilen gefahren, als ihm der graue Mietwagen im Rückspiegel auffiel. Er war vielleicht eine halbe Meile hinter ihm, aber die Art, wie er sich durch den Verkehr schlängelte, ließ sein Herz schneller schlagen.

Nein, nein, nein, dachte er, und blickte auf seinen Arm. Der Detektor war nicht verrutscht und er konnte immer noch das metallene Piepsen hören, dass er sicher sein konnte, dass das System immer noch blockiert wurde. Das heißt also, dass wenn er verfolgt wurde, er es üblicher Aufspürtaktik und nicht neuester Technologie zu verdanken hatte.

Okay, dann wollen wir mal, dachte Mulder grimmig und schlug hart rechts ein, so dass er um zwei langsamere Wagen herumfuhr. Hinter ihm beschleunigte der graue Mietwagen. Er hatte Recht gehabt: sie waren ihm auf den Fersen. Er musste sich etwas einfallen lassen und zwar schnell.

 

 

"Er ist es hundertprozentig", verkündete Kurt, als sie aufholten.

"Was jetzt?" fragte Simon und umfasste das Lenkrad enger. "Sollen wir ihn abdrängen?"

Kurt dachte kurz nach und nickte dann. "Sollten wir machen." Er sah sich um und stellte fest, dass der Freeway ziemlich befahren war. Es war die einzige große Nord-Süd Verbindung im Staat, also war es nicht verwunderlich. Doch es machte ihr Vorhaben auch dementsprechend schwerer. Besonders, weil es ein Auftrag von Christophe war. "Aber sei vorsichtig—wir können uns keinen Ausrutscher leisten. Der Boss will ihn lebend."

"Ich habe alles unter Kontrolle", sagte Simon und presste seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen.

 

 

Der Regen hatte nun völlig aufgehört und Mulder kam leichter vorwärts. Bis jetzt hatte er es geschafft, vor seinen Verfolgern zu bleiben, doch sein Vorsprung war nicht sehr groß. Er hatte schon etliche Meilen hinter sich gebracht und sie waren immer noch hinter ihm, doch bis jetzt hatten sie noch nichts unternommen, um ihn aufzuhalten. Er war überrascht, dass sie nicht angefangen hatten auf ihn zu schießen, und er nahm an, dass der einzige Grund dafür der starke Verkehr war.

Im Rückspiegel erhascht er einen Blick auf die Personen im Wagen und erkannte, dass nur Moe und Curly drin saßen. Keine Spur von Christophe, was Mulder extrem nervös machte. Wo war er? Und warum hatte er seine Handlanger allein losgeschickt?

Mulder verdrängte diese Sorge für den Moment und konzentrierte sich aufs Fahren. Moe und Curly hatten wahrscheinlich den Befehl bekommen, ihn bloß zu verfolgen, was bestimmt auch der Grund war, warum Curly ihn nicht einfach erschossen hatte, als er ihn durch den Bahnhof gejagt hatte. Er nahm an, dass sie ihn lediglich im Auge behalten sollten, doch Mulder hatte keineswegs vor, sie ihn dorthin verfolgen zu lassen, wo er hin wollte.

Er sah, dass sich die Straße weiter vorne verengte, weil sie sich den Bergen näherten. Es ging auf zwei anstatt auf vier Spuren weiter. Eine Idee formte sich in seinem Kopf. Er beschleunigte weiter und holte das Letzte aus dem Honda heraus.

 

 

Christophe fuhr wie ein Wilder und hatte schon die Hälfte der Strecke nach El Paso hinter sich, als endlich das Telefon klingelte. Er riss es vom Beifahrersitz, "Ja?"

Es war der Mann, dessen Stimme wegen der schlechten Verbindung leicht flackerte. "Wir haben den jungen Mann gefunden, den Sie suchen."

"Wo?"

"Santa Fe, New Mexiko. Sein Name ist Elliot Masters." Der Mann hielt inne und fragte dann, "Wie lange brauchen Sie noch, bis Sie das Problem bewältigt haben?"

Christophe dachte blitzartig nach und antwortet, "Nicht länger als ein paar Stunden. Ich rufe an, sobald ich die Frau habe."

"Ich warte", sagte der Mann. Dann war die Leitung tot.

 

 

Es war ein lächerlicher Plan, und Mulder wusste das, doch er sah keine andere Möglichkeit. Er musste seine Verfolger ein für allemal loswerden und wenn das bedeuten würde, ein Risiko eingehen zu müssen, würde er sich nicht davor scheuen. Der Überraschungseffekt war seine einzige Waffe, und er war mehr als bereit, sie einzusetzen.

Der Wagen ächzte, als die Tachonadel an ihren Grenzen schlug, und Mulder warf einen Blick auf die Tankanzeige. Es war nicht mehr allzu viel drin, etwa ein Viertel. Doch es würde für seine geplante Aktion reichen.

Als er die Spitze der nächsten Anhöhe erreicht hatte, blickte Mulder auf den Gegenverkehr, der ihm auf der anderen Seite des Freeways entgegen kam. Im Moment befand sich keine Leitplanke in der Mitte, die die beiden Richtungen voneinander trennte und die Hügel waren bereits dicht neben der Straße—sie erhoben sich wie kleine Berge hinter den Autos. Mulder war in der Schnellspur und es waren keine Autos neben ihm in der anderen Spur; hinter ihm trennte ihn lediglich ein Wagen von seinen Verfolgern. Langsam nahm Mulder den Fuß vom Gas, ließ den Wagen aufholen und behielt sein neues, langsameres Tempo bei. Wie er gehofft hatte, war es dem Fahrer zu langsam und er ließ sich von ihm auf der Nebenspur überholen, so dass nun kein weiteres Auto mehr zwischen ihm und dem grauen Mietwagen war.

Den ersten Schritt erledigt, prüfte Mulder abermals den Gegenverkehr. Fünf oder sechs Autos kamen auf ihn zu, doch dahinter war die alles frei.

Die Straße machte eine Biegung und er lenkte den Wagen herum, seine Verfolger jetzt dicht hinter ihm. Mulder bereitete sich auf seinen Vorstoß vor. Jetzt oder nie. Als der letzte der entgegenkommenden Wagen auf seinem Weg südlich nach Las Cruces vorbeigefahren war, fasste Mulder das Lenkrad enger. Er bis die Zähne zusammen und riss es scharf nach links, so dass der Wagen mit quietschenden Reifen über die doppelte gelbe Linie auf die Gegenseite schlitterte.

Sein Plan funktionierte besser, als er es sich je erträumt hätte. Als er sich bemühte, den Wagen wieder geradezurichten, sah er durch das Autofenster, wie Moe versuchte, es ihm nachzutun und sein Lenkrad herumriss. Die Straße war immer noch nass vom Regen und Moes Wagen drehte sich mit halsbrecherischer Geschwindigkeit unkontrolliert um seine eigene Achse. Mulders Augen klebten an dem Wagen und er verlor fast die Kontrolle über seinen eigenen, als er mit vor Schreck aufgerissenem Mund beobachtete, wie er durch die Seitenplanke krachte, mit unvermindertem Speed seitwärts den Hügel herunter schnellte und beim Aufprall augenblicklich explodierte und in Flammen aufging.

Erschrocken manövrierte Mulder sein Auto auf den Seitenstreifen und sah, wie die Autos auf der anderen Seite hupten und schlitterten, um einem ähnlichen Schicksal zu entkommen. Zitternd stieg Mulder aus dem Wagen und starrte auf das Wrack. Sogar aus dieser Entfernung stach ihm der Rauch in die Augen.

Mulder blieb stehen und beobachtete den brennenden Wagen, ob seine Insassen nicht irgendein Lebenszeichen von sich geben würden. Er wollte seine Verfolger aufhalten, und das hatte er geschafft. Ein Anflug von Reue überkam ihn bei dem Gedanken an die beiden toten Männer, doch er verdrängte ihn entschlossen. Er hatte getan, was er tun musste.

Als die Rettungswagen die Unglücksstelle erreichten, stieg Mulder wieder zurück ins Auto und machte sich auf den Weg zur nächsten Ausfahrt. Er musste wieder die Richtung wechseln, aber diesmal wollte er den üblichen Weg nehmen.

 

 

"Ich glaube, jetzt wo der Regen aufgehört hat, fahre ich mal eben in die Stadt", verkündete Elliot.

"Was brauchst du denn?" fragte Cooper, der sich faul auf der Couch ausgestreckt hatte.

"Ich kann heute nichts mehr zeichnen, und ich sterbe für ein neues Buch, also schaue ich mal im Buchladen vorbei. Außerdem", fügte er mit einem verschmitzten Grinsen hinzu, "haben wir fast kein Bier mehr, und wir wollen an einem Samstagabend doch nicht ohne da stehen."

"Geh, mein junger Freund, geh!" erwiderte Cooper ebenfalls mit einem Grinsen.

"Aye aye, Käpt’n", gehorchte Elliot. Er ging zu dem Stuhl, auf dem Lisa saß und drückte freundschaftlich ihre Schulter. "Und was dich betrifft - wag' es ja nicht von hier zu verschwinden, bevor ich wieder da bin. Ich will mich noch verabschieden."

"Ich denke nicht im Traum daran", versicherte sie ihm mit einem Lächeln.

"Keine Sorge—wir sind noch hier, wenn du zurückkommst."

"Super", freut Elliot sich. "Braucht irgendjemand irgendetwas?"

"Ja, nimm mir bitte eine Newsweek mit, wenn du im Laden bist", rief Cooper.

"Wird gemacht", grinste Elliot. "Bis gleich." Er schnappte sich seine Motorradschlüssel und tätschelte Tucker, als er an ihm vorbei ging. "Pass gut auf, während ich weg bin, Tuck." Der Hund antwortete mit einem Bellen und Elliot verschwand in der Tür.

 

 

Christophe fuhr den Mietwagen bis genau auf den Flugplatz und hielt mit quietschenden Reifen kurz vor der Maschine an. Zufrieden sah er, dass die Motoren wie beordert bereits liefen. Er stieg aus dem Wagen und sprintete auf die Treppe zu, wo er zwei Stufen auf einmal nahm.

Mike wartete bereits im Bauch des Flugzeuges, und nickte zur Begrüßung.

"Wir sind startbereit, Sir", informierte er ihn. "Wohin soll's gehen?"

"Santa Fe", befahl Christophe. "Und sag dem Piloten, er soll voran machen."

 

 

 

Ende von Teil 9...

 

X-9  X-9

 

 

 

GETEILTE WEGE (10/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Margaret Scully blickte auf die Uhr. Es war erst kurz nach fünf und trotzdem war es draußen schon fast stockdunkel, als die letzten Strahlen der Novembersonne verblassten und die Ostküste in pechschwarze, mondlose Nacht einhüllte. Sie konnte nicht länger den Text in dem Buch erkennen, das sie las, also klappte sie er zu und knipste die Lampe neben ihr aus. Zeit fürs Abendessen.

Als sie in die Küche ging versuchte sie, das starke Gefühl des Unbehagens abzuschütteln, das sie schon seit dem Aufwachen gehabt hatte. Seit Skinners Besuch am Vortag war sie nervös gewesen, und obwohl sie es nicht im Traum erwartet hätte, dass er mit ihrer Tochter aus Texas zurückkommen würde, hatte sie wenigstens auf ein paar handfeste Neuigkeiten gehofft. Es fiel ihr schwer, sich mit dem enttäuschenden Ergebnis seiner Reise nach Texas abzufinden.

Sie nahm den Kopfsalat und etwas Gemüse aus dem Kühlschrank, trug alles zum Küchentisch und machte sich daran, einen Salat vorzubereiten. Sie hatte noch etwas Huhn im Tiefkühlschrank, das sie aufwärmen konnte. Nicht viel für ein Abendessen, aber richtigen Appetit hatte sie sowieso nicht.

Margarets Gedanken wanderten zurück an einen kalten Novembertag, dessen Sonnenaufgang endlich mal wieder nach einer Woche trüber Eintönigkeit hell gewesen war. Ein Anruf hatte sie ins Krankenhaus beordert und sie hatte in dem Stuhl neben dem Bett gesessen und ihre Augen geschlossen in einer Litanei endloser Gebete für ihre im Koma liegende Tochter gebetet. Sie hatte die Veränderung in Danas Atemrhythmus gehört und ihr Augen gerade rechtzeitig geöffnet um zu sehen, wie die blauen Augen ihrer Tochter aufflatterten und sie erschöpft anblickten.

Sie war stark, ihre Dana. Ein Kämpfernatur, seitdem sie ein kleines Mädchen gewesen war. Sie hatte jede Herausforderung genommen, und sie hatte es geschafft, den Kampf gegen das Koma zu gewinnen, das sie beinahe ihr Leben gekostet hatte.

Margaret konnte nur hoffen, dass ihre Tochter weiterhin ein solches Glück haben würde.

Fox ist bei ihr, dachte sie bei sich. Er passt auf sie auf, und sie auf ihn.  Sie wusste, dass ihre Beziehung bloße Partnerschaft überschritt. Sie wusste es schon seit langem, trotz Danas Behauptungen für das Gegenteil. Sie hatte es in der Art gehört, in der ihre Tochter über den Mann sprach, mit dem sie arbeitete, und sie hatte es mit recht deutlich während der Zeit gesehen, die sie während Danas Verschwinden mit Fox verbracht hatte.  Margaret wusste mit der Intuition einer Mutter, dass sie sich liebten. Egal, ob sie es sich je eingestanden hatten, sie war sich sicher, dass diese Liebe der Grundstein ihrer Beziehung war.

Sie betete, dass wo immer sie waren, ihr Liebe füreinander genug sein würde, um sie zu beschützen.

 

 

Mulder befand sich wieder ungeachtet der anderen Wagen mit Höchstgeschwindigkeit auf dem Highway Richtung Norden. Er hielt die Augen offen als er fuhr, doch er konnte nie irgendwelche verdächtigen Fahrzeuge ausmachen, die sich ihm näherten. Der Unfall steckte ihm immer noch in den Knochen, denn er wusste, dass es ihm auch hätte passieren können. Und, so sehr er auch seine Verfolger loswerden wollte, war es nicht sein Ziel gewesen, sie umzubringen.

Du hast getan, was du tun musstest, redete er sich ein, ließ den Vorfall hinter sich und konzentrierte sich auf das, was er erreichen wollte.

<DanaDanaDanaDanaDana>

Mulder wurde das beklemmende Gefühl nicht los, dass Christophes Abwesenheit in dem Wagen von erheblicher Bedeutung war. Aus irgendeinem Grund war er sich hundertprozentig sicher, dass die wirklichen Probleme gerade erst begannen.

Er blickte auf die Tankanzeige und stellte mit Schrecken fest, dass sich die Nadel beharrlich im roten Bereich der Anzeige verankert hatte. Obwohl er den Gedanken hasste, zum Tanken anhalten zu müssen, wollte er auf keinen Fall, dass es ihm ausgeht. Er hatte noch eine viel zu weite Strecke vor sich, um das Risiko einzugehen. Dankbar für das gestohlene Geld, das er immer noch in der Tasche seiner Jeans hatte, lenkte Mulder den Wagen auf die rechte Spur und nahm die nächste Ausfahrt.

 

 

"Ich bin am Verhungern", verkündete Cooper. "Möchtest du irgendwas aus der Küche?"

"Was holst du denn?" fragte Lisa.

"Wahrscheinlich Brezeln", antwortete er. "Ich weiß nicht, was wir sonst noch zum Knabbern da haben."

"Brezeln hören sich gut an", sagte Lisa.

"Kommt sofort", rief er und lief mit Tucker an seinen Fersen in die Küche.

In der Küche angekommen öffnete Cooper den Kühlschrank und sah nach, ob da nicht noch etwas Interessanteres zum Essen war. Doch er fand nichts, was nicht aufwendiges Vorbereiten verlangen würde. Hinter ihm lief Tucker in nervösen Kreisen herum und bellte ab und an in Richtung Tür. "Was ist los, Junge?" fragte Cooper, doch der Hund gab keine Antwort.

Als er den Schrank auf machte, hörte er das Geräusch, das Tucker so verärgerte. Es war der Motor eines sich nähernden Wagens stellte Cooper fest, als er aus dem Fenster blickte und den Wagen am Fuß des Hügels parken sah. Er hatte das Auto noch nie zuvor gesehen, genauso wenig wie die beiden Männer, die aus ihm ausstiegen. Cooper lief es kalt den Rücken herunter.

"Lisa", rief er, "wie sieht Rick aus?"

"Warum?" fragte sie zurück und er hörte ihr Schritte auf dem Holzboden näherkommen.

"Da kam gerade ein Auto an, es parkt unten am Hügel", antwortete er und sah zu, wie sich die beiden Männer auf den Weg zu ihrer Haustür machten. "Sie kommen gerade hierher."

Als sie näher kam, beschrieb sie ihm ihren Mann, und Cooper merkte alarmiert, dass die Beschreibung, obwohl er sich aus der Entfernung nicht ganz sicher sein konnte, auf keinen der beiden Männer zutraf. Einer von ihnen war definitiv zu klein, und der andere, größere Mann hatte etwas Bedrohliches an sich, das ihn beunruhigte.

"Lisa", sagte er und versuchte seine Stimme nonchalant zu halten. "Ich glaube, wir sollten von hier verschwinden."

Sie war jetzt genau hinter ihm, und als er sich nach ihr umdrehte sah er, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich. "Wer sind sie?" fragte sie mit einem Zittern in der Stimme.

"Ich habe keine Ahnung", erwiderte er, "aber ich glaube nicht, dass es Staubsaugervertreter für sind."

Instinktiv packte Cooper Tucker beim Halsband und sperrte ihn in die Waschküche. Tucker begann wie wild zu bellen, doch er ignorierte ihn. Er wollte nicht riskieren, dass er ihnen folgte und den Männern verriet, wo sie waren.

Als er wieder nach draußen schaute, sah er, wie der kleinere Mann das Gartentor für ihn und den größeren Mann aufhielt und es dann hinter sich zufallen ließ. Coopers Gedanken rasten, hektisch suchte er nach einer Möglichkeit zu fliehen. Er wünschte, er hätte sein Auto hier.

"Komm mit", sagte er und packte Lisa fest beim Arm. Sie konnten nicht durch die Küche raus, auch nicht durch die Eingangstüre, denn sie würden in dem Augenblick entdeckt werden, in dem sie den Hof betraten. Cooper dachte schnell und führte sie den Flur hinunter auf Becks und Elliots Zimmer zu. Er schloss die Tür fest hinter sich, wobei er Lisas Arm los ließ, als er es aufmachte.

"Was sollen wir machen?" fragte sie leise.

"Wir verschwinden von hier", murmelte er. "Durch das Fenster. Komm her, ich helfe dir raus."

Lisa nickte und hielt ihm ihre Arme hin, als er sie auf das Fensterbrett hob. Das Fenster war gerade groß genug, dass er durchpasste und sie immer noch auf dem Sims halten konnte. Bis zum Boden war es nicht sehr tief. Er sprang herunter und half dann Lisa vom Fensterbrett. Sie blieb neben ihm stehen, als er das Fenster wieder zu machte. Wieder nahm er sie bei der Hand. "Auf geht's."

"Wohin?"

"Zu den Hügeln", antwortete er grimmig. "Und dann ... weiß ich auch nicht."

 

 

 

Mit vollem Tank wieder zurück auf der Straße drückte Mulder das Gaspedal so weit herunter wie es nur ging. Er behielt lediglich die Geschwindigkeitsanzeige im Auge, denn im Moment würde es sich mit jedem Cop anlegen, der ihn aufhalten wollte. Er fuhr an einem Schild vorbei, das ihm verriet, dass es nur noch 20 Meilen bis Santa Fe waren. Laut der Karte, die es an der Tankstelle gekauft hatte, war Elliots Haus etwa fünfzehn Meilen vom Stadtzentrum entfernt.

"Komm schon, komm schon, komm schon", trieb er den Wagen an, als ob es das Auto tatsächlich schneller machen würde. Er dirigierte es in die Schnellspur und hämmerte ruhelos mit seinen Fingern auf dem Lenkrad. Nur noch eine halbe Stunde, dachte er, als er auf Santa Fe zuraste.

