RICHGUNG
NIRGENDWO 6 - STADTGRENZEN
von
Nicole Perry
(
nvrgrim@aol.com )
April
1999!
aus dem Englischen
übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de
>
*** überarbeitet 2017 ***
Bemerkung
der Autorin: Glaubt es oder nicht, aber wir sind wieder back on the road!
<g> Ich möchte mich gerne bei allen bedanken, die mir zu dieser Serie in
den letzten Wochen, äh... Monaten.... okay, okay, in den letzten *zwei Jahren*
geschrieben haben. Was soll ich sagen? Das ist das Leben.
;-) Aber ernsthaft. Für eine gewisse Zeit war ich
einfach nicht motiviert genug, um weiter an dieser Serie zu schreiben. Ich
hatte den Eindruck, dass Akte X ab der vierten Staffel irgendwie überholt
geworden ist. Also, ein großes Dankeschön an jeden, der nicht meiner Meinung
war und nicht aufgehört hat, nach mehr zu fragen—besonders Jenny, dessen
"regelmäßiges Genörgel" mich dazu ermuntert haben, diese ganze Sache
wieder aufzunehmen. Und Danke auch an die Fanficiton Junkies von AOL, die mich
zu dem Punkt gebracht haben, dass ich einfach nachgeben musste. <bg>
STADTGRENZEN - Kapitel 1
von
Nicole Perry
(
nvrgrim@aol.com )
5/7/99
PROLOG:
SONNTAGMORGEN
Ein
lautes, schrilles Klingen zerriss die Stille.
Der
Mann starrte auf das schwarze Stück Kunststoff, dessen blinkendes grünes Licht
ihm anzeigte, dass er einen Anruf bekam. Er starrte ausdruckslos auf das
Telefon, als ihn eine schlimme Vorahnung befiel. Er hatte schon die ganze Nacht
auf diese Nachricht gewartet, und mit jeder Stunde wurde das üble Gefühl, das
in seinem Magen entstanden war, stärker und stärker.
Er
ließ das Telefon einmal, zweimal, dreimal klingeln und zwang seine Hand ruhig
zu bleiben und nicht nach dem Hörer zu greifen.
Das
Telefon klingelte sechsmal, bevor er es endlich abnahm.
"Ja?"
Das
einfache Wort war mehr ein Befehl als eine Frage.
"Hallo...."
Die Stimme am anderen Ende der Leitung war nicht die, die er eigentlich erwartete
hatte. Der Anrufer besaß nicht Christophes unverschämte Autorität; im
Gegenteil, er sprach zurückhaltend, geradezu gestockt in seiner Unsicherheit.
"Ich... ich habe diese Nummer hier gewählt, eine Notrufnummer..."
"Wer
ist da?"
"Äh....
Danny. Daniel Payne. Ich bin der Fahrer, der Ihre Männer nach Santa Fe bringen
sollte. Einer von ihnen hat mir diese Nummer hinterlassen."
"Wo
sind sie?"
"Tja,
Sir", sagte Payne, ein leichtes Leiern in seiner Stimme, "das ist ja
das Problem. Sie sind noch nicht zurück gekommen. Ich sitze schon seit über
zwölf Stunden hier am Rollfeld—also im Grunde schon die ganze Nacht. Sie sind
in einem Wagen weg gefahren, und ich habe sie seitdem nicht mehr gesehen."
Der
Mann warf einen raschen Blick auf die Uhr und rechnete. In Santa Fe war es
jetzt schon fast Morgen; er würde keine weiteren Informationen mehr erhalten.
Der Mann wusste instinktiv, dass Christophe tot war. Es gab keine andere
Erklärung für die Stille.
"Sir?"
Die Stimme des Fahrers unterbrach seinen Gedankengang. "Ich... ähm, ich
bräuchte weitere Instruktionen. Ich kann natürlich weiter warten, aber sie sind
schon lange überfällig und...."
Der
Mann schnitt ihm ungeduldig das Wort ab. "Ihre Dienste werden nicht länger
benötigt."
"Okay,
alles klar." Payne schwieg einen Moment. "Was ist mit.... was ist mit
meinem Geld, Sir?"
"Sie
werden es bekommen im Laufe der Zeit."
Der
Mann legte auf, ohne auf eine Antwort des Fahrers zu warten. Er würde sich
darum kümmern, dass das Geld gezahlt würde; er ließ nie etwas offen. Er war ein
wenig ärgerlich darüber, dass Christophe so etwas Dummes getan hat und dem
Fahrer seine Nummer gegeben hatte. Aber andererseits, Rufnummern konnten auch
stillgelegt werden. Zumindest war jetzt seine Befürchtung bestätigt. Die Sache
in Santa Fe war schlecht gelaufen, und das gerade zu dem ungünstigsten
Zeitpunkt. Es waren bereits Vereinbarungen getroffen, die Tests fortzuführen,
und die Nachricht einer weiteren Verzögerung würde ganz und gar nicht gern
gesehen.
Der
Mann griff nach der zerknüllten Packung auf dem Tisch und holte eine Zigarette
heraus. Er strich ein Streichholz, zündete sie an und inhalierte das Nikotin.
Als er langsam ausatmete, verhärtete sich sein Gesicht mit Entschlossenheit.
Seine Bemühungen würden diesmal nicht umsonst sein. Sogar, wenn er die
Situation von nun an persönlich in die Hand nehmen musste. Objekt Nummer
2-65-49557 würde gefunden werden, die Tests würden beendet und das Programm in
Gang gesetzt werden.
Dana
Scully, dachte der Mann, deine Zeit ist abgelaufen.
MITTWOCH
Die
Wahrheit war: Rain war wirklich ganz schön schräg.
Nicht
schräg auf eine vulgäre oder geschmacklose oder erschreckende Art. Nicht schräg
als schaurig oder angsteinflößend oder gespenstig. Schräg als ungewöhnlich und
exzentrisch und... eben *interessant*.
Rain
hasste es, wenn alles zu normal war.
Das
war der wahre Grund, warum sie aus ihrer Heimatstadt ausgezogen war. Nicht,
dass dort auch seltsame Dinge passierten—das war mit Sicherheit so von Zeit zu
Zeit. Aber wenn sie passierten, waren sie nicht seltsam genug für Rain. Es war
gewohnt seltsam und demzufolge schlichtweg langweilig. Deswegen war sie noch in
derselben Woche, in der sie ihren Highschool-Abschluss gemacht hatte abgehauen.
Sie hatte Angst, eine von diesen Alltags-Frauen zu werden, die einen stinknormalen
Typen heiraten und ein paar stinknormale Kinder großziehen und ein steifes,
ödes und völlig zu vergessendes Leben führen bis sie sterben und im Friedhof
nebenan begraben werden.
Außerdem
wusste sie, dass da draußen die weite Welt auf sie wartete, und dass es
irgendwo Leute gab, die genauso schräg wie sie waren. Wenn sie sie finden
würde, würde wohl alles in Ordnung kommen. Also hatte Rain nach ihrem Abschluss
die paar Sachen gepackt, die ihr etwas bedeuteten, und sich auf nach Westen
gemacht, um ihrer Suche wenigstens einen Anfang zu machen.
Es
war keine Überraschung, dass sie in Los Angeles landete. Rain hatte einmal
einen Witz über L.A. gehört, dass dort nur ein Haufen Idioten und Kaputte
lebten, und obwohl sie sich nicht mehr an die Pointe erinnern konnte, musste
sie zugeben, dass wenigstens ein Fünkchen Wahrheit darin steckte.
Rain
wohnte in Hollywood. Die Stadt, nicht der Wunschgedanke. Als sie das erste Mal
hierhin gekommen war, war sie überrascht gewesen, dass es zwischen den beiden
einen Unterschied gab. Die meisten der Filmstars und Filmemachern lebten nicht
wirklich *in* Hollywood. Der größte Teil von ihnen wohnte weiter im Westen, wie
Beverly Hills oder Brentwood. Oder im Norden, oben in einem der Canyons. Die
Reichsten wohnten in Malibu.
Und
das ließ in der eigentlichen Stadt Hollywood Platz für Leute wie sie. Die
Schrägen, die Exzentrischen, die nirgendwo sonst hinpassten. Natürlich hatte
Rain ihre Wahl gehabt. Sie würde noch weiter im Westen wohnen, in Los Feliz
oder Silverlake oder vielleicht unten in Venice bei all den Künstlern, aber im
Moment waren die Mieten dort zu hoch. Und außerdem passte ihr Hollywood ganz
gut. Es war seltsam und ungewöhnlich und einzigartig. Es war ein Zuhause.
Rain
ließ diese Gedanken durch ihren Kopf wandern in der Hoffnung, dass einer von
ihnen ihre Vorstellungskraft antreiben würde und ihr eine Idee für ihr Songbuch
geben würde. Ihr waren seit Tagen keine richtigen Ideen mehr gekommen, trotz
der neuen Melodie, die ihr schon die ganze Zeit im Hirn herumspukte. Sie hatte
die Melodie, aber nicht den Text, und das trieb sie zum Wahnsinn.
Sie
summte leise vor sich hin und spielte ein paar Akkorde auf der Gitarre. Dann zog sie ihren Ärmel hoch und sah auf die
Uhr. Sie musste bald auf der Arbeit sein, sie konnte es sich nicht leisten,
viel länger hier auf der Treppe von Cedrics Geschäft zu bleiben. "Ich
komme zu spät, ich komme zu spät", sang sie still vor sich hin als
armselige Begleitung zu der Musik.
Nicht,
dass es wirklich etwas ausmachen würde. Das Tolle an ihrem Job war, dass Louie
so unkompliziert war. Man könnte ihn tagelang an den Empfang des Hollywood
Plaza Motels setzen, und das einzige, was ihn stören würde wäre, kein Alkohol
zu bekommen. Also im Grunde machte es ihm nichts aus, wenn sie zu spät kam.
Wenn sie mit einem Wahnsinns-Kater zur Vormittagsschicht zur Tür
hineingestolpert kam. Oder wenn sie sich in der Mittagspause mal wieder viel zu
lange in der Lobby des Capitol Records Gebäudes herumtrieb, um zu sehen, ob
nicht irgendjemand Interessantes dort aufkreuzte. Oder wenn sie früher ging, um
irgendeine Band am Troubadour spielen zu sehen in der Hoffnung, vielleicht
einen Song mitsingen zu können.
Louie
war cool, und er war total schräg und Rain liebte ihn dafür. Er musste
mindestens sechzig sein, aber er trug seine langen grauen Haare offen auf den
Schultern und seine Lieblings-T-Shirts waren die von Led Zeppelin. Rain war
sich sicher, dass er mindestens sein halbes Leben in diesem schäbigen Motel verbracht
hatte. Es war nicht gerade ein Ort, der Freunde oder Gäste von Einwohnern
anlockte, und es war auch nicht die Art Motel, wo Touristen mit Geld
übernachten würden. Den größten Umsatz machte es durch Leute, die hierher
kamen, um sich auszuruhen und die die normalen Preise bezahlten, als ob sie
wirklich planten zu schlafen, anstatt Sex zu haben. All die anderen Gäste waren
gewöhnliche Leute, die am Busbahnhof drüben auf der Vine Street ankamen und
nach einer Möglichkeit suchten, sich eine Runde hinzulegen, bevor sie den
nächsten Bus woandershin nahmen.
Rain
war das ganz recht, weil es bedeutete, dass die Leute, die normalerweise ein-
und auscheckten, ebenfalls schräg waren—oder zumindest interessant. Und
interessant war fast genauso cool wie schräg. Manchmal waren sie allerdings
geradewegs angsteinflößend. Sie war erst
zweiundzwanzig (Ende April dreiundzwanzig, fügte sie immer gerne hinzu, weil es
sich besser anhörte), doch sie war nicht so naiv, um nicht zu wissen, dass
nicht jeder Gast des Motels eine saubere Weste hatte. Und genau aus diesem
Grund war sie froh über die Waffe, die Louie in einer Schublade unter dem Tisch
des Empfangs behielt, und froh darüber, dass er ihr gezeigt hatte, wie man
damit umgeht.
"Ich
habe eine Knarre", sang sie vor sich hin. "Ich habe eine Knarre und
ich weiß wie man sie benutzt..."
"Willst
du mich etwa erschießen, Kleine?"
Rain
sah auf und sah Tyrone vor sich stehen, dessen blaue Augen sie anblitzten als
er sie angrinste, Zigarette in der Hand. Er hatte seinen typischen Tyrone Look
an, ein enges schwarzes T-Shirt mit dazu passenden ebenso engen und verblassten
Jeans. Sein Gesicht und seine Arme waren gebräunt und seine lockigen braunen
Haare waren immer perfekt gestylt. Wenn er an Rains Heimatort auftauchen würde,
würde er glatt ein großes Risiko eingehen, aber hier in Boys Town war er
lediglich einer von vielen attraktiven Typen.
"Ich
sollte dich erschießen", sagte sie zu ihm, "dafür, dass du ohne
Mantel rumrennst. Ich meine, es ist *November*. Du fängst dir noch eine Erkältung."
Tyrone
zuckte mit den Schultern und setzte sich auf die Treppe neben sie. "Ich
komme gerade aus der Sporthalle, ich bin aufgewärmt."
"Krass",
stöhnte Rain. "Jetzt bin ich mir *sicher*, dass du dir den Tod
holst."
"Fang
nicht an mit dem Scheiß", ärgerte Tyrone sie. "Ich habe schon eine
Mutter. Außerdem", fügte er hinzu und zeigte dabei mit einer verächtlichen
Handgelenkbewegung auf ihre abgenutzte Motorradjacke, "das Ding war du da
an hast, verdient noch nicht einmal die Bezeichnung 'Jacke'."
"Scheiß
drauf", sagte Rain und legte vorsichtig ihre Gitarre in den Koffer, der
vor ihr lag. "Gib mal 'ne Zigarette."
Tyrone
widersprach nicht und war auch ein Gentleman, als er ihr Feuer gab. "Wie
lange sitzt du schon hier?"
Rain
zog ihren Ärmel zurück, um auf die Uhr zu sehen. "Weiß nicht... ein paar
Stunden."
"Alter!"
bemerkte, Tyrone. "Hast du nichts Besseres zu tun als hier
rumzuhängen?"
"Was
soll ich denn machen, auf der Promenade spazieren gehen?" Rain kratzte
sich am Kopf und fuhr sich mit den Fingern durch ihr zerzaustes, hellblondes
Haar. Ein Typ in einer Bar hatte ihr gestern gesagt, sie hätte Haare wie Mag
Ryan, was sie schon fast dazu gebracht hätte, es sich auf der Stelle lila zu
färben. Sie hatte es nur nicht gemacht, weil lila nicht gerade die Lieblings-Haarfarbe
der Leute war, die ihre Art Musik mochten— und sie wollte möglichen Erfolg
nicht wegen Eitelkeit sausen lassen.
"Außerdem",
fuhr sie fort, "habe ich gearbeitet. Songs schreiben. Üben. Du weißt
schon."
"Oh,
ja, ich *weiß* schon." Was Tyrone da sagte, machte keinen Sinn, aber 'kein
Sinn' war Tyrones Spezialität.
"Hast
du den Schlüssel nachmachen lassen?"
"Ja.
Ich habe sie alle machen lassen." Er nahm einen Zug von seiner Zigarette
und fragte dann, "Bist du dir sicher mit der Sache? Ich meine, du kennst
diese Leute nicht einmal."
"Was
soll ich da kennen?" Rain sah ihn mit einem Unschuldsblick an. "Es
sind nette Leute, da bin ich mir sicher. Und sie brauchen was, wo sie sich
hinhauen können. Und Justin wird nicht vor nächstem Jahr zurück sein, wenn
überhaupt."
Justin
war wahrscheinlich der erfolgreichste Mensch, den Rain in L.A. persönlich kannte. Er war ein Freund von
Tyrone und Cedric aus der Bar. Er machte Geschäfte, stattete Firmen mit
Internet-Software aus. Er verdiente eine Menge Geld und er teilte sich die Zeit
ein wie er wollte, was ihm viele Gelegenheiten gab, seinen beiden Hobbys
nachzugehen: Sport und Dates, am besten miteinander
verbunden.
Mit
diesem Gedanken fügte Rain noch flüsternd hinzu, "Ich denke sogar nicht,
dass er vor Ende der Skisaison zurück kommt, wenn du's wirklich wissen
willst."
"Jaja,
Skisaison." Noch ein typischer unsinniger Tyrone-Kommentar.
"Es
ist perfekt." Rain bestand auf ihren Plan. "Wir beide brauchen das
Geld, und Justin wird nie einen Ton davon erfahren. Außerdem hat er seine ganze
Computerausrüstung mitgenommen, also gibt es nichts, was geklaut werden könnte.
