WORLD WITHOUT
END: ZWEITER BAND
Originaltitel: World Without
End: Book Two
Autor: Rachel Anton < RAnton1013@aol.com >
Übersetzung: Kristin ( tini243@crosswinds.net )
Rating: NC-17
Keywords: Post-colonization, Angst, Scully/Krycek
Zusammenfassung: Wohin wendet
man sich, wenn alles was man kannte nicht mehr existiert?
Disclaimer: Alle Charaktere, die
du wiedererkennst gehören nicht mir.
Spoiler: Einige für den
Mythologie Handlungsbogen. Keine besonderen, die mir einfallen würden.
Autorenbemerkung: Diese Story
ist die zweite in einer Serie von drei Büchern. Es ist wahrscheinlich eine gute
Idee das erste Buch erst zu lesen, bevor man das hier liest. Du kannst es auf
meiner Page finden.
http://members.aol.com/ranton1013/page/index.htm
Anmerkung des Übersetzers: Oder
auf dieser Seite in der deutschen Übersetzung.
WORLD WITHOUT END
Zweiter Band
Ich bin weit mit meinem neuen
Master gereist. Ich war noch nie so weit vom Haupthaus entfernt gewesen. Diese
Wochen des Herumreisens waren die eigenartigsten meines Lebens. Zumindestens so weit ich mich erinnern kann.
Mein alter Master war ein Freund
von dem, den sie Jeffrey nennen. Der, der mich aus der Zeit vorher zu kennen
scheint. Derjenige, dessen Augen mir so vertraut vorkommen.
Vor vielen Wochen kam Jeffrey in
das große Haus. Er sprach viele Stunden hinter verschlossenen Türen mit meinem
Master. Als sie rauskamen sagte mir Jeffrey, dass wir
einen Ausflug machen. Dass ich einen neuen Master bekommen würde.
Ich verstand nicht den Sinn
eines ‚Ausflugs', aber als ich an diesem Abend schlafen ging, fühlte ich etwas
in mir schwingen. Etwas, das ich nicht definieren konnte, das mir aber sehr
bekannt vor kam. Ich denke die Auserwählten nennen es Aufregung.
Am nächsten Tag brachte mich
Jeffrey aus dem großen Haus weg. Er brachte mich in die Stadt zu einem sehr
großen Haus. Dort traf ich meinen neuen Master. Den, den sie Mulder nannten.
Den, den ich Mulder nenne.
Ich wollte ihn Master nennen,
aber er befahl mir, das nicht zu tun. Ich habe allerdings noch Probleme damit,
immer daran zu denken.
Master Mulder brachte mich in
ein Auto und fuhr mit mir aus der Stadt weg. Der Mann an der Brücke stoppte uns
und Master Mulder sagte ihm, dass er mich in den Norden bringt, in eine andere
Kolonie.
Als wir dann über der Brücke
waren sagte er zu mir, "Das war eine Lüge. Du kommst nicht in eine andere
Kolonie. Du wirst frei sein."
Ich fragte ihn, was frei denn
bedeutet. Er sagte es bedeutet, dass man tun kann, was immer man möchte. Ich
fragte ihn was ich möchte aber darauf wusste er keine Antwort.
Wir sind viele, viele Tage
gemeinsam gefahren. Ich habe den Überblick darüber verloren, wie viele Tage.
Wir sind an vielen Kontrollpunkten vorbeigekommen und an jedem gab mein neuer
Master den Männern eine Karte und einige Papiere und die Männer ließen uns
durch. Wir haben jeden Tag an einem anderen Ort gegessen. Ich habe noch nie
woanders als in der Küche des großen Hauses gegessen. Master Mulder hat Karten
für uns und wir zeigen diese den Leuten in den Restaurants der Kolonien, durch
die wir durchfahren und dann lassen sie uns dort essen. Sie lassen uns auch
Benzin in unser Auto füllen. Diese Karten scheinen etwas sehr nützliches zu sein,
aber jedes Mal, wenn Master Mulder sie benutzt, schaut er sich ganz nervös um
und kaut auf seiner Lippe.
Master Mulder sagte mir, dass er
mich aus der Zeit vorher kennt. Ich sagte ihm, dass ich mich daran nicht
erinnern kann. Er hat danach nicht mehr sehr viel mit mir gesprochen. Er
scheint allgemein nicht sehr viel zu reden.
Unsere Reise brachte uns an
einen leeren Platz, wo früher ein Gebäude war. Master Mulder lief herum und
suchte nach ‚Hinweisen' und ich saß im Auto. Er fand keine Hinweise und nach
vielen Stunden entschied er, dass wir den Platz verlassen und durch den Wald
laufen sollten. Wir liefen sehr lange. Vor einigen Stunden hatte Master Mulder
mir gesagt, dass wir vielleicht kehrt machen und zum Auto zurücklaufen sollten.
Er hat gegen einen Stein getreten und ein Schimpfwort gesagt. Da kamen die
Männer.
Die Männer hatten Waffen. Sie
sagten, dass wir uns auf ihrem Eigentum befinden würden und uns erklären
sollten. Master Mulder fragte die Männer, wer sie sind. Dann schlugen die
Männer ihn. Sie zogen eine schwarze Haube über seinen Kopf und hielten eine Art
Waffe in seinen Rücken.
Sie zogen auch eine Haube über
meinen Kopf und führten uns durch den Wald. Wir marschierten einige Minuten.
Sie brachten uns nach drinnen und führten uns in einen Raum. Sie setzten uns
hin und banden uns am Stuhl fest. Ich denke, dass wir mehr als eine Stunde hier
waren.
Ich kann Master Mulder neben mir
hören. Er atmet sehr heftig und alle paar Minuten schreit er
"Scully!". Er sagt das Wort oft. Ich denke, dass wir hier sind, um
einen Scully zu finden. Die Männer sagen ihm immer wieder, dass er die Klappe
halten soll, aber er tut es nicht.
Ich höre eine Bewegung. Ich höre
eine Tür aufgehen, zugehen und Leute umherlaufen. Ich höre Stimmen.
"Wo habt ihr sie gefunden?"
"In der Südecke des
Nadelwaldes."
"Was haben sie
gemacht?"
"Sie sind nur
herumgelaufen."
Plötzlich verschwindet die
Dunkelheit über meinen Augen. Jemand hat mir die Haube abgenommen.
Das Licht ist so hell, dass ich
einige Sekunden nichts weiter als weiß sehen kann.
Langsam kann ich den Raum klarer
erkennen. Die Wände sind aus weißem Beton. Der Boden besteht aus weißen Fliesen
mit blauen Punkten. Es gibt eine sehr alt aussehende Couch, die neben einem
großen, eigenartig aussehenden Kasten steht, der vorn ein Glaspaneel hat. Ich
sitze auf einem Klappstuhl vor einem grünen Tisch auf den weiße Linien gemalt
sind. Ich denke, dass die Leute früher so was wie Ping-Pong
auf dieser Art Tische gespielt haben. Die Männer aus dem Wald sind hier. Sie
stehen mit ihren Waffen in den Ecken des Raumes. Und da sind auch noch andere.
Eine Frau. Die einzige Frau
außer mir in diesem Raum. Sie muss eine Sklavin sein. Es gibt in jeder Kolonie
höchstens zwei Frauen, die Herrinnen sind. Der Rest sind Sklavinnen. Sicher ist
es uns jetzt noch nicht erlaubt, die Herrin zu sehen. Aber sie steht eigenartig
für eine Sklavin da. Sie steht sehr gerade und aufrecht da. Ihre Kleidung ist
abgetragen und schäbig und es scheint, dass jeder in dieser Kolonie so
gekleidet ist. Es muss eine unterprivilegierte Gruppe sein.
Da ist noch ein anderer Mann.
Derjenige, der die beiden befragt, die uns gefunden haben. Er muss der höchste
Master dieser Kolonie sein.
Er ist derjenige, der meine
Haube abgenommen hat. Er steht vor mir und blinzelt. Dann kniet er sich vor
mich. Er sieht mein Gesicht aus der Nähe an.
"Marita?"
"Was...was tust du
hier?"
"Ich bin mit meinem Master
hergekommen. Bist du jetzt mein neuer Master?"
Der Mann steht wieder auf und
fährt sich mit den Händen durch die Haare. Dann schleudert er meine Haube auf
den Ping-Pong Tisch und macht ein seltsames Geräusch.
Er sieht die Frau an und die
Frau sieht Master Mulder an.
"Dein Master, ja?"
sagt er und wendet sich Master Mulder zu.
Er greift nach Master Mulders
Haube, hört dann aber auf. Er dreht sich wieder zu der Frau, aber sie sieht es
nicht. Sie starrt immer noch Master Mulder an.
Er schluckt und schließt seine
Augen. Dann zieht er Master Mulder die Haube vom Kopf.
Die Frau schnappt sehr laut nach
Luft und legt ihre Hand über ihren Mund. Sie geht rückwärts bis sie irgendwann
an die Wand stößt. Es ist sehr interessant, dem zuzusehen. Ich habe niemals
einen Sklaven gesehen, der sich so verhalten hätte.
Der Mann sieht nur Master Mulder
an. Er scheint sehr wütend zu sein. Die meisten Master sind die meiste Zeit
wütend.
"Scully!" sagt Master
Mulder wieder und dieses Mal sieht er direkt die Sklavin an. In ihren Augen
sammelt sich Flüssigkeit und sie schüttelt ihren Kopf. Er versucht aufzustehen,
aber er ist angebunden und kommt nicht sehr weit. Dann stößt ihn der andere
Master wieder auf seinen Sitz zurück.
"Setz dich", sagt er.
Er muss ein sehr hoher Master sein, wenn er Master Mulder sagen kann, was er
tun soll. Master Mulder sieht allerdings auch sehr wütend aus. Er starrt den anderen
Master an und versucht sich aus dem Stuhl zu befreien.
"Nettes Fleckchen hast du
hier, Krycek. Ich mag die Schläger. Sehr
stilvoll."
Niemand bewegt sich oder sagt
etwas für eine Minute, die selbst mir extrem lang vorkommt. Dann zuckt das
Gesicht des anderen Masters und die Frau sagt "Alex" und dann schlägt
er Master Mulder mit seiner Faust ins Gesicht.
"Nein!" schreit die
Frau und rennt zu ihm. Blut fließt aus der Nase von Master Mulder und färbt die
Hand des anderen Masters schwarz. Die Frau hört auf zu laufen, als sie das
sieht und starrt Master Mulder an.
"Scully", sagt er.
Der andere Master, ich nehme an
es ist Master Alex, sieht auch auf das Blut und dann schüttelt er seine Hand
als würde er versuchen, es von seiner Haut abzubekommen.
Es kommt jetzt viel mehr
Flüssigkeit aus den Augen der Frau und ihr Mund öffnet und schließt sich
mehrmals. Sie macht Geräusche, als wenn sie Schmerzen hätte. Master Mulder sagt
schon wieder "Scully",, aber das scheint nur
zu ihrem Leid beizutragen. Ich verstehe den Grund ihres Schmerzes nicht. Sie
wird nicht geschlagen, aber sie verhält sich so, als wenn es so wäre. Sie ist
die eigenartigste Sklavin, die ich je gesehen habe.
"Bring sie hier raus",
sagt Master Alex zu einem sehr großen Mann mit blonden Haaren. Der Mann nimmt
die eigenartige rothaarige Frau am Arm und führt sie aus dem Raum. Sie zittert
während sie läuft.
"Sie auch", sagt
Master Alex zu einem anderen Mann und zeigt auf mich. Ich tue wie mir befohlen,
da es sowohl der Wunsch von Master Alex als auch der von Master Mulder zu sein
scheint.
Wir gehen in einen weniger hell
erleuchteten Flur und ein paar Schritte weiter sehe ich die Frau, die hin und
her läuft, Arme über der Brust verschränkt. Der große Mann sitzt auf einer Bank
neben ihr. Als sie uns sieht, kommt sie auf mich zu.
"Wer bist du?" fragt
sie mich.
"Man nennt mich drei null
acht."
Sie sieht Richtung Himmel und
dann wieder zu mir.
"Hör zu, ich nehme dir das
nicht ab. Nichts davon. Wer bist du wirklich? Und wer ist das...wer ist
das?"
"Ich bin drei null acht und
der mit dem ich herkam wird Master Mulder genannt."
"Master..." Sie
schüttelt ihren Kopf. "Hör einfach damit auf. Das ist...das ist er nicht
und...und diese kleine Sklavennummer, die du da spielst zieht bei mir nicht.
Wer zur Hölle seid ihr beide und was macht ihr hier?"
Sie schreit jetzt. Ich bin noch
nie von einem anderen Sklaven angeschrieen worden.
Ich verstehe das überhaupt nicht.
"Ich weiß nicht, warum wir
hier sind. Ich denke wir sind hier, um nach einem Scully zu suchen."
***************
Gott, Scully. Es tut mir so
Leid. Ich wollte nicht, dass du es so herausfindest. Ich wollte nicht, dass es
so ist.
"Wer bist du?"
Ich denke, er hat mich das schon
ein paar Mal gefragt. Ich glaube es nicht. Was zum Teufel denkt er, wer er ist?
Versteht er nicht, was ich durchmachen musste, um hierher zu kommen?
"Verdammt, Krycek."
Ich winde mich in den Fesseln um
meine Hand- und Fußgelenke, aber wer immer diese verdammten Dinger festgeknotet
hat, war ein verdammt guter Pfadfinder.
"Wer bist du? Was tust du
hier?"
Er merkt, was ich zu tun
versuche und entsichert die Waffe, die er auf mich gerichtet hat.
"Was willst du?"
"Ich habe es gesagt. Ich
wollte nur zu Scully. Das ist alles."
Er schüttelt seinen Kopf.
"Nein. Keine Chance. Nicht,
solange ich nicht weiß, wer ... was du verdammt noch mal bist."
Gottverdammt. Ich will mich
diesem Bastard gegenüber nicht erklären müssen. Wenn ich nur mit Scully reden
könnte. Sie würde es wissen. Sie würde es verstehen.
Aber aus irgendeinem Grund
scheint es, dass Krycek im Moment das größte
Hindernis zwischen mir und ihr ist, und der einzige Weg, an ihm vorbei zu
kommen scheint zu sein, ihm zu sagen, was er wissen will.
Mein Gott, sie sah so schön aus.
Und so unglücklich, so verwirrt. Wegen mir. Wegen dem, was ich bin.
"Ich bin Mulder, Krycek. Egal ob du es glaubst, oder nicht. Offen gesagt ist
es mir egal, ob du es tust."
"Das ... das ergibt keinen
Sinn", stammelt er.
"Was weißt du über den
Umwandlungsprozess", frage ich. Krycek lacht
kurz auf. Dann kommt er auf mich zu, bis er direkt vor mir steht.
"Nein. Das ist Quatsch.
Mulder würde nicht ... hätte nicht ..."
Er greift nach meinem Gesicht
und wischt mit seinen Fingern etwas von dem dicken, öligen Blut unter meiner
Nase ab.
"Mulder hätte niemals das
hier gewählt", sagt er, indem er mir das Zeug vor die Augen hält und es
dann angewidert an den Tisch schmiert.
"Außerdem ist Mulder tot.
Sie sah ihn sterben. Ich sah die Bilder, ich habe die Berichte gelesen. Er ist
tot. Du bist nicht er. Du bist nicht Mulder."
"Weswegen glaubst du, dass
ein Mensch die Wahl hat?"
"Jeder hat die Wahl. Jeder
hat in einer gewissen Weise die Wahl. Der Mulder, den ich kenne, hätte sich
eher selbst umgebracht, als einer von denen zu werden."
Der Mulder, den er kannte? Er
sagt das, als wenn er mich überhaupt gekannt hätte. Allerdings hat mich dieser
Kommentar ziemlich getroffen. Ich mag mir nicht ausgesucht haben, wozu ich
geworden bin, aber ich habe verschiedene Entscheidungen getroffen.
Verschiedene, dumme Entscheidungen. Entscheidungen, die ich mir niemals werde
vergeben können, bis ich mit Scully reden konnte und weiß, dass sie in Ordnung
ist. Dass sie mir vergibt.
"Ich habe es mir nicht
ausgesucht, dazu gemacht zu werden, Krycek. Nicht
mehr, als ein Sklave sich aussuchen konnte, zu einem Sklaven zu werden. Es ist
mir passiert. Das ist es, was du auf den Bildern gesehen hast. Was Scully
gesehen hat. Das Ding, das aus mir raus kam ... das war der Umwandlungsprozess.
Kein Tod. Wiedergeburt. Irgend etwas wurde in mir
platziert und lebte dort, wurde ausgetragen, bis zu dem Zeitpunkt, als es
geboren wurde. Als es aus meinem Bauch herausbrach,
war das der Geburtsprozess und danach ... wurde es wieder zu mir selbst. Der
Mensch, den du jetzt siehst, ist Fox Mulder. Die gleichen Gefühle, Erfahrungen,
Erinnerungen. Der einzige Unterschied ist physiologisch."
Er starrt mich einfach in seiner
Neandertaler Weise an und setzt sich dann mir gegenüber auf einen Stuhl.
"Nein, auf diese Weise
passiert es nicht. Du lügst."
"Es passiert auf diese
Weise nicht jedem. Nur denen, die nicht wählen. Denen, die ausgewählt wurden.
Deswegen der Name 'Die Auserwählten'."
"Warum habe ich nie davon
gehört? Warum habe ich es nie vorher gesehen?"
"Ich weiß es nicht.
Vielleicht musst du mehr raus gehen."
"Wie viel Zeit haben
wir?"
"Bis was?"
"Bis deine anderen alienblütigen Freunde dir folgen und uns finden?"
"Das werden sie nicht. Ich
wollte nicht gefunden werden. Ich habe Vorsichtsmassnahmen getroffen, damit das
nicht passiert. Alles, was ich will, ist Scully zu sehen. Das ist der einzige
Grund, aus dem ich hier bin. Wenn du mich nur mit ihr reden lässt ..."
Er schüttelt seine
Kopf und lacht. Allerdings ist es kein fröhlicher Klang. Es ist ein bitteres
Lachen. Ein ärgerliches Lachen.
"Du willst Scully sehen,
ja? Vielleicht hättest du daran vor fünf oder sechs Jahren denken sollen."
"Schau, du weißt nicht ...
du verstehst nicht. Ich habe getan, was ich tun musste. Ich muss es ihr sagen.
Ich muss es erklären..."
"Was erklären? Dass du ein
Verräter bist? Ein Mutant? Dass du sie verkauft hast,
damit du deine Ruhe hast?"
"Verdammt, so war es
nicht!"
Oh Gott, ich hätte nicht
gedacht, dass ich diesem Mann noch mehr hassen könnte, als zuvor, aber er
übertrifft meine Erwartungen.
"Hast du überhaupt eine
Vorstellung davon, was sie in den letzten sechs Jahren für eine Hölle
durchgemacht hat? Macht es dir überhaupt etwas aus?"
"Na...natürlich macht es
mir etwas aus, Krycek."
Die Frage ist, warum zur Hölle
macht es ihm so viel aus? Warum geht ihn das überhaupt etwas an?
"Hör zu, sie scheint gesund
zu sein, sie scheint ... ich denke es ist gut, dass du sie gefunden hast. Es
wurde sich scheinbar gut um sie gekümmert und ich bin dir dafür dankbar aber
... aber sie gehört hier nicht her, Krycek. Zumindest
nicht, wenn es um ihre Gesundheit geht. Ohne diesen Chip wird sie ... sie
könnte jederzeit einen Rückfall erleiden. Sie muss dorthin, wo man sie heilen
kann, wo ..."
"NEIN! So funktioniert es
nicht", schreit er und er ist wieder auf seine Füßen uns sieht so aus, als
wollte er mich wieder schlagen.
"Ich bin keine verdammte
Gepäckabgabestelle hier, Mulder. Du kannst sie nicht einfach vor sechs Jahren
hier abgeben und dann wieder hier hereintanzen, als ob sich nichts geändert
hätte und sie wieder hier auflesen und mitnehmen. Du denkst, dass das so
funktioniert? Nur weil du DENKST, dass du sie mehr liebst, als irgend jemand
sonst einen anderen lieben könnte?"
Er hat die Mündung seiner Waffe
auf meinen Brustkorb gedrückt und brüllt mir ins Gesicht. Irgendwie ist das alles
sehr merkwürdig, gruselig.
"Sieh mal, Krycek, ich weiß, dass ihr alle eine Menge durchgemacht
habt..."
Gott ist mein Zeuge, sie sehen
furchtbar aus. Wie ich sagte gesund, aber trotzdem abgerissen.
"Du weißt einen Scheißdreck
darüber, was wir durchgemacht haben. Versuch erst gar nicht so zu tun, als
würdest du es verstehen oder als würde es dich kümmern", flüstert er
finster.
"Sieh mal, wenn du mich
einfach mit ihr reden lassen würdest könnten wir uns sicher einig werden."
Er sieht mich mit mehr Ekel und
Hass an, als ich jemals bei ihm gesehen habe. Und das will wirklich was heißen.
Dann spuckt er mir ins Gesicht.
"Zur Hölle mit dir",
knurrt er und verlässt den Raum. Er lässt mich mit seinen Schlägern allein.
Als er aus der Tür geht, rufe
ich nach Scully und hoffe, dass sie noch in Hörweite ist. Ich brülle aus
Leibeskräften.
Niemand antwortet mir.
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Als ich Dana Scully das erste
Mal traf, war ich fünfundzwanzig Jahre alt. Mit leuchtenden Augen und dem Kopf
voller Unsinn, sicher, dass ich auf der 'richtigen Seite' stand, bevor ich
bemerkte, dass die einzige Seite die zählt deine eigene ist. Mein Auftrag
bestand zuerst nur daraus, sie auszuspionieren, herauszufinden, an welchen
subversiven Aktivitäten sie sich beteiligten. Ich habe meinen Job gemacht und
ich habe ihn gut gemacht. Zu gut.
Ich erinnere mich daran, wie sie
damals waren. Ich erinnere mich daran, wie die beiden in leisem Ton miteinander
geredet haben, nur miteinander, selbst wenn sie allein waren. Ich erinnere mich
daran, dass mich ihre abweisende Haltung mir gegenüber genervt hat. Ich
erinnere mich daran, die Verbindung zwischen den beiden gespürt zu haben. Ich
erinnere mich daran, dass ich das Gefühl hatte, ich könnte mich ebenso gut auf
einem anderen Planeten befinden, wenn es nach ihnen ginge. Ich erinnere mich
daran das Gefühl zu haben, als würde ich etwas privates, fast sexuelles
beobachten, wenn die beiden miteinander sprachen. Ich erinnere mich daran, dass
mir das ziemlich egal war.
Als ich die Haube von diesem...diesem
Ding dort runterzog, als die beiden sich ansahen, war
es das gleiche. Die verdammte gleiche Sache wieder von vorn. Nur dieses Mal war
es mir nicht egal. Dieses Mal, als die Wände zwischen ihnen und dem Rest der
Welt hochgingen und ich auf der Seite mit jedem anderen war, machte es mir
etwas aus. Es machte mir so viel aus, dass ich ihn schlug. Als wenn das etwas
ändern würde.
Nun ist also die Frage, wenn es
geht wie ein Mulder, redet wie ein Mulder, sich verhält wie ein verdammter
Mulder, heißt das, es ist ein Mulder?
Gott weiß, dass dieser
arrogante, unausstehliche Hurensohn auf mich die selbe
Wirkung hat, wie es ein Mulder gehabt hätte. Allein in seiner Gegenwart zu sein
hat in mir so viele widersprüchliche und verdrehte Gefühle ausgelöst, dass ich
dachte ich müsste mich davon übergeben. All die Gefühle der Unzulänglichkeit,
der Eifersucht, der Wut und der Frustration flossen durch meine Seele wie
Wasser durch eine alte rostige Leitung, die jemand angestellt hat, nach dem sie
jahrelang abgestellt war.
Dieser Mann macht mich zu
jemandem, den ich nicht besonders mag.
Aber mal ehrlich, was für einen
Empfang hat er erwartet? Einen roten Teppich und eine Empfangskapelle? Himmel
Herrgott. Wie hätte ich reagieren sollen? Soweit ich weiß ist er ein verdammter
Spion.
Alles was ich weiß ist, dass ich
ihn im Moment nicht ertragen kann. Ich kann es einfach nicht.
"Djewotschka?"
Das Zimmer ist dunkel doch es
fällt bereits Licht durch die Fenster. Es dämmert schon. Ich habe fast die
ganze Nacht damit verbracht, auf dem Campus herumzulaufen und nach Dana zu
suchen.
Als ich das Mulder-ähnliche Ding
verließ, fand ich Brian in der Vorhalle. Er sagte, dass sie ihm gesagt hatte,
sie würde nach Hause gehen, dass er sie selbst hingebracht hätte. Aber als ich
das erste Mal dorthin zurückkam, war das Zimmer leer.
Meine Panik steigerte sich auf
ein beängstigendes Niveau und ich rannte in die Nacht hinaus um sie zu finden.
Je länger ich sie nicht fand, desto schlimmer wurde es.
Was wenn das Wiedersehen mit
Mulder ihr klargemacht hat, dass sie nicht wirklich hier sein will? Was wenn
sie dadurch verrückt wird? Was wenn sie gegangen ist?
Ich bin dem Nervenzusammenbruch
momentan selbst ziemlich nahe. Wenn sie immer noch nicht zu Hause ist, weiß ich
nicht was ich tun werde.
Ich höre ein leises "Ich
bin hier", von der Couch kommen und drehe mich um. Gott sei Dank. Gott sei
Dank.
Sie hat sich in der Ecke des
Sofas zusammengerollt, die Arme um die Knie gelegt und schaukelt leicht vor und
zurück. Sie sieht so klein und verletzt aus. Sie sieht so sehr wie die Frau
aus, die sie vor fünf Jahren war, als sie angefangen hatte an Mulders Tod zu
glauben, dass es mir den Magen umdreht.
Ich setze mich auf die andere
Seite der Couch und möchte sie berühren, aber das erste Mal seit langer Zeit
bin ich mir nicht mehr sicher, wie gut diese Geste bei ihr ankommen würde.
Ich räuspere mich und versuche
mich zu entscheiden, was zum Teufel ich sagen soll.
"Möchtest du, dass ich
deine Haare bürste, Djewotschka?" frage ich
schließlich. Ich weiß nicht. Manchmal findet sie es beruhigend. Und mir würde
es im Moment unheimlich helfen. Es wäre etwas vertrautes.
Etwas zum festhalten.
Aber sie schüttelt ihren Kopf.
"Sollten wir versuchen, ein
wenig zu schlafen", schlage ich vor, aber ich sehe als Antwort ein
weiteres Kopfschütteln.
"Geh ruhig, ich...ich kann
nicht."
Als wenn ich das könnte während
ich weiß, dass sie ...so hier draußen sitzt.
"Dana..."
"Ist er es, Alex? Ist er
es?"
Ich sage ihr das einzige, was
ich kann.
"Ich weiß es nicht, Djewotschka. Ich weiß es nicht."
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Ende Kapitel 1
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Kapitel 2
Ich bin mir relativ sicher, dass
ich seit drei Tagen hier bin. Es ist schwer zu sagen, weil es hier keine
Fenster gibt. Nur drei weiß verputzte Wände und ein
Maschendrahtgitter, das mich von dem Rest des Kellers trennt. Es steht ein
kleines Bett auf dem Betonboden, es gibt ein Waschbecken und eine Toilette und
ich habe einen kleinen, pelzigen Nagetierfreund, den ich Krycek
nenne.
Der Bastard selbst war seit
dieser ersten Nacht nicht mehr hier unten, um nach mir zu sehen. Der einzige,
den ich gesehen habe, ist ein bedrohlich aussehender Wärter, der mir in
einigermaßen regelmäßigen Abständen etwas zu Essen und Wasser bringt. Bis jetzt
habe ich von ihm sechs Kartoffeln bekommen. Ich denke, dass ich zwei pro Tag
bekomme, daher kommt auch die drei-Tage-Vermutung. Er
schiebt sie durch die kleine Tür in dem Zaun. Genau wie in einem Frettchen Käfig. Er sagt nichts. Niemals. Ich habe
versucht, mit ihm zu reden. Ich habe versucht ihn darum zu bitten, mich hier
raus zu lassen, so dass ich sie sehen kann, oder wenigstens Krycek
hier herunter zu schicken, damit ich ihn anspucken kann und sehe, wie ihm das
gefällt. Aber er reagiert auf nichts von dem, was ich sage oder tue.
Ich habe versucht zu schreien,
aber niemand hört mich. Niemand kommt.
Als ich das Öffnen der Tür und
Schritte die Treppe herunterkommen höre, nehme ich an, es ist der Kartoffelmann
und dass vielleicht ein weiterer Tag vorbeigegangen ist.
Aber die Schritte sind anders.
Weicher. Könnte es sein? Ich versuche, mir keine Hoffnung zu machen, aber ich
tue es trotzdem. Als ich sie vor meiner Zelle stehen sehe denke ich, dass mich
die Isolation vielleicht verrückt gemacht hat. Vielleicht habe ich
Halluzinationen.
Ich renne zu dem Gitter und
drücke mein Gesicht an den Draht, reiche mit den Fingern durch die Löcher,
versuche sie zu berühren um zu sehen, ob sie real ist.
"Sc...Scully?"
Ich merke erst jetzt, als ich
ihren Namen sage, wie rau und ausgetrocknet ich klinge.
Sie nickt und sagt sehr leise
"Ja",. Sie steht ein Stück weit weg. Aber
sie ist hier. Mein Gott, sie ist wirklich hier.
Und ich habe keine Ahnung, was
ich zu ihr sagen soll.
"Geht es...geht es dir gut,
Scully?"
Sie sieht mich eigenartig an,
mit einem Gesichtsausdruck, den ich nicht wiedererkenne, den ich nicht
einordnen kann.
"Du...du klingst als
könntest du etwas Wasser gebrauchen. Ich bin gleich zurück."
"NEIN!" Mein Hals schmerzt
bei der Anstrengung, die das Schreien verursacht, erinnert mich daran, wie
dringend ich Wasser brauche, aber ich habe Angst davor, sie aus den Augen zu
lassen, jetzt, wo sie hier ist. Was wenn sie niemals zurückkommt?
"Nein, Scully, nur...bleib
nur eine Minute."
Sie steht da, mit den Armen
schützend vor ihrer Brust verschränkt, Mund zu einer festen, schmalen Linie
zusammengepresst, sieht demonstrativ von mir weg und alles was ich tun kann ist
sie anzustarren. Sie sieht so unglaublich schön aus. Ich möchte einfach vor ihr
auf die Knie fallen und weinen. Allerdings komme ich nicht bis zu ihren Füssen,
weil ich in diesem verdammten Käfig bin.
"Es tut ... mir leid. Das
hier..." sagt sie und deutet auf meine Umgebung. "Es war mir...es war
mir nicht bewusst."
"Das ist, nein, Scully, das
ist nicht deine Schuld. Mein Gott, gib dir nicht die
Schuld. Es liegt nicht an dir. Das ist mir klar. Er ist es. Er ist ein Bastard,
Scully. Das ist..."
Sie zuckt zusammen und schüttelt
den Kopf.
"Nein, es ist teilweise meine
Schuld. Du hast nicht..."
"Nein, das glaube ich nicht
Scully. Das hat nichts mit dir zu tun und alles mit mit
mit...IHM."
Sie seufzt und sieht mich
endlich direkt an, suchend.
"Auf jeden Fall verhältst
du dich wie er", murmelt sie und ich sehe, wie sich eine Träne in ihrem
Augenwinkel bildet.
"Ich...was?"
"Wer bist du? Wer bist du
wirklich?"
Mein Herz sinkt in meine Schuhe
und mein Mund wird völlig trocken.
"Ich...Sc...Scully?"
flüstere ich und sie legt ihre Hand auf ihren Mund.
"Weißt du es nicht? Erkennst
du mich nicht, Scully? Mein Gott, bitte tu mir das nicht an."
"Ich...ich dachte.."
"Was?"
"Ich sah...ich sah dich
sterben! Ich habe es gesehen. Ich habe es gesehen."
Der Schmerz und die Qual in
ihren Augen ist fast überwältigend. Es ist fast genug,
dass ich am liebsten von ihr wegsehen würde. Oh Gott, Scully, es tut mir so
leid.
"Du hast gesehen...was du
gesehen hast..." stammle ich und spüre die Erinnerung an einen alten
Streit. Hältst du dich immer noch an deine wissenschaftlichen Beobachtungen, Scully?
Ist das nach all dem immer noch deine Wahrheit? Ich hoffe es. Aber ich hoffe
auch, dass es da noch Spielraum für das Verständnis von dem gibt, was ich bin.
Was mit mir geschehen ist.
Ich frage mich, ob du die Ironie
hierin erkennen kannst. Ich bin das geworden, dessen Existenz ich die ganze
Zeit beweisen wollte. Ganz besonders dir.
"Und...und wenn du nicht
gestorben bist, wenn das, was du Alex gesagt hast wahr ist, dann .... dann wo
warst du? Wo, wo bist du gewesen, Mulder?"
Jetzt kann ich sie wirklich
nicht mehr ansehen. Wie kann ich das erklären? Wie könnte sie das jemals
akzeptieren? Wie habe ich nur alles so sehr verderben können?
"Wo?" flüstert sie und
kommt näher an die Absperrung zwischen uns heran. Irgendwas in meinem
Hinterkopf registriert die Tatsache, dass sie ein weiteres Mal von dem, der
mich hier gefangen hält als 'Alex' spricht, aber ich verdränge es, ohne
überhaupt erst darüber nachzudenken.
Dann wird mir klar, dass sie
ihre Informationen über mich von ihm hat und es somit kein Wunder ist, dass sie
nicht weiß, was sie davon halten soll.
Gott allein weiß, was er ihr
erzählt hat.
"Warte, warte. Was hat er,
was hat 'Alex' dir erzählt?"
"Dass du ihm gesagt hast,
dass du umgewandelt wurdest. Gegen deinen Willen. Dass es das war, was ich
gesehen habe."
Ich nicke nur, sprachlos vor
Schreck, dass das kleine Dreckstück einmal in seinem Leben die Wahrheit gesagt
hat.
"Ist es das, was wirklich
passiert ist?"
"Ja."
"Also dann, wo...wo warst
du, Mulder? Ich meine warum..."
Es gibt tausende
unausgesprochene Fragen in diesem einen Wort. Warum, Mulder? Warum? Warum hast
du das mit mir geschehen lassen? Warum bist du weg geblieben? Warum?
Ich kann es noch nicht mal mehr
ertragen, sie anzusehen, die Fragen zu sehen, die Verwirrung in ihren Augen.
Ich drehe mich um und sehe eine Weile die Wand an, atme ein paar Mal tief ein
und ringe um die Worte der Erklärung.
"Mulder?"
"Ich äh...als ich
aufwachte, nach, ich hatte keine Erinnerung an das, was mit mir passiert war.
Ich dachte...ich dachte ich wäre eingeschlafen und hätte ein Nickerchen auf
meiner Couch gemacht."
Ich lache ein bisschen und drehe
mich wieder zu ihr um in der Hoffnung, wenigstens einen ihrer Mundwinkel ein winzigen Millimeter nach oben gehen zu sehen. Sie hat immer
noch die Arme verschränkt und jetzt runzelt sie die Stirn. Es wird schlimmer.
"Äh... jedenfalls stellte
sich heraus, dass ich wochenlang weggetreten war. Als ich endlich wieder zu mir
kam, sah ich unseren alten Freund Smokey neben meinem
Bett. Ich konnte nicht glauben, dass er immer noch lebte, Scully. Ich konnte es
nicht glauben. Ich dachte, dass er vielleicht der Teufel wäre, der gekommen
war, um mich in die Hölle mitzunehmen."
Ich suche in ihren Augen nach
einem Funken des Verstehens, aber sie ist mir gegenüber so verschlossen.
"Was passierte dann?"
"Äh..dann.
Dann sprang ich aus dem Bett in dem ich lag und versuchte den Bastard zu
erwürgen."
Sie seufzt ungeduldig und
schließt ihre Augen.
"Und danach?"
"Danach fühlte ich einen
Stich in meine Arm und verlor wieder das Bewusstsein.
Und dann ...dann wachte ich auf und er äh...er sagte mir, was mit mir passiert
war. Und...mit dir."
"Mit mir."
"Er sagte mir, dass du eine
Sklavin bist."
Ihr Mund geht ein kleines
bisschen auf und sie atmet hörbar aus.
"Er...Scully..."
"Du hast es also gewusst.
Du hast gewusst, dass ich lebte und dass ich eine Sklavin war."
"Ja", flüstere ich und
nehme meinen Kopf so weit wie möglich nach unten.
"Du wusstest...wusstest du,
dass ich es gesehen hatte, wusstest du, dass ich dachte, du wärst tot?"
"Er hat mir einen Handel
vorgeschlagen, Scully", platze ich heraus, jetzt verzweifelt dazu
entschlossen, alles offenzulegen und jeder Art Zorn von ihr gegenüberzutreten.
"Handel?"
"Er sagte mir, dass wenn
ich sieben Jahre für ihn arbeite und nicht versuche, dich oder etwas anderes zu
finden, wir beide nach den sieben Jahren frei sein würden. Und...und er sagte,
dass sie den Chip rausnehmen würden und sie dich heilen würden, so dass du
nicht an Krebs erkrankst. Er sagte, sie würden dich umwandeln und du würdest
nicht krank werden."
"Sieben Ja...ich hätte
sieben Jahre lang Sklavin sein sollen?"
"Ich konnte nicht...er
sagte, du würdest den Unterschied nicht bemerken, Scully. Dass es besser für
dich wäre."
Ich bemerke, wie absolut lahm
das klingt und halte meinen Mund. Mein Gott, wenn ich noch einmal "er
sagte" sage, wird mir schlecht.
"Mulder..."
"Scully, ich wollte dich
nur wieder sehen können. Ich wollte wissen, dass es dir gut geht und wir wieder
zusammen sein können. Ich wusste nicht... ich wusste nicht, was ich sonst hätte
tun sollen. Sie hätten dich sonst getötet!"
"Mulder..." sagt sie
wieder und dieses Mal unterdrücke ich meinen Drang, mehr Rechtfertigungen in
die Stille hineinzuplappern.
"Mulder, ich wäre lieber
tot gewesen, als sieben Jahre lang Sklavin zu sein."
Ich weiß nicht, was ich dazu
sagen soll. Ich nehme an, dass ein Teil von mir wusste, dass das wahr ist, aber
ich habe mich nicht darüber nachdenken lassen. Wie hätte ich das tun können?
"Mulder, ich kann es ...
einfach ...nicht fassen. Du warst die ganze Zeit am Leben..."
Ich nicke einfach, weil ich
nicht sprechen kann. Ich beisse mir auf die Lippen um
nicht zu weinen.
"Weißt du was
ich...was...mein Gott, Mulder!"
"Ich wusste nicht...ich
wusste nicht, was ich sonst hätte tun sollen."
"Du hättest nein sagen
können."
"Scully, sie haben sich um
dich gekümmert und...und ich wollte einfach nur wieder mit dir zusammensein können. Ich dachte...ich dachte du würdest das
auch wollen."
"Ich wollte das, Mulder.
Als ich meine Verstand zurück bekam. Aber damals dachte ich, du wärst
tot."
"Ich weiß. Ich...es sollte
nicht so sein."
Es sollte so sein, dass ich da
bin, wenn sie sich erinnert. Ich hätte den Chip rausnehmen sollen. Ich hätte in
der Lage sein sollen ihr zu zeigen, dass ich nicht tot war.
"Nein, ich nehme an, wenn
es so gelaufen wäre wie es hätte sein sollen, dann wäre ich jetzt noch Sklavin.
Nur noch ein Jahr oder so bis ich 'umgewandelt' worden wäre und ich nehme an,
das wäre es dann wert gewesen."
"Es...es tut mir leid,
Scully. Ich dachte nur, ich dachte es war die einzige Möglichkeit. Ich dachte
ich beschütze dich."
Sie nickt langsam und sieht weg,
versucht die Tatsache zu verbergen, dass sie auch weint.
Nach ein paar Momenten
schmerzhaften, quälenden Schweigens fragt sie, "Warum hast du ihm
vertraut, Mulder? Nach allem?"
"Ich... ich habe
nicht...ich wollte nur wieder mir dir zusammensein,
Scully. Ich dachte es wäre die einzige Möglichkeit."
Sie ist wieder einen Augenblick
lang still und starrt mich an. Ihre Augen werden dunkel und noch kälter.
"Es gibt immer eine andere
Möglichkeit", sagt sie mit einer Endgültigkeit, die wie ich annehme das
Ende der Unterhaltung signalisiert. Ich weiß sowieso nicht, was ich jetzt noch
sagen könnte, um es ihr zu erklären. Außerdem gibt es im Moment wichtiger Dinge
zu klären. Wenn wir erst mal einen Ort haben, an dem wir einfach zusammen sein
können, können wir die Vergangenheit ausdiskutieren. Ich kann es wieder gut
machen. Ich weiß, dass ich das kann.
"Scully, wir können, wir
können hier weggehen weißt du. Wir können heute Abend weggehen."
"Mulder..."
unterbricht sie mich mit einem Seufzen und schüttelt ihren Kopf.
"Wir können es, Scully. Sag
es einfach. Ich kann ... ich kann dich hier herausholen."
"Mich hier ..." sie
lächelt endlich und lacht sogar ein kleines, trauriges Lachen. Aber es macht
mich nicht glücklich. Ich habe nicht versucht lustig <komisch> zu sein.
"Mulder, ich denke du bist
derjenige, der mich braucht, um hier raus zu kommen."
"Naja, okay, aber...ich
meine, ich sage nur, dass wir nicht hier bleiben müssen."
"Das ... Mulder, ich werde
hier nicht gefangengehalten. Das ist mein
Zuhause."
"Dein Zuhause? Hier?
Mit...mit, mit IHM?"
"Ja, Mulder, mit ihm und
den vier oder fünfhundert anderen Leuten, die hier leben. Ich bin seit fünf
Jahren hier. Es ist das einzige Zuhause, das ich kenne."
"Aber, Scully, es ist... es
ist KRYCEK!"
Sie verdreht ihre Augen und legt
ihre Hände an die Hüften und ich schwöre bei Gott, sie sieht fast beleidigt aus.
Ich beginne zu glauben, dass der Bastard selbst ein wenig Gehirnwäsche
betrieben hat.
"Mulder, was soll das
bedeuten?"
"Was meinst du, was soll
das bedeuten? Scully, er...sieh mich an! Er hat mich hier eingesperrt wie ein
verdammtes Tier!"
"Mulder, er hat es nicht
gewusst. Er wusste nicht, was du bist. Du hättest ein Spion sein können, ein
Killer, Gott weiß was. Sieh mal, ich sage ja nicht, dass es angemessen war, so
damit umzugehen. Ich entschuldige es nicht aber..."
"Scully! Das ist Blödsinn!
Er hat mich hier reingesteckt, weil er mich hasst.
Weil er sich dadurch wie ein größerer Mann fühlt."
"Mulder, bitte. Das ist
nicht..."
"Warum verteidigst du
ihn?"
Ihr Gesicht wird rot und ich
kann nicht sagen, ob aus Ärger oder aus Verlegenheit.
"Er war...er ist ein
Freund...für mich."
"Ein Freund? Krycek?"
"Mulder er...er hat mir
geholfen, eine Menge Dinge durchzustehen. Er...er hat mein Leben gerettet, er
hat mich davon abgehalten aufzugeben, davon..."
Sie sieht auf ihre Hände
hinunter, die zu einem festen Knoten verschlungen sind und ich folge ihren
Blick und bemerke das erste Mal die zwei kleinen Narben an der Innenseite ihrer
Handgelenke. Das kann nicht sein, wonach es ....
Oh Gott. Oh, Scully.
"Sc..."
"Das ist ein guter Ort,
Mulder. Er tut eine gute Sache. Ich werde den Schlüssel holen und dich hier
rauslassen, so dass du entscheiden kannst, ob du hierbleiben willst oder nicht.
So weit es mich betrifft bist du willkommen."
Sie dreht sich um, um zu gehen
und ich habe das Gefühl, dass diese Unterhaltung viel zu schnell vorbeigegangen
ist. Ich bin nicht dazu gekommen, irgend etwas
wichtiges zu sagen und ich spüre, dass sie jetzt weiter von mir entfernt ist,
als sie es war, bevor wir miteinander gesprochen hatten.
"Scully, warte!"
"Mulder?"
"Ich...ich wollte nur...ich
wollte dich fragen...äh..."
Sie dreht sich wieder zu mir um
und ihr Körper ist immer noch steif und kalt, aber in ihren Augen schimmert ein
wenig Wärme. Ein klitzekleiner Schimmer.
"Denkst du, dass du mir je
vergeben wirst, Scully?"
"Ich...ich kann es
versuchen, Mulder. Das Ganze wird etwas Zeit brauchen. Wir...wir brauchen etwas
Zeit, um uns aneinander zu gewöhnen."
Ich nicke obwohl ich weiß, dass
ich diese Zeit nicht brauche. Ich weiß, was ich will. Ich weiß, was wir tun
müssen. Mein Gott, ich kann nicht noch mehr Zeit verschwenden.
"Wir können dir ein Zimmer
und eine Essenskarte und all das besorgen. Wenn du dich dann entscheidest hier
zu bleiben, werden wir für dich eine Aufgabe finden."
"Wirst du mich abends
zudecken?"
Sie antwortet nicht, aber ich
nehme an ich hatte das nicht erwartet. Es ist ja nicht
so, dass sie das früher getan hätte.
"Ich bin gleich
zurück."
"Scully, du...du siehst gut
aus. Wirklich, wirklich ... du siehst schön aus. Ich habe niemals, niemals
wirklich die Chance gehabt... dir das zu sagen."
Sie sieht mich sehr eigenartig
und undeutbar an und murmelt "Danke". Dann dreht sie sich um, rennt
die Treppen hinauf und weg von mir.
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Ende Kapitel 2
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Kapitel 3
"Was meinst du damit,
sie hat ihn rausgelassen?"
"Äh, sie, äh ..sie sagte uns, dass Sie seine Freilassung genehmigt
hätten, Sir."
Jesus Christus. Was zur Hölle
denkt sich diese verrückte Frau? Ich kann es kaum fassen, dass sie die
Frechheit hatte, nicht nur einen meiner Männer sondern MICH anzulügen. Mir
direkt in mein verdammtes Gesicht zu lügen.
Ich gehe spazieren, Alex. Ich
brauche etwas frische Luft, Alex. Nein, du musst nicht mitkommen, Alex. Ich
werde nicht lange weg sein.
Und nun muss ich hier stehen und
Haltung bewahren und so tun, als wenn es nichts geben würde, worüber man in
Panik ausbrechen müsste.
"Wo sind sie
hingegangen?"
"Ich denke...ich denke sie
hat ihm ein Zimmer besorgt, Sir."
"Was für ein Zimmer?"
"Wahrscheinlich in Dakin nehme ich an. Dort gibt es die meisten leeren
Zimmer."
Dieser blöde Hurensohn ist hier
seit wann, drei Tage? Meine Autorität ist bereits untergraben und der einzige
Mensch, von dem ich angenommen hatte, dass er mich nie anlügen würde hat mich
angelogen. Es muss an Mulder liegen. Wer sonst könnte innerhalb von
zweiundsiebzig kurzen Stunden so viel Elend in mein Leben bringen?
Ich kann diese Kerle noch nicht
mal dafür anschreien, dass sie Danas Befehle ohne nachzufragen ausgeführt
haben. Ich war derjenige, der ihnen anfangs eingetrichtert hatte, das zu tun.
Ich hätte nie gedacht, dass sie das mal gegen mich verwenden würde.
Als ich schließlich in Dakin angekommen bin, kann ich mein Blut praktisch unter
meiner Haut kochen fühlen.
Ich brauche nicht sehr lange,
das kleine Dreckstück zu finden. Er macht sich auf jeden Fall nicht die Mühe,
diskret zu sein. Sie haben ihm einen Raum in der ersten Etage gegeben und er
sitzt dort bei weit geöffneter Tür, und hüpft mit dem Rücken zur Tür auf dem
Bett auf und ab.
Schön zu sehen, dass er sich so
schnell eingelebt hat. Offensichtlich hat das Leben unter den Drohnen seinen
Überlebensinstinkt verkümmern lassen.
"Hättest du mir kein
Wasserbett besorgen können, Scully?"
"Nein, aber wir können es
sicher arrangieren, dass du im Fluss schläfst."
Sein Kopf fährt herum und er
schaut für den Bruchteil einer Sekunde ängstlich und dann verdammt eingebildet.
"Was zur Hölle geht hier
vor, Mulder?"
"Sieht so aus, als wäre ich
befördert worden. Weißt du, ich bin froh, dass du hier bist, weil ich ein paar
Reklamationen meiner vorherige Unterkunft betreffend habe. Behandelst du alle
deine Gäste so?"
"Nur die, durch deren Adern
Öl fließt."
Ich höre eine
Seufzen hinter mir und Dana drängt sich mit einem Stapel gebrauchter Kleidung
auf dem Arm an mir vorbei.
"Oh gut", sagt Mulder
zu ihr. "Ich wollte gerade den Sicherheitsdienst rufen. Scully, ich will
mich ja nicht beschweren, aber ich glaube ich habe ein Nagetierproblem in
meinem Zimmer."
So ein komischer verdammter
Mistkerl.
Sie schaut nervös zwischen uns
beiden hin und her und seufzt wieder.
"Dana, kann ich dich einen
Augenblick sprechen?" frage ich im ruhigsten und am wenigsten wütenden
Tonfall, den ich zustande bringe.
"Ich..." beginnt sie,
aber Mulder kann nicht widerstehen, sie zu unterbrechen.
"Du musst nicht,
Scully." Sagt er und springt in einer Art pseudo
beschützerischen Geste auf seine Füße. Immer muss er seine Riesennase in jede
blöde Sache hineinstecken.
"Mulder, halte dich da
raus. Es geht dich nichts an."
"Und ob es das tut! Was
denkst du wer du bist, dass du sie so rumkommandieren kannst?"
"Rumko...Mulder,
setzt dich und halt die Klappe."
Er kommt mir näher so dass er
direkt vor mir steht, Auge in Auge, sein Gesicht ist das einzige, was ich sehen
kann.
"Warum sorgst du nicht
dafür, harter Kerl?"
"Okay! Das reicht!"
schreit Dana und schmeißt die Sachen auf Mulders Bett. Es verlangt alle
Selbstkontrolle die ich habe, nicht dieses dämliche Grinsen aus seinem Gesicht
zu schlagen.
"Mulder, das sind deine
Schlüssel, deine Essenmarken und deine Versorgungsmarken", sagt sie, holt
die Gegenstände aus ihrer Tasche und lässt sie auf den Tisch fallen.
"Genieße deinen Aufenthalt in der Zauberhaften Gemeinde. Ich sehe euch
beide dann später."
Sie läuft wieder an mir vorbei
in Richtung Tür und ich will ihr gerade folgen, aber Mulder springt zwischen
uns.
"Warte Scully, wohin gehst
du?"
"Ich gehe spazieren. Auf
Wiedersehen."
"Warte, ich...ich komme
mit", sagt er wobei er offensichtlich die Bedeutung der Worte 'AUF
WIEDERSEHEN' missverstanden hat. Dann greift er nach ihrem Arm, um sie zu
berühren, aber bevor er sie erreichen kann, fange ich mit meiner Hand sein
Handgelenk auf.
"Fass sie nicht an",
warne ich ihn. Sein verwirrter und ungläubiger Gesichtsausdruck verrät mir,
dass, worüber auch immer die beiden sich heute unterhalten haben, dies nicht
ihre Beziehung mit mir mit eingeschlossen hat. Sie hat es ihm nicht erzählt.
Sie hat es ihm verdammt noch mal nicht erzählt und jetzt denkt er ich führe
mich wie ein Psychopath auf und er hat das Recht, seine Hände nicht von ihr zu
lassen.
Er versucht seine Hand
wegzuziehen aber ich fasse sein Handgelenk noch fester.
"Tu's
nicht."