 

 

Sie gingen auf der Nordseite hinter dem Haus entlang, Cooper führte Lisa so schnell er es wagte. Eine halbe Meile vom Haus weg gab es eine kleine Ansammlung von Bäumen, bei der er mit Lisa anhielt. Die Bäume waren zu klein, um Schutz zu bieten, doch mit der Entfernung dazwischen schien es zu reichen.

Außerdem konnte Cooper von diesem Punkt aus noch das Haus sehen.

In den Minuten, in denen sie dort zusammengekauert hockten, hatte Cooper nur einen der Männer gesehen, als er einen halbherzigen Versuch unternommen hatte, in das Studio zu kommen. Wenn er nicht versuchen würde, die Tür einzubrechen, würde sich wenigstens eine von Coopers Vermutungen über die Männer bestätigen: sie waren keine Diebe, zumindest nicht welche von der üblichen Sorte.

Jetzt gab es keine Spur mehr von den Männern und Cooper nahm an, dass sie jetzt im Haus waren und warteten.

Es war kalt und Cooper verfluchte sich dafür, nicht an Jacken gedacht zu haben, bevor sie geflohen waren. Lisa hatte zwar einen Rollkragenpullover an, doch er konnte fühlen, wie sie neben ihm zitterte. Er knöpfte sein Flanellhemd auf und spürte, wie die kalte Luft augenblicklich durch sein langärmliges T-Shirt drang, als er es auszog. "Zieh das hier an", sagte er und drückte ihr das Hemd in die Hand.

"Mir ist nicht kalt", protestierte sie, doch der ihre klappernden Zähne verrieten sie. "Zieh es an", wiederholte  Cooper. "Es ist kalt und ich weiß nicht, wie lange wir hier draußen warten müssen."

Das schien ihr einzuleuchten, denn sie schlüpfte in das Hemd und knöpfte es mit zitternden Fingern zu.

 

 

Coopers Hemd war viel zu groß für sie und Scully rollte die Ärmel nach oben, um sicherzustellen, dass ihre Hände frei waren. Ihr wurde etwas wärmer und physisch fühlte sie sich etwas besser, doch innerlich war sie immer noch gespannt. Sie griff nach Coopers Arm und drückt ihn sanft.

"Was machen sie?" fragte sie.

"Sie sind immer noch im Haus. Ich weiß nicht, was sie da treiben."

Das ist alles ein böser Traum, dachte Scully, doch sie wusste es besser. Die Ankunft der Männer hatte ihr panische Angst eingejagt, sowohl für Mulder, als auch für sich selbst. Niemand konnte wissen, wo sie sich versteckt hielt, es sei denn, ihre Nachricht für Mulder wurde auf irgendeinem Weg zurückverfolgt. Seiner Antwort nach zu urteilen war alles in Ordnung gewesen und Scully konnte den Gedanken daran nicht ertragen, das ihm seitdem etwas zugestoßen sein könnte.

Obwohl Scully keinen blassen Schimmer hatte, wer diese mysteriösen Männer waren, wusste sie warum sie hier waren. Und sie wollte Cooper nicht in eine noch größere Gefahr bringen, ohne ihm die Wahrheit zu sagen.

"Sie suchen nach mir", sagte sie ihm. "Genauer gesagt, suchen sie das hier". Sie griff in ihre Hosentasche und zog die Diskette heraus.

"Was ist das?"

"Witzigerweise weiß ich es selber nicht". Scully zögerte, und sagte es ihm dann. "Aber es ist wichtig genug, um Menschen umzubringen. Ich habe mein Augenlicht verloren, um es zu bekommen. Ich darf es um keinen Preis verlieren."

 

 

Cooper sah auf das Objekt in ihrer Hand. Es sah ihm nicht nach viel aus, nur ein glänzender Metallkreis mit einigen farbigen Rillen, der einer Mini-CD ähnlich sah, von dem er angenommen hätte, dass es sich um irgendein Stück einer Festplatte handelte. Doch andererseits, dachte er, ist es vielleicht genau das—ein Teil von einer Festplatte, die Informationen hielt, für die es wert war zu sterben.

Sein Hals war plötzlich trocken und Cooper zwang sich zum Schlucken. Er den Kopf hob, um sie anzusehen. Auf den ersten Blick schien ihr Ausdruck ruhig zu sein, doch als er genauer hinsah, konnte er sehen, wie sie ihre Zähne krampfhaft zusammenbiss. Obwohl ihre leeren blauen Augen blicklos hinter ihn starrten, bestand kein Zweifel in der festen Entschlossenheit, die ihr im Gesicht stand.

"Was willst du damit machen?" fragte er letztendlich.

"Wir müssen es verstecken. Ich kann es nicht riskieren, dass es jemand bei mir findet."

Cooper nickte und dachte nach. Das Haus war offensichtlich ausgeschlossen, und er wollte nicht wieder zurück zum Hof gehen. Das Risiko gesehen zu werden war viel zu groß. Sie konnten es auch nicht einfach vergraben, weil sie nichts hatten, um es von den Elementen zu schützen und die Wahrscheinlichkeit groß war, dass es wieder regnen würde und es fortspülte. Cooper blickte sich um und suchte nach einer Möglichkeit, welche er hinter den Hügeln fand.

"Komm mit", sagte er und half Lisa auf.

Sie steckte die Diskette wieder zurück in ihre Tasche und fragte, "Wohin jetzt?"

"Weißt du noch, wie ich dir von den Minen erzählt habe?" Als Lisa nickte, fuhr er fort. "Es gibt eine nicht weit von hier. Wir können es dort verstecken, zumindest für eine Weile. Hier draußen ist es zu nass, um es irgendwo zu verbuddeln."

Lisa dachte kurz darüber nach und nickte dann. "Okay, gehen wir."

 

 

Rebecca sah den parkenden Mietwagen neben dem Tor und fühlte, wie ihr Herz vor Vorfreude begann schneller zu schlagen. Er ist hier, dachte sie aufgeregt, sprang aus dem Jeep und öffnete das Tor. Als sie auf den Hof fuhr, um den Wagen dort abzustellen, merkte sie, dass Elliots Motorrad gar nicht auf seinem gewohnten Platz stand. Sie wunderte sich wo er hingegangen war und griff nach ihrer Tasche.

Als sie die Küchentür öffnete und eintrat, bekam Rebecca plötzlich das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Sie wusste jedoch nicht was es war. Sie hörte Tuckers durch die Tür gedämpftes Bellen und hatte gerade noch Zeit sich zu fragen, warum er nicht angelaufen kam, um sie zu begrüßen, bevor sie das unverwechselbare Geräusch einer geladenen Waffe hinter ihrem Kopf hörte.

"Keine Bewegung", befahl eine unbekannte Stimme, doch Rebecca war noch nie jemand gewesen, den man herumkommandieren konnte. Sie drehte sich um und sah einen Mann hinter der offenen Türe stehen, der seine Waffe genau auf ihren Kopf richtete.

"Oh mein Gott..." Auf einmal klopfte ihr Herz laut genug, um alles andere zu übertönen, und Rebecca hatte Mühe, die nächsten Worte des Mannes zu verstehen.

"Lass die Tasche fallen und geh zur Seite."

Wie gelähmt tat sie, was er von ihr verlangte und ging mit hängenden Armen weiter in die Küche. Erst jetzt bemerkte sie den zweiten Mann neben der Tür zum Esszimmer. Unbewusst ballte Rebecca die Hände zu Fäusten, als eine Welle von Horror sie überlief.

Der zweite Mann war groß und imposant, und unter anderen Umständen hätte Rebecca ihn als gutaussehend bezeichnet. Doch jetzt, als er unbekümmert auf sie zu ging, schien er lediglich bedrohlich. Obwohl dieser Mann nicht bewaffnet zu sein schien, sah er nicht weniger gefährlich aus, als das Lächeln, das sich auf seinem Gesicht breit machte, dem unverwechselbaren Flair purer Bosheit mit sich brachte.

"Wo ist sie?" fragte der Mann.

"W-wer?" stotterte Rebecca.

"Die Frau, die hier bei Ihnen untergetaucht ist", antwortete der Mann. "Ihre Sachen sind im Schlafzimmer. Ich will wissen, wo sie ist."

Rebeccas Gedanken wirbelten in purer Verwirrung, ein Gefühl der Taubheit, das sich noch verschlimmerte, als sie die Waffe des anderen Mannes in ihrem Rücken fühlte. "Nein..." flehte sie, zu gelähmt, um mehr zu sagen.

Der größere Mann bemerkte offensichtlich ihre Panik. Er machte eine kleine Kopfbewegung und die Pistole verschwand aus ihrem Rücken. Doch in ihrem Augenwinkel konnte sie immer noch sehen, dass sie auf sie gerichtet war. "Lassen wir es uns noch einmal versuchen", sagte der Mann. "Ich will Ihnen nicht weh tun—davon würde ich überhaupt nichts haben. Ich will nur das Mädchen und die Diskette finden, die sie hat. Wenn Sie mir dabei helfen, versprechen ich, dass Ihnen nichts passieren wird."

Diese Bestätigung hatte keinerlei Bedeutung für Rebecca und der hämische Blick in seinen Augen war genug, um sie davon zu überzeugen, dass egal was sie tat oder sagte, sie in keinem Fall lebendig hier herauskommen würde. Sie hatte Todesangst. Und doch war sie noch soweit bei Sinnen, dass sie sich fragte, was mit den anderen geschehen war. Elliots Motorrad war weg, was ein gutes Zeichen war. Es bedeutete, dass er noch nicht zurück gekommen war, als die Männer hier aufgetaucht waren. Und was Cooper und Lisa betraf hatte Rebecca keine Ahnung wo sie waren, doch sie war dankbar, dass sie es auch irgendwie geschafft hatten zu fliehen.

Sie wusste nicht, was sie tun sollte, also wichen Rebeccas Augen nicht von denen des Mannes. Sie sagte nichts.

 

 

Das Mädchen starrte ihn an und sagte kein Wort, und Christophe wurde ungeduldig. "Machen Sie bloß keinen Fehler", fauchte er, "ich habe keine Zeit für Spielchen. Sagen Sie mir, was ich wissen will."

"Ich weiß nicht, wo sie ist", sagte das Mädchen. "Ich bin gerade erst nach Hause gekommen—Sie haben gehört, wie ich angekommen bin. Ich weiß nicht, wo alle sind, und ich weiß auch nichts von einer Diskette."

Christophe beäugte sie genau und suchte nach Anzeichen, ob sie log. Er hatte genau gesehen, dass niemand mehr in dem Jeep gesessen hatte, mit dem sie gekommen war. Das hieß jedoch nicht, dass sie das Mädchen nicht irgendwo hingebracht hatte, bevor sie hierher zurück gefahren war. Andererseits sprach die Angst in ihren Augen für ihre Unwissenheit, und ließ annehmen, dass sie die Wahrheit sagte. Wenn sie gebeten worden war, Dana Scully zu verstecken, mutmaßte er, würde sie zumindest über die Lage Bescheid wissen.  Und das schien nicht der Fall zu sein. Fürs Erste akzeptierte er ihre Story.

"Ja, das könnte stimmen", sagte er zu ihr. "Vielleicht tut es das. Aber Sie wohnen hier, richtig?" Die Frau nickte mit Panik in den Augen.

"Dann nehme ich an, dass Sie die Schlüssel zu dem Nebengebäude haben."

Sie zögerte, und Christophe konnte ihr ansehen, dass sie ihre Möglichkeiten durchging. Letztendlich nickte sie wieder, dieses Mal widerwilliger.

"Wir wollen mal einen Blick dort herein werfen. Lassen Sie uns da rein."

Wieder nickte das Mädchen, automatisch wie eine Marionette an einem Seil, und trat zu ihrer Tasche, die sie hatte fallen lassen müssen. Sie suchte in ihrer Handtasche und holte einen Schlüsselring hervor, den sie ihm entgegenhielt.

Christophe nahm die Schlüssel und nickte Mike zu, der sie mit der Knarre auf die Tür zu winkte. Sie traten nach draußen, und als ihre Schuhe im nassen Gras quietschten, fiel Christophe plötzlich etwas ein.

"Warte hier", befahl er Mike, welcher nickte und die Waffe weiter auf Rebecca gerichtet hielt.

Christophe ging alleine um das Haus herum und untersuchte genau den Boden. An dem Fenster an der Rückseite sah er, dass das Gras umgeknickt war— flache Abdrücke, die sehr nach Fußspuren aussahen. Etwas weiter ging das Gras in schlammigen, nassen Boden über, dort waren die Spuren viel deutlicher. Zwei verschiedene Spuren. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus.

 

 

Als er wieder bei seinem Assistenten und dem Mädchen war, sagte Christophe, "Da sind Schuhabdrücke hinter dem Haus, die zu den Bergen führen. Nimm sie mit, sieh' in der Scheune nach und warte da auf mich."

Mike nickte. Christophe zog seine eigene Waffe aus seinem Mantel und lud sie. Dann ging er zurück zu den Spuren im Schlamm.

 

 

Ende von Teil 10...

 

X-10  X-10

 

 

 

GETEILTE WEGE (11/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

In der Mine war es viel wärmer, stellte Scully dankbar fest. Doch es half trotzdem nicht, ihre Angst zu lindern. Sie hatte sogar noch mehr Angst als zuvor, wenn das überhaupt möglich war. Die Luft in der Mine war muffig und abgestanden und gab ihr ein leises Gefühl der Klaustrophobie. Sie behielt festen Griff an Coopers Arm aus Angst, in dieser nasskalten Höhle hinzufallen.

"Wie weit sind wir schon drin?" fragte sie ihn. Es kam ihr vor, als wären sie schon meilenweit gelaufen.

"Noch nicht weit", antwortete er und seine Worte hallten von dem Echo in der Mine. "Wir sind gerade durch die äußere Höhle durch. Das hier ist einer der Haupttunnels."

"Ist es hier sicher?"

"Sicher genug", erwiderte Cooper. "Einige Stellen des Haupttunnels kann man von draußen sehen, also ist es nicht gerade der beste Platz für ein Versteck. Hier drin sind die Chancen nicht so groß, dass uns jemand entdeckt."

Wenigstens beruhigten sie das etwas. Cooper hatte die Diskette in einer Nische in einem Felsen in der Nähe ihres Verstecks verankert und sie war sich ziemlich sicher, dass selbst wenn man sie fand, die Diskette immer noch in Sicherheit war. Scully wünschte sich sehnlichst, dass ihre Verfolger sie nicht finden würden. Sie wusste, dass wenn sie es täten, es die Lage für Mulder nur noch verschlimmern würde. Vorausgesetzt, Mulder war noch am Leben.

Der Gedanke ließ sie erzittern, und sie fühlte wie sich Coopers Arm um ihre Schulter legte. "Ist dir immer noch kalt?"

"Nein", antwortete sie. "Ich bin nur ein wenig... beunruhigt."

"Ja, das bin ich auch", sagte er. "Aber ich glaube, wenn wir hier bleiben, sind wir in Sicherheit."

"Hoffentlich", sagte Scully schwach und lehnte sich ein wenig näher an ihn, als sie auf das warteten, was ihnen bevorstand.

 

 

Der Mann stieß sie wieder mit der Waffe und Rebecca reagierte, indem sie so langsam wie sie es wagte auf die Scheune zu ging. Sie erreichten die Tür und sie fummelte mit dem Schlüssel. Nachdem aufgeschlossen war, trat der Mann neben sie, öffnete die Tür und stieß sie hinein.

Rebecca ließ erleichtert die Luft aus den Lungen, als sie merkte, dass sie das Studio dunkel und offensichtlich leer vorfanden. "Mach das Licht an", befahl der Mann und sie tat es.

"Komm mit", sagte er und klopfte mit der Waffe an ihre Seite. Rebecca ging einige Schritte vor ihm her, als er den Raum durchsuchte. Der Mann war alles andere als ungenau. Er untersuchte jede Ecke und jeden Winkel, in dem sich jemand hätte verkriechen können. Das Dunkelzimmer war zu und sie öffnete es auf seinen Befehl hin. Wieder war sie froh, dass niemand drin war.

Offensichtlich zufrieden drehte sich der Mann zu ihr um und fragte, "Habt Ihr die Diskette hier versteckt?"

Rebecca schüttelte heftig den Kopf in der Hoffnung, dass er ihr glauben würde. "Ich weiß nichts von einer Diskette", sagte sie. "Hier ist nichts versteckt."

"Bleib wo du bist", orderte der Mann. "Denk nicht einmal daran zu fliehen."

Doch das war das letzte, woran Rebecca jetzt dachte. Sie wollte nur lebend hier raus kommen, also blieb sie stehen und sah, wie er auf der Suche nach dieser geheimnisvollen Diskette, die ihm so wichtig war ihre Fotoausrüstung durchwühlte. Vor Schreck gelähmt nahm sie ihren Blick weder von dem Mann, noch von der Waffe in seiner Hand.

Und da, als der Mann ihr seinen Rücken zuwandte, bemerkte Rebecca in ihrem Augenwinkel einen weiteren Mann. Er stand im Türrahmen und als sie ihren Kopf etwas wandte, um ihn besser zu sehen, war sie überrascht, dass er seine Finger über seine Lippen legte und ihr bedeutete ihn nicht zu verraten. Er war unbewaffnet, in Windjacke und Jeans gekleidet und es war nicht die Tatsache, dass er keine offensichtliche Bedrohung war, die beruhigend auf sie wirkte. Es war der Blick in seinen Augen, ein Blick, der zugleich ehrlich und entschlossen war, und der sie instinktiv veranlasste, ihm zu vertrauen.

Rebecca nickte ihm leicht zu und sah dann zurück zu dem Typen, der sie dazu gezwungen hatte, ihr Studio seinen neugierigen Blicken auszusetzen. Er wühlte gerade durch die Ausrüstung, die sie auf einen der kleinen Tische gelegt hatte, und als sie ihn so beobachtete, fiel ihr etwas ein.

"Sie sollten vielleicht auch in dem Wandschrank dort hinten nachsehen", bot sie an, denn sie wusste, dass nichts dort drin war, was für ihn von Interesse sein konnte. Aber es war den Versuch wert, ihn etwas aus dem Konzept zu bringen. Der Mann sah sie an und machte einen Schritt auf das Regal zu, dann zeigte er wieder mit der Pistole auf sie.

"Komm mit da hin", befahl er. Sie gehorchte und ging mit ihm zur anderen Seite des Studios.

Dort angekommen, stieß der Mann sie wieder mit dem Lauf der Waffe. "Mach's auf", zischte er und Rebecca folgte. In dem Regal standen viele verschiedene Plastikbehälter, in denen jeweils ein anderes Mittel für Photoarbeit war. Der Mann beugte sich näher zu ihr, als er die Aufschriften auf den Dosen las, und sie spürte seinen stinkenden, heißen Atem an ihrem Genick.

Plötzlich hörte sie wie hinter ihnen ein loses Brett am Boden knackste. Der Mann fuhr herum und richtete seine Waffe vor sich. Blitzschnell griff Rebecca nach dem nächsten Behälter und schraubte ihn auf. "Hey!" rief sie, als sie sich wieder dem Mann zu wandte.

Als er sich wieder zurück drehte, hob Rebecca in Sekundenschnelle den Behälter und spritzte ihm den Inhalt ins Gesicht. Der Mann schrie laut auf vor Schmerz und ließ die Waffe fallen, als er sich mit beiden Händen die Augen rieb.

Der Mann, den Rebecca zuerst in der Tür hatte stehen sehen, sprang auf ihn zu, riss ihn zu Boden und bearbeitete ihn mit den Fäusten, bis der vorübergehend Blinde nach Atem rang. Er griff nach der Waffe und richtete sie keuchend auf den am Boden liegenden.

"Gut gemacht", sagte er zu ihr, als er zu Rebecca aufsah.

Rebecca hatte plötzlich Mühe, zu Atem zu kommen und nickte nur. Jetzt fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. "Rick?"

Er nickte und sah den Typen an, der nur noch ein Häufchen Elend am Boden war. Dann wandte er seinen Blick wieder Rebecca zu. "Ja", sagte er, die Waffe fest und sicher in der Hand. "Und Sie sind Rebecca, richtig?"