"Die
Stereoanlage", sagte er. "Sie könnten die Stereoanlage klauen."
Rain
rollte die Augen. "Ja, klar, als ob sie die *Stereoanlage* mitnehmen! Sie
sind mit dem Bus und einer Tasche Gepäck gekommen, und du denkst, dass sie mit
der kompletten Ausrüstung abhauen werden. Ja, stimmt, es sind
Stereoanlagen-Diebe."
"Sie
könnten welche sein." Tyrone nickte nachdenklich. "Sie könnten die
Experten-Diebe von Audio- und Videoausrüstung sein. So machen die vielleicht
ihre Kohle. Du weißt schon, sie finden das Zeug und verscherbeln es."
"Tyrone",
sie ließ ein langes genervtes Seufzen los. "Ich werde das nicht einmal mit
einer Antwort würdigen. Du hast se nicht mehr alle, weißt du das?"
"Und
du liebst das, Kleine." Er setzte sein spitzbübisches Grinsen wieder auf
und Rain musste lächeln.
"Ich
liebe es vielleicht, aber ich rede kein Wort mehr mit dir, wenn du's
versaust." Rain fixiert ihn mit ernstem Blick und öffnete ihre Augen so
weit wie möglich. "Ich *brauche* dieses Geld. Und ich will, dass du mir
Justins Schlüssel gibst."
Tyrone
erwiderte nichts darauf. Er ließ seine Kippe fallen und drückte sie mit dem Fuß
aus. Rain fasste sein Schweigen als Aufforderung auf weiter zu reden.
"Er
hat gesagt, es sei nur für eine Woche oder zwei, vielleicht sogar kürzer. Und
ich gehe da rüber und passe auf, dass die *Stereoanlage* nicht weg kommt. Ich
werde sogar die Blumen gießen", versprach sie und machte ihre eigene
Zigarette aus. "Du musst überhaupt nichts machen."
"Nichts
außer dir die Schlüssel zu geben."
"Und
ich gebe dir die Hälfte des Geldes!" Sie wurde langsam frustriert.
"Ich halte das für mehr als fair!"
Das
Geräusch der Tür, die hinter ihnen geöffnet wurde, unterbrach die eskalierende
Diskussion. "Was ist mehr als fair? Darf ich das auch wissen?"
Rain
und Tyrone drehten sich um und sahen Cedric hereinkommen, eine gebräunte Hand
auf seiner Hüfte, die andere hielt die Tür auf. "Ich meine, alles ist fair
im Krieg und der Liebe, stimmts?"
Rain
war insgeheim in Cedric verliebt. Er war mit Abstand der schönste Mann, den sie
je gesehen hatte. Halb Jamaikaner, halb Ire. Er war in der Karibik aufgewachsen
und sprach Französisch genauso fließend wie Englisch. Seine Haut war
kaffeebraun und er trug seine schwarzen Haare in kunstvollen Zöpfen. Das
Auffälligste an Cedric waren seine Augen, die das Grün von Smaragden hatten und
denen absolut nichts fehlte. Sie bewunderte ihn, und wenn sie die Welt ändern
könnte so, wie sie es wollte, würde sie als erstes dafür sorgen, dass er in
ihrem Team spielte.
Tyrone
lächelte beim Anblick seines Lovers. "Verdienst du jetzt deinen
Lebensunterhalt mit dem Belauschen anderer Leute?"
"Nur,
wenn es etwas Interessantes zu hören gibt", erwiderte Cedric und beugte
sich zu Tyrone, um ihm einen Kuss zu geben. Als er zurück zog, runzelte er die
Stirn. "Du hast wieder geraucht."
"Und
was gibt's noch Neues?" antwortete Tyrone wie gewöhnlich.
"Das
wird dich noch umbringen, Schätzchen", sagte Cedric, doch Tyrone zuckte
nur mit den Schultern.
Rain
hatte solche Diskussionen schon tausendmal erlebt, sie endeten immer auf die
gleiche Weise. Heute hatte sie einfach keine Lust dazu. "Bist du hier drin
fertig, Cedric?" fragte sie. "Ich muss zur Arbeit."
"Noch
zwanzig Minuten oder so. Dann geht's ab mit Rock 'n Roll."
"Cool",
freute sich Tyrone. "Zeit für M&M. Kommst du mit, Rain?"
"Ich
muss arbeiten, schon vergessen?" Rain war nicht unbedingt traurig mit
dieser Tatsache, denn sie war gerade nicht unbedingt in Stimmung für Margaritas
bei Marix, das mexikanische Restaurant im Herzen von West Hollywood. Im Sommer
war es vollgepackt mit geeigneten jungen Männern, die literweise eiskalte
Drinks in sich rein kippten, um der Hitze von Los Angeles zu entfliehen, und
sogar im Winter war es immer noch der beste Ort, um Kerle bzw. Frauen
anzubaggern.
Das
ist mein Leben, dachte sie und schüttelte fast den Kopf, als sie die Absurdität
dessen erkannte. Meine zwei besten Freunde sind ein weißer Typ namens Tyrone
und ein schwarzer namens Cedric, die nichts lieber wollen, als sich mit mir in Gay-Bars herumzutreiben.
Laut
sagte sie, "Aber Louie kommt um Mitternacht zurück. Also, wenn ihr danach
in den Club 80s geht, bin ich dabei."
Das
ist mein Leben, wiederholte Rain zu sich selbst mit einem verdecken Lächeln.
Und ich liebe es.
"Cool",
sagte Cedric. "Warte noch kurz, dann bin ich fertig." Damit
verschwand er wieder drinnen und die Tür fiel hinter ihm zu.
Wieder
allein mit Tyrone, nahm Rain wieder ihre Attacke auf. "Okay, also bist du
dabei oder nicht? Weil wenn nicht, muss ich mir was anderes ausdenken."
Tyrone
schüttelte eine weitere Zigarette aus seiner Packung und zündete sie an.
"Warum können die nicht bei dir bleiben?"
"Oh",
Rain zog eine Grimasse. "Als ob sie das könnten." Ehrlich gesagt
hatte Rain daran schon gedacht, aber sie hatte nicht einmal genug Platz für
sich selbst in dem kleinen Studio, das sie oben in Franklin gemietet
hatte. Außerdem würde sie Ashley nie
dazu überreden können. Ashley Fisher war die Frau, der das Haus gehörte, eine
unverheiratete, karrierebesessene Vorsitzende einer Werbeagentur. Obwohl Ashley
auszuhalten war, war sie überaus pingelig mit ihren Regeln. Weitere Gäste kamen
absolut nicht in Frage.
"Das
ist die einzige Möglichkeit, Tyrone. Und es ist die einzige, die Sinn macht.
Also, sei kein Idiot, indem du uns beiden ein nettes Sümmchen durch die Lappen
gehen lässt. Das ist Cash auf die Kralle, Mann. Und das sollte dir etwas
bedeuten, es sei denn du hast bei Rocket Video eine Gehaltserhöhung
bekommen."
Tyrone
machte sich nichts aus ihrer Spöttelei, sondern zog gemütlich an seinem
Glimmstängel und blies den Rauch in aller Ruhe aus. "Sag mir noch einmal,
wie alles dazu gekommen ist." Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu,
aber er ignorierte ihn. "Was?" sagte er langgezogen. "Es ist ja
nicht so, dass wir keine Zeit hätten."
"Okay",
seufzte Rain und bediente sich noch einmal aus seiner Zigarettenpackung. Wenn
er Geschichten hören wollte, sollte er sie auch bekommen.
ende
von kapitel eins
STADTGRENZEN Kapitel 2
von
Nicole Perry
(
nvrgrim@aol.com )
5/7/99
aus
dem Englischen übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de >
An
einem Montagnachmittag [oder so, an dem ihre Geschichte begann], saß Rain am
Empfang des Motels mit ihrer Aufmerksamkeit abwechselnd auf eine Wiederholung
irgendeiner dummen Sitcom und der LA Weekly gerichtet, in der sie
Konzerttermine las, als die Tür aufging. Ein Mann und eine Frau kamen herein
und von der Sekunde an, in der sie den Raum betraten, hatten sie Rains völlige
Aufmerksamkeit.
Krass!, dachte sie aufgeregt.
Der
Mann war groß und dünn und hager, und er hatte eine große Tasche in einer Hand.
Seine andere lag auf dem Arm der Frau, mit der er sie zweifellos durch die
Lobby führte. Zweifellos, weil es jedem, der die Frau sah
klar war, dass sie trotz des strahlenden Blaus ihrer Augen völlig blind
war. Die Frau war viel kleiner als der Mann, aber sie sah nicht weniger
erschöpft aus. Und es war offensichtlich, dass wo immer sie auch herkamen, sie
sehr lange gebraucht haben, um hierher zu kommen.
*So*
krass, dachte Rain und legte ihre Zeitung beiseite. "Kann ich Ihnen
helfen?" fragte sie mit einem überraschend normalen Ton. "Wir hätten
gerne ein Zimmer", sagte der Mann. "Wie teuer sind die?"
"Fünfundsiebzig
für ein Einzel, neunzig für ein Doppel und einhunderteins für ein King",
antwortete Rain automatisch. Die Preise waren gemessen an der Qualität der Zimmer
hoch, aber es war trotzdem ein Schnäppchen in LA, sogar in dieser Gegend.
Der
Mann nickte und ließ den Arm der Frau los, um sein Portemonnaie aus der
hinteren Tasche seiner Jeans zu holen. Er sah nach und sagte, "Wir nehmen
ein King."
Sie
teilen ein Bett, dachte Rain und grübelte, wie sich wohl getroffen haben
mochten. Sie behielt jedoch ihren professionellen Gesichtsausdruck und fragte,
"Nur für eine Nacht?"
"Fürs
erste ja", sagte der Mann und reichte ihr ein paar zerknüllte Dollarnoten,
die schon einmal bessere Tage gesehen hatten.
Rain
nahm das Geld, steckte es in die Schublade und gab dem Mann sein Wechselgeld,
wonach sie sie im Computer eincheckte. "Ich werde Sie in Zimmer 304
unterbringen", sagte sie. "Es ist im dritten Stock, der Aufzug ist
dort drüben." Sie tippte die Zimmernummer ein und sah dann zu dem Mann
auf. "Wie heißen Sie?"
Der
Mann zögerte für nur eine Sekunde. "Ford. Rick und Lisa Ford."
Schneller
mit dem Alias als die meisten, dachte Rain, als sie den Namen eingab. Dann
drehte sie sich nach hinten zu dem Schlüsselbrett um und riss Nummer 304 von
seinem Haken. "Bitte schön, Mr. Ford. Wenn Sie irgendetwas brauchen,
wählen Sie einfach die Null und Sie haben den Empfang am Apparat. Wenn Sie nach
draußen anrufen möchten, kostet es $.45 für ein Ortsgespräch, außerorts kostet
es extra. Wählen Sie einfach einen Neun davor."
"Danke",
sagte der Mann und nahm den Schlüssel entgegen. Dann wandte er sich wieder der
Frau zu und nahm sie beim Arm. Erst dann fiel Rain auf, dass die Frau nicht ein
einziges Wort während des ganzen Gesprächs gesagt hatte. Sie war still wie eine
Sphinx und schien ebenso distanziert. Ihr Gesicht war von ihren langen dunklen
Haaren verdeckt.
*Echt
krass* dachte Rain, die ihre Augen nicht von dem Paar nehmen konnte. Sie beobachtete,
wie sie im Aufzug verschwanden und war mehr als nur ein wenig enttäuscht, als
sie wieder alleine war.
Allerdings
hielt ihre Enttäuschung nicht lange an. Der Mann, Rick, war schon zwanzig
Minuten später wieder in der Lobby. Als er zu ihr an den Empfang kam, fragte
er, "Gibt es hier in der Nähe etwas, wo man schnell etwas Vernünftiges zu
Essen bekommt?"
"Ja",
antwortete Rain, "es gibt einen McDonalds bei der Bushaltestelle."
Rick schüttelte den Kopf. "Und weiter?"
"Das
ist Hollywood", grinste sie. "Sie können alles bekommen, was Sie
möchten. Indisch, Thai, Mexikanisch, Italienisch. Da ist ein guter Chinese ein
paar Blocks weiter."
"Und
welches ist das Beste?"
Rain
dachte einen Moment nach. Sie ging nicht oft essen, denn sie zog einen Happen
in ihren eigenen vier Wänden vor, weil sie das Geld, das sie verdiente, lieber
sparen wollte. "Ich würde den Mexikaner oder den Chinesen nehmen."
Dann, nach einem Moment, "Möchten Sie dort essen? Oder nur holen
gehen?"
"Letzteres",
sagte Rick, der offensichtlich von der Sorte Mann war, die nicht viele Worte
brauchte. Es war eine Fähigkeit, die Rain sich nie wirklich aneignen konnte.
"Also
der Chinese", riet sie. "Es ist den Weg dahin wert—sie laden eine
Menge Reis auf die Teller. Sie werden Tage daran essen."
"Hört
sich gut an." Er blickte auf die LA Weekly, die es wieder direkt vor Rain
auf den Tisch geschafft hatte. Stehen da auch Kleinanzeigen drin? Für
Apartments und so?"
"Klar",
sagte Rain und blätterte die Musik Rubrik weiter, um ihm die hinteren Seiten
mit den Anzeigen zu zeigen. "Alles mögliche. Suchen Sie nach einer
Wohnung?"
"Nur
vorübergehend", antwortete er. "Wo bekomme ich so eine?"
"Überall",
sagte sie, denn es war wirklich so. Allerdings hatte sie die Zeitung schon so
gut wie durch, und das neue Anne Rice Buch brannte schon ein Loch in ihren
Rucksack. "Sie können die hier haben. Ich hab' sie durch."
Rain
klappte das Blatt zu und reichte es ihm. Rick klemmte es sich unter den Arm und
bedankte sich lächelnd. "Danke." Dann drehte er sich um und ging zur
Tür.
Sie
sah ihm nach, bis er nicht mehr zu sehen war, und fasste einen Plan. Es schien
zwar ein bisschen verrückt, aber das waren gute Ideen eigentlich immer.
Außerdem wollte sie nicht, dass Rick und seine 'Frau' wieder schnell wieder aus
ihrem Leben verschwinden, wie sie aufgetaucht waren. Durch die beiden hörte sie
plötzlich eine Musik in ihrem Kopf, die sie dazu inspirierte, einen Text zu der
Melodie zu finden. Inspiration, das wusste sie, waren Gold wert—und wenn es ihr
ein bisschen Cash bringen würde, wäre es das Risiko wert.
Und
sie war sich ziemlich sicher, dass Tyrone genauso darüber denken würde.
Als
Rick mit ein paar schweren weißen Tüten zurück kam, war ihr Plan zur Ausführung
bereit. Allerdings machten ihr die Gäste, die sie am Empfang bedienen musste,
einen Strich durch die Rechnung. Es war auch ein Pärchen, aber von einer völlig
anderen Sorte, die
wir-brauchen-das-Zimmer-wirklich-nicht-für-die-ganze-Nacht-Sorte. Rain war sich
ziemlich sicher, dass die beiden minderjährig waren; zumindest das Mädchen, bei
dem Jungen war sie sich nicht ganz sicher. Aber Gäste waren Gäste und Geld war
Geld und sie checkte sie ein, wohl wissend, dass Louie es nicht wollen würde,
dass sie es ihnen verweigerte.
Als
sie mit ihnen fertig war, war Rick bereits im Aufzug verschwunden. Aber das
schreckte Rain nicht ab. Wenn sie einmal ein Ziel vor Augen hatte, verlor sie
es nicht wieder so leicht. Sie griff unter den Tisch und holte das Schild
hervor, das Louie immer benutzte, wenn er sich mal wieder einen Drink holen
musste, und hängte es an die Eingangstüre. Auf dem Schild stand "Bin in
fünf Minuten zurück", und obwohl sie lediglich die leere Rückseite des
Pappkartonschildes sah, wusste sie, dass man es draußen auf der Straße durch
das Glas gut lesen konnte. Dann schloss sie die Vordertür ab und nahm den
Aufzug nach oben.
Im
dritten Stock war es fast völlig still, ausgenommen von dem gedämpften
Gebrabbel des Fernsehers am anderen Ende des Gangs zur Linken. Rain ignorierte
es und wandte sich zu dem Gang zu ihrer Rechten, und las während sie ging die
Zimmernummern an den Türen, bis sie sich vor #304 vorfand. Sie sammelte allen
Mut zusammen und klopfte dreimal, so offiziell wie möglich. Sie erhielt keine Antwort, aber als sie ihr
Ohr an die Tür legte, konnte sie das Geräusch von laufendem Wasser hören. Also
klopfte sie noch einmal.
