WENN DER MORGEN BLÜHT

(Originaltitel: Forever Morning)

 

von TexxasRose aka. Laura Castellano

( laurita_castellano@yahoo.com )

 

 

aus dem Englischen übersetzt von dana d. < hadyoubigtime@netcologne.de >

*** überarbeitet 2017 ***

 

Datum: 23. November 1999

WARNUNG! In dieser Story stirbt jemand (und ich habe mir eigentlich geschworen, so etwas nie zu schreiben), aber es ist immer noch MSR und es hat ein Happy End. Vertraut mir.  Wirklich.

Klassifikation: Mulder/Scully verheiratet.

Disclaimer: Wenn Fox Mulder mir gehören würde, würde ich ihn mit anderen Dingen beschäftigen als mit dem Lösen von Fällen. Wenn Dana Scully mir gehören würde, würde ich immer mit ihr Shopping gehen. Skinner gehört mir ebenfalls nicht. Sie gehören alle Chris Carter, 1013, Fox Broadcasting und all den anderen glücklichen Gestalten. Emmie ist  allerdings meine Erfindung.

Spoiler: Nein, dieses Mal nicht.

Wertung: PG

Autorenbemerkung: Dies ist eine Fortsetzung zu meinem Roman "Ahead Of Twilight" und "Fade To Midnight". Es wird vermutlich Sinn machen, wenn Ihr diese beiden nicht gelesen habt, aber wenn ihr sie vorher lest, macht es wohl noch mehr Sinn. Ahead Of Twilight und Fade To Midnight könnt ihr hier finden:

Englisch: www.8op.com/laurita

oder: www.annex-files.com

Deutsch: www.danadshome.de

 
 
 

WENN DER MORGEN BLÜHT

TexxasRose

 

 

 

Das Begräbnis war gestern Morgen. Es war natürlich wunderschön, aber egal wie oft und wie gut ich mir einzureden versuche, dass Fox es nicht gewollt hätte, wenn ich um ihn weine, konnte ich dennoch nicht aufhören. Ich habe sie beide in so kurzer Zeit verloren. Ich bin nicht allein auf dieser Welt—ich habe meinen Mann, meinen Sohn, Großmutter Maggie, Großvater Morrow, Jess und Walter. Allen diesen Leuten kann ich vertrauen und trotzdem, ohne Mom und Fox, fühle ich mich verlassen.

Sie hat vor einem Monat den Kampfs gegen eine schwere Lungenentzündung nach wochenlanger Krankheit verloren. Fox war die ganze Zeit bei ihr gewesen, und an ihrem letzten Tag war er in ihr Bett gekrochen und hatte sie einfach nur gehalten. Wir wussten alle, dass Mom nicht mehr lange Zeit blieb - sie war so schwach - Fox hatte seine Arme um sie geschlungen und sein Gesicht in ihrem Haar vergraben, so dass sie seine Tränen nicht sehen konnte. Er hatte den Großteil seines Lebens Acht auf sie gegeben, wie sie auf ihn, aber letztendlich hatte er sie nicht vor dem Unvermeidlichen bewahren können. Um etwa 17:30 Uhr eines Nachmittags ist Mom einfach in den Schaf geglitten, ein zufriedener Ausdruck auf ihrem Gesicht und immer noch geborgen in seinen Armen. Sie hatte mir oft erzählt, dass wenn sie schon nicht gemeinsam Abschied nehmen könnten, sie in seinen Armen sterben wollte. Ihr Wunsch wurde ihr erfüllt.

Ich wusste, dass Fox anders empfand. Er würde es ohne Mom nicht aushalten; das wussten wir alle. Als er letztendlich von dem Bett aufgestanden war und die Ärzte an die Verstorbene gelassen hatte, war sein Gesicht wie tot gewesen. Er hatte mich wortlos umarmt und ich habe ihm in einem schwachen Versuch des Trostes über den Rücken gestreichelt.

"Jetzt sind nur noch du und ich übrig, Fox", schluckte ich. "Wir müssen weitermachen."

Er nickte grimmig, aber in meinem Herzen war ich mir absolut sicher, dass ich Fox nicht mehr lange haben würde. Er war noch nie imstande gewesen, länger als ein paar Tage von Mom getrennt zu sein. Ich fasste den Entschluss, ihn während der nächsten Zeit genau zu beobachten, falls er etwas Dummes anstellen wollte (Mom hat mich immer gewarnt, dass Fox leicht etwas Unüberlegtes tut, wenn er in Panik gerät). Aber das hat er nicht getan. Er hatte sich einfach treiben lassen und war mehr und mehr verblasst, und nichts, was ich tat oder sagte, machte es auch nur ein wenig besser.