Sie nickte wieder und stützte die Hände auf ihre Oberschenkel. Sie war wie durch den Wolf gedreht, als etwas von dem Schreck von ihr wich.

"Womit haben Sie ihn getroffen?" fragte Rick und Rebecca sah auf den Behälter auf dem Boden, den sie nach ihrem Angriff fallen gelassen hatte.

"Fixiermittel", sagte sie. "Sodium Thiosulfat. Ziemlich giftig."

"Denke ich auch", antwortete Rick und sah wieder auf den Mann, der sich am Boden wand.

 

 

Mulder streckte seine Hand aus und zerrte Larry auf die Füße, die Waffe immer noch auf seinen Kopf gerichtet. Larry stand und rieb sich weiter die Augen. "Gib mir den Schlüssel", sagte Mulder.

Larry warf ihm einen bösen Blick zu, doch bewegte sich nicht, also schwang Mulder die Waffe. "Gib ihn mir!"

Larry griff in seine Hosentasche und zog den elektronischen Schlüssel zu dem Armband heraus. "Helfen Sie mir hier heraus", sagte er zu Rebecca, die sich die Schlüssel schnappte.

"Krempeln Sie meinen rechten Ärmel hoch", sagte Mulder und hielt mit der Linken weiterhin die Waffe auf Christophes Kumpel. Rebecca tat wie ihr geheißen und löste den Gürtel, mit dem er den Detektor befestigt hatte und schmiss ihn beiseite. Sie rupfte den Detektor von seinem Ärmel, warf ihn ebenfalls weg und machte mit dem Schlüssel die Fessel von seinem Arm los. Sie fiel zu Boden mit einem erlösenden "Klong" und Mulder konnte sich ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen.

"Jetzt", sagte er zu Larry, "sag mir, wo Christophe ist." Larry antwortete nicht. Seine Augen wichen nie von der Waffe, die ihn bedrohte.

"Los, sag schon!" wiederholte Mulder, vergeblich.

"Es war noch ein anderer Typ hier", sagte Rebecca und Larrys wütender Blick zog Mulders Aufmerksamkeit auf sich.

"Er hat hinterm Haus", fuhr Rebecca fort, "ein paar Fußspuren entdeckt. Ich glaube, Coop und Lisa sind durchs Fenster raus und jetzt in den Bergen— der Mann, der ist ihnen gefolgt, glaube ich."

Mulder wandte sich wieder Larry zu. "Stimmt das?" Dieses Mal zog Mulder den Abzug etwas zurück, bevor er die Frage wiederholte. "Ist das wahr?"

Larry zuckte leicht die Schultern. "Was ist da oben?" fragte er Rebecca.

"Die Berge sind voller Höhlen", antwortete Rebecca. "Einige waren mal Minen -- Cooper weiß, wo die sind. Sie haben sich da oben vielleicht versteckt."

Das macht Sinn, dachte Mulder und nickte. "Wir gehen ihnen nach", sagte er zu Rebecca. "Ich möchte, dass Sie hier bleiben—gehen Sie ins Haus und schließen Sie alle Türen ab. Lassen Sie niemanden herein außer mir."

Rebecca nickte und hob dann ihre Hand in einer Geste, die ihm bestimmte, dass er warten sollte. Sie trat aus seinem Blickfeld und Mulder hörte wie sie einige Wandschränke durchsuchte.

Einen Moment später kam sie mit einer Laterne in der Hand zurück. "Hier", sagte sie und reichte sie ihm. "Ich benutze sie immer, wenn ich in die Höhlen gehe, denn es ist stockduster da drin—Sie werden froh darüber sein.

 

 

Cooper hockte neben Lisa in der Dunkelheit, ein Arm immer noch um ihre Schultern. Sie zitterte leicht, aber er nahm an, dass sie ehrlich gewesen war, und dass es nicht wegen der Kälte, sondern wegen der Anspannung war. Um genau zu sein war es in der Höhle wärmer als draußen, was ihnen sehr zupass kam, denn er wusste nicht, wann sie hier wieder raus konnten. Er wusste nicht, was die Fremden, die so unerwartet aufgetaucht waren, vor hatten.

Er dachte an Rebecca und Elliot und fragte sich was passieren würde, wenn einer von ihnen zurückkommen würde, während die Männer noch im Haus waren.  Er zitterte und hoffte, dass sie lange genug in der Stadt bleiben würden.

"Alles in Ordnung?" fragte Lisa, der das Zittern nicht entgangen war.

"Ja", sagte er. "Ich habe nur nachgedacht."

"Ja, ich auch", antwortete sie und er zog sie noch ein wenig näher an sich heran.

Sie hatten sich am Ende des ersten Tunnels versteckt, nahe eines schmalen Stegs, der über eine kleine Schlucht führt. Diese Risse waren gefährlich tief, worüber sich Cooper bewusst war. Doch wo sie sich befanden war der Boden fest, das war sicher. Der Tunnel an sich führte auf ausschließlich festem Boden.

Neben ihm auf dem Boden lag eine alte verrostete Schaufel, die er aus einem der breiteren Gänge gezogen hatte. Es gab dort einige zurückgelassene Werkzeuge, und die Schaufel hatte am stabilsten von allem ausgesehen. Es war nicht die beste Waffe, aber er fühlte sich trotzdem besser damit.

Lisa legte ihren Kopf zur Seite und runzelte die Stirn, das im Halbdunkel der Mine kaum zu erkennen war. "Cooper? Was ist das für ein Geräusch?"

Cooper horchte angestrengt, doch er konnte kein verdächtiges Geräusch ausmachen. "Ich höre nichts."

"Hör hin", murmelte sie. "Da ist etwas."

Jetzt konnte Cooper ein Rattern in der Ferne hören. Er lauschte und merkte, dass es Schritte auf einem Felsen waren. Sein Herz begann schneller zu schlagen, denn er merkte, dass sich ihnen jemand näherte.

"Warte hier", flüsterte er und nahm seinen Arm von ihrer Schulter, bevor er sie beruhigend tätschelte.

"Wohin gehst du?" fragte sie, und obwohl sie leise sprach, konnte er die Panik in ihrer Stimme hören.

"Ich will mir das nur mal ansehen", sagte er ihr wahrheitsgemäß.

 

 

Lisa schüttelte hastig den Kopf. "Nein. Geh nicht."

Cooper wollte nichts lieber als bei ihr bleiben, doch wenn er sich jemandem stellen musste war es besser, es in dem breiteren Hauptgang zu tun.

"Es ist bestimmt gar nichts", versuchte Cooper sie zu beruhigen. "Bestimmt nur irgendein Stein, der heruntergefallen ist oder so. Ich gehe nur mal nachsehen."

Im Dunkeln der Höhle konnte er ihr Gesicht kaum sehen. Doch trotzdem hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt und er konnte erkennen, dass sie ihre Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepresst hatte. Dann, endlich, nickte sie zustimmend. "Dann nimm mich mit."

"Nein", sagte er und schüttelte den Kopf, obwohl ihm klar war, dass sie es nicht sehen konnte. "Blieb' hier—rühr' dich nicht vom Fleck. Ich bin in einer Sekunde zurück."

Bevor sie weiter protestieren konnte, schlich er sich schon mit der Schaufel in der Hand weg. Er wusste, dass er es ihr nicht abschlagen könnte, wenn sie ihn noch einmal fragte.

Langsam und darauf bedacht, keinen Mucks zu machen, schlich sich Cooper wieder zurück zum Haupttunnel. Er trat hinein und ließ seine Augen sich an das schwach Licht gewöhnen, das von draußen hereinfiel und verformte Schatten an die Wand warf. Er konnte nichts Ungewöhnliches erkennen und obwohl er still stand und wartete, hörte er gar nichts.

Unzufrieden ging er weiter in den Gang, die Schaufel immer noch fest in der Hand. Er sah sich um, von rechts nach links, und suchte nach der Ursache des Geräusches. Er sah gerade nach links, als er etwas rechts von ihm hörte. Er drehte sich um und sah, wie sich ein Schatten auf ihn zu bewegte. Cooper verlor keine Zeit, er holte mit der Schaufel aus und schlug zu. Er hatte überraschend gut gezielt und er merkte, dass der Schlag sein Ziel getroffen hatte, als der Angreifer einen Schmerzensschrei los lies. Ein lauter Knall echote von den Wänden der Höhle und Cooper brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass gerade ein Schuf abgefeuert worden war.

Erleichtert, dass die Kugel ihr Ziel verfehlt hatte, schlug er erneut zu, fest entschlossen, seinen Gegner kampfunfähig zu machen. Sein zweiter Schlag war genauso erfolgreich. Dann knallte etwas gegen seinen Kopf und er schrie auf, als tausend Sterne in seinem Kopf explodierten und ihm fast das Bewusstsein raubten. Ein zweiter Schlag ließ ihn stolpern und mit einem Mal raste der Boden auf ihn zu. Er fiel mit einem lauten Knall in seinen Ohren hart auf seine linke Seite. Der Schmerz durchriss seinen Körper und alles um ihn herum wurde schwarz.

 

 

Scully hörte den Schuss gefolgt von Coopers Aufschrei und sie wurde von einem Schütteln gepackt. Jeder Instinkt sagte ihr, zu ihm zu laufen und ihm zu helfen. Sie stand auf, doch die Vernunft stoppte sie.

Versteck dich, dachte sie. Du musst dich verstecken. Doch sie hatte keine Ahnung, wo sie hin sollte. Ohne Cooper an ihrer Seite war die Mine ein riesiges, ungewisses Labyrinth. Scully konnte nicht wissen, wohin sie ihren nächsten Schritt wagen konnte aus Angst, dass die Gefahr an jeder Ecke lauerte.

Zu Tode erschrocken hörte sie die Schritte näherkommen. Sie hatte keine Wahl, sie musste handeln. Wild um sich tastend suchte sich nach irgendetwas, um sich zu verteidigen. Hinter ihr fand Scully ein Geländer, das sie mit beiden Händen umklammerte. Vorsichtig trat sie einen Schritt vorwärts, und als sie festen Boden unter ihren Füßen vorfand, ging sie weiter. Mit festem Griff an dem Geländer bewegte sie sich weiter in die Mine hinein.

 

 

Mulder und Larry hatten fast das Ende der Spur erreicht, so dass sie sehen konnten, dass sie in einer der dunklen Höhlen endete, als ein Schuss die Luft zerriss.

Mulder war für einen Moment so erschrocken und besorgt um Scully, und Larry nutzte seine Verwirrung für seinen Angriff aus. Er sprang Mulder an und versuchte, ihm die Waffe zu entreißen. Obwohl Mulder die Lampe fallen ließ, ließen ihn etliche Jahre FBI-Training nicht im Stich: er wehrte den Angriff ab und feuerte. Larry fiel zurück und knallte auf den Boden.

Mulder kämpfte gegen den Drang an, sofort in die Mine zu laufen, um Scully zu suchen, und trat auf den gefallenen Mann zu. Er wollte nicht noch nach allem, was passiert war, von ihm überrascht werden. Er hielt die Waffe fest umklammert und beobachtete ihn genau. Allem Anschein nach war sein Schuss ein Treffer gewesen, genau in die Brust. Larry lag auf dem Rücken und das Blut strömte ununterbrochen aus der Wunde.

Mulder näherte sich bis er dicht genug dran war, um sein Gesicht zu sehen. Larry sagte nichts und starrte ihn mit einem Ausdruck purer Wut an, bis sich seine Augen letztendlich schlossen. Mulder beugte sich zu ihm und suchte nach einem Puls, doch er fand keinen.

Er ließ ihn liegen, hob die Laterne auf und sprintete auf den Eingang der Mine zu.

 

 

Ende von Teil 11...

 

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GETEILTE WEGE (12/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Rebecca saß auf der Couch und presste ihre Knie gegen ihre Brust. Tucker lag zusammengerollt neben ihr und knurrte leise. Es beruhigte Rebecca, dass sie ihn bei sich hatte. Es kam ihr vor, als ob sie eine Ewigkeit dort gesessen hatte, als der Hund seinen Kopf hob und zu bellen anfing. Er sprang von der Couch und lief in die Küche. Mit klopfendem Herzen folgte Rebecca ihm.

In der Küche sah sie aus dem Fenster und fühlte, wie die Erleichterung sie überkam, als sie Elliot das Motorrad den Hügel hinauf steuern sah. Rebecca riss die Küchentür auf und stürmte die Treppen herunter. Tucker lief neben ihr her, als sie auf die Scheune zusteuerte.

"Elliot!" Verzweifelt warf sie die Arme um ihn, bevor er überhaupt seinem Helm abnehmen konnte.

"Beck—was ist los? Was ist passiert?"

Er hatte ebenfalls seine Arme um sie gelegt, was Rebecca stärkte. Sie löste sich weit genug von ihm, um ihn anzusehen. "Wir müssen was tun", rief sie.  "Diese Männer—diese Männer sind hier aufgetaucht, und sie waren bewaffnet—Cooper und Lisa ist etwas zugestoßen...." Sie wusste, dass es keinen Sinn machte, was sie hervorsprudelte, doch die Worte verließen sie in wirrer Panik und sie begann zu weinen.

 

 

 

Elliot behielt einen Arm um sie und nahm mit dem anderen seinen Helm ab. "Beck, Schatz, du musst mir sagen, was los war. Welche Männer? Was ist passiert?" Er streichelte sanft ihr Haar und versuchte, sie zu beruhigen.

Rebecca nickte und keuchte, als sie versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten und ihm zu erzählen, was in der kurzen Zeit, in der er weg gewesen war, vorgefallen war. Erschrocken hörte er ihr zu, und nahm sie dann wieder in die Arme, dankbar, dass wenigstens sie okay war.

"Was sollen wir machen, Elliot?" fragte sie ihn. "Sollen wir die Polizei rufen?"

Elliot grübelte und durchdachte pro und contra. Es wäre sinnig—verdammt, es wäre sogar richtig, die Polizei zu rufen, um das Ganze ein für allemal zu beenden. Wut quoll bei dem Gedanken in ihm auf, dass die Frau, die er liebte irgendeinem Irren mit einer Knarre ausgesetzt worden war, und ein Teil von ihm wollte Rick und Lisa dafür verfluchen, dass sie sie überhaupt in diese Situation gebracht hatten.

Doch anderseits waren Rick und Lisa nicht ganz alleine Schuld daran; er hatte Lisa von sich aus mit nach Hause gebracht, und er war sich zumindest zum Teil über die Gefahr im Klaren gewesen, die es mit sich brachte. So sehr er es auch versuchte, konnte Elliot sich nicht ganz schuldlos sprechen. Und das Einzige, das Rick und Lisa mehr alles andere fürchteten, war die Polizei. Er war sich nicht sicher, ob er es riskieren wollte, das Vertrauen zu verlieren, dass sie in ihm geschenkt hatten.

"Ich weiß nicht, Beck. Ich habe Lisa versprochen, dass wir das nicht tun werden. Wir haben es ihr beide versprochen."

Rebecca nickte, doch sie sagte nichts und überließ ihm die Entscheidung.

Am Ende entschied sich Elliot für eine Art Kompromiss. "Ich werde Rick folgen—ich werde versuchen herauszufinden, was da oben vor sich geht.  Wenn die Lage außer Kontrolle geraten ist, rufe ich die Polizei. Es geht jetzt um mehr als um Rick und Lisa—Coop könnte in Gefahr sein, und ich kann nicht riskieren, dass ihm etwas passiert."

"Okay", sagte Rebecca, "aber ich komme mit." Elliot öffnete den Mund, um ihr zu widersprechen, doch sie schnitt ihm das Wort ab. "Ich lasse dich nicht allein gehen—wenn du mich nicht mitnimmst, ruf ich die Polizei, jetzt und auf der Stelle."

Er konnte sehen, dass sie es ernst meinte, und weil er nicht länger mit ihr diskutieren wollte, gab Elliot nach. "Dann komm", sagte er und nahm sie bei der Hand.

 

 

Mulder betrat den Eingang der Mine und ließ seine Augen sich an das Dunkel gewöhnen.  Er machte die Laterne an, dankbar, dass er sie hatte. Das Licht war schwach, und er nahm an, dass nicht viel Brennstoff drin war. Doch es reichte, um seine nächste Umgebung zu erhellen.

Die Mine war geradewegs in den Felsen geschlagen worden und die Seiten der Mine wurden von uralten Holzbalken gestützt. Die Decke war nicht sehr hoch, obwohl der Raum an sich breit genug war, so dass er weder die eine noch die andere Seitenwand sehen konnte, weil sie in den Schatten der Felsen verschwand.

Mulder dachte wieder an den Schuss, den er von draußen gehört hatte und zwang sich zur mit gespitzten Ohren zur Vorsicht. Als er angestrengt lauschte, vernahm er heftiges, schweres Atmen. Furcht packte ihn und er begann, nach der Ursache zu suchen.

Er hielt die Laterne in der einen und die Waffe in der anderen Hand und ging dicht an der Wand entlang tiefer in die Mine. Einige rostige Werkzeuge lagen auf dem rauen, unebenen Boden verstreut, ein paar Schaufeln und etwas, das wie eine Spitzhacke aussah, lag neben einem alten, ausgefransten, zusammengerollten Seil in einer Ecke. Es sah aus, als ob es genauso lange dort gelegen hatte, wie der Rest der Werkzeuge.

Das Geräusch kam von irgendwoher weiter drinnen und Mulder ging weiter. In der Nähe der hinteren Wand entdeckte Mulder ein paar primitiv aufgebaute Holzbalken. Da hinten, dachte er, und kam näher. Sie sahen fast wie Tröge aus und als er die Laterne hob, um näher hinsehen zu können, fand er körnigen, staubigen Dreck darin. Daneben lag ein Stapel rostiges Metall und Mulder erkannte beim genaueren Hinsehen, dass er eine Art Sieb vor sich hatte, mit dem man den Dreck von dem trennte, was es in der Mine Wertvolles zu finden gab.

Zwischen den Holztrögen und der Felsenwand war ein breiter Spalt, und als Mulder die Laterne in die Richtung hob, weiteten sich seine Augen vor Schreck, als er einen jungen Mann bewusstlos auf dem Boden liegen sah. Blut floss aus einer hässlichen Wunde auf seiner Stirn und das unregelmäßige Heben und Senken seiner Brust sagte ihm, dass seine Verletzung schwer war. Mulder wusste sofort, wer der junge Mann war.

"Cooper?" fragte er, doch bekam keine Antwort.

Mulder stellte die Laterne neben sich, zog den Mann hinter dem Trog hervor und legte ihn flach auf den Rücken. "Cooper? Cooper, kannst du mich hören?" Mulder prüfte Coopers Puls und stellte erleichtert fest, dass es relativ stabil war.

Coopers linker Arm war in einem ungewöhnlichen Winkel verdreht und eine schnelle Untersuchung zeigte, dass er definitiv gebrochen war. Mulder fand keine Anzeichen dafür, dass der junge Mann angeschossen war, doch die Tatsache, dass er nicht bei Bewusstsein war, machte ihm Sorgen.

Nirgendwo war eine Spur von Scully zu sehen. Er wollte Cooper nicht allein lassen, doch Mulder wusste, dass er keine andere Wahl hatte. Rasch zog er seine Jacke aus und legte sie über den Verletzten. Er hob wieder die Laterne auf und ging mit erhobener Waffe in den Tunnel, der von dem breiten Gang abzweigte, auf dem er sich befand.

 

 

Es war fast stockduster in dem Tunnel und Christophe verfluchte sich dafür, nicht an die Taschenlampe aus dem Wagen gedacht zu haben. Er war bis ans Ende gelangt und stand nun absolut still und strengte sich an, etwas in der Tiefe der Höhle auszumachen.

Als sich seine Augen langsam anpassten, konnte er schwach die Umrisse einer Holzbrücke erkennen, die etwa drei Meter von ihm aus begann und die über eine, wie es aussah, Schlucht zu einem weiteren Tunnel auf der anderen Seite führte. Als er länger hinsah, erkannte er, dass das Gerüst eher einem Laufsteg glich als einer Brücke. Ohne Licht konnte Christophe unmöglich sehen, was die Brücke über der gähnenden Leere festhielt. Doch darüber machte er sich jetzt weniger Sorgen, weil er gerade erspäht hatte, wonach er gesucht hatte.