Nach
einem Moment hörte sie eine leise, unbestritten weibliche Stimme durch die
Türe. "Ja?"
"Hier
ist Rain", rief sie. "Vom Empfang unten." Stille, lange Stille.
Dann. "Was wollen Sie?" Ihr Geld, dachte Rain.
"Ich
möchte nur kurz mit Ihnen reden."
Wieder
keine Antwort, allerdings hörte Rain jetzt Schritte, die leiser wurden, als sie
sich von der Tür wegbewegten. Rain blieb stehen und wartete, und dann hörte das
laufende Wasser auf. Sie merkte, dass sie schon länger als fünf Minuten hier
oben war, bevor die Tür überhaupt geöffnet wurde.
Rick
machte ihr auf. Er hatte ein Handtuch um seine Hüften gebunden und aus seinen
Haaren tropfte das Wasser von der Dusche. "Was ist los?" fragte er,
aber Rain konnte nicht sofort antworten, denn sie starrte wie benommen auf
seine nackte Brust, auf der das Wasser in kleinen Bächen herunter rann. Er war
schlank und braungebrannt, jeder Muskel ohne ein Gramm Fett.
"Was
ist los?" wiederholte Rick und Rain leckte sich unbewusst mit der Zunge
über die Lippen, als sie nach den Worten suchte, die aus ihrem benebelten Hirn
gewichen waren.
"Sie...
Sie suchen nach einer Unterkunft?" Sie hörte, wie ihre Stimme eine Oktave
höher wurde, wie die irgendeines dummen Schulkindes, und sie riss sich
zusammen. "In der Zeitung. Die Weekly. Ich meine, ich hatte den Eindruck,
dass sie nach einer Wohnung suchen."
"Und?"
Über
Ricks Schulter hinweg konnte Rain die Frau neben dem Bett stehen sehen, und da
sie ihm nicht in die Augen sehen konnte, hielt sie ihren Blick stattdessen auf
sie gerichtet. "Ich hätte vielleicht... ich hätte vielleicht etwas für
Sie. Sie könnten es mieten. Vorausgesetzt es ist nur vorübergehend. Und
Barzahlung."
"Wo?"
"Es
ist die Wohnung eines Freundes. Ganz nett. Wirklich nett. Möbliert und
alles." Irgendwie war alles ein wenig holprig und Rain wünschte sich auf
einmal, dass sie nie hier hoch gekommen wäre.
"Warum
sagen Sie mir das?" Seine Worte klangen schroff, aber Rain sah nichts als
pure Neugier in Ricks Gesicht, und das gab ihr Mut.
"Weil",
gab sie zu, "ich das Geld brauche." Und nach einem Moment fügte sie
mutig hinzu, "Und weil Sie nicht von der Sorte zu sein scheinen, die gerne
eine Menge Fragen beantwortet. Und ich bin nicht die Sorte Mädchen, die sie gerne
stellt."
Er
starrte sie für einen langen, nachdenklichen Augenblick an, und Rain war froh,
dass sie ihm die Wahrheit gesagt hatte. Irgendwie nahm sie an, dass er es
merken würde, wenn sie log.
"Wir
denken darüber nach", sagte er letztendlich, und sie fühlte das Blut wieder
in ihren Adern pulsieren. "Danke."
"Gern
geschehen", erwiderte sie. "Ich habe bis Mitternacht Schicht. Und
dann bin ich wieder morgen Nachmittag hier."
Rick
nickte und schloss die Tür. Rain wusste nicht, ob sie jetzt über die
bevorstehenden Möglichkeiten aufgeregt sein sollte oder froh darüber, dass die
Unterhaltung vorbei war. Unentschlossen ging sie wieder zurück nach unten.
Einige
Stunden und ein paar Anne Rice Kapitel später bekam Rain ihre Antwort. Das
'Ding' der Klingel kündigte die Ankunft des Aufzugs an, dann trat Rick heraus.
Er wartete, bis er direkt vor ihr am Empfang stand, bevor er sprach.
"Sie
haben einen Deal", sagte er ihr, "vorausgesetzt, die Wohnung ist okay
und der Preis stimmt. Und solange Sie wirklich meinen, was sie über 'keine
Fragen' sagten."
"Ich
meine es", antwortet Rain, obwohl ihr in diesem Moment hunderte Fragen
einfielen, von denen sie zuvor nicht gedacht hatte, sie zu stellen. "Versprochen."
"Rain?"
Er
sagte ihren Namen als eine Frage. Sie nickte und streckte ihre Hand aus.
"Rain Meyer." Es war fast die Wahrheit; immerhin, war sie sich
sicher, dass er ein Alias benutzte, deswegen musste er wirklich nicht erfahren,
dass ihr echter Name Leah war.
"Schön,
Sie kennenzulernen, Rain."
"Sie
auch, Rick."
Rick
nickte, aber sagte nichts weiter, sondern drehte sich nur wieder zurück zum
Aufzug, dessen Türen noch offenstanden. "Morgen, dann", sagte er über
seine Schulter.
"Morgen",
echote Rain. Als die Türen des Aufzugs zuknallten und ihn aus ihrem Blickfeld
nahmen, sah sie hoch zu der Uhr an der Wand.
Es
war genau 23.58 Uhr.
"Also,
das ist alles?" Tyrone rückte ein Stück auf der Treppe und kam dabei mit
dem Fuß gefährlich nahe an die Gitarre heran. Blödes Ding. War immer im Weg.
"Das ist die ganze Geschichte?"
"So
ziemlich", sagte Rain. "Ich meine, es war Montagabend. Als ich
gestern hereingekommen bin, waren sie nicht da. Ich habe bei ihnen im Zimmer
angerufen, aber da war auch keiner. Sie sind ungefähr um fünf in der Lobby
aufgetaucht, ich nehme an, sie sind sich ein Auto kaufen gegangen. Irgendeinen
alten Volvo—ich habe ihm gesagt, er soll ihn einfach draußen auf der Straße
parken. Er wollte sich die Wohnung schon ansehen, aber ich habe ihm gesagt,
dass ich dich nicht erreichen könnte, also müssen wir das heute machen."
Tyrone
nickte langsam, und überlegte. "Und wie bist du schließlich hierher
gekommen?"
Sie
zuckte mit den Schultern und nahm sich noch eine weitere Zigarette. Wenn sie so
weitermachte, würde sie ihm eine neue Packung schulden. "Er hat um Rat
gebeten. Und ich habe ihm einen gegeben. Cedric braucht die Scheine genauso wie
wir. Außerdem macht der Laden mittwochs immer früh zu, also sind nicht viele
Leute da und das passt ihnen ganz gut."
"Kleine,
du hast ein Herz so groß wie ein Hotel. Ich weiß bloß nicht, ob das gut ist
oder die Eintrittskarte zu einem Riesenhaufen Probleme."
"Ersteres",
versicherte sie ihm und blickte wieder auf die Uhr. "Scheiße",
stöhnte sie. "Ich komme *definitiv* zu spät zu meiner Schicht."
"Dann",
schlug Tyrone vor, "könnten wir das ganze doch morgen machen. Dann kannst
du sie auch da rein lassen."
Was
sie betraf, war ihr morgen genauso recht wie jeder andere Tag auch. Er hatte
allerdings immer noch seine Zweifel bei der ganzen Angelegenheit. Er hatte die
Schlüssel machen lassen, weil er nicht ohne sie hier antanzen wollte. Kein Zorn
auf der Welt war so schlimm, wie der einer wütenden Rain. Tyrone mochte sie;
sie war eine gute Freundin, und sie wusste, wie man Party machte. Aber sie
hatte die Tendenz zu handeln bevor sie nachdachte, und das machte ihn mehr als
nur ein wenig nervös.
"Das
läuft nicht", stöhnte Rain. "Nicht bei mir. Außerdem habe ich
versprochen, dass...."
In
dem Moment öffnete sich die Hintertür des Ladens und Cedric erschien mit einem
zufriedenen Grinsen auf seinem Gesicht. "Fertig", verkündete er.
"Seht euch mal an, was ich gemacht habe."
Rain
stand auf und Tyrone stellte sich neben sie, um sich das mysteriöse Paar
anzusehen. Er hatte einen leichten Nachteil, weil er das "Vorher" zu
diesem "Nachher" nicht gesehen hatte, aber er war sich sicher, dass
Cedric wieder mal seine Magie hat spielen lassen. Das war nicht sonderlich
überraschend; Tyrone war der Meinung, dass Cedric fast ein Gott war.
Die
Haare der Frau waren kurz, wirklich kurz, ein Igelschnitt mit ein paar
Strähnen. Es sah so aus, als hätte Cedric es auch gefärbt; er hatte einen
vollen, dunklen Ton—fast schwarz—das irgendwie zu ihrer glatten, blassen Haut
passte. Er hielt nicht viel davon, sich Frauen anzusehen, aber diese hier war
auf jeden Fall hübsch, trotz der Tatsache, dass ihre blauen Augen
offensichtlich blind waren. Tyrone war insgeheim froh darüber, dass Rain es ihm
vorher verraten hatte, sonst würde er bestimmt ziemlich überrascht sein, sie so
ruhig hier stehen zu sehen—gemessen an den Umständen.
Der
Mann, fand Tyrone, war mehr wert als nur einen schnellen Blick. Dank Cedrics
geschickter Arbeit waren seine Haare hellblond mit Strähnen wie die eines
Surfers, kurz geschnitten und kunstvoll gestylt mit nur ein wenig Gel. Es würde
besser mit etwas mehr Bräune aussehen, das war sicher, und ein paar Stunden im
Fitnessstudio wär auch etwas, was der Arzt hätte
verschreiben können. Aber so dünn und mitgenommen er auch aussah, verdiente der
Mann ein näheres Betrachten. Er war schlank, aber offensichtlich gut bemuskelt
und seine volle Unterlippe war mehr als nur Grund genug, um das Geschäft
perfekt zu machen.
"Seht
euch das an", erklärte Tyrone mit einem unerwarteten Lächeln auf seinem
Gesicht. "Winona Ryder und Brad Pitt. Hey", fügte er hinzu, als er
das gesagt hatte, "sind die beiden nicht ein Paar?"
Cedric
lachte, aber Rain war es peinlich. Sie warf ihm einen Blick zu, der ihn glatt
zweiteilen könnte. "Nein, du Idiot. Winona ist mit Matt Damon zusammen.
Brad hat dieses Mädel aus 'Friends'. Ist auch egal." Mit einem leicht
frustrierten Kopfschütteln fügte sie hinzu, "Rick, Lisa, das ist mein
Freund Tyrone. Hört nicht auf ihn, er ist gaga. Ihr
zwei seht toll aus."
"Hey",
protestierte Tyrone, "ich mache nur Spaß." Er schüttelte beiden die
Hand und bemerkte dabei, dass Rick Lisa nicht aus den Augen ließ.
"Ich
kann mich nicht erinnern, meine Haare jemals so kurz getragen zu haben."
Lisa betastete neugierig ihre neue Frisur.
"Ja,
und ich war noch *nie* blond", Rick zog eine Grimasse des Unbehagens.
"Nicht einmal als Kind."
"Glaub
mir", versicherte Rain ihm, "ihr zwei seht total chic aus." Sie
legte ihren Kopf zur Seite und betrachtete die beiden. Lisa fummelte immer noch
an ihren Haaren und Rain hatte plötzlich eine Idee. Sie kramte in ihrem
Rucksack. "Lisa, ich glaube, ich habe hier etwas für dich."
Nach
einem Moment eifrigem Suchen zog Rain eine kleine Haarspange aus ihrer Tasche.
"Der letzte Schliff", sagte sie erfreut. "Halt still für eine
Sekunde." Sie beugte sich zu ihr, strich Lisas Strähnen zur Seite und
steckte sie mit der Spange fest, die aus vielen kleinen Rheinkieseln gemacht
war. "Jetzt sieht's klasse aus!" strahlte sie.
Lisa
betastete die Spange und lächelte schwach. "Danke, Rain."
"Wenn
die Musik-Kiste nicht hinhaut, gibt dir Cedric vielleicht einen Job",
grinste Tyrone. Er wandte sich zu Cedric und fügte hinzu, "Super gemacht,
Alter!"
"Was
soll ich sagen?" Cedric hob schulterzuckend beide Handflächen. "Ich
bin eben ein Genie, wenn es um Frisuren geht."
"Ja,
klar, du Genie", murmelte Tyrone, aber er zwinkerte seinem Lover dabei zu.
Alle
standen in betretener Stille, die durch Rain gebrochen wurde, als sie Cedric
eine Umarmung von Herzen gab und ihm dafür dankte, dass er wegen ihr
Überstunden machte. Rick und Lisa stimmten in das Dankeschön mit ein und dann
war es Zeit zu gehen. Tyrone holte die beiden Schlüsselbunde heraus und gab
einen davon Rain. Er versuchte, seine Nervosität herunterzuspielen, und dachte
daran, wie gut das Geld seiner beginnenden Schauspielkarriere tun würde. Doch
trotzdem hatte er immer noch einen allerletzten Anflug von Zweifel.
Hab
ein wenig Vertrauen, sagte er zu sich selbst und verbannte das Bild der
Stereoanlagendiebe aus seinem Kopf.
Rain
hielt die Schlüssel in einer Hand hoch und grinste breit. "Die Schlüssel
zu eurer neuen Hütte", verkündete sie stolz. "Und ab geht's mit Rock
'n Roll."
Jetzt,
dachte Tyrone, gibt es kein Zurück mehr.
ende
von kapitel zwei
STADTGRENZEN
Kapitel 3
von
Nicole Perry
(
nvrgrim@aol.com )
5/28/99
Fox
Mulder musste zugeben, dass sich die Idee mit dem Apartment doch als ziemlich
gut herausstellte. Es war in einer kleinen Straße kurz hinter dem – wie Rain es
nannte - 'Plaza '— eine Erweiterung des
Sunset Boulevards mit teuren Boutiquen und Restaurants. Sportwagen und trendig
gekleidete Passanten füllten den Boulevard selbst, aber ihre Straße war ruhig
und schien verhältnismäßig sicher.
Die
Wohnung war in einem Apartmentkomplex in Stil der 40er Jahre mit Garten und
Pool in der Mitte. Wäre es Sommer, würde Mulder wohl pausenlos in andere
Bewohner des Hauses laufen, aber zu dieser Jahreszeit schien das kein besonders
großes Problem zu sein. Die Wohnung, die dem Bekannten von Rain gehörte, war in
der Ecke im hinteren Teil und Mulder stellte zufrieden fest, dass es direkt
daneben eine Treppe gab, die in das daneben liegende unterirdische Parkhaus
führte. Das bedeutete also zwei Ausgänge: die Treppe herunter und das Tor vorne
zur Straße. So wie er die Sache sah, war die Möglichkeit in die Enge getrieben zu
werden nicht ganz so groß.
Rain
entriegelte die Tür und drückte sie auf. Sie trat
ein, damit die beiden ihr folgen konnten. Mulder führte Scully umsichtig durch
den Eingang und blickte sich anerkennend um. Er hatte vom ersten Moment an
seine Zweifel an dieser ganzen Geschichte gehabt, aber bis jetzt schien es
richtig gewesen zu sein, das Angebot angenommen zu haben.
"Es
ist nicht gerade die größte Wohnung", gab Rain zu, als sie das Licht
anknipste. "Ich meine, Justin lebt hier bloß allein. Aber es sollte für
Euch beide eigentlich reichen."
"Ja,
es ist in Ordnung", versicherte Mulder ihr, und je mehr er sich umsah,
desto mehr meinte er, was er sagte. Es gab vier Zimmer; okay, fünf, wenn man
den Esszimmerabschnitt dazu rechnete, der vom Wohnzimmer abzweigte. Das
Schlafzimmer und das Bad waren beide groß im Verhältnis zu allem anderen, und
die Küche war ein wahres Kunstwerk. Offensichtlich hat sie jemand eingerichtet,
der gerne kochte. Sie war gut möbliert, eine schöne zeitgemäße Einrichtung mit
vereinzelten ausgewählten Antiquitäten. Die ganze Wohnung war wohl von jemandem
mit gutem Geschmack und Sinn für Stil eingerichtet worden.
"Und?"
Scully sprach leise, ihre Worte galten nur für seine Ohren. "Wie ist es?
Okay?"
"Mehr
als okay, Lisa." Er nannte sie beim Decknamen, sogar als er flüsterte.
"Es ist toll."
Scully
lächelte ihn schwach an, doch sagte nichts weiter, und Mulders Bedenken stiegen
noch um ein weiteres Stück.
Irgendetwas
stimmte mit Scully nicht.
Mulder
wusste nicht was es war, nicht genau, und ihr Verhalten verriet kein Stück.