Ein Ausdruck der Besorgnis
huscht kurz über Danas Gesicht und sie sieht mich flehend an.
"Mulder, ich muss jetzt
wirklich allein sein, okay?"
"Oh...äh, okay,
natürlich", murmelt er aber ich kann ihn anscheinend immer noch nicht los
lassen. Ich habe das Gefühl ich müsste ihn so lange fest halten, bis sie außer
Sichtweite ist.
Als sie weggeht wird mir klar,
dass ich jetzt Mulder lieber vergesse und hinter ihr herlaufe, oder ich werde
sie wieder verlieren. Ich lasse seinen Arm los, starre ihn noch ein letztes Mal
an und laufe Richtung Flur. Verdammt, sie ist schon weg. Sie muss gerannt sein.
"Warte!" ruft Mulder
mir nach und dieses Mal greift er meinen Arm. "Sie hat gesagt, sie will
allein sein."
"Geh mir aus den Augen,
Mulder."
"Lass sie in Ruhe."
Mein Gott, das ist einfach zu
viel. Das ist alles einfach viel zu viel.
"Sieh mal, ich weiß nicht
was du glaubst, wer du bist, aber du hast kein Recht, kein VERDAMMTES Recht, so
mit mir zu reden."
"Oh und warum? Weil du hier
der große Chef bist? Ich habe keine Angst vor dir, Krycek.
Und ich werde nicht zulassen, dass du sie weiterhin rumkommandierst und und ... sie einer Gehirnwäsche unterziehst!"
Gehirnwäsche? Ist es das, was er
denkt? Dass sie nur hier bei mir ist, weil ich so eine Art Jedi-Gedankenkontrolle
über sie habe oder so? Mein Verlangen, ihm ganz genau zu erzählen, wie gern sie
hier ist und warum reicht fast aus, meine verzweifeltes Bedürfnis, sofort mit
ihr zu sprechen, zu übertönen. Aber nicht ganz. Nicht jetzt. Außerdem sollte
sie diejenige sein, die es ihm erzählt. Nicht ich. Er würde es mir sowieso
nicht glauben und ich möchte verdammt sicher gehen, dass er es glaubt.
"Hör mir zu du
Hurensohn", sage ich zu ihm während ich meinen Ärmel aus seiner Hand
befreie. "So weit es mich betrifft kannst du froh sein, dass du überhaupt
noch lebst. Stell mich nicht auf die Probe, Mulder. Ich warne dich. Halt dich
aus meinen Angelegenheiten raus und geh mir aus den Augen."
"Und ich warne dich, wenn
du noch etwas tust, dass ihr wehtut, dann werde ich dich umbringen."
"Ihr wehtun? Oh das ist
großartig, Mulder. Das kommt von dem Menschen, der sie mehr verletzt hat, als irgend jemand sonst es könnte oder jemals können wird."
Ich bin nicht überrascht, als
ich seine Faust mit meinem Kinn kollidieren fühle. Es ist sicher nicht das
erste Mal, dass sich Mulder mir gegenüber auf diese Weise ausgedrückt hat. Aber
ich bin von der Tatsache überrascht, dass mein dringendster Wunsch immer noch
darin besteht, Dana zu finden. Ich habe keine Zeit hier herumzustehen und mit
Mulder zu streiten.
"Alle Schläge dieser Welt
können die Tatsachen nicht ändern, Mulder. Und Tatsache ist, ich habe nicht
eine verfluchte Sache gemacht, um ihr wehzutun. Nun sorge nicht dafür, dass ich
dir wehtue."
Er tritt ein Stück von mir
zurück und fährt mit der Hand durch seine Haare. Seine Finger sind mit meinem
Blut bedeckt. Großartig. Ich frage mich, ob meine Lippe schon anfängt
anzuschwellen. Es ist so schön, Mulder wieder zu haben.
"Geh aus meinem Zimmer, Krycek. Geh..." sagt er zu mir und ich tue es, weil
ich ernsthaft befürchte, dass ich ihn umbringen könnte, wenn ich bleibe.
Ich brauche fast zwanzig
Minuten, um Dana zu finden und als ich sie endlich sehe, als ich sie rufe und
hinter ihr her renne, läuft sie nicht ein bisschen langsamer. Diese kleinen
Beine bewegen sich ziemlich schnell.
Sie läuft auf dem Weg zwischen
dem Wohnheim und dem Labor. Ich denke allerdings nicht, dass sie auf Arbeit
geht. Ich denke sie will noch weiter als zum Labor, in den Wald. Sie hat diese
Bestrebung, in den Wald zu laufen, wenn sie durcheinander ist. Vor allem, wenn
es draußen eiskalt ist.
"Dana! Was zur Hölle sollte
das bedeuten?"
"Was sollte was
bedeuten?" fragt sie, während sie immer noch läuft und mich nicht ansieht.
"Du hast in einfach,
einfach frei gelassen? Ihn eingeladen, hier zu leben? Ohne vorher mit mir
darüber zu reden?"
"Er ist harmlos,
Alex."
"Harmlos? Dana, wir wissen
noch nicht einmal, wer er wirklich ist, ob er wirklich Mulder ist."
"Er ist Mulder", sagt
sie mit einer Endgültigkeit, die mir auf die Nerven geht.
"Wir wissen noch nicht mal,
warum er hier ist."
"Er ist es und ich weiß,
warum er hier ist."
"Okay, darf ich es auch
erfahren?"
Sie zieht ihre Jacke fester um
sich als der Wind auffrischt und durch uns hindurch weht.
"Er ist hier, um mich zu
sehen."
Und wie soll mich das jetzt
bitte beruhigen?
"Um dich zu sehen."
"Ja, das hat er mir erzählt."
"Und du glaubst ihm
einfach? Bedingungslos?"
Sie hört endlich auf zu laufen
und dreht sich auf dem Absatz um, um mir ins Gesicht zu sehen. Einige
Schneeflocken wirbeln in der Luft herum und landen auf ihren Haaren.
"Ja ich glaube ihm. Und
weil wir gerade davon sprechen miteinander zu reden; wer denkst du bist du,
dass du ihn wie ein verdammtes Tier eingesperrt hast und nicht mit MIR darüber
gesprochen hast?"
"Ich wollte nicht...ich
wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Gott, Dana, was zur Hölle hätte ich
mit ihm tun sollen? Ich dachte er ist eine Gefahr für uns, für jeden."
"Ersten, du wusstest nicht,
ob er eine Gefahr ist. Zweitens, das ist keine Entschuldigung dafür, jemanden
zu isolieren, ihm so gut wie nichts zu essen zu geben und nicht genug Wasser um
ihn vor dem Austrocknen zu bewahren..."
"Er schien gesund genug zu
sein", murmle ich und reibe verlegen mein Kinn. Ich denke meine Lippe
blutet immer noch.
"Und drittens Alex, das
hier hat nichts mit der Sicherheit der Gruppe oder irgend etwas anderem zu tun,
als der Tatsache, dass er für dich eine Bedrohung darstellt. Persönlich."
Sie flüstert das letzte Wort, als wäre es etwas obszönes.
Da sei Gott vor, dass ich hier etwas persönlich nehme.
"Oh, weiß er es? Ist mir
nicht aufgefallen."
Sie schließt ihre Augen und
schüttelt den Kopf und ich fühle plötzlich eine übelerregende
Schwere in meinem Magen, als wenn ich mich übergeben müsste.
"Ich werde noch
weiterlaufen, Alex. Und ich möchte nicht, dass du mit folgst."
"Dana, tu das nicht. Es ist
so kalt. Komm einfach...komm einfach rein."
Ich berühre ihre Schulter und
sie zuckt von mir weg.
"Ich werde rein kommen,
wenn ich so weit bin. Und ich will nicht, dass du mir sagst wann!"
"Dana..."
"Bitte gib Ret etwas Wasser. Ich werde in einer Stunde oder so wieder
zu Hause sein."
Ich zucke mit den Schultern,
ergebe mich in das Ende dieser bizarren Geisterbahn einer Unterhaltung und sie
fängt an, wegzugehen.
"Djewotschka,
warte! Zieh dich... wenigstens warm an."
Ich ziehe meine Jacke aus und
lege sie um ihre Schultern. Ich nehme an, ich sollte an diesem Punkt dankbar
sein, dass sie diese nicht auf den Boden wirft und draufspuckt.
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Ich bin für gewöhnlich in die
Wälder gegangen, wenn ich einsam war, wenn ich dachte, dass der Schmerz über
Mulders Verlust mich zerstören würde. Die Art, wie die das Eis auf den Zweigen
aussieht, der Klang des Wasser das nie zu gefrieren scheint und gleichmässig über die Felsen läuft, die Art, wie die Luft
in meiner Kehle brennt, wenn ich einatme, all diese Dinge erinnern mich an die
Leere, die Sehnsucht. Zuerst war ich verbittert über die Gleichheit der Natur,
ihre Weigerung sich zu ändern, obwohl meine ganze Welt auseinander gefallen
war. Aber allmählich habe ich Trost darin gefunden.
Ich war schon lange nicht mehr
hier. Es sieht heute anders aus. Ich frage mich, was das bedeutet.
Ich frage mich, was ich tun
werde.
Es gab einmal eine Zeit, da
hätte ich alles getan; morden, sterben, durchs Feuer
gehen, um diesen Tag zu sehen. Um Mulder zu sehen, lebendig, mit mir. Hier. Er
ist hier.
Und jetzt...jetzt...
Ich ist alles was ich denken
kann; Wie zur Hölle halte ich Mulder und Alex davon ab, sich gegenseitig
umzubringen? Und alles was ich fühlen kann ist ...
Kälte. Mein Gott, es ist so
kalt.
Ich sollte wirklich zurück
gehen. Alex wird sich bald Sorgen machen. Es sind schon fast zwei Stunden.
Als ich nach Hause komme ist es
schon fast dunkel draußen. Ich halte vor der Tür kurz inne, bereite mich selbst
auf eine Fortsetzung des lächerlichen Streits von vorhin vor, aber als ich
eintrete bin ich überrascht, Alex tief schlafend auf der Couch vorzufinden.
Mein Gott, was für ein krasser
Kontrast zu dem wütenden Verrückten in Schwarz, mit dem ich mich erst vor ein
paar Stunden gestritten habe. Er hat sich umgezogen und trägt jetzt eine alte,
ausgeleierte, graue Jogginghose und ein abgetragenes, weinrotes Shirt mit drei
Knöpfen oben, die alle geöffnet sind. Auf seiner Brust liegt ein Buch und Ret ist auf seinem Bauch ausgebreitet und Mann und Hund
schnarchen, ohne davon Notiz zu nehmen, dass ich sie beobachte. Seine Haare
sind feucht und durcheinander. Er muss sich ausgiebig geduscht haben, während
ich weg war.
Es wäre so schön, sich einfach
neben ihn zu legen und sich an ihn zu kuscheln und einfach zu
vergessen...alles.
Ich schließe vorsichtig die Tür,
aber er öffnet bei dem Geräusch die Augen.
"Hi,
Babe", lächelt er mich an, die Stimme noch rau vom Schlaf.
"Hi."
Ich ziehe seine Jacke aus und
dann meine und hänge sie neben die Tür, beobachte ihn aufmerksam und frage
mich, wann er sich daran erinnern wird, dass wir uns gestritten haben.
Er gähnt und streckt sich und
reibt sich die Augen. Dann sagt er zu mir "Ich habe Nudeln zum Abendessen
gemacht. Sie sind auf dem Herd, wenn du welche möchtest."
Ich gehe hinüber zum Herd und
tatsächlich köchelt dort ein Topf voller Spaghetti
mit Tomatensauce.
Wer ist dieser Mann und was hat
er mit dem stinksauren Typen gemacht, mit dem ich vorhin geredet habe?
Ich nehme an ich sollte fragen,
aber es ist mir wirklich egal. Es ist so schön ein wenig Frieden zu haben.
Ich beuge mich über die
Herdplatte und beginne damit, direkt aus dem Topf zu essen, plötzlich so
hungrig, dass ich noch nicht einmal den Gedanken daran, mir erst einen Teller
zu holen ertragen kann. Es ist nett und heiß und es wärmt mich von innen.
Nach einer Minute oder so spüre
ich einen Arm um meinen Bauch und einen feuchten Kopf an meinem Hals.
"Jesus, Dana, du bist
eiskalt. Ich wünschte, du würdest bei dem Wetter nicht so lange draußen
bleiben."
"Ich...ich brauchte ein
bisschen Zeit. Zum ...denken", sage ich ihm mit vollem Mund.
"Und hast du?"
Gute Frage. Zählt es als
Nachdenken, wenn man danach verwirrter ist, als am Anfang?
"Äh...ich nehme an ja. Ein
bisschen. Keine Ahnung, du scheinst viel entspannter zu sein als ich.
Vielleicht hätte ich einfach hierher zurückkommen sollen."
"Naja, ich habe...ich habe
auch ein bisschen nachgedacht."
"Oh ja? Irgendetwas tief
greifendes?"
"Mir ist klar geworden,
dass es Dinge gibt, Dinge in dieser Welt, die mir sehr wichtig sind. Und ich
muss sehr aufmerksam auf diese Dinge Acht geben..."
Oh Gott. Ich denke ich weiß,
worauf das hinausläuft. Wenn er mir sagt, dass er Mulder in diesen Käfig
gesperrt hat, um mich "zu beschützen" dann steh mir Gott bei. So viel
zum Thema Frieden.
"Ich verstehe das, Alex
aber..."
"Und ich werde nicht in der
Lage sein, auf diese Dinge Acht zu geben, wenn ich all meine Zeit damit
vergeude, mich mit Mulder anzulegen."
Er küsst meinen Hals und tritt
dann zur Seite, so dass ich sein Gesicht sehen kann. Er sieht aufrichtig aus.
Mein Gott, ich hoffe er ist aufrichtig. Ich lächle und schaufle mehr Essen in
meinen Mund.
"Da hast du gut
nachgedacht, Captain."
"Mir ist auch klar
geworden, dass...dass ich dich liebe. Ich liebe dich so sehr und ich sollte dir
das sagen. Also...äh, ich liebe dich, Dana. Liebe dich."
Zuerst bin ich mir ziemlich
sicher, dass die vergangenen fünfzehn Sekunden eine Erfindung meiner Phantasie
waren. Dann sehe ich in diese Augen und sehe dieses weiche Lächeln und die Art
wie er von einem Fuß auf den anderen tritt und immer wieder schluckt und
zittert und ..
Oh Gott. Ich habe keinen Hunger
mehr. Tatsache ist, ich möchte am liebsten all das Essen ausspucken, das noch
in meinem Mund ist. Allein bei dem Gedanken an Schlucken dreht sich mir der
Magen um. Mein Gott.
Was wenn ich mich übergebe?
Oh Gott.
Als ich sechzehn Jahre alt war
bin ich das erste Mal in eine Geschwindigkeitskontrolle geraten. Ich hatte
gerade erst meinen Führerschein bekommen und bin im Cadillac meines Vaters auf
dem Freeway langgerauscht
auf dem Weg zum Strand um mich mit meiner Freundin Sylvia zu treffen. Mir war
nicht bewusst, dass ich so schnell gefahren war. Ich habe einfach nicht
aufgepasst.
Ich werde nie vergessen, wie ich
mich gefühlt habe, als ich die roten Rundumleuchten im Rückspiegel gesehen
habe. Ich sass so tief in der Tinte und ich hatte
keine Ahnung, wie ich da raus kommen sollte. Wie ich es meinen Eltern erklären
sollte.
Warum fühle ich mich jetzt genau
so? Ist es wegen Mulder? Ist es, weil ich denke es könnte vielleicht eine neue
Chance für mich und Mulder geben? Denke ich das wirklich? Hätte Alex das
überhaupt gesagt, wenn Mulder nicht hier wäre? Macht das
einen Unterschied, da ich ja weiß, dass es stimmt unabhängig davon, was
es zur Sprache gebracht hat?
Mein Gott. Schlucken.
"Äh, Dana..."
Er deutet auf sein Kinn mit
einer Geste die bedeutet, "du sabberst" und ich wische an meinem
Gesicht.
"W...wo?"
"Hier", er zeigt auf
einen Punkt unterhalb meine Lippe. Dann lehnt er sich zu mir und leckt den
Tropfen Soße von meinem Kinn. Und er küsst mich und die Panik und Verwirrung
macht einem kurzen Moment lang Platz für unbändige Freude. Er liebt mich. Oh
Gott, er liebt mich.
Ich muss mich setzen.
Meine zitternden Beine tragen
mich zur Couch, wo ich immer noch Alex Körperwärme spüren kann. Ich setze mich
und Ret plumpst auf meinen Schoss, sucht nach mehr
Zuwendung. Ich streichle ihn abwesend und Alex setzt sich auf den Boden neben
meine Beine.
Ich möchte mit ihm reden, aber
meine Kehle ist so trocken und ich weiß sowieso nicht, was ich sagen soll, also
sitze ich einfach hier. Er sagt lange Zeit auch nichts weiter und ich frage
mich, was er denkt, was er fühlt. Er wird wahrscheinlich eine wahnsinnige Angst
haben.
Dann beginnt er damit, meine
Stiefel aufzubinden. Er braucht eine Weile dazu aber irgendwann hat er sie
beide vollständig aufgeschnürt und zieht sie von meinen Füssen. Dann zieht er
die dicken Wollsocken aus. Er lacht, als er sieht, dass ich darunter noch eine
dünnere Lage Baumwollsocken trage.
"Wo sind deine Füße?"
"Ich denke die sind da
drunter."
Er sieht wieder lächelnd zu mir
auf und zieht sie aus. Meine Zehen wackeln, glücklich darüber, an der frischen
Luft zu sein. Er nimmt meinen linken Fuß in die Hand und massiert zärtlich
meine Fußsohle und mein Kopf fällt auf die Couch zurück. Ich seufze zufrieden,
auch wenn es in meinem Inneren immer noch drunter und drüber geht.
Ich halte meine Augen
geschlossen und mein Verstand schaltet sich ab, so dass ich diese wundervolle
Massage vollständig genießen kann. Nach ein paar Minuten habe ich tatsächlich
das Gefühl, dass ich so einschlafen könnte.
Aber dann höre ich aus weiter
Ferne eine Stimme.
"...wollte ich dir sagen,
dass es mir Leid tut."
"Hmmmwa...?"
"Ich sagte, dass ich über
ein paar...Dinge nachgedacht habe. Aus der Vergangenheit. Unserer
Vergangenheit. Und, ich wollte nur dass du weißt, dass ich all das bereue, was
ich getan habe, das dich verletzt hat. Ich...ich wollte dich nicht verletzen,
Dana. Das war niemals etwas, das ich gewollt habe."
Es schmerzt, das zu tun, aber
ich öffne meine Augen.
"Vergangenheit...?"
"Ich wollte nur, ich wollte
es vielleicht erklären. Damit wir mal darüber reden, weißt du? Weil
ich..."
"Alex, wovon redest
du?"
Er hört auf, mich zu massieren
und dreht seinen Kopf zu mir, um mich anzusehen. Er zieht ein Gesicht, als wenn
er Schmerzen hätte. Ich erinnere mich nicht an das letzte Mal, als ich solche
Furcht in seinen Augen gesehen habe. Vielleicht das erste Mal, als wir uns
geliebt haben.
"Ich...ich spreche darüber,
was ich getan habe, Dana. All die Dinge, die schließlich dazu geführt haben,
dir wehzutun. Vorher. Bevor du her kamst...weißt du?"
Oh mein Gott. Was tut er? Was
versucht er mir anzutun?
"Alex, warte. Lass
uns...lass und das nicht tun."
"Aber..."
"Es ist nicht, es ist nicht
notwendig."
"Nicht notwendig?"
"Nein. Es ist..."
"Bedeutet das, dass du mir
verzeihst, Dana? Dass du verstehst, warum..."
"Alex, es ist nicht.... es ist nicht notwendig. Meine Vergangenheit mir dir
begann vor fünf Jahren."
"Aber es..."
"Meine Vergangenheit mir
dir begann vor fünf Jahren. Der Rest spielt keine Rolle. Er zählt nicht.
Also...also lass uns nicht davon reden, okay?"
Er zuckt mit den Schultern und
ich schwöre bei Gott, wenn ich es nicht besser wüsste würde ich sagen, er sieht
so aus, als wäre er den Tränen nahe.
"Äh...ja, okay. Ich habe
nur gedacht...naja ich liebe dich, also sollte
ich...ich weiß nicht."
"Alex, was ist mit deiner
Lippe passiert?"
Ja, ich habe das vorhin schon
bemerkt. Ja, ich kann mir ziemlich gut vorstellen, was passiert ist. Ja, ich
bin verzweifelt darum bemüht, das Thema zu wechseln, auch wenn es ihn wütend
macht, darüber zu reden.
"Mulder", grollt er.
"Es ist ganz angeschwollen.
Wir sollten ein wenig Eis darauf legen."
Ich ziehe meinen Fuß aus seiner
Hand und gehe in den Küchenbereich auf der Suche nach Eis und einem Beutel, in
den ich es stecken kann.
"Dana, du...du solltest ihm
vielleicht davon erzählen. Von uns, weißt du? Du solltest ihm sagen, dass ich
dich liebe."
Mein Gott, Alex. Bitte hör damit
auf, das zu sagen. Ich kann damit im Moment noch nichts anfangen.
"Das... das werde ich. Ich
werde es ihm sagen. Ich hatte nur .... ich hatte bis
jetzt nur noch keine gute Gelegenheit."
Ich nehme einige Eiswürfel und
lege sie in einen Plastikbeutel und frage mich, ob für eine solche Sache
überhaupt eine gute Gelegenheit existieren könnte.
"Tu es nur...tu es bald, Djewotschka. Tu es bald."
Ende Kapitel 3
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 4
Ich vermisse meinen Alex.
Die Erkenntnis traf mich, wie es
alle Dinge die Alex betreffen zu tun scheinen.
Plötzlich und heftig. Ich habe heute in der Krankenstation statt im
Forschungslabor gearbeitet. Die Grippewelle hat ziemlich hart zugeschlagen,
besonders unter den wenigen Kindern, die wir hier haben. Ich habe an diesem Tag
alles getan was ich konnte, um zu helfen. Es war ein geschäftiger, stressiger
Tag, aber aus irgendeinem Grund, heute Nachmittag, als ich gerade das
zwanzigste Mal Fieber gemessen habe, schlich sich der Gedanke ohne Vorwarnung
in mein Bewusstsein. Wir haben uns nicht mehr geliebt, seit Mulder hier ist.
Es sind schon zwei Wochen.
Und zwei Wochen, seit Alex mir
gesagt hat, dass er mich liebt.
Ich weiß nicht, warum das
passiert ist, oder besser, nicht passiert ist, aber ich mag es nicht. Wir sind
beide sehr beschäftigt, aber wir waren immer sehr beschäftigt. Ich möchte mir
einreden, dass es nichts mit Mulder zu tun hat, aber ich nehme an, das ist die
einzige Erklärung. Die Dinge waren einfach ... eigenartig zwischen uns in
letzter Zeit. Ich denke dass keiner von uns bis jetzt herausgefunden hat, wie
wir uns verhalten sollen. Ich denke, dass er Angst hat, mich zu berühren. Nein,
ich mag das nicht.
Ich habe Mulder immer noch nicht
von uns erzählt. Vielleicht ist das auch einer der Gründe. Vielleicht hat
irgendein erbärmlicher, von Leugnen zerfressener Teil von mir das Gefühl, dass
ich so lange, wie wir nicht tatsächlich Sex haben, nichts vor Mulder verberge.
An dem Morgen nach diesem
ersten, eigenartigen Tag, als ich Mulder aus seinem Käfig gelassen habe, bin
ich zu seinem Zimmer zurückgelaufen und habe ihn etwas gefragt, das ich
vergessen hatte. Etwas sehr wichtiges. Ich fragte ihn, wie um alles in der Welt
er es geschafft hatte, uns zu finden.
Er erzählte mir von dem Band und
von Spender und dem rauchenden Bastard. Er erzählte mir, dass sie
wahrscheinlich wissen, wo wir sind. Ich erzählte Alex davon und wir müssen
entscheiden, was wir dagegen tun können. Oder was das überhaupt bedeutet. Es
war eine sehr erschütternde Sache, das herauszufinden. Aber die Tatsache, dass
Mulder mir das erzählt hat, war das erste Zeichen, das ich bekam, dass ich
wieder anfangen kann, ihm zu vertrauen.
Und danach hat er mir von seinem
Leben erzählt, was er all die Jahre getan hatte. Wie er mich vermisst hatte.
Die Arbeit, die er getan hatte. Die beschränkten Informationen, zu denen er
Zugriff hatte.
Ich habe seit dem einige Zeit
mit ihm verbracht, habe ihn daran gewöhnt, hier zu leben, ihm erklärt, wie die
Dinge hier laufen und so was. Meine Wut auf ihn ist etwas abgeflaut und wir
haben uns aneinander gewöhnt, wir sind an den Punkt gekommen, wo wir uns
miteinander wieder einigermaßen wohl fühlen. Und es war ganz nett. Und ich habe
Angst, dass die Dinge nicht mehr so nett sein werden, wenn ich ihm von Alex
erzähle. Ich weiß nicht, warum ich deswegen so ein Feigling bin. Ich wünschte,
ich könnte damit aufhören.
Er hat mich letzte Woche
gefragt, wo ich wohne und ich habe einfach nur wie ein Idiot in die allgemeine
Richtung des Gebäudes gezeigt, habe die offensichtliche Chance total ignoriert,
ihm alles erklären zu können. Mein Ausweichen fängt an, Alex zu verärgern.
Eine Menge Dinge fangen an, Alex
zu verärgern. Nicht das Letzte in der Aufzählung ist ganz sicher die Tatsache,
dass wir uns seit zwei verdammten Wochen nicht mehr geliebt haben. Heute abend...heute abend
werde ich es versuchen. Ich werde versuchen, ihm zu zeigen, was ich scheinbar
immer noch nicht sagen kann.
Mein Gott, es ist schon so spät.
Ich bin seit einer Ewigkeit hier. Ich bin mir sicher, dass ich das Abendessen
verpasst habe. Alex ist sicher schon drüben im Labor und sucht nach mir. Ich
glaube nicht dass er weiß, dass ich heute in der Krankenstation war.
Ich beeile mich mit dem, was ich
noch fertig machen muss, so dass ich hier raus komme und nach Hause gehen kann.
Das Sterilisieren medizinischer Instrument ist eine öde Aufgabe und während ich
das tue, erwische ich mich beim Tagträumen, in einer
Weise, die ich mir schon seit ziemlich langer Zeit nicht mehr gestattet habe.
Ich denke daran, wie er mich küsst, mich berührt, meine Haare kämmt und ich
fühle mich im Inneren so warm. Mein Gott, warum habe ich uns das angetan?
Ich muss hier raus.
Ich muss nur noch diese
Thermometer in den Untersuchungsraum zurückbringen und dann bin ich fertig. Ich
drücke die Tür zum Hinterzimmer auf und als ich sie dort sehe, fühle ich, wie
sich ein übelkeitserregender Knoten in meinem Magen
bildet.
Es ist Alex. Und diese...Frau.
Ich habe sie nur ein paar Mal gesehen, seit sie her kam. Mulder hat mir ein
bisschen was über sie erzählt, wer sie früher war und warum er sie mitgenommen
hatte. Alex hat sie nie erwähnt, obwohl er sie kannte, ihren Namen gesagt
hatte, als er sie gesehen hatte.
Sie sitzt auf dem Stuhl, den ich
den ganzen Tag für die Untersuchungen benutzt habe und Alex sitzt auf dem Stuhl
hinter ihr, seine Knie um ihre Hüfte und seine Hand in ihren Haaren vergraben.
Er schaut intensiv nach unten auf ihren Nacken.
Ich fange an, etwas zu sagen,
aber meine Kehle ist zu trocken zum Sprechen. Mein Gott, was...
Er sieht plötzlich auf,
erschrocken. Als wenn ich ihn dabei erwischt hätte, etwas schlechtes
zu tun. Habe ich das?
Dann sehe ich die Pinzette in
seiner Hand und das Blut.
"Al...Alex, was tust du
da?"
"Ich äh...nehme das
raus", murmelt er und hält die Pinzette in die Höhe. Ein kleiner, runder
Metallchip ist zwischen den beiden Spitzen eingeklemmt.
"Oh, nein nein nein. Alex, du trägst noch
nicht einmal Handschuhe!"
Jetzt, wo ich weiß, was
passiert, wenigstens oberflächlich, ebbt meine Panik etwas ab und macht
Verärgerung und Unglauben Platz. Was zur Hölle denkt er sich?
Ich laufe zu ihnen rüber und er
steht schnell auf, so dass ich Zugang zu ihr habe. Ihr Hals blutet ziemlich
stark. Ich nehme ein Paar Gummihandschuhe aus meiner Tasche und ziehe sie an
während ich Alex befehle, mir Desinfektionsmittel und einen Waschlappen zu
bringen.
Ich beginne damit, die Wunde an
ihrem Hals zu behandeln und Alex steht gaffend daneben, öffnet und schließt
seinen Mund. Marita hat sich immer noch nicht bewegt oder gesprochen.
"Marita, ich bin Dana. Wie
geht es dir?"
Als ich sie anspreche schreckt
sie zusammen und dreht sich zu mir, um mich anzusehen. Es sieht nicht so aus,
als wenn sie mich nach den zwei Wochen überhaupt wiedererkennen würde.
Ich kann nicht widerstehen, Alex
anzustarren. Ich kann noch nicht mal glauben, dass er versucht hat, es allein
zu tun.
"So...so habe ich deinen
raus genommen..." sagt er in einem schrillen, defensiven Tonfall. Ja, so
war es. Und es lief so prima damals, richtig.
"Marita? Geht es dir
gut?"
Sie atmet auf einmal zu schnell
und Tränen sammeln sich in ihren Augen. Sie sieht völlig verwirrt und
verschreckt aus.
"Es ist in Ordnung, Marita.
Atme..."
Sie springt plötzlich auf und
fasst nach ihrem Nacken. Dann schaut sie Alex an. Sie sieht Alex an und sie
sieht absolut verängstigt aus.
"Alex...?" flüstert
sie. Ich stehe auch und sehe ihn an. Er sieht auf den Boden.
"Alex, oh Gott...was hast
du mir angetan?"
Sie beginnt, an dem Verband zu
reißen, den ich ihr gerade umgelegt habe und kratzt an ihrer Haut.
"Nein, Marita fass es nicht
an", sage ich ihr und eigenartigerweise hört sie auf mich.
"Was hast du getan, Alex?
Wo bin ich? Was zur HÖLLE geht hier vor?"
Ich sehe wieder Alex an, hoffe
auf eine Art Versicherung aber von ihm kommt nichts. Er steht nur wie ein
Blödmann da. Mein Gott, was zur Hölle hat er sich dabei gedacht?
"Marita, es ist in Ordnung.
Ich bringe dich in dein Zimmer und wir können darüber reden und etwas essen
und..."
"Wo zur Hölle bin
ich?"
Sie schreit jetzt, und weint und
Gott verfluche dich Alex, auf diese Weise wollte ich diese Nacht NICHT
verbringen.
Ich lege meine Hände auf ihre
Schultern und versuche sie in Richtung Tür zu schieben, aber sie entzieht sich
mir, fährt mich an "Nimm deine Hände von mir!" und starrt dann
ebenfalls Alex an.
"Was zur Hölle hast du mir
angetan du Hurensohn?"
"Äh...vielleicht...ich
sollte vielleicht gehen", sagt er. Großartig. Das ist einfach wirklich
großartig.
"Na klar, geh ruhig. Lass
mich deinen Mist aufräumen. Ganz mein Vergnügen."
"Ich...ich rege sie nur
auf. Ich kann nicht..."
Und dann, als wenn sie seine
Aussage beweisen wolle, greift Marita nach seinen Schultern und beginnt ihn zu
schütteln.
"Was zur Hölle hast du mit
mir gemacht? Sag es mir du Bastard!"
Er entzieht sich ihr und läuft
rückwärts Richtung Tür mit einem verschreckten Gesichtsausdruck. Ich kann noch
nicht mal ansatzweise verstehen, was er dachte, was passieren würde, als er das
tat. Und ich kann nicht anders, als mich zu fragen, wie genau die beiden sich
kannten. Was für eine Beziehung es auch immer gewesen sein mag, es sieht nicht
so aus, als wäre es eine gute gewesen. Aber warum hat er dann das Bedürfnis
gehabt, den Chip ganz allein rauszunehmen?
Mein Gott, ich habe keine Zeit,
darüber nachzudenken. Sie weint wieder und kratzt sich an ihrem Nacken und Alex
windet sich wie eine kleine Schlange aus der Tür.
"Ich...ich werde noch einen
anderen Arzt holen oder so", murmelt er.
"Bemüh dich nicht. Ich
werde ihr erzählen, was sie wissen will. Ich werde bei ihr bleiben."
Er nickt, steht für einen Moment
in der Tür und starrt einfach vor sich hin.
"Alex..."
"Es...es tut mir
leid", sagt er leise. Und dann geht er.
Marita ist in dem Stuhl
zusammengesunken, auf dem sie vorhin gesessen hat und schluchzt jetzt. Ich
versuche sie in den Arm zu nehmen, aber sie will mich das nicht tun lassen. Das
wird wohl eine lange Nacht werden.
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Es ist schon fast fünf Stunden
her, seit ich sie allein gelassen habe. Ungefähr vor zwei Stunden habe ich mit
dem Gedanken gespielt, wieder zurückzugehen, aber ich sagte mir, dass sie zu
dieser Zeit sicher schon gegangen waren und dass ich dann keine Ahnung hätte,
wo ich sie suchen sollte. Ja, ich weiß, wo Maritas Zimmer ist. Nein, ich bin kein
Feigling.
Ich bin es nicht. Ich weiß, dass
sie das jetzt wahrscheinlich von mir denkt. Ich habe es in ihren Augen gesehen,
als sie sah, wie ich sie mit 'meinem Mist' allein gelassen habe. Sie denkt, ich
habe alles versaut und bin dann weggerannt, als kompliziert wurde. Sie versteht
es nicht.
Ich musste es tun. Es war meine
Verantwortung. Warum versteht sie das nicht? Wir waren früher bei solchen
Sachen immer so einer Meinung. Sie hat mich früher verstanden.
Eine kleine Stimme in meinem
Kopf erinnert mich daran, dass ich nicht gerade sehr offen mit ihr war, dass es
besser gewesen wäre, im Vorhinein mit ihr über die Situation zu sprechen, sie
vielleicht um ihre Hilfe zu bitten. Aber die kleine Stimme hält schnell die
Klappe, als die laute Stimme anfängt darüber nachzudenken, mit welchem Mist ich
mich in letzter Zeit herumschlagen musste. Wie sollte ich noch mit ihr über
irgendwas sprechen können? Sie ist nie da.
Es scheint so, dass ich immer
weniger von ihr sehe, seit Mulder hierher kam. Und wer weiß, wie viel Zeit sie
mit ihm verbringt, wenn sie nicht mit mir zusammen ist. Ich habe mein
Versprechen gehalten, mich von ihm fernzuhalten. Ich habe ihn seit den ersten
paar Tagen nicht mehr als ein oder zwei Mal gesehen. Aber ich fühle seine
Anwesenheit hier so stark, als wenn er seine Sachen gepackt hätte und in mein
Wohnzimmer gezogen wäre.
Sie hat ihm immer noch nichts
von uns erzählt. Ich weiß nicht wie viel länger sie glaubt, das geheim halten
zu können. Es wird langsam lächerlich.
Und wie lange ist es her, dass
ich ihr endlich mein Herz ausgeschüttet habe? Ich fange an zu glauben, dass ihr
zu sagen, dass ich sie liebe und zu versuche, mich bei ihr für alles, was ich
getan habe, das sie verletzt hat zu entschuldigen, der größte Fehler war, den
ich je gemacht habe. Sie ist so distanziert seit diesem Abend.
Das erbärmlichste daran ist,
dass ich ständig diese Idiotie wiederhole. Es scheint so, dass jedes Mal, wenn
ich sie sehe dieser Blödsinn aus meinem Mund kommt. Ich liebe dich, Dana. Oh,
ich liebe dich so sehr. Und sie sitzt einfach da und starrt an die Wand, als
wenn ich ihr Steuergesetze vorlese. Verdammt erbärmlich.
Und verflucht noch mal, wie
lange ist es eigentlich her, dass wir das letzte Mal Sex hatten? Oh, na klar,
seit Mulder herkam. Lustig wie das funktioniert.
Na gut, ja, nichts davon hat
irgendwas mit dem zu tun, was gerade passiert ist, aber es fängt wirklich an,
mich stinksauer zu machen und verhindert, dass ich irgendetwas unvoreingenommen
betrachten kann.
Vielleicht sollte ich ihr von
Marita und mir erzählen. Vielleicht wäre sie eifersüchtig. Vielleicht würde sie
sich dann wieder um uns Gedanken machen.
Sehr wahrscheinlich nicht. Es
ist nicht so, dass da irgendwas wäre, worauf man eifersüchtig sein müsste. Die
Geschichte ist vor allem beschämend und im Moment will ich mich auf keine Fall beschämt fühlen.
Das Geräusch einer
zugeschlagenen Tür unterbricht meine Gedanken. Endlich.
Ret rennt zu ihr, legt seine Pfoten auf ihre
Brust und leckt ihr Gesicht. Ich wünschte, es wäre für mich so leicht. Sie
lächelt und küsst ihn und befiehlt ihm, sich hinzusetzten und er tut es. Der
blöde Hund ist noch geschlagener als ich.
Sie sieht mich böse an.
"Hast du gegessen?"
fragt sie in einem demonstrativ zickigen Tonfall. Ich sitze am Tisch also denke
ich, dass dies eine naheliegende Frage ist, aber aus irgendeinem Grund macht
sie mich wütend.
"Nein."
"Also was hast du hier die
ganze Zeit gemacht?"
"Dagesessen."
Sie macht ein angewidertes
Gesicht und verlässt das Zimmer.
"Ich habe Kaffee
gekocht", rufe ich ihr hinterher, als sie ins Schlafzimmer läuft. Frag
nicht warum. Ich nehme an, um ihr zu beweisen, dass ich noch was anderes getan
habe, als ohne sie vor mich hin zu brüten.
"Hast du mir welchen
übriggelassen?" fragt sie in demselben Tonfall. Dann knallt sie mit den
Schubladen.
"Jede Menge. Er ist
allerdings nicht besonders gut."
"Natürlich", brummt
sie. Als wenn es meine Schuld ist, dass die Kaffeemaschine aus den Siebzigern
stammt, blöde Kuh.
Oh Gott, was zur Hölle passiert
mit uns?
"Wo zum Teufel ist mein
grünes Shirt?" schreit sie zwischen weiterem Knallen und Krachen.
"Unter den Kissen auf der
Couch."
Genau da, wo ich es hingestopft
hatte, als wir vor das letzt Mal vor zehn Millionen Jahren Sex hatten. Ich war
nicht in der Lage, rüberzugehen und es rauszuholen, weil ich allein dadurch
daran denken muss und ich kann nicht mehr daran denken, mit ihr Sex zu haben.
Es fängt sogar jetzt an, meinem Schwanz wehzutun.
Gerade als ich in Erwägung
ziehe, das Sofa zu verbrennen, kommt sie aus dem Schlafzimmer gerannt und hat
nichts weiter an, als eine Pyjama Hose aus Flannel.
Kein Oberteil. Kein BH. Nichts.
Sie geht zur Couch und fängt an,
zwischen den Kissen herumzuwühlen und ihre Brüste wogen und hüpfen und sie hat
den Knoten in ihren Haaren gelöst und nun hängen sie an ihrem Rücken herab und
streifen gerade die Spitzen ihrer Brustwarzen, die hart sind und rosig
und...mein Gott. Worüber habe ich gerade nachgedacht?
Sie findet schließlich das Shirt
und zieht es dort heraus, wo es eingeklemmt war, doch bevor sie es anziehen
kann gehe ich zu ihr und greife nach einem Stück davon.
"Tu das nicht", sage
ich wie ich hoffe zärtlich.
"Tu was nicht? Alex, gib
mir mein Shirt."
"Zieh es nicht an."
Ich zerre an dem Shirt, ziehe
sie näher an mich heran.
"Komm her."
"Nein, Alex, ich mache
keinen Spaß. Lass mein Shirt los. Ich gehe ins Bett."
"Wozu brauchst du ein
Shirt, wenn du ins Bett gehst?"
"Mir ist kalt."
"Ich kann dich wärmen. Komm
her."
Ich lasse das blöde Shirt los
und komme ihr näher. Ich hebe meinen Arm, um ihn um ihre Hüfte zu legen, aber
sie zieht sich erschrocken zurück, als meine Hand ihre Haut berührt.
"Nicht! Fass mich nicht
an."
Ich trete sofort von ihr zurück.
Weit zurück. Sie klingt fast ängstlich. Himmel. Ich kann das nicht mehr
ertragen. Ich weiß noch nicht mal, was ich zu ihr sagen soll. Was gut ist, wie
ich annehmen, weil sie sowieso weggeht, ihr blödes Shirt über den Kopf zieht
und in das Schlafzimmer verschwindet.
Ich kann mich noch nicht mal
bewegen. Alles was ich tun kann ist hier stehen und auf den Punkt starren, wo
sie mir gerade gesagt hat, dass ich sie nicht anfassen soll.
Und plötzlich ist sie wieder
das. Hinter mir.
"Woher kennst du sie?"
Ich drehe mich vorsichtig um und
frage mich, in welcher Stimmung sie wohl jetzt ist.
"Was?"
"Marita. Woher kennst du
sie?"
"Ich dachte wir wollten
nicht über die Zeit vorher reden", sage ich wahrscheinlich schnippisch.
Aber warum zum Teufel kümmert sie sich überhaupt darum? Sie trifft eine
wirklich eigenartige Auswahl, wenn es um die Vergangenheit geht, die ich nicht
nachvollziehen kann. Unsere Vergangenheit hat vor fünf Jahren angefangen. Von
allem anderen ist nichts von Bedeutung. Außer Mulder natürlich. Er ist von
Bedeutung. Ihre Vergangenheit ist bedeutsam. Und jetzt sind offensichtlich alle
die blödsinnige Dinge, die ich getan haben könnte und
die nichts mit ihr zu tun hatten, ebenfalls von Bedeutung.
"Hat sie für die
gearbeitet?"
"Ja, hat sie.
Irgendwie."
"Verdammt, Alex. Spiel
nicht dieses Spielchen mit mir. Sag mir woher du sie kennst!"
Ich fasse es nicht. Ich kann es
verdammt noch mal nicht fassen.
"Ich habe es einfach. Sie
war ... keine Ahnung, sie war einfach da..."
"Wie gut hast du sie
gekannt?"
"Keine Ahnung, nicht allzu
gut."
Das ist Gottes reine Wahrheit,
aber sie sieht mich an, als würde sie es nicht glauben.
"Du lügst mich an. Ich weiß
es."
"Ich lüge nicht. Mein Gott,
warum bezweifelst du das auf einmal?"
"Weil ich gerade fünf
Stunden mit einer hysterischen Frau zusammengesessen habe, die nicht aufhören
wollte darüber zu lamentieren, was für ein Bastard du bist und was du ihr
furchtbares angetan haben musst. Und ich wäre erst gar nicht dort gewesen, wenn
du nicht versucht hättest, ganz allein den Chip rauszunehmen, ohne mir etwas
davon zu erzählen und dann fortgerannt wärst, als die Sache brenzlig wurde. Und
ich weiß, dass du etwas vor mir verbirgst, Alex! Und das fühlt sich an, als
würdest du mich anlügen und ich hasse das!"
Ich weiß nicht was zur Hölle ich
jetzt tun soll. Ich denke ich wollte, dass sie eifersüchtig ist, aber das ist
es nicht, woran ich dabei gedacht hatte. Ich weiß noch nicht mal was das ist.
Es ist so, als könnte sie mir nicht mal mehr vertrauen.
Sie starrt mich eine weitere
Minute an und stürmt dann ins Schlafzimmer zurück. Als sie wiederkommt trägt
sie mein Kissen.
"Wofür ist das?"
Sie wirft es einfach nur auf die
Couch und sagt "Gute Nacht."
"Dana..."
"Komm schon Ret. Zeit zum Schlafengehen."
"Verdammt, Dana!"
Das ist eine verfluchte
Erpressung. Als wenn es überhaupt eine Rolle spielt, wo ich schlafe. Sie wird
nicht zulassen, dass ich sie anfasse, egal wo ich bin.
"In Ordnung, schön. Ich
habe mit ihr geschlafen. Okay? Ich habe mit Marita vor langer Zeit geschlafen.
Ist es das, was du hören wolltest?"
Sie ist eine Minute lang still
und ihr Rücken ist mir zugewendet, so dass ich nicht sagen kann, was sie denkt.
Wieso ist das eine so verdammt grosse Sache? Ich habe
es doch sowieso praktisch mit jeder getrieben, die sie hier kennt.
"Wie oft?" fragt sie.
"Wie oft? Was zum Teufel
soll das bedeuten?"
"Ich meine war es eine
einmalige Sache oder hattest du eine Art Beziehung mit ihr."
Beziehung? Mein Gott, ich habe
keine Ahnung, ob ich darüber lachen soll oder nicht. Weiß sie nicht, dass sie
der einzige Mensch ist, mit dem ich je etwas ähnliches
wie eine richtige Beziehung gehabt habe?
"Keine Ahnung, Dana. Es war
irgendwas dazwischen. Vielleicht fünf oder sechs mal.
Ich weiß nicht."
"Warum hast du sie nicht
eingesperrt?"
"Weil sie eine Sklavin war,
Dana! Was zur Hölle hätte sie anstellen können?"
Sie nickt ein wenig, aber sagt
nichts. Sie könnte genauso gut eine Million Kilometer weit weg sein. Und ich
kann es einfach nicht mehr ertragen. Ich kann es einfach nicht.
"Verdammt Dana, warum bist
du so verflucht sauer auf mich?" frage ich mit einer Stimme, die lauter
ist, als ich beabsichtigt hatte. Allerdings nicht so laut wie ich gewollt
hätte. Mir ist nach Schreien zumute.
Sie gibt mir keine Antwort. Mit
dem Rücken zu mir steht sie einfach da und macht wahrscheinlich eine Liste in
ihrem Kopf. Gründe, warum ich dich nicht mehr ausstehen kann.
"Ich ... ich weiß
nicht..." sagt sie schließlich leise und ihre Schultern sacken nach unten. "Hast du...hast du sie geliebt?"
Oh mein Gott. Das ist grossartig. Das ist so verdammt perfekt, dass ich es kaum
fassen kann. Ich wünschte fast, dass es so gewesen wäre.
"Ich habe sie kaum
gekannt", sage ich ihr noch mal. "Sie ist mir in den Rücken
gefallen", füge ich dümmlich hinzu. Als wenn ich nicht sowieso schon wie
ein Waschlappen dastehe. Vielleicht sollte ich ihr gleich meine Eier auf einem
Silbertablett überreichen und es hinter mich bringen.
"Es...es tut mir leid. Ich
muss ins Bett gehen..."
Ich bin mir nicht sicher, ob sie
sich dafür entschuldigt, dass sie wütend auf mich war oder dafür, dass sie
schlafen gehen will. Ich bin mir nicht sicher, ob es bedeutet, dass es jetzt in
Ordnung ist, dass ich in meinem eigenen Bett schlafe.
"In Ordnung. Ich sehe dich
morgen früh."
Sie nickt und geht Richtung
Schlafzimmer, hört dann aber auf und räuspert sich. Willst du mir etwas sagen,
Dana? Irgendwas? Irgendeine Sache?
"Alex, du...du musst nicht
hier draußen schlafen."
Naja, ich nehme an, das ist
schon etwas. Nicht viel wenn man bedenkt, dass es meine Unterkunft ist, wenn
man bedenkt, wie verdammt erbärmlich ich bin, sie bestimmen zu lassen, wo ich
nachts schlafe und wo nicht.
"Wie du willst. Es ist
deine Entscheidung."
Sie dreht sich um und lächelt
ein sehr kleines, aber süsses Lächeln.
"Komm ins Bett, Alex."
Und das tue ich. Ich lege mich
neben sie mit weit geöffneten Augen und meinem Körper unbeweglich wie ein Brett
und ich bleibe sehr lange in diesem Zustand. Ich denke das
sie neben mir genauso wach ist, aber wir berühren uns nicht. Sie hat ihre
Schlafanzughosen an und ihr verdammtes grünes Shirt und ich trage meine
Boxershorts, weil ich befürchte, sie mit meiner Nacktheit zu beleidigen. Wir
sagen nichts weiter.
Und ich frage mich, ob ich
jemals wieder in der Lage sein werde, sie zu berühren, ohne die Worte in meinen
Ohren widerhallen zu hören.
Fass mich nicht an, Alex. Fass
mich nicht an.
Ende Kapitel 4
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 5
Der Raum war grau und
metallverkleidet und er schmeckte Blut in seinem Mund. Mahlende, krachende
Geräusche dröhnten in seinen Ohren und es hörte sich an, als wenn Knochen geschreddert würden. Es gab keine Türen und keine Fenster.
Nur endlose Reihen von leeren Metalliegen und der
Mann war dort, der Mann, der ihm erzählte, dass Krieg war und dass er auf der
richtigen Seite stand. Er tat es. Es musste einfach so sein.
Er trug einen Anzug, gestärkt
und kratzig. Blau und hässlich und billig und das erste Mal in wer weiß wie
langer Zeit einen Schlips.
Dana...Dana war dort. Dana aber
nicht Dana. Sie war Scully. Sie war Mulders Partner. Sie war dieses mollige
Mädchen aus dem Autopsiekeller. Sie war ein Problem. Sie war ein notwendiger
Verlust. Sie lag auf einer der Metallliegen, nackt, ihr Körper von einer
unnatürlichen Schwangerschaft aufgebläht, ihre Augen geöffnet, aber glasig.
Er stand zu ihren Füßen und
befahl ihr, ruhig und kalt, "Spreizen Sie Ihre Beine, Miss Scully."
Der Mann hinter ihm übergab ihm
ein Instrument, ein stählernes Gerät mit scharfen Spitzen und harten Kanten,
eine sich drehende, stechende Höllenmaschine. Er ließ es auf den Boden fallen
und benutzte lieber seine eigenen Hände.
Hände. Wieder zwei. Mehr von ihm
äußerlich gesehen, weniger im Inneren.
Ihr Knie bogen
sich und ihre Schenkel spreizten sich auseinander, enthüllten sie völlig vor
ihm und dem Mann, der neben ihm stand.
Er zögerte einen Moment,
erschrocken, unsicher. Wie kann das nur irgendwie richtig sein? Sein Vater....er verstand es nicht.
"Tu es, Alex",
flüsterte der Mann hinter ihm dringlich. Er nahm nicht an, dass er die Wahl
hatte.
Er hob beide Hände, vergrub sie
in ihrer unvorstellbar gedehnten, unvorstellbar weit geöffneten Vagina. Er
tastete innen herum, wühlte sich durch Blut und Körperflüssigkeiten, tief in
ihr, an dem Ort, der eigentlich mit Freude und Leben gefüllt seine sollte, der
aber jetzt voller Tod und Verwesung war, bis er es fühlte. Ein kleiner Fuß. Er
hielt ihn mit beiden Händen fest in seinem Griff und zog so stark er nur
konnte.
Sie sah zu ihm hinunter mit
einem leeren Blick des Unverständnisses. Sie hat bestimmt Schmerzen, dachte er,
aber sie schrie nicht. Das kleine Leben kam in seinen Händen heraus, blutig,
voller Schleim, aufgesperrter, schreiender Mund. Er zog noch heftiger,
versuchte das Ding von ihrem Körper zu trennen, aber die Nabelschnur war
endlos, klumpig und verknotet.
Er legte seine Hand um den Hals
des halbtoten, halb menschlichen Dings und als es immer noch atmete, zerschlug
er den Schädel auf dem Boden wie eine Eierschale, beobachtete, wie die grüne
Flüssigkeit auf die Fliesen lief und alles auf ihrem Weg verätzte.