Ich wollte, dass er bei Andrew und mir einzieht, wo Daniel, sein Enkel, den er beschützte wie seinen Augapfel, ihm vielleicht einen Grund geben konnte zu leben. Aber Fox lehnte ab. Er sagte, dass er nicht das Haus verlassen wollte, in dem er und Mom so viele glückliche Jahre verbracht hatten. Oftmals, wenn ich nach ihm sah, fand ich ihn wahllos umherwandernd vor, ziellos von Raum zu Raum, wie er einige von Moms Sachen aufhob, sie besah und sie behutsam wieder zurücklegte. Er ließ mich ihre Sachen nicht sortieren, er bestand darauf, es selbst zu tun, aber er hatte sich nie dazu bringen können, diese Aufgabe in Angriff zu nehmen. Wenn ich irgendwann den Nerv dafür habe, werde ich mich um die Sachen von beiden, seine und Moms, kümmern. Ich sollte eigentlich sauer auf ihn sein, weil er mich mit der doppelten Ladung sitzen ließ, aber dazu kann ich mich natürlich nicht hinreißen—Fox hat in seinem Leben so viel Schmerz und Leid ertragen müssen, und ich glaube, dass diese letzte Anstrengung einfach zu viel für ihn war. Ich bin jung und stark und ich habe den Rückhalt von so vielen Leuten. Ich kann damit umgehen.

Ich habe vor ein paar Tagen sein Tagebuch gefunden, das bis zu seiner Kindheit zurück reicht. Offensichtlich hatte er damals ein Tagebuch angefangen, kurz nachdem seine Schwester verschwunden war - als Teil der Psychotherapie, die seine Mutter für ihn durchgesetzt hatte. Er hatte diese Gewohnheit sein ganzes Leben lang fortgeführt. Es gab Spiralblöcke mit Eintragungen, später waren es gebundene Tagebücher, und noch später Dateien auf dem Computer. Ich habe sie nach Datum sortiert und angefangen sie zu lesen. Erst Stunden später habe ich von den Wörtern, die Fox zu Papier gebracht hatte, eine Pause eingelegt. Er hatte ein faszinierendes, erstaunliches und wahnsinnig unglaubliches Leben gehabt. Ich wünschte nur, dass Mom ihr Tagebuch auch behalten hätte, ich hätte sie mit Fox' vergleichen können. So lange ich sie kenne waren sie nie einer Meinung gewesen, aber sie haben sich so sehr respektiert, dass die Streitereien nie etwas ausgemacht hatten. Es wäre bestimmt interessant, ihre Aufzeichnungen abzugleichen.

Ein paar von den Sachen, die ich in den Tagebüchern gelesen habe, waren einfach zu seltsam, um sie zu glauben, und trotzdem.... ich bin mir absolut sicher, dass zumindest Fox sie bis ins kleinste Detail geglaubt hatte. In diesen Dateien sind Dinge über Legenden geschrieben—Vampire, Werwölfe, Aliens, Monster.... und so grausame Sachen, von denen ich nie geglaubt habe, dass sie so durch und durch böse sein könnten. Mom und Fox haben diese Dinge offensichtlich Seite an Seite bekämpft—oder etwas, das Fox als diese Dinge interpretiert hatte. Die Tagebücher erzählen von seiner Liebe zu ihr, schon Jahre bevor er es auszudrücken vermochte, von der Verzweiflung, die er empfunden hatte, als er für ein Verbrechen im Gefängnis gewesen war, das er nicht begangen hatte, von den Qualen, die er ertragen musste, als er freigelassen worden war und sie mit meinem Vater verheiratet war.... es geht weiter und weiter und weiter.

Gibt es also solche Monster wirklich? Ich weiß es nicht, und so lange ich nicht auf die FBI-Akademie gehe und den X-Akten zugeteilt werde (die laut Walter zu meiner Überraschung noch existieren), glaube ich nicht, dass ich es je wissen werde. Vielleicht sollten einige Dinge besser unentdeckt bleiben. Über eines bin ich mir allerdings ganz sicher - über das dunkle und tiefgründig Böse, das es in einigen Menschen wahrhaftig gibt. Zum Beispiel in den Menschen, die Fox ins Gefängnis verbannt hatten, und bei dem Mann, der Ellery und Fox gekidnappt hat. Und in so vielen, vielen anderen Leuten auch, von denen Fox in seinen Tagebüchern schreibt. Dieses Böse macht mir Angst, deswegen habe ich mich entschieden, meinen Doktortitel in Kinderpsychologie anstatt Kriminalpsychologie zu machen. Ich finde das kriminalistische Denken faszinierend, aber mich tatsächlich Tag für Tag mit diesen Leuten auseinander setzen zu müssen.... nun ja, das scheint mir mehr als ich wirklich will. Es ist schon schwer genug, mit problematischen Halbstarken fertig zu werden.