Das Mädchen stand auf der rechteckigen Plattform, ihre Hände fest um das Geländer geklammert, die entlang des Laufsteges und der Plattform am anderen Ende führte. Sie hatte ihren Kopf zur Seite gelegt, und Christophe hatte keinen Zweifel daran, dass sie ihn gehört hatte und jetzt darauf wartete, was er als nächstes tun würde.

Christophe lächelte dunkel. "Dana Scully. Endlich lernen wir uns kennen."

Ihr Kopf schnellte hoch beim Klang seiner Stimme. Er konnte ihr Gesicht von der Position in der er stand nicht sehen, doch er konnte ihre Panik riechen. "Wer sind Sie?" fragte sie mit überraschend fester Stimme.

"Sie können mich gerne Christophe nennen", antwortete er und erfreute sich an ihrer wachsenden Angst. "Solange ich Sie Dana nennen kann."

Sie antwortete nicht, doch er sah, wie sich ihre Finger enger um das Geländer legten.

Mit der Waffe in der Hand trat Christophe auf die ersten Latten des Steges, die unter seinem Gewicht knackten. Vorsichtig näherte er sich ihr.

Das Knacken des Stegs erschreckte sie und Christophe sah, wie sie einige Schritte von ihm wich. "Bleiben Sie mir vom Leib", warnte sie ihn. Ihr Trotz brachte Christophe zum Lachen.

"Den Wunsch kann ich Ihnen leider nicht erfüllen", sagte er, als er den halben Weg bereits hinter sich hatte. "Sie haben mich auf eine lustige Gänsejagd geschickt, Dana, aber ich fürchte, die ist jetzt vorbei."

"Bleiben Sie weg!"

Er war jetzt nahe genug dran, um sie besser zu sehen, nahe genug, um sie zittern zu sehen, als sie sein unaufhaltsames Näherkommen hörte. Ein Gefühl des Sieges überkam ihn beim Anblick ihrer Angst.

Das Geräusch von rennenden Schritten erreichte seine Ohren eine Sekunde bevor gelbes Licht die Mine erhellte. "Bleiben Sie weg von ihr!" schrie eine Stimme. Christophe drehte den Kopf und sah Mulder am Eingang des Tunnels stehen, eine Lampe in einer Hand und in der anderen eine Waffe, die genau auf seinen Kopf gerichtet war.

Der Triumph, den Christophe schon sicher geglaubt hatte, schwang in Ärgernis um, als er seinen Widersacher anstarrte. Er hatte noch genug Verstand bei sich, um seine Waffe auf das Mädchen gerichtet zu halten, und diese Tatsache gab ihm Zuversicht. Er wusste, dass es Mulder aus Angst um ihre Sicherheit nicht wagen würde, von seiner Waffe Gebrauch zu machen.

"Es ist vorbei", sagte Christophe. "Lassen Sie die Waffe fallen, oder ich schieße."

Für einen Moment zögerte Mulder und Christophe dachte schon, es würde so einfach sein. Doch dann schüttelte Mulder den Kopf. "Sie werden nicht schießen", sagte Mulder. "Aber ich."

 

 

Scully klammerte sich an das Geländer und hörte dem Wortwechsel zu, der sich in ihrer unmittelbaren Nähe zutrug. Die unglaubliche Erleichterung, die sie beim Klang von Mulders Stimme empfunden hatte, hatte jedoch nichts von ihrer Todesangst verringert. Sie hatte keinen Zweifel daran, dass Christophes Waffe auf sie gerichtet war, und sie wusste, dass es sehr wahrscheinlich war, dass er sein Versprechen halten und sie umbringen würde.

"Versuchen Sie es ruhig", bot Christophe an. "Aber ich bin viel näher an ihr dran als Sie an mir, was heißt, dass Sie keine große Chance haben, mich aufzuhalten."

Scully wusste, dass Mulder darüber nachdachte, was Christophe gesagt hatte.  Sie wollte nicht, dass er seine Waffe weg legte und sich so in einem schwachen Versuch, sie zu schützen, zu einem perfekten Ziel machen würde.  Ihre Angst um Mulder ließ plötzlich alles andere unwichtig erscheinen. "Wir geben Ihnen die Diskette", rief sie, "solange Sie uns zufrieden lassen."

"Leider, Dana, ist die Diskette nur eins von den Dingen, die ich mitnehmen möchte", sagte Christophe und seine Worte hallten klar von den Wänden der Höhle wider. "Es gibt da einige Leute, die noch nicht ganz fertig mit Ihnen sind. Leute, die wollen, dass ich Sie zu ihnen zurück bringe."

"Sie Schwein." Es war Mulders Stimme, angefüllt mit unendlichem Hass. "Sie haben mich glauben lassen, dass sie nichts damit zu tun hat."

"Ganz im Gegenteil", widersprach Christophe. "Ich habe Ihnen gesagt, dass *ich* keinerlei Interesse an ihr habe. Ich nicht—ich will nur, dass Sie für den Tod einer meiner besten Männer bezahlen. Die Tatsache, dass ich einen Deal habe, sie an jemand anderes zu übergeben, spielt hier keine Rolle."

Scully hörte Christophes Worte kaum. Alles, woran sie denken konnte war, dass Mulders Leben in Gefahr war. Er hatte den Mann in New Orleans umgebracht um sie zu retten, und sie wollte um keinen Preis, dass er dafür leiden musste. Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern rief sie, "Ich mache Ihnen einen Vorschlag."

"Scully, nicht", unterbrach Mulder sie, doch sie ignorierte ihn.

"Sie wollen mich zurückbringen?" fragte sie. "In Ordnung, das können Sie— ich komme freiwillig mit. Unter einer Bedingung. Sie lassen ihn gehen und vergessen Ihre verdammte Rache."

 

 

"Nie im Leben", rief Mulder laut, doch Christophe konnte sehen, wie die Waffe in seiner Hand zitterte. "Machen Sie mit mir was Sie wollen, aber lassen Sie sie in Ruhe. Sie geht nicht wieder zurück."

Christophe scherte sich einen Dreck um seinen waghalsigen Mut und dachte kurz über ihr Angebot nach. Er hatte nicht im Geringsten vor, seinen Teil des Geschäftes einzuhalten, denn es hielt ihn nichts davon ab, Mulder später umzubringen. Und die Tatsache, dass sie freiwillig mit ihm kommen würde, würde den Auftrag von dem Mann sicherlich ein ganzes Stück einfacher machen.

"Der Deal steht, Dana", sagte er. "Ihr Leben für seins."

 

 

Scully trat einen Schritt auf Christophe zu. Es war ein kleiner, zögerlicher Schritt, doch er ließ jede Zelle in Mulders Körper zu Eis erfrieren. Christophe drehte sich wieder zu ihr und beobachtete sie mit einem hämischem Grinsen auf seinem kalten, harten Gesicht. Mulder wusste, dass es jetzt oder nie war.

Mulder zog ab und feuerte einmal. Der Schuss war abscheulich laut in der relativen Stille der Mine. Scully schrie und fiel auf der Plattform auf die Knie.

Der Schuss ging ins Leere und Christophe wirbelte herum und hob seine eigene Waffe. Ohne zu zögern schoss Mulder ein weiteres Mal. Volltreffer. Christophe schrie auf und ließ seine Waffe fallen, als seine Muskeln erschlafften und er gegen das Geländer taumelte. Das alte Holz knackte unter seinem Gewicht und das Geländer brach unter ihm weg. Christophe stürzte und riss einen Teil des Steges mit sich. Ein unmenschliches Heulen hallte durch die Mine, als er in die Tiefe fiel, immer schwächer werdend, bis es abrupt abriss und keinen Zweifel an seinem Schicksal übrig ließ.

Seine Augen auf Christophes Sturz gerichtet hörte Mulder Scullys Schrei. Er wirbelte herum und starrte kreidebleich vor Schreck auf die Stelle, auf der sie vor einigen Sekunden noch gestanden hatte. Die Plattform, die Scully gehalten hatte, war weg, einfach verschwunden, als ob sie nie da gewesen war. Mulder starrte in gähnende Leere. In dem Buchteil einer Sekunde erkannte Mulder, dass Christophes Fall die ganze Plattform aus ihren Ankern gerissen hatte.

"Scully!" schrie er zu Tode erschrocken. "SCULLY!"

"Mulder!" Ihre Stimme erreichte seine Ohren aus einer viel zu weiten Entfernung. "Mulder!! HILFE!!"

Mulder konnte die Panik in ihrer Stimme hören, und er kämpfte gegen seine eigene an, um sie zu beruhigen. "Ich komme, Scully, ich komme!"

So schnell er konnte, sich der steinalten Holzlatten bewusst, tastete sich Mulder vorsichtig über den übrig gebliebenen Steg vorwärts. Als er sich der Stelle näherte, an der die Plattform befestigt gewesen war, hockte er sich hin und hielt sich an der Eisenstange fest, als er sich über den Rand lehnte. Und dann blieb sein Herz stehen.

Die zusammengefallene Plattform war halbwegs den Schacht herunter gefallen und hing jetzt in einen bedenklichen Winkel wackelnd zwischen zwei herausragenden Felsstücken. Das höhere Ende der Plattform hing gute zehn Meter unter ihm, das untere Ende noch mal drei Meter tiefer.

Scully klammerte sich mit beiden Händen an das untere Ende mit einer Intensität, die das Weiße in ihren Knöcheln hervor stehen ließ. Ihre Beine traten unter ihr ins Leere. Der dunkle Felsen stahl das meiste Licht, das von oben einfiel, und hüllte ihren kleinen Körper in einen einzigen Schatten und machte es unmöglich für Mulder, ihr Gesicht zu sehen. Doch er hatte keine Probleme, ihre Schreie zu hören.

"Mulder!!!  Mulder!!!  HILFE!!!"

"Ich bin hier, Scully", rief er und versuchte, die Entfernung abzuschätzen.

"Halt durch, halt dich fest—"

"Mulder!!!" Scully trat wie wild mit den Beinen, um irgendwie besseren Halt zu bekommen. Doch ihre Versuche hatten nur zur Folge, dass die Plattform weiter aus ihren Angeln gerissen wurde. Mulder wurde schlecht als er sah, wie die Plattform weitere drei Meter in die Tiefe rutschte und wieder an einem Vorsprung hängen blieb, dieses Mal in einem noch schrägeren Winkel.

Scullys Schreie verliefen sich in panischem Wimmern, das Mulder durch das Echo im Schacht hundertmal verstärkt hörte.

Mulder zwang sich zu einer Ruhe, die er nicht besaß und rief zu ihr mit der festesten Stimme, die er zustande brachte. "Scully!! Beweg dich nicht!! Die Plattform ist nicht stabil... du musst still halten, hörst du, halt aus, halt dich fest nur noch ein kleines Bisschen—"

Es gab niemanden, der helfen konnte. Mulder hatte auch keine Zeit, jemanden zu finden—er bezweifelte, dass sie so lange durchhalten konnte. Wieder waren sie auf sich allein gestellt.

"Mulder, hilf mir, bitte, BITTE..."

Sie war viel zu weit unten in dem Schacht. Die Wände waren zu feucht, die Vorsprünge zu instabil, um ohne irgendeine Form von Absicherung hinunter zu klettern. Mit einer schmerzenden Klarheit wusste Mulder, dass er nur eine Chance hatte.

"Scully, hör mir zu—ich kann nicht zu dir ohne ein Seil—ich muss kurz weg und—"

"NEIN!" Ein weiterer gequälter Schrei. "Geh' nicht weg, Mulder, geh' nicht weg von mir, bitte, BITTE -"

Ihre Worte stachen wie Nadeln in sein Herz, durchbohrten ihn mit wahnsinniger Schuld und dem Gefühl, sie im Stich gelassen zu haben. Du hast das getan, du hast mir das angetan, jetzt bring es wieder in Ordnung....

Seine Angst um sie machte ihn wütend und Mulder legte all seine hilflose Rage in seine nächsten Worte. "Verdammt, Dana—wir haben jetzt keine ZEIT dafür—jetzt HÖR' mir zu!! Ich werde jetzt ein Seil holen und ich werde SOFORT wieder zurück sein und du WIRST durchhalten, bis ich wieder da bin, HÖRST du mich?!!"

Ein Schluchzen antwortete ihm.

"Dana?? Antworte mir...."

"BITTE, geh' nicht weg...."

Er zog sich bereits von dem Rand zurück und griff mit zitternden Fingern nach der Laterne. "Ich muss—vertrau' mir, okay—ich bin gleich zurück, ich verspreche es...."

Darauf antwortete sie nicht, doch er konnte sie weinen hören. Ihr Schluchzen verfolgte ihn, als er auf dem Absatz kehrt machte und zurück zum Anfang des Tunnels rannte.

 

 

Scully hing in der Luft, ihr einziger Halt an der Wirklichkeit war das dünne Holz in ihren Händen. Es war erschreckend bizarr den Raum zu definieren, in dem sie sich gerade befand, in dem ihre einzige Verbindung zum Leben das Brett war, an das sie sich verzweifelt klammerte.

Es war feucht und kalt in dem Schacht—der Gestank, den sie ertragen musste ließ keinen Zweifel daran, wo sie baumelte. Es stank nach Dreck und Schwefel und nach tausend andern Sachen, die sie gar nicht benennen wollte.  Alles, woran sie denken konnte war zu verstehen, was gerade passierte.

Allein, sie war so allein....

Sie hörte, wie Mulders Schritte in der Ferne verklangen und konnte fühlen, wie ihr Herz von Panik zerdrückt wurde. Trotz ihrer Versuche, ihren Körper ruhig zu halten, strampelten ihre Füße unter ihr in einem verzweifelten Versuch, festen Halt zu finden. Sie hörte das laute Knartzen des Brettes, an dem sie sich festhielt, als es weiter in den Abgrund rutschte.

Das scheinbar immerwährende Geräusch eines Steins, der in die weite Tiefe fiel und ununterbrochen gegen die Wände prallte auf seinem Weg zu dem endlosen Grund.

<Neinbittenichtnichtlassmichnichtfallen>

Sie nahm einen tiefen und zitternden Atemzug und zwang sich zitternd dazu, ihre Beine still zu halten. Ein Stein hatte ihre Stirn gestreift und sie konnte fühlen, wie das Blut warm ihre Wange hinunter rann.

<bittebitteMulderbeeildichbeeildichbeeildichbitte>

Ihre Arme brannten und ihre Finger kribbelten, als sie versuchte, Halt an dem Stück Holz zu bewahren, das in seiner schwachen Verankerung zu splittern schien. Der Schweiß lief ihr in Bächen das Genick herunter und tränkte mit dem salzigen Beigeschmack der Todesangst ihr Hemd.

<hilfmirbitteohhilfmirbitteGotthilfmirbitte>

Sie fühlte, wie sich ein Krampf in ihrer linken Schulter bildete und sie verlagerte ihr Gewicht ein wenig auf die andere, um den Schmerz zu lindern.  Ein Schrei entkam ihren Lippen, als sie merkte, wie das Brett noch ein weiteres Stück tiefer sank auf seinem Weg in den dunklen Schacht.

Angst. Sie hatte schreckliche Angst....

<bittebittehilfmirohGottMulderbittebitte>

Ewigkeiten.... sie war schon Ewigkeiten hier unten. Das Geräusch fallender Steine krachte in ihren Ohren, als sie von Zeit zu Zeit die Stille zerrissen. Es war so stickig hier unter der Erde. Wie ein Grab. Ihr Grab.

<ohbittebittebitteholmichhierraus>

Wieder spürte sie, wie das Brett rutschte und sie schrie den hilflosen Schrei des Untergangs.

 

 

Ende von Teil 12...

 

X-12  X-12

 

 

GETEILTE WEGE (13/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Mulder erreichte mit hämmernden Schritten den Hauptgang in weniger als einer Minute, indem er ungeachtet irgendwelcher Gefahr für ihn selbst seine eigene Spur zurückverfolgte. Halt durch, halt durch, halt durch....  die Worte echoten in seinem Kopf.

Erleichtert stellte er fest, dass er sich richtig an den Weg in der Höhle erinnert hatte, und dass er sich das Bergwerkszeug nicht nur eingebildet hatte. Allerdings bemerkte er, dass die Sachen nicht ohne Grund zurück gelassen worden sind. Die eisernen Werkzeuge waren verrostet, das Holz der Griffe verbogen und verfault. Es waren jedoch nicht die Werkzeuge, die seine Aufmerksamkeit auf sich zogen—jedes von ihnen war viel zu kurz, um von Nutzen zu sein. Das Seil lag immer noch zusammengerollt daneben, und er ging die letzten Schritte eins nach dem anderen. Die ersten beiden Stücke waren hoffnungslos ausgefranst und fielen durch bloße Berührung auseinander. Nicht zu gebrauchen. Das dritte schien stark genug zu sein, doch Mulder sah mit einem Blick, dass seine Länge nie reichen würde. Das vierte und fünfte Stück schienen beide jedoch ideal—lang genug, um etwas mit ihnen anzufangen und dazu stabil ohne irgendwelche offensichtlichen Anzeichen von Verrottung.

Mulder entschied sich für die letzten beiden Stücke und rannte zurück in den Tunnel in der Hoffnung, dass er schnell genug war, dass es nicht zu spät war.

"Scully? Dana??"

Keine Antwort. Wieder fühlte er, wie sich sein Magen umdrehte.

"Dana?? ANTWORTE MIR!!!"

Er war jetzt wieder zurück auf dem Steg, fast an der Stelle, wo die Plattform einmal gewesen war.

"DANA??? KANNST DU MICH HÖREN???"

Mulder beugte sich vor und starrte in die dunklen Tiefen. Die Plattform hatte sich mindestens weitere drei Meter nach unten verschoben und Dank des Winkels, in dem sie jetzt hing, war das untere Ende jetzt komplett in der Dunkelheit verschlungen. Trotz des Lichtes der Laterne konnte er nichts sehen, überhaupt nichts....

"DANA???"

Endlich hörte er sie. Ihre Stimme zitterte mit dem Versuch, die kurzen Worte heraus zu bekommen.

"… bin hier, Mulder...."

"Gut", rief er zurück, erleichtert über alle Maßen. Seine Hände zitterten und er atmete tief durch, um seine Nerven zu beruhigen. "Ich bin wieder da, Dana, ich habe ein Seil und ich komme jetzt runter und hole dich, okay?? Halt durch, nur noch eine Minute, dann bin ich da. Kannst du das tun??"

"Ja...." Ihre Antwort war schwach und leise, doch entschlossen und es gab ihm Hoffnung.

So schnell er es wagte band Mulder die zwei Seilstücke mit einem Doppelknoten zusammen und zog es fest. Ein Ende band er um das Verbindungsstück zur Plattform und knotete es fest, nachdem er es einige Male um das Eisen gewunden hatte. Das andere Seilende band er um seine Hüften, knotete es so eng wie möglich.

Während er das tat rief er ihr gut zu, kleine sinnlose Worte der Ermutigung, die ihnen beiden die Zuversicht geben sollten, die sie so dringend brauchten. "Es ist gar nicht so schlimm, Dana, ich bin gleich unten, wir sind im Handumdrehen hier raus, versprochen. Halt nur noch ein kleines Weilchen aus...."

Sie antwortete ihm mit einer Reihe von schwachem Stöhnen vermischt mit leisem Flehen, dass er nicht genau verstehen konnte. Er wollte nicht, dass sie ihre Kraft verbrauchte, und er sagte es ihr. "Versuch nicht, mir zu antworten, Dana—hör' mir nur zu. Hör' auf meine Stimme und halt aus, tu's für mich, okay?"