Er zog an der Nabelschnur wie an
einem Seil beim Tauziehen und bald kam eine weitere Kreatur aus ihr heraus und
noch eine und noch eine und er schlachtete ohne Reue eine nach der anderen ab.
Die Geräusche und die Gerüche,
ekelerregend. Er hatte das Gefühl, als würde er sich jeden Moment davon
übergeben müssen, aber konnte sich nicht davon abhalten, die kleinen Monster
herauszuziehen.
Ihre Augen wurden
blutunterlaufen, geweitet und sie setzte sich hin, während er ihre Kinder
umbrachte und fragte ihn ruhig, "Warum Alex? Warum?"
Er konnte ihr nicht antworten,
weil er es nicht wusste.
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
"DANA!"
Ich wache schreiend und mich
herumwerfen in den feuchten und verknäulten Decken
auf. Allein.
"Dana?" rufe ich
wieder, mein Herz schlägt so schnell, dass ich kaum Luft holen kann. Sie ist
nicht hier. Mein Gott. Oh Gott.
Alptraum. Es war nur ein
Alptraum. Ein weiterer. Das war bis jetzt der schlimmste. Der absolut übelste.
Normalerweise basieren meine Alpträume auf Dingen, die ich ihr wirklich angetan
habe, Dinge, die ich gesehen habe, wie sie ihr angetan wurden. Aber dieser
hier....
Wo zum Teufel ist sie? Ich rolle
mich stöhnend auf die Seite und versuche den Schlaf und die Verwirrung aus
meinen Augen zu reiben. Dann sehe ich auf die Uhr.
Großartig. Es ist fast
Nachmittag. Ich muss im Morgengrauen eingeschlafen sein oder irgend so was
blödes. Das letzte woran ich mich erinnere, ist stundenlang wach neben ihr
gelegen zu haben nach diesem schrecklichen Gespräch über Marita und daran zu
denken, dass ich überhaupt nicht würde einschlafen können. Ich nehme an, ich
habe mich geirrt.
Ich rolle mich aus dem Bett und
laufe ins Badezimmer um zu duschen und mich zu rasieren und dann fällt mir das
verdammte Meeting ein. Es hätte vor einer dreiviertel Stunde anfangen sollen.
All die Komitee Vorstände, ich, Scully und Mulder sollten darüber diskutieren,
welche Aufgaben Mulder zugeteilt werden sollten, jetzt da er sich entschieden
hat hier zu bleiben. Ich war drauf und dran ihn dazu einzuteilen, den Müll rauszutragen,
aber ich bin spät dran und sie haben wahrscheinlich ohne mich angefangen.
Warum zum Teufel hat sie mich
nicht geweckt?
Ich putze mir schnell die Zähne,
ziehe mir etwas an, lasse die Dusche und versuche den Schweiß zu ignorieren,
der von der unruhigen Nacht an mir klebt. Das Meeting ist wichtiger, als
frühlingsfrisch zu sein.
Ich beeile mich so schnell wie
möglich nach Patterson zu kommen, abgelenkt aber immer noch verfolgt von den
Bildern aus diesem Traum. Als ich das Gebäude betrete und Dana sehe, die gerade
auf dem Flur vor dem Konferenzraum mit Roseanne redet, muss ich mich
zurückhalten, nicht auf sie zu zu rennen und sie an
mich zu drücken.
Stattdessen laufe ich ruhig zu
ihnen, versuche die Erleichterung darüber, sie völlig gesund zu sehen, nicht zu
zeigen. Immerhin bin ich noch irgendwie sauer auf sie.
Als Roseanne mich kommen sieht,
verschwindet sie wieder im Raum und berührt Dana kurz an der Schulter bevor sie
geht.
"Warum hast du mich nicht
geweckt?" frage ich sie, mehr außer Puste, als mir bewusst war.
"Ich bin um sechs ins Labor
gegangen. Du hast endlich geschlafen, also habe ich mir gedacht ich lasse dich
schlafen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass du bis Nachmittag im Koma
liegen würdest", sagt sie leise mit einem Lächeln. Sie hält eine
Schreibunterlage gegen ihre Brust und schaukelt mit einem schüchternen
Gesichtsausdruck ein wenig auf ihren Fersen hin und her. Ich weiß nicht so
recht, was ich davon halten soll.
"Nun gut, was habe ich
verpasst? Es ist noch nicht vorbei, oder?"
"Nein, wir haben noch gar
nicht angefangen. Alle warten auf dich."
"Oh...gut, danke. Danke für's Warten."
"Alex, warum sollten wir
das nicht tun?" fragt sie mit so viel Zärtlichkeit in der Stimme, dass ich
mich nach besseren Zeiten sehne. Einer Zeit in der ich mich wohl dabei gefühlt
hätte, sie genau hier und jetzt zu küssen, sie gegen die Wand zu drücken und
ihre Wärme zu teilen. Dann greift sie unter ihre Schreibunterlage und holt ein
kleines, gefaltetes Stück Papier hervor. Sie gibt es mir und lächelt wieder.
Dann dreht sie sich um und geht in den Konferenzraum zurück.
Ich falte den Zettel auseinander
und starre auf die Worte, nicht ganz sicher, ob sie auch wirklich dort stehen.
Alex,
Es ist Dienstag...
Um zehn?
Ist das ein Witz? Sie würde
nicht so grausam sein, oder? Ich nehme an, dass ich das nur herausfinden werde,
wenn ich heute Abend dort hingehe und es mir selbst ansehe.
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Das muss ich Krycek
zugestehen. Der kleine Bastard hat sich hier ein nettes Plätzchen geschaffen.
Okay, er hat ihn nicht gebaut oder so, aber trotzdem, er führt ihn ziemlich
gut. Sicher nicht der blanke Luxus, was das Materielle anbetrifft, aber ich
habe mich in den letzten Wochen wohler gefühlt, als jemals in der Kolonie.
Ich habe ordentlich gegessen und
gut geschlafen. Die Leute hier sind nett und freundlich zu mir. Es gibt eine
überdachte Laufstrecke, auf der ich joggen kann und ich mache gerade
Dehnungsübungen, um genau das zu tun. Und das beste
von allem ist natürlich Scully.
Ich denke, sie hat mir
verziehen. Sie ist immer besser mit mir klargekommen seit diesem ersten Tag und
erzählte mir, was sie die ganze Zeit getan hat, worum es dieser Gruppe geht.
Ich bin immer noch nicht ganz mit deren Taktik einverstanden, aber ich beginne
zu verstehen, warum sie hier bleibt. Es scheint immer mehr die beste aller
schlimmen Möglichkeiten zu sein.
Mein größtes Problem bis jetzt
ist wirklich die Langeweile. Ohne eine richtige Beschäftigung und ein Ziel
fange ich an verrückt zu werden. Scullys Besuche sind der Lichtblick in meinem
Tagesablauf, aber ich sehe sie nicht so häufig, wie ich gerne möchte. Aber das
wird sich jetzt ändern. Auf Grund dessen, was wir bei dem heutigen Meeting
beschlossen haben, werde ich sie in Zukunft sehr viel häufiger sehen.
Es war meine Idee. Scully hat
mir von ihrer Arbeit erzählt, ihrer Suche nach einer Heilung für den Krebs, der
droht wieder in ihren Körper und in die der anderen Frauen hier zurückzukehren.
Ich wurde daran erinnert, wie es für mich war, sie vor so vielen Jahren beinahe
dieser Krankheit erliegen zu sehen und warum ich eigentlich diesem blöden
Handel zugestimmt hatte. Nämlich deswegen, damit ich das nie wieder sehen muss.
Ich würde alles tun, alles, um sie davor zu bewahren, das noch mal durchmachen
zu müssen. Sie fragte mich, ob ich irgendwas über das Heilmittel wüsste, aber
alles was ich weiß ist, dass es eines gibt. Und das der Umwandlungsprozess die
Umgewandelten immun macht.
Also habe ich heute, als die
Frage danach aufkam, zu welcher Tätigkeit ich am besten geeignet wäre,
vorgeschlagen, dass ich vielleicht als Versuchskaninchen sehr nützlich sein
könnte. Scullys Versuchskaninchen. Ich bin der einzige, den sie haben, der den
Umwandlungsprozess durchgemacht hat und die Antwort auf die Fragen die sie
stellt, ist in meinem Körper, in meinem Blut. Dessen bin ich mir sicher.
Scully stimmte mir zu, genau wie
jeder andere. Außer Krycek. Er dachte ich sollte
etwas machen, was mehr in Richtung harter Arbeit geht.
Wahrscheinlich wollte er, dass ich seinen Müll rausbringe
oder so was. Aber nach dem Scully feststellte, dass das vielleicht die einzige
Hoffnung wäre, die sie hat, sah er mich böse an und fügte sich. Es ist mir
ausreichend klar geworden, dass er sehr starke Gefühle für sie hat, auch wenn
ich bis jetzt die Natur dieser Gefühle nicht so genau bestimmen konnte. Was es
auch immer für Gefühle sind, sie bestimmen sein Handeln. Sie nicht krank werden
zu lassen war ihm wichtiger, als seine Wut auf mich.
Gelinde gesagt, überrascht mich
das. Nicht, dass er sich nach all der Zeit Sorgen um sie macht. Welcher
einigermaßen normale Mensch könnte eine Weile mit Scully zusammen sein und sich
nicht um sie Sorgen machen? Was mich schockiert ist die Tatsache, dass er sich
genug Sorgen macht, um ihre Interessen über seine eigenen zu stellen. Es
schockiert mich und es macht mich nervös, weil ich nicht aufhören kann mich zu
fragen, was er wirklich im Schilde führt. Ich nehme ihm sein selbstloses
Handeln einfach nicht ab. Nicht bei ihm.
Andererseits spielt es keine
Rolle. Scully und ich können damit umgehen, egal welchen Unsinn er auch
versucht. Wir werden stärker sein als je zuvor.
Nun gut, ich weiß, dass wir noch
einen langen Weg vor uns haben. Sie ist immer noch ein bisschen distanziert und
verschlossen mir gegenüber. Mann, sie hat mir noch immer nicht erzählt, wo sie
wohnt. Ich denke sie befürchtet, dass ich nachts um zwei in ihrer Wohnung
auftauchen könnte, so wie ich es früher getan habe, verzweifelt und nach Hilfe
suchend. Nicht diesmal, Scully. Diesmal wird es anders sein. Besser.
Alles klar, noch eine Kniebeuge
und es kann losgehen. Aber gerade, als ich loslaufen will, gehen alle Lichter
im Gebäude aus. Ich nehme an es ist eine dieser stromlosen Stunden. So wie es
aussieht stellen sie im Winter für einige Stunden pro Woche den Strom und die
Heizung aus. Scully hat mir aber den Zeitplan gegeben und ich kann mich nicht
entsinnen, dass heute einer dieser Tage gewesen ist.
Als sich meine Augen an die
Dunkelheit in der Sporthalle gewöhnt haben, bemerke ich, dass von irgendwoher
Licht kommt. Von unten. Ich gehe zum Rand der Laufstrecke und schaue über das
Geländer nach unten zu dem innenliegenden
Swimmingpool. Das Wasser leuchtet.
Und dann sehe ich sie.
Sie hat wahrscheinlich alle
Lichter ausgeschaltet bis auf das im Pool. Sie trägt einen Badeanzug. Einen
schwarzen mit einem Reißverschluss vorn. Er sieht so aus, als wenn er zwanzig
Jahre alt wäre. Und so sieht auch sie aus. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft
hat, bei all dem Mist, den sie durchmachen musste, ein so jugendliches Äußeres
zu behalten. Aber ich könnte schwören, dass sie jünger als je zuvor aussieht.
Und schöner.
Sie läuft um den Pool herum und
als sie die tiefe Seite erreicht, springt sie graziös ins Wasser. Sie fängt an,
Bahnen zu schwimmen, hin und her, und ich bin etwas unschlüssig. Sollte ich
etwas sagen? Dort hinuntergehen? Oder einfach im Schatten stehen und mich an
ihrem Anblick weiden? Sie scheint diesen privaten Moment der Ruhe zu genießen
und ich möchte sie nicht stören, aber ich komme mir auch ein bisschen daneben
vor, sie zu beobachten, ohne auf mich aufmerksam zu machen. Natürlich könnte
ich auch einfach gehen.
Ja sicher.
Es ist keine durchweg
willentliche Entscheidung meinerseits, aber ich beobachte sie schließlich,
spioniere, wie ich annehme.
Meine Beine wollen mich einfach
nicht dort hinuntertragen und meine Kehle will nicht die Wort formen, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Sie ist
einfach so erstaunlich.
Und dann sehe ich ihn.
Ich erkenne ihn an der Art, wie
er in Richtung des Poolrandes läuft, ganz in Schwarz wie immer. Er sieht so
fremd aus mit seinen Stiefeln und seinem Koppel und seinem Gehabe in dieser
mutterleibsähnlichen Atmosphäre der Stille, die Scully geschaffen hat. Und er
beobachtet sie. Ich beobachte, wie er sie beobachtet. Und ich warte.
Nach ungefähr vier weiteren
Runden doppelten Voyeurismus hört Scully auf zu
schwimmen und stellt sich im flachen Teil des Pools hin. Als sie Krycek sieht, der dort wie ein Psychophat
herumlungert, zuckt sie ein wenig zusammen und mein Herz beginnt ein wenig
schneller zu schlagen. Was macht er hier überhaupt?
"Wie lange hast du schon
hier gestanden?" fragt sie, fährt mit den Fingern durch ihr Haar und atmet
heftig.
"Seit vier Bahnen."
"Warum hast du nichts
gesagt, Alex?"
"Ich wollte dich nicht
stören", sagt er in einem frechen und sarkastischen Tonfall. Es ist ein
bisschen schwierig, ihren Gesichtsausdruck von hier oben zu erkennen, aber sie
sieht völlig erstaunt über seinen Kommentar oder den Tonfall aus. Oder auch
über beides.
Etwas sehr eigenartiges passiert
hier. Etwas das anfängt, mir Angst zu machen. Die Art, wie er sich ihr
gegenüber verhält...es ist beinah, als hätte er irgendeine kranke Fixierung auf
sie oder so was.
"Mich stören? Alex, ich
habe dich gebeten herzukommen."
Ihre Stimme ist weich und lieb.
Ihn gebeten herzukommen?
"Ich weiß. Wozu?"
Die Frage wollte ich auch gerade
stellen, Krycek. Arbeit? Vielleicht muss sie
irgendwas mit ihm klären wegen des heutigen Meetings? Sie senkt ihren Kopf und
fährt mit den Fingern über die Wasseroberfläche.
"Was denkst du, Alex?"
flüstert sie, aber die Akustik hier führt dazu, dass ihre Worte von den Wänden
zurückgeworfen werden und in meinen Ohren widerhallen. Ich sollte gehen. Das
ist etwas persönliches, etwas, das ich nicht beobachten sollte. Es hat nichts
mit Arbeit zu tun. Scully spricht nicht in diesem Ton von Arbeit. Um genau zu
sein, ich weiß nicht, ob ich jemals gehört habe, dass Scully ihn benutzt hat.
Ich sollte gehen. Aber ich kann nicht. Ich kann nicht.
"Ich habe ehrlich keine
Ahnung, Dana."
"Alex..."
Mein Gott, ich kann mich immer
noch nicht daran gewöhnen, dass sie ihn so nennt. Oder dass er sie Dana nennt.
"Dana, ich weiß wirklich
nicht mehr, was du von mir willst, also wirst du etwa konkreter werden müssen,
wenn du nicht willst, dass ich es verderbe."
Sie reißt ihren Kopf nach oben
und schaut ihn mit einem herzzerreißend traurigen Gesichtsausdruck an. Sie
sieht total verwundbar aus, halbnackt und tropfnass, wie sie zulässt, dass er
da steht und diese Dinge zu ihr sagt. Ich habe sie noch nie so verwundbar
gesehen.
Dann läuft sie zu den Treppen,
die in den Pool führen und setzt sich auf die erste Stufe, so dass die Hälfte
ihres Körpers an der Luft ist.
"Okay. Was ist nicht in
Ordnung?" fragt sie und er lacht kurz.
"Wo soll ich
anfangen?"
"Irgendwo. Ich möchte nur
wissen, was du denkst. Ich möchte...ich möchte, dass wir die Probleme beim
Namen nennen und sie lösen."
Verdammt, Krycek.
Was immer dein blödes Problem ist, komme darüber hinweg. Kannst du nicht sehen,
wie sehr es ihr zu schaffen macht?
"Gut, in Ordnung. Hast du
es Mulder schon gesagt?"
Es Mulder schon gesagt? Sie
senkt ihren Kopf und seufzt und ich habe den Eindruck, sie hat es mir noch
nicht gesagt. Ich beginne zu glauben, dass sie mir eine ganze Menge Dinge noch
nicht gesagt hat.
"Noch...noch nicht.
Ich..."
"Das ist eins."
"Ich hatte keine ... keine
Zeit. Ich werde es tun, Alex. Ich werde es tun."
"Du hast das vor zwei
Wochen gesagt, Dana. Und ich habe gesagt in Ordnung. Aber es wird langsam
lächerlich. Es ist nicht fair. Zu keinem von uns."
Sie drückt ihre Knie an ihre
Brust und schaudert, da jetzt beinahe ihr ganzer Körper nicht mehr im Wasser
ist. Mein Magen dreht sich um und mir wird schlecht. Oh Scully. Was tust du da?
"Ich...ich weiß. Ich werde
es ihm sagen. Morgen. Ich verspreche es."
Zu spät, Scully. Verdammt zu
spät.
"Alles klar,
du hast vorhin Zeit erwähnt. Du hattest nicht die ‚Zeit', es ihm zu sagen. Was
hast du mit all deiner Zeit gemacht, Dana? Weil du sie auf jeden Fall nicht mit
mir verbracht hast."
Sie treibt es mit ihm. Oh Gott.
Sie treibt es mit ihm. Wie konnte mir das bloß entgehen? Wie konnte ich nur so
lange brauchen, die Hinweise richtig zu deuten?
"Ich habe gearbeitet, Alex.
Habe mich um kranke Kinder gekümmert und die Nächte im
Labor verbracht. Versucht, ein Krebsheilmittel zu finden. Mal ganz abgesehen
von dem Widerstands Koordinations Komitee, für das du
mich verantwortlich gemacht hast. Und um Himmels Willen, Alex, du bist nicht
öfter zu Hause als ich."
Zu Hause? So wie ihr Zuhause und
sein Zuhause? Nein, das ist unmöglich. Sie hätte es mir gesagt, wenn sie
zusammenleben würden.
Scheiße.
"Möglich. Aber, Dana, wenn
wir doch mal zusammen zu Hause sind..."
Zusammen. Zusammen zu Hause.
Mein Gott, Scully. Mein Gott.
"Naja, wenn wir in letzter
Zeit zusammen sind scheinen die vier kleinen Worte von gestern Abend das Gesetz
des Handelns zu sein."
"Vier kleine Worte?
Alex...was..."
"Fass. Mich. Nicht.
An", bringt er böse hervor, die Arme über der Brust verschränkt.
Alles klar, also, sie haben es
miteinander getrieben. Sie hat es mir nicht gesagt und das ist Mist, aber
vielleicht...vielleicht will sie es beenden. Vielleicht ist er deswegen so
wütend. Vielleicht hat sie sich nicht die Mühe gemacht, es mir zu sagen, weil
es keine große Sache ist und sie es einfach beenden will, so dass wir zusammensein können. Vielleicht...
"Oh Alex", seufzt sie,
steht auf, steigt aus dem Pool und läuft auf ihn zu.
"Und obwohl du es
eigentlich nur ein Mal gesagt hast, strahlst du diese Einstellung schon seit
zwei Wochen aus. Also wirst du sicher verstehen, dass ich ein bisschen verwirrt
darüber bin, was du im Moment wohl von mir wollen könntest."
"Alex, es ... es tut mir
Leid, dass ich das gesagt habe. Und es tut mir Leid, dass wir uns nicht genug
Zeit genommen haben. Ich war gestern Abend so wütend und verwirrt und ich hatte
das Gefühl ... ich weiß nicht, ich hatte einfach das Gefühl, dass du etwas vor
mir verbirgst."
Er hockt sich hin und hebt eines
der Handtücher auf, die sie mitgebracht hat und legt es um ihre Schultern. Zu
sehen, wie er sie berührt, weckt in mir das Bedürfnis, mich zu übergeben.
"Alex, ich konnte einfach
nicht verstehen, warum du so etwas Dummes tust. Und das auch noch allein. Ich
meine, ich kann verstehen, warum du derjenige sein wolltest, aber warum hast du
mich nicht gebeten, dir zu helfen? Ich hätte dir geholfen. Ich hatte das
Gefühl, du würdest mich absichtlich ausschließen."
"Ich habe nur...ich habe
mich nicht wohl dabei gefühlt, dich um Hilfe zu bitten, Dana."
"Aber warum? Weil du was
mit ihr hattest?"
Sie nähert sich ihm. Sie ist ihm so nah. Ich glaube nicht mehr daran, dass sie mit ihm
Schluss machen will.
"Nein, Dana, es hatte
nichts mit ihr zu tun. Es hat...es hat mit uns zu tun. Mit dir und mir. Ich
habe das Gefühl...ich habe nicht das Gefühl..."
Er fährt sich mit der Hand durch
die Haare und sieht zu Boden. Traurig. Er sieht traurig aus. Oder zumindestens betrübter, als ich ihn je gesehen habe.
Vielleicht will er mit ihr Schluss machen. Vielleicht...
"Alex?"
"Mein Gott, Dana. Du bist
mir gegenüber in letzter Zeit so verschlossen. Ich habe das Gefühl, ich kann
noch nicht mal mehr mit dir reden."
"Aber Alex das kannst du.
Ich möchte, dass du das tust."
Sie berührt seinen Arm und fährt
mit der Hand nach unten, um seine Hand in ihre zu nehmen. Warum bin ich immer
noch hier? Oh Gott, ich denke wirklich, dass es mir gleich hochkommt. Wie kann
das passieren? Ich warte darauf, dass es aufhört, aber das tut es nicht.
"Ich vermisse dich, Alex.
Ich vermisse es, mit dir zu reden, ich vermisse...alles."
"Oh Gott, Djewotschka, ich vermisse dich auch", krächzt er.
Dje was? Nein, ich will's lieber gar nicht
wissen.
"Alex, lass uns...lass uns
einfach heute Abend zusammen sein. Lass uns die letzten zwei Wochen vergessen
und wieder von vorn anfangen."
Ich verstehe das nicht. Das kann
nicht Scully sein. Vielleicht ist sie ein Klon. Vielleicht setzt er sie unter
Drogen. Vielleicht...
Oh mein Gott, er küsst sie. Er
hat seine Hand an ihrem Hinterkopf und seine Zunge in ihrem Mund und beide
stöhnen und klammern sich aneinander und ich kann nicht hinsehen, aber ich kann
auch nicht wegsehen. Der blöde, widerwärtige Kuss scheint Ewigkeiten zu dauern
und jedes Geräusch, das sie machen, jedes Seufzen und jedes Schmatzen und der
Klang ihres nassen Badeanzugs, der gegen seine Lederjacke klatscht, all das
hallt durch den Raum und durch meinen Kopf. Es ist die lauteste beschissene
Sache, die ich je gehört habe.
Mein Gott, Scully, wie konntest
du? Wie konntest du mir das antun? Uns? Wir waren dem hier so nahe. Das sollte
ich sein, der dich küsst. Ich.
Schließlich löst sie sich von
ihm und geht zum Rand des Pools während sie an seiner Hand zieht.
"Komm ins Wasser mit mir,
Alex."
Sie lässt seine Hand los und
geht wieder in den flachen Teil des Pools zurück. Dann fängt sie an, den
Reißverschluss ihres Badeanzuges zu öffnen.
Ich muss gehen. Bitte lieber
Gott, mach das ich gehe. Ich kann nicht hier stehen
und zusehen, wie sie sich für ihn auszieht.
"Dana..."
"Kommst du nicht?"
"Dana, bist...bist du sicher?
Weil wenn nicht ich...ich meine ich kann das wirklich nicht mehr
ertragen", bringt er atemlos heraus. Jaa, armer
Junge. Zwei Wochen sind wirklich eine verdammt lange Zeit. Verdammtes
Arschloch.
"Ich bin mir sicher, Alex.
Ich bin mir so sicher, dass es wehtut", säuselt sie mit einer Stimme, von
der ich eigentlich dachte, dass sie nur Pornostars und Telefonsexmiezen
tatsächlich benutzen. Dann kreuzt sie die Arme über ihrer Brust und zieht die
Träger ihres Badeanzuges nach unten.
Ich versuche wegzusehen, aber...
Mann, sie ist so verdammt schön.
Ich kann das nicht ertragen. Ich kann es nicht. Wie kann das nur passieren? Wie
kann das fair sein?
"Vorsicht, es ist sehr ...
sehr nass", sagt sie und wirft ihren abgelegten Anzug aus dem Pool und auf
seine Stiefel. Ich sehe das erste Mal seit langen wieder zu ihm. Er hat schon
seine Jacke ausgezogen und kämpft mit seinem Hemd. Er bewegt sich so schnell
und rasend, er sieht aus, als würde er jeden Moment umfallen.
Sie lacht, als sie seine
verzweifelten Bemühungen beobachtet, sich so schnell wie möglich völlig
auszuziehen.
"Lass die Zeit, Tschiwodnoje", kichert sie. Tschiwodnoje.
Klingt wie Russisch. Ich möchte wissen, was das heißt. Ich frage mich, ob es
Bastard heißt. Ich frage mich, ob es hinterhältiger, verlogener, mordender, veräterischer Hurensohn heißt.
"Du lachst mich aus Frau?
Hast du eine Ahnung wie das ist, zwei Wochen lang blaue Eier zu haben?"
"Nein, das habe ich nicht,
Alex. Warum erzählst du es mir nicht? Sag mir, wie sehr du das willst. Sag mir,
wie sehr du das brauchst", murmelt sie wieder in dieser...dieser Stimme.
Sie lässt sich auf ihren Rücken fallen, so dass sie im Wasser treibt. So, dass
ihre Brüste aus dem Wasser zeigen, in die Dunkelheit, dorthin, wo ich stehe.
Ich fühle wie mein Schwanz als Antwort darauf steif wird, ungeachtet dessen,
was in meinem Kopf vorgeht und was von meinem Herzen übrig ist.
Ich kann sie nicht mehr ansehen,
aber wenn ich ihn ansehen wird mir noch übler. Er ist
jetzt nackt und genauso hart wie ich für sie. Und er sieht sie an wie ein
verdammtes Raubtier, dass seine Beute verschlingen will.
Sie wird es wirklich zulassen,
dass er sie vögelt.
Vielleicht ist es ein Abschied.
Vielleicht ist es nur ein letztes Mal, bevor sie ihn sitzenlässt und zu mir
zurückkehrt. Vielleicht...
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Ende Kapitel 5
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 6
Mein Gott, ist es erst zwei
Wochen her? Es scheint mir eine Ewigkeit gewesen zu sein.
Eine Ewigkeit, seit dem ich ihn
so gesehen habe. Nackt, oh ich habe ihn oft nackt gesehen. Es ist schwierig,
das nicht zu tun, wenn man mit jemandem in einem Wohnheimzimmer zusammen lebt.
Aber nackt und glühend und erregt und lächelnd...endlich lächelnd, das ist
etwas ganz anderes. Etwas, das ich mehr vermisst habe, als mir bewusst war.
"Alex..."
Ich kann kaum sprechen. Ich bin
tatsächlich sprachlos.
"Oh Gott, Djewotschka, ich wäre vor Verlangen nach dir fast verrückt
geworden. Ich konnte an nichts anderes denken."
Er setzt sich auf die Treppe und
winkt mich zu sich. Als ich dort hin geschwommen bin, greift er nach mir und
zieht mich auf seinen Schoß. Ich erwarte, vollständig von ihm überwältigt zu
werden, aber er hält mich einfach gegen seine Brust gedrückt und wiegt mich auf
seinen Oberschenkeln.
"Ich vermisse dich",
flüstert er in meine nasse Haare und ich schlinge
meine Arme um seinen Hals.
"Ich vermisse dich auch,
Alex."
Mein Gott, ich vermisse ihn so
sehr. Es fühlt sich wunderbar an, ihm so nahe zu sein. Ich kann es nicht
fassen, dass ich mir das so lange verweigert habe, dass ich mich ihm so lange
verweigert habe.
Ich wende mich ihm zu, um ihn zu
küssen und seine Zunge füllt sacht meinen Mund und sendet ein Beben durch
meinen Körper, wie nichts anderes das je vermocht hätte. Wie konnte ich ihm nur
sagen, er solle mich nicht anfassen? Egal wie wütend ich auch war, es war
schrecklich und idiotisch, das zu sagen. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er
mich niemals wieder berühren würde.
"Mmmtut
mir Leid, Alex", flüstere ich in sein Ohr und er zieht mich näher an sich
heran. "Es tut mir so Leid, dass ich gesagt habe...was ich gesagt habe.
Ich hätte das nicht tun sollen."
"Ist schon okay. Es war
nicht leicht für dich in letzter Zeit."
"Aber trotzdem. Ich hätte
es einfach nicht sagen sollen. Punkt."
Ich denke mir war nicht klar,
wie es auf ihn wirken würde. Mir war nicht klar, dass er es sich so zu Herzen
nehmen würde. Das war wirklich, wirklich blöd von mir.
"Ist schon okay. Nur...sag
es einfach nicht noch mal, okay?"
Mein Gott, er klingt genau wie
ein kleiner Junge. Es erstaunt mich manchmal immer noch, wie verwundbar er
wird, wenn er mit mir zusammen ist. Es zerreißt mir das Herz in viele
eigenartige Stücke.
"Niemals", verspreche
ich ihm mit einem weiteren Kuss. "Niemals wieder."
Ich will ihn so sehr. Ich halte
es nicht aus. Ich will ihn einfach.
"Lass uns jetzt von vorn
anfangen, Alex."
Ich drehe mich auf seinem Schoß
um, klettere auf ihn drauf und setze mich rittlings auf ihn, genieße das Gefühl
seines Schwanzes, der unter Wasser gegen mich gedrückt wird. Ich beuge mich zu
ihm und fange an, die Seite seines Halses zu lecken und zu beißen und bemerke
wie ich mich beinahe unbewusst im Rhythmus gegen ihn wiege. Ich denke ich bin
so weit, dass ich ihn gleich jetzt in mich aufnehmen könnte.
Aber er zieht sich von mir
zurück. Er scheint nicht so verzweifelt wie ich zu sein. Vielleicht hat er
immer noch Angst, wegen der Art, wie ich ihn zurückgewiesen habe.
"Mmm
Dana..."
"Hmm?"
Ich nehme seine Hand in meine
und lasse sie lüstern an meinem Körper hoch und runter gleiten, um ihn zu
ermutigen, um ihn zu zeigen, wie sehr ich seine Berührung will.
"Was brauchst du,
Alex"" frage ich, ziehe seine Finger wieder zu meinem Mund und nehme
seinen Zeigefinger zwischen meine Lippen. Ich sauge gierig an ihm, erregt von
der Art, wie er meine Show anstarrt, mit großen Augen und offenem Mund.
"Ich...äh..."
Er schluckt und schließt seine
Augen. Was immer es ist, es muss gut sein. Ich habe noch nie gesehen, dass er
so verlegen ausgesehen hat, mich um etwas Derartiges zu bitten.
"Ich wollte nur...kann ich
dich einen Augenblick im Arm halten?"
"Halten...äh...sssicher. Ja ja. Okay."
Ich bin einen Moment lang
ernüchtert, aber versuche wirklich angestrengt, meine Enttäuschung nicht zu
zeigen. Es ist wirklich süß und ich liebe es, von ihm im Arm gehalten zu
werden. Es ist nur, naja, ich nehme an ich warte ein
bisschen ungeduldig auf das Hauptereignis des heutigen Abends.
Ich atme tief durch und setze
mich wieder mit geschlossenen Beinen auf seine Schoß und er zieht mich gegen
seine Brust.
"Ist das in Ordnung?"
fragt er, während er mich immer fester drückt.
"Ja ja.
Ja, das ist nett."
Es ist nett, aber er fängt an,
mich zu zerdrücken. Ich versuche, mich zu entspannen und auf seinen Herzschlag
an meinem Ohr zu lauschen. Es schlägt so schnell. Und ich beginne
Schwierigkeiten mit meiner Atmung zu bekommen.
Ich lasse zu, dass er mich ein
paar weitere Minuten in seinem Todesgriff hält, aus Angst davor ihm zu sagen,
dass ich bald ersticken werde und ich genieße die Nähe tatsächlich, trotz
allem. Aber nach nicht allzu langer Zeit fühle ich, wie sich mein Brustkorb
verkrampft und fange an, mir um körperliche Schäden Sorgen zu machen. Tod durch
Alex Umarmung.
Ich räuspere mich und huste ein
wenig, aber er scheint es nicht zu bemerken. Er quetscht mich immer noch fast
zu Tode und atmet schwer über meinem Kopf.
"Äh, Alex..."
"Hmm?
Oh. Oh Gott, entschuldige", stammelt er und lockert seinen Griff spürbar.
"Ich hatte nicht die Absicht, dich zu erwürgen."
"Ist in Ordnung",
seufze ich und kuschle mich an ihn. Wir sitzen eine Weile wortlos da, hängen
aneinander und genießen das Gefühl und ich bin dankbar, mit jemandem zusammen
zu sein, der so wunderbar ist. Das war eine sehr gute Idee.
"Mein Gott, Dana, ich fühle
mich so eigenartig. Das ist alles so eigenartig."
Darüber muss ich lachen. Es gibt
nichts an diesem Leben, was *nicht* eigenartig ist.
"Ich meine dieses ganze
vergangene Jahr war für mich eigenartig", fährt er fort und mir fällt
plötzlich ein, dass gestern unser Jahrestag gewesen ist. Vor einem Jahr haben
wir uns das erste Mal geliebt. Ich kann es nicht fassen, dass wir diesen Tag
auf so furchtbare Weise verbracht haben. Gott sei Dank machen wir das jetzt
wieder gut.
"Ich meine ich...ich habe
nie erwartet, dass mir so was passieren würde, Dana."
"Naja, ich hätte es auch
nicht erwartet. Aber ich bin froh, dass es passiert ist. So froh."
Ich fange wieder damit an,
seinen Hals zu küssen, unfähig, dagegen anzukämpfen und versuche mich auf
diesen speziellen Teil seines Körpers zu konzentrieren um mich davon
abzuhalten, nach seinem Schwanz zu greifen.
"Ich weiß nur manchmal
nicht, was ich mit mir anfangen soll", spricht er weiter, anscheinend
unbeeindruckt von meinen Bemühungen. "Ich nehme an, dass ich manchmal das
Gefühl habe, wenn ich dich nur fest genug an mich drücke, würde ich dich nicht
verlieren."
Ich höre mit dem was ich tue
auf, setze mich zurück und sehe in seine Augen.
"Alex, ich will dich auch
nicht verlieren. Glaubst du das nicht?"
Er antwortet mir nicht, was mir
einen ziemlichen Schrecken einjagt. War ich so zurückhaltend? So kühl? Oder ist
er etwa viel unsicherer, als ich es mir je hätte träumen lassen?
"Ich hoffe nur, dass du
niemals das Gefühl hast, du *musst* bei mir bleiben", sagt er leise, fast
so, als wollte er nicht, dass ich es höre. Ich weiß nicht, wie er darauf kommt,
dass ich mich jemals dazu verpflichtet fühlen könnte, seine Geliebte zu sein.
Weil er mein Leben gerettet hat? Weil ich es ihm schulde? Ich kann nicht
glauben, dass er das je in Erwägung ziehen würde.
Oder ist es noch etwas viel
schlimmeres? Etwas, das er nie sagen würde. Denkt er, ich habe Angst vor ihm?
Dass ich um mein Leben fürchte, wenn ich ihn verlasse?
Ich wende mich ihm zu und nehme
sein Gesicht in meine Hände, drücke seine Wangen mit meinen Handflächen
zusammen.
"Alex, das betrifft uns
alle beide. Okay?"
Er zuckt mit den Schultern und
ich lache fast laut auf, weil er so ein erbärmliches Bild abgibt mit seinem zusammengeknautschten, stirnrunzelnden
Gesicht.
"Und das ist es, was du
willst?" fragt er mit seinem Fischmund und dieses Mal lache ich.
"Ja! Alex, ja. Ich will
das. Ich will dich."
Ich betone diese Erklärung mit
einem weiteren Kuss, aber als ich mich wieder zurückziehe hat er immer noch diese skeptischen Ausdruck auf seinem Gesicht.
"Sieh mal, Alex, ich werde
dir was sagen. Wenn es mir mies gehen sollte, dann kannst du mich
rausschmeißen, okay? Auf diese Weise liegt es ganz bei dir."
"Naja, das ist eine
ziemlich große Verantwortung. Wie werde ich das wissen?"
"Du denkst nicht, dass du
mich gut genug kennst, um zu wissen, wann es mir mies geht?"
"Keine Ahnung, Dana. Für
mich sah es so aus, als wenn es dir in den letzten zwei Wochen ziemlich mies
ging."
"Das lag nicht an dir,
Alex."
"Aber..."
"Alex. Hör mir zu. Ich will
nicht gehen. Ich will niemals gehen."
Er öffnet seinen Mund, um einen
weiteren Protest loszuwerden, aber ich unterbreche ihn mit einem Kuss.
Hauptsächlich deswegen, weil ich ihn küssen will, aber teilweise auch deshalb,
weil ich möchte, dass er jetzt aufhört zu reden. Ich möchte einfach all das
vergessen und wieder so sein, wie wir früher waren. Nur für eine Nacht.
"Das ist alles einfach
eigenartig für mich, Dana", sagt er wieder, als wir uns trennen. "Ich
war noch nie..."
Er hört von selbst damit auf,
diesen Gedanken zu Ende zu bringen und das macht mich unaussprechlich traurig.
Er fängt an das Gefühl zu haben, als könnte er es nicht mehr sagen.
Wahrscheinlich wegen meiner nicht vorhandenen Reaktion. Manchmal weiß ich nicht,
was mit mir nicht in Ordnung ist. Warum muss das alles so verwirrend sein?
"Ich habe noch niemals so
gefühlt. Und ich weiß wirklich nicht, wie das sein sollte. Was ich tun
sollte..."
"Du machst das ganz prima,
Alex", flüstere ich in sein Ohr und er schaudert ein wenig. Ob es ein Reaktion auf den verführerischen Tonfall ist, den ich
versuche zustande zu bringen oder die Tatsache, dass sein halber Oberkörper aus
dem Wasser schaut kann ich nicht genau sagen.
"Mein Gott, Dana. Es tut
mir so Leid. Ich weiß nicht, was mit mir nicht in Ordnung ist."
"Mit dir ist alles in
Ordnung."
Ich fahre mit meiner Hand über
seine glatte, harte Brust und weiter hinunter über seine dicken, muskulösen
Oberschenkel. Nö, alles in Ordnung hier.
"Du bist perfekt, Alex.
Perfekt."
Er lächelt das erste Mal seit
einer langen Zeit, besänftigt von meiner ehrlichen aber völlig schamlosen
Schmeichelei. Naja, es hat doch funktioniert, oder?
"Das sag ich ja
immer", sagt er grinsend zu mir. "Aber niemand außer dir glaubt
mir."
"Hmmm,
mysteriös. Vielleicht hast du mich einer Gehirnwäsche unterzogen."
"Vielleicht. Ich nehme an,
es gibt keine Möglichkeit, das herauszufinden, hm?"
"Naja, man sagt die
Unwissenden sind glücklich..."
"Und bist du
glücklich?"
"Ich weiß es nicht. Ich bin
zu unwissend, um das rauszufinden."
Ich schlängle mich aus seiner
Umarmung und schwimme von ihm weg, weil mir plötzlich spielerisch zumute ist.
Er schaut mir mit einem Schmollmund hinterher.
"Was denkst du was du
gerade tust?"
"Schwimmen. Ist es nicht
das, was man normalerweise in einem Pool tun sollte?"
Er sieht nach unten und streicht
mit seinen Händen über die Wasseroberfläche mit einem sehr gespielten und sehr
albernen Stirnrunzeln.
"Naja weißt du, es gibt
andere Sachen, die man im Pool tun kann. Meine Dana Voodoo Puppe würde wissen,
was zu tun ist."
"Deine was?"
"Ja ja,
sie ist eine kleine Wäscheklammer mit roten Haaren, die mit Buntstift aufgemalt
sind."
Ich muss aufhören
umherzuschwimmen, weil ich jetzt so sehr lache und ich könnte ertrinken.
"Naja, manchmal reicht
Gehirnwäsche nicht aus. Manchmal braucht ein Mann ein bisschen zusätzliche
Hilfe. Also immer wenn ich geil werde halte ich sie einfach neben meinen
Schwanz und dann tauchst du wundersamerweise
auf."
"Alex, du solltest das Spielzeug
den Kindern überlassen", sage ich kichernd zu ihm.
"Ja, sie hat in der letzten
Zeit sowie nicht funktioniert. Ich denke der Zauber hat sich abgenutzt."
"Oder du bist einfach
verrückt."
"Ich nehme an, das ist
durchaus immer möglich."
Wir beide lachen und es fühlt
sich so gut an. So, so gut, so zu sein. Ich denke, ich habe genauso lange nicht
so gelacht, wie wir keinen Sex hatten. Es war mir nicht klar, wie sehr ich das
gebraucht habe.
Ich glaube mir war der Wert von
Albernheit nicht bekannt, bis Alex und ich zusammenkamen. Ich bin mir sicher
ihm auch nicht.
Ich sehe zu ihm hinüber, wie er
immer noch auf den Stufen sitzt, halb im halb aus dem Wasser, und ich frage
mich, ob er *immer noch* Bedenken hat, mich richtig zu berühren.
"Was ist los, kleiner
Junge? Warum sitzt du immer noch auf der Treppe? Hast du Angst vor dem
Wasser?"
"Nö. Ich habe Angst davor,
was im Wasser ist", sagt er und stürzt sich unerwartet auf mich. Er fasst
mich um die Hüfte und hebt mich hoch und ich kreische wie eine Dreizehnjährige.
Er wirbelt mich herum und ich schlinge meine Arme um seinen Hals, um nicht
davonzufliegen.
"Weißt du, es gibt ein
Monster hier drin", brummt er in mein Ohr. "Ein geiles Pool
Biest."
"Ich glaube nicht an
Mon...Monster!" versuche ich kichernd zu betonen. "Und wenn ich das
täte wäre ich nicht so ängstlich wie du, du großes Baby."
"Oh, das ist ein Fehler,
Dana. Das Pool Biest ist sehr gefährlich. Er nimmt hübsche kleine Mädchen wie
dich und tut das..."
Er schiebt mich gegen die Wand
und beginnt damit, spielerisch an meinem Hals zu nagen. Es kitzelt und es ist
warm und ich kann nicht aufhören zu lachen und mich zu winden und erfolglos zu
versuchen, ihn wegzuschieben, so dass ich wieder zu Atem komme.
Er hört schließlich auf, aber
ich bekomme das kaum mit, weil ich immer noch lache und praktisch hyperventiliere. Ich höre ihn etwas sagen, aber ich kann
nicht genau sagen, was es ist.
"Hmmwa...was?"
frage ich und versuche, Luft zu bekommen. Er sieht mich plötzlich sehr
ernsthaft an.
"Ich habe gesagt du bist schön",
flüstert er rau. "Die allerschönste Sache auf der Welt."
Bevor ich auf diese Erklärung
antworten kann, außer damit, ihn anzustarren, küsst er mich wieder, so zart und
so süß, dass es mich fast zerbricht. Ich vergrabe meine Finger in seinen Haaren
und ziehe seinen Kopf näher und unsere Münder öffnen sich, unsere Zungen
berühren sich leicht. Er weiß immer genau, was er sagen muss, um meine Inneres
nach außen zu kehren.
Könnte ich es jetzt sagen, frage
ich mich, als wir uns küssen und küssen und küssen. Könnte ich?
Als wir uns schließlich trennen
und ich mich zurücklehne, fällt mein Blick auf die Sterne über uns. Ich werde
von einem Rausch von Erinnerungen und Gefühlen überwältigt, die an dem Tag
beginnen, an dem wir das erste Mal hierher kamen und die sich über die Jahre
fortsetzen, die wir zusammen verbracht haben, als Freunde und in letzter Zeit
als Liebespaar, über all die Dienstage, die wir hier damit verbracht haben, miteinander
zu reden und uns zu lieben und einfach Spaß zu haben. Ich könnte es sagen.
Vielleicht...
"Alex, denkst du jemals an
diese erste Nacht, als wir her kamen?"
"Manchmal, ja."
Ich nehme sein Gesicht in die
Hand und drehe es nach oben und er lächelt.
"Sie sehen besser
aus", sagt er. "Allerdings nicht so gut wie du."
"Mmm...klar."
"Nein, ernsthaft. Das ist
alles, woran ich an diesem Abend denken konnte, weißt du. Du hast die ganze
Zeit gesagt, ich solle mir die Sterne ansehen und alles, was ich mir ansehen
wollte warst du."
Er senkt seine
Kopf und sieht mir in die Augen und ich schmelze schon wieder.
"Sogar damals?"
"Natürlich. Wie könnte ich
nicht?"
"Mein Gott, Alex. Ich war
damals so ein Wrack."
"Trotzdem schön.
Immer", flüstert er und lehnt sich zu mir, um mich wieder zu küssen.
Dieser Kuss ist hungriger, leidenschaftlicher und feuchter als der vorhin.
Seine Zunge stößt in meinen Mund hinein und hinaus als Imitation dessen, wofür
ich mittlerweile zu sterben bereit wäre und ich kralle mich gierig an ihm fest.
"Also, wo ist das Pool
Biest?" frage ich, als er mein Kinn und meinen Hals küsst.
"Hmmm?"
"Pool Biest? Geiles
Monster? Ich warte die ganze Zeit darauf, dass es mich attackiert, aber hier
sitze ich nun und bekomme Küsse vom alten, langweiligen Alex."
Er lächelt und scheint sowohl
seinen Sinn für Humor als auch sein Selbstvertrauen zurückbekommen zu haben.
Gott sei Dank.
"Ah, ich verstehe was du
meinst. Naja, du musst etwas tun, um das Monster zu rufen. Er erscheint nicht
einfach so unaufgefordert."
"Oh, ich verstehe. Was soll
ich tun?"
"Nun, er könnte es mögen,
wenn du meinen Hals küsst, so wie du es vorhin getan hast. Ich glaube, ich habe
gehört, wie er sich genähert hat, als du das getan hast."
"Ist das so? Er mag es,
wenn ich *deinen* Hals küsse?"
Er nickt kurz mit diesem
"du weißt du willst es" Grinsen und ich kichere schon wieder.
"Er ist ein Voyeur."
"Na gut, alles klar, ich
nehme an es kann nicht schaden, es mal zu versuchen..."
Ich schabe mit meinen Zähnen
über die Haut an der Seite seines Halses in dem Versuch, verführerisch zu sein
und seine Reaktion ist ein Stöhnen. Ich kann das allerdings nicht lange so
weiterführen. Ich lache zu sehr.
"Weißt du, ich habe nicht
den Eindruck, dass du das Biest besonders ernst nimmst", sagt er rau
zwischen seinem eigenen leisen Lachen.
"Oh, mir war nicht klar,
dass es ein ernstes Biest ist."
"Es ist sehr ernst."
Ich versuche, mein Lachen
herunterzuschlucken, aber ich kann es nicht. Es ist ein erstaunliches Gefühl,
nicht in der Lage zu sein, mit Lachen aufzuhören.
"Das ist sehr schlecht.
Weißt du, was es mit kleinen Mädchen macht, die es auslachen?"
Ich schüttle meinen Kopf,
begierig, die Antwort zu erfahren.
"Es macht...das!"
Er fasst nach unten und beginnt
gnadenlos meinen Bauch zu kitzeln. Ich versuche davonzukommen, aber ich bin am
Ende zwischen der Wand und ihm gefangen. Ich lache so sehr, dass ich weine.
Kreische und quietsche und zapple.
"Halt!! Alex, ich
krieg...ich krieg keine Luft!"
Er hört auf mit Kitzeln, aber
ich bin immer noch zwischen ihm und der Seite des Pools eingeklemmt. Nicht das
ich mich beschwere.
"Wirst du das Biest von
jetzt an ernst nehmen?" fragt er mit seinem Finger gefährlich nahe an
meiner Bauchdecke.
"Ja", sage ich, aber
kann es mir nicht verkneifen, hinterher loszuprusten.
"Weißt du was deinen Spott
vielleicht noch wieder gut machen könnte?"
"Was?"
"Wenn du magst, hebe deine
Beine und schlinge sie um meine Hüfte."
"Oh, er mag das, ja?"
Interessant. Diese Theorie muss
ich testen. Ich lege meine Arme um seinen Hals und hebe mich selbst nach oben,
fast schwerelos durch das Wasser, und schlinge mich um ihn. Oh ja. Das
funktioniert nun endlich für mich. Alex macht eine
Geräusch irgendwo zwischen einem Stöhnen und einem Lachen und drückt sich gegen
mich. Er ist wieder hart. Oder immer noch. Ich bin nicht sicher, ob er es die
ganze Zeit war oder nicht. Ich war von seinem Herumgealbere
zu abgelenkt.
"Also, das Biest, wie du es
nennst, lebt es ausschließlich im Wasser?"
"Ausschließlich? Nein, ich
denke nicht", sagt er und lässt seine Hüften verlockend kreisen. "Ich
habe es auch schon an anderen Orten hier in der Gegend gesehen."
"Naja, ich nehme an das was
ich wissen wollte war, wie lange es deiner Meinung nach unter Wasser die Luft
anhalten kann."
Er lächelt und stößt noch
absichtlicher gegen mich mit einem weiteren Stöhnen/Lachen.
"Ich verstehe was du
meinst", flüstert er durchtrieben und seine Lippen sind nahe genug, um ihn
zu küssen. "Unglücklicherweise denke ich, dass er vorwiegend Luft atmet.
Vielleicht könntest du ihm ein paar Tauchstunden geben."
"Tauchstunden?!"
"Ja, ich weiß. Er ist kein
sehr effektives Monster."
"Nun gut..." ich höre
kurz auf, um meinen Mund kurz an seine zu drücken, aber sobald wir uns
berühren, teilen sich seine Lippen und unserer Zungen treffen sich in einer
rasenden, feuchten Verschlingung.
"Mmmmgut",
setze ich fort, als eine Küsse sich weiter über mein Gesicht und zu meinem Ohr
hin bewegen. Er beginnt, an meinem Ohrläppchen zu saugen und an den Wirbeln zu
lecken und ich vergesse wieder, was ich sagen wollte.
"Das klingt....ughmmm....das klingt so, als
wenn er überhaupt kein Monster ist."
Das Zungenbad hört abrupt auf
und er sieht mich mit gespieltem Unglauben an.
"Stellst du die Existenz
des Biests in Frage?"
"Vielleicht."
"Also das ist die
allerschlimmste Beleidigung. Weißt du was das Monster macht, wenn du ihn in
Frage stellst?"
"Nö."
"Er hebt dich so aus dem
Wasser."
Er hebt mich hoch und schmeißt
mich auf den Rand des Pools. Es ist eiskalt und der Boden ist hart und unbequem
und ich kreische missbilligend. Allerdings weiß ich, wohin das führt und ich
werde nicht in den Pool zurückgehen und das verpassen.
"Und dann kommt er heraus
und beißt in deine Oberschenkel", sagt er zu mir und fängt damit an, genau
das zu tun.
"Naja, so viel dazu, dass
ich auf dich als ...mmmmbeschützer zählen kann."
"Oh, ich bin hilflos gegen
das geile Biest", murmelt er an meinem Bein. Ich fange an, das Unwohlsein
im Rest meines Körpers recht schnell zu vergessen, als seine Zähne und Lippen
die Innenseiten meiner Oberschenkel streifen, höher und höher...
"Glaubst du jetzt an das
Biest?"
"Hmmwaa..."
"Oder muss ich die
Demonstration fortführen?"
Oh Gott. Bitte führe sie fort.
"Es gibt kein Monster. Nur
den Wahnsinnigen, mit dem ich ein Bett teile."