Ich spiele mit dem Gedanken, die Tagebücher zusammenzustellen, die sehr persönlichen Eintragungen herauszueditieren und sie anschließend zu veröffentlichen. Ich werde Walter bitten, mir zu helfen, weil er ja bei vielen der fantastischen Abenteuer dabei war. Es gibt darin eine Menge Informationen über die Regierung, die besser nicht publiziert werden sollten, aber vielleicht könnte ich aus dem Ganzen eine fiktive Geschichte aus dem Leben der beiden machen. Vielleicht kann ich so vermeiden, dass der ein oder andere, der möglicherweise eine Rolle in den riesigen Verschwörungen gespielt hat, die Fox und Mom aufgedeckt haben, sich durch irgendetwas in dem Tagebuch angegriffen fühlt. Walter versichert mir, dass der Mann mit den Zigaretten schon lange tot ist, aber das Böse an ihm scheint so fortwährend; ich konnte seine Anwesenheit spüren, während ich über ihn gelesen habe. Er war da, als Fox verurteilt worden war - ich weiß nicht, ob er allein dafür verantwortlich gewesen war, aber er war mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Drahtzieher hinter dem ganzen Komplott. Er macht mir Angst. Über ihn zu lesen macht mir Angst.

Ich habe, nachdem ich die Eintragungen gelesen habe, neuen Respekt vor ihnen gewonnen. Sie waren zwei der mutigsten, ehrlichsten und reinsten Seelen, die es je auf diesem Planeten gegeben hat. Sie waren vollkommen aufopfernd zueinander gewesen und hatten beunruhigend oft ihr Leben füreinander riskiert. Fox ist einmal wortwörtlich bis zum Ende der Welt gegangen, um Mom zu retten, und sie hatte ihre so hart erkämpfte Karriere so oft aufs Spiel gesetzt, um an seiner Seite zu bleiben. Und das allein in ihrem beruflichen Leben. Es kommt bei weitem nicht an die Qualen heran, die sie ausstehen mussten, als Mom beinahe an Krebs gestorben war. Oder als Fox von einem seltsamen Virus befallen worden war und Mom nicht da war, um den Ärzten zu raten, was sie tun könnten. Dann gab es noch jemanden, der durch und durch gegen ihre Beziehung war, und zwar Onkel Bill, und das Hin und Her der Missverständnisse nach Fox' Entlassung aus dem Gefängnis. Es kann einem schwindelig werden bei dem Gedanken daran, was die beiden alles durchleben mussten.

Letztendlich war es nicht eine Krankheit, das Böse oder die Kugel eines Kriminellen, die Fox das Fell über die Ohren gezogen hat—es war ganz einfach tiefste Trauer. Er war zweiundsiebzig, erfreute sich aber immer noch bester Gesundheit und hielt sich körperlich fit. Fox hätte noch weitere zwanzig Jahre leben können, wenn nichts Schwerwiegendes, wie ein Unfall oder eine schlimmer Krankheit, dazwischen käme. Aber er war gestorben, als Mom gestorben war. Es hat einfach nur etwas länger gedauert, bis sein Herz aufgehört hatte zu schlagen. Er wollte ohne sie nicht weiterleben.

Gestern, beim Begräbnis habe ich Moms Anwesenheit gespürt, und letzte Nacht habe ich von ihnen geträumt. Ich träumte, dass Fox von seinem Bett aufgestanden ist, seinen Körper liegen ließ und Mom auf ihn wartete, lächelnd und eine Hand nach ihm ausstreckend. Fox hat sie umarmt und sein Kinn auf ihren Kopf gelegt, wie er es sein Leben lang schon immer getan hatte. Dann sind sie zu weit fort gegangen, sind im hellen Licht verschwunden. Ich bin mir sicher, dass der Traum auf den Beschreibungen von Nahtoderfahrungen basiert, die ich gelesen habe, aber es war dennoch beruhigend und zugleich tröstend. Wo immer sie jetzt sind: ich spüre, dass sie zusammen sind. Und niemand kann ihnen je wieder etwas anhaben.