Dann, endlich, gab es nichts mehr zu überprüfen, nichts mehr zum Festbinden. Es war jetzt oder nie, und Mulder schluckte, als er am Rand des zusammengefallenen Laufstegs stand und in den dunklen Abgrund unter ihm starrte. Er stellte die Laterne so nahe wie möglich an den Rand der Schlucht in der Hoffnung, dass das schwache Licht genug sein würde, wenn er dort herunter stieg. Grimmig entschlossen, drehte er der Kluft den Rücken zu, griff das Verbindungsstück mit beiden Händen und verließ den sicheren Rand.

Die Rolle der Sicherheitsleine, die er aus den Stücken des vor Ewigkeiten zurückgelassenen Seils gebastelt hatte, baumelte unter seinen frei in der Luft hängenden Beinen, und Mulder widerstand der Versuchung sich fallen zu lassen und sich von dem Seil auffangen zu lassen. Er hatte keine Ahnung, ob es diesen Ruck aushalten würde—wenn er fallen würde und es riss, würde es das Ende für ihn und Scully bedeuten. Er musste pragmatisch handeln und das Seil als das benutzen, was es war: ein Mittel zur Sicherheit. Er musste sich stückweise den Schacht hinunter hangeln.

Vorsichtig und bedacht ließ er mit der Linken die Verbindung los und griff nach dem scharfen Vorsprung im Felsen. Er schwang seinen Körper, so dass seine Füße gegen die Felswand gestemmt waren und ließ dann mit der Rechten ebenfalls los, bis er wie eine Spinne an der Wand des Schachtes hing, das behelfsmäßige Notseil um seine Hüften die fragilste Verbindung zur Oberfläche.

"Mulder??"

"Kinderspiel", rief er zurück mit zusammengebissenen Zähnen. "Ich bin gleich da."

Er wollte nichts mehr als sein Versprechen halten und hangelte sich weiter an der steilen Wand entlang. Er fand nur wenige Griffe, die zudem noch weit auseinander lagen, und er musste seine Arme völlig ausstrecken, um es von einer stabilen Stelle zur nächsten zu schaffen. Er versuchte, mit den Füßen Halt zu finden, doch es war fast vergeblich. Zweimal verlor er den Halt und rutschte ab, wodurch sich eine Reihe von Steinen und Splittern lösten, den Schacht hinunter fielen und mit ihrem Echo dazu beitrugen, die angestrengte Stille zu zerreißen. Beim zweiten Mal verlor er komplett das Gleichgewicht.  Für einige Sekunden hing er lediglich an einem Arm und suchte verzweifelt mit dem anderen irgendetwas, woran er sich festhalten konnte. Bevor er wieder eine halbwegs stabile Position erreichen konnte, knallte er mit dem Kopf gegen einen Vorsprung. Mulder sah Sterne und fühlte warmes, nasses Blut an seiner Stirn. Vom Schmerz gestochen schrie er auf.

"Mulder!!! Bist du okay??"

"Ja, alles in Ordnung", versicherte er ihr, obwohl seine Worte nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein könnten. Sein Kopf hämmerte, seine Arme schmerzten, seine Hände waren wundgescheuert und, was noch schlimmer war, langsam ging ihm das Seil aus. Und er hatte noch nicht einmal das obere Ende der Plattform erreicht.

Wenigstens konnte er sie wieder sehen. Scullys Augen waren geschlossen, und ihr Mund stand offen, als sie sich bemühte, Luft in ihre Lungen zu pumpen. Ihre Beine hingen unter ihr wie totes Gewicht, was zeigte, dass sie es endlich geschafft hatte, ihre natürlichen Instinkte zu unterdrücken, sich mit eigener Kraft aus dem Schacht ziehen zu wollen. Er war jetzt so nahe, dass er sie atmen hören konnte, so nahe bei ihr, dass er ihren Angstschweiß riechen konnte.

Nur noch nicht nahe genug, um sie zu erreichen. Noch nicht nahe genug, um sie zu retten.

Vorsichtig kletterte Mulder tiefer, Zentimeter für Zentimeter und griff dankbar nach jedem möglichen Halt, bis er nur ein kleines Stück von ihr entfernt war. Bis ihm das Seil endgültig ausgehen würde.

Mit beiden Händen an die steinige Wand geklammert und dem Seil um seine Hüften blickte Mulder über seine Schulter zu Scully. Sie war nur noch ungefähr einen Meter von ihm weg und einen weiteren halben Meter unter ihm.  So nah, und trotzdem schien es ihm wie eine unüberwindbare Entfernung.

Mulder gab dem Seil einen Ruck in der vagen Hoffnung, dass es sich irgendwie strecken würde und ihm erlauben würde, näher an sie heran zu kommen, doch vergeblich. Okay, dachte er. Augen zu und durch.

"Ich bin jetzt hier, Dana", sagte er zu ihr. "Ich bin jetzt hier, und ich hole dich jetzt da raus, okay?"

"Ja...."

Mulder stemmte beide Füße gegen die Wand und griff mit der Linken nach dem Seil, weil es ihm besser schien, ihr seinen stärkeren Arm zu reichen. Er steckte seinen rechten Arm hinter sich aus und lehnte sich so weit herunter, wie es nur ging. Er konnte zwar nicht weit genug greifen, um sie zu erreichen, doch er könnte es vielleicht schaffen, ihre Hand zu greifen.

"Okay, Dana, wir müssen es so machen. Ich bin genau neben dir und ich bin bereit, dich hoch zu ziehen, aber du musst mir deine Hand geben."

"Welche... welche Hand?" fragte sie mit erstaunlich fester Stimme.

"Deine linke", antwortete er ohne Zögern, denn er wollte, dass sie sich mit ihrem stärkeren Arm an dem Holz festhielt. "Halte dich mit der Rechten weiter an der Plattform fest und streck deine Linke in die Richtung meiner Stimme aus, und ich greife sie. Okay?"

Scully hatte ihre Augen jetzt offen und sogar in dem schwächlichen Licht der Laterne oben konnte Mulder sehen, dass ihr Gesicht tränenverschmiert war. "Okay", sagte sie. "Jetzt?"

"Jetzt", bestätigte er.

Er konnte sehen, wie sich ihre Schultern verkrampften, konnte die leichte Drehung in ihrer Position sehen, und dann bewegte sie sich. Ihr linker Arm schwang auf ihn zu, ihre Hand streifte seine.

Und verfehlte.

 

 

Für eine Sekunde schwang sie in der schwarzen Leere. Als ihre Hand seine für den Bruchteil einer Sekunde berührte, war es, als ob sie festen Boden gefunden hätte.

Und dann war er fort, und ihre Hand griff nichts als blanke Luft.

"MULDER!" Der Schrei verließ ihren Mund hinter verschlossenen Zähen, zusammengepresst in blanker Angst. Sie hatte völlig das Gleichgewicht verloren. Verzweifelt versuchte sie, wieder Halt auf der Plattform zu gewinnen, und trat wild unter sich, hievte ihren Körper, als sie ihre linke Hand blind nach oben streckte. Ihre Finger streiften das mitgenommene Holz und sie kämpfte um einen festen Griff. Sie fand ihn, kaum, und ihre linke Hand kreiste wieder neben ihrer rechten. Sie schrie abermals als das Brett zu rutschen begann.

Das krachende Echo von fallenden Steinen füllte ihre Ohren....

"DANA!! HALT AUS!!"

Sie konnte den Horror in Mulders Stimme hören und alles, woran sie denken konnte war Lieber Gott, es muss schlimmer sein, als ich dachte, es muss viel schlimmer sein, ich werde sterben, ich werde hier und heute sterben....

Doch so plötzlich das Rutschen begann, so schnell hörte es auch wieder auf, denn das Brett hatte sich wieder irgendwie in der Wand verhackt. In der relativen Stille des Schocks war Scully immer noch betäubt von dem Donnern in ihren Ohren, und sie brauchte einen Moment, um sich auf Mulders Worte zu konzentrieren.

"Dana?? Dana, wir müssen es noch einmal versuchen, okay? Wir haben—wir haben nicht mehr viel Zeit."

Er klang so weit weg, viel weiter als zuvor, und Scullys Herz sank. Wenn es vorher nicht geklappt hatte, war es unmöglich, dass es jetzt gelingen würde.  "Mulder", stöhnte sie, "Ich kann nicht... ich kann nicht mehr."

"Doch, du kannst. Ich weiß, dass du es kannst", ermutigte er sie. "Du musst nur nach mir greifen und—"

"NEIN!" Die Furcht, die sie während dieser unsicheren Momente befallen hatte, in denen sie an einer Hand über dem todbringenden Schacht gehangen hatte, drohte, sie vollends zu lähmen. "Ich kann nicht, ich kann nicht wieder loslassen Mulder, wenn ich loslasse falle ich, ich falle, ich kann es nicht—"

Mulders Stimme erreicht sie, ruhig und fest. "Du wirst nicht fallen, Dana, ich verspreche dir, ich werde dich nicht fallen lassen. Du kannst es—wir stehen das zusammen durch."

"Nein, Mulder, nein nein nein—ich kann nicht..."

"Du musst mir vertrauen, Dana", beschwor er sie und seine Worte hielten ihre Panik etwas zurück. "Du vertraust mir, richtig?"

Er wusste, dass sie es tat; er musste nicht fragen, doch Scully wusste, was er beabsichtigte. Er versuchte, sie daran zu erinnern, dass sie trotz allem Partner waren, ein Team im wahrsten Sinne des Wortes. Sie konnte ihm mit ihrem Leben vertrauen, und sie konnte ihm mit ihrer Furcht vertrauen."

"Ich habe Angst, Mulder..."

"Ich habe auch Angst." Er schwieg kurz und sagte dann, "Aber wir können das. Greif' hinter dich und greif' nach oben und ich werde dich fassen. Auf drei gibst du mir deine Hand, okay?"

"Okay", sagte Scully und atmete tief durch, als sie auf sein Kommando wartete.

"Eins... zwei... drei!"

Angetrieben durch die Kraft in seinen Worten verlagerte Scully ihr Gewicht wieder auf ihren rechten Arm und schwang ihren linken hinter sich und streckte sich hoffend so weit es ging nach oben in die dunkle Leere des Raumes, die sie umhüllte.

Scully fühlte wie Mulders Finger ihre Handfläche streiften, in der kürzesten Berührung, dann war er fort und ihr Herz brach mit dem brennenden Stich des Versagens.

Und dann fühlte sie, wie sich seine Hand mit angsteinjagendem Druck um ihr Handgelenk schloss und sie hart nach oben riss, so dass sie ihren wertvollen Halt an der Plattform verlor. Ihre rechte Hand rutschte von der splitterigen Oberfläche weg und ihr Körper folgte in einem quälenden Moment des freien Falles, nur aufgehalten durch den fast unerträglichen Druck an ihrem Handgelenk. Es fühlte sich an, als ob ihr Arm geradewegs aus dem Gelenk gerissen wurde. Wieder entkam ihr ein Wimmern und Scully erkannte, dass das einzige, was sie davon abhielt zum Grund des Schachtes zu fallen, Mulders stahlharter Griff war.

Doch das war nur ein schwacher Trost als sie fühlte, wie sie weiterhin richtungslos in dem leeren Raum schwang und ihr Wimmern eskalierte in einem markerschütternden Schmerzensschrei, als sie gegen die steinharte Wand knallte. Sie hörte Mulders Schrei und fühlte seinen Griff an ihrem Handgelenk enger als je zuvor.

Und dann verschlang das Geräusch sie völlig, ein ununterbrochenes Krachen und Hämmern, das alles ausbot, das sie bis jetzt gehört hatte; eine polternde Reihenfolge vom Krachen knallender Steine.

"HALT DICH FEST!" hörte sie Mulder schreien. Wie versteinert versuchte Scully, genau das zu tun.

 

 

Mulder sah mit von Schreck aufgerissenen Augen, wie sich die Plattform völlig aus ihrer Halterung löste und in Millionen Stücke zerbrach, als sie unaufhaltsam und mit rasender Geschwindigkeit herunter stürzte. Der Lärm war ohrenbetäubend und echote in dem Schacht mit Dolby Surround Qualität.

Er hatte die größte Mühe sich überhaupt festzuhalten, denn sein letzter Versuch, Scullys Hand zu greifen hatte darin resultiert, dass er sowohl mit den Händen als auch mit den Füßen den Halt verloren hatte. Seine Handflächen waren von dem Seil aufgescheuert, das bereits von seinem Blut getränkt war und glitschig wurde und mit verzweifelter Entschlossenheit hielt er sie mit der einen fest und kämpfte mit der anderen gegen das Seil an. Durch die Schwerkraft schwangen sie beide haltlos in freiem Raum und nichts hielt ihre Körper davon ab, gegen die Wand des Schachtes zu knallen. Zweimal war es schon passiert und Mulder litt mehr unter Scullys Angstschreien als von dem Schmerz des Aufpralls.

"Ich habe dich, Dana, ich habe dich", bemühte sich Mulder ihr zuzurufen. Er hatte sie, soviel stimmte, doch sein Griff war nicht besonders sicher und der Winkel, in dem sie hing, verlieh ihrem zierlichen Körper mehr als nur ein paar zusätzliche Pfund.

Als sie von ihrem dritten Knall wieder in den freien Raum schwangen, positionierte Mulder seinen Körper so, dass der Arm mit dem er das Seil hielt, direkt gegen die Wand schlug, und er beide Füße wieder gegen die sie stemmen konnte.

Er hörte Scullys Stöhnen, leises abgehacktes Schluchzen des Schmerzes.

"Bist du verletzt?" rief er.

"Nein..."

"Dana, hör' mir zu. Ich werde uns beide hoch ziehen und uns hier raus bringen, aber du musst erst einen besseren Halt finden." Mulder holte tief Atem und zwang sich dazu weiter zu sprechen. "Ich werde dich hoch heben und ich möchte, dass du mit deiner freien Hand nach oben greifst und dich an meinem Hals fest hältst, so dass ich dich tragen kann."

"Huckepack", antwortete sie mit schwacher Stimme.

"Ganz genau", sagte er, erleichtert, dass sie verstand, was er meinte.

"Fertig?"

"Ja."

Mulder nahm all seine Kräfte zusammen und zog die Frau, die er liebte, so hoch wie er nur konnte. Er fühlte, wie ihre Hand an seiner Hüfte tastete, dann an seinem Rücken und dann an seiner Schulter. Er ächzte, um sie noch höher zu heben, um ihr die Möglichkeit zu geben, ihren Arm um ihn zu legen.  Endlich klappte es und sie umschlang seinen Hals fast eng genug, um ihm die Luft zu rauben, und er krächzte, um zu sprechen. "Leg deine Beine... um meine Hüften..."

 

 

Scully bemühte sich, das zu tun und kletterte auf den Mann, den sie liebte, wie auf ein Turngerät. Endlich schaffte sie es, klammerte sich mit ihren Beinen an seine Hüften und kreuzte ihre Fußgelenke vor ihm, um besser die Balance halten zu können. Sie fühlte, wie er seinen steinharten Griff um ihr Handgelenk löste und sie legte ihren Arm an seinen Hals, wo sie sich jetzt mit beiden Armen festhalten konnte.

Als Scully ihr Gesicht gegen seinen Rücken presste dachte sie, dass sie nie in ihrem ganzen Leben etwas so Gutes gerochen hatte wie seinen Schweiß. "Okay", flüsterte sie. "Tue ich dir weh?"

"Nein, es geht", erwiderte er, doch die Erschöpfung in seiner Stimme widersprach seinen Worten. "Halt dich fest, Dana, wir haben's gleich geschafft."

Scully spürte, wie seine Arme begannen, sie nach oben zu ziehen, und sie fühlte die Muskeln in seinem Rücken arbeiten, als er versuchte, sie aus diesem feuchten Loch zu hieven. Sie hatte keine Ahnung, wie weit es bis zur Oberfläche war, und Mulders quälendes Keuchen mithören zu müssen, als er sich vorwärts kämpfte, ließ sie tausend Tode sterben. Verzweifelt klammerte sie sich an ihn und betete, dass er die Kraft finden würde, sie beide zu retten.

 

 

Mulder kämpfte und hangelte sich, eine Hand über der anderen, langsam das Seil hinauf. Mit den Füßen stützte er sich ab, und bewegte sich krabbenartig an der Wand empor, während er bei jedem Tritt Steine aus der Wand löste. Scullys Atem war warm in seinem Nacken und er konzentrierte sich auf den staccatoartigen, ungleichmäßigen Rhythmus, jeder ihrer Atemzüge wirkte wie ein weiteres Stück Ermutigung, um ihn weiter und weiter zu puschen.

"Fast da", murmelte er, obwohl das gehörig übertrieben war. Sie hatten erst die Hälfte der Strecke hinter sich und Mulder begann sich insgeheim zu fragen, ob er es schaffen würde. Seine Handflächen waren wund und aufgescheuert vom ständigen Reiben gegen das Seil, und der Schmerz schoss ihm wie Feuer durch die Hände, durch die Arme und schüttelte seinen Körper.

Scully sagte kein Wort, aber ihr Herzschlag an seinem Rücken gab ihm die Sicherheit, die er brauchte. Du schaffst das, Mulder, sagte er zu sich. Nur noch ein Bisschen, nur noch ein kleines Bisschen....

 

 

 

Der Schweiß strömte Mulder nun aus den Poren. Sein Hemd war völlig durchnässt und die Nässe drang nun auch durch ihres. "Mulder...." sie flüsterte seinen Namen, sie wollte ihm Kraft geben, doch sie wusste nicht, was sie sagen sollte.

"Nur noch… ein... kleines Stück... weiter..." stöhnte er und Scully kämpfte, um sich an ihm festzuhalten. Sie war müde, doch sie wusste, dass es für ihn tausendmal schlimmer sein musste. Sie betete zu Gott, dass seine Bemühungen nicht umsonst waren.

Scully glaubte schon, dass das Delirium eingesetzt hatte, als sie Rufe hörte. Stimmen, die von weiter Ferne her hallten, doch anstatt leiser zu werden, wurden sie immer lauter. "Mulder", sagte sie, "ich glaube, es kommt jemand..."

"Lisa?? Rick?? Seid ihr da drin??"

Mulder stöhnte und Scully erkannte augenblicklich, dass er nicht die Kraft hatte, um zu antworten. Sie schluckte, um das kratzige, trockene Gefühl in ihrem Hals loszuwerden und rief so laut sie konnte.

"HILFE!! WIR SIND HIER UNTEN!! BITTE, HILFE!!"

Die Rufe wurden lauter und Scully antwortete jedes Mal. Eine Welle von Erleichterung überkam sie als sie hörte, wie sich Schritte näherten.

"Oh mein GOTT!!" Es war Rebeccas Stimme, die aufschrie, gefolgt von Elliots. "Haltet durch, Leute, haltet aus, wir ziehen euch da raus."

Dann verzerrten sich die Stimmen und Elliots vermischte sich mit Lisas und Coopers in aufgeregtem Wortwechsel, dann rief Elliot wieder.

"Rick, wir ziehen euch von hier aus raus, okay? Auf drei, dann ziehen wir."

Mulder versuchte seine Zustimmung zu antworten, doch Scully bezweifelte, dass sie das Krächzen hören konnten, das seinen Hals verließ. "Okay", rief sie stattdessen. "Wir sind fertig."

"Eins, zwei, drei!"

Scully fühlte, wie sie mit einem solchen Ruck nach oben bewegt wurden, dass sie ein wenig schwankte, und ihren Griff um Mulders Schultern enger fassen musste. Sie spürte, wie sich sein Körper unter ihr bewegte, wie seine Beine gegen die Wand traten und seine Arme ununterbrochen ein Seilstück nach dem nächsten griff, angetrieben durch die Aufwärtsbewegung des Seils. Sie kamen jetzt viel schneller voran, und Scully hielt den Atem an in der Hoffnung, dass ihre Gebete erhört wurden.

Einige Rucke später, fühlte Scully Hände an ihren Schultern, die unter ihre Achseln griffen und sie von Mulder weg hoben. "Ich habe dich, Lisa, ich habe dich, komm schon...." Es war Elliots Stimme, beruhigend, ermutigend.  Scully entspannte sich in seinem Griff und ließ sich von ihm hochziehen. Im nächsten Moment spürte sie die schockierende Stabilität festen Bodens unter sich und fiel auf die Knie, nur von den Armen gestützt, die sie hielten.