Mann, seit sie vor zwei Tagen in Los Angeles angekommen waren, hat sie kaum ein
Wort mit ihm gesprochen. Sie war die meiste Zeit still wie ein Geist gewesen,
viel schweigsamer und zurückhaltender als er sich seit dem Beginn ihrer Flucht
erinnern konnte. Sie vermied seine Fragen mit ihrem immerwährenden "Ich
bin okay" und "Alles in Ordnung", aber er kannte sie gut genug,
um zwischen den Zeilen zu lesen.
Ein
Teil von ihm nahm an, dass sie mit dem Resultat seines Anrufs bei den Schützen
an dem Abend, an dem sie angekommen waren, unglücklich war. Sie hatten es bis
jetzt noch nicht geschafft, eine handfeste Spur zu der Verbindung mit dem
Droperidol zu finden, was sicherlich niederschmetternd war. Andererseits war
Mulder erfreut gewesen, als er hörte, dass Frohike ihnen wohl ein Treffen mit
Dr. Robert Bard arrangieren könnte. Scully hatte weder auf die eine noch die
andere Neuigkeit sonderlich reagiert, und als Mulder sie gedrängt hatte, mit
ihm zu reden, hatte sie sich stockstur geweigert.
Was
Mulder aber am meisten zusetzte war, dass Scully sich auch sonst von ihm
abwandte. Sie ging nicht auf seine Versuche ein, bei ihr sein zu wollen und
ließ gerade mal einen oder zwei Küsse zu, bevor sie sich wegdrehte. Obwohl er
sich danach sehnte, bei ihr zu sein, schien sie sich plötzlich entziehen zu
wollen, und er wusste nicht so recht, wie er damit umgehen sollte.
Seine
paranoide Seite nahm die Möglichkeit an, dass sie während der relativ ruhigen
Busreise über ihre Beziehung nachgedacht und ihre Meinung darüber geändert
hatte. Und obwohl eine ganze Menge passiert war seit ihrer ersten Nacht
zusammen im Zug, war in Wirklichkeit lediglich eine Woche vergangen. Es war möglich, dass sie es sich anders
überlegt haben könnte. Um ehrlich zu sein, diese paranoide Seite an ihm bestand
geradezu auf die Tatsache, dass eine solche Meinungsänderung in der ersten
Woche einer Beziehung völlig nachvollziehbar ist. Zur Hölle, es passierte
wahrscheinlich pausenlos.
Allerdings
sah Mulder ihre Beziehung als viel älter an als nur eine Woche. Viel, viel
älter. Jahre alt, um genau zu sein. Sie war unter Umständen entstanden, die nie
ideal gewesen waren, sogar bevor sie aus D.C. weg mussten. Und trotzdem war sie
umso stärker geworden. Jedoch blieb am Ende immer noch eine unumstrittene
Wahrheit. Vor einer Woche hatten sie zusammen eine Grenze überschritten und
jetzt hatte er Angst, dass er nun alleine auf der anderen Seite stehen könnte.
Es
war sieben Tage her, seit sie sich zum ersten Mal geliebt hatten. Er konnte den
Gedanken nicht ertragen, dass er nie wieder die Möglichkeit dazu bekommen
würde.
Irgendwie
entglitt ihm alles. Sie entglitt ihm und das erschreckte ihn am meisten.
Im
Moment wusste er allerdings nicht, was er dagegen tun konnte. Also schob er
diesen Gedanken beiseite und führte Scully langsam durch den Raum, während er
Rain zuhörte, die die Grundlagen für ihre Abmachung erläuterte.
"Ihr
könnt alles benutzen was ihr wollt, wie Handtücher und Bettlaken und so
weiter", sagte Rain. "Ich kümmere mich dann hinterher darum, dass
alles gewaschen wird. Bleibt lediglich aus Justins Schränken und seinem
persönlichen Kram heraus." Sie kicherte ein wenig und fügt hinzu,
"Und benutzt die Stereoanlage nicht. Und wenn ihr doch Musik hören
möchtet, dann bitte nur leise. Tyrone ist da sehr zimperlich."
Mulder
zuckte die Schultern. "Sag ihm, er braucht sich keine Sorgen zu machen.
Wir lassen die Anlage aus."
Als
sie ihren Rundgang beendet hatten, schenkte Rain ihnen ein süßes Lächeln und
spielte mit einer Locke ihres wirren Haares. "Und? Mögt ihr's?"
"Es
ist toll", antwortete Mulder. "Sogar besser, als ich erwartete
hatte."
"Gut."
Rains Lächeln verschwand und sie setzte einen ernsteren Gesichtsausdruck auf.
"Und wegen des Geldes...."
"Ich
hab's hier", sagte Mulder und ließ Scullys Arm los, um nach seinem
Portemonnaie zu greifen. "Zumindest schon einen Teil."
"Einen
Teil?"
Er
kramte in den Scheinen bevor er auf ihre Frage antwortete. "Ich habe genug
für die ersten vier Tage hier. Den Rest bekommst du morgen."
Rains
Stirn legte sich in Falten. "Ich dachte, ihr wolltet es wöchentlich
bezahlen."
"Das
wollten wir auch", versicherte Mulder ihr. "Das *wollen* wir auch.
Das Auto hat bloß mehr gekostet als geplant."
Er
hielt ihr das Bündel Dollarnoten hin, aber Rain nahm es nicht sofort.
Stattdessen
bewegten sich ihre Augen von ihm zu Scully und wieder zurück. Sie war
vielleicht Anfang zwanzig, aber in den verwaschenen Jeans und dem
abgeschnittenen T-Shirt mit der Aufschrift "Rude Girl" konnte sie
glatt als eine High School Schülerin durchgehen. Und doch hatte ihr Blick
etwas, das sie über ihr Alter hinaus erfahren schienen ließ. Es war klar, dass
sie ein Kämpfer war, klug und hart genug, um mit Leuten fertig zu werden, die
dumm genug waren, sie zu unterschätzten.
Sie
könnte die Polizei rufen....
Mulder
verdrängte diesen Gedanken und erwiderte ihren Blick ohne zu zucken.
"Um
wie viel Uhr morgen?"
"Mittags",
versprach Mulder. "Nicht später."
Nach
einigen Momenten nickte Rain letztendlich. Sie nahm das Geld und steckte es in
ihre Hosentasche, dann gab sie ihm die Schlüssel zur Wohnung. Sobald diese Transaktion beendet war, kehrte
auch ihr freudiges Grinsen wieder zurück.
"Cool",
sagte Rain. "Bringt es nach drei ins Motel. Dann habe ich Schicht."
"Danke
sehr, Rain, dass du das alles arrangiert hast." Scully lächelte höflich in
ihre Richtung. "Es hilft uns wirklich sehr."
"Kein
Problem. Ihr tut mir auch einen Gefallen." Mulder hielt es kaum für möglich,
aber Rains Grinsen wurde noch breiter. Sie tätschelte ihre volle Hosentasche
und verkündete, "Ich bringe das direkt auf die Bank. Ich spare nämlich, um
ein Demo Tape zu machen und das hier bringt mich schon ein ganzes Stück
weiter." Sie schüttelte beiden die Hände und ging dann zur Tür.
"Hasta
la vista", rief sie und dann war sie mit einem lauten Knall der Tür hinter
ihr verschwunden.
Als
das Licht in der Wohnung auf der anderen Seite des Innenhofs ausging, schloss
Caitlin die Jalousien an ihrem Fenster. Sie schenkte sich noch ein weiteres
Glas Cola Light aus der Liter-Flasche auf dem Tisch ein, ohne das tragbare
Telefon absetzen zu müssen. Ihre Freundin Julie plapperte über dieses und
jenes, doch Caitlin hörte nur mit halbem Ohr zu.
"....und
er hat doch tatsächlich den Nerv mich anzurufen und mir zu sagen, dass er den
Auftrag für das Probe-Drehbuch an jemand anderes gibt. Stell' dir das mal vor!
Ich meine, weiß er denn nicht, für wen ich arbeite? Was soll das Ganze?"
"Ich
hab keine Ahnung", antwortete Caitlin geistesabwesend. Sie hörte ihr nicht
wirklich zu. Es war immer dieselbe alte Geschichte mit Julie, immer musste sie
über irgendwas meckern. Wenn Julies Chef nicht einer der heißesten Produzenten
der Stadt wäre, würde Caitlin sich gar nicht mit ihr abgeben. Okay, das zum
einen, und zum anderen dass Julie ihre Fitness-Partnerin im Studio in der
Straße war. "Vielleicht solltest du Jeff anrufen und dich
beschweren."
"Ich
rufe Jeff nicht an! Er behandelt mich jedes Mal wie den letzten Dreck."
"Hm,
ja, das kann er." Caitlin schlenderte zurück zur Couch und rollte sich
darauf zusammen, das Telefon zwischen ihrem Kinn und ihrer Schulter. Sie
klappte wieder das Skript auf, das sie gelesen hatte, bevor Julie angerufen
hatte, doch der Text sah jetzt auch nicht interessanter aus als vorher. Das
schlimmste daran, eine frischgebackene Agentin zu sein, war der ganze Mist, den
sie durchgehen musste auf der Suche nach möglichen Klienten. Es gab nichts
Langweiligeres außer vielleicht diese idiotischen Hollywood Löcher, in die sie
samstagabends viel zu oft ging. Es war Langeweile, die sie erst einmal dazu
veranlasst hatte, aus dem Fenster zu sehen, und jetzt hatte sie die Neugier
erst recht gepackt.
"Sag
mal, redest du eigentlich nie mit Jeff?" kam Julies Stimme durch das
Telefon. "Er ist so kalt, aber ich denke, dass du eh' nie was mit ihm zu
tun hast. Ich meine, er ist wie ein Rivale für dich, okay, nicht gerade für
dich, aber er arbeitet bei der Konkurrenz, also...."
"Hey,
Jules?" Caitlin wartete, bis sie sicher gehen konnte, dass ihre Freundin
ruhig sein würde, bevor sie weiter sprach. "Irgendwas Seltsames geht in
meinem Block hier vor."
"Seltsames?
Inwiefern? Sind da wieder ein paar Leute ohne Oberteil am Pool?"
"Gott,
nein." Caitlin seufzte genervt. "Wir haben November, du Ei. Niemand
ist am Pool. Aber ich glaube, Justins kleine Freundin führt etwas im
Schilde."
"Ist
Justin nicht weggefahren?"
"Genau",
sagte Caitlin. "Das ist ja das Seltsame an der ganzen Sache."
"Glaubst
du, dass sie da drüben dealt? Justin nimmt normalerweise starken Stoff."
"Ich
weiß nicht.... vielleicht." Caitlin nahm ihre langen, blonden Haare in
eine Hand und band sie sich in einem Pferdeschwanz zusammen, ohne das Telefon
loszulassen. "Sie hat ein paar Leute da rein gebracht, und ist dann
alleine gegangen. Und ich wette um den Arbeitsbericht für nächste Woche, dass
Justin keine Ahnung davon hat."
"Wow.
Das ist echt seltsam." Julie schwieg für einen Moment und fragte dann,
"Ist jemand süßes dabei?"
"Nein",
antwortete sie, doch nahm es dann zurück. "Okay, vielleicht. Ich meine,
der Typ sieht gut aus, aber er schien mir ein wenig zwielichtig. Und er hatte
'ne Frau dabei—er hat sie, naja, er hat sie die ganze Zeit gestützt. Du hast
vielleicht recht—die könnten tierisch high sein."
"Wow....
und was machst du jetzt? Rufst du die Polizei? Oder redest du erst mit Justin?
Hast du die Nummer von da wo er gerade ist?" Julies Fragen wurden vom
Anklopfen in der Leitung unterbrochen.
"Nein",
sagte Caitlin. "Ich werde fürs erste erst mal die Augen offen
halten." Wieder klopfte es in der Leitung.
"Die
Augen offenhalten und in die andere Leitung gehen. Ich ruf dich später
an."
Als
sie den Anruf entgegennahm, ging Caitlin wieder durch das Zimmer und machte die
Jalousien wieder auf. Sie würde noch einige Stunden mit Lesen verbringen, aber
es könnte ja sein, dass das Licht wieder anging. Man kann nie vorbereitet genug
sein.
Er
glaubt dir nicht sieh nur in sein Gesicht er denkt du bist verrückt verrückt
wie Mulder—
<
SiemüssenmirglaubenSirichsagedieWahrheit >
Er
dreht sich um du hast Skinner verloren du hast alles verloren—
<
AgentScullySieführendashierzuweitesistsinnlos > --
<
EsistnichtsinnlosSiehörenmirnurnichtzuichhabeBeweise
> --
<
WennichSiesuspendierenmüsstewürdeichestunführenSieesnichtzuweit
> --
Dana
Scully war sich dessen nicht bewusst, aber es passierte wieder. Kleine Stücke
und Teile ihres früheren Lebens kamen zufällig und in wirrer Reihenfolge wieder
zurück, drangen in ihre Träume ein und wirbelten ihren Schlaf auf.
<
HabeichmichdeutlichausgedrücktScully > --
<
jaSirichweißwelchePositionSievertreten > --
Verschwinde
von da verschwinde von da vergeude nicht noch mehr Zeit mit ihm vergeude nicht
noch mehr Zeit mit irgendjemand von ihnen nicht mal mit Mulder er wird dir auch
nicht glauben er wird dir nicht zuhören er hört dir nie zu er hört dir nie nie nie zu—
Scully
warf sich mit rasendem Herzen unter der Decke hin und her. Ihr Atem kam in
heftigen Stößen, als ihr Körper verzweifelt um das Bewusstsein kämpfte, dass
ihr Unterbewusstsein ihr verwehren wollte.
<
WasmachenSiehierdasisteinzugangsbeschränktesLabor
> --
Werd
jetzt nicht schwach lass dich jetzt nicht zurückdrängen wenn du so nahe bist
dass du die Waffe auf ihn richten könntest—
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IchwillwissenwasSiehiertunsagenSiesmir > --
<
DashieristeinmedizinischesUntersuchungslaborwirführenUntersuchungendurch >
--
<
HörenSieaufmitdemScheißichwillwissenwashierlosist
> --
Richte
die Waffe auf ihn zeig ihm dass du dich nicht verarschen lässt --
<
IchweißnichtwovonSiereden > --
<
SieschuldenmireineErklärungSiehabenmirdiesesImplantatinmeinGenickgepflanzt, warumhabtIhrmirdasANGETAN > --
Er
hat jetzt die Hosen voll du kannst es ihm ansehen dieser verdammte Doktor er
hat Schiss er versteckt sich hinter dem Schreibtisch das ist gut das ist gut
zwing ihn zum reden—
<
IchhabüberhauptnichtsmitIhnengemachtLady > --
<
SievielleichtnichtaberDiehabenundichmusseswissen >
--
<
HörenSieSieverstehenesnichtdasallesgehtüberSiehinaus
> --
<
Wassolldasheißen > --
<
IchkannesIhnennichterklären > --
B-R-R-I-I-I-N-G B-R-R-I-I-I-N-G B-R-R-I-I-I-N-G
Was
ist das für ein Lärm irgendein Alarm—
Irgendein
Ablenkungs-Mist und es hat funktioniert was hat er in der Hand einen
Briefbeschwerer oder so was duck dich duck dich Scheiße schieß auf ihn—
PENG
PENG PENG
Er
entkommt ihm nach ihm nach aus dem Büro den Gang hinunter—
Lauf
lauf lauf lauf—
Er
kommt gerade durch die Türe schnell schnell wenn du rennst wirst du ihn
einholen verdammt die Tür ist zu wie hat er das bloß gemacht? Am anderen Ende
der Halle muss noch ein Eingang sein es ist immerhin ein Zentral-Gebäude es
muss einfach einen anderen Weg hinein geben was ist das für ein Lärm hinter mir
laute Fußtritte jemand schreit mich die ganze Zeit an—
<
ScullyhaltnichthinterihmheresisteineFalle > --
Er
greift nach meinem Arm und zieht mich mit sich—
<
Lassloslassloslassloserkommtdavon >
<
LassihngehenScullywirmüssenweg > --
Kämpfe
tritt fest zu er soll von mir runter—
<
Muldergehvonmirrunter >--
Trete
ihn ganz fest jetzt stolpert er und fällt wie habe ich das geschafft egal lauf
weiter ich kann den Mann nicht entkommen lassen da ist noch eine Tür sie ist
offen los rein und mach die Tür hinter dir zu wo bin ich hier? in einem Labor? ist das das Labor wo sie es
gefunden haben? aber wo ist er hin wo ist der Arzt? ein Hämmern hinter mir an
der Tür—
<
ScullymachverdammtnochmaldieTürauf > --
Ignoriere
es einfach—
<
DukannstmichjetztnichtaufhaltenMuldernichtjetztnichtjetzt
> --
Los
untersuche die Wände es muss irgendwo noch einen versteckten Ausgang geben ich
weiß dass er hier ist wo soll er auch sonst hingegangen sein was ist das für
ein Geräusch?