 
 

Über Emmie lächelte Scully Mulder an, als sie zusahen, wie die junge Frau die Datei abspeicherte und den Computer ausschaltete.

"Siehst du?" sagte sie. "Ich habe doch gesagt, dass Emmie es übersteht. Sie hat so viele Menschen, die sich um sie kümmern."

Mulder seufzte. "Ich weiß, aber ich vermisse sie so sehr. Und Daniel auch."

Sie lächelte wieder und blickte auf das eingerahmte Bild neben Emmies Computer. Es war eines von Mulder und Daniel, das letzten Frühling auf dem Hof hinter dem Haus aufgenommen worden war. Mulder hatte gerade seinem vier Jahre alten Enkel gezeigt, wie man Baseball spielt. Daniel war genauso alt wie seine Mutter gewesen, als Mulder ihm beibrachte, wie man den Schläger schwingt. Scully war erheblich älter gewesen, aber sie konnte sich immer noch an das Gefühl seiner Arme um sie erinnern, sein großer, schlanker Körper an ihren Rücken gepresst.... sie zitterte.

"Weißt du, Mulder, ein Vorteil am Totsein ist, dass das 'wirkliche Leben' nicht mehr dem im Wege steht was du tun und lassen willst", sagte sie ernsthaft und hielt ihre Hand aus. "Und mit dem, was ich jetzt gerade gerne tun würde...."

"Scully!" schalt er sie. "Darf man das hier überhaupt sagen?"

Sie lachte, bis Tränen aus ihren Augen quollen, und fuhr dann mit den Fingern durch sein Haar. "Der Körper, Mulder. Fleisch, Knochen, Sexualorgane. Wir können alles tun, das wir auch zu Lebzeiten getan haben - außer, das Lebendige zu berühren. Aber wir können uns berühren, und ich persönlich denke, dass das eine sehr gute Idee ist. Wir sind immerhin verheiratet."

Er blieb stehen und ließ sich von ihr an der Hand weg führen, doch er drehte sich noch einmal um, um Emmie anzusehen, die jetzt durch seine Tagebücher blätterte. Ihr hübsches Gesicht blickte konzentriert, hin und wieder schrieb sie die ein oder andere Notiz auf ein Blatt Papier.

"Wir können von Zeit zu Zeit zurückkommen und nach ihnen sehen, oder?" fragte er wehmütig.

"Lass mich dir einen Rat geben, Mulder. Ich schlage vor, nicht zu viel zu beobachten. Du hast immer noch Gefühle."

Er drehte sich mit einem Lächeln zu ihr um. "Hast du zugesehen, Scully?"

Scully umfasste mit einem Arm seine Hüften und begann, mit ihm zusammen den Pfad hinunter zu gehen. "Jede einzelne Minute, Mulder", sagte sie melancholisch. "Aber du musst verstehen - ich wusste, dass du schon bald wieder bei mir sein wirst. Ich wollte hier sein und auf dich warten."

"Woher wusstest du das?"

"Weil ich wusste, dass du alles Menschenmögliche tun würdest, um zu verhindern, deine eigene Wäsche wieder waschen zu müssen, Mulder."

Jetzt musste er lachen. "Du kennst mich zu gut, Scully. Okay, du hast gewonnen - ich werde nicht oft zusehen, aber ich möchte ab und zu nach Daniel sehen. Ich wünschte nur, dass ich mit ihm reden könnte."

"Mulder - wenn irgendjemand einen Weg dazu finden kann, bist du es", sagte sie zuversichtlich und ging voraus. "Jetzt lass uns gehen. Ich habe deiner Mutter versprochen, dass wir heute vorbeischauen."

"Yeah", willigte er ein und trabte an, um zu ihr aufzuschließen. "Und Langly will später mit mir etwas unternehmen."

Sie schüttelte den Kopf. "Daran wird sich nie etwas ändern, hab ich Recht?"

"Doch, eines hat sich geändert, Scully", erinnerte er sie ernsthaft daran. "Wir müssen nie wieder Angst haben."

Sie blieb stehen, drehte sich um und sah in sein Gesicht, das nun wieder jung und gut aussah wie an dem Tag, an dem sie sich getroffen hatten.

"Du hast Recht, Mulder", sagte sie sanft. "Nie wieder."

Dann zog er sie zu sich heran und küsste sie mit einer Intensität, die über alle Ewigkeiten fortdauern würde.

Endlich hatten sie den Morgen ihres Lebens gefunden.

 
 
ENDE