Nach Atmen ringend ließ sich Scully zu Boden sinken. Beruhigende Worte erreichten ihre Ohren, und sie merkte wie durch einen Schleier, dass es Rebecca war, die sie in den Armen hielt. "Es ist okay, Lisa, es ist alles in Ordnung..."

Hinter ihr konnte Scully Elliot und Cooper ächzen und stöhnen hören, wie sie Mulder bei seinem Alias riefen und ihn auf die Oberfläche zerrten. Es fühlte sich so gut an, wieder auf festem Boden zu sein und Rebeccas Arme um sich zu haben. Doch es waren nicht die Arme, nach denen sie sich sehnte und Scully wusste, dass sie sich nie wirklich sicher fühlen konnte, bis sie wusste, dass Mulder unverletzt war.

 

 

Rebecca hielt Lisa so fest sie konnte und sah zu, wie Elliot und Cooper Rick aus dem Schacht zogen. Coopers linker Arm hing schlapp an seiner Seite und sie konnte sehen, wie er die Zähne zusammenbiss und gegen den stechenden Schmerz ankämpfte, als er Elliot mit seinem rechten Arm half und mit aller Kraft zog.

 

Sie holten ihn raus und Rick fiel nach Atem ringend auf die Knie. Elliot bemühte sich, den Knoten um Ricks Hüften zu lösen und war kaum fertig, als er ihn zur Seite schob und seine vor Erschöpfung zitternden Armen nach Lisa ausstreckte. Rebecca ließ von Lisa ab und Rick schlang seine Arme um sie.

Ein lautes Schluchzen entkam Lisa, als sie ihr Gesicht in Ricks Brust vergrub, die Arme um ihn schlang und ihn fest an sich heranzog. Er legte ihren Kopf an seinen Hals, wiegte sie sanft und murmelte leise, beschwichtigende Worte zu ihr. Was er sagte war kaum zu verstehen, doch Rebecca war sich ziemlich sicher, dass der Name, den er murmelte nicht 'Lisa' war, obwohl er ziemlich ähnlich klang.

Rebecca fühlte sich geradezu fehl am Platz, als sie die beiden zusammen sah. Es war, als ob sie in ihrer eigenen Welt versunken wären, völlig von allem und jedem abgeschnitten. Sie war zutiefst berührt von der Innigkeit ihrer Verbindung zueinander. Als ob er spürte, was sie empfand, nahm Elliot ihre Hand und drückte sie mitfühlend.

 

 

Es war Coopers Grunzen, das sie wieder zurück in die Wirklichkeit brachte und sie ihre Augen von dem wieder vereinten Paar riss. "Elliot", flüsterte sie, "wir müssen Coop zu einem Arzt bringen."

"Ich bin okay", murmelte Cooper, der es mitbekommen hatte, doch Elliot ging nicht darauf ein.

"Beck hat Recht", sagte er. Er beugte sich nach vorne und tippte Rick auf die Schulter. "Rick, lass uns von hier verschwinden."

Rebecca sah Ricks antwortendes Nicken. Mit seiner blutverschmierten Hand strich er Lisa eine Haarsträhne aus dem Gesicht und flüsterte etwas in ihr Ohr, worauf er ihr auf die Füße half. Rebecca tat es ihm nach und nahm Cooper bei seinem gesunden Arm und folgte Elliot, der sie aus der Mine heraus führte.

 

 

Ende von Teil 13...

 

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GETEILTE WEGE (14/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Als er fertig geduscht hatte, ging Mulder in die Küche, wo er Rebecca vorfand, die damit beschäftigt war, einen Salat zu machen.

"Hey", grüßte er.

"Wie geht es dir?" fragte sie und unterbrach sich beim Schneiden einer Gurke, um ihn anzusehen.

"Gut", erwiderte Mulder. "Besser, jetzt, wo ich mich frisch machen konnte." Und es stimmte—gewaschen, rasiert und in frischen Klamotten fühlte er sich mehr wie er selbst wie schon in einer ganzen Weile nicht mehr. Er hörte die Dusche im anderen Badezimmer und seine Stimmung hob sich, weil er wusste, dass es seine Scully war, die dort rumorte.

"Super", antwortete Rebecca und warf einen Blick auf seine Hände. Ohne es zu wissen presste Mulder seine Handflächen aneinander. Trotz bester Versuche, sie in der Dusche sauber zu bekommen, waren sie immer noch rot und schmerzten.

"Okay", berichtigte er sich, "vielleicht nicht ganz so gut. Meine Hände sind immer noch ziemlich wund."

Rebecca nickte und legte dann das Messer beiseite, mit dem sie das Gemüse geschnitten hatte. "Warte eine Sekunde", sagte sie zu ihm. "Vielleicht kann ich da helfen."

Sie verschwand in der Tür. Mulder ließ sich auf einen Stuhl fallen und stützte die Ellbogen auf den Tisch. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass Elliot und Cooper bald wieder vom Krankenhaus zurück sein würden, wo Coopers gebrochener Arm verarztet wurde, den er sich bei seinem Kampf mit Christophe geholt hatte.

Christophe.... Mulder atmete tief durch vor Erleichterung bei dem Gedanken, dass er ihnen nicht mehr zusetzen würde. Genauso wenig wie die Jungs aus seinem Gefolge. Nachdem sie zurück zum Haus gegangen waren, war Mulder noch einmal kurz zurück zur Mine gegangen, um die Diskette zu holen. Er hatte Larrys toten Körper in den Schacht Christophe hinterher geworfen. Ein kleiner Teil von ihm bedauerte fast, dass die Dinge so gekommen waren, wie sie gekommen waren, doch Mulder wusste, dass er keine andere Wahl gehabt hatte. Es gab nichts, was er nicht tun würde, um Scully zu beschützen oder die Menschen, die ihr in seiner Abwesenheit geholfen hatten. Nichts.

Rebecca kehrte zurück mit einem kleinen Erste-Hilfe-Koffer. "Er ist ziemlich alt", sagte sie, "aber ich denke, dass da ein paar brauchbare Sachen drin sind."

Sie öffnete den Koffer und holte eine Salbe und eine Verbandsrolle hervor. Sie drückte ein wenig aus der Tube in seine Hand und rieb die Salbe vorsichtig auf, worauf sie sie seine Hand verband. "Besser?" fragte sie.

Mulder nickte und sah zu, wie sie ihn verarztete. Sie war eine hübsche Frau, dachte er, intelligent, stark und sehr zu vielem fähig. "Elliot kann von Glück reden, dass er dich hat", sagte er und meinte es ernst.

"Glaubst du?" Sie lächelte ihn für einen Moment an, dann wurde sie wieder ernst. "Rick? Ist es—ist es vorbei? Glaubst du, dass sie wieder zurück kommen?"

"Mach dir keine Sorgen", versicherte er ihr. "Sie kommen nicht wieder zurück."

Mulder sagte es laut und zuversichtlich und er war sich für den Moment sicher, dass es stimmte. Er sah die Erleichterung auf ihrem Gesicht und wünschte sich, dass er genauso empfinden könnte, dass er auch sicher sein könnte, dass alle Gefahren hinter ihnen lagen.

Doch als er an Christophes Worte über Scully dachte, fürchtete Mulder, dass er sich dessen nie wieder sicher sein könnte.

Beim Geräusch von Schritten auf dem Holzboden sah Mulder auf und grinste, als er Scully die Küche betreten sah. Sie hatte ein Flanellhemd und Jeans an und ihre Haare waren immer noch feucht von der Dusche. "Hey", sagte sie. "Was ist los?"

"Gar nichts", sagte Mulder und wartete, bis Rebecca seine andere Hand fertig verbunden hatte, bevor er von seinem Stuhl aufstand. Mit wenigen Schritten war er neben ihr und nahm sie in die Arme. "Ich habe nur gewartet, bis du aus der Dusche kommst."

"Soll das heißen, dass ich langsam bin?" neckte Scully ihn, und er lachte leise. "Nein", sagte er. "Es soll heißen, dass ich mich darauf gefreut habe, wenn du fertig bist."

 

 

Mulders Worte brachten ein Lächeln auf ihr Gesicht und sie ließ sich von ihm zu einem Stuhl führen. Sie ließ sich darauf fallen und war unglaublich erleichtert, wieder hier mit Mulder zurück im Haus zu sein—sicher und am Leben. "Sind die Jungs schon zurück?" fragte sie.

"Nein", antwortete Rebecca. "Aber sie sollten jede Minute da sein. Elliot hat angerufen, als du in der Dusche warst—sie bringen Pizza mit."

"Hört sich gut an", bemerkte Mulder und Scully stimmte zu. Sie fühlte, wie Mulder ihre Hand nahm und umschloss seine Finger. Wieder kam sie sich wie ein liebeskranker Teenager vor, doch sie war viel zu glücklich, um verlegen darüber zu sein.

Scully hörte, wie Rebecca aufstand und zurück in die Küche ging und sie beide allein ließ. Sie beugte sich zu Mulder und fragte mit gedämpfter Stimme, "Was sollen wir jetzt machen?"

"Wir sollen von hier weg", antwortete er. "Wir haben sie schon in genug Probleme verwickelt."

"Du hast Recht", stimmte sie ihm zu, doch irgendwie wollte sie nicht so schnell gehen. Sie war erschöpft, und im Moment konnte sie sich nichts Schöneres vorstellen als ein paar Stunden Schlaf. Doch wenn man all das in Betracht zog, was passiert war, wusste sie, dass Mulders Vorschlag das Beste war—es wäre besser, sich auf der Stelle zu verabschieden, bevor nicht noch etwas Unerwartetes passierte.

Draußen hörte Scully Tuckers unverwechselbares Bellen, und einen Moment später hörte sie wie er über den Holzboden an ihnen vorbei lief. "Ich glaube, die Jungs sind wieder zurück", sagte sie und ihre Vermutung bestätigte sich, als sich die Küchentür mit lautem Quietschen öffnete.

"Wir sind wieder da und wir haben etwas für euch!" hörte Scully Elliot rufen. Sie lächelte und stand auf, ihre Hand immer noch in Mulders.

"Hallo zusammen", begrüßte sie sie lächelnd. "Cooper? Wie fühlst du dich?"

"Gut", kam die Antwort und einen Moment später fühlte Scully Coopers Hand auf ihrer Schulter. "Du weißt, wenn man sich den Arm bricht, wird man mit allerlei Zeugs vollgestopft. Ich kann es nur empfehlen."

"Ja, das würdest du", sagte Rebecca, als sie in die Küche kam, Elliot einen Kuss auf die Wange drückte und ihm den Pizzakarton abnahm, den er mitgebracht hatte.

Cooper ignorierte ihren Sarkasmus und wandte seine Aufmerksamkeit Lisa zu, die neben ihm stand. Sie sah sehr glücklich aus und irgendwie machte es überhaupt nichts aus, dass ihr Blick nur knapp sein Gesicht verfehlte. "Wie fühlst *du* dich?" fragte er und bemerkte, wie Rick ihre Hand hielt.

"Gut", sagte sie. "Aber ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Coop."

"Ach, es braucht mehr als einen gebrochenen Arm, um mich aus der Bahn zu werfen", sagte er, obwohl ihm sein Arm unter dem Gips höllisch weh tat. Aus irgendeinem Grund wurde er das Gefühl nicht los, dass Rick ihn mit Adleraugen beobachtete. Ach, was soll's, dachte Cooper und beugte sich vor, um Lisa mit seinem gesunden Arm zu umarmen.

Sie ließ Ricks Hand los, legte ihre Arme um seine Hüften und für einen kurzen Moment war Cooper der glücklichste Mann der Welt.

"Danke, Coop", flüsterte Lisa und legte ihren Kopf an seine Schulter. "Danke für alles."

"Jederzeit", antwortete Cooper. Er löste sich von ihr und sah sie an. Er wusste, dass er ihr liebliches Gesicht nicht vergessen würde, solange er lebte.

Dann drehte er sich zu Rebecca und Elliot und verkündete, "Ich glaube, wir sollten lieber essen, bevor es kalt wird."

 

 

Es war schon spät und Cooper war bereits mit ein paar weiteren Schmerztabletten im Leib schlafen gegangen, die er im Krankenhaus bekommen hatte. Sie hatten die Pizza schon vor Ewigkeiten verputzt und Mulder konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal so zufrieden gewesen war. Neben ihm hob Scully ihre zierliche Hand, um ihr Gähnen zu verdecken. Mulder musste lächeln.

Elliot hatte es ebenfalls gesehen und bemerkte, "Ich finde es eine gute Entscheidung, dass ihr euch erst morgen auf den Weg machen wollt."

"Ich könnte eine Nacht Schlaf gebrauchen", gab Scully zu, gerade rechtzeitig bevor sie ein weiteres Gähnen überkam.

"Ja, ich auch", stimmte Mulder zu. "Sollen wir?"

Scully nickte und Mulder stand auf. "Kann ich abräumen helfen?"

Elliot schüttelte den Kopf. "Mach dir darüber keinen Kopf", sagte er. "Das machen wir schon."

Und wirklich, Rebecca hatte bereits begonnen, die Teller aufzusammeln. Als sie sie aufeinander aufstapelte, schlug sie vor, "Warum nehmt ihr nicht das Studio? Elliot hat vor dem Essen den Ofen dort angemacht, also sollte es warm genug sein, und ihr hättet dort eure Ruhe." Mulder entging der schwache Rotstich in ihrem Gesicht nicht, als sie hinzufügte, "Ich habe das Bett frisch bezogen, als wir zurück gekommen sind."

Der Gedanke daran, mit Scully ungestört zu sein, war unglaublich verlockend und Mulder nahm das Angebot an. "Nichts geht über gute südwestliche Gastfreundlichkeit", sagte er dankend.

Er half Scully auf und sie sagten Gute Nacht bevor sie in die Küche gingen, wo sie ihre Mäntel anzogen. Die Nachtluft war kalt und frisch und als sie über den Hof gingen, hielt Mulder Scully nah bei sich. Er zog die Tür zu der Scheune auf und machte das Licht an, das hell über die durchwühlte Ausrüstung fiel. Als sie eintraten war Mulder wieder einmal beeindruckt von der Schönheit der kunstvoll gerahmten Fotografien, schwarz-weiße vermischt mit farbigen in blendender Anordnung.

"Beck hatte Recht", bemerkte Scully neben ihm, "es ist sehr warm hier drin."

"Ja", stimmte Mulder zu. "Ich möchte nur sichergehen, dass es auch so bleibt."

Er wandte sich so lange von ihr ab, um neues Holz in den Steinofen zu werfen, dann nahm er sie wieder bei der Hand. Arm in Arm gingen sie zur Treppe und er sagte, "Wir müssen vorsichtig auf den Stufen sein. Blieb' nahe bei mir, ja?"

"Immer", sagte sie mit plötzlicher Verlegenheit und er drückte ihren Arm leicht. Zusammen stiegen sie die Stufen hinauf, langsam, eine nach der anderen, bis sie oben waren. Mulder führte Scully weg von dem Rand auf das Bett zu. Als er ihr half, den Mantel auszuziehen, sah Mulder mit einer seltsamen Zufriedenheit, dass das Bett fast zweimal so groß war als das, in dem sie im Zug geschlafen hatten. Ein Gefühl der Vorfreude überkam ihn und er nahm ihre Hand. Sanft küsste er ihre Handfläche und Scully lächelte.

Mulder zog nun auch seine Jacke aus und hing sie und ihren Mantel an den Hacken. Er sah sich um. "Du sagtest, Cooper hat das gebaut?"

"Ja."

"Er hat einiges geleistet", sagte Mulder anerkennend und trat wieder an ihre Seite. "Allerdings ist das Geländer nicht sehr stabil, also möchte ich nicht, dass du hier oben ohne mich die Gegend erkundest."

"Ich werde nirgendwo hingehen, Mulder", sagte Scully und schlang die Arme um seine Hüften.

Er drehte sich zu ihr und legte auch seine Arme um ihre schlanke Gestalt und hielt sie fest. "Das hoffe ich", flüsterte er und beugte sich hinunter, um sie zu küssen.

Zuerst war es ein sanfter Kuss, ihre Lippen berührten sich kaum. Ein zärtlicher Kuss, der von Vereinigung und neuem Anfang sprach. Ein süßer Kuss, der für geteilte Vergangenheit und gemeinsame Zukunft stand. Ein wunderbarer Kuss, der Versprechen und Hoffnung war.

Langsam vertieften sie sich ineinander, ihre Lippen teilten sich, ihre Zungen suchten und schmeckten ihre neu gefundene Nähe. Mulder ließ eine seiner Hände ihren Rücken zu ihrem Genick hinauf gleiten, bis seine Finger sich in ihren Haaren verloren und ihren Kopf sanft zu ihm zogen, um ihm einen besseren Winkel zu ihrem Mund zu geben. Ein leises Seufzen entwich ihr und es steigerte sein Verlangen nach ihr. Er war wie auf die Folter gespannt durch ihre Nähe, durch die Tatsache, dass sie hier und wirklich in seinen Armen war. Es war fast mehr als er ertragen konnte.

Er führte sie ohne den Kuss zu unterbrechen zurück zu dem Bett, und behielt ihren Körper sicher in seinen Armen. Scully ließ sich von ihm geleiten. Als ihre Knie den Rand des Bettes berührten, ließ sie sich darauf sinken und zog ihn mit sich, bis er in kniender Position vor ihr war.

Mulder wich ein wenig von ihr und sah sie an, ihr Gesicht jetzt in derselben Höhe wie seines. Ihre blicklosen Augen waren geschlossen und ihre tadellosen Lider ruhten auf ihren geröteten Wangen. Ihre von ihren Küssen feuchten Lippen standen etwas offen und obwohl er sich noch nicht ganz an ihre dunkleren, längeren Haare gewöhnt hatte, liebte er ihr seidiges Gefühl in seinen Händen. Er wand seine Finger durch ihr Haar und legte es zärtlich auf ihre Schultern. Ihre blasse Haut war übersäht von kleinen Rissen und Wunden, die sie während dem Vorfall in der Mine erlitten hatte, doch für Mulder machte es keinen Unterschied. Sie war die schönste Frau der Welt, und sie gehörte ihm.

"Dana", hauchte er. "Gott, ich habe dich vermisst."

"Ich habe dich vermisst", flüsterte Scully ihre Antwort, schlang ihre Arme um seinen Hals und küsste ihn innig. Er hob seine Hände und bedeckte ihre Wangen und grollte im Stillen über die Verbände, die ihn davon abhielten, das Gefühl ihrer weichen Haut an seiner vollends zu genießen. Ihre Beine standen leicht offen und er kniete sich zwischen ihre Oberschenkel. Sie hielt ihn mit ihren Beinen fest und zog ihn noch näher zu sich.

Als der Kuss endete, merkte Mulder, dass ihr Gesicht feucht war. Überrascht er sah auf und merkte, dass sie weinte. Er hob seine rechte Hand, um ihr eine Strähne von der Stirn zu streichen. "Alles in Ordnung?"

Sie nickte, und Mulder fühlte die Kopfbewegung zwischen seinen Handflächen.

"Aber du weinst ja", sagte er. "Stimmt irgendetwas nicht?"

Scully hob langsam ihre Hände und umschloss seine Finger. "Die Art wie du mich berührst, Mulder", hauchte sie. "Die Art wie du mich hältst. Du... du jagst alle Dunkelheit fort."

Ihre zärtlichen Worte brachten Tränen in seine Augen. "Oh, Dana", murmelte er. "Das möchte ich auch. Ich liebe dich."

Und er tat es, oh Gott, er tat es. Er liebte sie mit jeder Faser seines Körpers, mit jedem Atemzug, den er nahm—mit seinem ganzen Herzen und aus tiefster Seele.

"Ich liebe dich", wiederholte er und strich mit den Lippen sanft über ihre.

"Ich liebe dich auch", sagte sie ebenso leise.

"Dana..." Er konnte nicht zu Ende sprechen und er suchte nach Worten. "Wenn dir irgend etwas zugestoßen wäre..."