<
OhmeinGottohmeinGott > --
Scully
wachte zu Tode erschrocken auf. Sie fühlte, wie der Schweiß ihre Stirn herunter
lief und die feuchten Stellen ihres T-Shirt an den Achselhöhlen. Sie holte tief
und zitternd Atem und kreuzte die Arme entschlossen vor der Brust, als sie um
Fassung rang.
Erst
nach einiger Zeit schien es ihr, als ob sie ihr Gleichgewicht wieder gewonnen
hätte. Sie lauschte, doch sie hörte nichts weiter als Mulders tiefes,
gleichmäßiges Atmen. Erstaunlicherweise schien es, als ob er durch ihren
letzten Alptraum nicht wach geworden war. Scully war nicht besonders
überrascht. Immerhin hatte sie jetzt schon so weit Übung darin, dass sie nicht
mehr schreiend aufwachte. Außerdem war er erschöpft. Wenn die letzten Tage für
sie anstrengend gewesen waren, waren sie für Mulder doppelt so hart. Heute war
vielleicht die erste Nacht seit einer Woche, in der er ordentlich schlafen
konnte.
So
leise sie konnte schlüpfte Scully aus dem Bett. Vorsichtig stand sie auf und
ertastete sich ihren Weg durch das Schlafzimmer zum Badezimmer. Es war nicht
einfach und trotz der detailgetreuen Beschreibung, die Mulder ihr gegeben
hatte, nachdem Rain gegangen war, war das Apartment immer noch ungewohnt und
fremd.
Sie
stieß einmal mit dem Knie gegen die Kommode, aber dann fand sie endlich die
Tür. Sie machte sie geräuschlos auf und dann hinter sich zu, als sie ins Bad
ging. Die Toilette war in der Ecke an der Wand. Sie ließ sich mit einem
erleichterten Seufzen darauf niedersinken, der Toilettendeckel kalt an ihren
nackten Beinen. Hier konnte sie einen Moment ohne Mulders wachsame Adleraugen
verbringen. Hier konnte sie eine Weile sitzen und nachdenken. Und wenn sie
weinen und sich die Augen reiben wollte, verdammt, dann konnte sie es hier
endlich machen.
Scully
hasste Los Angeles jetzt schon.
Sie
hatte es seit der Sekunde gewusst, in der ihr Bus in der Stadt angekommen war,
dass hier kein Ort war, an dem sie sich je sicher fühlen könnte. Der Lärm auf
der Straße war ohrenbetäubend, ein heilloses Durcheinander von Motoren und
Hupen und scheppernder Musik, ganz zu schweigen von dem allgegenwärtigen
Gebabbel von mindestens tausend Stimmen. Die Stadt roch schrecklich nach Benzin
und Abgasen und dem schalen Fettgeruch von Fast Food. Es war ein gewaltiger
Unterschied zu der klaren, sauberen Luft in Santa Fe. Die Straßen waren so
voll, dass sie Mühe hatten, in den Menschenmassen vorwärts zu kommen, und
Scully hatte sich richtig an Mulder klammern müssen, als sie sich nach einer
Bleibe umgesehen hatten.
Das
Motel, für das sie sich entschieden hatten, schien dem muffigen Geruch und dem
Teppich nach zu urteilen, der sich dünn und rau unter ihren Füßen angefühlt
hatte, eine Stufe über einem völligen Drecksloch zu sein. Das Wasser aus der
Dusche hatte nach Rost gestunken und die Bettbezüge waren kratzig und rau. Im
Vergleich zu Elliot und Becks schönem Loft war das Motel erbärmlich, aber in
der ersten Nacht war Scully viel zu müde gewesen, als dass es sie besonders
gestört hätte.
Rückblickend
jedoch war ihre Wahl für dieses Motel gar nicht so schlecht gewesen. Sie hatten
dadurch immerhin Rain kennengelernt und Scully war jetzt froh, dass sie sich
für Rains Angebot entschieden hatten. Bis jetzt schien die Wohnung viel netter als
alles andere, dass sie sich leisten konnten. Diese Ecke der Stadt war viel
ruhiger und es roch definitiv nicht so schlimm. Mulder hatte ihr von dem Garten
erzählt, der das Gebäude umringte, doch selbst ohne diesen Hinweis hätte sie
den süßen, vollen Duft von spät blühendem Jasmin erkannt, der durch die offenen
Fenster drang.
Scully
seufzte und rückte ein wenig, ein Ellenbogen auf dem Waschbecken und ihre Wange
auf ihrer Handfläche gestützt. Sie bekam den Verdacht nicht los, dass sie einen
großen Fehler begingen, aber bis jetzt hatte sie Mulder noch nichts von ihrem
unguten Gefühl erzählt. Stattdessen hatte sie ihn still begleitet, als er das
Geld abgeholt hatte, dass die Schützen geschickt hatten. Sie hatte eine
Sonnenbrille getragen, um ihre Blindheit zu verbergen, war mit ihm das Auto
kaufen gegangen und war für eine zweite Nacht wieder mit ihm in das düstere
Motel zurückgekehrt. Heute war nichts weiter passiert, als ein Besuch beim
Frisör und die Ankunft hier. Das einzig erwähnenswerte wäre vielleicht noch der
Anruf bei Byers, um noch mehr Bargeld zu arrangieren.
Während
all dessen war Mulder äußerst besorgt um sie gewesen, seine konstante
Anwesenheit hatte sie fast erstickt. Er bemutterte sie viel zu sehr, war viel zu
paranoid, und obwohl Scully den Grund dafür verstehen konnte, war es deswegen
nicht leichter es zu ertragen. Die vergangene Woche war für sie beide furchtbar
gewesen, doch Mulder hatte sich noch eine zusätzliche Bürde der Schuld
aufgehalst. Obwohl er es immer abstritt, wusste sie, dass er sich für ihre
Trennung in dem Zug die Schuld gab. Aber das war jetzt vorbei und jetzt gab es
andere Dinge, und langsam kam sie zu dem Punkt, an dem sie jedes Mal zuckte,
wenn er nach ihrer Hand griff. Ich kann das selber, wollte sie schreien, doch
in Wahrheit konnte sie es nicht.
Zumindest nicht immer; und Mulder schien in letzter Zeit die Fähigkeit
verloren zu haben, mit der er unterscheiden konnte, wann sie seine Hilfe
brauchte und wann nicht.
Allerdings,
um ehrlich zu sein, war es nicht wirklich Mulder, der sie aufregte. So sehr sie
es auch versuchte, konnte Scully nicht die Worte vergessen, die Christophe in
der Mine zu ihr gesagt hatte. Sie spielten sich wieder und wieder in ihrem Kopf
in einer Endlosschleife ab.
"Es
gibt da einige Leute, die noch nicht ganz fertig mit Ihnen sind. Leute, die
wollen, dass ich Sie zu ihnen zurück bringe."
Scully
schluckte und fuhr sich mit der Hand durch ihre neuerdings kurzen Haare, als
sie über die Bedeutung dieser Worte nachdachte. Noch nicht ganz fertig mit
ihr... diese Äußerung machte es klarer als alles andere, dass ihre Entführung
Teil Eins eines durchdachten Plans gewesen war. Dass der Chip in ihrem Genick
ihr aus einem ganz bestimmten Grund eingepflanzt worden war. Dass die Disc, die
Mulder aus der Mine mitgenommen hatte, tatsächlich ein signifikantes Teil in
einem riesigen Puzzle war.
Was
sie jetzt machen mussten war einen Weg zu finden dieses Puzzle zu lösen. Nicht
irgendwo in Los Angeles herumhängen und darauf hoffen, dass irgendein Arzt eine
Wunderheilung für sie bereithält. Scully hatte keinerlei Ambitionen, Dr. Robert
Bard zu treffen. Sie brauchte keinen Augenspezialisten, der ihr sagte, was sie
bereits wusste. Sie musste die Leute finden, die hinter ihr her waren und deren
Motive herausfinden.
"Leute,
die wollen, dass ich Sie zu ihnen zurück bringe." Sie zurückbringen.... aber wofür? Für weitere Tests? Weitere Experimente?
Scully schüttelte sich bei dem Gedanken. Sie würden sie einholen, darüber war
sie sich sicher, und das beängstigende an dieser Stadt war, dass sie dauernd
den Eindruck hatte, als ob Die hinter jede Ecke auf sie lauern. Sogar hier, in
der relativen Sicherheit des Apartments von Rains Freund konnte sie sich nicht
erlauben, unaufmerksam zu sein.
"Scully?"
Der
Klang ihres Namens ließ sie zusammenfahren. Sie war so in ihren Gedanken
verloren gewesen, dass sie nicht einmal gehört hatte, wie er an die Tür
gekommen war. Ein leises Klopfen echote durch die Tür, dann hörte sie wieder
seine Stimme.
"Scully?
Bist du okay da drinnen?"
Nein,
ich bin nicht okay.
Ich
habe Todesangst.
Die
werden mich kriegen.
"Ja",
antwortete sie automatisch und stand auf. Sie fummelte nach dem Griff und
spülte die Toilette, womit sie eine Erklärung für ihr Hiersein hatte.
Sie
ging zur Tür, schloss sie auf und lief geradewegs in ihn hinein. "Mulder..." Sie murmelte
entschuldigend seinen Namen und trat einen kleinen Schritt zurück. "Ich
sagte, es geht mir gut. Ich kann alleine wieder ins Bett gehen."
"Ich
weiß", erwiderte er, aber dann fühlte sie trotzdem seinen Griff an ihrem
Arm. Sie biss sich auf die Lippe, um ihren Ärger zurückzuhalten, ließ sich von
ihm wieder zurück führen und glitt unter die Bettdecke. Mulder folgte ihr
augenblicklich. Er drehte sich, bis er sie mit seinem Körper ganz umschlang,
ein Arm um ihrer Hüften, den anderen unter den Kissen.
"Okay
so?" flüsterte er und obwohl ein Teil von ihr noch immer wütend auf ihn
war, nickte sie und rückte zurück, so dass sie so nahe wie möglich neben ihm
lag.
"Fühlt
sich gut an", seufzte sie und trotz allem meinte es ein kleiner Teil von
ihr auch so.
Er
küsste sie sanft aufs Genick, einmal, dann noch einmal. Seine Küsse waren
schön, aber als seine Hand über ihren Bauch hinauf glitt, um ihre Brust zu
streicheln, verspannte sie sich. Seine Finger strichen auf ihrem Weg zu ihren
Schultern über ihre Brustwarze. Mulder streichelte ihr Schlüsselbein und nahm
dann ihre Wange in seine Hand.
Scully
versuchte, still liegenzubleiben und das Hämmern ihres Herzens in ihrer Brust
zu ignorieren.
Seine
Lippen platzierten einen sanften, weichen Kuss hinter ihr Ohr, seine Zunge
huschte heraus, um an die Form ihrer Ohrmuschel entlang zu streichen.
Plötzlich
fiel es ihr schwer zu atmen.
"Mulder..."
Er
hörte bei ihrem Protest augenblicklich auf. Seine Hand blieb noch eine
unendliche Sekunde an ihrer Wange, dann zog er sie weg. Er legte seinen Arm
wieder zurück an ihre Hüften und hielt sie dieses Mal nicht so eng. Sie wusste,
dass sie ihm weh getan hatte. Die Enttäuschung, die von ihm ausströmte, war
intensiv genug, dass sie fast greifbar war; sie krachte zwischen ihnen herunter
wie eine Mauer, die sie nicht entfernen konnte. Sie konnte jedoch jetzt nicht
mit ihm schlafen, nicht jetzt, nicht wenn sie sich so distanziert fühlte. Wenn
er es doch nur verstehen würde.
"Ich
bin nur müde, Mulder."
"Ich
weiß", flüsterte er, aber sie konnte die Traurigkeit in seiner Stimme
hören.
"Ich
liebe dich."
"Ich
liebe dich auch." Er drückte sie jetzt fester an sich heran und sie ließ
es zu.
"'Nacht,
Scully."
"'Nacht",
echote sie und schloss ihre blinden Augen.
Scully
hörte, wie sein Atem langsamer und tiefer wurde, als er allmählich einschlief,
doch sie lag wach, unfähig sich wie gewöhnlich von seiner Wärme und der
Sicherheit seiner Umarmung trösten zu lassen.
Es
war nicht viel später, als ihre Ängste weit genug verebbten, dass sie
einschlafen konnte.
STADTGRENZEN
Kapitel 4
von
Nicole Perry
(
nvrgrim@aol.com )
7/14/99
DONNERSTAG
Obwohl
er es vor niemandem zugeben würde, war der Mann nervös. Es kam immer noch nicht
sehr oft vor, dass er mit dem Konsortium eine Zuhörerschaft hatte; schon allein
dadurch bekam er feuchte Hände. Es war sogar noch schlimmer, ihnen jetzt mit
dem Gedanken gegenüberzutreten, dass die Sache immer noch nicht erledigt war.
Eine Angelegenheit, die er eigentlich schon längst hatte erledigt haben wollen.
Aber
der Mann war ein Profi im Bluffen und im Spielen politischer Spielchen. Und
deswegen konnte er sich mit seelenruhiger Fassade eine Zigarette anzünden und
den Rauch mit praktizierter Nonchalance in den Raum blasen.
"Sie
sind sich im Klaren darüber, dass die Zeit knapp wird."
"Ja,
das bin ich", sagte der Mann, als er noch einen weiteren Zug nahm.
"Ich
kenne den Zeitplan."
"Und
Sie wissen auch, dass Sie nicht wie besprochen geliefert haben?"
Der
Mann kannte keinen der Mitglieder des Konsortiums mit Namen. Er war noch nicht
privilegiert genug, um dieses Recht zu bekommen. Daran war er jedoch gewöhnt
und ihre Anonymität brachte ihn nicht aus dem Gleichgewicht. Er antwortete
jedem Mitglied nacheinander, und behandelte jeden mit dem Respekt, von dem er
hoffte, dass er ihm eines Tages auch einmal zukommen würde.
"Eine
kleine Verzögerung", sagte der Mann. "Nichts weiter. Wir werden das
Objekt rechtzeitig bekommen."
"Wie
wollen Sie uns das garantieren? Sie haben noch nicht bewiesen, dass Sie Ihre
Versprechen uns gegenüber halten."
Der
Mann zuckte die Schultern. "Ich habe den Fehler begangen, andere Leute
Arbeit machen zu lassen, die ich lieber selber hätte tun sollen. Leute, die
nicht so gründlich sind wie ich."
"Und
wie wollen Sie jetzt fortfahren?"
"Mit
zwei Dingen, um genau zu sein." Der Mann inhalierte tief. "Das Objekt
hat Santa Fe verlassen, und wenn ihr Begleiter nicht gewesen wäre, würde sie
schon längst hier sein. Ich bin allerdings immer noch der Ansicht, dass ich sie
aufspüren kann."
"Woher
diese Zuversicht?"
"Ich
habe hilfreiche Informationen erhalten." Der Mann erlaubte sich innerlich ein
verstecktes Lächeln, als er daran dachte, wie zufriedenstellend es war, diese
Information zu bekommen. "Sie sind unvorsichtiger geworden und ich denke
nicht, dass es schwer sein wird, ihrer Spur zu folgen."
"Und
die zweite Sache?"
Der
Mann erlaubte sich ein kaum sichtbares Grinsen. "Der beste Weg, eine Ratte
durch ein Labyrinth zu führen ist, sie mit einem besonders leckeren Stück Käse
zu locken. Ich bezweifle nicht, dass sobald wir den richtigen Käse auslegen,
unsere kleine Laborratte ihren Weg nach Hause finden wird."
Es
schneite.
Margaret
Scully blickte von dem Brief auf, den sie gerade las und sah, dass es draußen
schneite. Dicke weiße Flocken, die die Fensterscheibe hinab glitten und sich
auf dem Sims sammelten. Auf dem Boden lag schon eine dicke Schicht, also muss
es schon eine Weile geschneit haben, bevor sie es bemerkt hatte.
Ihre
Unaufmerksamkeit war jedoch nicht ungewöhnlich für sie, nicht in letzter Zeit.
Denn in letzter Zeit schienen ihre Gedanken pausenlos abzuschweifen, und sie
ertappte sich bei den simpelsten Sachen dabei, wie sie an ihre jüngste Tochter
dachte und sich fragte, wo sie war und ob es ihr gut ginge.
Ob
es wohl schneite, wo sie gerade war?