"Okay, jetzt ist das
Monster wirklich sauer. Er mag es nicht, wenn du mich beschimpfst. Ich denke,
es wird langsam Zeit für eine Lektion in Monstermanieren."
"Monster was?!"
"Ja, du musst lernen,
höflich zu dem Monster zu sein. Ihn zu respektieren und anzubeten."
"Anbeten?"
"Ja, er wird sich nicht mit
weniger zufrieden geben. Ansonsten tut er das..."
"Ich denke das ist ein
bisschen vieeeeee, oh Gott..."
Oh Gott. Oh mein Gott. Er ist da.
Endlich. Meine Beinen spreizen sich sofort instinktiv
so weit wie es geht, als ich seine Zunge spüre, die langsame, Delirium
verursachende Kreise um meine Klitoris zieht. Worte können dem nicht genüge
tun, wie gut sich das anfühlt.
Ich lehne mich auf meine
Ellbogen zurück und bereite mich auf den Orgasmus vor, dem ich schon sehr nahe
bin und dann, ganz plötzlich, ist er wieder weg.
"Und dann hört er einfach
so auf und dann tut es dir wirklich Leid", sagt er mit dem
unerträglichsten Grinsen, das ich je gesehen habe.
Oh, Alex. Du kleiner Bastard.
"Alssso...also
was?" keuche ich mit dem erbärmlichen Bemühen, unbeeindruckt zu
erscheinen.
"Also was? Gut, okay. Wenn
du weiterhin das Monster nicht respektieren willst, wirst du den Preis zahlen
müssen."
Er sieht zu mir auf, wartet auf
meine Kapitulation. Ich setze mich hin und nehme seinen Kopf in meine Hände.
Ich erwäge, ihn wieder zwischen meine Beine zu schieben, aber überlege es mir
dann anders. Ich bin noch nicht bereit, jetzt schon aufzugeben. Also tauche ich
ihn stattdessen unter. Er kommt wieder hoch und spuckt und schüttelt seinen
Kopf wie ein nasser Hund.
"Jetzt bist du *wirklich*
in Schwierigkeiten, Frau."
Er brummt ein wenig und fängt
wieder damit an, diesmal etwas langsamer. Er leckt zärtlich *überall* an mir,
außer an *dem* Punkt und mein ganzer Körper wird zu Gelatine und meine Hüften
zucken und schieben sich gegen ihn. Zu gut. Gott, das ist zu gut. Ich kann
nicht glauben wie lange es her ist, dass ich das gefühlt habe. Ich habe das
Gefühl, als würde ich mir nach zweiwöchigem Hungern wieder richtig den Bauch
voll schlagen.
Als er seine Zunge langsam in
mich hineinstößt, kann ich nur noch Wimmern.
"Oh Gooo...hör
nicht aufff", bettle ich schamlos und natürlich,
tut er das.
Ich versuche, ihn gefährlich anzustarren,
aber er grinst mich nur an wie der große Idiot, der er nun mal ist.
"Also du siehst, es ist das
Beste, wenn du ihn einfach besänftigst."
"Du denkst wohl du bist das
anbetungswürdigste Geschöpf auf dieser Erde, oder?"
Er lacht leise ganz tief aus
seiner Kehle heraus und leckt seine Lippen. Mein Gott, diese Lippen. Ich stelle
fest, dass ich sie einfach anstarre und wieder zwischen meinen Beinen haben
will.
"Das ist es, was das
Monster mir immer sagt. Er mag mich. Weil ich ihn anbete."
"Naja dann braucht ihr zwei
mich ja eigentlich nicht, wenn ihr einander habt."
"Oh aber Dana, wir sind so
einsam ohne dich."
"Bist du sicher? Weil ich
die Dinge auch allein in die Hand nehmen kann..."
Seine Augen werden heller und
glitzern mit feuchter Verzückung und er nickt langsam und zustimmend.
"Ich denke dem Monster
würde das sehr gefallen."
Ich fahre mit meinen Händen
durch meine Haare und zu meinem Oberkörper hinunter. Meine Brust in die Hand zu
nehmen und die harte Brustwarze zwischen zwei Fingern zu reiben, fühlt sich
erstaunlich gut an und ich stöhne völlig selbstvergessen auf. Ich beobachte
ihn, wie er mich beobachtet und es fühlt sich sogar noch besser an.
"Mag dein Monster
das?" frage ich ihn und stelle mich selbst ziemlich zur Schau. "Mmmjaaa, er ist wirklich glücklich. Mach weiter."
Meine Hand gleitet weiter an
meinem Körper herunter und ich fange an, ohne Scheu direkt vor Alex Nase zu
masturbieren. Sein Stöhnen und Keuchen ist fast so laut wie meines während er
mir zusieht.
Manchmal kann ich es kaum
glauben, wie ich mich benehme, wenn ich mit ihm zusammen bin. Normalerweise bin
ich sehr leise, wenn ich das tue. Übrig gebliebene pubertäre Schuldgefühle oder
so was. Aber jetzt stöhne ich wie ein Pornostar. Weil er es mag. Weil ich mag,
dass er es mag. Weil ihn zu erregen *mich* mehr erregt, als irgendetwas anderes
auf der Welt.
Nach kurzer Zeit spüre ich das
vertraute Kribbeln und ich weiß, dass wenn ich das weiter tue, ich mich selbst
so weit bringen werde. Ich werde mich nicht davon abhalten können.
"Oh, Aleeex",
wimmere ich und er greift nach meiner Hand und zieht sie weg. Er nimmt die zwei
Finger, die ich benutzt habe in seinen Mund und saugt daran. Seine Augen
schließen sich und er stöhnt, genießt meinen Geschmack. Es ist unerträglich.
"Gott, Alex, bitte..."
Ohne ein weiteres Wort greift er
meine Hüften, zieht mich nach vorn und bringt es mit seiner Zunge für mich zu
Ende. Mein Orgasmus ist so machtvoll und so schnell. Es ist, als würde ich aus
einem Fenster fallen. Es ist wie sterben. Ich denke ich verstehe jetzt endlich,
was zur Hölle das bedeutet.
Als es vorbei ist, rutsche ich
wieder zurück in den Pool und in seine Umarmung. Er hält lange Zeit meinen
zitternden, ausgelaugten Körper.
"Gut?" flüstert er in
mein Ohr.
"Ich habe Sterne
gesehen."
"Hey, was du nicht sagst,
ich auch."
Wir beide lächeln und ich fühle,
wie er sich gegen mich drückt. Gott, ich will ihn in mir. Ich möchte ihn sofort
in mir haben.
Und zu meinem Glück will er das
auch.
Ich hebe meine Beine und lege sie
um seine Hüfte und er braucht keine weitere Ermutigung.
"Bosche Moi", schnaubt
er, als er sich in mich schiebt. Ich bin ziemlich sicher, dass das 'Mein Gott'
heißt. Diese Sache mit der Übersetzung hat nur was mit Kontext zu tun.
Es ist so lange her, das es mir tatsächlich ein wenig wehtut, aber darüber hinaus
erfüllt es mich mit einer süßen, bebenden Spannung, die ich nicht ansatzweise
beschreiben kann.
Er fängt langsam an, versucht es
hinauszuzögern, aber ich habe keine Geduld mehr. Ich treibe ihn mit meinen
Fersen an seinem Rücken an, ziehe ihn tiefer in mich hinein.
"Mehr", flüstere ich
und das scheint das gewesen zu sein, was er hören wollte. Er vögelt mich,
schnell und hart, knallt mich gegen die Wand und ich werfe meinen Kopf zurück
und stöhne.
Egal wie wir es beginnen, es
endet immer auf diese Weise. Wir können zärtlich und liebevoll sein, wir können
albern und sorglos sein, wir können leidenschaftlich und intensiv sein. Aber
wenn wir an diesen Punkt kommen, dann scheint es so, als wenn wir es nicht
verhindern könnten, es zu treiben wie heiße Hunde. Es gibt einen Ort, an den
wir uns beide bringen und wir verpassen es niemals, dort gemeinsam
hinzugelangen.
"Das ist so gut...du bist
so gut", summt er und ich greife nach ein paar Strähnen seiner feuchten,
zerzausten Haare und ziehe sein Gesicht zu mir. Seine Zunge stößt aus seinem
Mund in meinen und ich mag es. Das tue ich wirklich. Es fühlt sich an, als wenn
er überall ist.
Ich erinnere mich an eine längst
vergangene Unterhaltung mit Roseanne, als sie mir erzählte, wie es ist, mit
Alex Krycek Sex zu haben. Sie sagte, dass die ganze
Welt verschwinden würde. Dass das einzige, was dann noch existieren würde du
und er sind, die es miteinander treiben. Das es so ist, wie von einem Tornado
erfasst zu werden. Ihre Worte, nicht meine. Ich erinnere mich daran, dass ich
gedacht habe, wie albern das klingt und trotzdem hat es mich unausweichlich
fasziniert. Ich denke ich weiß jetzt, worüber sie gesprochen hat. Ich möchte
glauben, dass das, was ich mit ihm erlebe, das, was ich gerade erlebe,
Roseannes Erfahrung mal zwanzig ist. Mal hunderttausend. Ich denke das ist es.
Weil er Roseanne nicht geliebt hat.
Er liebt mich. Mich.
Und alles andere verschwindet.
Ich sehe nach oben zu den Sternen am Himmel, aber sie zählen nicht mehr. Alles
was ich sehe und höre und fühle und schmecke ist Alex. Der Geruch seines
Schweißes, das Kratzen seiner Zähne und das Kitzeln seiner Zunge auf der Haut
an der Seite meines Halses, das Zittern der Muskeln in seinem Arm, während er
mich gegen sich drückt, die Glätte seines Oberkörpers, das Schlagen seines
Herzens gegen meine Brust, seine Kehle, sein Adamsapfel, der auf und nieder
hüpft, während er scharf und keuchend atmet, sein Penis, pulsierend und stoßend
in mir. Das ist es, was ich fühle; was ich bin.
Ich spüre nicht die Kälte, die
soweit ich weiß die obere, entblößte Hälfte meines Körpers treffen muss. Ich
spüre nicht das Scharren der Haut meines Rückens an den Betonwänden des
Pools.
Ich spüre...oh, ich spüre...
Ich spüre wie meine Hände auf
seiner Schulter ruhen und ich spüre, wie das frühe Zittern eines herausragend
langen und köstlichen Orgasmus meinen Körper erschüttert. Ich grabe meine Nägel
in sein Fleisch bis Blut kommt, markiere ihn. Mir. Er gehört mir.
Seine Zähne schließen sich fest
um die Haut an meinem Hals und als seine Hand an meinem Rücken hinuntergleitet, um nach meinem Hintern zu fassen, knurrt
er und schüttelt seine Kopf wie ein Welpe, der auf Leder herumbeißt.
Es sollte wehtun, aber das tut es nicht. Es treibt mich nur noch weiter voran.
Und dann fühle ich seine Finger, die sich erkundend nach unten bewegen. Er
erreicht den Ort, an dem wir beide verbunden sind und das Gefühl von seiner
Berührung dort reicht aus, um die Sache für mich zu Ende zu bringen.
"Oh Gott, Alex, oh MEIN
GOTT", schreie ich laut und er stößt in mich wie ein Wahnsinniger. Ich
komme zweimal und irgendwo dazwischen fühle ich, wie er in mir größer wird und
explodiert. Seine orgasmischer
Schrei wird von den Wänden zurückgeworfen und ist ungefähr das lauteste, was
ich je in meinem Leben gehört habe.
Als er sich wieder erholt, hält
er mich gegen sich und flüstert, während er immer noch in mich stößt,
"liebe dich, liebe dich, liebe dich." Mein Brustkorb krampft sich
dabei mit diesem nun schon vertrauten Gefühl einer Kombination aus Panik,
Freude und Delirium zusammen. Ich denke das ist das erste Mal, dass das jemals
jemand in einer solchen Situation zu mir gesagt und auch ehrlich gemeint hat.
Ich bedecke sein Gesicht und
seinen Hals und diese wunderschönen Wimpern mit Küssen und lasse mich gegen ihn
fallen.
"Danke, Alex", murmle
ich in sein Ohr und er drückt mich fester. Wir bleiben eine Weile ganz still
und dann höre ich ein Geräusch. Ein kleines, polterndes Geräusch. Fast, als
wenn jemand hier ist. Ich hebe meinen Kopf und schaue mich nervös um, genau wie
Alex.
"Was ist das?" frage
ich.
"Ich denke, das ist das
Pool Monster", sagt er grinsend. Ich denke ich bin zu müde und erledigt,
um mir darum Gedanken zu machen. Ich denke ich bin berauscht genug, um ihm zu
glauben.
"Lass uns nach Hause gehen,
Alex."
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Ende Kapitel 6
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 7
Ich denke, dass ich früher eine
Droge namens Valium eingenommen habe. Es hat mich
beruhigt, was ich zu der Zeit gebraucht habe. Außerdem hatte es einen Hang
dazu, die Dinge in meinem Kopf durcheinander zu bringen. Ich habe eine
Erinnerung hergenommen und sie ist eine Weile in meinem Geist herumgeschwirrt
und als ich sie wieder zurückstellen wollte, ist sie einfach verschwunden, oder
wieder aufgetaucht, aber an der falschen Stelle. Jedenfalls denke ich, dass es
sich so angefühlt hat. Es ist so schwer, sich zu erinnern.
Jedenfalls ist das dem am
ähnlichsten, was ich in den vergangenen zwei Tagen gefühlt habe. Valium minus Gelassenheit. Und mit einer zusätzlichen Dosis
Verwirrung. Denke ich.
Es gibt Bruchstücke in meinem
Kopf, wie die losen Steine eines Puzzlespieles, die damit beginnen, sich selbst
zu ordnen und sich wieder in ein vollständiges Bild zu verwandeln. Aber der
Prozess ist langsam. Und schmerzlich. Aller paar Stunden bekomme ich einen
schmerzvollen Moment des Lebens zurück, das ich geführt hatte, das meines ist.
Meines war. Die Dinge sind jetzt so anders.
Wo passe ich in diese neue Welt
hinein? Niemand hat es mir gesagt. Nicht hier. Ich passe nicht hierher. Ich
habe nicht lange dazu gebraucht, so viel herauszufinden. Ich erinnere mich an
genug Dinge aus dem Leben vorher um zu wissen, dass Marita Covarrubias
nicht auf zerlumpten Stundentenwohnheim Matratzen schlafen und die Kleider von
jemand anderem tragen sollte. Geschmacklosen Brei zum Frühstück in einer
lauten, hässlichen, überfüllten Cafeteria essen sollte. Allein, weil die
einzigen Menschen, die ich kenne der Arzt ist, der gestern mit mir eine
primitive Rekonditionierungstherapie für Sklaven
durchgeführt hat und Alex. Alex. Alex hat den Arzt geschickt. Und die Frau, die
gesagt hat, ihr Name wäre Dana. Ich denke, dass ich früher ihr Gesicht gekannt
habe. Er hat sie geschickt und deswegen traue ich ihnen nicht. Ich traue
niemandem hier. Sie arbeiten alle für ihn.
Aber was ist sonst noch hier?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß nicht, wessen Schuld es
ist, dass ich hier festsitze. Gesichter kriechen vor meinem inneren Auge hoch.
Feinde. So viele Feinde. Alex...
Und dann sehe ich ihn, er steht
in der Reihe und wartet darauf, sein beschissenes Frühstück zu bekommen. Fox
Mulder. Fox Mulder ist auch hier. Fox Mulder hat mich her gebracht. Denke ich.
Ich sehe uns in einem Auto, ich
höre ihn, wie er mir erzählt, dass wir irgendwohin gehen, aber ich weiß nicht,
ob wir hierher gekommen sind, oder woanders hin. Es brennt hinter meinen Augen
wenn ich versuche, die Erinnerung in die wacklige Zeitlinie einzupassen, die
ich mir aufgestellt habe.
Es ist egal. Ich kenne Fox
Mulder. Ich vertraue ihm. Denke ich. Ich habe es getan. Vielleicht.
Er läuft an dem Tisch vorbei, an
dem ich sitze und ich versuche, mit ihm in Augenkontakt zu kommen. Es funktioniert
nicht. Er sieht mich nicht. Vielleicht ist es nicht Fox Mulder. Oder vielleicht
ist er es und er hat mich nie gekannt. Vielleicht habe ich mir die ganze Sache
nur eingebildet.
Mein Gott, ich will nach Hause.
Wo immer das ist. Es ist nicht hier. Irgendwo anders.
Der Mann, dessen Name Fox Mulder
ist oder auch nicht, setzt sich an den Tisch hinter mir, mit dem Rücken zu mir
und ich höre ihn seufzen. Ich muss mit ihm reden. Ich weiß nicht, was ich sonst
tun sollte.
Ich stehe auf und trage mein
Tablett zu seinem Tisch hinüber. Ihm gegenüber setzte ich mich hin, aber er
sieht nicht auf. Er schubst, die graue, klumpige Masse, die Haferschleim
darstellen soll auf seinem Teller hin und her. Ich räuspere mich und er
schaufelt eine Gabel voll des widerwärtigen Schleims in seinen Mund. Wütend
nehme ich an. Ich denke er ist wütend.
Ich weiß nicht, aus welchem
Grund er auf mich wütend sein könnte. Ich kann mich nicht daran erinnern,
irgendetwas getan zu haben, das ihn verletzt hätte, aber das heißt nicht, dass
es nicht doch passiert ist.
"Genießt du deinen
Brei?" frage ich in einer so leisen und ängstlichen Stimme, die mich
anwidert. Das bin nicht ich. Habe ich mich so sehr verändert?
"Scully..." beginnt er
und sieht dann zu mir auf. Ich nehme an er hat gedacht, dass ich sie wäre. Er
sieht verwirrt aus und enttäuscht und erleichtert.
"Er...erwartest du sie? Ich
kann gehen.."
Er lacht, aber nicht auf eine
ha-ha Weise. Er lacht so, wie es Alex getan hatte, als ich ihn wegen seines
Armes gefragt hatte. Ich nehme an er dachte, ich würde es wissen. Ich nehme an
er dachte, ich hätte irgendetwas zu tun mit diesem ganzen Mist. Vielleicht habe
ich das.
"Ja klar, wir haben eine
Verabredung", murmelt er und sieht zur Tür. Sarkasmus habe ich nicht
vergessen.
Er sieht nicht besonders gut
aus, wenn ich ihn mir genau betrachte. Dunkle Ringe unter blutunterlaufenen
Augen, dauernde Grimasse und er macht auf dem Tisch ständig seine Faust auf und
zu. Wütend war nicht das zutreffende Wort. Er sieht aus, als sei er bereit,
jemanden umzubringen. Ich erinnere mich nicht daran, dass er jemals so
ausgesehen hat.
"Was ist, brauchst du
irgendwas von mir?" fragt er plötzlich. Ich bin froh, dass mich diese
Frage nicht total umwirft. Feindseligkeit ist etwas vertrautes.
Fox Mulder ist etwas vertrautes.
"Nein, nicht wirklich. Ich
dachte nur, dass wir uns vielleicht unterhalten könnten. Ich kenne niemanden
weiter hier."
Ich kenne ihn. Das tue ich.
Gott, bitte lass mich ihn kennen.
Er zuckt mit den Schultern und
nimmt einen großen Schluck von dem, was hier als Kaffee gilt.
"Leg los."
Ich atme tief durch, versuche
die Frage herauszubringen. Sie klingt allerdings so idiotisch. So erbärmlich.
"Du...du kennst mich,
richtig? Ich meine, ich bilde mir das nicht nur ein, oder?"
"Ja", knurrt er und
sticht ein Stück bräunliches Obst an. Es könnte ihm offensichtlich nicht egaler sein, aber er erkennt mich. Das reicht mir.
"Ich meine, nicht von hier,
sondern von...von der Zeit vorher. Wir kannten uns."
Er nickt und sieht verwirrt und genervt
aus.
"Ja, warum?"
"Ich war mir einfach nicht
sicher. Ich ... die Dinge sind in meinem Kopf noch ein wenig
durcheinander."
Er seufzt und sieht noch
genervter aus, aber das ist mir egal.
"Also, du hast mich hierher
gebracht, richtig? Als ich Sklavin war?"
"Ja, hör zu, was...woran
erinnerst du dich, was deine Beteiligung an all dem angeht, Marita?"
"Naja, ich habe diese
Erinnerungen, aber die sind alle irgendwie unzusammenhängend.
Es ist schwer, alles zusam..."
"Hast du Alex Krycek vorher gekannt?" unterbricht er mich, plötzlich
interessiert an *allem*, was ich zu sagen haben könnte.
"Ja."
Das habe ich nicht eine Sekunde
lang bezweifelt. Diese Erinnerungen sind zu lebendig, um Halluzinationen sein
zu können.
"Also, woran erinnerst du
dich ihn betreffend?"
Ich weiß nicht, warum er etwas
über Alex wissen will und es ist mir auch egal. Ich nehme an, dass ich ihm
früher eine Menge Informationen besorgt habe. Es war ihm früher wichtig, was
ich ihm zu sagen hatte. Ich bin nicht sicher, was ich ihm über Alex erzählen
soll.
"Er war...er war Mitglied
der Gruppe. In gewisser Weise. Wir haben zusammengearbeitet. Ich nehme
an..."
"Okay, aber, was für ein
Mensch war er deiner Erinnerung nach?"
Die Frage setzt einen ganz neuen
Strom von Bildern frei. Alex, der in meiner Hotelsuite in Kasachstan auftaucht,
seine halbautomatische Waffe schwingend und mich bedrohend, wie ich ihm
schwitzend gesagt habe, ich sei auf seiner Seite. Wir könnten sie zusammen in
die Knie zwingen. Ich frage mich, ob das wahr gewesen ist. Dass ich ihn in mein
Schlafzimmer gebracht habe. Ich nehme an, der Gedanke, die alten Bastarde
würden ihn um Gnade anflehen hat ihn mehr in Stimmung gebracht als ich.
Und dann andere Begebenheiten.
Nur ein paar. Ich war ja nur eine Woche oder so in Russland.
Dann das letzte Mal. Mein
Apartment in New York. Die Tür meines Apartments in
"Marita?"
"Was?
Oh...er...verzweifelt. Er war ein verzweifelter Mensch."
"Verzweifelt? Verzweifelt
inwiefern? Wonach?"
Mulder lehnt sich nun über den
Tisch, sein erbärmliches Frühstück ist vergessen. Seine
Bein schwingt auf und ab. Vielleicht eine nervöse Angewohnheit. Er sieht so
aus, als wolle er sich jeden Moment auf mich stürzen. Er sieht so aus, als
wolle er mich erwürgen. Ich kann mir nicht vorstellen warum.
"Nach allem. Macht, Geld,
Respekt, Rache, Sex, alles. Immer von einer ausweglosen Situation in die
nächste gerannt. Er hat mir gesagt, dass er mal ganz oben stehen würde.. Ich nehme an, das tut er jetzt auf gewisse Weise."
"Also hast du ihn gut
gekannt, ja?"
"Gut? Nein, nicht wirklich.
Wir waren Geliebte. In gewisser Weise. Für kurze Zeit. Ich habe ihn trotzdem
niemals wirklich gekannt. Ich weiß es wirklich nicht. Ich weiß einfach
nicht..."
Seine Augen werden weit und noch
verwirrter und er starrt mich einfach lange Zeit nur an.
"Also...warum erzählst du
mir das, wenn du es nicht wirklich weißt?"
"Weil du mich gefragt hast!
Ich erzähle dir, woran ich mich erinnere, aber es ist ein wenig verschwommen.
Das habe ich dir gesagt."
Ich beginne zu fühlen, wie Wut
in mir aufsteigt. Ich mag es. Es ist gut, wieder etwas zu fühlen. Irgendetwas.
"Und was tust du überhaupt
noch hier, Marita? Was ist hier für dich interessant?"
Das bringt nun das Fass für mich
zum Überlaufen. Ich dachte, dass dieser Mann ein Freund sein könnte, aber er
klingt mit jeder verstreichenden Minute immer mehr wie ein Feind.
"Was ich hier tue? DU hast
mich hergebracht! Warum erzählst du mir das nicht?!"
Er kaut auf der Innenseite
seiner Wange und starrt aus dem Fenster, offensichtlich unwillig mich anzusehen
oder mir zu antworten. Nach einigen Momenten des Schweigens, in denen ich die
Ansätze eines Plans zurechtlege, Fox Mulder zu töten, dreht er sich wieder zu
mir um.
"Sprichst du
Russisch?" fragt er unerklärlicherweise.
"Wie bitte?"
"Die Sprache. Sprichst du
sie?"
Bin ich deswegen hier? Bin ich
seine persönliche Übersetzerin?
"Ich habe für die UNO
gearbeitet. Ich spreche viele Sprachen. Russisch ist eine von ihnen, ja.
Warum?"
"Was heißt 'Tschiwodnoje' '?"
"Es heißt 'Tier'",
sage ich ihm, mehr aus Neugier als aus dem Verlangen heraus, hilfreich zu sein.
Es muss einen Grund geben, aus dem er das fragt und ich denke ich sollte
versuchen herauszufinden, was das ist.
Sein Kiefer verkrampft sich und
er schluckt. Die Antwort scheint ihn wütend zu machen. Das freut mich.
"Und was ist mit 'Diwotka'?"
"Diwotka?"
"'Djewotska'?
Ist es das?"
"'Djewotschka'?"
"Ja, genau das. Was heißt
das?"
"Es heißt kleines Mädchen.
Warum fragst du mich das?"
Der Klang von Glas und Plastik,
das auf den Boden aufschlägt, als er alles, was auf dem Tisch stand mit einer Armbewegung
wegfegt ist die einzige Antwort, die ich bekomme. Danach stürmt er aus der
Cafeteria. Ein paar Leute starren ihm nach, aber es scheint ihn nicht zu
kümmern.
Das lief gut. Sehr erfreulich.
Ich denke nicht, dass ich mit
Fox Mulder in der nächsten Zeit wieder sprechen werde.
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
In dem Roman "Cat's Cradle" beschreibt
Kurt Vonnegut etwas, was er einen Karass nennt. Dieser Karass besteht aus einer
Ansammlung von Menschen, deren Leben mit deinem eigenen aus keinem erklärbaren
Grund verflochten sind. Vonnegut sagt, dass diese Menschen ein Team wären, von
Gott erschaffen um dir zu helfen, etwas wichtiges in
deinem Leben zu erreichen.
Scully gehört sicher zu meinem Karass. Genauso wie der rauchende Bastard. Und es ist mir schon
vor langer Zeit klar geworden, dass sehr zu meinem Missfallen, Alex Krycek auch zu diese Gruppe
gehörte. Obwohl ich mir selbst wenn es um mein Leben ginge keinen Reim darauf
machen kann, warum ich mit so einem Karass verflucht
sein sollte. Was soll ich mit diesen Leuten erreichen?
Ich frage mich, was passieren
würde, wenn man ein Mitglied seines Karass
umbringen würde. Oder sogar zwei von ihnen. Oder alle. Was würde passieren,
wenn man sie alle umbringt?
Das ist eine der vielen Fragen,
über die ich in den letzten zwölf Stunden nachgedacht habe.
Allerdings ist die Wahrheit,
dass ich es mir nicht vorstellen kann, egal, wie sehr ich es auch versuche,
Scully umzubringen. Oder auch nur ihr wehzutun. Und Krycek
umzubringen würde ihr wehtun, aus welchen unheiligen Gründen auch immer. Also
kann ich das auch nicht tun. Das lässt mir nicht mehr viele Möglichkeiten
übrig.
Selbstmord hatte heute am frühen
Morgen relativ ansprechend ausgesehen, als das Bild davon, wie die beiden es
miteinander getrieben haben mein Bewusstsein zu überwältigen schienen. Aber
nach längerem Nachdenken erschien es mir zu erbärmlich. Ganz zu schweigen von
melodramatisch. Und dann würde sie es wissen. Und er auch. Sie würden wissen,
wie sehr sie mich im Inneren getötet haben und ich kann mir keine schlimmere
Zumutung für meinen Stolz vorstellen.
Also habe ich beschlossen, auf
die große Geste zu verzichten und mit dem Tag weiterzumachen, wie es geplant
war. Als wenn mein Herz gestern Nacht nicht in Stücke gerissen worden wäre.
Ich bin in die Cafeteria
gegangen und habe gefrühstückt. Ich habe mich normal unterhalten. Okay, es war
nicht gerade sehr normal. Wenn ich genau darüber nachdenke, war es noch nicht
mal eine Unterhaltung.
Worauf wollte ich gerade hinaus?
Ach ja, Normalität. Also gehe
ich jetzt dorthin, wo ich hingehen sollte. Heute sollte mein erster Arbeitstag
im Labor sein. Mit Scully. Dort werde ich heute erwartet und ich plane, mich
mit Klasse zu benehmen und Reife und, naja, Stolz.
Mehr Stolz, als ihn Scully neuerdings zu haben scheint. Was ist mit ihrem
Ehrgefühl passiert? Mit ihrer Integrität?
Ich werde mich nicht auf deren
Niveau herablassen. Ich werde besser sein als das.
Das ist jedenfalls der Plan.
Ich werde mich ihr nicht zu
Füßen werfen und sie anflehen, ihn zu verlassen. Ich werde nicht schreien, mit
den Füßen stampfen und eine Szene machen. Ich werde nicht weinen, wenn ich ihr
Gesicht sehe.
Ich wiederhole diese Sätze immer
und immer wieder, während ich zum Labor gehe. Und als ich dort angekommen bin,
habe ich mich fast selbst davon überzeugt, dass das möglich ist. Und dann höre
ich sie.
Nein, nicht *sie*. Scully, ja.
Aber nicht ihn. Sie spricht mit einer anderen Frau. Sie stehen an einem großen
Becken, waschen Untersuchungsgeräte ab und unterhalten sich. Ich denke, dass
der Name der Frau Roseanne ist. Ich habe sie schon hier gesehen.
Ich gehe hinein und knalle die
Tür hinter mir zu. Nur, um meine Anwesenheit deutlich zu machen. Nicht, um eine
Szene zu machen. Ehrlich.
Beide drehen sich um und lächeln
mich nervtötend an.
"Hi,
Mulder", sagt die verräterische, hinterhältige Schlampe und ich grinse
gespielt zurück. Okay, das wird schwieriger, als ich gedacht hatte.
"Äh, ich denke, wir sollten
dir erst mal alles zeigen, hm?"
"Nehme ich an."
"Oh, darf ich die Grande Tour
führen?" fragt Roseanne und zwinkert mich widerwärtig an. Warum ist diese
Frau hier? Vielleicht geht sie weg, wenn ich sie ignoriere.
"Also Scully, was ist das
genau, was wir hier tun werden?"
Sie sieht verwirrt aus. Ich
weiß, wir haben vorher schon darüber geredet. Zur Hölle, diese ganze Sache war
meine Idee. Ich habe nur einfach nicht erwartet, dass noch jemand hier sein
würde.
Scully's Wangen sind pink. Und ihre Augen
glitzern. Sie glüht. Wunderschön. Wunderschöne Schlampe. Ich liebe sie.
Verdammt noch mal.
"Naja, wir werden...wir
werden einige Untersuchungen an deiner physiologischen Ausstattung vornehmen,
Mulder. So wie du vorgeschlagen hast..."
"Und wann kommt das 'wir'
ins Spiel, Scully? Ich dachte du leitest das Projekt."
Ich starre Roseanne an und sie
tritt unruhig von einem Fuß auf den anderen. Möglicherweise überreagiere ich
hier ein ganz kleines bisschen. Es ist nicht ihre Schuld. Ich kenne sie noch
nicht mal. Ich sollte mich wirklich beruhigen. Vielleicht hätte ich heute doch
nicht herkommen sollen.
"Das tue ich, Mulder.
Roseanne ist meine Assistentin."
"Assistentin?"
"Ja, Assistentin, Mulder.
Sie ist Wissenschaftlerin. Was genau ist das Problem dabei?"
"Kein Problem, Scully. Ich
möchte nur sicher gehen, dass ich genau weiß, was hier vorgeht. Ich möchte über
nichts im Dunkeln gelassen werden."
"Ich werde mal gehen ...
und die Mikroskope sauber machen", murmelt Roseanne und verlässt schnell
den Raum. Ich nehme an, dass ich das erreichen wollte, auch wenn ich nicht
genau weiß, warum.
"Mulder, wir haben darüber
gesprochen. Warum bist du so unhöflich zu Roseanne?" flüstert Scully in
ihrem am schlimmsten nörgelnden Tonfall.
"Ich bin nicht
unhöflich."
"Mulder..."
"Okay, schön, ich fühle
mich nur nicht ganz wohl dabei, wenn sie hier ist, das ist alles."
"Warum nicht?"
"Ich dachte, wir würden
allein sein. Das niemand anders da sein würde, der uns im Weg steht."
"Mulder, sie arbeitet hier!
Sie wird uns nicht im Weg sein. Sie wird helfen."
Ich denke ich sollte
wahrscheinlich gehen. Das funktioniert nicht so, wie ich es vorhatte. Nicht im
Geringsten.
"Mulder, ich sehe das
Problem wirklich nicht. Ich weiß, dass du schön mit den anderen Kindern spielen
kannst, wenn du nur willst."
Sie lächelt mich nach ihrem
kleinen Witz an. Ich habe sie nie zuvor wirklich schlagen wollen. Niemals. Der
Gedanke ist mir so abscheulich. Und trotzdem, gerade jetzt...
Ich muss hier raus.
"Schön spielen, richtig.
Hey, vielleicht lassen sie mich ja sogar der Schwimmmannschaft beitreten",
murmle ich in meinen Bart und bewege mich Richtung Tür.
Ich spüre, wie ihre kleinen
Finger meinen Arm umschließen und ziehe ihn instinktiv zurück.
"Mulder, was ... was ist
los?"
Ich sehe nach unten in diese
Augen, Augen von denen ich dachte, dass in ihnen die Antworten auf alle meine
Fragen liegen würden, meine Wahrheit, meine Erlösung. In der letzten Nacht habe
ich gesehen, wie diese Augen einen meiner schlimmsten Feinde angesehen haben.
Mit Begehren. Vielleicht sogar mit Liebe. Und ich kann einfach nicht mehr still
sein.
"Hättest du es mir jemals
gesagt, Scully? Oder hättest du einfach gewartet, bis ich mich total zum
Idioten gemacht hätte?"
Zu ihrer Ehre muss ich sagen,
dass sie scheinbar nur wenige Sekunden braucht, um zu verstehen, worüber ich
rede. Es ist ziemlich offensichtlich, wann ihr ein Licht aufgeht. Sie presst
ihre Augen zu und ihr ganzer Körper scheint zusammenzusinken.
"Oh...Mulder, ich wol...ich hätte..."
Genau. Die Geschichte habe ich
gehört. Ich hatte nur noch keine Zeit.
"Scully, weißt du ... GOTT!
Weißt du, was ich durchgemacht habe, um hierher zu kommen? Was ich wollte...der
ganze...eigentliche Grund, aus dem ich her gekommen bin?"
"Mulder, ich weiß, dass du
meinetwegen hergekommen bist. Und es tut mir Leid. Es tut mir Leid, dass ich
nicht völlig ehrlich zu dir gewesen bin. Ich nehme an ... ich nehme an ich
hatte einfach Angst. Es tut mir wirklich sehr Leid."
"Leid. Es tut dir Leid. Es
tut dir Leid, dass du mir nicht gesagt hast, dass du mit Alex Krycek VÖGELST?! Es tut dir Leid, dass das nicht die erste
verdammte Sache war, die aus deinem Mund gekommen ist?!"
Was habe ich vorhin darüber
gesagt, keine Szene machen zu wollen. Gott Scully, lass mich einfach in Ruhe.
Lass mich einfach hier rausgehen, bevor ich etwas *wirklich* dummes sage.
"Ja, Mulder, es tut mir
Leid. Es ist nicht gerade einfach, das zu sagen. Aber ich...ich habe keine
Entschuldigung. Es tut mir Leid."
"Scully ich..."
Ich weiß noch nicht einmal, was
ich sagen soll. Sie sieht so traurig und reuevoll aus und so beschämt.
Vielleicht hat sie es mir nicht erzählt, weil sie wirklich mit ihm Schluss
machen will. Vielleicht hat er irgendetwas gegen sie in der Hand, um sie bei
sich zu halten. Oder er hat sie einer Gehirnwäsche unterzogen.
Mein Gott, was stimmt mit mir
nicht? Bin ich so erbärmlich, dass sie mich nur auf eine bestimmte Weise
ansehen muss, um mich wieder zu einen Haufen
illusionären Brei zu machen?
"Scully, ich verstehe
einfach nicht warum. Ich meine wie? Es ist...mein Gott, Scully, es ist Alex Krycek!"
"So und was soll das
heißen?" fragt sie, auf einmal empört. Warum habe ich überhaupt gefragt.
Ich kann nicht hier stehen und zuhören, wie sie den Bastard verteidigt.
"Mulder, du ... du kennst
ihn nicht mehr. Ich weiß nicht, ob du das je getan hast. Er war...er war für
mich da. Er ist ein guter Mensch. Nicht der Mensch, für den du ihn
hältst."
Ich frage mich, ob sie hier
irgendwo ein Mauseloch haben, in das ich mich verkriechen kann.
"Also was Scully, du
steigst mit einem Typen ins Bett und plötzlich weißt du alles über ihn?"
Nun sieht sie richtig stinksauer
aus. Das freut mich. Ich möchte, dass sie fühlt, was ich fühle. Natürlich würde
es, um das wirklich zu erreichen noch eine ganze Menge mehr benötigen. Zuerst
müsste ich eine Frau auftreiben, die sie absolut nicht ausstehen kann, um mit
dieser dann direkt auf dem Fußboden vor ihr Sex zu haben.
"Denkst du, dass es so ist,
Mulder? Dass ich einfach mit ihm ins Bett steige, wie irgendeine Nutte?"
Ich wünschte das wäre das, was
ich gedacht habe. Ich wünschte ich könnte ihr sagen, dass ich das gedacht habe.
Das würde sie wirklich verletzen. Aber ich kann es nicht. Ich weiß, dass sie
nicht so ist.
"Nein...Scully, nein. Ich
denke...denke nur, dass er vielleicht deine Situation ausgenutzt hat. Dich ...
ausgenutzt hat."
"Oh, jetzt bin ich also
irgendeine erbarmungswürdige Maid, so hilflos, dass sie keine eigenen
Entscheidungen treffen kann? Denkst du, dass es *so* ist? Dass ich keinen
eigenen Willen habe?"
Warum muss sie mir auf diese
Weise die Worte im Munde umdrehen? Gott, sie hat das immer schon getan. Mir nie
zugehört.
"Er hat meinen Vater
umgebracht, Scully..."
Darauf hat sie keine
schnippische Antwort parat. Ich hatte schon fast erwartet, dass sie mir seine
Version davon auftischen würde, aber sie dreht sich einfach weg und beginnt,
mit einigen Thermometern neben dem Becken zu hantieren.
"Sieh mal, Mulder, ich weiß
nicht, was du erwartet hast. Du bist sechs Jahre lang verschwunden gewesen.
Sechs *Jahre* Mulder. Du hast mich in dem Glauben gelassen, dass du tot bist
und ich hätte was tun sollen? Mein ganzes Leben lang auf irgendeinen
himmlischen Besuch von dir warten oder so was?"
"Naja, ich hatte einfach
nicht erwartet, dass es DAZU kommen würde, Scully!"
Sie dreht sich schnell um und
ich bemerke, dass ihre Augen feucht sind. Ich frage mich, ob es meine auch
sind. Ich hoffe nicht.
"Es tut mir Leid, dass ich
dir nicht früher davon erzählt habe, Mulder. Aber ich werde mich nicht bei dir
dafür entschuldigen, dass ich mein Leben weitergelebt habe. Nur weil dir
zufällig nicht passt, wen ich mir ausgesucht habe, um dieses Leben
weiterzuleben."
Okay, das ist sehr logisch. Ihr
Denken ist so präzise. Ich bin so beeindruckt von ihrer immer gegenwärtigen
Gabe, direkt zum Kern der Sache vorzudringen. Zu schade, dass sie dabei auch
gleich meine Seele mit durchbohrt.
"Ich habe fünf Jahre lang
um dich getrauert, Mulder. Wollte niemand an mich heranlassen. Und vor einem
Jahr habe ich mich endlich entschlossen, weiterzuleben. Zu versuchen, etwas von
dem Glück abzubekommen, von dem ich dachte, dass du es für mich gewollt
hättest."
Vor einem Jahr? Treibt sie es
mit ihm schon ein ganzes Jahr? Gott...
"Scully, natürlich möchte
ich, dass du glücklich bist. Das ist alles, was ich immer gewollt habe."
"Ich weiß das. Und es war
schwer. Aber ich bin es gewesen. Ich bin glücklich gewesen."
Was soll ich dazu sagen? Soll
ich hier stehen und ihr ihr Glück missgönnen, nach
allem, was ich getan habe? Nach allem, was ich verdorben habe?
"Er macht dich wirklich ...
glücklich? Nach allem, was er getan hat?"
"Ja Mulder, das tut er. Er
ist gut zu mir und er hat wundervolle Dinge für die Leute hier getan."
Alles was ich tun kann, ist sie
anzustarren. Zusehen, wie dieser Quatsch aus ihrem Mund kommt und zu versuchen,
mein Frühstück nicht wieder hochzubringen.
"Ich...ich muss
gehen."
Ich muss weit weggehen. Ich
möchte nicht Mitglied des Alex Krycek Bewunderungs Vereins werden. Ich möchte mir das nicht mehr
anhören. Ich möchte sie nicht mehr jeden Tag sehen und wissen, zu wem sie
abends nach Hause geht.
"Mulder, ich würde...ich
hätte es gern, wenn du bleibst. Ich meine ich hoffe, dass du uns jetzt deswegen
nicht verlassen wirst."
Verdammt. Warum musste sie das
sagen? Lass mich einfach gehen, Scully. Schmeiß mich raus. Mach irgendetwas
furchtbares, so dass ich dich hassen kann.
"Ich weiß nicht..."
"Ich ... ich mag es, wenn
du hier bist, Mulder. Ich habe dich vermisst."
Mein Gott, halt die Klappe,
Scully! Halt die Klappe!
"Und wir könnten deine
Hilfe wirklich gebrauchen. Ich könnte das."
"Was ist denn das? Die großartige
Dr. Scully braucht *meine* Hilfe?"
Sie lächelt mich an und mein
Herz verknotet sich. Was tue ich?
"Und ich habe immer
gedacht, Dana Scully braucht keine Hilfe."
"Naja, du weißt schon, ein
Heilmittel gegen Krebs finden und das alles. Das ist schwere Arbeit."
Ich stelle fest, dass ich
zurücklächle wie ein Idiot und immer noch keine Ahnung habe, was ich tun soll.
Das fühlt sich so gut an.
"Also, wirst du
bleiben?" fragt sie mich und ich zucke mit den Schultern und nicke und
dann umarmt sie mich. Sie umarmt mich. Das ist so gut. Gott, es ist so
unerträglich lange her, seit sie in meinen Armen gewesen ist. Alle Mauern, die
ich in der letzten Nacht aufgebaut habe, um mich vor ihr zu schützen, brechen
zusammen und sie ist wieder überall in mir.
Warum muss sie so...so Scully
sein?
Warum muss sie sich immer noch
um mich kümmern?
Ich nehme an, dass das ziemlich
blöde Fragen sind. Das wichtigste ist, werde ich
jemals aufhören können, sie zu umarmen? Werde ich sie jemals loslassen können?
Ich denke nicht.
Ende Kapitel 7
XXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 8
Vor ungefähr acht Jahren habe
ich am O'Hare Airport eine Frau kennen gelernt, die sagte, ihr Name wäre Susan.
Sie war hübsch und ich war einsam, auf einem Zwischenstop
zwischen Kalifornien und New York. Es war eine sehr stressige, verrückte Zeit
in meinem Leben. Ich hatte kaum Zeit zum Atmen, ganz zu schweigen davon, mir
Sexualpartner zu suchen. Susan kam ziemlich unverhohlen auf mich zu und ich war
unvorsichtig genug, und habe meine Selbstverteidigungsmechanismen lange genug
ausgeschaltet, um sie in mein Hotelzimmer einzuladen.
Wir hatten Sex und es war
ziemlich gut. Keine lebensverändernde Erfahrung, aber
es hat mir die Zeit vertrieben, in der ich auf meinen nächsten Flug gewartet
habe und hat mir die kurze Illusion von menschlichem Kontakt verschafft. Dann
bin ich eingeschlafen. Das war mein Fehler. Sie war immer noch im Zimmer. Keine
Ahnung, wie das passiert ist.
Ich bin von dem Geräusch
raschelnden Papiers aufgewacht. Sie hat meine Tasche durchsucht. Rückblickend
würde ich sagen, dass sie nach Bargeld gesucht hat. Damals war ich ziemlich gut
angezogen, Seide und Leder und all das, und sie sah aus, als wenn sie ihre
Sachen bei Aldi gekauft hätte. Aber ich habe ein paar ziemlich gefährliche
Geheimnisse bewacht. Ich bin von ein paar ziemlich gefährlichen Leuten verfolgt
worden. Ich hatte gedacht, dass sie vielleicht für meine Feinde arbeiten würde.
Ich dachte...nein, ich habe nicht gedacht. Ich habe reagiert. Ich habe sie
erschossen.
In dem Alptraum, der in letzter
Zeit immer wieder kehrt, stehe ich über Susans Körper, beobachte, wie das Blut
aus ihrer Stirn fließt und sehe ihr beim Sterben zu, während sich ihr Gesicht
langsam in das Gesicht der Frau verwandelt, die mir gerade gegenüber sitzt. Das
beunruhigendste an diesem Traum ist das, was ich
empfinde, während ich sie sterben sehe. Nicht den Horror, den man erwartet
würde, sondern ein eher oberflächliches Bedauern. Ein großes kosmisches Uuups. Ähnlich dem Gefühl das ich hatte, als ich auf
Melissa Scullys Körper schaute. Falsche Schwester. Uuups.
Hau besser ab.
Natürlich quält mich in meinen
wachen Stunden dieser Vorfall in etwas so, wie ein Erlebnis von Todesnähe. Ein
Erlebnis von Todesnähe, das man nicht als solches erkennt, bis lange nach dem
es passiert ist. Ungefähr so wie nach einem Autounfall, einem, den man durch
seine eigene Dummheit, Schwerfälligkeit, Fahrlässigkeit oder was auch immer
verursacht hat und sich vielleicht nur den Kopf gestoßen hat oder so was,
nichts ernstes und man geht nach Hause und ins Bett
und wacht mitten in der Nacht auf und denkt "Mist, ich habe mich fast
selbst umgebracht." Ich habe das jede Nacht getan. Seit Jahren.
Es gab eine kurze Zeit in meinem
Leben, als ich in Frieden gelebt habe. Als die Kolonisation begonnen hatte, als
die Welt draußen alle Überreste von Verstand und Stabilität verlor, habe ich
mich innerlich langsam stabilisiert. Endlich gab es keine Geheimnisse mehr,
keinen Grund, eine Frau zu ermorden, nur weil sie glaubte, meine Sachen
durchwühlen zu müssen. Ich war frei. Es war befreiend zu sehen, dass alles zur
Hölle ging und ich wusste, dass es mir gut gehen würde. Besser als jemals
zuvor.
Ich habe diesen Frieden, diese
Freiheit für eine ziemlich lange Zeit behalten. Ich habe sie verloren, als ich
mich in Dana verliebt habe. Als ich bemerkte, dass es jetzt mehr Geheimnisse zu
bewahren galt, mehr Teile meines Lebens, die ich vergessen musste. Ich möchte,
dass sie mich für all das liebt, was ich bin, doch ich weiß, dass sie das nicht
kann. Sie weiß es auch, deswegen lässt sie mich nicht mit ihr über diese Dinge
reden. Ich lebe in der Angst, dass sie sich eines Tages daran erinnert, wer ich
früher war. Sie kann es niemals akzeptieren, aber es ist ein Teil von mir.
Ich habe den Frieden und die
Furchtlosigkeit verloren, aber ich habe so viel gewonnen. Ich nehme an, dass
die Angst zusammen mit allem Guten im Leben eines Menschen Hand in Hand geht.
Die Angst, dass du das Gute verlieren wirst. Mein Vater hat mir gesagt, dass es
immer besser ist, arm zu sein, als reich. Ein armer Mann muss sich nur um Neid
Gedanken machen, aber der Reiche lebt in ständiger Angst vor der Welt.
Manchmal allerdings, manchmal
wird mir klar, dass das Gute dem Schlechten gegenüber überwiegt. In Momenten
wie diesem. Momente, die meine Alpträume nicht antasten können. Aber selbst
jetzt, hier in der Cafeteria sitzend und die Frau die ich liebe dabei
beobachtend, wie sie lächelnd einen Burger in sich hineinstopft, gibt es Dinge,
die ich nicht vergessen kann.
Dana ist eine wirklich
liederliche Esserin. Ich bemerke es nicht immer, aber es ist schwer, die
Saucentropfen an ihrem Kinn zu übersehen und das eigenartige Fleisch, das sie
heute unter ihren Fingernägeln hat. Man könnte denken, sie wäre diejenige, die
nur eine Hand zum Essen zur Verfügung hat. Es ist die bezauberndste
Sache der Welt.
Sie bemerkt, dass ich sie über
den Tisch hinweg anstarre und hebt neugierig eine Augenbraue. Sie würde denken,
dass ich das größte Weichei der Welt bin, wenn ich ihr sage, was ich denke.
Entweder das, oder sie würde denken, dass ich ihre Tischmanieren kritisiere.
Also sage ich nichts weiter, aber beobachte sie weiterhin verstohlen über mein
eigenes Mittagessen hinweg.
Eines der Dinge die ich über das
Verliebtsein gelernt habe, ist die Sache, dass wenn
man, wenn man verliebt ist, genau das Gegenteil von dem fühlt, was jeder
normale Mensch in einer bestimmten Situation fühlen würde. Ein normaler Mensch
würde denken, dass das ziemlich abstoßend ist und sich einen anderen
Tischgenossen suchen. Aber ich war nie ein normaler Mensch und jetzt bin ich
ziemlich sicher für unzurechnungsfähig zu erklären. Gut, dass wir keine
Gummizelle hier haben.
"Also, woran habt ihr heute
gearbeitet?" frage ich sie und sie wedelt als Antwort abwehrend mit ihrer
Hand vor ihrem Gesicht herum.
"Das übliche, du weißt
schon..." zuckt sie mit den Schultern. Ich nehme an, dass ich es weiß. Ich
versuche, nicht all zu viel darüber nachzudenken. Ich habe es vermieden, sie
deswegen zu fragen. Aber Tatsache ist, dass Mulder jeden Tag der letzten zwei
Wochen mit ihr zusammen in diesem kleinen Labor verbracht hat und ich nicht
aufhören kann, mich zu fragen, mir Sorgen zu machen. Sie redet nicht mehr so
viel über ihre Arbeit wie früher, teilt mir die Einzelheiten ihrer Tage nicht
mehr so leicht mit.
Sie sagte mir, dass er das über
uns herausgefunden hat, auch wenn sie nicht weiß, wie. Ich wusste er würde das
tun. Ich wusste, dass sie nicht die Chance bekommen würde, es ihm zu sagen. Ich
bin mir nicht sicher, warum es so einen bedeutenden Unterschied für mich
darstellt, obwohl mir klar ist, warum es ihn stinksauer macht. Ich nehme an,
ich wollte nur, dass sie stolz darauf ist, dass es etwas ist, was sie ihm
vorweisen könnte als das, was sie jetzt ist, nicht als etwas, das sie gehütet
hat wie ein schmutziges kleines Geheimnis.
Jedenfalls spielt es jetzt keine
Rolle mehr. Er weiß es. Ich habe sie gefragt, wie er es aufgenommen hat und sie
sagte "gut". Was das bedeuten mochte, kann ich nur raten. Eine Sache
ist allerdings sicher. Er geht nicht weg.