Sie stoppte das, was er sagen wollte, indem sie ihre geschlossenen Hände in ihren Schoß legte. "Mir ist nichts zugestoßen, Mulder. Es ist nichts Schlimmes passiert—ich bin hier, und es geht mir gut." Ihre Augen waren nun offen, auf einen Punkt weit hinten neben seinem Ohr gerichtet. Sanft drückte sie seine Hand, um ihren Worten Bedeutung zu verleihen. Dann fügte sie hinzu, "Und dir auch."

Mulder fühlte, wie es ihm den Hals zuschnürte und er musste sich bemühen, um es ihr zu sagen. "Weißt du", fragte er sie, "wie stolz ich auf dich bin? Wie sehr ich dich liebe? Du bist so mutig... so stark..."

"Ich war so stark wie deine Überzeugungen", antwortete Scully und die bekannten Worte brachten ein Lächeln auf seine Lippen. "Ich glaube an dich, Mulder. Ich glaube an uns. Das ist alles, was ich brauche—und das hat mir Kraft gegeben."

Ihre Worte beschrieben seine Empfindungen besser als er es je hätte ausdrücken können. Sprachlos versuchte Mulder ihr seine Gefühle zu zeigen, indem er sie abermals küsste und ihr mit seinen Lippen zu sagen suchte, was Worte nie umschreiben könnten.

 

 

Er küsste sie, langsam, lang und innig, und Scully seufzte. Als er sich von ihre löste, flüsterte er, "Du gibst *mir* Kraft. Das hast du schon immer getan." Er schwieg für einen Moment, und als er weiter sprach, konnte sie die nackte Wahrheit in seinen Worten hören.

"Es tut mir Leid, Dana. Es tut mir so Leid, dass ich dich allein gelassen habe—es tut mir Leid, dass ich es zugelassen habe, dass dir so etwas passiert."

"Mulder!" Er fing schon wieder an, die altbekannte Litanei von Selbstbeschuldigungen, und Scully hatte nicht im Geringsten vor, ihn weiter reden zu lassen. "Mach dich nicht lächerlich", sagte sie. "Du hättest nie im Leben wissen können, dass das alles passieren würde. Ich werde nicht zulassen, dass du dir die Schuld dafür gibst. Ich werde es nicht zulassen", endete sie und berührte wieder sein Gesicht mit ihrer Hand.

Er antwortete für einen langen Moment nicht und Scully wünschte, dass sie sein Gesicht sehen könnte und ihm seine Gedanken an den Augen ablesen konnte. Dann, so leise, dass sie es kaum verstehen konnte, sagte er, "Ich verdiene dich nicht."

Unerwartet musste sie lächeln. Nur Mulder konnte ihr ein solches Gefühl geben. Trotz allem, was passiert war, dachte er immer noch, dass sie etwas so Kostbares war, das man hegen und pflegen und in Ehren halten musste.

"Du hast mich aber", antwortete sie, "also denke ich, solltest du das Beste daraus machen."

Ihre Hand lag immer noch an seiner Wange und sie fühlte das Lächeln auf seinem Gesicht. "Oh", versprach Mulder, "das werde ich."

Er begann, sie wieder leidenschaftlich zu küssen und Scully verlor sich in dem Gefühl seiner Lippen auf ihrem Gesicht, an ihrer Wange und an ihrem Kinn. Sie krümmte ihren Rücken, als sein Mund ihren Hals fand und mit hungrigen kleinen Bissen an ihrer Haut knabberte. Ihre Hände rutschten auf seine Schultern und er stützte mit seinen Armen ihren Rücken. Die Intensität ihrer Küsse nahm zu, als Mulder sich von seiner knienden Position aufrichtete und sie so weiter zurück drückte, bis sie fast auf dem Bett lag, die Überdecke weich und kühl an ihrer Haut.

 

 

Jetzt, wo sie flach auf dem Bett lag, brauchte sie nicht länger seine Schultern für Balance und Scully strich an seinem Hals entlang, bis ihre Finger tief in den weichen Strähnen seiner Haare verstrickt waren. Ihre Beine baumelten über den Rand des Bettes und Mulder stellte sich dazwischen. Er beugte sich über sie und fuhr mit den Händen über ihren Körper, als seine Lippen ihr Schlüsselbein streichelten.

"Dana, Dana, Dana..." Er murmelte ihren Namen zwischen seine Küssen und die Art, wie seine dunkle Stimme über sie floss und sie in seiner Wärme einlullte, erregte Scully sehr. Nun brauchten sie keine Worte mehr, sie wusste es; sie hatten sich so viel zu sagen, so viel zu teilen, doch jetzt war nicht die Zeit dazu. Alles was jetzt zählte war, ihn nah bei sich zu haben und in dem Gefühl seiner Berührungen zu ertrinken. Sie seufzte, als sie sich seiner Nähe hingab. Sie wusste, dass sie - zumindest in diesem Moment - alle Zeit der Welt hatten.

Wieder schloss er seinen Mund über ihrem und Scully spürte seine Hände an ihrem Hals und auf ihrem Kinn, als er seine Lippen von ihr nahm. Er strich mit den Fingern über ihre Wange zu ihrem Haaransatz, dann wieder zurück über ihre Stirn und ihre Nase herunter zu ihren Lippen. Sie stöhnte, als er langsam die Form ihrer Lippen nach strich, zwei Finger, die sanft ihr Gesicht in einer unglaublich gefühlvollen Berührung streichelten.

"Hör auf, mich zu ärgern, Mulder", ermahnte sie ihn, doch sie meinte es nicht so, erregt wie sie durch seine Finger an ihrer Haut war. Sie spürte, wie er sie beobachtete, wie er sie anstarrte, und das Gewissen brachte ein dumpfes Gefühl in ihre Magengegend. Unwohl rutschte sie auf den Laken. "Ärgere mich nicht", bat sie kleinlaut.

"Sorry", murmelte er, sein Atem heiß an ihrem Ohr. "Es hat mich überwältigt. Du bist so wunderschön..." Sie hörte die Überzeugung in seinen geflüsterten Worten und sie glaubte ihm.

Er brachte seine Lippen wieder an ihre und Scully stöhnte, als er sie abermals küsste und seine Zunge tief in ihren Hals stieß. Seine Hände waren jetzt an ihrem Genick und seine Finger zerrten an den Knöpfen an ihrem Hemd. Seine Hände waren warm, doch sie zitterte, als er ihr Hemd öffnete und ihre nackte Haut der Luft ausgesetzt war.

"Ist dir kalt?" flüsterte Mulder und sie nickte. Dann schloss sie die Augen, als er sie zwischen ihren Brüsten küsste und mit den Zähnen an ihrem Büstenhalter knabberte.

"Ein wenig", hauchte sie, "aber ich möchte nicht, dass du aufhörst."

Er musste leise lachen. "Keine Sorge. Ich habe eine Idee."

Damit machte er ihr Hemd wieder zu. Scully ließ ihn los, als er sich aufrichtete, und ließ ihre Hände neben sich fallen. Sie hörte die Bodenlatten unter ihm knacken, als er sich zwischen ihren Beinen zurücksetzte und ihr die Schuhe, einen nach dem anderen, und ihre Socken auszog. Seine Hände glitten hoch zu ihrem Hosenbund, den er rasch öffnete und dabei die Stelle über dem Rand ihrer Jeans küsste, bevor er sie von ihr streifte.

"Komm", flüsterte er und nahm sie bei der Hand. Scully verstand ihn und rutschte hoch bis zum Kopf des Bettes. Mulder zog die Decke zurück und sie glitt immer noch in Hemd und Unterwäsche unter die Laken. Sie war überrascht, dass die Laken ebenfalls aus Flanell waren, sehr weich und warm.  Ein zufriedenes Seufzen entkam ihren Lippen.

"Besser?" fragte Mulder und sie nickte energisch. Dann verzehnfachte sich ihre Zufriedenheit, als er sie zärtlich auf den Mund küsste.

"Ich würde mich besser fühlen, wenn du dich beeilen würdest und zu mir unter die Decke kommst", sagte sie und wurde mit dem vollen Klang seines Lachens belohnt.

 

 

Ende von Teil 14... WICHTIG: der nächste Teil ist ***NC-17*** (ab 18!!)-- wenn Ihr jünger seid oder so etwas nicht lesen wollt, überschlagt Teil 15 -- ich verspreche hoch und heilig, dass Ihr nichts wichtiges von der Story versäumt!!!

 

 

X-14  X-14

 

 

WICHTIG: Dieser Teil ist NC-17 -- wenn Ihr nicht volljährig seid oder Euch so etwas einfach nicht interessiert, lest direkt mit Teil 16 weiter—ich *verspreche*, dass Ihr nichts Wichtiges von der Story versäumt!!!

ANMERKUNG: Für diejenigen unter Euch, die sich in "Über den Gleisen" an der Tatsache gestört haben, dass Mulder und Scully keinen Safe Sex hatten, möchte ich hier auf den Absatz 'Sex' in dem sehr amüsanten Buch "Everything You Always Wanted To Know About Life Inside A Movie" verweisen. Es behauptet, dass 'Charaktere in einem Film jederzeit und an jedem Ort Sex haben können ohne an die üblichen, eventuellen Folgen zu denken (z.B. Schwangerschaft), es sei denn, oben genannte Folgen sind Intention des Films'. Und das ist hier nicht der Fall, nicht in dieser Geschichte—das letzte, was die beiden an diesem Punkt gebrauchen könnten, wäre ein Baby, zumindest im Moment. Da habt Ihr's also, sollen wir jetzt loslegen??  <grins> ;-)

 

Dies hier ist der fünfzehnte Teil eines Sechzehnteilers. Wort der Autorin, Spoiler Warnung und Disclaimer stehen am Anfang von Teil 1.

 

 

 

GETEILTE WEGE (15/16)   *NC-17*

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Als es sich Scully unter den Decken gemütlich gemacht hatte, beeilte sich Mulder, seine Sachen loszuwerden, die er achtlos neben dem Bett auf den Boden fallen ließ. Als letztes entledigte er sich seiner Shorts und schlüpfte zu ihr unter die Decke. Sie rollte sich zu ihm, griff mit ihren Armen um seinen Körper und legte ihren Kopf an seine nackte Brust. Sie verteilte kleine Küsse überall, wo sie hinkam und streichelte seinen Rücken.

"Mmmmm", machte sie. "Du fühlst dich gut an."

"Das möchte ich auch von dir sagen können", sagte Mulder und Scully lachte, ein helles, klingendes Lachen, das sein Herz erwärmte. Mulder nahm es als Stichwort und zog das Hemd von ihren Schultern und ihren Armen und warf es neben das Bett. Er nahm sie in die Arme und rollte sie auf den Rücken. Er selbst legte sich auf die Seite und strich mit seiner Hand an ihrem Körper entlang, was ihr ein leises Murmeln entlockte, als er seine Finger um die sanften Kurven ihrer Brüste spielen ließ. Der Büstenhalter war ihm im Weg und er griff hinter sie, um den Verschluss zu öffnen, der dann locker an ihre Haut fiel. Sanft strich er die Träger von ihren Schultern und warf ihn ebenfalls beiseite.

Mulder rückte wieder näher an sie heran, so dass sie beide auf der Seite lagen, ihr zartes Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt. "Jetzt", sagte er und drückt einen Kuss auf ihre Stirn, "kann ich definitiv dasselbe sagen." Ihre Haut war weich wie Seide und sie rieb an seinen Körper auf eine unglaublich erregenden Art und Weise. Er streichelte ihren Rücken und Scully drängte sich noch näher an ihn, ihre Arme um seine Hüften und ihre vollen Brüste gegen seinen Rumpf gepresst.

Er glaubte nicht, dass er je genug davon bekommen würde, sie einfach nur zu halten und er sagte es ihr flüsternd zwischen seine Küssen.

Scully hob eine ihrer kleinen Hände von seinem Rücken zu seinem Gesicht und streichelte seine Wange. "Ich liebe es", sagte sie leise. "Ich liebe es, dich so berühren zu können, dein Gesicht mit meinen Fingern betasten zu können." Zärtlich küsste sie ihn und kam mit einem Lächeln auf den Lippen zurück. "Ich werde dich nie wieder diesen Bart wachsen lassen."

"Was soll ich denn dann als Tarnung benutzen?" fragte er.

"Ich weiß nicht", antwortete sie und küsste ihn wieder. "Und im Moment ist es mir auch egal."

Sie bewies es ihm, indem sie sein Gesicht mit ihren Lippen liebkoste und unzählige kleine Küsse über jeden Zentimeter seiner Haut regnen ließ. Mulder stöhnte laut vor Wonne.

 

 

Scully fühlte ihre Erregung wachsen, wie sie sie mit zunehmender Intensität überkam. Sie seufzte. Ihr Höschen klebte nun feucht an ihrer Haut und sie brachte eine Hand zu ihrer Hüfte, um es loszuwerden.

"Warte, ich helfe dir", flüsterte Mulder und sie nickte, als sie mit ihrem Mund wieder seinen fand und er sich daran machte, sie von dem nun überflüssigen Stück Stoff zu befreien. Sie hob ihre Beine zu seiner Brust und er streifte es von ihr. Ihr Höschen endete ebenfalls auf dem wachsenden Kleiderberg neben dem Bett und sie stöhnte, als seine Hand ihren Po fand und erst leicht, dann etwas stärker drückte.

"Oh, Mulder..." Er murmelte irgendetwas, doch sie konnte nicht ganz verstehen, was er sagte. Dann fühlte sie seine Hand zwischen ihren Körpern wie sie sanft das feuchte Haar zwischen ihren Beinen betastete. Er führte zwei Finger in sie ein und Scully wand sich in schierer Wonne. Als Antwort faste Mulder seinen Griff um ihre Hüften enger und drückte sie noch dichter an seinen Körper, eine Hand immer noch an ihrem Gesäß. Sie konnte den Verband an seiner Hand fühlen, dessen glatte und kühle Textur ganz im Gegensatz zu der warmen Feuchte seine Hand stand.

Die Erschöpfung, die sie bis jetzt empfunden hatte, begann zu schwinden, als seine Finger ihr tiefstes Inneres drückten und liebkosten und erkundeten. Sie ließen sie erschaudern, sie ließen sie erschlaffen, doch nichts davon hatte mit körperlicher Schwäche zu tun, sondern nur mit völliger emotionaler Unterwerfung. Eine Welle von Verlangen durchflutete sie, als er sie weiter durchdrang und sie stöhnte laut auf. Es passierte so schnell und sie kämpfte dagegen an, weil sie jede Sekunde dieses Gefühles genießen wollte, das er in ihr weckte, das sie mit ihm teilen wollte. Doch sie fühlte wie ihr Körper nicht mitmachte und schneller und schneller der ersuchten Erlösung zustrebte.

 

 

 

Scullys Haut war schweißnass und sie zappelte in seinen Armen. Mulder bemühte sich, sie festzuhalten, denn er wollte sie so nahe wie möglich bei sich spüren. Sie keuchte hastig und unregelmäßig und ihre Haare kitzelten sein Kinn, als ihr Kopf wild auf dem Kissen hin und her schlug.

"Mulder..." Sein Name auf ihren Lippen war ein schwaches Flehen und er pumpte weiter, um ihr zu geben, was sie wollte. Unter der Decke waren ihre Beine ineinander verfangen und ihre Schenkel rieben mit einer Intensität gegen seine Erektion, die drohte, ihm die Kontrolle zu rauben.

Scully hatte ihren Arm um seinen Nacken gelegt, doch als er sie weiter streichelte, fühlte Mulder wie sie eine ihrer kleinen Hände abwärts schob, von seinem Genick über seinen Rücken zu seinem Gesäß. Sie drückte ihn dort ähnlich wie er sie immer noch hielt und griff dann herum, um seine Hoden zu fassen.

"Ahh..." Ein leiser Aufschrei entkam ihm bei ihrer Berührung und beinahe wäre es auf der Stelle für ihn vorbei gewesen. "Dana, nein, noch nicht...."

Sie ignorierte ihn und umfasste ihn für einen Moment eng und fest, bevor sie ihre Finger an ihm langsam hoch und runter gleiten ließ. Mulder schloss die Augen und biss sich auf die Lippe in einem letzen, kläglichen Versuch sich zurückzuhalten.

"Mulder...." Sie wimmerte seinen Namen, als sie ihn an sich heran zog. Er wusste, um was sie ihn bat und er hatte keine Kraft zu widerstehen, er war unfähig, es ihr abzuschlagen. Vorsichtig zog er seine Finger aus ihr heraus und hob ihr Bein, um es um seine Hüfte zu legen und sie für ihn zu öffnen. Er öffnete die Augen, denn er musste sie sehen, als er seinen Weg in sie fand.

Scully öffnete den Mund mit einem Seufzen, als er in sie eindrang, und sie ließ ihren Kopf zurückfallen, als sie sich ihm völlig hingab. Sie hob ihre Arme, um sie um seinen Hals zu legen und schob ihr Bein weiter hoch, um ihm besseren Zugang zu geben. Er ging auf sie ein und umfasste ihren Po mit beiden Händen, um sie so nahe wie möglich zu ihm zu bringen. Neben ihr zu liegen, ihre Körper vereint und ihrem liebevollen Gesicht nur Zentimeter von seinem, war fast zuviel für ihn. Unfähig sich zurückzuhalten begann Mulder, sich in ihr zu bewegen, als er sich nach vorne lehnte und sie abermals küsste.

 

 

 

Er küsste sie, er stieß seine Zunge tief in die Höhle ihres Mundes, seine Bewegungen spiegelten die seines Glieds tief in ihr wider. Scully stieß und rieb gegen seinen Körper und stöhnte in der Ekstase des beidseitigen Vordringens. Sie wünschte sich, dass die Zeit still stände und sie für immer dieses magische Gefühl empfinden lassen würde. Sie war völlig eingenommen von ihrem Begehren und ihrem Verlangen nach ihm, und es gab nichts, das sie mehr wollte, als sich und ihm Befriedigung zu bringen.

Er stieß nun tief in ihrem Körper, hinein und hinaus, immer stärker und schneller. Ununterbrochen drückte sie ihren Körper an seinen, ihre Beine nun fest um seine Hüften geschlungen und von weichen Flanelldecken um sie an ihn gezogen.

Mulder löste seine Lippen von ihrem Mund und fuhr mit feuchten Lippen über ihre Wangen. Scully erwiderte es. Sie nibbelte an seinem Ohr und fuhr mit der Zunge über die Konturen seiner Ohrmuschel. Sie hörte ihn stöhnen, ein tiefes, dunkles Grunzen in seinem Hals, das ein Feuer in ihr auslöste. Sie stieß fester gegen ihn und zog sie beide näher und näher zum Höhepunkt.

Scully fühlte wie Mulder ihre verbundenen Körper wiegte, sie immer noch fest in seien Armen hielt, bis sie merkte, dass sie über ihm war und er nun flach auf dem Bett lag. Der Grund für die Veränderung in ihrer Position wurde ihr klar, als sie spürte wie er seine Hände von ihrem Rücken nahm und hungrig ihre Brüste umfasste. Sie schrie auf bei dem Kontakt und richtete sich mehr auf, um sich besser in seine Hände zu pressen. Das Laken, das auf ihren Schultern geruht hatte, glitt ihren Rücken herunter und sie saß auf, als sie Mulders Schultern fand und sich daran festhielt, und ihre Hüften mit aller Kraft gegen seinen Unterleib drückten.

"Dana..." Sie hörte ihn ihren Namen sagen und sie wimmerte. Sie war nicht mehr imstande, zusammenhängende Worte zu formen. Er drückte ihre Brüste fester und sie wimmerte wieder. Sie verlor die Kontrolle, sie wollte nichts mehr, als mit ihm an ihrer Seite in den Abgrund völliger Ekstase zu fallen.

 

 

 

 

"Dana..." Er konnte nicht aufhören, ihren Namen zu sagen, er war das einzige, was sein Bewusstsein noch erfassen konnte, genauso wie ihr Körper das einzige war, das er spürte. Mulder hob seine Hüften und stieß mit wachsender Intensität in sie. Er wollte ihr genauso Befriedigung bringen wie sich selber. "Oh, Dana...."