Margaret
wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Brief in ihre Hand zu. Er war von Bill, der
auf seinen Flottenmanövern über den Pazifik alles andere als Schnee sah. Bills
Briefe waren genau wie Bill selbst; kurz, knapp, und geschäftlich, aber
trotzdem berührten sie immer ihr Herz. Keines ihrer Kinder hatte jemals ein
besonderes Talent fürs Briefeschreiben gehabt, außer vielleicht Melissa. Wenn
ihr danach war, hatte sie immer lange Briefe geschickt mit blumiger Prosa und
endlosen Beschreibungen der Orte, die sie gesehen hatte, und Menschen, die sie
getroffen hatte. Melissa, der Schöngeist.
In
Zeiten wie diesen bereute es Margaret, dass sie und Melissa keine bessere
Beziehung gehabt hatten. Jetzt, wo alles zu spät war, konnte sie sich an all
die Gelegenheiten erinnern, in denen sie sich gestritten hatten, und sie
wünschte sich sehnlichst, die Zeit zurückdrehen zu können und eine bessere
Mutter zu sein. Eine bessere Freundin zu sein.
Mit
Dana war es nicht so schwierig gewesen. Sie haben sich immer nahe gestanden,
seit Dana ein kleines Mädchen gewesen war, und in den letzten Jahren
wahrscheinlich noch mehr. Margaret hatte den Missmut ihres Mannes über die
Entscheidung ihrer Tochter, FBI-Agentin zu werden, nicht geteilt. Oh, sie war
vielleicht ein wenig enttäuscht gewesen, ihren Traum aufgeben zu müssen, Dana
irgendwann als Chefin irgendeines großen Krankenhauses zu sehen. Und sie hatte
sich sicherlich Sorgen gemacht wegen den Gefahren, die dieser Beruf mit sich
brachte. Aber sie hatte es ihr nie nachgetragen. Margaret wollte für ihre
Kinder nichts mehr, als dass sie erfolgreich sind und die Welt ein kleines
Stückchen besser machten, und wenn für das FBI zu arbeiten Danas Art war, das
erreichen zu wollen, hatte sie ihr nicht im Weg stehen wollen.
In
letzter Zeit hatte sie jedoch auch das bereut. Wenn sie sich doch nur den
Protesten ihres Mannes angeschlossen hätte, wenn sie doch nur darauf bestanden
hätte, dass Dana auf diesen Beruf verzichtete, wäre all das nicht passiert.
Wenn sie es doch nur getan hätte, wäre Dana jetzt nicht verschwunden.
Wenn
nur...
Margaret
stand von der Couch auf, faltete den Brief zusammen und steckte ihn wieder
zurück in den Umschlag. Sie ging nach oben und machte den Schrank am anderen
Ende des Flurs auf, aus dem sie eine der Hutschachteln herausholte, die im
mittleren Fach lagen. Sie hob den Deckel hoch und legte Bills Brief oben auf
den Stapel von Postkarten, Bildern und Urlaubsgrüßen. Sie warf nie etwas weg, das ihren Kindern
gehörte.
Margaret
seufzte, als sie die Tür wieder schloss, und dachte wieder an Dana. Vielleicht
sollte sie Walter Skinner anrufen, nur um mal nachzufragen. Morgen würde es
eine Woche her sein, seit er zu ihr gekommen war und berichtet hatte, dass er
Fox in Texas verpasst hatte. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört. Sie
wusste, dass wenn sich bei der Suche irgendetwas Neues ergeben würde, würde er sie
sofort anrufen. Aber es konnte nicht schaden, mal nachzufragen.
Vielleicht
gab es heute ja Neuigkeiten.
Mulder
nahm den letzten Schluck seines Kaffees und sah auf die Uhr. Es war viertel vor
zehn; noch zu früh, um Scully zu wecken. Sie hatten ja sowieso nichts weiter
vor als Rain das Geld vorbei zu bringen und die Schützen anzurufen. Im Moment
konnten sie nichts weiter tun als warten.
Vielleicht
ist es ja das, grübelte Mulder, als er von seinem Stuhl aufstand, um aus der
Küche noch mehr Kaffee zu holen. Vielleicht war es ja die Warterei, die uns
verrückt macht. Ihre jetzige Situation war die einer ewig-langen Überwachung
ähnlich. Das endlose, unermüdliche Beobachten und das Warten auf Informationen.
Jede Sekunde konnten sie in Gefahr geraten. Verdammt, auf nicht wenigen solcher
Observationen haben sie sich angefaucht, weil ihre Nerven dermaßen strapaziert
waren—warum sollte es unter diesen Umständen anders sein?
Was
die Sache allerdings noch schlimmer machte war, dass es kein zweites Team gab,
das sie ablösen könnte. Sie waren völlig auf sich allein gestellt.
Und
zudem war dieser "Fall" zutiefst persönlich.
Er
runzelte die Stirn, als er in die Küche kam und seine Nemesis vor sich sah.
Justins Apartment war in allem sehr kunstvoll ausgestattet, und die Kaffeemaschine
war keine Ausnahme. Das Gerät eine Kaffeemaschine zu nennen war im Grunde eine
Beleidigung, es war ein Espresso Master, und wie Mulder die Sache sah, musste
man selbst ein Master sein, um dieses verdammte Ding ans Laufen zu bringen. Es
konnte selbst Kaffeebohnen mahlen, selbst Milch hinzufügen und sich sogar
selbst einschalten, wenn man nur die richtigen Knöpfe drückte. Aber Mulder
ignorierte stur all diese automatischen Funktionen. Er war eher einer von der
manuellen Sorte. Und solange er eine halbwegs ordentliche Tasse Kaffee aus
diesem Ding herausbekommen würde, war er schon zufrieden.
Zu
seinem großen Verdruss war der Behälter fast leer; zwei Tassen und er hatte
fast das ganze Wasser verbraucht. Dann muss halt noch Wasser rein, entschied Mulder
und versuchte sich genau einzuprägen, wie er den Verschluss geöffnet hatte, um
einen neuen Filter einzufügen und ihn hinterher wieder richtig zuzumachen.
Er
hörte, wie die Schlafzimmertür sich öffnete, gefolgt von leisen Schritten, die
auf dem Teppich kaum hörbar waren. Und dann ihre schlaftrunkene Stimme.
"Mulder? Wo bist du?"
"In
der Küche", rief er und widerstand dem Impuls, zu ihr zu gehen und sie zu
führen. Letzte Nacht hatte sie es nur allzu deutlich gemacht, dass sie ihren
Freiraum wollte, und obwohl ihn das umbrachte, wollte er sein Bestes tun, um
ihren unausgesprochenen Wunsch zu erfüllen.
Langsam
kam sie in die Küche, ihre Arme etwas vor sich ausgestreckt, als sie ihren Weg
durch die Tür fand. Sein Herz machte beim ihren Anblick einen Sprung, wie
immer. Sie hatte nur ein T-Shirt und ihre Unterhose an, was ihr als Schlafanzug
gedient hatte, ihre Beine und Füße waren unbekleidet. Ihre kurzen dunklen Haare
waren wirr vom Schlaf, und es stand büschelweise in alle Richtungen. Er wollte
sie umarmen, mit seinen Fingern durch ihre Haare streichen und die
widerspenstigen Strähnen glatt streichen, aber er blieb wo er war und wartete,
bis sie näher kam.
Scully
erreichte den Küchentisch und lehnte sich mit einem kaum hörbaren Seufzen
daran, ihre Ellbogen darauf gestützt. "Machst du Kaffee?"
"Ich
versuche es zumindest", sagte er. "Dieses Ding kann mich nicht
leiden."
Das
brachte ein Lächeln auf ihr Gesicht. Kein wirkliches Lächeln, eher ein
schwaches Anheben ihrer Mundwinkel, aber Mulder reichte es.
"Wie
spät ist es?"
"Fast
zehn." Er schaffte es, das Fach mit Kaffeebohnen zu füllen und schaltete
das Gerät ein. "Hast du gut geschlafen?" fragte er, als die Maschine
anfing, vor sich her zu brummen und die Bohnen zu mahlen.
"Ja."
Ein Gähnen entkam ihr als Gegensatz zu dieser Bestätigung. "Und du?"
Es hätte besser sein können, dachte er. "Ja."
"Gut."
Das
Brummen hörte auf und es war kurz still, bevor die Maschine ein paar Mal
klickte und dann geräuschvoll das Wasser in die Kanne tropfen ließ.
Scully
rieb ihre blicklosen Augen und seufzte, doch sagte nichts weiter.
"Hast
du Hunger?" Mulder warf einen Blick über seine Schulter auf die Papiertüte
auf der Küchentheke. "Ich könnte uns ein paar Brötchen toasten. Oder Eier braten—ich glaube, da sind welche
im Kühlschrank."
"Ich
möchte nichts essen. Nur Kaffee."
"Sicher?"
Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder zu ihr und bemerkte, dass ihre Haut etwas
von ihrem Glanz verloren hatte. "Es gibt auch Müsli. Und jede Menge
Milch."
"Ich
habe keinen Hunger, Mulder."
"Okay.
Vielleicht später, wenn du angezogen bist." Mulder versuchte, die
Besorgnis zu verdrängen, die drohte, sich in seinem Bewusstsein breit zu
machen.
<
sieisstnichtssieissteinfachnichtsAppetitlosigkeitisteinAnzeichenvonDepressionen
>
Ein
Themawechsel musste her. "Ich muss jetzt das
Geld von den Schützen abholen. Willst du mitkommen?"
Sie
zuckte die Schultern. "Soll ich?"
Mulder
sah sie perplex an. "Was ist das denn für eine Frage?"
Er
reagierte über. Scully konnte es am Ton seiner Stimme hören. "Es ist nur
eine Frage, Mulder."
"Ich
denke, du kennst die Antwort darauf. Warum sollte ich nicht wollen, dass du
mitkommst?"
Die
Kaffeemaschine zischte, als der Dampf entwich, was annehmen ließ, dass der
Kaffee fertig war. "Fertig?"
"Ja",
sagte er und sie hörte wie er den Schrank öffnete, gefolgt vom Klirren von
Tassen. "Beantworte die Frage, Scully."
"Ich
weiß nicht so recht, ob es auch wirklich sicher ist", erwiderte sie. Es war frustrierend, dass es in letzter Zeit
so schwer geworden war, mit ihm zu kommunizieren. "Wir waren schon oft
zusammen draußen, seit wir hier sind. Und es ist einfacher, wenn du alleine
gehst und keine neugierigen Blicke auf dich lenkst."
Er
antworte nicht gleich darauf, und sie fasste es als ein gutes Zeichen auf. Er
war zumindest bereit, es von ihrem Standpunkt aus zu betrachten. Sie hörte auf
den Lärm, den er machte, als er den Kaffee vorbereitete und wartete auf seine
Antwort.
"Hier",
sagte er und Scully griff vorsichtig nach vorne. Ihre Fingerspitzen trafen auf
den Griff der Tasse, die sie nahm und vorsichtig hoch hob, um nichts zu
verschütten. Der Kaffee roch stark und schwarz und schmeckte mit der richtigen
Menge Milch sogar noch besser.
"Ich
mag den Gedanken daran nicht, dich allein zu lassen", gab Mulder endlich zu.
Er brauchte nichts weiter zu sagen. Sie wusste, was er dachte.
<
wasistwenndiretwaspassiertundichbinnichthierumdichzubeschützen
>
Sie
wusste es, weil er sie nur ein einziges Mal allein gelassen hatte, seit sie
sich nach dem Desaster im Zug wieder gefunden hatten—nämlich als er an ihrem
ersten Abend in L.A. gegangen war, um die Schützen anzurufen und das Essen vom
Chinesen geholt hatte.
Es
war zuviel. Er war einfach pausenlos bei ihr. Sie brauchte Freiraum.
"Ich
komme schon klar, Mulder. Geh einfach das Geld abholen und brings Rain vorbei.
Es sollte nicht lange dauern."
"Okay",
sagte er. "Das sollte es nicht. Und ich bin sicher, dass du zurecht kommen
wirst."
Scully
nippte noch einmal an ihrem Kaffee und versuchte, den Frust zu ignorieren, der
sich in ihrem Inneren breit machte. "Warum habe ich den Eindruck, als ob
da jetzt ein 'aber' kommen wird?"
"Verdammt,
Scully." Er fluchte während er ausatmete. "Es geht hier nicht um
dich. Ich will nicht andeuten, dass du nicht auf dich selbst aufpassen
kannst." Er hielt inne und fügte dann hinzu, "Gott verbitte es
mir."
"Mulder—"
Sie war jetzt wütend, aber er schnitt ihr das Wort ab.
"Was
ist, wenn du recht hast?" verlangte er. Seine Stimme verriet nun auch
Ärger, ein gedämpftes Brüllen tief in seinem Inneren. "Was, wenn Die uns
gesehen haben, gestern oder vorgestern? Was, wenn ich jetzt gehe und Die *mir*
folgen? Was dann?"
Scully
verstand was er meinte, aber sie wollte noch nicht ganz nachgeben. Sie setzte
ihre Tasse ab und legte ihre Hände mit den Handflächen nach unten daneben.
"Und? Soll das heißen, dass wenn wir zusammen sind, es Die aufhalten
würde? Dass Die weniger Interesse daran haben, uns umzubringen, wenn wir
zusammen sind und nicht getrennt?"
Die
wollen dich nicht umbringen, erinnerte sie eine kleine Stimme in ihrem Kopf.
Die wollen dich zurück haben.
Es
lief ihr kalt den Rücken hinunter, aber sie ignoriert es.
"Nein,
Scully. Das soll es nicht heißen, und das weißt du." Sie fühlte, wie er
seine Hände sanft über ihre legte. "Aber ich bin beruhigter, wenn wir
zusammen sind. Und wenn wir dadurch leichter bemerkt werden, ist das ein
Risiko, das ich bereit bin einzugehen."
Seine
Hände waren warm und kräftig. Für einen kurzen Moment war sie versucht, seinen
Händedruck zu erwidern, aber siedender Ärger löschte diesen Drang aus.
"Also, als du mich gefragt hast, ob ich mitkommen will, hast du mich nicht
wirklich gefragt. Du hast bereits entschieden, dass wir zusammen gehen."
Sein
Schweigen verriet ihr, dass sie recht hatte.
"Ich
weiß nicht, warum mich das jetzt überrascht." Scully zog ihre Hände unter
seinen hervor und ballte sie zu Fäusten an ihrer Seite. "So läuft das
also, was? So ist es schon immer gelaufen. Du triffst alle Entscheidungen, und
ich laufe dir einfach hinterher."
"Scully,
nicht—"
"Es
ist doch so! Das ist doch der Grund, warum wir überhaupt hier in L.A. sind.
Weil *du* gesagt hast, dass wir es so machen." Sie wusste, dass sie lieber
aufhören sollte, aber sie konnte nicht anders. Nicht, wenn sie genau wusste, an
welchen Strängen sie ziehen musste. "Aber andererseits ist es dein Geld,
mit dem unser kleines Abenteuer hier finanziert wird. Also ist es wohl logisch,
dass du auch entscheidest, wie wir es ausgeben."
Sie
hörte seine Schritte und wusste, dass er um den Tisch herum auf sie zukommt.
"Du bist nicht fair, Scully."
Sie
wollte nicht, dass er ihr zu nahe kommt, dass er sie anfasst, und sie wich
langsam zurück. "Es ist in Ordnung Mulder. Jetzt, wo ich weiß wie's läuft.
Jetzt, wo ich die Regeln kenne." Sie atmete tief durch, um ihre wachsende
Wut zu kontrollieren. "Ich gehe jetzt besser schnell duschen. Ich will ja
nicht, dass du lange auf mich warten musst."
Als
sie sich umdrehte und zurück ins Schlafzimmer ging, erwartete sie fast, dass
Mulder sie aufhält. Aber er tat es nicht und sagte auch nichts, also ging sie
und es begleitete sie nichts weiter als das Geräusch seiner Atemzüge.
Ein
lautes Schimpfwort entwich ihr, als Caitlin auf Händen und Knien nach ihrem
Diamantohrring suchen musste. Er war auf dem glatten Holzboden nirgends zu
sehen und sie nahm an, dass er bestimmt unter die Kommode gerollt war.
"Verdammt
noch mal! Verdammter Mist!" Sie hatte dafür jetzt überhaupt keine Zeit.
Sie hätte schon vor einer Stunde im Büro sein müssen, aber ihr Fitnesstraining
hatte sich in die Länge gezogen. Die Konferenz sollte in fünfunddreißig Minuten
anfangen, und sie musste noch ins Büro, einen Parkplatz finden und ihre Sachen
abgeben, bevor sie zu dem Treffen konnte. Sie musste unbedingt pünktlich sein.