Wir haben es bis jetzt
fertiggebracht, uns aus meistens aus dem Weg zu gehen und wenn wir uns sehen, knurren kaum ein Wort des Erkennens. Deswegen ist ein
völliger Schock für mich als ich ihn sehe, wie er absichtlich durch die
Cafeteria auf unsern Tisch zu läuft.
Zuerst befürchte ich, dass er
etwas "wichtiges" mit Scully zu diskutieren hat oder so und das er
sie wieder ins Labor zurückschleppen wird, bevor sie überhaupt ihr Mittagessen
aufessen kann. Aber das tut er nicht. Stattdessen sieht er mich direkt an und
fragt, "Scully, hättest du etwas dagegen, wenn ich kurz mit Krycek spreche?"
Dana sieht so durcheinander aus
wie ich mich fühle und auch ein bisschen verängstigt.
"Entschuldigst du uns für
einen Moment?" fragt er uns setzt dabei den widerwärtigen Gesichtsausdruck
eines geschlagenen Hündchens auf.
"Äh..." sie sieht zu
ihm auf und wieder zu mir und Angst ist jetzt auf jeden Fall die dominierende
Emotion in ihrem Gesicht.
"Es ist in Ordnung",
sage ich zu ihr, da ich sie nicht unbedingt in seiner Gegenwart haben will,
wenn ich etwas dagegen tun kann. Sie nickt langsam, trennt sich von ihrem Stuhl
und ihrem Sandwich und zieht sich in Richtung Salatbar zurück, aber beobachtet
uns weiterhin bei jedem Schritt. Ich nehme an, dass sie denkt, dass es subtil
ist, wie sie sich hinter den Suppentöpfen versteckt. Sie hätte eine schlechte
Spionin abgegeben.
Ich frage mich, was sie
erwartet. Eine Unterstufen Speisehallen Schlägerei vielleicht. Doch so sehr ich
den Bastard gern schlagen würde, bis sein Gesicht blau wird, ich habe mir
geschworen, nie wieder auf diese Art die Kontrolle zu verlieren. Ganz besonders
nicht hier in aller Öffentlichkeit. Ich weigere mich, meine Autorität von
diesem schwarzblütigen, erbärmlichen Mutanten unterminieren zu lassen.
"Also hör zu, Krycek, ich wollte ohne Scully mit dir reden weil..."
Seine Augen sehen sich nervös um
und er entdeckt sie, wie sie uns beobachtet und sie konzentrieren sich einen
Augenblick lang auf sie. Er steht immer noch da, schwebt bedrohlich über mir,
als wäre er ein Albatross oder so.
"Warum setzt du dich
nicht?" frage ich, aber es ist keine wirkliche Frage. Er tut es und sitzt
mit nun Auge in Auge gegenüber. Ich schiebe mein Tablett weg, weil ich nicht
meine Essensreste zwischen uns stehen haben möchte. Aus irgendeinem Grunde
erscheint mir die glibberige Soße wie eine Schwäche.
Er seufzt und schließt seine
Augen und ich bemerke, dass seine Haut sich zu einem kranken Grün verfärbt hat.
Er ist eine lächerlich lange Weile still und wenn ich eine Uhr tragen würde,
würde ich draufstarren.
"Mulder, was ist hier das
Problem?" belle ich ihn schließlich an, ein bisschen lauter als
beabsichtigt. Seine Augen fliegen auf und er sieht aus, als wenn er gerade aus
einem Alptraum aufgewacht wäre.
"Krycek,
sieh mal ich...ich weiß, dass du und Scully eine ... einen besondere Situation
hier habt..."
Naja, sieht so aus, als hätte
der Alptraum gerade erst angefangen.
"Besondere Situation",
wiederhole ich, unsicher, ob ich ihn richtig verstanden habe. Wir starren uns
über den Tisch hinweg an, jeder versucht den anderen dazu zu bringen, sich zu
erklären. Er bricht die Stille zuerst, räuspert sich, um die Spannung zu lösen.
"Wie auch immer, aus
Gründen, mit denen ich mich abzufinden habe, scheint sie glücklich damit zu
sein." Er sieht auf seine Hände und fügt leise hinzu, "Mit dir."
Verdammt richtig, Arschloch.
Instinktive Reaktion, die ich versuche nicht auf meinem Gesicht sehen zu
lassen.
"Also, äh, denke ich, dass
wir hier zu so einer Art Einverständnis kommen sollten."
"Was für eine Art Einverständnis?"
"Ein ... ein
Waffenstillstand, ich denke man könnte es so nennen."
Waffenstillstand? Sind wir im
Krieg? Wie haben seit einem Monat noch nicht einmal miteinander gesprochen.
Kalter Krieg vielleicht.
"Was würde das genau
enthalten?"
Er sieht verwirrt aus und sieht
wieder zu Scully hinüber, als wenn er ihre Unterstützung suchen würde. Hat sie
ihn dazu überredet? Vielleicht. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass er das
tut, um ihr zu imponieren, weil er denkt, dass es das ist, was sie will. Ihr zeigen,
was für ein erwachsener Mann er ist. In jedem Falle scheint er nicht lange
darüber nachgedacht zu haben, weil er keine Antwort auf die Frage parat hat.
"Ich denke ... ich denke
nur, dass wir uns unserem Alter entsprechend verhalten sollten, Krycek. Nicht wie ein paar Teenager, die sich um ihre
Aufmerksamkeit balgen."
Er lehnt sich mit einem
selbstzufriedenen Gesichtsausdruck in seinem Stuhl zurück, wartet darauf, dass
ich anbeiße und zu diesem Teenager werde. Das werde ich nicht tun. So sehr er
dazu fähig ist, mich innerlich zu diesem Ort zu bringen, ich werde es niemals
zeigen. Es ist ein ständiger Kampf. Ich nehme an, dass ich ihm deswegen die
ganze Zeit so aus dem Weg gegangen bin. Ich weiß nicht genau, wie ich erklären
soll, was er mir antut. Ich nehme an es ist irgendwie der Johnny Birch Situation ähnlich.
Johnny Birch
ist mit mir zusammen in die Grundschule gegangen. Er war der coolste in der
fünften Klasse. Alle Mädchen haben ihm auf Verlangen ihre Unterwäsche gezeigt
und er könnte Würmer essen ohne auch nur zu zucken. Er war mein Idol und er
hielt mich für ein Stück Dreck, noch nicht einmal wert, von den Sohlen seiner
billigen Turnschuhe gewischt zu werden. Ich bin ihm wie ein Dackel
hinterhergelaufen, ich machte seine Art nach, sich zu kleiden, seinen
nervtötenden europäischen Akzent, alles. Trotzdem war ich ihm niemals gut
genug. Er ging auf eine andere Junior High School und ich bin schließlich
selbst sehr beliebt geworden, als ich endlich von Johnny weg war. Aber er hatte
eine Freundin an meiner Schule und manchmal kam er sie besuchen. Und wann immer
er im Gebäude war, war es so, als würde mich ein Verlierer-Kraftfeld umgeben.
Ich verwandelte mich zurück in mein kriecherisches, Verlierer-Ich und musste
mich während der Mittagspause auf der Toilette vor meinen Mitschülern
verstecken, damit ich mich nicht völlig selbst blamierte.
Lange, blöde Geschichte, aber es
ist der beste Vergleich, der mir im Moment einfällt. Mulder bringt mich zu
einer Zeit zurück, in der ich Menschen umgebracht habe, weil die mein Gelumpe
durchwühlt haben. Er zieht mich runter.
"Ich habe kein Problem
damit, Mulder, aber du musst hier etwas verstehen. Die Dinge sind anders. Sie
ist anders. Du kannst nicht erwarten, dass deine Beziehung mit ihr wieder so
wird, wie sie war."
"Ich...ich weiß das. Sie
scheint...glücklich zu sein.", windet er sich wieder um das Wort, fügt
aber hinzu, "Das ist alles, worum es mir geht. Alles, worum es mir jemals
ging..." und dann sieht er hoch zu einem entfernten Punkt an der Wand.
"Naja, dann haben wir ja
kein Problem, oder?"
"Nein, ich, äh, ich nehme
an nicht."
Ich warte darauf, dass er
endlich geht aber er bleibt ärgerlicherweise immer noch da.
"Du hast mehr Glück als
Verstand. Ich hoffe, dass dir das klar ist", sagt er schließlich. Das ist
ein interessanter Waffenstillstand.
"Das musst du mir nicht
sagen, Mulder."
Er lacht und mir bewusst, wie
defensiv und bissig ich klinge.
"Entspann dich, Mann. Das
ist es, was ich versuche, dir zu sagen. Du musst dir um nichts Sorgen
machen."
"Ich möchte nur, dass du
verstehst, dass das hier Ernst ist. Es ist kein Spiel für mich. Ich liebe
sie."
Mulder macht ein angewidertes,
schmerzverzerrtes Gesicht und kaut auf der Innenseite seiner Wange. Ich weiß
nicht warum, aber es fühlt sich wirklich gut an, ihm das zu sagen. Endlich.
"Das ist mir klar. Ich ...
ich liebe sie auch", stottert er und ich habe wieder das Gefühl, ihn
schlagen zu wollen. "Deswegen bin ich bereit, sie gehen zu lassen."
Wie großzügig von ihm. Wie nett.
"Ich denke nicht, dass du
die Wahl hast."
Er starrt mich eine Weile
ausdruckslos an und nickt dann kläglich.
"Sieh mal, ich bitte dich
ja hier nicht, mein bester Freund zu werden, Krycek.
Ich denke nur, dass wir ihr zuliebe, wie zivilisierte Menschen miteinander
umgehen sollten."
Er steht auf und streckt seine
Hand aus und ich habe nicht wirklich die Wahl, weil ich denke, dass jeder an
diesem Ort uns jetzt beobachtet. Ich schüttle kurz seine Hand und der Raum wird
mucksmäuschenstill, bis auf ein kleines "Oh mein Gott", das von irgendwo
in der Nähe der Salatbar kommt.
Ich kann ein leises Lachen
deswegen nicht unterdrücken. Mulder setzt sich wieder hin und die Leute fangen
wieder an, sich zu unterhalten und sich zu bewegen, Krise abgewendet.
"Also, Krycek.
Ich bin willens, hier mit dir zusammenzuarbeiten. Ich meine ich möchte dir in
jeder möglichen Hinsicht helfen."
"In *jeder* Hinsicht? Was
denkst du darüber, als Testobjekt bei der Entwicklung der biologischen Waffen
zu fungieren?" mache ich einen halbherzigen Scherz.
"Also ihr versucht wirklich,
hier eine biologische Waffe zu entwickeln? Hältst du das für eine gute
Idee?"
"Es ist die einzige
Möglichkeit, sie loszuwerden, Mulder."
Selbst ihm muss das doch klar
sein. Es scheint allerdings nicht so. Er bekommt wieder diesen
schmerzverzerrten Gesichtsausdruck.
"Sie los werden, aber um
welchen Preis?"
Ist das auch Teil unseres
Waffenstillstandes? Hat ihm unser Händeschütteln die Erlaubnis gegeben, alles
in Frage zu stellen, was ich tue?
"Um jeden Preis."
"Ist dir klar, wie
gefährlich das für deine Gruppe ist, Krycek? Für die
Leute, die die Waffen entwickeln, die Kinder, die hier leben..."
"Wir haben die notwendigen
Vorsichtsmaßnahmen getroffen."
Der eigentliche Punkt ist es,
ein Gift zu entwickeln, das *nicht* gefährlich für *uns* ist. Natürlich wäre
Mulder im Falle unseres Erfolges sicher in Gefahr.
"Ich frage mich, ob ihr
euch am Ende vielleicht selbst zerstören könntet, bevor die euch überhaupt
kriegen."
"Also, was schlägst du vor,
Mulder?"
Warum ist er immer noch hier und
spricht mit mir? Ich denke unser "Waffenstillstand" würde wesentlich
besser funktionieren, wenn wir uns weiterhin aus dem Weg gehen würden.
"Keine Ahnung, Krycek. Ich will dir hier ja nicht widersprechen. Ich frage
mich lediglich, was deine Strategie ist."
"Strategie? Mulder, ich
versuche einfach, diesen Ort hier weiterhin funktionsfähig zu halten. Diese
Menschen am Leben zu halten."
Kurzsichtig vielleicht, aber es
nimmt tatsächlich meine ganze Zeit in Anspruch.
"Du arbeitest für die Alien
Rebellen, stimmt's?"
Der Widerwillen in seiner Stimme
ist offenkundig. Ich kann die Anklage hören, unausgesprochen, aber
überwältigend. Die meisten Aufträge, die wir für diese Bastarde zu erledigen
haben, bestehen daraus, Leute wie Mulder en masse umzubringen.
"Du denkst, das wird euch
auf lange Sicht hin helfen?"
Plötzlich überkommt mich eine
lebendige Erinnerung daran, wie ich damals vor all den Jahren herausgefunden
habe, dass Mulder "tot" ist. Ich erinnere mich daran, wütend gewesen
zu sein, reuevoll, dass er nicht mehr in der Lage sein würde, vor meiner Tür
aufzukreuzen und mir zu sagen, um wie vieles besser er diesen Ort führen
könnte. Ich erinnere mich an das Gefühl, dass sein Tod mir etwas von meiner
Hoffnung genommen hat. Gott, was für ein verdammter Idiot ich damals war.
"Es hilft uns jetzt. Sie
geben uns die Güter, die wir brauchen."
"Aber wie lange? Ich meine,
vertraust du ihnen wirklich? Weißt du überhaupt, warum sie euch benutzen, um
deren Dreckarbeit zu erledigen? Es ist ja nicht gerade so, dass sie es nicht
selbst tun könnten. Und sehr viel effizienter."
Denkt er, dass ich über all das
nicht schon nachgedacht habe? Dass ich irgendwie unzurechnungsfähig bin? Um
Himmels Willen, es ist nicht so, dass wir hier eine riesengroße Menge an
Möglichkeiten gehabt hätten.
"Also, was denkst du, wo
wir die ganzen Sachen herbekommen sollten, die wir zum Leben brauchen, Mulder?
Auf dem Wochenmarkt?"
"Du hast eine Farm hier, Krycek. Ich denke, dass alles im Moment ohne sie ganz gut
läuft."
"Bis die uns umbringen,
weil wir ihnen den Rücken zugekehrt haben."
Er redet wieder, aber ich kann
nicht mehr zuhören. Ich muss mich eine Weile in mich zurückziehen und mich
wieder zusammennehmen. In meinen Ohren habe ich ein Klingeln, das sicherlich
den Anfang höllischer Kopfschmerzen darstellt und der alte Phantomschmerz ist
das erste Mal seit Monaten wieder zurück. Er macht mich körperlich krank. Mein
Gott, wenn es nicht wegen Dana wäre, dann wäre er bei seiner Ankunft schon tot
gewesen. Ich atme ein paar Mal tief durch und zerreiße die Serviette auf meinem
Schoß in eine Million und ein kleine Stückchen und fange wieder an ihm
zuzuhören.
"...also frage ich mich
nur, ob du dich hier vielleicht ein bisschen zu behaglich eingerichtet hast.
Dich dem Status Quo angepasst hast, verstehst du? Ich meine es ist
verständlich. Du hast hier eine großartige Sache laufen und natürlich willst
du, dass es so bleibt. Alles was ich sage ist ..."
"Ich *weiß*, was du sagst,
Mulder."
Jetzt hör endlich auf, es zu
sagen. Mein Gott, wo zum Teufel steckt Dana? Ich nehme an, sie ist immer noch
an der Salatbar und wartet auf den Beginn einer Essensschlacht.
Gott, woher kommt er überhaupt?
Kritisiert mich dafür, dass ich für die Rebellen arbeite und hat die letzten
sechs Jahre damit verbracht, Papierkram für die gottverdammten Kolonisten zu
erledigen. Ich hasse ihn.
"Vielleicht solltest du
damit anfangen herauszubekommen, warum der rauchende Hurensohn euch schon so
lange so weitermachen lassen hat. Ich kenne jemanden, der vielleicht in der
Lage ist, dir ein paar Informationen darüber zu geben."
"Und wer sollte das
sein?"
"Marita."
"Marita?"
Ich weiß nicht, ob ich lachen
oder ausspucken soll. Ich lache.
"Ich denke du kannst ihr
vertrauen, Krycek. Und ich denke, dass sie eine Menge
über die weiß."
"Ja, ja, sie ist wirklich
gut darin, jemanden *glauben* zu lassen, sie wüsste eine Menge. Sie weiß
überhaupt nichts. Und wenn sie etwas wissen würde, würde sie mir nichts darüber
erzählen. Und alles, was sie mir erzählen würde, wäre sowieso eine Lüge."
Ich hatte allerdings trotzdem
die Absicht, die zu vernehmen. Sie scheint in der letzten Zeit ziemlich gut
beieinander zu sein, dem nach zu urteilen, was ich so höre. Ich muss
herausfinden, was zur Hölle ich mit ihr anfangen soll.
"Naja, das ist jedenfalls
meine Empfehlung. Ich denke, dass sie dir helfen könnte. Du bist doch der große
Boss hier, richtig? Du kannst sie zum reden bringen, King Krycek."
Er macht ein vertrautes überhebliches Gesicht und nimmt sich einen Tater-Tot von Scullys Tablett und steckt es in seinen Mund.
"Sie kommt wieder, wie du
weißt."
"Ja, aber sie mag keine Tater-Tots."
"Doch das tut sie."
Er lacht und endlich, ENDLICH,
steht er auf und beginnt zu gehen.
"Weißt du, für jemanden,
der so viel Glück hat wie du bist du ziemlich verkrampft", sagt er, als er
an mir vorbeigeht.
Ich spüre etwas auf meinem Kopf
und will schon danach schlagen, weil ich denke, dass es eine Art Insekt ist.
Dann bemerke ich, dass es Mulders Hand ist, die meine Haare zerzaust.
"Du solltest hin und wieder
mal versuchen zu lächeln", sagt er jovial. Ich habe eine Waffe an meinem
Stiefel festgeschnallt. Ich könnte ihn gleich jetzt in den Rücken schießen,
während er aus der Tür geht. Es wäre so einfach. Wenn nur ...
"Was zum Teufel ist hier
gerade passiert?"
Wenn nur diese Frau nicht weinen
würde, wenn ich ihn umbringe.
Sie setzt sich dieses Mal neben
mich, anstatt mir gegenüber und nimmt meine Hand in ihre. Mir ist danach
zumute, sie auf meinen Schoß zu ziehen und sie ganz fest an mich zu drücken.
Ich will nicht, dass sie wieder ins Labor zurückgeht. Zu ihm.
"Ich bin nicht ganz sicher.
Erst wollte er mein Freund sein und dann wollte er mir all das sagen, was ich
falsch mache."
Sie lacht leise und schüttelt
ihren Kopf mit einer Mischung aus Unglauben und Amüsement. Ich frage mich, was
dazu nötig wäre, dass sie mir sagt, was ich richtig mache.
"Hey, möchtest du nach
Hause gehen und den Rest des Nachmittags frei nehmen?" ich lehne mich zu
ihr und flüstere ihr das ins Ohr. Ich sehe sie mit meinem besten "Fick
mich" Blick an, aber ich möchte wirklich einfach nur mit ihr ins Bett
kriechen, sie im Arm halten und sie mich berühren lassen, sie sagen hören, dass
sie denkt, dass ich die beste Sache seit Schnittkäse bin.
"Ich kann nicht, Alex. Ich
bin gerade bei etwas wichtigem. Tatsache ist, ich sollte zurückgehen."
"Bist du sicher?"
versuche ich wieder und küsse diesmal ihren Hals um es zu unterstreichen. Sie
lehnt sich zu mir und seufzt, ob vor Erregung oder Bedauern kann ich nicht
genau sagen.
"Mmmmsehr."
Sie dreht sich für einen kurzen
Kuss zu mir und dann ist sie auf ihren Füßen auf dem Weg nach draußen.
"Du hast heute etwas gutes
getan, Tschiwodnoje", sagt sie mir und dann geht
sie aus der selben Tür, aus der Mulder vor fünf
Minuten gegangen ist und lässt mich mit einem Haufen ungegessener Tater-Tots allein.
Ende Kapitel 8
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 9
Morgen habe ich Geburtstag. Ich
werde dreiundvierzig Jahre alt. Ich habe fast ein weiteres Jahre
geschafft.
Das erste Mal, als mir klar
wurde, dass ich an Krebs sterben würde, war es eine Art Schock. Es gab
Hinweise, ja, subtile Anzeichen über die Jahre hinweg, dass mir so eine Sache
als Folge aus meiner Entführung widerfahren könnte. Aber trotzdem, es war
nichts, was ich ernstlich als Möglichkeit in Erwägung gezogen hätte. Bis es
Realität geworden ist.
Als ich herkam, als mein Chip
entfernt wurde, wusste ich, dass er wiederkehren könnte. Es war ein Risiko, das
ich auf mich genommen habe, von dem ich das potentielle Ergebnis kannte und
völlig darauf vorbereitet war, der Krankheit wieder gegenüberzutreten, wenn es
notwendig werden sollte. In den ersten zwei oder drei Jahren war jeder Monat,
der ohne ein Zeichen davon vorbeiging, ein Segen für mich. Ein Geschenk. Aber
ich habe die Bedrohung immer noch leuchten sehen. Nach vier oder fünf Jahren
hat die Angst etwas nachgelassen. Ich habe mir gedacht, dass wenn ich wieder
krank werden würde, es schon längst passiert sein müsste. Ein paar von den
früheren Sklaven haben es bekommen, aber nicht alle von ihnen. Ich dachte ich
wäre eine von den glücklichen.
Im vergangenen Jahr sind meine
Sorgen über die Rückkehr des Krebses in den Hintergrund meines Bewusstseins
getreten. Ich habe weiterhin an einem Heilmittel gearbeitet, zum Wohle der
unglücklichen Individuen, die krank geworden waren, aber im allgemeinen
wurde ich dazu verleitet zu glauben, ich sei immun. Es hat so lange angehalten.
Und Alex...mit Alex zusammen zu sein, gibt mir manchmal das Gefühl, ich sei
unbesiegbar. Aber ich bin es nicht.
Ich habe heute morgen Nasenbluten bekommen.
Ich bin mit Kopfschmerzen
aufgewacht. Nein, es war wesentlich schlimmer als Kopfschmerzen. Es fühlte sich
an, als wenn mein Schädel in eine Million Teile zerplatzen würde. Ich denke ich
habe tatsächlich im Schlaf vor Schmerzen geweint. Als ich meine Augen öffnete
sah ich, dass Alex immer noch schlief und rollte mich leise aus dem Bett und
ging ins Bad. Ich spritzte mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht und als ich so
dort stand, über dem Waschbecken zusammengekrümmt, beobachtete ich, wie rote
Tropfen das Weiß des Porzellans zu färben begannen. Alles, woran ich denken
konnte war, wie ich diese Flecken wegwischen müsste und wo ich das Handtuch
verstecken könnte, das ich verwendet habe, so dass es Alex nicht sehen würde.
Es dauerte eine ziemlich lange
Zeit. Sehr viel länger als die, die ich das erste Mal hatte. Viel mehr Blut.
Die Kopfschmerzen waren eine Warnung nehme ich an. Sie kamen nicht völlig
überraschend, so wie es früher war. Das könnte gut sein. Könnte einfacher sein,
es zu verbergen, wenn sie auftreten.
Der Gedanke, ein solches
immenses Geheimnis vor Alex zu verbergen ist so furchtbar, aber ich weiß nicht,
was ich sonst tun sollte. Seine Reaktion auf die Krankheit wäre für mich
wesentlich schwerer zu handhaben, als die Krankheit selbst.
Ich erinnere mich an Mulders
Leugnen, seine Unfähigkeit, die Möglichkeit meines Todes in Betracht zu ziehen.
Manchmal hatte ich das Bedürfnis, ihn zu schütteln, ihn auf den Hinterkopf zu
schlagen und ihn anzuschreien, "Ich STERBE! Begreifst du das nicht?"
Es war frustrierend, aber es hat
für uns funktioniert. Vermeidung war das herausragende Kennzeichen unserer
Beziehung.
Alex leugnet nicht. Er würde es
akzeptieren. Er würde es glauben und völlig verstehen, was es bedeutet. Und dann
würde er wahrscheinlich verrückt werden.
Ich bin sicher, dass er sich
selbst die Schuld geben würde. Er war schließlich derjenige, der den Chip
rausgenommen hatte. Ursache und Wirkung. So arbeitet sein Verstand. Er würde
nicht in Betracht ziehen, dass ich diesen Weg selbst gewählt habe.
Dann würde er versuchen, einen
Angriffsplan auszuarbeiten. Eine Möglichkeit, die Krankheit zu töten, sie durch
puren Willen allein aus meinem Körper zu zwingen. Und wenn ihm klar werden würden, dass er das nicht kann, würde er sich dafür auch
selbst die Schuld geben.
Und dann würde er entscheiden,
dass ich in meinem Zustand nicht mehr arbeiten sollte. Dass ich überhaupt
nichts mehr tun sollte. Er würde mich in einer diesen lebensverlängernden
Blasen einschließen, wenn er könnte. Er würde mich verrückt machen mit seiner
Sorge und Überbeschützung und seinen Gefühlen der Hilflosigkeit. Wir würden uns
beide miserabel fühlen.
Wenn ich sterben werde, möchte
ich meine letzten Tage auf der Erde in relativem Frieden verbringen. Ich möchte
das, was ich habe genießen, ohne den unvermeidlichen Verlust davon betrauern zu
müssen. Ich möchte, dass Alex mich genießen kann, ohne dass dieses
Damoklesschwert über unseren Köpfen hängt.
Und vor allem möchte ich ein
Heilmittel finden. Ich werde ein Heilmittel finden. Er wird niemals davon
erfahren müssen. Ich werde ihn niemals diesen Schmerz fühlen lassen.
Nachdem die Blutung aufhört, bin
ich direkt ins Labor gegangen, als es noch nicht mal richtig dämmerte. Jetzt wo
ich hier bin, weiß ich nicht so recht, was ich mit mir anfangen soll. Ich fühle
mich dem Durchbruch so nahe, aber ich habe mich schon seit Ewigkeiten so
gefühlt. Ich habe an meinem Schreibtisch gesessen, seit ich hergekommen bin und
lese die Daten durch, die Roseanne in den letzten sechs Monaten aufgezeichnet
hat. Wir haben schon vor langer Zeit aufgehört, uns auf diese alten, klapprigen
Computer zu verlassen. Ich weiß, dass die Antwort irgendwo in diesen Seiten
steckt. Es ist einfach so, dass man ein und eins zusammenzählen muss.
Ich höre, wie sich die Tür
öffnet und schließt und Schritte, die sich in meine Richtung bewegen. Zu schwer
und laut, um Roseannes Schritte zu sein. Ich nehme an es ist Mulder.
Ret wacht aus seinem Schlummer in der Ecke
auf und steht auf, als er das Geräusch hört. Ich weiß nicht genau, warum ich
mich dazu entschlossen habe, ihn heute mit auf Arbeit zu nehmen. Ich nehme an,
ich brauchte einfach die Gesellschaft. Ich habe ihn von dem Krebs erzählt, als
wir hierher gelaufen sind. Er hat es gut aufgenommen.
Mulder findet seinen Weg durch
das Gewirr von Mikroskopen, Tabletts, Gewebeproben und anderen sortierten
Zubehör und erreicht meine kleine Denkerecke in dem großen Raum. Ret fängt an zu knurren und bleckt sofort seine Zähne und
mir fällt ein, dass Mulder noch nie meinen Hund getroffen hat.
"Ret,
nein! Sitz!"
Er tut das und Mulder schaut
zwischen uns hin und her, perplex.
"Entschuldige, er ist ein
bisschen übereifrig."
"Du hast einen Hund,
Scully?"
"Offensichtlich."
Er grinst mich sarkastisch an.
"Ret,
das ist Mulder. Mulder gut. Guter Mulder."
Er lacht und kniet sich hin um
ihn zu streicheln. Ret hechelt und hüpft glücklich
auf und ab, beruhigt durch meine positive Reaktion auf Mulders Anwesenheit.
"Hi
Rhett. Wo ist Scarlet?"
"Nicht dieser Rhett, Mulder. R.E.T. Ret,
Abkürzung für Ret...ikulaner."
Ich nehme an, dass ich die
Bedeutung dieses Namens fast vergessen habe, die er zu der Zeit für mich hatte,
als ich Ret gefunden habe. Mulder scheint es
augenblicklich zu verstehen.
"Das ... das ist ein guter
Name."
Ret rollt sich auf seinen Rücken und wedelt
mit den Pfoten in der Luft.
"Er möchte, dass du seinen
Bauch kratzt", sage ich ihm. Ich überlasse sie ihrem gemeinsamen Spiel und
lese weiter. Sie scheinen sich prächtig miteinander zu amüsieren.
Nach ungefähr zwanzig Minuten
spüre ich ein Klopfen auf meiner Schulter. Ich drehe mich um und sehe einen
ziemlich verlegen dreinschauenden Mulder.
"Scully, ich ... ich wollte
dir etwas geben", murmelt er, mit den Händen in den Taschen. Mist. Mein
Geburtstag. Was könnte er für mich haben? Es ist nicht gerade so, dass er mal
schnell ins Einkaufszentrum flitzen und eine Flasche Chanel No.5 besorgen
könnte.
"Als ich aufwachte nach dem
... was immer mir widerfahren war, habe ich das in meiner Tasche gefunden. Ich
habe es die ganze Zeit behalten, weil ich mich an die Dinge erinnerte, wie sie
früher waren. Als die Welt noch bei Verstand war. Und..."
Er räuspert sich und schaut mir
in die Augen. Seine scheinen direkt durch mich hindurch zu sehen. Ich sehe
darin ein anderes Leben.
"Und an dich. Es erinnerte
mich an dich. Gab mir Hoffnung."
Er zieht seine rechte Hand aus
seiner Tasche und hält sie mir als Faust hin. Ich öffne meine Handfläche
darunter und er lässt das kleine Stück Papier in meine Hand fallen.
"Herzlichen Glückwunsch zum
Geburtstag, Scully. Ich hoffe, dass es dir auch Hoffnung gibt."
Er küsst mich oh-so-kurz auf die Wange, geht wieder zurück zu Ret und hockt sich neben ihn.
Ich starre auf das zerfetzte
Objekt und versuche die Schrift darauf zu entziffern. Es wird von mehreren
Streifen durchsichtigen Klebebandes zusammengehalten. Genaugenommen ist es mit
dem Zeug völlig bedeckt, was ihm ein beschichtetes Aussehen gibt. Aber ich kann
die Stellen sehen, an denen es zerrissen und entwertet wurde.
Discount Multiplex. Das bedeutet
das Wort ganz oben. Ein Kino. Es ist eine Eintrittskarte eines Kinos. Das Datum
ist kaum zu erkennen, aber das Jahr ist 1999. Ich erinnere mich. Wir waren in
New York, während wir an einem unserer letzten Fälle gearbeitet haben. Es war
Winter. Nur ein Monat oder so, bevor es begann. Ich erinnere mich nicht an die
Einzelheiten des Falles. Alles woran ich mich erinnere, ist Mulder, wie er mich
in das Kino geschleift hat, als wir alles erledigt hatten und auf unseren Flug
nach Washington gewartet hatten. Es fiel etwas Schnee. Wir mussten fünf oder
sechs Stunden überbrücken und er sagte, dass er diesen Film schon seit dem
Sommer sehen wollte. Der Film, Austin Powers.
Herabgesetzter Eintrittspreis, weil der Film schon seit Monaten lief.
Es war der blödeste Film, den
ich je gesehen habe. Aber ich habe es gemocht, neben Mulder in der künstlichen
Wärme des Kinos zu sitzen, ihn über all die furchtbaren Witze lachen zu hören,
den großen Becher Popcorn mit ihm zu teilen, bis uns die Buttersoße die Finger
hinunter lief. Es hat Spaß gemacht. Es war der letzte Spaß, den wir hatten.
"Danke, Mulder",
flüstere ich und halte die Karte fest in meiner Hand. Und dann lese ich weiter.
XXXXXXXXXXXXXXX
Das ist die lächerlichste Show,
die ich je in meinem Leben gesehen habe. Selbst für Alex ist das absurd. Ich
bin heute morgen von einem Hämmern an meiner Tür
aufgewacht. Ich habe mich aus dem Bett erhoben, obwohl es eine absolut
unchristliche Stunde zum Wachsein war und entdeckte die drei großen, waffentragenden Männer, die schwarz gekleidet in meinem
Flur standen.
Ich hatte immer noch meinen
Schlafanzug an, aber die brutalen Bastarde schienen das weder zu bemerken noch
schien es sie zu kümmern. Sie drängten sich in mein Zimmer und befahlen mir,
Schuhe und einen Mantel anzuziehen. Ich fragte sie, was das alles solle, aber
sie weigerten sich, noch ein einziges Wort zu sagen. Sie führten mich über die
schneebedeckten Wege, in meinem Nachthemd, Stiefeln und einem lächerlichen Second-Hand Parka, während sie die ganze Zeit eine Waffe in
meinen Rücken drückten.
Ich nehme an, dass es keine
wirkliche Überraschung sein sollte, zu wem sie mich führen. Der Mann, der
hinter dem Schreibtisch sitzt, hat mir den Rücken zugewendet, aber ich weiß,
wer er ist.
Es kann nur ein einziger Mensch
sein. Wenn die Schläger ihn nicht verraten hätte, dann
hätte es dieses lächerlich ordentliche Büro getan. Alles beschriftet und nach
Name und Farbe sortiert, in kleinen beschrifteten Ablagefächern abgelegt. Mein
Gott, er ist sogar noch schlimmer geworden. Der größte ordnungsfanatische
Verbrecher, den ich je gekannt habe. Er mag denken, er sei jetzt ein besserer
Mensch, aber das ist er nicht. Nicht für mich. Ich erinnere mich jetzt. Ich
erinnere mich an alles. Nichts als ein Verbrecher.
Er dreht sich zu mir um wie
irgendein erbärmlicher Bösewicht aus einem James Bond Film und nickt seinen
persönlichen Bodyguards zu.
"Es ist in Ordnung",
sagt er mit einer Handbewegung und das Trio verlässt den Raum. Er schaut mich
von oben bis unten an mit einem schauerlich ausdruckslosen Gesicht. Ich frage
mich, ob er mich erschießen wird.
"Setz dich", sagt er
höflich, als wenn er mich zum Tee eingeladen hätte.
"Gibt es einen bestimmten
Stuhl, in den ich mich setzen soll, Eure Hoheit?"
"Setz. Dich."
Ich nehme den Klappstuhl ihm
gegenüber und verschränke meine Arme. Das ist besser verdammt gut.
"Nun, ist das nicht viel
bequemer?" fragt er.
"Bequemer als was? Mit
einer Waffe im Rücken im Schlafanzug über den Campus geschleppt zu
werden?"
Seine Lippen verziehen sich zu
einem eigenartig verzerrten Lächeln. Das muss so amüsant für ihn sein, endlich
seine Macht über mich ausspielen zu können. Über jeden. King Alex, Herrscher
über den größten Misthaufen, der auf dem Planeten Erde übriggeblieben ist.
"Was soll das bedeuten,
Alex? Was ist so wichtig, dass du mich vor der Morgendämmerung aus dem Bett
zerren musst, bevor ich überhaupt geduscht habe? Nicht, dass es jemals heißes
Wasser geben würde."
"Oh, es tut mir leid
Prinzessin. Sind die Bedingungen nicht zu Ihrer Zufriedenheit?"
"Tatsächlich sind sie es
nicht. Ich hatte vor, meine Unterbringung mit dir zu diskutieren. Ich bin mir
sicher, dass es auf diesem Campus größere Zimmer geben muss. Mit privaten
Toiletten und Küchen ..."
Er schlägt seine Faust auf den
Tisch in so einer Art Versuch, bedrohlich zu erscheinen. Der kleine
Bleistifthalter, der auf der Ecke stand kippt um, und verstreut ungefähr ein
Dutzend so schön ordentlich gespitzter Bleistifte der Größe 2 auf den Boden.
"Hör mir zu. Das ist mein
Ort. Und du bist privilegiert, hier zu leben. Du hast Glück. Glück, dass ich
dir gestatte, hier zu bleiben."
Privilegiert? Was für ein Witz.
Hier zu leben ist meine Strafe. Wofür weiß ich nicht.
"Alex, was willst du? Warum
hast du mich herkommen lassen?"
Er lehnt sich zurück und sieht
mich nochmals gruselig von oben bis unten an. Gut, dass er nur eine richtige
Hand hat. Ich bin mir ziemlich sicher, wenn er immer noch beide hätte, würde er
sie boshaft aneinander reiben.
"Lass mich dir eine Frage
stellen, Marita. Du bist eine freie Frau..."
Bin ich? Das ist ein
interessanter Blick auf die Situation. Ich nehme an, Freiheit ist relativ.
"Du bist keine Sklavin
mehr, du scheinst dich gut angepasst zu haben, du siehst gesund aus. Gut,
eigentlich siehst du ziemlich gut aus. Du bist stark und du scheinst dich
wieder im Griff zu haben. Du scheinst außerdem sehr unglücklich mit deiner
Umgebung zu sein. Also ... was machst du immer noch hier?"
Das ist es, warum ich nicht
wirklich frei bin. Warum ich es niemals war und niemals sein werde.
"Du bist mit jemandem in
Kontakt."
Das ist keine Frage. Er weiß es.
Natürlich. Hat es jemals einen Zweifel daran gegeben, dass er mir jede Sekunde
folgen würde? Was sollte ich gleich in dieser Situation tun? Alex sollte es
jetzt aus irgendeinem mysteriösen Grund noch nicht wissen. Aber ich muss ihm
offensichtlich hier eine Art Erklärung anbieten. Verdammt sei er, dass er mich
in diese Situation gebracht hat. Beide seien verdammt. Und auch Mulder. Alle.
All die Männer. Es scheint so, als hätten sich die Dinge verändert, aber das
tun sie niemals wirklich.
"Kontakt? Alex, ich weiß
nicht, wovon du sprichst", lüge ich zweckloserweise.
Ich nehme an, es gibt immer noch die minimale Chance, dass er blufft.
"Oh, komm schon, Marita. Du
wanderst in die Wälder und denkst, ich würde niemanden schicken, der jede
deiner Bewegungen überwacht? Mein Gott, ist dir überhaupt klar, wie ernsthaft
du die Sicherheit dieses Ortes gefährdest?"
"Alex, beruhige dich. Du
musst dir um nichts Sorgen machen."
"Wer ist er? Was will er
von dir?"
Gibt es irgendeinen Grund zu
lügen? Ich weiß es noch nicht einmal. Es macht mir noch nicht einmal wirklich
etwas aus. Ich habe das alles so satt.
"Ich kenne seinen Namen
nicht. Er arbeitet für einen Verwandten von mir, der mir ein paar Mitteilungen
zukommen lassen wollte. Das ist alles."
"Welcher Verwandte?"
"Alex, willst du die
persönlichen Details aus jedermanns Privatleben wissen, oder nur aus
meinem?"
"Jedermanns Privatleben
bringt nicht die ganze Gruppe in Gefahr."
"Also, so funktioniert das
hier? Wir alle opfern unsere Privatsphäre für das Wohl der Gruppe?"
"Das fasst es ungefähr
zusammen, ja."
"Meine Rede. Was für ein
guter kleiner Kommunist du bist."
Seine Augenbrauen heben sich und
seine Lippe zuckt ein bisschen. Er versucht, es nicht zu verraten, aber ich
habe offensichtlich einen wunden Punkt getroffen. Ich kann es nicht fassen,
dass er immer noch empfindlich wegen dieser Sache ist. Es ist ja nicht so, als
hätte das Wort noch irgendeine Bedeutung.
"Wir tun, was wir tun
müssen. Um zu überleben", brummt er durch zusammengebissene Zähne.
"Wenn dir das nicht gefällt, geh. Aber wenn du vorhast zu bleiben, dann
wirst du mir lieber gleich sagen, wer dieser Mann ist, oder du wirst andere
Absprachen treffen müssen."
Naja, das war's dann wohl.
Erzähl Alex alles, oder werde rausgeworfen. Was bringt mich wohl mehr in
Schwierigkeiten? Das Geheimnis zu früh preisgeben, oder mich rauswerfen zu
lassen? Das letztere würde mehr Probleme für mich mit sich bringen.
"Ich habe es dir gesagt. Er
arbeitet für einen Verwandten von mir. Jemanden, der mich kontaktieren wollte.
Jemanden, der dir helfen will."
"Mir helfen?"
Er schaut einen Augenblick lang
misstrauisch und bricht dann in Gelächter aus. Auf einmal sieht er erschreckend
jung aus, obwohl es ein Lachen aus Bitterkeit und nicht aus Fröhlichkeit ist.
Er ist wirklich nicht sehr gealtert. Diese Krähenfüße um seine Augen sind
tiefer und zahlreicher geworden und er hat ein paar graue Strähnen in seinen
Haaren, aber er hat immer noch dieselben zeitlosen Charakterzüge.
"Hör zu, glaub mir, oder
lass es bleiben. Es macht für mich keinen Unterschied."
"Warum würde irgendein
Verwandter von *dir*, *mir* helfen wollen, Marita?"
Warum, tatsächlich.
Wahrscheinlich deshalb, weil er Alex immer wie sein eigenes Kind behandelt hat.
Mehr, als jede seiner Töchter. Ich nehme an, dass er immer einen Sohn wollte.
"Ich weiß nicht Alex. Du
kanntest ihn besser als ich ihn je gekannt habe."
Er kaut auf seiner Unterlippe
und denkt etwa eine Minute darüber nach. Er kann die Neugier jedoch nicht
länger aushalten.
"Also, wer zum Teufel ist
es?"
"Dein alter Freund, Alex.
Der einzige Mensch, den es jemals gejuckt hat, ob du lebst, oder tot
bist."
Er sieht immer noch total
verwirrt aus, der Idiot.
"Ich gebe dir drei
Hinweise. Britisch, unmodern und unerträglich anmaßend."
Er reißt geschockt seine Augen
auf und kneift sie gleich wieder misstrauisch zusammen.
"Er will dich treffen. Er
sagt aber, dass es dafür jetzt noch zu früh ist."
Er seufzt, schiebt seinen Stuhl
zurück und läuft zur Vorderseite seines Schreibtisches. Er lehnt sich dagegen
und fährt sich mit den Fingern durch die Haare.
"Wie ist er mit dir
verwandt?" fragt er leise. Er ist mir jetzt sehr nahe. So nahe, dass ich
ihn riechen kann. Kein After Shave hier für den
eitlen jungen Mann. Nur er. Geruch ist eine fast nostalgische Empfindung. Der
Geruch von Alex bringt mich an einen sehr dunklen Ort zurück.
"Er ist mein Vater."
"Wa...was?" bringt er
unter einem nervösem Lachen heraus. Ich bin tatsächlich ein wenig überrascht,
dass er das nicht schon längst gewusst hat. Ich dachte, dass der alte Tölpel
seinem kleinen Protegé alles über alles erzählt hätte.
"Okay...also..."
stammelt er und versucht, seine Gedanken wieder zusammen zu bekommen. "Also, hast du ihn tatsächlich *gesehen*? Hast du mit
ihm gesprochen?"
"Nein. Dieser Mann hat mir
allerdings einen Brief von ihm gegeben. Wenn du ihn liest ... naja, er kann von keinem anderen sein."
"Also du bist sicher, dass
du diesem Mann vertrauen kannst?"
"Gewissermaßen."
"Gewissermaßen..."
Er seufzt und schaut mit einer
Grimasse an die Decke.
"Und wo ist dein Va..Vater?"
"Ich weiß es nicht. Der
Mann wollte es mir nicht sagen. Er will nicht, dass ich es jetzt schon weiß."
Noch ein Seufzen und ein
bisschen Zappeln. Armer Alex. Ich habe ihn noch nie so nervös gesehen.
"Alles klar. Äh...wir haben
Donnerstag morgen eine Vorstandssitzung. Ich möchte
dich dabei haben. Aber ich möchte nicht, dass du irgend
jemandem erzählst, was du mir gerade gesagt hast. Nicht, bevor wir mehr
darüber wissen."
Perfekte Lösung. Eine
Vorstandssitzung. Er ist so ein Vollblut-Bürokrat.
"Also, was werde ich bei
dieser Sitzung machen?"
"Nur...nur dabei
sein."
"Werden sich deine
'Vorstände' nicht fragen, was ich da tue?"
Es schüttelt verneinend seinen
Kopf und geht wieder hinter seinen Schreibtisch.
"Du bist dort, weil ich
dich darum gebeten habe. Das ist alles", teilt er mir mit, setzt sich
wieder hin und wedelt mit der Hand vor seinem Gesicht herum. Er sieht zu den
Blättern auf seiner Schreibunterlage hinunter und beginnt, damit zu hantieren.
Ich nehme an, dass ist mein Hinweis, dass ich gehen soll. Aber da gibt es noch
etwas wichtiges, was wir noch nicht besprochen haben.
"Wirst du Scully hiervon
erzählen?"
Er schaut auf und legt seinen
Kopf zur Seite.
"Wie bitte?"
"Wirst du es Scully
erzählen?"
"Scully ist nicht dein
Problem."
Noch nicht. Das heißt nicht,
dass sie es niemals sein wird. Ich habe sie zusammen gesehen. Sie hat ihre
Krallen so tief in ihm hineingeschlagen, dass er eine Spitzhacke brauchen wird,
um sie wieder heraus zu bekommen. Es ist ein Rätsel für mich, was die beiden
aneinander finden. Sie ist ganz sicher nicht sein Typ und Gott weiß, er ist
nicht ihrer.
"Sie mag mich nicht sehr,
Alex."
Er lacht diesmal wirklich
amüsiert.
"Wie sehe ich aus? Wie der
Gruppen Beziehungsratgeber? Sie ist nun mal so. Sie ist
vielen Leuten gegenüber still und reserviert."
"Allerdings nicht zu dir,
wie ich annehme."
"Marita..."
"Vielleicht ist sie
eifersüchtig?"
"Marita, tu mir einfach den
Gefallen und sprich noch nicht einmal mit ihr, okay?"
Mein Güte. Wie völlig paranoid.
Ich frage mich, wieviel von seinem früheren Leben er
mit seiner neuen Freundin geteilt hat.
"Was hast du ihr alles
nicht erzählt, Alex?"
"Es geht dich nichts an,
was ich ihr erzähle oder nicht. Ich will einfach, dass du nichts über irgendetwas
zu ihr sagst."
Naja, sie hat nicht gerade den
Eindruck gemacht, als wolle sie mit mir plauschen. Wovor hat er solche Angst?
Sieht so aus, als hätte ich einen weiteren weichen Punkt an ihm entdeckt.
"Warum sollte ich etwas
sagen?"
"Tu...tu es einfach nicht!
Ich möchte nicht, dass du oder irgendjemand sonst etwas zu ihr sagt, das sie
verletzen könnte."
Er klingt so, als wäre er der
Panik nahe. Gut. Er sollte wissen, dass er hier nicht der einzige ist, der
Macht hat.
"Oh, keine Sorge Alex. Ich
werde deine kleines Schätzchen schon nicht
verletzen."
"Okay, geh und dusch dich,
Prinzessin. Wir sind hier fertig."
Ich nehme an das sind wir. Im
Moment. Aber ich habe das Gefühl, der Spaß hat gerade erst angefangen.
Ende Kapitel 9
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Kapitel 10
"Also, warum bist du heute morgen so früh zur Arbeit gegangen?"
Dana sieht zu mir auf, den Mund
voll von dem Irish Stew,
das ich ihr in den letzen zwei Stunden als Geburtstagsessen gekocht habe. Es
ist ihr Lieblingsessen. Na ja, ihr liebstes Essen von dem, was ich mit den
begrenzten zur Verfügung stehenden Zutaten zubereiten kann. Ihr Augen flackern
und reflektieren das gedämpfte Licht, dass von den Teelichtern kommt, die ich
heute morgen aus dem Lagerhaus herausgeschleust habe. Sie kaut, schluckt und trinkt
einen Schluck Wasser. Dann wischt sie sich ihren Mundwinkel mit der Serviette
ab. Der ganze Prozess scheint eine unnormal lange Zeitspanne in Anspruch zu
nehmen.
"Ich musste...ich musste
die Heizleitung noch mal in Ordnung bringen." Ihr Blick senkt sich auf
ihren Teller während sie spricht. "Die Heizung hat nicht funktioniert, als
ich gestern gegangen bin, deswegen hatte ich gedacht, dass ich heute früher
hingehe und es zum Funktionieren bringe, bevor alle anderen kommen."
Sie lügt mich an. Ich weiß es
einfach. Es steht quer über ihrem Gesicht. Sie ist die schlechteste Lügnerin
der Welt.
Ich nehme an, dass ich kein
Recht habe, deswegen wütend zu sein. Als sie heute früher nach Hause kam, war
das erste, was sie mich gefragt hat, was ich heute getan habe. Ich habe ihr
nichts von Marita erzählt. Eine Unterlassungslüge, was aber genauso schlimm
ist.
Ich wollte es ihr sagen. Ich
will es immer noch. Ich möchte wissen, was zur Hölle sie darüber denkt, was ich
wegen dieser ganzen Sache tun sollte. Ich muss das wissen. Ich habe immer ihren
Rat gebraucht, ihre Einfälle, bevor mir überhaupt klar war, dass ich sie
gebraucht habe.
Aber es wäre enorm schwierig,
ihr meine Beziehung zu diesem Mann zu erklären, mit Maritas verdammtem Vater um
Himmels Willen. Ich bin mir sicher, dass sich Dana an ihn erinnert. Ich bin mir
sicher, sie würde ihm nicht vertrauen. Ich könnte es nie erklären, warum ich
das tue. Nicht ohne ihr die Dinge zu erzählen, die sie nicht hören will.
Und ganz offen gestanden, ihr
von meinem Treffen mit Marita zu erzählen würde bedeute, ihr von der
erbärmlichen kleine Show zu erzählen, die ich abgezogen habe. Es würde sie
anwidern zu hören, wie tief ich gesunken bin. Wie weit mich diese Frau in den
Schmutz zieht.
Und natürlich müsste ich den
Teil mit Maritas unverblümten Drohungen am Ende unseres Gespräches auslassen.
Drohungen, Scully die Dinge zu erzählen, die ich ihr schon seit Monaten zu
erzählen versuche. Dinge, von denen sich mich nicht sprechen lassen will, aber
die sie, nach allem was ich weiß, brennend gern von jemand anderem hören würde.
Und das wäre das Ende.
Also, ich habe meine Gründe,
meine Geheimnisse für die nächste Zeit für mich zu behalten. Ich nehme an, dass
sie auch die ihren hat. Das Problem ist nur, dass ihre Geheimnisse das
Potential haben, mich völlig zu zerstören. Sie hat dieses Potential. Das ist
mir erst in letzter Zeit klargeworden.
Ich habe Mulder in letzter Zeit
aufmerksam beobachtet. Die ganze Zeit seit unserem sogenannten
Waffenstillstand. Er hatte mir gesagt, er sei willens, sie gehen zu lassen,
aber ich habe keine Beweise dafür gesehen. Alles was ich gesehen habe ist, dass
er wie ein Straßenköter, der nach Futter sucht um sie herumschleicht, seine
dreckigen Pfoten nicht von ihr lassen kann, sobald ich
zwei Schritte weit weg bin. Es ist nicht so, dass ich erwartet hätte, dass er
sein Versprechen einhält. Es ist nicht so, dass ich ein einziges Wort von dem
geglaubt habe, was an diesem Tag aus seinem Mund kam. Die ganze Sache war
einfach zu unmöglich, um sie einfach zu schlucken.
Dana mag denken, dass er die gute Junge hier ist, der unschuldige, erbärmliche,
abgelegte Ex-Liebhaber, der nur ihr bestes will, nur ihr Freund sein will. Aber
ich weiß, was er wirklich will.
Also, vielleicht ist es paranoid
von mir, alles was sie sagt und tut zu analysieren. Vielleicht sollte ich nicht
das Gefühl haben, als wenn ich mein Herz jedes Mal herausgerissen wird, wenn
sie die Wahrheit ein wenig verbiegt. Und vielleicht wären die Dinge ein wenig
anders, wenn die frühere Liebe ihres Lebens nicht mehr Zeit mit ihr verbringen
würde, als ich selbst. Ich nehme an, dass ich keine Chance habe, das
herauszufinden, weil sie mich nicht ein einziges Mal angelogen hat, bevor er
hierher kam.