Er fuhr mit dem Mund an ihrem Hals herunter, nahm eine ihrer Brüste in den Mund und streichelte die andere mit seiner Hand, als er zu ihren erregten Aufschreien an ihrer Brustwarze saugte und nibbelte. Sie hob eine Hand und vergrub sie in seinen Haaren, die andere stützte sich auf seine Schulter, als sie ihn mit aller Kraft ritt.

Mulder fühlte, wie ihre Beine sich enger um ihn schlossen, als die Kontraktionen begannen und ihr Innerstes ihn völlig zu verschlingen schien.  Willig ließ er sich mitziehen und wölbte seine Körper, als er sich der kraftvollen Erlösung hingab. Das Gefühl ihres Körpers, der sich über seinem schloss, ließ ihn über den Abgrund hinaus schießen, es raubte ihm seine Essenz, erschöpfte ihn so einfach wie Wasser, das durch ein Sieb floss, das blanke Hochgefühl sie zu lieben riss ihn in den Wahnsinn, machte ihn verrückt, zwang ihn, ihr alles zu geben, was er hatte, alles, was er war.

Ein weiterer Aufschrei von ihr und Scully kollabierte auf ihm, ihr Kopf an seiner Brust hinter dem Vorhang ihrer Haare vergraben. Völlig erschöpft nahm Mulder sie in die Arme und rollte sie mit den Resten seiner Kraft zurück auf die Seite, ihre Körper unter der vom Schweiß feuchten Decke immer noch vereint. Ihr Kopf fiel zurück auf das Kissen und sie rang mit offenem Mund nach Atem. Mulder küsste sie und füllte sie mit dem Sauerstoff aus seinen Lungen, er gab ihr das himmlische Geschenk zurück, dass sie ihm gegeben hatte, indem sie ihm ihren Körper so offen und vertrauensvoll gegeben hatte.

 

 

Er hielt sie fest und sie wollte ihn nie wieder los lassen. Sie wollte jeden Schlag seines Herzens in sich aufnehmen, das laut und schnell gegen ihre Wange hämmerte. Scully fühlte seine Hand ihren Rücken hoch gleiten und das Streicheln brachte ein Prickeln über ihre Wirbelsäule. Er nahm ihren Kopf in seine Hände und vergrub seine Finger in ihrem feuchten, langen Haar und sie hörte seine Stimme durch die Dunkelheit der Nachwirkungen ihres Höhepunktes schneiden.

"Ich liebe dich, Dana", flüsterte er, jedes einzelne Wort laut in der Stille ihrer Erholung. "Jetzt, für immer, in alle Ewigkeit."

Und wie zuvor auch küsste er sie nach jedem Wort in der Art, die sie liebte.  Sie lächelte und schmiegte ihr Gesicht enger an seine Brust. Mulder verstärkte den Griff seiner Arme um ihren Rücken ein wenig und glitt dann langsam und vorsichtig aus ihr heraus. Obwohl sie den intimen Kontakt augenblicklich vermisste, tröstete sie sich in der Kraft seiner Umarmung. Sie kuschelte sich näher an ihn und ließ die Erschöpfung, die sie bis jetzt von sich gehalten hatte, sie langsam überkommen.

 

 

 

Sie träumte, träumte von einem weichen Sandstrand, wo riesige Wellen gleichmäßig ans Ufer krachten. Der Himmel war blau und der Geruch von Salz lag in der Luft. Mulders Arme waren um sie gelegt, stark und solide und wirklich, sein Gesicht deutlich sichtbar vor ihrem und seine haselnussbraunen Augen glänzten, als er auf sie hinab blickte. Seine Lippen waren weich und voll und zärtlich, als er sie küsste und seine Hände hielten sie nahe bei sich, dicht an seine nackte Haut gepresst. Eine Welle krachte über ihnen zusammen und ertränkte sie in eiskaltem Wasser...

Es war Kälte, die sie weckte, und Scully rutschte unbequem über die Matratze, als ihre Hände nach der Wärme der Decke suchten. Der leichte Schreck, den sie bei Mulders Abwesenheit neben ihr empfand, verschwand, als sie seine schlaftrunkenen Atemzüge hörte. Sie rollte näher zu ihm.

Sie ertastete ein Stück Decke und zog daran, doch Mulder schien darin eingewickelt zu sein und sie zerrte vergeblich. Scully zog wieder, diesmal etwas stärker, so dass die Bewegung in ihrem Arm schmerzte.

Mulder hörte ihr leises Stöhnen, das ihn augenblicklich weckte. "Dana? Alles in Ordnung?" fragte er verschlafen.

"Ja, Mulder", sagte sie, ihr Gesicht in ihrem Kissen vergraben. "Es ist nur kalt."

Mulder rollte sich auf die Seite und merkte, dass er mehr als nur die Hälfte der Decke geklaut hatte, und Scullys nackter Rücken der kalten Luft ausgesetzt war. "Sorry", entschuldigte er sich und zog die Decke wieder über ihre Schultern.

"Schon okay", murmelte sie schlaftrunken, doch als sie sich an ihn schmiegte, hörte er sie wieder stöhnen.

"Was ist los?" Er war jetzt wirklich besorgt und strich mit einer Hand über ihren Rücken.

"Nichts... es tut nur ein wenig weh, das ist alles."

Mulder kannte das Gefühl. Seine Schultern und Rücken pulsierten immer noch von den Anstrengungen in der Mine. Doch Scully war wie immer seine größte Sorge und er verstärkte den Druck seiner Hand an ihrem Rücken. "Besser?" fragte er und sie murmelte ihre Antwort. "Ja."

Durch dieses einzelne Wort inspiriert regte sich Mulder unter der Decke, bis er mit je einem Bein neben ihren Hüften über ihrem schlanken Körper hockte. Er erhob sich auf seine Ellenbogen und verlagerte dann sein Gewicht auf seine Knie, so dass seine Arme und Hände frei waren und die Decke von seinen Schultern fiel und sie beide bedeckte.

Mit langsamen, kreisenden Bewegungen begann er, ihr Genick und ihren Rücken zu massieren. Widerspenstige Locken ihrer Haare verstreuten sich über ihre Schultern und er strich sie beiseite. Scully seufzte.

"Gut?" fragte er und sie nickte.

Mulder massierte sie weiter, und knetete langsam und gründlich ihre beanspruchte Rückenmuskulatur. Er fand eine besonders verspannte Stelle und rieb, bis er die Spannung schwinden spürte und sie zufrieden seufzte.

"Oh", hauchte sie, "so gut..."

Unerwartet spürte Mulder wie sich sein Unterleib bei ihren geflüsterten Worten zusammenzog und das Gefühl ihrer Haut unter seinen Händen erregte ihn trotz seiner Erschöpfung. Er beugte sich vor und drückte sich angeregt durch den Körperkontakt enger an sie.

 

 

Scully steckte ihre Hände unter das Kissen unter ihrem Kopf und widerstand dem Impuls, sich umzudrehen und Mulder an sich zu drücken. Die Massage fühlte sich zu gut an, und sie wollte nichts tun, was ihn womöglich aufhalten würde.

Doch es schien, als wäre dies das letzte, was er im Moment wollen würde. Ganz im Gegenteil: obwohl seine Hände jetzt nicht mehr auf ihren Schultern waren, schien er wunderbar zufrieden damit zu sein, mit geübtem Können ihren Rücken auf und ab zu massieren. Zu ihrer Überraschung fühlte Scully Mulders Lippen zärtlich an ihrem Genick. Sie seufzte und drehte ihren Kopf, ein stilles Zeichen, dem er antwortete, indem er unzählige Küsse auf ihrer Wange verstreute.

Sie fühlte, wie er sich über sie lehnte und sie unter sich einschloss.  Scully gab sich völlig dem Gefühl hin und genoss seine warme Nacktheit. Sie konnte seine Erregung an ihrem Rücken pulsieren fühlen und sie stöhnte. Seine Hände stoppten ihre sanften Bewegungen und glitten unter ihren Körper.

Er umschloss ihre Brüste und hielt sie sanft fest, als er sich an ihr rieb. "Dana..." Seine dunkle Stimme streichelte ihren Namen, sang ihn wie ein Dankgebet und sie antwortete ihm mit einem leisen Aufschrei.

"Mulder, oh...."

Eine seiner Hände glitt von ihrer Brust tiefer und drückte an ihren flachen Bauch, bevor sie noch weiter herunter zu den sensibelsten Stellen ihres Körpers rutschte. Er berührte sie kurz dort und zog dann seine Hand weg.

 

 

Mit seiner von ihrer erregten Mitte feuchten Hand nahm Mulder seine Erektion und führte sie unter ihren runden Po und in sie hinein. Die Luft wich aus seinen Lungen, als er sie ein weiteres Mal füllte.

Jetzt wieder mit ihr zu schlafen war mehr als er je geträumt hatte, und sein Körper reagierte auf sie, füllte sie, und stieß gleichmäßig in sie, als er den Winkel fand, in dem es am besten passte.

Scully wimmerte, ein leiser Aufschrei, der in seinen Ohren widerhall und er glitt tiefer in sie, als er spürte, wie sie auf ihn ansprach und ihren Po hob und sich gegen seinen Unterleib drückte. Er umfasste sie enger und ließ seine Finger an ihren Brustwarzen spielen, als er ihre Brüste umschloss und seine Beine mit ihren verstrickte. Es war unglaublich entspannt, als ihr warmer, weicher Körper unter seinem großen, stählernen gefangen war, und ihre heiße Nassheit ihn mit jedem Stoß seiner Hüften immer tiefer in sich hineinzog. Mulder spürte, wie sich sein Körper ein weiteres Mal vorbereitete und er stieß in sie, küsste ihre Schultern, ihren Hals, ihre Ohren. Sie drehte ihren Kopf nach ihm und suchte mit ihren Lippen hungrig nach seinen. Er gab nach und beugte sich vor, um ihre Lippen zu umschließen, fortgespült auf einer rasenden Welle puren Verlangens.

 

 

Er stieß in sie einige Male schnell hintereinander und Scully krümmte ihren Rücken und fühlte, wie er ihre Brüste enger quetschte, als sie ihm mehr Spielraum gewährte. Ihre eigenen Hände waren immer noch unter dem Kissen gefangen, und ihre Unfähigkeit ihn zu berühren, steigerte nur ihr Verlangen. Sie wollte ihn mehr als sie je etwas in ihrem Leben gewollt hatte, und sie stöhnte vor purer Lust, als er von ihrem Körper Besitz ergriff. Mit raschen Stößen vergrub er sich tiefer und tiefer in ihr, so weit es nur ging, und sie spreizte ihre Beine unter ihm, hob sich ihm entgegen, gab ihm so viel Spielraum wie nur irgend möglich, denn sie wollte ihm alles geben. Sie wollte, dass er sie mit einer Wildheit nahm, die ihre Sinne vor Begehren betäubte.

Scully ertrank in der Heftigkeit ihres Verlangens und fühlte ihren Körper sich vollends entspannen. Sie schmolz zu einem Bündel aus Nerven dahin, die nur durch seine Hände, seine Bewegungen, seine Berührungen stimuliert wurde. Sie fühlte seinen Mund an ihrem und sie gab sich ihm vollends hin, ihre Lippen öffneten sich, als er ein letztes Mal in sie hinein fuhr und sie beide mit nie zuvor dagewesener Kraft in den Abgrund der tausend Feuerwerke riss. Scully fühlte wie die Orgasmen ihren Körper durchrissen, einer nach dem anderen und sie mit ihrer Intensität lähmten.

 

Dann, nach einer langen Weile, als das stärkste Zittern gewichen war, fühlte Scully Mulders Hände unter sich bewegen und sie an sich heran drückte. Sie ließ ihn gewähren, als er aus ihr glitt und genoss das Gefühl seiner Arme um ihre Brust, als sie sich bis über alle Vorstellungen hinaus befriedigt neben ihm fallen ließ und sich mit nichts als dem Geräusch seiner Atemzüge an ihrem Nacken bewusst vom Schlaf übermannen ließ.

 

 

Ende von Teil 15...

 

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GETEILTE WEGE (16/16)

von Nicole Perry

nvrgrim@aol.com

1/10/97

 

 

 

Mulder wachte in den ruhigen Morgenstunden auf und sah, dass Scully immer noch an seine Brust gedrückt lag. Die Sonnenstrahlen, die durch das Fenster einfielen erinnerten ihn daran, dass es langsam an der Zeit war, Abschied zu nehmen, obwohl er nichts lieber wollte, als für immer in diesem sicheren Ort zu bleiben.

Mulder wiegte sie sanft und weckte sie mit kleinen Küssen über ihrem Gesicht, bis sie sich regte. "Guten Morgen", flüsterte er.

Scully hob den Kopf, fand seine Lippen und küsste ihn. "Er *ist* gut, was?" murmelte sie mit einem Lächeln, als sie zurück zog.

"Ich liebe dich", sagte er. Er musste die Worte einfach wiederholen, obwohl er sie ihr fast die ganze Nacht über gesagt hatte.

"Ich liebe dich auch", sagte sie leise. "Jetzt, für immer,..."

"... in alle Ewigkeit", endete er und küsste sie auf die Stirn. "Für immer."

Für ein paar Momente war Scully still und ließ ihre Finger über seine Brust gleiten. Als sie sprach, hörte er die Resignation in ihrer Stimme, die seine dunkelsten Ängste in Worte fasste. "Sie wollen mich zurück."

"Sie werden dich nie zurück bekommen", erklärte Mulder und umarmte sie enger. "Niemals. Nicht solange ich lebe."

"Aber das ist es ja, wovor ich Angst habe", gab sie zu. "Ich habe Angst, dass sie dich umbringen, um zu bekommen, was sie wollen." Sie hielt für einen Moment inne und fuhr dann fort. "Vielleicht sollte ich mich stellen."

"Hör auf", ermahnte er sie. "Hör auf so zu reden. Dir wird nichts passieren, und mir auch nicht."

 

 

Scully wusste, dass er träumte, und sie sagte es ihm auch. Christophes Worte in dem Tunnel rangen noch in ihren Ohren. "Mulder, sie haben uns schon einmal gefunden, und sie werden uns wieder finden. Wir können nicht für immer so weiterleben. Nicht wo wir jetzt wissen, was sie wollen."

Sie fühlte, wie er mit seiner Hand an ihrem Kinn ihren Kopf hob. "Hör mir zu, Dana. Wir werden nicht aufgeben. Wir werden uns nicht aufgeben. Wenn wir das tun, lassen wir sie gewinnen."

Seine Worte waren so stark, so mutig, und trotz allem merkte Scully, dass sie ihm glauben wollte. "Aber wie können wir sie besiegen?" fragte sie. "Wir haben nichts. Keinen Einfluss, keinen Unterstützung, niemanden, dem wir trauen können."

"Wir haben uns", sagte er und sie spürte seine Lippen an ihren. Scully ließ ihn mit sanftem Druck ihren Mund öffnen und suchte Trost in seinem Kuss. Als sie endlich nach Luft schnappen mussten, fasste Mulder seinen Gedanken in Worte. "Zusammen, Dana, sind wir unschlagbar. Vergiss das nicht."

"Ich versuche es", antwortete sie. In seinen Armen fühlte sie sich stark genug, um die Wahrheit zuzugeben. "Aber ich habe Angst, Mulder. Ich habe Angst, dass wir kein Glück mehr haben werden."

Zu ihrer Überraschung hörte sie ihn lachen. "Weißt du denn nicht? Die Guten gewinnen immer."

Nun musste sie auch lachen. Sie schmiegte sich an ihn, und ließ sich von dem warmen Gefühl der Zufriedenheit einlullen. Nichts konnte ihr passieren, wenn sie so beisammen waren, das wusste sie. Überhaupt nichts.

"Es ist Zeit zu gehen", sagte er letztendlich, und Scully konnte den Widerwillen in seiner Stimme hören.

"Ich weiß", erwiderte sie, doch blieben sie noch für eine lange Weile liegen in einem vergeblichen Versuch, das Unvermeidliche heraus zu schieben.

 

 

Alle fünf hatten sich in Rebeccas Jeep gezwängt, mit dem sie jetzt nach Alburquerque unterwegs waren. Trotz der Musik im Radio war es eine ziemlich stille Fahrt, denn keiner wusste so recht, was er sagen sollte.

Als sie am Busbahnhof angekommen waren, stellte Elliot den Wagen ab und kletterte heraus neben Rebecca, Coop und Lisa, während Rick hinein ging und zwei Tickets nach Los Angeles kaufte. Elliot hatte ihm das Geld dafür gegeben, obwohl Rick es zuerst nicht annehmen wollte.

"Betrachte es als geliehen", hatte Elliot ihm gesagt, und Rick hatte es nach langem Hin und Her genommen.

"Ich werde es dir zurückzahlen", hatte er versprochen. "Sobald wir dort ankommen, wo wir hin wollen."

"Ja, ja, ja..." hatte er mit einer lässigen Handbewegung gesagt. Er war froh, dass er helfen konnte.

Viel zu früh kam Rick mit den Fahrscheinen zurück und sie sagten sich Auf Wiedersehen. Elliot umarmte Lisa herzlich und schüttelte Rick die Hand und sah zu, wie seine Freunde es ihm nach taten.

Elliot fühlte eine Hand an seinem Arm und er drehte sich nach Lisa um, die mit einem schwermütigen Lächeln neben ihm stand. "Ich werde dich vermissen, Elliot", sagte sie. "Ich bin so froh, dass wir uns getroffen haben."

"Ja, ich auch", sagte er und umarmte sie noch ein letztes Mal. Es stimmte.

Er würde sie vermissen, trotz der Gefahr, die sie mit sich gebracht hatte. Gefahr, die sein Leben auf eine Art und Weise berührt hatte, die er nie für möglich gehalten hätte. Lisa hatte etwas an sich, etwas, das er mit Worten nicht umschreiben konnte, und es machte Elliot froh, dass sich ihre Wege gekreuzt hatten.

Dann fuhr der Bus vor. Rick schulterte ihre Tasche und half Lisa die Stufen hoch. Elliot stand neben Cooper mit einem Arm um Rebecca und die drei sahen zu, wie der Bus in Richtung Westen auf die Straße hinaus fuhr.

 

 

Endlich in ihren Sitzen lehnte Scully ihren Kopf an Mulders Schulter und seufzte. "Alles in Ordnung?" fragte er und sie nickte.

"Ja, alles okay", sagte sie und sie meinte es auch. Mulder an ihrer Seite war alles, was sie brauchte, um die Welt für sie in Ordnung zu bringen.

"Es wird eine lange Fahrt", bemerkte er. "Wir werden morgen erst in Los Angeles sein."

Plötzlich fiel ihr etwas ein und sie fragte, "Ist es sicher genug, wenn wir den ganzen Weg mit dem Bus hinfahren?"

"Ich denke schon", antwortete Mulder. "Ich glaube, wir sind fürs Erste sicher."

In der Hoffnung, dass er Recht hatte, kuschelte sich Scully näher an ihn und fühlte, wie er seinen Arm um ihre Schulter drückte. Sie gähnte und er fragte, "Bist du schon müde?"

"Ein wenig", sagte sie. "Wir haben ja nicht viel geschlafen."

"Nein", gab er zu, "aber das war's wert."

"Definitiv", grinste sie und er küsste sie rasch auf die Lippen.

"Schlaf ein bisschen, wenn du willst", sagte Mulder. "Ich werde hier sein, wenn du aufwachst."

"Darauf zähle ich", sagte Scully und schloss die Augen.

 

 

"...if our troubles should vanish

Like rain at the midday

I've no doubt there'll be more

We can't run and we can't cheat

Because when we meet

What we're afraid of

We find out what we're made of

 

So if you lose your faith, you can have mine

If when I'm lost, you're right behind

And if it's dark, there's a light I'll shine

We walk the same line..."

 

everything but the girl

 

 

 

Und das ist alles, was sie schrieb... wir sind am Ende der Straße angekommen, zumindest für jetzt. <g> Ich hoffe, dass das Stück hier das lange Warten wert war—ich würde mich über nichts mehr freuen als ein paar Zeilen Feedback—und wenn Ihr nur schreibt, dass Ihr bis zum Ende durchgelesen habt!! Meine Adresse ist nvrgrim@aol.com

 

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