Sie musste noch zu Starbucks und einen Vanilla Latte holen. Sie musste jetzt
wirklich nicht auf allen Vieren auf dem Boden herumkriechen und ein winziges
Stück poliertes Gold suchen.
"Vergiss
es", murmelte sie und ließ den Ohrring Ohrring sein. Sie nahm den anderen
aus ihrem Ohr und wühlte in ihrem Schmuckkästchen nach einem passenden Ersatz.
Die tränenförmigen Perlen mit den silbernen Verschlüssen mussten reichen;
wenigstens passten sie zu ihrem grauen Anzug.
Sie schlüpfte in ein paar offene Schuhe und schnappte sich Akten- und
Handtasche und ihren kurzen schwarzen Trenchcoat. In letzter Minute fiel ihr
noch der Regenschirm ein; heute Morgen hatten sie im Radio gesagt, dass es am
Nachmittag regnen würde. Und auf dem Nachhauseweg vom Regen wie aus Eimern
überrascht zu werden, dafür hatte sie *wirklich* nichts übrig.
Sie
hielt für einen Moment inne, während sie durchs Wohnzimmer fegte, um Eloise,
ihre Siamkatze, die zusammengerollt auf der Couch lag, zu verabschieden.
"Bye,
mein Schatz", sagte sie und lächelte der Katze zu. "Einen schönen Tag
wünsche ich dir."
Eloise
ließ sich nicht dazu herab, ihr irgendeine Antwort zu geben. Sie blieb still
sitzen wie die kleine Königin, die sie war, und zuckte nur leicht mit dem
Schwanz.
Caitlin
runzelte die Stirn. Dies war einer der Momente, in denen sie sich wünschte,
lieber einen Hund gekauft zu haben. "Oder keinen schönen Tag. Ganz wie du
willst."
Endlich
fertig, ging sie zur Tür. Als sie von außen das obere Schloss der Tür verschlossen
hatte, ließ sie ihre Schlüssel fallen und fluchte wieder, als sie versuchte,
ihre Sachen zu balancieren, während sie sie aufhob. Sie steckte den Schlüssel
in das untere Schloss und riss ihn herum. Dann klingelte auch noch ihr Telefon
in ihrer Kate Spade Handtasche. Für einen Moment dachte sie daran, es zu
ignorieren, aber dann wollte sie das Risiko doch nicht eingehen. Es könnte ja
Tom sein, ihr Vorgesetzter. Oder ihre Assistentin mit einer wichtigen
Nachricht.
Oder
Brian, der süße Typ, den sie gestern Nacht in der Bar getroffen hatte.
Sie
griff in die Tasche, zerrte das Telefon heraus und drückte auf den Sprechknopf.
"Hallo?"
"Caitlin?"
fragte die Stimme am anderen Ende zögerlich. Zu zögerlich. Darum musste sie
sich später noch kümmern.
"Natürlich
bin ich es, Suzanne. Wer zum Teufel soll es denn sonst sein?" Es gab nichts,
dachte Caitlin, als sie über den Steinweg zur Garage ging, nichts Schlimmeres
als eine unfähige Assistentin. "Was willst du?"
"Ähm,
Tom", stammelte Suzanne. "Er sucht nach dem Memo für das Disney-Projekt
und ich kann es nirgendwo finden."
"Du
*kannst* es gar nicht finden, weil es noch gar nicht fertig ist."
Caitlin
stolperte, verlor das Gleichgewicht und wäre beinahe gefallen. Sie blickte zurück und sah einen grünen
Wasserschlauch quer über dem Weg liegen. Sie trat ihn zur Seite und verfluchte
innerlich den Gärtner. "Also, weißt du, was du machen musst?"
"Was?"
Caitlin
wollte ihr schon antworten, aber sie zögerte für eine Sekunde, als ihr Blick
auf das Fenster der Wohnung gegenüber fiel. Der Mann, den sie am Vorabend
zusammen mit Rain das Gebäude betreten sah, lehnte mit den Ellbogen auf dem
Küchentisch, sein Gesicht in seinen Händen vergraben.
Was
zur Hölle... Sie hielt für einen Moment an und beobachtete ihn, all ihre
eigenen Plänen für den Augenblick vergessen. Etwas an seiner Körperhaltung ließ
ihn zugleich unglaublich traurig und unglaublich einsam erscheinen.
"Caitlin?
Was soll ich machen?"
Suzannes
Gequengel brachte sie wieder zurück in die Realität. Caitlin drehte sich weg
und wandte sich dem Weg zur Tiefgarage zu. Er ist wahrscheinlich so deprimiert,
weil ihm der Stoff ausgegangen ist, dachte sie, als sie die Stufen hinab stieg.
Sie legte ihre Gedanken an den Mann weg und fauchte ins Telefon, "Du
sollst ihn *hinhalten*! Das sollst du machen! Muss ich dir denn alles vorkauen?"
Caitlin
erreichte ihren Wagen und warf ihre Sachen auf den Rücksitz. Sie setzte sich
hinters Steuer und raste mit quietschenden Reifen und dem Telefon immer noch an
ihrem Ohr aus der Garage.
STADTGRENZEN Kapitel 5
von
Nicole Perry
(
nvrgrim@aol.com )
9/1/99
Es
war langsam schwer zu glauben, dass es immer noch keine schlüssigen Beweise
gab. Keine Hinweise, keine Tipps. Nichts. Einfach gar nichts.
Assistant
Director Walter Skinner schob den Stapel Papier beiseite, den er gelesen hatte,
hob mit zwei Fingern seine Brille von der Nase und massierte den Knorpel, auf
dem sie gesessen hatte. Er hatte Kopfschmerzen, die genau hinter seinen Augen
hämmerten, und er wusste, dass der enorme Schlafentzug der letzen Zeit
allmählich anfing, an seiner Gesundheit zu nagen.
In
der Woche seit seinem Trip nach Texas war er mit nichts anderem beschäftigt
gewesen, als mit der Suche nach Informationen und Antworten, doch bis jetzt
stand er mit leeren Händen da. Nichts Handfestes, nichts Aussagekräftiges. Er
war jeden Bericht durchgegangen, war jeder möglichen Sichtung nachgegangen und
hatte jedes Bisschen an Hinweisen verfolgt. Doch nichts davon hatte etwas
ergeben.
Er
hatte keinen blassen Schimmer, wo Fox Mulder und Dana Scully sein könnten. Und
das war unglaublich frustrierend.
"Zwei
Leute", murmelte Skinner zu sich selbst. "Zwei Leuten können doch
nicht einfach so von der gottverdammten Bildfläche verschwinden."
Doch
soweit er das beurteilen konnte, war genau das passiert. Wenigstens waren vor
der Sache in El Paso Kleinigkeiten an Informationen und Daten zu ihm
durchgesickert. Der Tatort in New Orleans zusammen mit den Hinweisen aus dem
Apartment schienen der ultimative Durchbruch gewesen zu sein und Mulders
Verhaftung hatte wie das definitive Ende einer ewig langen Suche ausgesehen.
Aber
seit El Paso hatte er nichts mehr. Null. Nix. Kein Stück.
Skinner
wurde den Verdacht nicht los, dass er mit Absicht blockiert wurde. Verdammt,
sein zigaretterauchender Widersacher hatte
Schlimmeres auf dem Kerbholz als bloßes Zurückhalten von Informationen. Es war
fast anzunehmen, dass er es jetzt auch tat. Das machte die Sache schwerer, aber
nicht unlösbar. Der Mann konnte Wahrheiten vertuschen und Lügen erfinden, aber
er konnte nicht alles kontrollieren. Es musste etwas geben, das zwischen die
Ritzen gedrungen ist.
Walter
Skinner musste einfach genau das finden.
Das
Interkom auf seinem Schreibtisch summte und das laute Geräusch riss ihn aus den
Gedanken. Genervt drückte er auf den Empfängerknopf. "Ja?"
Es
war Holly, seine Sekretärin, deren Stimme sich im Lautsprecher fast verlor.
"Da ist eine Margaret Scully auf Leitung drei, Sir. Möchten Sie den Anruf
entgegennehmen?"
Skinner
seufzte tief. Möchte er den Anruf entgegennehmen? Nein, zum Teufel.
"Danke,
Holly."
Er
wartete einen Moment bevor er den Hörer an sein Ohr hob. "Hallo?"
"Hallo,
Walter", sagte sie zögernd und leise. "Es tut mir leid, dass ich Sie
störe—sicher sind Sie sehr beschäftigt."
"Nein,
das ist schon in Ordnung." Er schwieg für eine Sekunde. "Ich
wollte... ich wollte Sie bereits anrufen."
"Gibt
es etwas Neues?"
"Nein,
nein." Skinner beeilte sich, sie vor falschen Hoffnungen zu bewahren.
"Nichts neues, zumindest nichts Handfestes. Ich wollte Sie wenigstens das
wissen lassen." Gott, dachte er, immer die richtigen Worte finden. Er
räusperte sich. "Was ich sagen wollte ist, dass obwohl wir im Moment
nichts Definitives haben, schöpfen wir alle Informationen und Hinweise, die wir
haben, aufs letzte aus. Wir haben Teams von Agenten darauf angesetzt und
arbeiten mit der Polizei zusammen. Wir sollten... ich bin mir sicher, dass wir sehr bald mehr
wissen."
Sie
antwortete nicht sofort und Skinner grübelte, was sie wohl dachte. Nicht zum ersten Mal war er erleichtert
darüber, dass Margaret Scully nicht wusste, dass ihre Tochter zu alledem
höchstwahrscheinlich blind war. Es schien ihm, als ob dieses Wissen zu viel für
sie sein würde.
"Gut",
sagte sie dann. "Ich meine, ich hoffe es. Ich hoffe, dass Sie bald
Neuigkeiten haben."
"Das
werden wir", versicherte Skinner ihr mit einer Zuversicht, die er nicht
besaß. "Das werden wir ganz bestimmt. Wir müssen nur Geduld haben."
Er
sagte das, um sie zu beruhigen, aber er wollte sich selbst auch beruhigen. Er
wusste, dass Margaret Scully Geduld hatte—und Glauben—den Glauben einer
Heiligen.
"Ich
weiß", sagte sie. "Ich tue mein Bestes. Und ich weiß, dass Sie alles
tun, um sie zu finden und zurück zu bringen." Sie hielt inne und fügte
dann hinzu, "Das bedeutet mir sehr viel. Was Sie für Dana tun bedeutet mir
sehr viel. Und für Fox."
"Sie
sind sehr gute Agenten", sagte er. "Und gute Menschen. Ich kann es
nicht ertragen, dass sie so verfolgt werden."
"Gibt
es etwas, das ich... das ich tun könnte, um zu helfen?"
Skinner
wünschte, dass er ihr etwas sagen könnte. Irgendeine Aufgabe, die er ihr geben
könnte, um die schwere Bürde des Wartens zu lindern. "Nein. Wir haben
alles unter Kontrolle. Lassen Sie uns nur wissen, wenn Sie von einem von beiden
etwas hören, ganz egal was."
"Das
werde ich", sagte sie. "Vielen Dank, Walter. Danke, dass Sie mich auf
dem Laufenden halten."
"Natürlich.
Ich melde mich bald wieder bei Ihnen."
Skinner
legte auf mit der Hoffnung, dass er ihr beim nächsten Mal etwas mehr sagen
konnte.
Mulder
stellte seine Kaffeetasse in die Spüle und überlegte, ob er sie gleich spülen
sollte. Doch er ließ es bleiben. Für eine Tasse würde sich das Spülen nicht
lohnen.
Er
konnte die Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte, nicht ausstehen.
Vielleicht hat sie recht, sagte eine immer präsente Stimme in seinem Kopf.
Vielleicht *bist* zu ja zu kontrollierend. Es geht hier um sie, nicht um dich.
Vergiss das nicht.
Doch
der Punkt war, dass alles, was er machte, er für sie tat. Doch vielleicht
packte er es nicht richtig an. Er konnte sich allerdings nicht vorstellen, den
Termin bei Dr. Bard sausen zu lassen. Sie würden vielleicht nie wieder so eine
Chance bekommen. Verdammt, sie würden vielleicht jetzt nicht einmal eine
bekommen. Es gab keine Garantie.
Was
Mulder wirklich wollte war, alle Pros und Contras gegeneinander abzuwägen. Die
Situation zu analysieren und vernünftige Entscheidungen zu treffen. Das Problem
war nur, dass sich sein bester Gesprächspartner in Schweigen gehüllt hatte.
Womit er schließlich sich selbst überlassen blieb.
Sei
vorsichtig, warnte ihn die Stimme. Dränge sie nicht. Aber wenn ich es nicht
tue, wer tut es dann?
Wieder
sah Mulder auf die Uhr und beschloss nach Scully zu sehen. Er ging aus der
Küche in den Flur, und als er sich dem Schlafzimmer näherte, hörte er wie im
Badezimmer Wasser lief. Leise betrat er den Raum, in dem der Teppich seine
Schritte dämpfte. Die Badezimmertür war nur angelehnt und er schob sich
vorsichtig hinein.
Scully
stand drinnen mit von der Dusche nassen Haaren, nur mit einem BH und einer
Jeans bekleidet. Über das Waschbecken gebeugt war sie gerade dabei, sich das
Gesicht zu waschen. Mulder sah still zu, wie sie Wasser auf ihre Haut spritzte.
Als sie fertig war, tastete sie nach dem Handtuch, das auf der Ecke der Ablage
lag. Sie fand es und trocknete ihr Gesicht.
Dann
nahm sie das Handtuch herunter und behielt es in einer Hand. Mit der anderen
strich sie sich einige Strähnen aus ihrer Stirn und seufzte tief und lang.
Mulder fühlte sich ein wenig schuldig ob seines voyeuristischen Benehmens,
wohlwissend, dass das fließende Wasser das Geräusch seiner Atemzüge übertönte,
aber er konnte einfach nicht weg sehen.
Das
nächste, was sie tat, kam für ihn völlig unerwartet. Scully streckte ihre freie
Hand vor sich aus und berührte mit den Fingern den Spiegel über dem
Waschbecken. Sanft strich sie über das Glas, als ob sie ihr eigenes Spiegelbild
streicheln würde.
Mulder
schluckte. Er hatte plötzlich einen Kloß im Hals, als er ihrem Spiegelbild in
die Augen sah, in denen er nichts als Leere sehen konnte. Er fühlte den
wohlbekannten Stich im Herzen, als er sich fragte, was sie in diesem Moment
wohl dachte.
Er
war so in diesen Gedanken versunken, dass er kaum mitbekam, dass sie das
Handtuch sinken ließ und das Wasser abstellte. Der Raum war nun völlig still
und schon eine Sekunde später drehte sie sich zu ihm um.
"Mulder?"
Er
zuckte, als er sah wie sie ihre Arme hob und sie vor ihrer Brust verschränkte.
Er hasste es, dass sie sich durch seine bloße Anwesenheit verletzlich fühlte.
"Ja",
druckste er. "Ich war nur... ich wollte nur sehen, ob du fertig
bist."
"Ich
bin gleich soweit", antwortete sie und tastete nach der Tür. Resolut
machte sie sie zu und Mulder war wieder allein. Sie schloss ihn immer noch aus.
Und
trotzdem formte sich ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht, als er zu
verstehen begann.
Sein
unerlaubtes Spähen hatte etwas äußerst Wichtiges eingebracht. Es war nicht so,
dass Scully nicht zu Dr. Bard wollte. Soviel war klar. Sie schien aus
irgendeinem Grunde nur nicht den Nerv dazu zu finden.
Meine
tapfere Scully, dachte er. Du hast genug Mut für uns beide. Man muss dich nur
immer wieder daran erinnern.
Mulder
ging zum Bett, setzte sich drauf und wartete. Er überlegte bereits, wie er es
am besten angehen konnte. Er musste einen Weg finden, sie zu beruhigen, sie
wissen zu lassen, dass sie nichts zu fürchten brauchte. Sie daran zu erinnern,
dass er immer an ihrer Seite bleiben würde, jeden Schritt ihres Weges. Ganz
egal, was passierte.
Ich
bin für dich da, Scully, dachte Mulder. Du musst mich nur lassen.
Rain
stimmte zwei Saiten an und hörte, wie der Klang zum Refrain des Textes passte.
Sie runzelte die Stirn. Es hörte sich viel zu melancholisch an, sogar für ihre
Ohren. Möglicherweise begann das Problem schon mit der Tonart Moll. Es wäre
vielleicht besser, ganz anders anzufangen.
Das
Telefon klingelte und störte sie in ihrer Konzentration. Sie blickte sich
suchend um, aber das schnurlose Telefon war nirgends zu sehen. "Scheiße."
Sie legte ihre Gitarre ab und rumorte im Studio zwischen Klamotten und Musikzeitschriften
herum.