Trotzdem bin ich mir nicht ganz
sicher, ob dies irgendetwas mit Mulder zu tun hat. Ich bin nicht wirklich
sicher, worum es hier geht. Ich weiß nur, dass sie etwas vor mir verbirgt.
"Das war wirklich
gut", seufzt sie, lehnt sich in ihrem Stuhl zurück, ihr Teller völlig
leer. Dann rülpst sie. Aus irgendeinem Grunde lässt das ihre Lüge weniger
wichtig erscheinen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie vor irgendjemand
anderem so rülpsen würde.
"Danke, Alex."
"Gern geschehen, Burpee."
Sie wirft ihre Serviette nach
mir und kichert.
"Lass mich dir dein
Geschenk bringen."
Sie sieht an mir hoch und runter
als ich mit der Absicht aufstehe, ins Schlafzimmer zu gehen und ihr Geschenk zu
holen. Ihr Gesichtsausdruck lenkt mich ab. Sie hat immer noch Hunger.
"Nicht weggehen", sage
ich zu ihr. Und behalte diesen Gesichtsausdruck. Ich beuge mich nach unten und
küsse sie zart. Es sollte eigentlich nur ein kleines Küsschen werden, aber in
dem Moment, als meine Lippen die ihren berühren, öffnet sich ihr Mund und ich
spüre ihre Zunge, die beharrlich gegen mich drückt. Ihre Hände fahren zu meinem
Hinterkopf herum und sie fasst mich fest.
"Lass mich ... ich wollte
dein Geschenk holen..." sage ich zu ihr, als sie damit beginnt, zart in
meine Ohren und meinen Hals zu beißen. Sie schüttelt ihren Kopf und macht ein
Geräusch, als hätte sie Schmerzen.
"Nein. Geh nicht."
"Ich wäre nur ... nur ins
Schlafzimmer gegangen."
"Nein. Mein Gott, nein, geh
nicht", wimmert sie.
Sie steht auf, presst ihren
Körper gegen mich und schiebt mich rückwärts. Ich falle wieder in meinen Stuhl
zurück und sie küsst mich wieder. Ich nehme an, dass es mit den Geschenken
etwas später werden wird.
Ihre Zunge dreht sich und stößt
in meinen Mund und sie beginnt mit rasenden und ungeschickten Fingern mein Hemd
aufzuknöpfen. Sie zittert. Das ist nicht richtig.
Versteh mich nicht falsch. Eine
geile Dana ist nichts, womit ich ein Problem hätte. Niemals. Und sie ist in der
letzten Zeit nicht so oft auf mich zugekommen, wie ich mir gewünscht hätte, also
sollte das eigentlich mein Glückstag sein. Aber da ist etwas an dieser Art von
Geilheit, die mir eigenartig vorkommt. Es ist fast so, als hätte sie Angst ich
würde verschwinden, wenn sie mich nicht auf der Stelle nimmt. Als würden wir
nie wieder zusammensein können. Es erinnert mich an
die Art, wie sie mit mir am Abend vor einem Kampf schläft.
"Dana, Dana, mach
langsam", keuche ich und fühle, wie ihre Nägel über meine Brust kratzen
und sie ihre Zähne in meinen Kiefer graben. Naja, mein Verstand mag protestieren,
aber mein Körper ist mit dem Plan einverstanden.
"Dana, bitte."
Ich greife ihre beiden Hände mit
meiner und sie zieht sich zurück und schüttelt fragend ihren Kopf.
"Was? Was ist?"
"Keine Ahnung. Du solltest
mir das sagen. Wo brennt es?"
Sie blinzelt eine Weile und ich
bemerke, dass ihre Pupillen geweitet und dunkel sind. Wild.
"Alex, bitte. Nicht. Lass
mich einfach. Bitte."
Sie fährt mit den Fingern durch
meine Haare, über mein Gesicht und sagt es wieder. Bitte.
Gott, mein Baby. Meine süße Djewotschka.
Bevor ich Zeit dazu habe zu
reagieren, ist ihre Zunge wieder in meinem Mund und ihre Krallen überall an
mir. Schon bald zieht sie ungeduldig an ihren eigenen Sachen und ich helfe ihr
dabei. Schließlich bleibe ich noch an einem kleine
Loch in ihrer Bluse hängen und mache es noch zehn Mal größer in meine Eile, mit
ihrem rasenden Tempo Schritt zu halten. Ihre Jeans und Strümpfe lassen sich
etwas einfacher entfernen. Gott sei Dank hat sie ihre Stiefel schon ausgezogen.
Und dann steht sie vor mir,
völlig nackt und, wie immer, reduziert mich ihr Anblick zu einem labernden
Idioten. Meine wunderschöne kleine Göttin. Ihr Körper ist genauso gerötet, wie
ihr Gesicht. Rote Flecken überall auf ihrer Haut passen zu dem prächtigen roten
Haar, das sie fast zur Hälfte bedeckt. So viele Haare. Sie lassen sie fast
zwergenhaft erscheinen.
Sie klettert auf meinen Schoß,
setzt sich rittlings auf mich und meine Hüften stoßen nach oben. Ich kann die
Hitze, die weißglühende Intensität von ihr durch meine Hosen und meine Shorts
spüren. Sie legt ihre Füße um die Stuhlbeine, beginnt damit, sich gegen mich zu
wiegen und drückt mein Gesicht zwischen ihre Brüste. Gehorsam lecke und sauge
ich an ihrer Haut, gebe ihrer Begierde Nahrung und stelle fest, dass auch meine
eigene mit jeder Sekunde wächst, die vergeht.
"Mein Gott, Alex...hinein.
Jetzt."
Jetzt? Ich wiederstehe
dem Bedürfnis, auf meine Uhr zu schauen. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass
wir einen neuen Rekord aufgestellt haben. Die kürzeste Zeitspanne zwischen dem Kuss-Stadium
und dem Ficken-Stadium. Na ja gut, da war diese erste
Nacht...
Ich nehme an ich habe zu lange
gebraucht, um mich zu bewegen, weil sie die Initiative ergriffen hat und nach
unten fasst, um meinen Reißverschluss zu öffnen. Schneller, als man das Wort
'Vorspiel' aussprechen kann, hat sie meinen Schwanz in ihren Händen und sie
zieht daran und reibt ihn gegen sich. Und dann ist sie da, erhebt sich und
gleitet nach unten, umschließt mich vollständig. Mein Gott, das fühlt sich so
gut an.
Wie erwartet fängt sie sofort
an, sich zu bewegen, bewegt sich rauf und runter mit harten, schnellen Stößen,
die den Stuhl dazu bringen zu kippeln und mit seinen unebenen Beinen gegen den
Boden zu krachen. Sie stützt ihre Hände an meinen Schultern ab, die immer noch
zum Teil von dem Shirt bedeckt sind, von dem ich nicht fassen kann, dass ich es
immer noch an habe, und gräbt ihre Fingernägel hinein.
Sie wirft ihren Kopf zurück und
schreit aus vollem Hals und ich schlinge meine Arme um ihre Hüfte, um sie vor
dem Fallen zu bewahren.
"MmmmAleeex",
stöhnt sie, küsst mich und küsst mich. Mein Gott, sie macht so schnell und es
ist so gut, so verdammt *heiß* da drin, dass ich nicht weiß, ob ich das
aushalten kann.
"Djewotschka...la...langsam",
versuche ich, aber sie schüttelt heftig ihren Kopf und bewegt sich sogar noch
schneller.
"Brauche dich. Alex.
Gott...brauche dich so sehr."
Ihre Augen sind geschlossen.
Tränen laufen ihre Wangen hinunter. Sie weint. Mein Gott. Sie weint.
"Sch, sch, ich bin hier,
Baby", flüstere ich gegen ihren Mund. Sie nimmt schmerzhaft meine Lippe
zwischen ihre Zähne und greift sich eine Handvoll meiner Haare.
Sie beginnt zu beben und zu
zittern und ich fühle, wie sie um mich herum enger wird. Wie sie im Beginn
eines Orgasmus zuckt.
"Oh Gott, brauche dich,
brauche dich...AlexAlexAlexAhh", wandeln sich
ihre Worte zu einem langen, wehklagenden Schrei und ich fühle, wie sie um mich
herum kommt, sich verengend und mich tiefer ziehend.
Und dann lasse ich mich fallen,
weil ich es nicht länger aushalten kann und weil es sowieso vorbei ist. Ich
stöhne und presse sie fest gegen meine Brust, als ich mich in sie ergieße und
sie sackt gegen mich, so leblos wie eine Marionette.
Ihr Kopf liegt an meiner
Schulter und sie hat die Arme um meinen Hals gelegt, als ich von meinen orgasmischen Höhenflügen zurückkehre. Mein Gott, was zur
Hölle war das?
"Es tut mir leid",
murmelt sie leise an meinem Hals. Ich nehme ihr Kinn in meine Hand und ziehe
ihr Gesicht nach oben, so dass ich sie sehen kann. Ihr
Augen sind nach unten gerichtet und ihre Wangen sind rot. Sie sieht völlig
verlegen aus.
"Nein...nein, das muss es
nicht. Es muss dir nicht leid tun. Es muss dir niemals leid tun. Ich bin hier, Djewotschka."
Sie lächelt schwach und nickt.
Ich frage mich, ob ich jemals fähig sein werde, sie vollkommen zu verstehen.
Obwohl ich Begehren verstehe. Ich verstehe, dass es manchmal in einem hoch
kriecht und man nichts tun kann, um es zurückzuhalten. Mir ist bewusst, dass
das nichts ist, was Dana gern von sich zugeben würde. Tatsächlich ist das
Eingeständnis von Begehren für sie wahrscheinlich schwerer, als das
Eingeständnis von Liebe. Na ja, vielleicht nicht. Aber es ist trotzdem ein
netter Gedanke.
In jedem Falle hat sie sich sehr
verwundbar gemacht und das ist etwas, was ich zu würdigen weiß. Zu wissen, dass
sie mich so sehr braucht, aus welchem Grund auch immer, für welche kurze
Zeitspanne, ist sicher etwas, worüber man glücklich sein kann. Also warum habe
ich dieses Gefühl einer Bedrohung, das sich in meinem Magen zusammenbraut?
"Geht es dir gut, Dana?
Wirklich?"
"Ja. Ja, es geht mir gut.
Danke, Alex."
Sie hat angefangen, mit in
letzter Zeit nach dem Sex zu danken. Eine weitere seit-Mulders-Ankunft
Merkwürdigkeit. Fast so, als würde ich ihr einen Gefallen tun. Fast als würde
sie erwarten, dass ich sie jeden Moment verlasse.
Ich küsse sie sanft, zärtlich
und sie erwidert den Kuss ebenso.
"Möchtest du jetzt dein
Geschenk?"
Sie nickt enthusiastisch und
grinst. Als ich aufstehe, ist sie immer noch um mich geschlungen. Glücklicherweise
ist sie leicht genug, so dass ich sie, mit ihren Armen und Beinen um mich
herum, halten kann. Natürlich kann ich nicht noch meine Hosen oben halten und
sie fallen um meine Knöchel. Wir beide lachen, als das Metall meiner
Gürtelschnalle auf den Boden fällt. Ich trete sie zur Seite und trage Dana ins
Schlafzimmer.
Ich lege sie aufs Bett und sie
rollt sich unter der Decke zusammen, während ich mich fertig ausziehe.
"Okay, jetzt mach deine
Augen zu", sage ich zu ihr und wühle in den Schubfächern des Nachttisches
herum.
"Warum? Was wirst du
tun?"
"Mein Gott, kannst du
einfach mal etwas tun, ohne eine Million Fragen zu stellen?"
"Na ja, ich habe einfach
gedacht du magst das", lacht sie und schließt ihre Augen.
"Okay, jetzt gib mir deine
Hand."
Ich krieche rechts neben sie ins
Bett und sie hält ihre rechte Hand hoch.
"Nein, die andere."
"Wenn sie schleimig
zurückkommt, haue ich sie dir ins Gesicht", sagt sie und stößt ihre linke
Hand in meine Richtung. Ich schiebe den Ring auf ihren Finger - den, der für Eheringe
bestimmt ist. Denn obwohl die Heirat zwischen uns menschlichen Drohnen illegal
ist und nicht mehr wirklich praktiziert wird, selbst nicht in unserer kleinen
Gemeinschaft von Gesetzlosen, gibt es immer noch einen Teil von mir, der an
dieser Tradition als etwas bedeutungsvollem festhält.
"Herzlichen Glückwunsch zum
Geburtstag, Baby."
Sie öffnet ihre Augen und schaut
darauf hinunter und das tue ich auch. Er sieht wirklich nicht schlecht aus. Ich
war ziemlich überrascht, wie hübsch er geworden ist. Es ist nur ein kleines
Stück Flachmetall, mit einem Stück blauen Glas, das geschmolzen und zu einem
Kreis geformt in der Mitte eingebettet wurde. Ich dachte, dass das Blau zu
ihren Augen passen würde. Das tut es. Ich dachte, dass er riesig an ihrem
Finger aussehen würde. Mann, das tut er wirklich. Sie wird niemals vergessen,
dass sie ihn trägt.
Sie schnappt nach Luft, als sie
ihn sieht. Sie schnappt wirklich nach Luft. Als wenn sie Angst hätte.
"Ist er zu eng? Kneift er
dich?"
"Nein...nein, er
ist..."
Sie ist fast eine Ewigkeit lang
still, hält ihre Hand vor ihr Gesicht und sieht sich den Ring genau an. Ich
komme dem Punkt gefährlich nahe, herauszuplatzen "Er ist WAS, verdammt
noch mal", aber sie rettet mich.
"Er ist wunderschön. Mein
Gott, Alex, so schön. Wo kommt er her?"
"Ich habe ihn
gemacht."
Sie schaut zwischen meinem
Gesicht und dem Ring hin und her.
"Das hast du? Du hast ihn
gemacht? Wie?"
Sie küsst meine Schulter,
erinnert mich zärtlich daran, dass einarmige Jungs nicht gerade für ihre
Kunstschmiedefähigkeiten berühmt sind.
"Na ja, nicht komplett
allein. Ich habe das ganze Zeug zusammengetragen und habe es zur Werkstatt
gebracht und die Jungs dort haben mir dabei geholfen."
"Alex ich...ich kann
nicht..."
Oh Gott. Bitte sag nicht, dass
du ihn nicht tragen kannst. Bitte sag nicht, dass einer toten Tradition ähnlich
ist, an deren Widerholung du kein Interesse hast oder dass du noch nicht bereit
für so ein bedeutsames Geschenk bist oder irgendeinen anderen Blödsinn.
"Ich kann es nicht fassen,
dass du das gemacht hast. Wow."
Sie starrt immer noch darauf und
jetzt lächelt sie. Meine Panikattacke ebbt langsam ab.
"Heißt das, dass du ihn
magst?"
"Ich liebe ihn, Alex. Mein
Gott, ich liebe ihn."
Himmel. Sie weint schon wieder.
Vielleicht hat das irgendwas mit dem Geburtstag zu tun. Allerdings habe ich
sechs Geburtstage mit ihr verbracht und ich habe sie noch nie so emotional
gesehen.
"Was ist los?" frage
ich, obwohl sie durch ihre Tränen lächelt.
"Ich ... liebe ..."
Sie hört eine endlosen Moment
lang mit dem Sprechen auf und ich bemerke, wie ich idiotischerweise die Luft
anhalte.
"...ihn. Liebe ihn",
beendet sie und küsst mich.
Ihr Augen sind tränengefüllt und
vielleicht ist es etwas idiotisch männliches in mir,
aber ich bin völlig verwirrt. Ich küsse ihre Augen und wünsche das, was immer
sie in diesen Zustand versetzt hat, weit weit weg.
"Schh,
weine nicht, Baby."
"Es tut mir leid. Ich liebe
ihn einfach. Ich weiß noch nicht einmal...ich weiß noch nicht einmal, was ich
sagen soll."
"Du musst nichts sagen.
Trage ihn einfach."
Jeden Tag. Für den Rest deines
Lebens. Vielleicht sollten wir ihn ankleben.
"Mmkay",
seufzt sie, kuschelt sich an mich und legt ihren Kopf unter mein Kinn. Ich lege
meinen Arm um sie und ziehe sie so nah an mich heran, wie nur irgend möglich.
Sie schnieft und lacht an meiner Brust und hält immer noch ihre Hand nach oben
und starrt auf den Ring. Sie scheint ihn wirklich zu mögen.
"Er sieht gut an dir
aus."
"Ich liebe ihn. Du bist so
lieb, Alex. So gut."
Lieb und gut. Zwei Worte von
denen ich nie gedacht hätte, sie mal in Verbindung mit meinem Namen zu hören.
Ich nehme an, dass sie mich wirklich zu einem Weichei gemacht hat. Ich wünschte
nur, ich könnte das so fest glauben, wie sie es zu tun scheint.
"Du hast mich so glücklich
gemacht", sagt sie und lacht dann.
"Was ist?"
"Nichts, ich klinge einfach
so ... albern. Wie eine Seifenopernschauspielerin oder so."
"Nein, es klingt kein
bisschen so. Kein bisschen. Ich will dich glücklich machen. Das ist alles, was
ich will."
Sie nickt und lacht ein bisschen
mehr und fährt mit der Hand über meine Brust. Wir beide bewundern die Art, wie
das silbrige Metall aussieht, wie es das Mondlicht reflektiert und über meine
Haut gleitet. Verdammt, wir sind in einer Seifenoper.
"Ich liebe dich ... Destiny", sage ich melodramatisch und sie lacht.
"Oder war es Montana? Blaze? Welche Schnepfe
bist du doch gleich?"
Wir kichern zusammen über
unseren lächerlich schmalzigen Moment und fahren damit fort, den Ring anzusehen
und die Art wie er schimmert, als sie mich berührt. Überall.
Ende Kapitel 10
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Kapitel 11
Alles in allem gesehen,
denke ich, dass ich das alles ziemlich gut im Griff habe. Oder zumindest im
Griff hatte. Bis zu diesem Montag. Bis ich diesen verdammten Ring gesehen habe.
Es ist wirklich erstaunlich, an
welches Ausmaß an Qual sich ein Mensch gewöhnen kann. Ich erinnere mich an eine
Geschichte aus meinen Vorlesungen in Strafrecht, eine Geschichte von einem
Mann, der zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Er hat fünfundzwanzig
Jahre hinter Gittern verbracht und dann plötzlich, als er zweiundsechzig Jahre
alt war, wurde er begnadigt. Er hatte sich so an das Gefängnisleben gewöhnt,
hatte so verdammt viel Angst davor, der Außenwelt gegenüberzutreten, dass er
sich an dem Tag, an dem er entlassen werden sollte umgebracht hat. Zumindest
denke ich, dass ich es in meiner Strafrechtsvorlesung
gehört habe. Könnte aber auch ein Film gewesen sein...
Egal. Der Punkt ist, nach einer
bestimmten Zeitspanne, können sich menschliche Wesen so ziemlich an jede
Situation gewöhnen, egal wie miserabel diese ist. Also nehme ich an, dass es
nicht gerade eine große Leistung meinerseits ist, dass ich in der letzten Woche
nicht das Gefühl hatte, mir einen Kopfschuss verpassen zu müssen. Anstatt mich
in den letzten zwei Monaten in Selbstmitleid zu wälzen, habe ich mich hier eingerichtet,
meine Umgebung erkundet, Leute getroffen, mich daran gewöhnt.
Und ja, das schließt Scully und Krycek ein und ihre...was immer das ist, was sie tun.
Nachdem ich an diesem ersten Tag mit ihr darüber gesprochen hatte, wurde mir
ziemlich schnell klar, dass sich diese Situation in nächster Zeit sehr
wahrscheinlich nicht ändern würde.
Ganz besonders nicht, wenn ich
weiterhin deswegen mit Füßen aufstampfen würde, wie ein bockiges Kleinkind.
Diese Taktik hat bei Scully schon vorher nicht funktioniert und ich denke ich
habe endlich begriffen, dass sie das niemals tun wird. Stattdessen habe ich
versucht, es zu akzeptieren. Mich daran zu gewöhnen.
Ich habe diesem Hurensohn sogar
ein Friedensangebot gemacht. Habe meine Hand ausgestreckt und er hat sie geschüttelt,
den Handel besiegelt. Ich denke ich habe mir eingeredet, dass ich versucht
habe, das richtige zu tun und ich nehme an, dass ich das getan habe. In
gewisser Weise. Hauptsächlich habe ich versucht, Scully glücklich zu machen,
ihr zu zeigen, dass ich damit umgehen kann, dass ich ihr der Freund sein kann,
der ich ihr vorher war. Ich habe Krycek nicht
wirklich in der Gleichung berücksichtigt, was das ganze nicht wirklich zu einer
wertlosen Geste machen sollte. Oder doch?
Ich denke doch, weil ich nicht viel
von dem, was ich sagte, wirklich ehrlich gemeint habe. Ich werde niemals dazu
in der Lage sein, Scully aufzugeben. Aber ich bin willens, auf sie zu warten.
Ich bin willens, mich geduldig hinzusetzen und die Situation zu ertragen, so
lange, wie sie dafür braucht, bis es ihr klar wird. Bis sie sich daran
erinnert, zu wem sie wirklich gehört.
Wenigstens dachte ich, dass ich
dazu willens wäre. Bis ich den Ring gesehen habe.
Es muss ein Geburtstagsgeschenk
gewesen sein. Sie hat ihn am Freitag nicht getragen, als ich ihr mein Geschenk
gegeben habe. Aber Montag früh war er da. Steckte an ihrem Finger wie ein Jolly Green Giant's Ehering.
Ich habe mir eingeredet, es sei
nur ein Ring und habe nichts dazu gesagt und sie nicht deswegen gefragt. Aber
ich weiß, wer ihn ihr gegeben hat und ich weiß, was es bedeutet, wenn ein Mann
einer Frau einen Ring schenkt und ihn auf diesen gottverdammten Finger steckt.
Und plötzlich wurde sie von seiner fehlgeleiteten und verwirrten Freundin zu
seiner willigen und mündigen Ehefrau. Und ich habe entschieden, dass ich nicht
länger auf meinem Hintern sitzen und auf sie warten kann.
Ich war zu geduldig. Natürlich
hat mir diese Geduld die Möglichkeit gegeben, mehr Zeit mit ihr zu verbringen.
Sie scheint sich jetzt viel wohler mit mir zu fühlen, als sie es getan hat, als
ich gerade hergekommen war und es ist so schön, einfach nur wieder mit ihr
zusammenzuarbeiten. Unseren alten Rhythmus wiederzufinden, wieder synchron zu
sein. Ich möchte das nicht verlieren.
Ich weiß ehrlich nicht, was ich
tun soll. Alles was ich weiß ist, dass ich Herzflattern habe und ich mich
ständig am Rande des Erbrechens fühle, seit ich dieses monströse Stück Schmuck
gesehen habe.
Es ändert alles. Wieder.
Ich habe letzte Nacht nicht
geschlafen. Ich habe es versucht, aber nachdem sechs Stunden vergangen waren,
wurde mir klar, dass es nicht passieren würde und ich bin aufgestanden. Ich
wanderte eine Weile auf dem Campus herum, sah in die Sterne am Himmel und auf
den Schnee am Boden, auf die Gebäude, die früher junge, idealistische Studenten
beherbergt hatten und nun von verbitterten, müden Widerstandskämpfern bewohnt
werden und ich fragte mich, wie zur Hölle alles so kommen konnte.
Manchmal denke ich, dass es
vielleicht etwas gegeben hat, was ich hätte tun können. Aber das gab es
wahrscheinlich nicht. Es ist nichts weiter als Egoismus, das zu denken.
Als die Sonne aufging ging ich
zurück zu meiner Unterkunft, aber ich ging nicht in mein Zimmer. Stattdessen
lief ich durch die dunklen, hauptsächlich leeren Flure. Scully hätte gelacht,
aber ich schwöre ich spürte die Geister dieser Collegestudenten
mit mir laufen.
Das erst Mal ging ich in den
Keller. Die meisten der Räume waren Erholungsräume, ähnlich dem, in den Marita
und ich in dieser ersten Nacht gebracht wurden. Fast alle der Türen standen
weit offen. Ich habe mich entschieden, diejenigen zu erkunden, die nicht nur
eine geschlossene Tür hatten, sondern auch ein Schloss und ein Schild auf dem
stand 'Kein Durchgang'.
Na ja, was ist der Sinn von
Erkundung, wenn du nichts interessantes finden wirst?
Um die Wahrheit zu sagen, ich
habe nicht viel gefunden. Hauptsächlich eine Menge nutzlosen und kaputten Mist.
Aber verborgen unter dem ganzen Müll war ein Schatz. Ein Kassettenrecorder. Das
Kabel war noch intakt und es lagen eine Menge Kassetten in dem Papierkorb
daneben. Ich habe sie alle herausgenommen und als ich fertig war bemerkte ich,
dass es fast Zeit war, zur Arbeit ins Labor zu gehen.
Ich hatte keinen Weg aus dieser
höllischen Situation herausgefunden, aber ich habe etwas gefunden, das sie zum
Lächeln bringen könnte.
Ich brachte das Radio und ein
paar von den Kassetten mit auf Arbeit und testete sie, bevor jemand anderes
auftauchte. Es funktionierte. Ich funktionierte nicht gerade großartig, aber es
funktionierte. Ich ließ es auf dem Holztisch stehen, den Scully so gern benutzt
und als sie hereinkommt, ist es das erste, was sie sieht. Der verdammte Ring
ist das erste, was ich sehe.
Dann sehe ich den Rest von ihr.
Es ist immer noch irgendwie eigenartig für mich, sie in einer abgetragenen
alten Jeans und einem Sweatshirt auf Arbeit kommen zu sehen. Ich erwarte immer
noch, dass sie irgendwo ein altes Donna Karan Kostüm
ausgräbt und ein Paar von diesen zehn Zentimeter hohen Pumps, die sie früher
getragen hat. Und ihre Haare, wer hätte geahnt, dass es so lockig ist? Sieben
Jahre zusammen und ich habe es niemals in seinem natürlichen Zustand gesehen.
Sie hat es heute zu einem Knoten gesteckt, der von einem Bleistift
zusammengehalten wird.
Sie schaut auf das Radio und
dann auf mich und ich grinse aufgeregt. Sie zieht ihr Sweatshirt aus und zieht
einen weißen Laborkittel über ihr pinkfarbenes T-Shirt. Wer hätte geahnt, dass
Scully pink tragen würde?
"Wo kommt das her?"
fragt sie und ich stehe von dem Stuhl auf, auf dem ich gesessen habe und gehe
zu ihr hinüber.
"Ich habe es im Keller
gefunden."
"Keller?"
"Ja, dem Keller in dem
Gebäude in dem ich wohne."
Sie verschränkt ihre Arme vor
der Brust und dreht sich um, so dass sie mich direkt ansieht. Sie sieht ein
bisschen misstrauisch aus.
"Ich war auf
Erkundung."
"Erkundung? Mulder..."
Oh, das ist die tadelnde Scully.
Meine liebste.
"Was? Es hat einfach da
gestanden."
Sie schüttelt ihren Kopf, aber
ich sehe die Andeutung eines Lächelns an ihren Mundwinkeln ziehen. Sie ist
leichter zu kriegen als früher.
"Einfach dagestanden, ja?
Ich bin überrascht, dass du der erste bist, der es gefunden hat."
"Na ja, es war sozusagen
versteckt."
"Versteckt?"
"Die Tür war sozusagen ...
verschlossen. Sie mal Scully, das ist Megadeth!" Ich halte die Kassette als Ablenkung hoch,
in dem sicheren Wissen, dass es nicht funktionieren würde.
"Mulder, bist du...du bist
in *diesen* Raum gegangen? Den mit dem 'Durchgang verboten' Schild?"
"Ja, ich habe mich darüber
gewundert. Warum ist er auf diese Weise abgeschlossen?"
"Weil, Mulder, er zu einem
Tunnelsystem führt, das jetzt zugeschüttet ist, aber Alex möchte ihn
verschlossen halten. Zur Sicherheit, Mulder. Ich kann es nicht fassen, dass du
... na egal. Warum sollte mich das überraschen."
"Es ist albern, ihn zu
verschließen. Da ist 'ne Menge tolles Zeug drin."
"Tolles Zeug, ja?"
"Sie mal Scully, The Village People! Mein Gott,
ich frage mich, wer einen solchen Musikgeschmack hatte."
"Und warum in aller Welt hätten
sie es zurücklassen sollen?"
"Es funktioniert noch,
Scully..."
Sie seufzt, aber ihre Arme sind
jetzt nicht mehr verschränkt. Und wir sind einem strahlenden Lächeln sehr nahe.
"Mulder, wir haben heute
eine Menge zu tun."
"Wie lange ist es her, dass
du richtige, echte Musik gehört hast, Scully? Komm SCHON!"
Ihre Augenbrauen sind fast an
ihrem Haaransatz, aber sie lacht ein bisschen. Houston, wir haben Kontakt.
Ich lege die Kassette ein und
drücke auf Play und der vertraute, wenn auch durch die Zeit etwas verzerrte
Klang von Macho Man erfüllt das Labor.
"Mulder..."
Jetzt lacht sie wirklich und ich
fange an, wie ein Blödmann um sie herumzutanzen, singend und klatschend.
"Tanz mit mir,
Scully."
Ich drehe die Lautstärke höher
und strecke meine Hand aus. Sie geht auf mich zu und sagt ... irgendwas. Ich
kann sie über die Musik hinweg nicht verstehen.
"Was hast du gesagt?"
"ICH SAGTE, MANCHE DINGE
ÄNDERN SICH NIE."
Gott sei Dank.
Sie zieht ihren Kittel wieder
aus und ich klatsche und johle wie ein betrunkender Strip
Club Besucher. Sie lächelt breit und legt ihren Kittel um meinen Hals. Ich
ziehe daran, während er immer noch in ihren Händen ist und bald tanzen wir
langsam auf eine völlig unangemessene Art und Weise. Unangemessen, weil wir die
verdammten Village People hören. Aber nett. so nett.
Nicht so nah, wie es mir lieb wäre. Sie hält immer noch einen gewissen Grad
persönlichen Raums für sich aufrecht, anständig für eine verheiratete Frau wie
sie. Aber ich habe meinen Arm um ihre Hüfte gelegt und ich halte ihre Hand. Es
fühlt sich einfach perfekt an.
Ich fürchte trotzdem, dass meine
Tanzkünste etwas nachgelassen haben und ich falle schließlich fast über sie.
"Tut mir leid, es ist eine
Weile her."
Sie lacht und sagt ...
irgendetwas anderes.
"Was?"
"Ich sagte BLEIB EINFACH
VON MEINEN ZEHEN WEG!"
"Oh, oh, das sind deine
ZEHEN?"
"HA HA."
YMCA kommt als nächstes und ich
kenne den ganzen Text davon. Kann es nicht fassen, dass ich mich nach all der
Zeit noch daran erinnere. Aber das tue ich und ich fange an, in ihr Ohr zu
singen. Sie Sie antwortet, aber natürlich kann ich sie nicht hören. Das ist
wahrscheinlich auch gut.
Sie verdreht die Augen und lehnt
sich zur Seite, um die Musik etwas leiser zu drehen. Ihr
Brust streift kurz gegen meinen Arm und ich bemerke, das erste Mal, dass sie
keinen BH trägt. Mist. Ich nehme an, dass es gut ist, dass wir nicht *so* nahe
tanzen.
"Haben wir jemals so viel
Spaß gehabt, als wir beim FBI gearbeitet haben?" fragt sie.
"Ich habe das."
Ich versuche ihr in die Augen zu
sehen, aber mit den Turnschuhen, die sie trägt, sind diese ungefähr auf der
gleichen Höhe mit meinem Bauchnabel. Na ja, nicht wirklich, sie ist nicht *so*
klein. Aber ich könnte ihr nicht in die Augen sehen, außer sie würde ihren Kopf
ziemlich weit nach hinten legen.
"Ich hatte immer Spaß mit
dir, Scully."
"Immer?"
"Mmm...vielleicht
nicht immer. Aber meistens. Die meiste Zeit hatte ich Spaß daran, einfach nur
in deiner Nähe zu sein."
"Genau. Und meistens auf
meine Kosten..."
"Oh Scully, das ist eine
*totale* Lüge!"
"Lüge? Was für eine
Lüge?"
"Ich habe mich niemals über
dich lustig gemacht. Niemals. Deine Erinnerungen sind offensichtlich von der
Zeit etwas verdunkelt."
"Mulder, vergiss die
Erinnerungen. Du hattest den Kopf in den Wolken so lange ich dich kannte."
"Siehst du, da ist es
wieder. Du erinnerst dich völlig falsch an alles. Wenn du die Dinge wirklich
objektiv betrachtest, dann wirst du erkennen, dass ich die ganze Zeit recht
hatte. Oder nicht?"
Sie murmelt etwas unhörbares,
obwohl die Musik jetzt relativ leise ist.
"Hatte ich das nicht,
Scully? Ich meine, hey, schau dich einfach um!"
Sie lacht durch die Nase und das
wird ganz schnell zu einem richtigen Kichern.
"Ja, Mulder. Ich nehme an,
das hattest du."
"Was war das, Scully? Ich
habe dich nicht verstanden." Stichle ich, obwohl ich sie diesmal laut und
deutlich verstanden habe.
Sie wirft ihren Kopf zurück und
schreit lachend.
"Ich sagte DU HATTEST
RECHT! Ja ja ja, du hattest
RECHT! Bist du jetzt glücklich, Mulder?"
Ich kann jetzt ihre Augen sehen
und ich schaue sie an. Ich nehme an, dass mein Gesichtsausdruck ziemlich ernst
ist, weil sie aufhört zu lachen und mich ebenfalls ansieht.
"Weißt du, das bin ich.
Jetzt im Moment bin ich glücklich, Scully."
Sie starrt mich leise an und die
Village People singen weiter im Hintergrund. Wir
tanzen nicht mehr.
Ich denke nicht, dass ich sie
jemals so sehr küssen wollte, wie ich das gerade jetzt tue. Mein Gott, es wäre
so einfach. So einfach und so unglaublich schwer. Was würde sie tun? Mich auch
küssen? Mir eine runterhauen? Weinen?
Wahrscheinlich nicht.
Wahrscheinlich nichts von alledem. Sie würde sich zurückziehen und mir
mitteilen, dass sie jetzt eine andere Beziehung hat. Dass ich mir diese Art
Freiheiten nicht mehr einfach nehmen kann, so wie ich es früher getan habe.
Abgesehen davon, dass ich es
früher nicht getan habe. In all diesen Jahren habe ich es mir niemals so
richtig getraut.. Ich frage mich, warum ich mir jetzt
so viel mutiger vorkomme.
Ihre Haut ist gerötet und ich
denke, dass sie nicht atmet. Es ist einer dieser Momente. Eine dieser jetzt
oder nie Momente, die sich in der Vergangenheit immer vor uns in Luft
aufzulösen schienen.
Nicht dieses Mal.
"Dana, bist du..."
Mist. Arschloch. Das kann nicht
wahr sein. Aber das ist es. Er steht in der Tür. Krycek.
Steht dort, sieht uns an und sie zieht sich zurück, natürlich. Fummelt
angestrengt an dem Recorder herum, stellt ihn aus und ihr Gesicht verfärbt sich
zu einem noch leuchtenderen rot.
"Alex..."
"Kommst du zu dem Meeting
oder was?" fragt er, ganz offensichtlich verärgert, aber mit dem heftigen
Bemühen, das nicht zu zeigen.
"Meeting...ich...oh, ja.
ja. Ich war nur...ich nehme an ich habe vergessen, dass das heute war."
"Nun, das ist es. Wir
warten auf dich."
"Es...es tut mir Leid. Lass
mich nur schnell..."
Sie sieht sich hilflos nach
etwas um, das sie tun könnte. Ich sehe ihr Sweatshirt auf dem Tisch liegen und
gebe es ihr. Ich schaue in seine Richtung und sehe, dass er mich sehr direkt
*nicht* ansieht. Nein, er sieht nur sie an. Starrt sie an genaugenommen.
Durchbohrt sie mit seinen Blicken.
Es tut mir fast Leid. Für sie.
Es tut mir Leid, dass sie sich deswegen von ihm Vorwürfe wird anhören müssen.
Aber es tut mir nicht Leid, dass es passiert ist. Nichts könnte mich bereuen
lassen, dass es passiert ist.
Sie nimmt mir das Sweatshirt aus
der Hand, zieht es über ihren Kopf und löst dadurch den bereits gelockerten
Knoten in ihren Haaren vollständig. Der Stift fällt mit einem fast peinlichen
Klang auf den Boden.
"Ich bin...ich bin fertig.
Wir können gehen."
Sie beeilt sich, zu ihm zu
kommen, aber bevor sie den Raum verlässt, dreht sie sich noch einmal zu mir um.
"Wir sehen uns später,
Mulder."
Ich nicke, lächle, winke.
Dann sind sie weg und ich bin
mir nicht sicher, wie ich mich fühle. Ich denke ich fühle mich immer noch gut.
Ich denke ich bin immer noch glücklich.
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Ende Kapitel 11
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Kapitel 12
Alex,
der Schnee schmilzt wieder. Das
Tauwetter hat dieses Jahr ein wenig zeitiger eingesetzt, findest du nicht? Es
ist so schön, schon jetzt Mitte März draußen sitzen zu können. Ich hoffe, was
immer du gerade tust, dass du es im Freien tust.
Wie seltsam, dir einen Brief zu
schreiben. Wie albern, dir über etwas so alltägliches wie das Wetter zu
schreiben. Ich weiß, dass ich dich in wenigen Stunden sehen werde. Wir werden
zusammen Abendbrot essen, wie immer und an einem normalen Tag würde ich mich
mit dir über so einfache Dinge wie die Sonne und das Gras unterhalten können.
Aber wir hatten schon sehr lange keinen normalen Tag mehr, richtig Alex?
Weißt du, was das eigenartigste
daran ist? Die Tatsache, dass ich am meisten das Streiten vermisse. Erinnerst
du dich daran, wie wir uns früher gestritten haben? An die Zeit, als es uns
möglich war, jede Meinungsverschiedenheit durch ein paar Stunden erhobener
Stimmen und zerschlagenen Geschirrs auszuräumen? Selbst nach Mulders Ankunft,
da waren die Dinge schon schwieriger, ja, aber wir haben es immer noch
geschafft, uns durchzukämpfen. Das Streiten war schmerzvoller, persönlicher und
verletzender, aber es hat uns zum Ziel gebracht. Die Wiedergutmachung war den
Kampf wert, dorthin zu kommen.
Aber als sich das Wetter
geändert hat, haben wir das auch getan. Ich dachte, wir würden uns streiten,
nachdem du mich gefunden hast, als ich mit Mulder tanzte. Ich habe erwartet,
dass du verletzt und wütend sein würdest und ich war darauf vorbereitet, damit
umzugehen, zu versuchen, deine Ängste bezüglich dieser Situation zu beschwichtigen.
Ich habe mich fast auf die Möglichkeit gefreut, es auszudiskutieren. Vielleicht
wäre ich mir meiner Gefühle dir gegenüber klarer geworden, wenn ich gezwungen
gewesen wäre, sie dir zu erklären.
Ich habe es noch nie erlebt,
dass du trotzt, Alex. Ich bin mir noch nicht mal sicher, dass es das ist, was
du tust. Alles was ich weiß ist, dass du seit diesem Tag kaum mit mir
gesprochen hast. Wir schlafen im selben Bett, teilen uns den
selben Platz, aber du hast mich trotzdem seit Wochen so gut wie nicht
berührt. Und ich vermisse dich schrecklich.
Ich hatte nicht vor, dich zu
belügen. Als du mich wegen dieses blöden Radios gefragt hast, nehme ich an,
dass diese alten schlafenden Instinkte, Mulder zu beschützen wieder zum
Vorschein gekommen sind. Ich habe dir erzählt, ich selbst hätte es gefunden und
ich konnte von deinem Gesichtsausdruck ablesen, dass du mir nicht geglaubt
hast. Solch ein kleines, bedeutungsloses Detail, aber für dich schien es den
ganzen Unterschied auszumachen. Du hast mich wegen nichts anderem gefragt. Hast
du einfach angenommen, ich würde wieder lügen?
Obwohl du so darauf bestanden
hast, dass ich zu diesem Meeting komme, hast du mich völlig ignoriert, als wir
schließlich dort waren. Ich hatte einen Bericht abzugeben, aber du hast mich
nicht danach gefragt.
Marita war da, aber sie hat kein
Wort gesagt. Warum war sie dort, Alex? Du hast es mir nie erzählt. Ich weiß,
dass du viel Zeit mit ihr verbringst. Geschäftlich, sagst du und ich glaube
dir. Das tue ich. Ich wünschte trotzdem, dass du mir sagen würdest, um welche
Art von Geschäft es sich handelt. Ich wünschte, du würdest dein Leben wieder
mit mir teilen.
Ich vertraue dir, Alex. Ich
weiß, dass ich das kann. Weißt du, dass du mir trauen kannst? Kannst du das?
Ich wünschte, du würdest endlich
mir gegenüber aus der Haut fahren und mich aus meinem Elend erlösen. Oder es
einfach sein lassen und wieder mit mir reden. Bitte. Es sind schon fast drei
Wochen seit diesem Tag vergangen. Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir noch haben.
Ich sterbe, Alex. Hast du das
gewusst?
Nein, das hast du nicht. Weil
ich es dir nicht gesagt habe. Weil ich Angst habe. Nicht vor dem Sterben. Nein,
das ist eine weitere Lüge. Ich habe Angst vorm Sterben. Ich habe so viel Angst,
Alex. Aber was mich viel mehr ängstigt ist die Tatsache, wie sehr ich dich
enttäuscht habe, mein Liebster.
Diese Krankheit ist lediglich
mein allerjüngster Fehler. Die letzte Beleidigung. Der Gedanke, dich
zurückzulassen ist beängstigender, als alles andere auf der Welt.
Es wird dir gut gehen, oder? Du
hast so viel überlebt. Ich weiß, dass das nicht dein Ende sein wird - nicht
sein kann.
Ich hoffe, dass du für mich auf Ret Acht gibst. Er braucht jemanden, den er lieben kann.
Ich muss jetzt gehen, Alex. Mein
Kopf schmerzt furchtbar und ich fange an, helle Punkte auf dem Papier zu sehen.
Bitte wisse, dass nicht und niemand jemals ändern könnte, was du mir bedeutest.
Ich werde mit dir in meinem Herzen sterben, selbst wenn ich deines verlassen
habe.
In Liebe
D
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Roseanne ist hier. Ich habe
keine Ahnung, wie lange sie mich schon beobachtet, aber als ich den Brief
beende sehe ich auf und da ist sie, sie sitzt mir gegenüber am Picknicktisch.
Ich falte das Papier, auf das
ich geschrieben habe zu einem kleinen Rechteck und stecke es in meine Tasche.
Ich frage mich, ob es jemals jemand lesen wird. Ich frage mich, warum ich es
überhaupt geschrieben habe. Sicher nicht, um es Alex zu geben. Therapie?
Vielleicht, aber ich habe es nicht sonderlich therapeutisch gefunden. Ich frage
mich, ob ich es verbrennen sollte.
"Was ist das?" fragt
Roseanne, nachdem ich den Brief versteckt habe. Sie hat ihr Mittagessen nach
draußen gebracht und die Hälfte davon ist weg. Sie muss schon fast die ganze
Zeit hier gewesen sein.
"Nichts. Nur ein paar
Notizen."
Sie nicht, aber ihre Nase zuckt.
Ich nehme an, dass ich sie auch nicht anlügen kann.
"Es schien dich ziemlich in
den Bann zu ziehen. Ich sagte Hi, als ich mich
gesetzt habe, aber du hast mich nicht mal gehört, richtig?"
"Ich...ich habe mich nur
auf diese ... diese Notizen konzentriert."
Mein Gott, mein Kopf hämmert
richtig. Ich kann mich kaum auf sie konzentrieren. Jeder entfernte, leise Ton
wird in meinem Kopf verstärkt. Rauschende Blätter klingen wie der Schlag einer
Trommel. Diese hellen Punkte bedecken Roseannes Gesicht.
"Dana, geht es dir
gut?"
Warum spricht sie so laut?
"Es...es geht mir gut. Es
geht mir gut."
Sie lehnt sich über den Tisch
und legt ihre Hand über meine. Aus irgendeinem Grund erschreckt mich diese
Geste, lässt mich zusammenzucken.
"Bist du sicher? Du siehst
wirklich blass und müde aus."
"Es geht mir gut. Es ist
nur, ich habe ein paar Kopfschmerzen, das ist alles."
Sie zuckt mit den Schultern und
isst weiter ihr Sandwich, da sie sich dankenswerterweise dafür entschieden hat,
nicht weiter zu bohren. Soe sehr ich sie mag und ihr
traue, Roseanne ist neben Alex wahrscheinlich die letzte Person auf der Welt,
die ich mit meiner Krankheit belasten will.
Ist diese Unterhaltung vorbei?
Ich hoffe es. Ich muss gehen....irgendwohin.
Irgendwohin. Ich kann nicht mehr mit irgendjemandem reden.
"Ich werde, äh ... ich muss
ins Labor zurück, Roseanne. Ich sehe dich später."
Ich fange an aufzustehen, aber
sie hält meine Hand fest.
"Warte, warte, warte, Dana!
Mein Gott, ich habe das Gefühl, ich hätte mich schon seit Ewigkeiten nicht mehr
mit dir unterhalten. Bleib noch eine Minute."
"Ich muss ... wirklich ... "
"Musst was? Komm schon,
Dana. Ich vermisse dich."
Ich vermisse sie auch. Das tue
ich tatsächlich. Ich habe bis jetzt kaum darüber nachgedacht, aber wir sind in
den letzten Monaten auseinandergedriftet. Seit Mulder. Seit ich selbst
auseinandergedriftet bin.
Ich setze mich wieder und
massiere meine Schläfen, hoffe den Schmerz so weit zu mildern, dass mein Kopf
wieder klar wird, dass ich wieder einigermaßen zusammenhängend denken und
sprechen kann.
"Es tut mir leid, Roseanne.
Ich war einfach nur ... die Dinge waren so ... naja,
ich hatte nicht viel Zeit."
"Ich weiß. Es ist
okay."
"Wie ist es dir
gegangen?"
"Mir ging es gut. Prima.
Ein bisschen einsam aber ..."
"Einsam?"
"Na ja, mein Gott, Dana.
Dieser Ort quillt nicht gerade über vor attraktiven, intelligenten und
geeigneten Männern. Und die beiden am besten aussehenden Jungs hier sind...na
ja..."
"Sind was?"
"Na ja, sie gehören
dir."
Mir. Mir? Sie gehören nicht mir.
Keiner von ihnen gehört mehr mir. Mulder hat es nie wirklich und Alex...oh,
Alex.
"Sie lieben dich beide,
Dana. Es ist nicht so, dass du es nicht verdienst, aber es ist einfach nur
total unfair einem einsamen Mädchen wie mir gegenüber."
Sie lacht und ich bringe ein
schwaches Lächeln zustande. Willst du tauschen, Roseanne? Bitte?
Vielleicht wird sie sich um Alex
kümmern können, wenn ich nicht mehr bin. Vielleicht könnte er sich sogar in sie
verlieben, mich vergessen.
"Mulder ist nicht ... na
ja, er ist alleinstehend, Roseanne."
Sie lacht weiter und schüttelt
ihren Kopf.
"Dana, bist du verrückt?
Der Mann ist an nichts und niemandem außer dir interessiert. Glaube mir, ich
habe versucht seinen ... Horizont ein wenig zu erweitern."
Ich weiß wirklich nicht, was ich
dazu sagen soll. Ich wünschte einfach, dass die Dinge irgendwie anders wären.
Für uns alle.
"Dana, bist du sicher, dass
es dir gut geht? Machst du dir Gedanken wegen des Einsatzes oder so?"
"Einsatz?"
Ihr Kinnlade klappt nach unten und ihre
Augen treten wie bei einer Zeichentrickfigur aus ihrem Kopf hervor.
"Du machst Witze,
richtig?"
"Äh..."
"Hast du in der letzten
Woche unter einem Stein gehaust?"
"Na ja, wie ich sagte, ich
war ziemlich beschäftigt. Ich habe nicht viel mit den Leuten geredet."
"Nicht einmal mit
Alex?"
Ganz besonders nicht mit Alex.
Ich kann ihr nicht anders antworten, als meinen Kopf zu schütteln und
wegzusehen. Ich hoffe, dass sie mitbekommt, dass dies das letzte ist, worüber ich
im Moment reden möchte.
"Dana, solltest du nicht
seine Stellvertreterin sein? Ich meine, wenn ihr beide Probleme habt..."
"Wir haben keine
Probleme!"
Sie entfernt sich ein wenig von
mir, erschrocken über meinen Ausbruch. Es war nicht meine Absicht, so
verteidigend zu klingen.
"Okay, Dana. Ihr habt keine
Probleme. Also warum hat er dir nicht von diesem großen Einsatz erzählt, den er
seit den letzten Wochen zusammen mit Marita und ihrem mysteriösen Kontaktmann
plant?".
Marita? Kontaktmann? Mein Gott,
Alex. Was um alles in der Welt hast du vor mir verheimlicht?
"Ich nehme an ... wir waren
sehr beschäftigt."
"Um Himmels willen, Dana!
Sie greifen eine der Hauptstützpunkte an. Das ist eine riesen
Sache! Ich kann nicht fassen, dass er nicht mit dir darüber gesprochen hat. Was
zur Hölle ist mit ihm los?"
"W... wann soll das
stattfinden?"
"In ungefähr fünf
Tagen!"
Oh. Mir wird wieder schwindlig.
Ich wünschte sie würde aufhören zu schreien.
"Ich...ich muss gehen,
Roseanne. Es tut mir leid."
"Du musst gehen und ihm in
den Hintern treten, das ist es, was du tun musst."
Ich lächle und lehne mich über
den Tisch, um sie auf die Wange zu küssen. In mir kriecht das Bedürfnis hoch,
ihr heulend in die Arme zu fallen, aber glücklicherweise kann ich mich
zurückhalten.
"Wir sehen uns später,
Roseanne. Danke."
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Ich war noch nie nervös gewesen,
wenn ich an Alex' Bürotür geklopft habe. Genaugenommen bin ich mir nicht
sicher, ob ich überhaupt schon mal an diese Tür geklopft habe, Punkt.
Er murmelt etwas unverständliches hinter der Tür und ich fasse das als
Einladung auf. Ich muss zugeben, dass ich schockiert bin, als ich eintrete. Ich
habe dieses Raum noch nie in einem solchen Zustand
völligen Chaos gesehen. Zettel, Bücher und Landkarten liegen auf dem
Schreibtisch und auf den Stühlen verstreut. Die Aktenschränke sind offen, ihre
Inhalte durcheinandergewühlt. Alex sitzt mitten in
dieser Unordnung und schreibt in sein Notizbuch. Er plant. Ohne mich.
Ich räuspere mich und er sieht
erschrocken auf. Ich habe das Gefühlt, als hätte ich ihn mitten in einer
untreuen Situation erwischt. Albern, aber einfach das gleiche...
"Dana."
Sein Ton macht mir Angst. Er ist
nicht fragend, nicht überrascht, nicht wütend oder genervt, nicht zärtlich oder
besorgt. Er ist leer. Nichtssagend. Eine gefühllose Feststellung. Dana.
"Hallo, Alex. Darf ich mich
setzen?"
"Wenn du einen Platz
findest."
Ich hebe einen Stapel Papier von
dem Stuhl vor seinem Schreibtisch und lege ihn auf den Boden. Er jammert, aber
er weist mich nicht zurecht, also setze ich mich. Ich fühle mich alarmierenderweise wie ein unartiges Kind, dass plötzlich
in das Büro des Direktors geschickt wird.
"Alex ich ... ich wollte
dich etwas fragen."