Sie
fand es beim fünften Klingeln und drückte den Knopf. "Hallo?"
"Hey
Girl, was geht ab?"
Rain
seufzte. Tyrone war gesprächig drauf und sie wusste, was das bedeutete. Er würde sie mit Storys zuschütten über alles
Mögliche, das passiert war, nachdem sie lange vor ihm und Cedric im Club 80s
gegangen war. Und wenn er so viel Atem wie gewöhnlich hatte, konnte sie ihre
Gitarrenstunde für heute abschreiben. Vielleicht würde sie pünktlich zur Arbeit
kommen—wenn sie Glück hatte.
"Nicht
viel", antwortete sie. "Ich spiele nur ein bisschen, bevor ich zur
Arbeit fahre. Was machst du?"
"Ich
erhole mich", sagte Tyrone mit einem Gähnen. "Mit Cola Light. Kaum zu
glauben, dass es schon so spät ist." Er wartete einen Moment und fragte
dann, "Hast du schon was gehört?" Rain wusste nichts so richtig mit
dieser Frage anzufangen. "Gehört, von was?"
"Von
diesen Leuten. Rick und Lisa. Hast du schon von ihnen gehört?"
"Natürlich
nicht", erwiderte Rain. "Ich meine, sie haben ja nicht gerade meine
Telefonnummer. Außerdem habe ich sie doch erst gestern in die Wohnung gebracht.
Ich brauche ja nicht alle Nase lang nach ihnen sehen."
"Hm",
machte Tyrone und Rain hörte ihn ausatmen. Sie wusste, dass er eine seiner
immer präsenten Zigaretten rauchen musste. "Vielleicht solltest du's
aber."
"Vielleicht
solltest du nicht so paranoid sein. Das steht dir nicht."
"Okay
Girl, aber ich will nicht derjenige sein, der dir sagen muss 'Ich hab's dir
doch gesagt', wenn du am Ende alt aussiehst", warnte er ernsthaft.
Langsam,
fand Rain, wurde dieses Gespräch ungemütlich. "Ich sehe sie gleich, wenn
dich das beruhigt. Sie kommen gleich ins Motel, um mir den Rest des Geldes zu
geben."
"Den
*Rest* des Geldes?" Tyrone war geschockt und es hallte in der Leitung
wider. "Sie haben dir nicht das ganze do-re-mi gegeben, als du ihnen die
Schlüssel gegeben hast?"
"Tyrone,
halt die Klappe!" Rain platzte jetzt der Kragen. "Ich mach das schon.
Ich habe alles im Griff." Doch insgeheim fragte sie sich, ob das wirklich
stimmte.
Scully
rückte näher zu Mulder. Sie fürchtete, unnötig Aufmerksamkeit auf sich zu
ziehen, weil sie in der Bank ihre Sonnenbrille trug. Und das mitten im
November. Die Western Union Bank war ziemlich voll, und es standen Leute um sie
herum, die schrecklich und ungewaschen rochen.
Sie
hasste Los Angeles wie nichts anderes.
"Wie
lange noch, Rick?" fragte sie. Es kam ihr vor, als würden sie schon
Ewigkeiten in dieser Schlange stehen.
"Wir
sind die nächsten", beruhigte Mulder sie. "Noch ein paar Minuten und
wir sind hier raus."
Als
sie endlich dran kamen, war Scully froh, dass die Transaktion recht flott
vorüber war. Sie hörte, wie Mulder das Geld abzählte und die Quittung unterschrieb,
dann ließ sie sich von ihm beim Arm nehmen und hinaus auf die Straße führen.
"Wir
haben ein Telegramm mit dem Geld bekommen", sagte er, als sie auf der
Straße waren mit absichtlich leiser Stimme.
"Was
steht drin?"
"Ich
soll sie anrufen. Ich denke, sie werden's mir dann sagen."
Auf
der Suche nach einem mit Glas geschützten Telefon gingen sie noch ein paar
Blocks weiter an ihrem parkenden Auto vorbei, doch leider fanden sie keines.
"Ich
glaube, wir werden das hier an der Ecke benutzen müssen", sagte Mulder
leicht resigniert.
"Ist
es sicher?"
Sie
konnte fast hören, wie er die Schultern zuckte. "Sicher genug. Bleib aber
trotzdem dicht neben mir."
Scully
tat nichts lieber als das. Der Lärm des Verkehrs war laut und sie wurde
andauernd von irgendwelchen Passanten angerempelt. Jedes Mal, wenn sie wieder
viel zu dicht an jemandem vorbei ging, erwartete sie fast, beim Arm gepackt und
in die nächste Seitenstraße gezerrt zu werden, wo bereits ein parkender Van auf
sie wartete.
Du
machst dir selbst unnötig Angst, schimpfte sie mit sich selbst und versuchte,
Haltung zu bewahren.
Sie
hörte, wie Mulder die Münzen einwarf, die klappernd in den Schacht fielen, so
dass sie das Piepen der Wähltasten fast übertönten. Mulder ratterte eine
zehnziffrige Nummer herunter und legte dann auf. Augenblicke später klingelte
es.
Scully
hörte auf Mulders Teil des Gesprächs, doch außer "ja" und
"gut" und "okay" sagte er nicht viel. So sehr sie es
versuchte konnte sie nicht hören, was die Schützen am anderen Ende sagten.
Als
sich das Gespräch zum Ende zu neigen schien, sagte sie, "Grüß' sie von
mir."
Mulder
tat es, fügte noch ein paar "okays" hinzu und legte wieder auf. "Also", sagte er und nahm sie
wieder beim Arm, "sieht aus, als ob die Sache läuft."
Seine
Worte ließen sie innerlich zusammenzucken. "Und das heißt?"
"Das
heißt, dass wir einen Termin bei dem Arzt haben. Morgen um 10.45 Uhr." Er
lehnte sich zu ihr und sagte ihr leise ins Ohr, "Wir müssen noch ein paar
Unterlagen bei der Post in der Nähe unserer Wohnung abholen."
"Wunderbar",
sagte sie mit erzwungenem Enthusiasmus, den sie nicht hatte.
Als
sie am Auto waren, wartete Scully, bis Mulder aufgeschlossen und ihr hinein
geholfen hatte. Als ihre Tür zu war, nahm sie die Sonnenbrille ab und schloss
für einen Moment mit einem tiefen Seufzen die Augen.
Du
schaffst das schon, dachte sie. Du wirst damit schon fertig.
Sie
machte die Augen wieder auf, als sie hörte wie Mulder die Fahrertür öffnete. Er
rutschte in den Sitz, der hörbar knarrte, und knallte die Türe zu. Sie hörte
wie er die Schlüssel drehte und der Motor anlief und war dann überrascht, als
Mulder seine Hand auf ihre legte.
"Wir
haben's bald geschafft, Scully." Seine Stimme klang freudig und aufgeregt.
"Es wird alles wieder in Ordnung kommen". Er beugte sich zu ihr und sie
roch den sauberen Geruch seiner Haut, als er sie sanft küsste. "Das
verspreche ich."
Als
er zurück zog, tat Scully ihr bestes, um zu lächeln, denn sie wusste, dass er
sie ansah. Sie hoffte mit ganzem Herzen, dass er Recht behalten würde.
Der
Mann starrte auf das Gebilde, das er sich auf der Wand seines Büros anfertigen
lassen hatte. Es war im Grunde eine Karte der Vereinigten Staaten, auf der eine
Reihe von gestrichelten und durchgezogenen Linien eingezeichnet worden waren.
Alle Linien gingen von ein und demselben Punkt aus—von einem Bus Depot in
Alburquerque, New Mexiko.
Er
war überrascht, als er sah, wie viele verschiedene Linien es auf dem Plan gab.
Er hätte weder erwartet, dass so viele Busse an einem Sonntag durch diese Stadt
fahren würden, noch, dass diese Busse so viele Ziele anfuhren. Alburquerque
musste wohl eine größere Anlaufstelle im Süd-Westen der Staaten sein.
Trotzdem
war es nicht allzu beunruhigend. Er hatte genug Leute, um die verschiedenen
Spuren zu verfolgen. Er wünschte nur, die Suche auf eine kleinere Gegend
einengen zu können. Doch während der ungeplanten Interrogation der drei
Bewohner des Farmhauses hatte sich herausgestellt, dass Mulder und Scully
keinerlei Hinweise darauf hinterlassen hatten, wohin sie fahren würden.
Wenn
sie wenigstens den Bus gesehen hätten, in den sie eingestiegen waren, grübelte
er und fragte sich für einen unsicheren Moment, ob es die jungen Leute nicht
geschafft hatten, ihm etwas zu verheimlichen. Das war jedoch sehr
unwahrscheinlich. Der Mann wusste, dass er sehr gute Überredungsarbeit
leistete.
Jetzt,
ohne ein bestimmtes Ziel, das ihm bei der Suche helfen würde, musste der Mann
seine Leute über alle Routen verteilen. Allerdings sagte ihm etwas, dass Mulder
und Scully nach den Vorfällen in New Orleans nicht so bald wieder gen Osten
oder Süden fahren würden, und das ließ nur noch zwei Richtungen offen: nach
Norden, in Richtung Kanada, oder weiter in den Westen, nach Kalifornien. Bei
beiden Möglichkeiten gab es unterwegs Unmengen von Haltestellen. Der Mann würde
nicht ruhen, bevor er sie nicht alle abgesucht hatte.
Und
bis es soweit war, würde er weiter am Köder seiner Falle basteln.
Wenn
ich euch schon nicht finde, dachte er schadenfroh, werde ich wenigstens dafür
sorgen, dass ihr freiwillig wieder zurück kommt.
"Morgen,
Louie", rief Rain, als sie die Motel-Lobby betrat. Der Empfang war jedoch
nicht besetzt und sie erhielt keine Antwort. "Louie?"
"Ich
bin hinten", kam die Antwort. "Eine Sekunde!"
Rain
zuckte die Schultern und tastete nach dem Knopf für die Schwingtür.
Sie
fand ihn und konnte begleitet von einem lauten Klingeln eintreten. Hinter dem
Empfang angekommen nahm sie ihren Rucksack ab und kletterte auf den Stuhl, um
ihr bescheidenes Reich zu begutachten.
Auf
dem Tisch lagen einige Nachrichten und in der Ecke ein Stapel unsortierter
Post. Sie seufzte und fragte sich, ob hier überhaupt etwas gemacht würde, wenn
sie sich irgendwann dazu entschloss, nicht mehr zu kommen. Sie fing an, die
Nachrichten in die dazugehörigen Fächer zu stecken, aber nicht ohne jede
einzelne nach etwas Interessantem oder Ungewöhnlichem zu überfliegen.
"Du
bist früh dran", verkündete Louie, als er aus dem Hinterzimmer kam. "Was ist los? Irgendein nationaler
Feiertag? Oder willst du vor Ende deiner Schicht wieder abhauen?"
"Weder
noch", sagte Rain. "Bin heute einfach mal 'was früher. Ist das ein
Verbrechen?"
"Zur
Hölle, nein", grinste er. "Das heißt, ich kann jetzt die Fliege
machen, find ich cool."
Rain
grinste zurück und betrachtet ihn von oben bis unten. Das T-Shirt, das er an
hatte, hatte sicher schon einmal bessere Tage gesehen. Sie würde wetten, dass
er darin geschlafen hatte. Und auf einem Knie seiner Jeans waren Flecken von
etwas, das ganz nach Kaffee aussah. "Louie, mein Alter, du siehst schlimm
aus."
Louie
zuckte die Schultern und hob die Hände, Handflächen nach oben. "Hab' ich
'nen Grund, mich hierfür fein zu machen?"
Sie
ließ sich lieber nicht auf eine Diskussion ein und sagte, "Los, geh schon.
Ich komm' hier klar."
"Ich
weiß, Schätzchen. Ich weiß." Er zwinkerte ihr zu und machte sich auf in
Richtung Tür. "Du weißt, wo du mich finden kannst, wenn nötig."
"Stadtbibliothek",
witzelte sie. "Ich hab' die Nummer hier stehen."
Mit
einer galanten Handbewegung rauschte Louie aus der Tür und machte sich auf den
Weg zur Bar unten in der Straße.
"Die
Happy-Hour fängt offiziell erst um fünf an, nicht um drei", murmelte Rain
zu niemand bestimmten und begann, die Post zu sortieren.
Eine
Viertelstunde später war die Post erledigt, alle Schlüssel waren auf ihren
Haken an der Wand und Rain langweilte sich zu Tode. Sie trommelte mit den
Fingern ziellos auf dem Tisch herum und kramte dann in ihrem Rucksack nach
ihrem Notizblock.
Als
sie wieder aufsah, standen Rick und Lisa vor ihr am Empfang. Rain erschrak
leicht, denn sie hatte sie gar nicht kommen hören. "Hi, Leute",
begrüßte sie sie. "Schön, Euch zu sehen. Wie ist die Wohnung?"
"Toll",
sagte Rick mit einem Lächeln. "Richtig klasse."
"Sie
ist Spitze, was?" grinste Rain. Er sah auf eine ungewöhnliche Art so gut
aus, die Rain wirklich gut gefiel. Sogar in den Klamotten, ein abgegriffener
Windbreaker, Jeans und Pullover, sah er fabelhaft aus.
"Was
ist mit dir, Lisa?" fragte sie und blickte auf die zierliche Frau neben
ihm. "Gefällt dir die Wohnung?"
Lisa
nickte und lächelte eines ihrer scheuen Lächeln, ihre blauen Augen leer.
"Es ist nett. Danke noch einmal, dass wir dort wohnen dürfen."
"Die
Bude ist echt cool", freute sich Rain und fragte sich, wie diese beiden
bloß zusammengefunden hatten. Es war nicht so, dass Lisa nicht hübsch war, das
war sie, besonders mit Cedrics neuem Haarschnitt. Aber sie schien Vergleich zu
Rick so still und zurückhaltend, so konservativ und 'normal' in ihrem blauen
Mantel und Khakis. Rain hasste nichts mehr als 'normal', aber wenn Rick drauf
stand, konnte sie auch nichts daran ändern.
Rain
schob den Gedanken beiseite und kam zum Geschäft. "Habt ihr mein Geld
dabei?"
"Ja,
hier", sagte Rick und blickte sich vorsichtshalber um, bevor er sein Portemonnaie
auf machte. Er zog ein Bündel Scheine heraus und reichte es ihr über den Tisch.
Rain nahm sich einen Moment, um es zu zählen. Obwohl sie es nicht zugeben
wollte, hatte sie Tyrones Anruf nervös gemacht. Aber nur ein wenig.
Doch
die Summe war vollständig wie abgesprochen, und sie steckte es grinsend in ihre
Hosentasche. "Das wäre erledigt", sagte sie zufrieden. "Bis
nächsten Mittwoch habt ihr bezahlt. Viel Spaß dann!"
"Werden
wir haben", versicherte Rick ihr und griff mit einer Hand nach Lisas Arm.
"Aber, wie gesagt, das bleibt unter uns."
"Kein
Problem", sagte Rain. "Mir liegt genauso viel daran, dass das nicht
die Runde macht. Das letzte, was ich brauche, ist ein stinksaurer Justin."
Er
sah ihr für einen langen Moment in die Augen. "Gut", sagte er dann.
"Bis später."
"Ja,
bis später", echote Rain und sah ihnen nach, wie sie durch die Tür auf die
Straße gingen. Als sie außer Sichtweite waren, nahm sie wieder das Geld aus der
Tasche und zählte es noch einmal, nur so zum Spaß, mit einem wachsenden Grinsen
auf ihrem Gesicht.
*ende
von kapitel fünf*
Anmerkung
von dana d. : Liebe Leute, das ist leider alles, was
sie schrieb. Diese Geschichte ist seit der Veröffentlichung des letzten Teils
im Jahre 1999 unvollendet. Soweit ich weiß, kann man die Autorin, Nicole Perry,
über ihre angegebene Emailadresse nicht mehr erreichen. Trotzdem sie sich
zwischendurch in all den Jahren zu Wort gemeldet haben soll, hat sie diese
faszinierende Geschichte nie beendet. Wird das Treffen mit Dr. Bard stattfinden? Wird er Scully helfen können? Was wird
passieren, wenn Justin ungeplant früher zurückkehrt und die beiden in seiner
Wohnung vorfindet? Was hat es mit Caitlin auf sich?
Und was mit dem Köder für die Falle, die der Raucher vorbereitet?? Die
Fortführung und das Ende der Road Story ist ganz
unserer Vorstellung überlassen.
Für
mich war es ein Traum, diese Geschichte zu lesen. Über die Jahre lese ich sie
immer mal wieder gerne – zuletzt nun bei der Überarbeitung meiner Übersetzung
im Jahre 2017.