Mein Gott, dieses Gesicht. Er
ist ein Stein. Kein wie auch immer gearteter Gesichtsausdruck. Seine Hände sind
auf dem Tisch vor ihm gefaltet. Menschliche und unmenschliche Seite vereint.
"Ich habe heute etwas über
einen Einsatz erfahren, Alex."
Immer noch nichts. Ich muss
gegen den Drang ankämpfen, nervös auf meinem Stuhl herumzurutschen.
Mein Gott, es ist Alex. Alex um
Himmels Willen. Ich sollte mich nicht so fühlen. Wie konnten die Dinge nur so
völlig schief gehen?
"Wird ... wird es einen
Einsatz geben?"
"Ja."
Okay, also gut.
"Gut, würdest du mir etwas
darüber erzählen?"
"Was möchtest du
wissen?"
"Ich möchte wissen..."
Ich höre auf und atme tief ein,
halte mich selbst davon ab, mit der Tirade herauszuplatzen, die ich unter
meiner Oberfläche kochen fühle.
"Was ich zuerst wissen
möchte ist, warum du mir nicht schon längst davon erzählt hast?"
Er seufzt und lehnt sich in
seinem Stuhl zurück. Zeichen von Leben?
"Du warst beschäftigt. Ich
wollte dich nicht belästigen."
"Mich belästigen? Alex, das
ist ein Teil meines Jobs. Nicht nur meines Jobs. Meines Lebens. Jetzt möchte
ich, dass du mir erzählst, was vorgeht. Wo findet dieser Einsatz statt?"
Statt einer Antwort erhalte ich
einen Stapel Papier, der in meine ungefähre Richtung über den Schreibtisch
geschoben wird. Dabei ist eine ungefähre Karte des südwestlichen Territoriums,
die sich vage noch weiter nach Süden erstreckt. Irgendwo in der Nähe des
unteren Randes ist ein roter Kreis um das, was glaube ich früher die Stadt
Boston gewesen ist.
"Alex, haben nicht dort die
Alienrebellen ihre Kolonie?"
"Ja."
"Das sind ... da sind nicht
die, die du angreifst, Alex."
"Doch, das sind sie."
"Ich verstehe das nicht.
Alex, dort all ihre Lagerhäuser. Dort kommen unsere Lieferungen her. Was geht
hier vor?"
"Sie lügen uns an, Dana.
Lassen uns ihre Dreckarbeit machen und geben uns dafür Almosen."
"Almosen? Alex, sie halten
uns am Leben!"
Er schüttelt seinen Kopf und
schaut mich mit ... Mitleid an? Ist das Mitleid? Als wenn ich blöd wäre, weil
ich nicht weiß, was er weiß, nicht verstehe, warum er unseren einzigen
hilfreichen Verbündeten wegwerfen will und uns dadurch eine ganze Menge neuer
Feinde verschaffen wird.
"Sie haben uns zum Narren
gehalten, Dana. Sie haben die Dinge, die wir brauchen, die Dinge, für die wir
uns den Arsch aufreißen, um sie zu finden. Sie hatten die schon immer. Alles
was wir tun ist das zu nehmen, was wir verdienen. Volle Bezahlung."
"Wovon redest du? Was haben
sie?"
"Alles."
Wäre es das Ende der Welt, wenn
ich über den Tisch greife und ihn erwürge? Irgendwie habe ich das Gefühl, das
es das wäre, aber es ist trotzdem eine Versuchung.
"Könntest du dich bitte
etwas genauer ausdrücken?"
"Sie haben die Technologie,
die wir brauchen. Um die Waffe zu bauen. Um sie loszuwerden. Alle."
"Wenn das stimmt, warum
haben sie diese Waffe nicht schon selbst benutzt?"
"Weil es sie auch töten
würde, wenn sie sie freisetzen. Sie haben noch keinen Weg gefunden, sich selbst
zu immunisieren."
"Also willst du losgehen
und sie ihnen wegnehmen und die Waffe freisetzen? Du willst die Einzigen
verraten, die uns überhaupt geholfen haben, Alex?"
Er sieht mich wieder so
mitleidig an und das erste Mal an diesem Tag lassen meine Kopfschmerzen nach
und machen Übelkeit Platz. Wer ist dieser Mann. Wo ist der Alex, den ich kenne?
Habe ich einfach dadurch umgebracht, dass ich mit einem anderen Mann getanzt
habe?
"Das ist nicht alles, was
sie haben."
Verdammt. Das ist absolut
lächerlich. Ich kann nicht fassen, dass er dieses idiotische Ratespiel mit mir
spielt.
"Was haben sie noch,
Alex?"
"Das, woran du arbeitest,
seit du hergekommen bist."
Ein Aufflackern von Angst und
Hoffnung fährt durch meine Adern.
"Ein Heilmittel..."
Ich schaffe es kaum, das Wort zu
flüstern. Wie kann das möglich sein? Es kann nicht. Kann es?
"Woher ... woher weißt du,
dass sie es haben?"
"Jemand hat es mir
erzählt."
"Jemand hat es dir erzählt.
Das ist großartig, Alex. Du willst unsere einzigen Verbündeten die Toilette
hinunterspülen und das Leben von jedem hier aufs Spiel setzen, wegen etwas, was
dir 'jemand' erzählt hat?"
Und das alles, um ein Heilmittel
zu finden. Das ist es, worum es geht, noch mehr, als um die Waffen. Ich kenne
ihn gut genug, um das zu verstehen. Er hat die Absicht alles zu riskieren,
inklusive seines eigenen Lebens, um dieses Heilmittel zu finden. Für mich. Für
etwas, das er als potentielle Bedrohung meines Lebens empfindet. Das ist es,
was mir am meisten von allem Angst macht. Und es verstärkt meine Entscheidung,
ihm nicht zu erzählen, dass ich bereits krank bin. Gott allein weiß, was er tun
würde.
"Es ist jemand, dem ich
traue. Und sie sind nicht unsere einzigen Verbündeten."
"Wer?"
Er senkt seine
Kopf und lässt in mir den Verdacht aufkommen, dass dieser jemand Marita ist.
"Alex?"
"Es gibt da einen Mann.
Einen Mann, für den ich früher gearbeitet habe. Wir sind in Kontakt getreten.
Er hat angeboten, uns zu helfen."
"Und er ist der einzige,
von dem du diese Information hast?"
"Ja."
"Dieser
Mann, hat er einen englischen Akzent?"
Seine Augenbrauen heben sich
überrascht, was mir als Antwort ausreicht. Ich kenne diesen Mann, den Alex
anscheinend für vertrauenswürdig hält. Und ich bin fast sprachlos vor Schreck,
dass er so viel wegen eines Wortes von ihm riskiert.
"Was für Beweise hat dir
dieser Mann geliefert, Alex?"
Er schüttelt seinen Kopf
abwehrend, als wäre das eine absurde Frage.
"Ich vertraue ihm,
Dana."
"Und das reicht dir?"
"Ja."
Mir ist klar, dass es keinen
Sinn hat, über dieses Thema mit ihm zu streiten. Er scheint seine Entscheidung
bereits getroffen zu haben.
"Also, wann fahren wir
los?"
"Ende der Woche. Du musst
nicht mitkommen, Dana. Ich nehme nur eine kleine Gruppe mit."
Ich nicke zustimmend und wir
schauen uns das erste Mal in die Augen. Ich mag es mir einbilden, aber ich
denke, dass ich etwas in ihm weich werden sehe. Ich nehme an, dass er einen
Streit erwartet hatte. Ich wünschte ich hätte die Kraft zu streiten. Ich
wünschte mir würde es gut genug gehen, dass ich eine Hilfe sein könnte, statt
eines Klotzes am Bein.
Wir starren uns eine Weile an,
die mir wie eine sehr lange Zeit vorkommt, aber die bestimmt nur aus ein oder
zwei Momenten bestanden hat. Ja, er benimmt sich wie ein unerträglicher
Bastard, aber irgendwo da drin ist jemand, der mir etwas bedeutet. Jemand, den
ich berühren will.
Ich fahre mit den Fingern meiner
rechten Hand über den Ring, der auf meiner linken steckt und ich fühle wie mein
Herz bei der Erinnerung an den Abend, an dem er mir dieses Geschenk gegeben
hat, anfängt zu rasen. Wie würde er reagieren, wenn ich über diese Barriere
zwischen uns reichen würde, sein Gesicht in die Hände nehmen würde und meine
Lippen auf seine legen würde, dort wo sie hingehören? Würde es diese kalte,
tote Fassade hinwegschmelzen? Würde es ihn davon
überzeugen, mir wieder zu glauben? Einen Moment lang glaube ich, dass es das
würde.
Aber der geht vorbei. Er sieht
wieder nach unten auf seine Zettel, entlässt mich. Ich stehe auf und wende mich
zur Tür. Beobachtet er mich mit traurigen, einsamen Augen?
Ich drehe mich schnell um in der
Hoffnung, ihn zu erwischen, aber sein Kopf ist immer noch über den Schreibtisch
gebeugt und er hat wieder mit Schreiben angefangen. Ich spüre einen Anflug von
Verzweiflung und ein so starkes Begehren, dass ich es nicht einfach ignorieren
und davonlaufen kann.
"Ich vermisse dich,
Alex", flüstere ich so leise, dass ich denke, dass er es vielleicht
überhört haben könnte.
Das hat er nicht. Er schaut nach
oben und plötzlich ist sein Gesicht anders. Weich und lieb und schrecklich
unglücklich.
"Dana..."
So anders, als vorhin. So voller
Schmerz und Liebe und einfacher, alter, rauer Emotion.
"Was passiert hier, Alex?
Ich dachte, wir wären darüber hinweg?"
Seine Augen fallen zu und er
reibt seine Hand über sein Gesicht.
"Keine Ahnung, Dana. Ich
bin nur ... was immer du jetzt von mir denkst, was immer du auch denkst, was
für ein Mensch ich bin, es gibt eine Sache, die mich immer durch jede Situation
hindurchgeführt hat."
"Was ist das?"
"Selbstschutz.
Überleben."
Ich gehe zum Schreibtisch zurück
und lege meine Hand vorsichtig auf seine. Er zieht sie nicht zurück, Gott sei
Dank.
"Was hat das mit uns zu
tun, Alex?"
"Ich versuche lediglich,
mich selbst zu schützen, Dana."
"Vor mir?"
Er atmet tief und schaudernd ein
und schaut mit den Augen eines verängstigten Hasen zu mir auf.
"Vor dem, was du in der
Lage bist, mir anzutun."
Das zu hören fühlt sich an, als
würde mir ein weißglühender Dorn in die Brust gestochen, der ein Herz trifft,
von dem ich dachte, dass es schon tausende Male gebrochen wurde.
"Ich würde dir niemals weh
tun, Alex."
Er nickt, aber ich nehme an wir
beide wissen, dass das eine Lüge ist. Ich habe ihm schon weh getan. Nicht
willentlich oder absichtlich, aber ich habe es.
"Es tut mir leid,
Alex."
Ich drücke seine Hand. Er hebt
meine an seine Lippen und drückt einen zarten Kuss auf meine Knöchel.
"Mir auch, Djewotschka. Mir auch."
"Also, was tun wir?"
"Einfach ... einfach
weitermachen, nehme ich an."
Einfach weitermachen. Ich nehme
an, das ist ein Anfang. Er lässt meine Hand los und nimmt statt ihrer einen Stift,
schaut wieder auf seine Arbeit.
"Ich sehe dich heute
Abend", sagt er und dieses Mal gehe ich wirklich, weil ich nicht weiß, was
ich sonst noch sagen sollte. Ich weiß nicht, wie in aller Welt ich es besser
machen könnte. Aber wenigstens habe ich ein kleines bisschen Hoffnung.
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Ende Kapitel 12
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 13
Einfach weitermachen.
Rückblickend erscheint das, als wäre es ziemlich dumm gewesen, das zu sagen. Es
hätte so viele andere Möglichkeiten gegeben, Dinge, die ich hätte vorschlagen
können, die verhindert hätten, dass wir an diesen Punkt gelangt wären.
Zum Beispiel hätte ich sagen
können, "Warum fangen wir nicht einfach damit an, dass du mir sagst, was
vorgeht?"
Vielleicht wollte ich es einfach
nicht wissen. Vielleicht habe ich es schon gewusst und konnte nicht ertragen,
es zu hören.
Die Zeichen waren alle da. Sie
war so lange distanziert und eigenartig gewesen, dass ich sie mir schon gar
nicht mehr anders vorstellen kann. Sie verschwindet für lange Zeit ohne
Erklärung, ziemlich oft, seit mindestens einem Monat. Sie in seinen Armen zu
erwischen war nur die Glasur auf dem Kuchen.
Aber ich habe mich immer noch
geweigert, es zu glauben. Als sie an diesem Tag zu mir kam, habe ich wirklich
geglaubt, dass sie aufrichtig war, dass ich vielleicht paranoid und unsicher
bin. Ich dachte, dass sie es versuchen wollte. Und ich habe es auch versucht.
In der letzten Woche habe ich mein äußerstes versucht, die Dinge zwischen uns
wieder gerade zu biegen, trotz der Tatsache, dass ich mit der Planung des
Einsatzes noch mehr beschäftigt war als je zuvor, trotz meiner Zweifel und
meiner Ängste. Sie schien mit mir daran zu arbeiten, hat mir sogar vor einigen
Tagen das Privileg gestattet, mit ihr zu schlafen.
Ich dachte, wir befänden uns in
einer weiteren Aufwärtskurve auf dieser verdammten Achterbahnfahrt der Gefühle,
die wir seit den letzen fünf Monaten durchmachen. Ich nehme an, ich habe mich
geirrt.
Manchmal frage ich mich, ob sie
denkt, dass ich der dümmste Mensch bin, der jemals gelebt hat. Hat sie gedacht,
ich würde es nicht herausfinden? Ich war früher ein verdammter Spion um Himmels
Willen.
Nein. Nach heute Abend denke
ich, dass es sicher ist zu sagen, dass sie wollte, dass ich es herausfinde,
aber nicht den Mumm hatte, es mir ins Gesicht zu sagen. Das ist es, was mich am
meisten traurig macht. Ich habe so viel von ihr erwartet. Ich dachte, sie wäre
mutig.
Ich bin kein Verfechter von
Regeln.
Ich habe mich nicht daran
gehalten und ich habe nicht allzuviele davon aufgestellt.
So weit es mich betrifft, sind die meisten davon heuchlerisch und einfallslos,
mehr eine Krücke für die Leute, die nicht selbst zwischen Gut und Böse
unterscheiden können, als irgendeine Art von Schutz.
Nicht dass ich die
verlässlichste Quelle dieses Thema betreffend bin...
Jedenfalls ist der Punkt, dass
Dana und ich nicht sehr viele Regeln in unserer Beziehung haben. Die meisten
unserer gegenseitigen Erwartungen blieben unausgesprochen. In der ganzen Zeit,
in der wir zusammen waren, hatte ich nur eine einzige Forderung, einen einfchen Gefallen, um den ich sie gebeten habe.
Nein, nicht Treue, obwohl ich
beginne zu denken, dass es vielleicht eine gute Idee gewesen wäre, diese gleich
von Anfang an festzulegen, als sie blind von ihr zu erwarten.
Die Regel ist, dass wir beide an
dem Abend vor einem Kampf, einem Einsatz oder einer anderen potentiell
lebensbedrohlichen Situation, zeitig von der Arbeit nach Hause kommen,
Abendbrot essen, uns unterhalten und ins Bett gehen. Gemeinsam.
Ich habe ihr das schon sehr
frühzeitig gesagt, dass ich das brauche, noch bevor wir überhaupt zusammen
gewohnt haben und sie war immer sehr entgegenkommend. So sehr, dass ich dazu
verleitet wurde zu glauben, dass sie das auch brauchte.
Eine weitere fehlerhafte
Schlussfolgerung.
Ich werde morgen wegfahren. Die
Lastwagen sind alle bepackt, der Plan ist festgelegt, die Uhren verglichen und
all dieser Mist. Ich leitete unsere last-minute
Strategiesitzung in rasender Geschwindigkeit, habe in meiner Eile, schnell nach
Hause zu kommen ein paar wichtige Punkte übersprungen und bin hierher
zurückgekommen, um das zu kochen, was durchaus mein letztes Essen mit Dana sein
könnte. Gewesen wäre, wenn sie aufgetaucht wäre.
Die ersten paar Stunden waren
nicht all zu schlimm. Ich war ein bisschen früh dran, wie sich herausstellte
und habe die zusätzliche Zeit damit verbracht, das Essen bis zur Perfektion zu
verfeinern. Als ich schließlich mit essen fertig war, war sie ein wenig spät
dran, aber ich dachte mir, dass ich das Essen in den Ofen stellen würde und es
wäre dann immer noch warm, wenn sie heimkommen würde.
Es ist jetzt verbrannt.
Verbrannt zu einer erbärmlichen schwarzen Masse.
Schon seit sechs Stunden ist es
in diesem Zustand. Ich weiß noch nicht einmal mehr, was es einmal war.
Ich muss sagen, dass diese sechs
Stunden die längsten meines Lebens waren. Ich ging durch verschiedene Stadien
als mir klar wurde, dass sie nicht nach Hause kommen würde. Zuerst Leugnen. Na
klar, jede Minute würde sie durch diese Tür kommen, voll der Entschuldigung und
mit nachvollziehbaren, glaubhaften Erklärungen.
Das wandelte sich gegen neun
oder zehn Uhr in Ärger.
Wie kann sie es wagen, mich so
zu versetzen? Könnte sie es vergessen haben? Was für eine blöde Kuh...
Nach einigen Stunden wütenden
Herumlaufens und Stuhltretens fing ich an, mir Sorgen zu machen. Was, wenn ihr
etwas zugestoßen wäre? Sicher könnte sie es nicht vergessen haben. Sicher würde
sie mir das nicht absichtlich antun. Die Dinge waren angespannt zwischen uns,
um es mal vorsichtig zu sagen, aber sie würde sich niemals dazu herablassen,
mir weh zu tun. Sie muss verletzt sein oder in irgendwelchen anderen
Schwierigkeiten.
An diesem Punkt habe ich mich
dazu entschieden, nach ihr zu suchen.
Ich hatte mir nicht gewünscht,
dass es dazu kommt. Ich nehme an, dass das Leugnen sehr fest in mir verankert
war und dass ein großer Teil von mir immer noch darauf wartete, dass sie von
selbst zurückkommen würde.
Aber ich konnte nicht einfach
hier sitzen und warten, wenn sie meine Hilfe brauchte.
Der erste Ort zu dem ich ging
war natürlich auch der naheliegendste. Wenn ich
gleich hierher gegangen wäre, um fünf oder sechs, als sie hätte nach Hause
kommen sollen, wären die Dinge vielleicht anders gewesen. Vielleicht wäre ich
in der Lage gewesen, mich weiterhin in meiner glücklichen, Scheinwelt zu
verkriechen.
Aber ich bin nicht vor um eins
in der Nacht ins Labor gegangen. Ich nehme an, dass es der Spanner in mir war,
der zuerst durchs Fenster schauen wollte, anstatt an die Tür zu klopfen. Der
Spanner und der Realist, derjenige, der von Anfang an wusste, was wirklich
vorging.
Sie war dort, alles klar. Sie
sah post-orgasmisch glücklich aus und zerwühlt und
einen Moment lang war ich tatsächlich erleichtert. Ihr ging es gut. Gott sei
Dank war sie in Ordnung.
Und dann sah ich sie mit dem selben übelkeitserregenden
Gesichtsausdruck, wie er über ihr lehnte. Sie sprang in seine Arme und ich sah
so lange dabei zu wie ich es aushalten konnte, wie sie sich umarmten wie zwei
liebeskranke Teenager. Vielleicht habe ich darauf gewartet, dass sie damit
aufhören würden. Aber sie haben nicht aufgehört. Sie haben sich einfach umarmt
und gelacht und sind verdammt noch mal auf und ab gesprungen und ich habe
schließlich aufgegeben.
Völlig.
Und jetzt, fast zwei Stunden
später, sitze ich hier an dem, was frühere mal unser Küchentisch gewesen ist
und warte immer noch darauf, dass sie nach Hause kommt. Aber dieses Mal ist es
mit Einsicht.
Ihre Taschen sind gepackt und
draußen im Flur übereinandergestapelt. Wenn sie nicht
zurückkommt, bevor ich weggehe, wird es keine Notwendigkeit für eine
schreckliche Szene geben. Sie wird die Taschen sehen und verstehen, dass ich
ihr endlich gegeben habe, was sie wollte. Ich glaube das erste Mal überhaupt.
Vielleicht bin ich zu gutmütig,
lasse sie zu einfach davonkommen.
Vielleicht wäre es besser, wenn
ich vorgeben würde, nichts zu wissen und einfach weitermachen würde, es ihr so
schwer wie möglich machen würde, mit ihrer wahren Liebe zusammen zu sein. Aber
traurigerweise habe ich das nicht in mir. Ich könnte die Qual selbst nicht
ertragen.
Nein, die Zeit ist reif. Es gibt
nichts mehr zu sagen, keinen Schmerz mehr, den wir uns noch gegenseitig zufügen
könnten. Ich hoffe nur, dass es mich nicht zerstören wird, sie zu verlieren.
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Am Ende war die Antwort so
einfach, dass es schwierig zu verstehen war, warum wir soviel Zeit gebraucht
haben, sie zu finden.
Wie konnten wir so lange etwas
so grundlegendes, so völlig offensichtliches übersehen? Ich nehme an ich
wusste, dass die Lösung in Mulders Blut steckt, aber wer hätte gedacht, dass es
das Blut selbst sein würde?
Es spielt keine Rolle mehr. Wir
haben es gefunden. Einen Weg sich umzuwandeln ohne die Umwandlung. Die richtige
Mischung, die richtige Temperatur, alles richtig. Das ist alles, was zählt.
Wir werden natürlich noch mehr
Tests durchführen müssen. Wir werden das Serum erst mal jemandem injizieren
müssen, der mit dem Krebs infiziert ist. Ein menschliches Versuchskaninchen.
Ich habe mich schon selbst auf dieses Schicksal vorbereitet, weil ich mir fast
völlig sicher bin, dass es funktionieren wird.
Ich hätte Alex sagen sollen,
dass ich später kommen werde. Es ist sicher schon früh um vier. Der Mond ist
schon weg und die Nacht ist in ihrer dunkelsten Phase.
Das einzige Geräusch auf dem
Campus ist das von meinen Füßen, die das gefrorene Gras berühren, während ich
nach Hause gehe. Er macht sich sicher Sorgen.
Es spielt keine Rolle. Wenn ich
ihm erst mal erzählt habe, wo ich gewesen bin, was ich heute Nacht getan habe,
wird er es vergessen. Er wird glücklich sein. Sogar euphorisch. Und das beste von allem ist, dass meine Entdeckung sicher ausreichen
wird, um ihn von dieser Wahnsinnsmission abzuhalten, die er morgen vor hatte.
Es wird so sein müssen. Ich werde ihn nicht gehen lassen, bevor er richtig mit
mir geschlafen hat und es ist einfach nicht mehr genug Zeit. Er sollte in zwei
Stunden wegfahren.
Als ich in das Wohnheim komme,
habe ich das Gefühl, als müsste ich die Gänge auf und ab rennen, an jede Tür
hämmern und alle Welt aufwecken um ihnen zu sagen, dass ich es getan habe. Ich
habe es endlich getan.
Aber da gibt es nur eine Tür,
die wirklich wichtig ist und ich stürze die Treppen hoch, zwei Stufen auf
einmal nehmend, um das vierte Stockwerk und mein Zuhause zu erreichen.
In meiner Aufregung und meiner
Eile stolpere ich fast über den Haufen Müll, der vor unserer Tür steht.
Vielleicht hat Alex ein bisschen
aufgeräumt. Es sieht allerdings nach ein bisschen zuviel
Sachen aus, um sie einfach wegzuwerfen.
Ich steige darüber, mache mir
eine geistige Notiz, sie morgen auszusortieren und sicherzugehen, dass er
nichts wegwerfen, was wir noch brauchen und schließe
die Tür auf.
Alle Lichter sind aus und der
Raum fühlt sich sehr leer an, als ich eintrete. Er ist sicher schon schlafen gegangen.
Ich schließe und verriegele die Tür hinter mir und fange an, durch die
Dunkelheit zu laufen. Als ich die Schlafzimmertür erreiche, höre ich ein
Geräusch, so etwas wie ein Seufzen, aus dem Küchenbereich kommen. Ich drehe
mich erschrocken um.
"Alex?"
Stille. Ohrenbetäubende,
unheimliche Stille.
Ich taste im Dunkeln herum,
suche gleichzeitig nach dem Lichtschalter und der kleinen Pistole, die an
meinen Stiefel geschnallt ist.
"Wer ist da?"
Keine Antwort.
Ich greife die Waffe mit der
rechten Hand und bewege den Schalter mit der linken. Die kleine, gedämpfte
Glühbirne der Küchenlampe flackert und ich atme erleichtert aus. Es ist Alex.
"Warum hast du mir nicht
geantwortet?" frage ich. Er zuckt mit den Schultern und hebt seinen Blick
nicht von der Tischplatte.
"Warum sitzt du hier im
Dunkeln?" versuche ich wieder und stecke meine Waffe dorthin zurück, wo
sie hingehört. Immer noch keine Antwort.
"Alex, du wirst nicht
glauben, was heute nacht passiert ist," platze ich heraus, einfach berstend mit dem Wunsch,
die guten Neuigkeiten mit ihm zu teilen. Seine Augen richten sich nach oben und
er schnieft, lacht höhnisch. Da gibt es etwas gefährliches
in diesen Augen.
"Es ... es tut mir Leid,
dass ich so spät dran bin, Alex, aber es gibt einen Grund. Einen sehr guten Grund."
"Wirklich,"
sagt er, aber es ist keine Frage. Es ist der gleiche hölzerne Ton, den er an
diesem Tag im Büro mir gegenüber benutzt hat.
"Ja, wirklich. Ich denke
dass... ich denke dass wir es gefunden haben, Alex."
"Es?"
Ich kann mich nicht davon abhalten,
zu ihm hinüber zu laufen und meine Arme um seine Schultern zu legen. Er mag
jetzt genervt aussehen, aber wenn er versteht...
"Alex, das ist so
aufregend!"
Ich lehne mich nach vorn und
küsse ihn auf den Mundwinkel, will einfach nur in seinen Schoß fallen und von
ihm umschlossen werden. Aber sein Körper wird steif, hart und kalt und er
zuckt.
"Was hast du gefunden,
Dana?"
"Alex, wir sind gerettet.
Ich bin gerettet!" flüstere ich in sein Ohr und er zuckt weg.
"Wovon sprichst du?"
"Ich habe es
gefunden."
Ich bewege mich so, dass ich auf
dem Boden vor ihm knie, so dass ich sein Gesicht sehen kann, wenn er versteht.
"Ein Heilmittel, Alex. Ich
habe ein Heilmittel gefunden."
Seine Augen weiten sich und ich
lache, lache einfach. Es fühlt sich so real an es so laut zu sagen.
"Bist du sicher?"
"Ziemlich absolut
sicher."
Ich lehne mich nach vorn, um ihn
ganz auf den Mund zu küssen, aber diesmal steht er auf und geht ganz von mir
weg, lässt mich allein auf dem Boden sitzen. Er dreht mir den Rücken zu und stützt
seine Hand auf den Rand der Spüle. Mehr Stille.
"Alex, willst du nichts
sagen?"
Ich werde nicht sterben, Alex.
Ist dir das egal?
Natürlich weiß er nicht, wie
nahe ich dem gekommen bin. Trotzdem dachte ich, er würde begeistert sein. Er
wollte das eine zeitlang genauso sehr wie ich.
"Ich freue mich. Ich weiß,
dass du lange daran gearbeitet hast. Herzlichen Glückwunsch."
"Freuen? Du freust dich?
Glückwunsch? Alex, verstehst du nicht, was das bedeutet? Siehst du nicht, wie
sehr uns das helfen wird?"
"Ja, ich weiß, was es
bedeutet. Du hast einen sehr guten Job gemacht. Das wird belohnt werden."
Ich weiß noch nicht einmal, wie
ich darauf antworten soll. Nicht nur die Worte, auch der Ton. Selbst an diesem
Tag im Büro war er nicht so kalt zu mir. Das kann nicht nur deswegen sein, weil
ich zu spät komme. Nicht jetzt, da er weiß warum.
Ich stehe auf und gehe zu ihm,
lege von hinten die Arme um seine Hüfte und schmiege meinen Kopf in die Neigung
seiner Schulter.
"Alex, was ist los? Bist du
darüber nicht glücklich?"
Ich spüre, wie sein Brustkorb
sich hebt und senkt, als er seufzt.
"Ich muss bald gehen. Ich
muss mich fertig machen."
"Gehen? Alex...du gehst
nicht immer noch, oder?"
"Ja."
"Aber Alex, wir haben, was
wir von ihnen brauchen. Du musst nicht mehr gehen. Dass ist es, was ich
versuche, dir zu sagen. Warum bleibst du nicht hier bei mir?"
Ich greife mit meiner Hand durch
die Knöpfe seines Hemdes und streichle zart seinen Bauch. Ich fühle seine
Muskeln unter mir zucken und dann spüre ich, wie er schaudert und sich gewaltsam
von mir losreißt.
"Das ist nicht alles, was
wir brauchen, Dana. Nicht alles, was ich brauche."
Er geht zurück zum Tisch und ich
falle fast gegen den Rand.
"Warum gehst du,
Alex?"
"Die Waffen. Ich habe es
dir gesagt."
Nein. Ich weigere mich zu glauben,
dass er so viel für so wenig riskieren würde. Das ist es nicht, was ihn jetzt
antreibt. Ich habe eine Ahnung, was wirklich seine Motivation ist und es macht
mir schreckliche Angst.
"Warum gehst du *wirklich*
Alex?"
"Die Waffen. Und weil wir
zu oft zum Narren gehalten wurden."
"Also gehst du aus Rache?
Du riskierst dein Leben und das Leben all dieser Menschen, um zu beweisen, dass
niemand Alex Krycek zum Narren hält?"
Er schaut zur Decke auf und
lacht kurz durch die Nase.
"So in etwa ..."
"Alex, du kannst
nicht..."
Sein Kopf sinkt nach unten und
seine Augen sehen über das Zimmer hin weg in meine. Er ist jetzt so weit weg
und er sieht wütend aus. Sehr, sehr wütend.
"Was tust du hier,
Dana?"
"Was ich ... was meinst du,
Alex? Was ist los mit dir?"
"Ist dir nicht etwas
aufgefallen, als du hier reinkamst, Dana? Vielleicht
habe ich es nicht deutlich genug gemacht."
"Alex,"
atme ich und werde immer beunruhigter und verwirrter, als er seine Stimme hebt.
"Muss ich dir erst eine
Zeichnung machen?" brüllt er. Er schließt fest seine Augen und atmet
heftig ein. Seine Wut ist beängstigend, aber wenigstens zeigt er mir etwas. Es
ist besser, als die kalte Schulter.
"Nein, Alex, ich möchte,
dass du mit mir redest. Ich möchte dass du mir sagst, was nicht in Ordnung
ist."
"Womit soll ich
anfangen?"
"Womit du anfangen
willst."
"Na ja, wir haben nicht
viel Zeit, also bleibe ich besser nur bei heute Abend."
Heute Abend? Ist es das, worum
es geht? Könnte er wirklich so wütend sein, weil ich zu spät bekommen bin? Mir
war klar, dass er vielleicht ein wenig gereizt oder besorgt sein würde, aber
ich dachte mir, dass wenn ich ihm erst mal gesagt hätte weswegen, ihm klar
werden würde, wie wichtig es war. Natürlich dachte ich auch, dass es ihn davon
abhalten würde zu gehen und dass das Verpassen dieser Nacht nicht so eine
riesige Sache sein würde.
"Alex, es tut mir Leid. Es
tut mir Leid, dass ich heute Abend nicht da war. Das tut es wirklich. Ich
dachte dass du, wenn ich dir erzähle ... ich dachte wir hätten mehr Zeit."
"Nun, da lagst du falsch,
Dana. Wir haben keine Zeit mehr."
Seine Stimme ist wieder kalt und
ausdruckslos und mit einer beängstigenden Endgültigkeit wiederholt er,
"Gar keine."
Beim Klang dieser Worte sinkt
mein Herz in meinen Bauch, weil ich auf einmal bemerke, dass er sich nicht nur
auf unsere Zeit heute Abend bezieht. Hier passiert etwas sehr viel größeres und
es fängt endlich an, durch das Delirium meiner Entdeckung hindurchzusinken.
"Alex, warum bist du nicht
runter ins Labor gekommen, wenn du auf mich gewartet hast?"
"Ich bin erst nicht
gekommen, weil ich sehen wollte, wie lange du brauchen würdest, um von selbst
her zu kommen."
Ein Test? Ist es das? Was für
ein Spiel spielt er hier mit mir zur Hölle?
"Aber als ich hörte, wie
die Vögel zu singen begannen, habe ich mir ein bisschen Sorgen gemacht. Also
bin ich runter ins Labor gegangen, Dana."
"Ja? Ich habe dich nicht
dort gesehen."
"Nein, das kann ich mir gut
vorstellen. Du schienst ziemlich abgelenkt zu sein. Ziemlich glücklich
abgelenkt."
"Ja, Alex. Weil ich gearbeitet
habe."
Er wimmert und schleudert mir
entgegen, "Woran genau, Dana? Ist das Heilmittel gegen Krebs in Mulders
Hosen?"
Ich kann es nicht verhindern,
dass bei diesem Kommentar meine Kinnlade auf den Boden kracht. Ich denke ich
würde ihm eine runterhauen, wenn der Tisch nicht zwischen uns stehen würde.
"Was genau ist es, dessen
du mich hier beschuldigst?" kriege ich fertig, durch meinen Ärger und
meine Verwirrung herauszubringen.
"Alles was ich weiß ist,
was ich gesehen habe. Wieder."
"Und das wäre?"
"Du und ... er. Wie ihr
euch um zwei Uhr nachts angegrapscht habt, sieben Stunden, nachdem du zu Hause
sein und mit mir zusammensein solltest."
"Alex, das war ... es war
nichts. Es war eine Umarmung. Wir haben uns umarmt, weil wir glücklich darüber
waren, das Heilmittel gefunden zu haben. Ich kann nicht ... ich kann nicht
glauben, dass ich diese Unterhaltung führe. Du benimmst dich lächerlich.
Wieder."
Er starrt mich einfach an mit
diesen bewegungslosen Augen und diesem offen stehenden Mund, die Einkerbung
über seiner Nase tiefer als je zuvor. Abscheu. So schaut er.
Unglauben und Abscheu.
"Ich werde schlafen gehen,
Alex."
Ich fange an auf zitternden
Beinen Richtung Schlafzimmer zu gehen. Er seufzt schwer hinter mir.
"Ich denke du übersiehst
hier immer noch den Punkt."
"Alex, wo ist Ret?" frage ich, weil mir plötzlich bewusst wird,
warum mir dieser Ort so leer erschien, als ich nach Hause kam. Keine
schlabbernde Masse von Hund, die an mir hochsprang, als ich durch die Tür kam.
"Er ist in Brians Zimmer. "
"Wozu, zur Hölle?"
"Weil er und sein Besitzer
hier nicht mehr wohnen."
Ich drehe mich um, um ihn wieder
anzusehen und verdammt sei er, er sieht tatsächlich schadenfroh aus. Seine Arme
sind über seiner Brust verschränkt und grinst mich verdammt noch mal an.
"Was tust du, Alex?"
frage ich leise während die Angst meine Brust in einem eisernen Griff hält.
"Es tut mir Leid. Ich
dachte, dass wäre jetzt schon offensichtlich. Ich werfe dich raus ...
Scully."
"Du tust ... was? Du wirst
nicht ... Alex, nein."
"Dein Zeug ist schon
draußen. Du kannst dir jedes Zimmer hier aussuchen, das du möchtest, so lange
es nicht in diesem Gebäude ist. Du kannst deinen Job behalten und alles andere.
Nur geh mir aus dem Weg."
"Ich kann das nicht fassen.
Ich kann dich nicht begreifen. Ich kann nicht fassen, dass du das tust!"
Und es so verdammt einfach tust.
Es aushandelst, als wäre es ein verfluchtes Geschäftsabkommen oder so. Kann er
nicht sehen, dass er mich wieder damit umbringt? Bringt es ihn nicht um? Ich möchte
ihn schütteln, ihn schlagen, damit er wieder zu dem Alex wird, den ich kenne,
aber ich befürchte, von dem ist nichts mehr übrig.
"Du willst einfach ... du
gibst uns einfach auf? Mich? Weil du eine völlig unschuldige Umarmung falsch
interpretiert hast?"
"Es ist nicht nur die
Umarmung, Dana. Erinnerst du dich daran, was du mir an dem Abend im Pool gesagt
hast?"
"Welcher Abend? Wovon
redest du?"
Mein Gott, das ist so völlig
surreal. Ich habe das Gefühl, als würde das Universum unter meinen Füßen
auseinanderfallen. Was um alles in der Welt passiert hier?
"Du hast gesagt, dass ich
deine Erlaubnis hätte, dich rauszuschmeißen, wenn du nicht glücklich bist und
ich wüsste, dass du nicht glücklich bist. Also, hier sind wir."
"Ich habe nie gesagt, dass
ich unglücklich bin! Ich habe das nie gesagt! Niemals..."
Ich fühle die Tränen der Panik
und des Horrors in meiner Kehle brennen, meine Wangen hinunterlaufen und ich
wische sie verzweifelt weg. Warum soll er sie, wie ich zerbreche, wenn es ihm
überhaupt nichts ausmacht?
"Du musst es nicht sagen.
Meinst du nicht, dass ich es sehen kann, wenn ich jeden Tag mit dir
zusammenlebe? Dana, die einzigen zwei Male, in denen ich dich in den letzten
fünf Monaten glücklich gesehen habe, waren die zwei Male, in denen ich dich in
seinen Armen gesehen habe."
Bastard. Verflucht seist du, du Bastard. Warum tust du mir das an?
"Ich kann das nicht fassen.
Ich kann es nicht FASSEN! Weißt du was, Alex? Ich wünschte, dass ich es mit
Mulder getrieben hätte, so dass ich diese Art der Behandlung wirklich verdient
hätte. Aber das haben wir NICHT! Wir haben ÜBERHAUPT NICHTS getan!"
Oh Gott, das ganze entgleitet
mir wirklich. Ich muss hier raus, bevor ich anfange zu Hyperventilieren.
Tief durchatmen. Lass ihn nicht
sehen, dass du hysterisch bist.
"Es spielt keine Rollen, ob
ihr es getan habt, oder nicht," sagt er leise und
ruhig. Verdammt seist du, Alex Krycek.
Verdammt.
"Nein, offensichtlich tut
es das nicht."
"Der Punkt ist, egal ob du
es zugeben kannst, dir selbst gegenüber, mir gegenüber
oder irgendjemand sonst gegenüber, du möchtest mit ihm zusammen sein. Du bist
nur glücklich, wenn du mit ihm zusammen bist."
Die Sonne ist aufgegangen. Er
muss bald weg zu seinem blöden, kleinen Abenteuer und ich kann nicht mehr hier
sein. Ich kann einfach nicht.
"Du wirst dich nicht vom
Gegenteil überzeugen lassen, egal was ich sage, Alex. Es gibt keinen Grund,
überhaupt noch darüber zu reden."
Wir starren uns in die Augen und
ich warte einen langen Moment lang, den längsten in
meinem Leben, dass er dem ein Ende setzt. Aber er tut es nicht und das Messer
schneidet noch ein wenig tiefer.
Ich kann noch nicht mal mehr die
Tränen wegwischen, weil sie zu schnell kommen.
"Schöne Reise," sage ich zu ihm, laufe schnell an ihm vorbei und zur
Tür, ertrage die Schmerzen, dass kein Teil meines Körpers einen Teil seines
Körpers berühren kann. Ich schwöre, als ich meine Hand auf die Türklinke lege,
brennt sie wie Feuer.
"Schönes Leben," flüstere ich und meine Stimme bricht irreparabel.
"Ich kann das einfach nicht
mehr ertragen, Dana. Ich versuche nicht, dich zu verletzen,"
sagt er zart und das ist einfach der letzte Stich.
"Zu spät."
Ich ziehe die Tür auf und gehe
hindurch, schließe sie schnell hinter mir, so dass ich nicht mehr auf sein
verdammtes leeres Gesicht schauen muss. Dieses Mal falle ich über den blöden
Haufen Müllbeutel im Flur und mich trifft schließlich die Erkenntnis, dass das
wirklich alles meine Sachen sind. Alle davon.
Ich lasse mich in dem Kram
fallen, lasse nun endlich zu, dass ich weine, weil ich weiß, dass er diese Tür
so lange nicht öffnen wird, bis er sicher ist, dass ich gegangen bin. Ich lehne
mich gegen die Tür, wimmere, ja wimmere wie ein geschlagener Welpe, berühre das
Holz und wünschte, dass ich wieder zurück auf die andere Seite könnte.
Und dann höre ich ihn.
Oder besser, höre, was er tut.
Glas zerschlagen, Holz zerbrechen, Dinge zerstören. Er ist darin und schlägt
Dinge kaputt, reißt unser zu Hause in Stücke. Es tröstet mich nicht, dass seine
stoische Fassade zerbröckelt ist. Tatsächlich vertieft es irgendwie nur noch
den Schmerz. Und das schlimmst von allem ist, dass
ich, obwohl ich ihn im Moment mehr als alles andere hasse, die Welt dafür
hergeben würde in der Lage zu sein, da hineinzugehen und ihn zum Aufhören zu
bewegen. Ihn zu trösten und es wieder besser zu machen.
Aber ich kann es nicht besser
machen. Und ich fürchte, ich werde es nie wieder können.
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Ende Kapitel 13
Das unglücklichste Kapitel
Kapitel 14
Eine blauschwarze Flüssigkeit
wirbelt in einem Reagenzglas in meiner Hand herum, als ich es immer wieder und
wieder und wieder hin und her drehe. Erinnert mich an eine dieser
Entspannungs-, Lavalampen-Dinger, die Geschäftsleute
und Psychologen früher immer auf ihren Schreibtischen stehen hatten. Wie kann
etwas so einfaches, so viel Hoffnung in sich tragen, so viele Antworten?
Ich konnte nicht schlafen, als
ich letzte Nacht nach Hause kam. Na ja, technisch gesehen, heute Morgen. Nicht,
dass das etwas Neues ist, aber diesmal war meine Schlaflosigkeit nicht auf
Angst und Melancholie begründet. Ich war einfach nur zu aufgeregt, um zur Ruhe
zu kommen.
Ich ging bei Einbruch des
Morgengrauens ins Labor, ungeduldig, die Arbeit fortzusetzen, die Scully und
ich letzte Nacht begonnen hatten. Ich konnte allerdings ohne sie nicht wirklich
etwas tun, also habe ich die letzen zwei oder drei Stunden damit verbracht, auf
die eigenartige, glibberige Substanz zu starren und darüber zu staunen, wie
viel wir beide zusammen erreichen können.
Roseanne ist vor ungefähr
fünfzehn Minuten aufgetaucht und sie hat mir beim Starren und Staunen
Gesellschaft geleistet. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie es schon völlig
erfasst hat. Ich nehme an, dass sie sich wünscht, dass sie letzte Nacht hier
gewesen wäre. Ich bin froh, dass es nicht so war. Es war unser Moment, meiner
und Scullys.
"Denkst du, dass sich
jemand freiwillig melden wird?" fragt sie nach einigen Momenten der
andächtigen Stille zwischen uns.
"Ich könnte mir nicht
vorstellen, warum nicht. Jeder, der krank ist wird wahrscheinlich willens sein,
das Risiko auf sich zu nehmen."
Und zur Hölle, es ist nicht
gerade so, dass wir einen Mangel an kranken Menschen hier hätten. Wir haben
Listen über Listen von Leuten, die mit Symptomen zu uns gekommen sind.
Menschen, die mit der Bitte um Hilfe zu uns gekommen sind. Hilfe, die wir ihnen
nicht geben konnten, außer ihnen etwas Blut abzunehmen und ihnen eine dürftige
Ration Medikamente auszuhändigen, die die Symptome ein ganz klein wenig lindern
sollten.
"Ich denke, sie werden sich
vor der Tür anstellen, Roseanne."
Sie nickt zustimmend und
schüttelt dann ungläubig ihren Kopf.
"Das ist unwirklich,
Mulder. Ihr beide sein einfach ... wow."
"Es war hauptsächlich
Scully," sage ich ihr aufrichtig. Scully hat an
dieser Sache hart gearbeitet, so lange, wie ich hier bin, aber seit dem letzten
Monat oder so hat sie das mit einer heftigen Zähigkeit verfolgt. Und die letzte
Woche war der absolute Höhepunkt dessen. Ich habe wirklich nicht viel mehr dazu
beigetragen, als Flüssigkeit. Und Ermutigung. Und eine nervende Stimme, die
alles bezweifelt hat, was sie sagte. Ich nehme an, dass das genau die richtige
Kombination war.
"Das ist nicht wirklich
wahr," hören wir eine Stimme aus der Richtung der
Tür murmeln. Wir drehen uns um und brechen beide bei ihrem Anblick in spontanen
Applaus aus.
Unsere Retterin. Meine Scully.
Meine Scully, die ... die für
mich immer schön ist, aber im Moment wie ein Müllhaufen aussieht. Ich habe sie
die abgrundtiefsten Tiefs des Lebens durchleiden sehen und trotz allem habe ich
sie noch niemals in einem solchen Zustand erlebt.
Sie war immer sehr sorgfältig,
was ihre Erscheinung anbelangte, selbst unter den widrigsten Umständen.
Heute hängen ihre Haare in
Büscheln um ihr Gesicht, verfitzt und fettig. Ihr
Augen sind von dunklen, waschbärenartigen Ringen umgeben. Ihre Jeans ist
schmutzig und ihr Shirt ist falsch zugeknöpft.
Aber da steckt mehr dahinter,
als nur oberflächliches Zerzaust sein. Es umgibt sie eine Energie, eine Aura
von Niederlage und Enttäuschung. Eine Atmosphäre des Todes, die sie absolut
nicht zu dem Moment passt, losgelöst ist von jeder Art Realität, wie ich sie im
Moment begreife.
"Hört auf damit, Leute," murrt sie, starrt auf den Boden und hebt eine Hand,
um unsere Anerkennung zurückzuweisen.
Roseanne läuft zu ihr hinüber,
um sie fest zu umarmen, worauf Scully kaum reagiert. Ihre Arme hängen schlaff
an ihrer Seite und sie lächelt nicht.
"Dana, ich kann es nicht
fassen! Bist du nicht aufgeregt?"
"Ja. Ja, das ist sehr
aufregend," lässt Scully flach und ausdruckslos
hören. Roseanne zieht sich von ihr zurück und sieht sich ihr Gesicht das erste
Mal richtig an.
"Dana, was ist los? Du
siehst furchtbar aus."
"Es geht mir gut. Ich habe
nur ... ich habe nicht sehr viel geschlafen."
Sie läuft an Roseanne vorbei und
setzt sich mir gegenüber an den Tisch.
"Scully..."
"Es geht mir gut, Mulder.
Hast du die Injektion vorbereitet?"
"Noch nicht. Ich hatte mir
gedacht, dass wir zuerst so etwas wie eine Ankündigung machen und um einen
Freiwilligen bitten. Ich dachte du würdest ein Meeting einberufen wollen. Die
Leute auf der Liste zusammenrufen und ..."
"Bereite einfach die
Injektion vor, Mulder."
"Du willst nicht..."
"Bereite einfach die
verdammte Injektion vor, Mulder."
Roseanne und ich tauschen einen
mit Verwirrung und Sorge beladenen Blick aus. Sie geht zur Spüle hinüber und
nimmt eine Nadel aus dem Sterilisationsgerät und bringt sie zu mir. Ich tauche
die Spitze in das Reagenzglas und fülle die Spritze. Roseanne steht hinter mir
und beobachtet mich still. Ich kann ihren nervösen Atem auf meinem Hals fühlen.
"Na ja, ich nehme an, alles
was wir jetzt brauchen ist ein Arm."
Scully beginnt damit, ihren
Ärmel hochzukrempeln und eine schreckliche Wahrheit beginnt mir aufzugehen.
Etwas, von dem ich annehme, das ich es tief in mir
gewusst haben muss. Muss. Wie hätte ich es nicht wissen können?
Sie lässt ihren nackten Arm mit
einer beängstigenden Wucht auf den Holztisch fallen und wir alle drei starren
einen grenzenlos langen Moment lang auf die weiße Haut und die bläulichen
Venen.
"Wirst du es nun tun oder
nicht?" fragt Scully schließlich.
Die Spritze zittert in meiner
Hand. Ich habe Angst ich könnte sie fallen lassen oder zerdrücken.
"Scu..."
Meine Kehle weigert sich, auch
nur etwas mehr als diese eine Silbe hervorzubringen.
"Gib mir die Injektion,
Mulder."
Hat sie die ganze Zeit schon so
ausgesehen? War sie die ganze Zeit schon so krank? Nein, das wäre mir
aufgefallen.
Sicher wäre mir das aufgefallen.
Mein Gott, Scully. Wie konntest
du mir das nicht erzählen?
"Dana, was zur Hölle tust
du da?" flüstert Roseanne und klingt dabei so gekränkt, wie ich mich
fühle. Ich nehme an, dass sie genauso im Dunkeln gestanden hat.
"Ich möchte, dass du mir
die Injektion gibst," betont Scully wieder.
"Aber du ... oh mein Gott,
Dana. Du ... warum hast du mir das nicht erzählt?"
Ich bin froh, dass Roseanne in
der Lage ist, diese Frage zu stellen, weil ich die Fähigkeit zu sprechen
verloren zu haben scheine.
"Ich wollte nicht, dass ihr
euch Sorgen macht," antwortet sie. Als wenn diese
Erklärung für uns beide ausreichen würde.
"Weiß es Alex?" fragt
Roseanne und ich habe das Gefühl als müsste ich ihr dafür eine runterhauen,
dass sie meine schlimmste Angst ausgesprochen hat. Dafür, dass ich jetzt eine
krankmachende Eifersucht fühle, wenn alles, worum ich mich sorgen sollte ihre
Gesundheit ist. Konnte sie das mit ihm teilen? Mit ihm und niemand anderem?
"Gib mir einfach diese
verdammte Injektion!"
Sie schlägt ihren Arm
nachdrücklich auf den Tisch, wobei dieser wackelt. Roseanne und ich tauschen nervöse Blick aus. Die Aufregung, die ich vor nur fünf
Minuten kaum im Zaum halten konnte, hat sich zu völligem Terror verwandelt.
"Scully, bist ... bist du
dir sicher? Es könnte Nebenwirkungen geben. Ich meine, wir wissen nicht
wirklich, was es anrichten kann."
"Nebenwirkungen?
Mulder..."
Ich sehe ihre blutunterlaufenen
Augen und ihre eingesunkenen Wangen und mir wird klar, dass das, was ich vorhin
dachte, auf sie ebenso wie auf jeden anderen zutrifft. Welche Nebenwirkungen es
auch immer geben könnte, sie könnten nicht schlimmer sein, als an Krebs zu
sterben.
Ich schlucke einmal heftig und
greife nach ihrem Arm.
Mit zitternden Händen steche ich
die Nadel in ihr Fleisch und teile mein Blut mit ihrem.
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Metall. Es war überall.
Glänzendes, silbernes Flachmetall.
Die Böden, die Wände, die Decke.
Es war, als würde man durch eine Blechbüchse laufen. Die Bastarde liebten
einfach Metall. Er konnte sich selbst in jeder Richtung wiedergespiegelt
sehen.
Verschwitzt, blutverschmiert,
von einer wahnsinnigen Verzweiflung besessen.
Sie hatten verloren. Waren
verloren. Zerstört.
Selbst mit den zusätzlichen
Truppen, die der alte Brite geschickt hatte, um ihnen zu helfen, waren sie einfach
nicht genug gewesen.
Sie hätten niemals genug sein
können.
Er hatte so viele in seinem
Leben sterben sehen. Er sollte in der Lage sein, den Anblick auszuhalten, aber
er war es nicht. Nicht, wenn es seine Männer waren. Nicht, wenn es seine Schuld
war.
Also rannte er. Um sein Leben
und um ihres. Um ihrem Tod eine Bedeutung zu geben. Er rannte durch die kalten,
unmenschlichen Flure, durch den Gestank von Qualm und Tod, über Berge
gefallener Körper. Er würde finden, weswegen er hergekommen war. Er würde es
finden und wenn es ihn umbringen würde.
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Tot. Spröde und gebrochen.
Sie hielt die Enden zwischen
ihren Fingern und betrachtete ihr Ebenbild in dem fremden Spiegel, der in einem
fremden Zimmer an einer fremden Wand hing. Ihr neues zu Hause. Ihre Taschen auf
dem Bett und auf dem Boden, obwohl es schon zwei Tage her ist.
Er hatte ihr es normalerweise
immer geschnitten. Überall gerade Linien, geschnitten mit einer unglaublich
ruhigen Hand. Er hatte es gern gemacht. Die feurigen Strähnen zu streicheln und
die gesplissenen Spitzen abzuschneiden.
Ihr Blick glitt von den Spitzen
ihrer Fingernägel nach unten, über ihre Handflächen und die weiße Ausdehnung
ihres Armes. Ein Verband direkt unterhalb der Unterseite ihres Ellenbogens.
Weiße Gaze, um die punktförmige Wunde zu verdecken, die die Nadel hinterlassen
hatte, die ihr ein neues Leben gegeben hatte. Neue Hoffnung.
Aber welche Hoffnung gab es hier
für sie, wenn er niemals mehr ihr Haar berühren würde?
Ein weitere Welle von Übelkeit. Die dritte,
seit sie die Injektion bekommen hatte.
Schon Nebenwirkungen?
Kalte Stahlklingen und ein
schwerer schwarzer Griff lagen auf dem Tisch vor ihr. Sie fuhr mit ihren
Fingern zögernd über das scharfe Metall, legte sie um den Griff.
Vielleicht könnte sie es allein
tun. Vielleicht brauchte sie nichts mehr von ihm. Vielleicht würde es ein Teil ihres neuen Leben sein los zu lassen. Alles los zu lassen.
Sie führte die Klingen zu ihren
Haaren und begann zu schneiden.
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Spitze Nadel, Stahlklinge in den
Nacken. Gründe Flüssigkeit tritt aus der Wunde aus, als der Mann auf den Boden
des Treppenhauses fällt. Der dritte Wächter, den er umbringen musste, um in
diesen Raum zu gelangen.
Er hatte sich daran immer als an
eine einfache Aufgabe erinnert. Hatte vergessen, wie viel Kraft und Präzision,
wie viel Intensität dazu nötig ist. Sie sterben nicht leicht.
Schon erschöpft davon, es schon
so oft getan zu haben, stieg er über die den gefallenen Körper, nur leicht
abgelenkt davon, wie das Blut ein Loch in den Boden ätzte.
Es war der Raum, der eine, der
ihm schon so oft beschrieben worden war. Es war alles hier. Alles. Alles und
Nichts. Ein Heilmittel, das schon entdeckt worden war und eine Waffe, die
nutzlos sein würde, wenn sie nicht lebend hier herauskämen.
Kalt, so kalt, er konnte seinen
eigenen Atem sehen. Der Raum, größer, als ihm gesagt wurde Riesig. Endlos.
Ausrüstung von Eis bedeckt und
Glasschränke, gefüllt mit mysteriösen Substanzen verschiedener Farben und
Größen. Etiketten in einer Sprache, die er nie zu lesen gelernt hatte.
Wie sollte er es finden?
Er zog den zerfetzen Zettel aus
seiner Tasche, Beschreibungen und Codes, die ihn zu der Sache führen sollten.
Mit einem kurzen Blick auf die Uhr erfasste er die Zeit. Es war fast soweit.
Der ganze Ort würde in wenigen Minuten in Flammen aufgehen.
Aufblitzen von Panik,
weißglühend und abscheulich. Wenn sie nur hier wäre. Sie könnte ihm helfen, das
herauszufinden, schnell und ruhig.
Auch keine Zeit, an sie zu
denken. Eine weitere seiner Brücken, hinter ihm bis
zur Unkenntlichkeit verbrannt.
Handfläche gegen das Glas
gedrückt, der Griff dreht sich nicht, vor Verzweiflung die Plastikfaust durch
das Glas geschlagen und damit wer weiß was in die Atmenluft
freigelassen. Rasend Fläschen und Gefäße rausgezerrt,
einige auf den Boden fallengelassen. Diese nicht. Diese auch nicht. Alle davon
sind kalt wie Eis und verbrennen seine Haut.
Schritte hinter ihm.
Blondes Haar und eiskaltes
Lächeln. Sie würde ihm helfen. Jemand musste das tun.
Sie hielt eine papierdünne
Plastikkarte hoch. Ging ruhig zu einer der Vitrinen und zog den Schlüssel
durch, öffnete sie.
Sie wusste. Wusste sofort, in
welcher Vitrine die Waffe war. Reihen weißer Fläschen,
gefüllt mit einer rötlichen, zäh aussehenden Flüssigkeit. An sich nicht genug,
aber zusammen damit, was er schon hatte, würde es ausreichen. Es war die
Substanz, die sie brauchten, die fehlende Verbindung. Die einzige Sache im
Universum, die all die Verluste wert gewesen wäre. Das könnte ihn retten.
Wie hatte sie das gewusst?
Wie konnte sie es so schnell
wissen?
Die Antwort kroch in sein
Bewusstsein, während er auf sie zuging. Aber zu spät. Sie hielt schon eine
Waffe auf ihn gerichtet.
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Sie hatte zuviel abgeschnitten.
Fast bis zu ihren Schultern und ungleichmäßig. Keine geraden Linien mehr.
Sie sah lächerlich aus, wie ein
Kind, dem ein Missgeschick mit einer Schere passiert war. Zu viele Haare, zu
dick und lang, um sie genau abzuschneiden. Wie hatte er das gemacht?
Sie versuchte die längern
Strähnen etwas zu kürzen, damit sie zu den kürzeren passten, aber sie schnitt
sie nur zu weit ab.
Frustriert schmiss sie die
Schere auf den Tisch. Tränen verwischten einen Moment lang ihren Blick. Ein
Segen, wirklich. Sie konnte ihren eigenen Anblick nicht länger ertragen.
Aber, nein. Wieder zu weinen
würde heißen, die Niederlage zuzugeben. Diese Reaktion war am Anfang
verständlich. Natürlich. Aber jetzt, erbärmlich.
Mit den Fäusten über die
Augenlider reiben, ein Versuch, ihre Schwäche zu
bannen. Sie würde das schaffen. Musste es. So eine einfache Aufgabe. Auf jeden
Fall hätte sie nicht so abhängig werden dürfen.
Tief durchatmen und das Metall
wieder in die Hand nehmen. Es gibt keinen Grund mehr zu versuchen, ihre äußere
Erscheinung beizubehalten. Sie hatte den Schnitt schon zerstört. Es ist besser
anders zu sein, neu.
Sie führte ihre Hand an ihr
Kinn, nahm eine Haarsträhne zwischen ihre Finger und begann zu kreieren.
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Er war schon hier gewesen.
Nicht körperlich, aber
innerlich, emotional. Das war zu vertraut, um überraschend zu sein.
Sie hatte es ihm wieder angetan.
Er war ihr Narr. Wieder.
Der Unterschied, signifikant.
Diesmal richtete sie zusammen mit ihm die ganze Welt zugrunde.
Für wen arbeitete sie dieses
Mal? Den rauchenden Bastard? Die Rebellen? Oder war sie nur auf ihren
persönlichen Ruhm aus? Spielte es eine Rolle? Sie hatte ihn verraten. Betrogen.
Wieder.
Er war ein Meister in diesem
Spiel gewesen. In einem anderen Leben, einer anderen Seele. Nein, keine andere
Seele. Er hatte sich nicht mit einer Seele belasten müssen. Die hatte sie ihm
gegeben. Er dachte, dass es ein Segen wäre, aber jetzt war es vielleicht sein
Fluch.
Warum?
Er fragte sie warum. Warum tat
sie das? Worauf war sie aus?
Sie zeigte ihm ein makaberes
Lächeln und sagte ihm, dass er jetzt an der Reihe wäre, bevor sie die Reihe von
Fläschchen auf den Boden fegte.
Zerbrochenes Glas und rote
Flüssigkeit auf den Boden. Nutzlos jetzt. Sogar für sie.
Hass. Das war ihr einziger
Grund. Für jede Allianz, die sie vielleicht geschmiedet hatte oder was sie
gehofft hatte, für Nutzen daraus zu ziehen. Es spielte keine Rolle. Sie war von
Hass und Wut erfüllt. Das war die wirkliche Motivation dahinter.
Sie wollte, dass er leidet. Es
war so einfach. Oder so kompliziert.
Er fragte sich, ob ihr Vater ein
Teil dieses Verrates war. Ob all das eine ausgeklügelte Falle war, für ihn
aufgestellt, wie für ein gejagtes Tier.
Wie auch immer, sie war
wahrscheinlich beschützt.
Zeit. Er hatte so wenig Zeit. Es
gab keine Möglichkeit, die biologische Waffe zu retten, keine Chance, einen
seiner Männer zu retten. Keine Zeit. Aus dem Gebäude herauszukommen musste
seine einzige Priorität sein.
Sie stand in der Tür, bis zu den
Zähnen bewaffnet.
Versperrte ihm
den Weg, verspottete ihn.
Er sagte ihr, dass dieser Ort
explodieren würde, dass sie beide hier zusammen sterben würden, wenn sie ihn
nicht durchließ. Eigenartigerweise schien das ihr Plan zu sein.
Er fragte sich kurz, ob er das
verdiente.
Wahrscheinlich.
Aber trotzdem war er nicht
willens aufzugeben. Selbst jetzt, als nichts mehr übrig war.
Sie zu überwältigen stellte sich
als relativ einfach heraus. Er war schon fast aus der Tür, als er sie von dort
aus nach ihm rufen hörte, wo er sie zu Boden geworfen hatte. Er hielt ihre
Waffe.
"Du wirst alles verlieren,
Alex."
Er drehte sich zu ihr um und
sagte, "Das habe ich schon, Marita. Das habe ich schon."
Und dann erschoss er sie.
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Neuer Stil, aber auch ebenso
alt. Vertraut. Zu vertraut.
Sie hatte diesmal gute Arbeit
geleistet. Kinnlanger Bob.
Nichts verschnitten. Etwas lockiger,
als sie es früher hatte aber es war das selbe, mehr
oder weniger. Scully's Haare.
Es war immer noch falsch.
Sie brauchte etwas anderes.
Etwas noch einfacheres, kälteres, roheres. Gerade Linien.
Es würde sie sehr viel
unattraktiver machen. Sie fand, dass dieser Gedanke tatsächlich motivierend
war.
Sie bewegte die Klingen ein
bisschen höher und dann noch höher.
Sie machte einen Schnitt direkt
oberhalb ihres Ohrs. Kürzer, als es jemals war.
Als sie fertig war, erkannte sie
die Frau im Spiegel kaum. Ein Haufen Haare bedeckte ihre Füße und den Boden um
sie herum.
Sie lächelte.
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Ende Kapitel 14
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Kapitel 15
Diese Straße hatte einen Namen.
Damals, als es noch ein Interstate Highway war und nicht ein Pfad voller
zerfallendem Schutt.
Sie wissen nicht, dass er immer
noch existiert. Es gibt keine Kontrollstellen auf ihm, überhaupt keine
Anzeichen der Kolonisation. Außer der Tatsache, dass alles was ich sehe, wenn
ich aus dem Fenster schaue, tiefe, schwarze Leere ist. Es ist eine geheime
Straße.
Aber es war nicht immer so. Es
gab einmal eine Zeit, als auf ihr Familien in den Urlaub gefahren sind,
Studenten nach Hause und Oma und Opa mit ihrem klapprigen alten
Campinganhänger. Es gab Mautstellen und Ausfahrten mit kleinen blauen
Schildern, die diesen Leuten angezeigt haben, dass die nächste Raststätte bald
kommen würde, die nächste Texaco Tankstelle.
Ich bin früher auf dieser Straße
gefahren. Von der Universität in Boston zum Haus meines Vaters in Conneticut. Nicht oft. Aber manchmal.
Wie zur Hölle wurde sie genannt?
Ich schaue aus dem Fenster auf
der Beifahrerseite raus in die Nacht, suche vergeblich nach einem Überrest,
einem Hinweis. Brian fährt ruhelos weiter. Wir haben auf dem Hinweg angehalten,
um zu übernachten, aber auf dem Heimweg werden wir durchfahren. Drei Nächte.
Es sind
genug von uns übrig, um in Schichten zu fahren. Zehn. Zehn Leute. Zwei
Lastwagen.
Mein Gott, es gibt nichts da
draußen. Wie zur Hölle war die Bezeichnung dieser blöden Straße?
"Brian, wie hat man diese
Straße genannt?"
Er trommelt mit den Fingern
gegen das Lenkrad und zuckt dann mit den Schultern.
"Keine Ahnung, Boss. Ich
erinnere mich nicht."
Ich frage mich, ob sich sonst
irgendjemand erinnert. Ich werfe einen Blick in den hinteren Teil des Lastwagen, aber die drei Mann, die mit uns fahren
schlafen. Drei Mann. Fünf in diesem Wagen und fünf in dem anderen. Wir sind mit
über einhundert losgegangen. Fast ein fünftel unserer gesamten Einwohnerzahl.
Warum kann ich mich nicht
erinnern? War es eine Nummer? 84? 91?
Verdammt.
Ich kneife meine Augen
frustriert zusammen, aber als ich Tränen hinter den Lidern aufsteigen spüre,
öffne ich sie schnell wieder. Es ist nur eine dumme Straße. Nichts worüber man
weint.
Ich wünschte, dass wir etwas Musik
hätten. Einen Kassettenrecorder oder sogar eine Radiostation, die etwas anderes
sendet als die Berichte, die nicht wahr sind, maßgeschneidert, um die Drohnen
in ihrer Sklaverei zu beschwichtigen. Es ist so verdammt still hier. So dunkel.
Ich wünschte, sie würden mit mir
sprechen. Ich frage mich, ob sie überhaupt schlafen, oder ob sie einfach nur so
tun, damit sie sich nicht mit der Eigenartigkeit auseinandersetzen müssen, mit
dem Unbehagen, ihren Anführer ansehen zu müssen und ihn umbringen zu wollen. Ich
frage mich, ob Brian das auch fühlt.
Er hat auch nicht viel zu mir
gesagt, aber er ist allgemein ein sehr ruhiger Mensch. Hasst er mich, so wie es
die anderen jetzt tun? Wird er mich verteidigen, wenn wir zurückkehren und der
Lynchprozess beginnt?
Ich wünschte, dass wir nicht
zurückkommen müssten, dass wir einfach weiterfahren könnten, bis wir vom
Angesicht der Erde herunterfallen. Oder vielleicht in den Ozean.
Aber zugleich kann ich nicht
schnell genug nach Hause kommen. Ich kann nicht anders als mich zu fragen, wie
ich die nächsten zwei Tage des Wartens auf die Rückkehr überstehen soll. Der
Rückkehr zu ihr. Zu meiner Liebe, meinem Leben.
Wird sie immer noch da sein,
oder hat sie aufgegeben? Habe ich sie für immer verloren? Oh, Djewotschka, was habe ich getan? Dir angetan, mir, uns
allen?
Schauen wir mal. Was habe ich
getan? Mir den einzigen Menschen entfremdet, dem ich etwas bedeutet habe, den
einzigen Menschen, den ich jemals geliebt habe. Sie vielleicht in die Arme
eines anderen Mannes geschickt, wenn sie nicht schon dort gewesen ist. Ein
Fünftel unserer Einwohner in den Tod geführt. Eine Frau aus purer Bösartigkeit
umgebracht. Eine perfekte symbiotische Beziehung mit der einzigen Gruppe
beendet, die in der Lage war, uns zu helfen.
Alles an einem Tag, nehme ich
an.
"Denkst du, dass es eine
Zahl war?" frage ich in die Stille hinein. Brian nickt langsam.
"Ja...ja, ich denke das
könnte es gewesen sein."
78? 101?
Scheiße.
Ich frage mich, ob sie mir
verzeihen wird. Alles. Selbst eine Sache würde ein Segen sein.
Ich wünschte, dass es einen Weg
für mich gäbe, Kontakt mit ihr aufzunehmen. Handys wären nett. Oder vielleicht
eine telepatische Nachricht. Ein singendes Telegramm. Ich wäre willens alles
auszuprobieren, wenn es bedeuten würde ihr sagen zu können, dass es mir Leid
tut. Dass ich sie liebe. Dass ich der größte Mistkerl bin, der jemals gelebt
hat, aber wenn sie mich zurücknehmen würde, würde ich mein bestmöglichstes für
sie tun. Dass ich sie selbst dann, wenn sie mit Mulder glücklicher wäre, immer
noch haben wollte. Ich will sie immer noch.
Ich schließe meine Augen wieder
und hoffe, dass der Schlaf mich überkommt, aber diesmal sehe ich Maritas kalte,
tote Augen hinter meinen Lidern.
Als ich meine Augen öffne, fühle
ich sie hinter mir und ich drehe mich schnell in meinem Sitz um.
Wird sie mich für immer
heimsuchen?
Wird sie in meinen Träumen
erscheinen? Ich warte geradezu auf den ersten Alptraum, wenn Danas Körper
anstatt Maritas zu Boden fällt.
Es hätte genauso gut Dana sein
können. Genauso gut.
Mein Gott, noch zwei Tage. Ich
weiß nicht, ob ich das aushalten kann. Ich wünschte, ich könnte mich daran
erinnern, wie sie riecht. Ich habe das über dem Gestank verbrannter Körper
vergessen.
"Was zur Hölle ist der Name
dieser blöden Straße?"
Brian schaut besorgt zu mir
hinüber. Meine Augen tränen wieder. Ich drehe mich von ihm weg und starre aus
dem Fenster.
Er räuspert sich und fährt
weiter.
Die Nacht scheint immer dunkler
zu werden.
"Es ist nicht so schlimm,
Boss," sagt er nach einigen Momenten der Stille.
Und ich lache. Und schließlich tut er das auch.
Nicht so schlimm. Könnte es noch
schlimmer sein?
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Mein Blut fließt durch ihre
Adern. Komisch, dass die Intimität dieser Geste mir erst jetzt auffällt, drei
Tage nachdem es passiert ist. Ich nehme an ich war zu besorgt, zu krank, bis in
mein tiefstes Inneres und heimgesucht von Schlaflosigkeit, um überhaupt richtig
über etwas nachdenken zu können.
Aber jetzt, gegen Abend, werde
ich langsam wieder klarer im Kopf. Und der Himmel ist so klar, es ist wirklich
ziemlich schön.
Aber ich kann es nicht genießen.
Nicht wirklich.
Ich habe sie nicht mehr gesehen,
seit wir ihr die Injektion gegeben haben. Wir haben uns entschlossen, das es das Beste wäre, nichts bekannt zu geben, bis wir uns
sicher sind, dass das Heilmittel wirkt und wir werden das noch mindestens ein
paar Tage lang nicht wissen. Es ist zu früh, irgendwelche Blutuntersuchungen
bei ihr vorzunehmen, also gibt es für uns nicht wirklich etwas im Labor zu tun.
Keinen Grund, einander zu sehen.
Keinen Grund für mich, sie zu
fragen, ob es ihr gut geht.
Natürlich, wenn ich ein bisschen
Mumm hätte, würde ich zu ihr hoch gehen und klopfen. Aber das würde bedeuten,
den Ort zu sehen, an dem sie lebt, das Zimmer zu sehen, das sie mit ... ihm
teilt. Ich weiß nicht, ob ich das ertragen könnte. Und es würde auch bedeuten
mit ihr zu reden, was mich, offen gestanden, im Moment zu Tode ängstigt.
Ich bin mir einfach nicht sicher,
wie ich auf ein weiteres ‚Es geht mir gut, Mulder' reagieren würde. Und ich
weiß, egal wie schrecklich sie aussieht, wie furchtbar sie sich fühlt, das wäre
die Antwort, die ich bekommen würde.
Ich fürchte, ich würde ihr eine
runterhauen. Oder sie küssen. Und ich weiß noch nicht einmal, was davon
schlimmer wäre.
Mein Laufweg endet in der Nähe
der Cafeteria. Es sind immer noch ein paar Lichter drinnen an, sogar obwohl es
bestimmt schon nach Mitternacht ist. Ich könnte ein Glas Wasser vertragen und
vielleicht ein bisschen Obst.
Zum Teufel, wem mache ich was
vor? Ich könnte im Moment einen verdammten Riesen Cheeseburger und eine
Riesenportion Pommes von McDonald's vertragen.
Aber Wasser und Obst wird
ausreichen müssen.
Ich dehne mich eine Minute lang
und gehe dann hinein. Es ist nur noch eine weitere Person hier, außer den
Leuten, die ich die Küche saubermachen höre. Einen Augenblick lang erkenne ich
sie nicht.
Sie sitzt an einem Tisch, an dem
wahrscheinlich zwanzig Leute sitzen könnten, an einem Fenster, aus dem sie
intensiv herausschaut. Ein Tasse Kaffe steht vor ihr,
unberührt. Ret ist unter dem Tisch, an ihren Füßen
zusammengerollt. Sie hat keine Haare.
Naja, das ist nicht ganz
richtig. Sie ist nicht kahl. Aber im Gegensatz zu der früheren hüftlangen Frisur,
hat dieser neue, kurze Schnitt den gleichen Effekt.
Sie sieht anders aus. Sehr, sehr
anders. Aber ein bisschen besser als das letzte Mal, als ich sie sah. Ein
bisschen gesünder. Nicht viel, aber ein bisschen.
Ich ziehe es kurz in Erwägung zu
gehen, aber das erscheint mir so offenkundig feige. Ich muss mit ihr reden.
Oder es wenigstens versuchen.
Sie sieht allerdings nicht so
aus, als wenn ihr nach Reden zu Mute wäre. Vielleicht sollte ich einfach gehen.
Sie hat mich noch nicht gesehen.
Scheiße. Das ist blöd.
Ich gehe leise auf sie zu und
setze mich ihr gegenüber. Sie sieht mich nicht an, aber sie weiß
offensichtlich, dass ich da bin. Oder das jemand da ist.
"Denkst du, dass es heute nacht Sturm gibt?" fragt sie.
"Keine...keine Ahnung," antworte ich mit meiner üblichen Cleverness.
"Tut es das im Frühling hier oft?"
Sie zuckt mit den Schultern und
starrt weiter aus dem Fenster. Ein paar Lichter gehen aus und der Klang von
fließendem Wasser und klappernden Tellern hallt weiter aus der Küche.
"Es ist ziemlich warm
geworden, oder?" setze ich die spannende Wetterdiskussion fort. Sie nickt.
"Hast du dir deshalb die Haar abgeschnitten?"
Sie sieht mich endlich an.
Unsere Augen treffen sich kurz, bevor sie auf ihre Tasse schaut.
"Möchtest du etwas Kaffee?
Ich bin sicher, sie haben noch welchen."
"Nein, nein danke. Es sieht
hübsch aus."
"Der Kaffee?"
"Deine Haare."
Sie sieht zu mir auf und lächelt
zaghaft.
"D-danke.
Danke."
Das tut es wirklich, jetzt wenn
ich sie ansehe. Es lenkt nicht von ihrem Gesicht ab, so wie es die andere
Frisur getan hat. Sie sieht ein bisschen älter aus, ein bisschen härter. Aber
immer noch schön.
"Ich bin irgendwie
überrascht, die hier zu treffen," sage ich zu
ihr. "Normalerweise bin ich der einzige, der um diese Zeit wach ist."
"Naja, Ret
musste ausgeführt werden und ich...ich wollte nicht drin sein."
Ich nicke. Sie nimmt einen
Schluck von ihrem Kaffee und schaut finster.
"Kalt?"
"Irgendwie schon."
Die Frage, die ich mich fürchte
zu stellen, wird unausweichlich. Ich kann nicht hier sitzen und sie eine Minute
länger anstarren, ohne es zu wissen.
"Wie geht es dir,
Scully?"
"Es geht mir ...
besser."
"Wirklich?"
"Ich denke. Ein bisschen
Übelkeit aber ... ich denke es funktioniert."
Erleichterung überfällt mich.
Sie wird nicht sterben. Und sie hat nicht einmal das Wort ‚gut' gesagt.
Ich schaue an ihr vorbei uns
bemerke einen kleinen, schnauzbärtigen Mann mit Schürze, der mit in die Hüfte
gestemmten Armen in der Tür steht. Er sieht ein wenig zornig aus.
"Scully, ich empfange eine
ziemlich klare Nachricht von unserem Wirt da drüben."
Sie dreht ihren Kopf und winkt,
während sie aufsteht.
"Gute Nacht, Louis. Danke
für den Kaffee."
Der Mann nickt und winkt
glücklich, entbietet uns eine gute Nacht. Ich stehe auch auf, Scullys Hinweis
folgend.
"Gute Nacht, Mulder. Komm
schon Ret."
Sie geht zur Tür und Ret folgt ihr dicht auf den Fersen.
"Möchtest du, dass ich dich
zu deinem Zimmer begleite?"
Sie dreht sich auf dem Absatz um
und starrt mich an, erschrocken, fast ängstlich.
"Nein! Nein...nein,
ich...nein."
"Bist du sicher? Es ist
ziemlich spät."
Sie klang ziemlich verdammt
sicher, Mulder.
Was zur Hölle tue ich?
"Nein, das ist in Ordnung.
Ich denke, ich laufe sowieso noch ein wenig herum. Gute Nacht."
Sie dreht sich um und läuft
weiter. Ich sollte sie gehen lassen. Ich muss sie gehen lassen. Warum kann ich
sie nicht gehen lassen?
"Na gut, warte. Wo gehst du
hin?"
Ich laufe neben ihr, wage mich
nicht ihren, sicher mittlerweile ziemlich verärgerten Gesichtsausdruck
anzusehen.
"Ich, ich weiß nicht.
Vielleicht in die Scheune, um nach den Tieren zu sehen. Vielleicht zum Pool.
Keine Ahnung, Mulder."
Ich schrecke bei dem Wort Pool
unfreiwillig zusammen, aber fahre unbeirrt fort.
"Das klingt nett. Warum
lässt du mich dich nicht begleiten?"
"Es wird mir nichts
passieren. Ret ist bei mir."
Sie hört auf und fährt mit ihrer
Hand durch das, was von ihren Haaren übriggeblieben ist. Mit ihrer linken Hand.
Der verdammte Ring reflektiert das fluoreszierende Licht direkt in meine Augen.
"Du musst dich nicht um
mich kümmern, Mulder."
"Ich weiß, ich weiß das," antworte ich, vielleicht ein bisschen zu schnell.
"Ich bin nur selbst nicht gern drin. Ich dachte wir könnten zusammen
gehen."
Sie kaut auf ihren Lippen und
vermeidet weiterhin angestrengt jeglichen Augenkontakt mit mir, während sie
über den Vorschlag nachdenkt. Ist es ihr durch mich unbehaglich? Erscheint mein
Benehmen unangemessen?
"Äh..ich
nehme an, ich nehme an, das wäre in Ordnung,"
antwortet sie schließlich.
Wir gehen zusammen in die Nacht
hinaus.
Eine lange Zeit laufen wir ohne
miteinander zu sprechen herum. Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Ich
habe das Gefühl, als würde mein Inneres jeden Moment durch meine Haut platzen.
Trotzdem ist es keinen unangenehme Stille. Sie ist tatsächlich sehr
friedlich. Sehr nett.
Schließlich befinden wir uns vor
einem der Wohnheime. Sie hört auf zu laufen.
"Ich werde Ret reinbringen. Ich bin gleich zurück."
Sie schließt die Eingangstür des
Gebäudes auf und verschwindet mit dem Hund, bevor ich die Chance habe,
irgendwelche Fragen zu stellen. Zum Beispiel die, warum sie Ret
hier lässt, anstatt in ihrem eigenen Zimmer?
Außer...
Zu dem Zeitpunkt, an dem sie
zurückkommt, habe ich mich gerade selbst davon überzeugt. Aus irgendeinem Grund
lebt sie nicht mehr mit ihm zusammen.
Sie steht vor mir, mit einem
völlig rätselhaften Gesichtsausdruck und einem Sweater, den sie nicht getragen
hat, bevor sie reinging. Sie verschränkt ihre Arme
vor der Brust.
Sie trägt den Ring nicht mehr.
Und dann sagt sie etwas, was dazu
führt, dass sich mein gesamtes Universum um die eigene Achse dreht.
"Mulder, denkst du, dass
wir zu dir gehen können?"
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Ende Kapitel 15
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 16
Die Buddhisten glaubten, dass es
kein richtiges Selbst gäbe. Dass das, was uns als menschliche Wesen ausmacht
sich so gewaltig, so häufig ändert, dass es nichts angeborenes
in uns gibt, was während unseres ganzen Lebens Bestand hat. Nicht, was uns als
die selbst Person bezeichnet, wenn wir dreißig sind, die wir mit sechs Jahren
waren. Jeden Tag eine andere Reinkarnation.
Da ich katholisch erzogen wurde,
hatte ich immer Probleme mit diesem Konzept. Kein Selbst bedeutet keine Seele
und keine Seele bedeutet... na ja, irgendetwas schlechtes, so viel ist sicher.
Aber es gibt keine Katholiken
mehr. Ebenso wenig wie Buddhisten. Überhaupt keine organisierte Religion mehr.
Die Menschen mögen immer noch an ihrem Glauben festhalten, aber sie halten ihn
jetzt versteckt. Privat.
Ich begann mein Leben als Dana
Katherine Scully. Ein kluges, wenn auch ein wenig gewöhnliches Mädchen. Ein
Wildfang, der sich entschloss, zum FBI zu gehen, um jemandem in den Hintern zu
treten.
Eines Tages traf Dana Katherine
auf einen Mann namens Fox Mulder. Und dann wurde sie zu Scully. Eine stille,
harte und einsame Frau. Verzweifelt verliebt, aber zu unterdrückt und
ängstlich, um etwas deswegen zu unternehmen. Eine Frau, die einen von
vornherein verlorenen Kampf gegen unbekannte Kräfte geführt hat.
Dann kamen sie und haben Scully
weggenommen. Haben sie zu Vierundzwanzig gemacht, eine Sklavin ohne eigene
Gedanken, ohne eigene Gefühle. Sie hatte Gedankeblitze, kurze Erinnerungen an
ihr früheres Leben, aber ihr wesentlicher Zweck war zu dienen.
Alex fand Vierundzwanzig und
machte sie zu seiner Djewotschka.
Widerstandskämpferin, Geliebte, Ärztin. Eine neue Frau, wieder aufgebaut aus
der Asche.
Aber seit er gegangen ist, hat
sich Djewotschka wieder verändert. Ist zu jemand
anderem geworden. Einem neuen Selbst. Neues Blut, neue Frisur, neue Leere.
Es ist jetzt weniger in mir, was
wiedererkennbar wäre, als gestern. Und gestern war
ich ein völlig anderer Mensch als vor zwei Tagen.
Ich weiß nicht, wer ich heute
bin, aber vor drei Tagen hätte ich mit größter Sicherheit Mulder nicht gebeten,
mich mitten in der Nacht mit auf sein Zimmer zu nehmen. Aber wie auch immer,
hier sind wir.
Er beschäftigt sich mit dem
Schloss an seiner Tür, wobei er zittert wie ein verängstigtes Kaninchen. Ich
bin so ruhig, dass es fast verstörend ist.
Unheimlich.
Ich sollte Angst haben. Nervös
sein. Wenigstens vorsichtig.
"Ist irgendjemand in diesen
Flur gezogen?" frage ich, während er weiterhin den Schlüssel hin und
herdreht und bei seinem Türöffnungsprojekt keinen Fortschritt macht.
"Äh...nein, nein. Nur in
den darüber."
"Direkt über deinem Zimmer?
Oder weiter den Flur hinunter?"
Er hält in seiner Bewegung inne
und starrt mich eine Sekunde lang an. Ich lache über mich selbst wegen der
Paranoia.
"Keine Sorge. Es ist nicht
wichtig."
"Ich denke sie wohnen den
Flur hinunter," sagt er schnell zu mir und fügt
dann hinzu, "viel weiter unten."
Ich kann mir ein Lächeln über
seine Überschwänglichkeit nicht verkneifen.
Schließlich geht die Tür auf und
er tritt hinein. Ich folge ihm und schließe die Tür hinter mir, verschließe
sie. Er tastet nach dem Lichtschalter an der Wand, aber ich greife nach seiner
Hand.
"Nicht. Es kommt genug
Licht vom Mond."
Er hat ein großes Fenster neben
dem Bett und der Vorhang ist zurückgezogen. Der Mond ist voll und er leuchtet
das Zimmer aus. Genug, dass ich sehen kann, wie klein dieses Zimmer ist. Gerade
genug Platz für eine kleine Garderobe, Kleiderschrank und ... das Bett
natürlich.
Ich habe es schon gesehen. Ich
war diejenige, die ihn hergebracht hat. Ich nehme an, ich habe nicht darüber
nachgedacht.
"Na ja, ich würde dir ja
einen Stuhl anbieten..."
Wir beide lachen leise und ich
setze mich aufs Bett, mit dem Rücken zum Fenster und lasse meine Beine an der
Seite herunterbaumeln.
"Es tut mir leid,
Mulder."
"Was tut dir Leid?"
"Das..." ich mache
eine ausladende Geste mit meinen Händen.
"Da ist nichts, was dir
Leid tun müsste," sagt er leise und setzt sich
neben mich. "Ich brauche nicht mehr als das."
"Ich sollte trotzdem sehen,
was ich tun kann, um dir ein anderes Zimmer zu besorgen. Wirklich, ich hätte
das schon vor sehr langer Zeit tun sollen."
"Nein, Scully, die meisten
der anderen Zimmer, die ich gesehen habe sind so. Es ist wirklich in
Ordnung."
Mein Zimmer ist größer. Viel,
viel größer. Aber es ist nicht mehr mein Zimmer, also nehme ich an dass es
nichts mehr gibt, weswegen ich mich schuldig fühlen müsste.
"Ich bin ohnehin sehr
selten hier," sagt er und das macht mich
neugierig.
"Wohin gehst du, Mulder?
Ich sehe dich normalerweise nur im Labor."
"Oh, keine Ahnung. Einfach
herumschnüffeln."
"Hältst du Ausschau nach
weiteren Kassetten, die du hören kannst?"
Er lächelt in Erinnerung an
diesen Tag und ich tue das auch, obwohl es mich erinnert. Das war der Tag, an
dem ich ihn wirklich verloren habe...
"Manchmal."
"Hast du Freunde
gefunden?"
"Oh ja, du kennst mich
doch. Der Kontaktfreudige."
Ich lache ein bisschen und
runzle dann Stirn wegen des Anflugs von Traurigkeit, den ich empfinde.
"Ich vermisse dich,
Mulder."
"Ich...ich misse dich auch,
Scully. Sehr."
"Ich meine ich vermisse ...
uns. Weißt du?"
"Ich weiß. Glaube mir. Ich
weiß."
Ich höre, wie er tief ein- und
dann wieder langsam ausatmet. Er scheint mir näher zu sein, als zu dem
Zeitpunkt, als wir uns hingesetzt hatten.
"Kann ich dir etwas
gestehen, Mulder?"
"Natürlich."
"Manchmal wünschte ich,
dass die Dinge nicht so gekommen wären. Manchmal wünschte ich ... ich wünsche
mir so sehr, dass es alles weggehen würde und ich wiederhaben könnte, was ich
hatte."
"Ich denke jeder hat
manchmal dieses Gefühl. Ich fühle fast die ganze Zeit so."
Wie erträgst du das, Mulder? Wie
werde ich das ertragen?
"Ich habe jetzt das Gefühl,
Mulder."
Ich rutsche ein wenig herum,
drehe mich zu ihm, so dass ich in sein Gesicht sehen kann und das Bett
quietscht laut unter mir.
"Naja, du bist schon halb
dort." Er zeigt in Richtung meiner Haare mit einem kleinen Grinsen.
"Ja, das nehme ich
an."
"Es sieht großartig aus.
Wirklich."
"Es tut mir leid, Mulder.
Wir sollten nicht ... nicht ...."
"Nicht deine Schuld."
"Doch, doch das ist es. Ich
hätte sagen sollen..."
"Nein, Scully, ich wusste
es. Ich wusste es."
"Warum nicht, Mulder? Warum
waren wir so dumm?"
Doch ich weiß die Antwort
bereits.
Angst. Einfach Angst.
Ist er das, der immer weiter an
mich heranrutscht, oder bin ich das?
"Keine Ahnung, Scully. Aber
selbst wenn wir hätten, wären wir trotzdem jetzt in der gleichen
Situation."
"Mulder, lass uns ... lass
uns das jetzt vergessen. Bitte."
"Vergessen?"
Meine Hände bewegen sich,
offensichtlich aus eigenem Antrieb, in Richtung seines Gesichtes. Ich stelle
fest, dass ich seine Wangen streichle, mit meinen Fingern durch seine Haare
fahre. Es sieht silbern im Mondlicht aus.
"Hilf mir zu vergessen,
Mulder. Bitte."
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Vergessen sich zu erinnern,
Scully? Oder vergessen zu vergessen?
"Scully..."
"Du weißt, dass dir Skinner
in den Hintern treten wird, Mulder. Du hättest diese Berichte schon vor über
einem Monat bei ihm abliefern sollen."
Sie flüstert diese Worte leise
und verführerisch ganz in der Nähe meines Mundes.
Es macht mich traurig, Skinners
Namen zu hören. Ich war nie in der Lage herauszufinden, was aus unserem alten
Chef und Freund geworden ist. Ich klammere mich immer noch an die Hoffnung,
dass er noch irgendwo am Leben ist, erfolgreich, kämpfend...
Aber das ist nicht die Welt, an
die ich jetzt denken sollte.
Das ist eigenartig.
Aber es ist mir egal. Es ist mir
einfach egal. Ich kann dieses Spiel mitspielen, wenn es das ist, was nötig ist.
"Be..äh,
Berichte? Scully, du kannst nicht, du kannst die Wahrheit nicht in einen kleinen
netten Bericht verpacken."
"Die Wahrheit? Die Wahrheit
ist das, was du willst, das es die Wahrheit ist, richtig Mulder?"
Sie küsst mein Kinn.
Es sollte eine Stimme in meinem
Kopf geben, die mir sagt, dass das nicht richtig ist. Aber es gibt sie nicht.
Ich nehme an, dass sich das Schicksal manchmal gegen einen verschwört und einen
zu einem bestimmten Punkt bringt und man keine andere Chance als mitzumachen.
Manchmal muss man die Möglichkeiten nutzen, die sich einem bieten, die Türen,
die sich schnell öffnen und noch viel schneller wieder schließen.
Manchmal denken sich
verzweifelte Menschen verzweifelte Entschuldigungen aus.
"Was ist nötig, damit du
glaubst, Scully?" versuche ich zu flüstern, aber es kommt mehr als ein
hohes Quietschen heraus. Es scheint ihr nichts auszumachen.
"Beweise, Mulder. Das weißt
du."
Ihre Zunge umrundet mein Ohr und
ich schaudere unfreiwillig. Ich weiß nicht, wie ich es anstellen könnte, dass
das andauert.
"Alles, was du mir
anbietest ist Spekulation."
Ich schließe meine Augen und sie
küsst die Lider mit ihren zärtlichen, süßen Lippen.
"Du warst dort, Scully. Du
hast das gleiche gesehen wie ich. Wie kannst du das immer noch leugnen?"
Hinter meinen Augen ist das
Zimmer nicht mehr länger das, was es ist. Es ist irgendein Hotelzimmer, in
irgendeiner Stadt, während irgendeines Falles. Und Scully sitzt mit mir auf dem
Hotelbett, erzählt mir, dass ich mir Illusionen mache, fordert mich mit ihrem
Gesichtsausdruck heraus.
"Ich habe etwas gesehen.
Ich werde nicht einfach schlussfolgern, dass es außerirdisch war. Ich habe
Lichter gesehen, das ist alles."
Sie knabbert an meiner Nase. Ich
lache nervös und kralle mich an meiner Decke fest, als wenn es um mein Leben
ginge.
"Es hätte ein Testflugzeug
sein können," murmelt sie in die Beuge meines
Halses.
"Vielleicht war es der
Goodyear Zeppelin."
Sie lacht leise und der Klang
vibriert gegen meine Haut. Pulsiert gegen meine Adern. Ihre Finger vergraben
sich in meinem Haar und sie beginnt damit, an meinem Adamsapfel zu saugen. Ich
öffne meine Augen wieder und das erste was ich sehe ist rot.
"Scully..."
"Ja?"
"Es verstößt gegen die
Regeln des Bureaus, wenn FBI Agenten auf diese Weise
in Hotelzimmern zusammen sind."
"Na ja, dann müssen wir
diese Besprechung eben geheim halten, oder? Und die Aussage verweigern, wenn
wir deswegen befragt werden."
"Bist du sicher, dass du
deinen Job dafür riskieren willst?"
Sie antwortet mir, in dem sie
mit ihrer Zunge an meinen Hals nach oben fährt und sie dann zwischen meine
Lippen gleiten lässt. Ich greife nach ihrem Hinterkopf und ziehe sie an mich,
verzichte auf jede Hoffnung auf gesunden Menschenverstand.
Wir küssen uns langsam,
sehnsüchtig, erforschend. All die Jahre der Vorstellung, wie es sein würde, all
die verschiedenen Phantasien, die ich hatte und ich habe es mir nicht ein Mal
so vorgestellt. Warum sollte ich?
Aber trotzdem ist es wunderbar.
Es ist schön.
Das ist es, was ich all die
Jahre verpasst habe. Das ist der Geschmack und das
Gefühl, vor dem ich all die Jahre wie ein verschrecktes Kaninchen davongelaufen
bin.
Sie ist die erstaunlichste
Sache, die ich je gekannt habe.
Sie beginnt, mit ruhiger Hand
mein Hemd aufzuknöpfen. Ich zittere wie Espenlaub. Nein, so habe ich mir das
definitiv nicht vorgestellt.
Aber das spielt jetzt keine
Rolle mehr.
Einmal, heute Nacht, darf ich
nur an das hier und jetzt denken. Scully mag versuchen, die Gegenwart zu
vergessen. Ich werde versuchen, die Vergangenheit und die Zukunft zu vergessen.
Dieser Moment, dieses Geschenk,
das ist der Grund für alles, was passiert ist. Das gibt meinen Fehlern einen
Sinn.
Wie liegen gemeinsam auf dem
Bett, schauen einander an, ziehen uns langsam gegenseitig aus. Als wir
schließlich völlig voreinander entblößt sind, beginnen wir, uns zu berühren, zu
schmecken, unsere Sensibilität zu erkunden.
Es fühlt sich gut an, wenn sie
mich berührt. Körperlich gut. Aber das ist wirklich weniger wichtig. Das
wichtigste ist, dass ich sie berühre. Endlich.
Als ich mich auf sie rolle,
seufzt sie und dieser Klang gibt mir Hoffnung. Hoffnung, dass in dieser Welt
noch Schönheit und Liebe übrig ist. Hoffnung, dass wir nach dieser Nacht,
unserer ersten und letzten gemeinsamen Nacht, immer noch etwas besonderes haben werden. Etwas wirklich einzigartiges.
"Ich möchte dich lieben,
Scully," flüstere ich.
Sie murmelt ihre Zustimmung in
meine Schulter.
Ich liebe sie mehr als mein
Leben. Mehr als jedes Wort oder jede Tat es je ausdrücken könnten. Und in
diesem Moment, in dieser Nacht, gehört sie mir.
Ich werde niemals fähig sein,
ihr dafür genug zu danken.
Ich sinke mit Leichtigkeit in
sie hinein, schmerzlich langsam. Sie stöhnt sanft und fährt mit ihren Fingern
an meinem Rücken hinab.
Bevor ich mich bewegen kann,
muss ich es ihr sagen. Sie muss es von mir hören, endlich.
"Ich liebe dich,
Scully."
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"Ich liebe dich auch."
Mühelos. So einfach. Warum ist
es so viel einfach zu sagen, wenn es Auf Wiedersehen bedeutet?
Ich spüre, wie sich ein
zittriges Schluchzen in meiner Brust bildet. All die
vergebenen Möglichkeit, die Gelegenheiten, die ich hatte, diese Worte zu sagen.
Zu Mulder. Zu Alex. Sogar zu meiner Mutter. Wie konnte ich nicht bemerken, wie
gut es sich anfühlen würde, sie einfach zu sagen?
Ich schlucke es runter, aber ich
kann die Tränen nicht aufhalten, die aus meinen Augenwinkeln rinnen, als sich
Mulder in mir bewegt.
Mulder. Mulder macht mit mir
Liebe. Und es ist genauso, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Er ist so
zärtlich, so von seiner ganz eigenen Art der Anbetung erfüllt, dass es fast
herzzerreißend ist.
Wir sind so oft diesem Moment so
nahe gewesen. So oft habe ich fast nach ihm gegriffen, um ihn zu berühren, um
es ihm zu sagen.
Ich spüre seien Mund auf meinem
Gesicht und bemerke, dass er versucht, meine Tränen wegzuküssen.
"Weine nicht Scully. Bereue
es nicht."
"Keine Reue."
Zumindest denke ich nicht, dass
ich es bereue.
Aber als mein Körper beginnt,
auf Mulders zu reagieren, sich langsam ein Orgasmus aufbaut, fühle ich
plötzlich einen Anflug von Panik. Und Schuld.
Würde ich mich schuldig fühlen,
wenn es sich nicht gut anfühlen würde? Zählt es nicht als Sex, wenn man keinen
Orgasmus hat? Was für eine verdrehte Moralvorstellung ist das?
Oder ist es einfach so, dass ich
tief in mir gehofft hatte, dass es eine fürchterliche Erfahrung sein würde?
Dass, wenn es vorbei wäre, meine Situation schärfer umrissen wäre?
Ist es wirklich Verrat, wenn du
von dem Menschen unwiderruflich weggeschickt wurdest, den du betrügst? Ist es
überhaupt Betrug? Ich nehme an, dass es das nicht ist, technisch gesehen. Und
aus irgendeinem Grund macht es das sogar noch schlimmer.
Mein Gott, ich vermisse ihn.
Aber das sind lächerliche
Fragen. Der Punkt ist, dass ich mit Mulder Liebe mache und es sich gut anfühlt.
Alex sollte in meinen Gedanken überhaupt nicht vorkommen. Die Tatsache, dass
ich mich frei und lebendig fühle, wenn ich mit Alex Liebe mache und dass diese
Erfahrung mit Mulder von Tod und Verlust gezeichnet ist, sollte überhaupt keine
Rolle spielen. Oder doch?
Mulder stöhnt in meine Schulter
und ich fühle ihn zittern, seiner eigenen Erlösung nahe. Ich greife herum nach
seiner Kehrseite, ziehe ihn näher an mich heran, tiefer in mich hinein und
reibe mich gegen ihn. Mein Orgasmus und langsam und zart und als ich komme ist
meine Zunge in seinem Mund.
Er folgt kurz nach mir, wimmert
meinen Namen und eine weitere Liebeserklärung.
Ja, es ist gut.
Warum wünsche ich, dass es das
nicht gewesen wäre?
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Dies ist das letzte Mal, dass
ich Scully jemals küssen werde. Dies ist unser Lebewohl. Und unser Hallo.
Ich werde sie jetzt im Arm
halten, an meine Brust geschmiegt und glücklich schnurrend in ihrer post-koitalen Betäubung. Aber sie wird mich verlassen und
sie wird nicht wiederkommen. Es ist nur eine Frage der Zeit. Und des wie.
Wird sie mir eine ganze Nacht
geben? Oder wird sie noch innerhalb der nächsten Stunde gehen? Vielleicht wird
sie einschlafen und in meinen Armen aufwachen.
Wahrscheinlich nicht.
Ich wünschte fast, dass ich mir
einreden könnte, ich wäre in der Lage, diese Situation zu ändern. Wenn ich ein
anderer Mensch wäre, könnte ich es vielleicht. Vielleicht könnte ich sie
anflehen und ihr ein schlechtes Gewissen einreden, so dass sie länger bei mir
bleibt, als diese Nacht, diesen Moment. Aber ich kann mich nicht auf dieses
Niveau der Idiotie herunterbegeben. Nicht nach all dem, was wir durchgemacht
haben. Die leere Hülle einer Beziehung zu haben, würde nur all das billig
aussehen lassen, was wir miteinander erlebt haben.
Also werde ich sie jetzt halten,
weil ich es jetzt kann. Und wenn sie sagt, dass sie gehen muss, werde ich sie
gehen lassen. Und ich werde wissen, dass wir unseren Moment der Erfüllung
hatten, der Verbindung. Und dass wir weitermachen werden. Wir werden es müssen.
Ich hoffe nur, dass sie auf
diese Nacht niemals mit Kummer zurückblicken wird. Ich werde sie für immer in
meinem Herzen bewahren.
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Ende Kapitel 16
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 17
Ich hatte unrecht. Sie hat die
Nacht hier verbracht. Sie ist bei mir geblieben, bis die Sonne aufging. Ich
denke, dass sie sogar ein paar Minuten lang eingeschlafen ist. Aber sobald das
Sonnenlicht anfing, durch das Fenster zu scheinen, wand sie sich aus meinen
Armen und zog ihre Sachen an. Ich habe sie fast gefragt, ob sie sich in einen
Kürbis verwandeln würde, wenn sie vor sechs Uhr früh nicht zu Hause sein würde,
aber ich habe es mir anders überlegt.
Als sie sich fertig gemacht
hatte, drehte sie sich mit einem entschuldigenden kleinen Lächeln zu mir um.
Ich lag immer noch da, rücklings und nackt, mit klaffenden emotionalen Wunden
und sie lehnte sich über mich und drückte einen flüchtigen Kuss auf meine
Wange.
Ich denke, dass da ein Danke in
diesem Kuss war. Und ein bisschen Bedauern darüber, dass sie gehen musste. Aber
sie hat nichts tatsächlich in Worte gefasst, bevor sie aus der Tür ging. Und
wir haben seit dem nicht mehr miteinander gesprochen. Es ist schon fast zwei
Tage her.
Heute Abend werde ich sie wieder
sehen. Als wir ihr das Serum injiziert hatten, haben wir beschlossen, die Test
zur Wirksamkeit des Heilmittels durchzuführen, so bald es möglich war, dies zu
tun und es stellte sich heraus, dass es dieser Abend war, um acht Uhr. Es ist
jetzt 7:45.
Roseanne und ich sind schon im
Labor und warten nervös auf ihre Ankunft. Na ja, ich bin jedenfalls nervös.
Roseanne sieht vor allem müde aus.
Ich denke, meine Sorge kommt
mehr aus der Unsicherheit über Scullys Gesundheit, als über den Zustand unserer
Beziehung. Ich denke, dass ich jetzt weiß, was ich das letztere betreffend zu
erwarten habe. Ich mag mir wünschen, dass es nicht so wäre, aber Wünsche können
nichts an der Realität ändern, die ich in den letzten Tagen zu akzeptieren
gelernt habe.
Die Realität ist, dass Scully
nicht mehr derselbe Mensch ist, als den ich sie früher kannte. Obwohl ich sie
immer lieben werde, ist sie nicht die Person, in die ich mich verliebt habe.
Ich vermisse diese Person. Ich vermisse sie mehr als alles andere aus meinen
alten Leben und ich wünschte, ich wäre nicht gezwungen gewesen, vor zwei Nächten
zu ihr Lebewohl zu sagen.
Zur Hölle, wem mache ich was
vor? Ich habe vor sechs Jahren zu ihr Lebewohl gesagt. Die Person, mit der ich
Liebe gemacht habe, mit der ich eine Phantasie geteilt habe, einen Genuss, ist
nicht die Person, die ich früher kannte. Sie hat nur vorgegeben, diese Person
zu sein. Und es braucht keinen Raketenwissenschaftler, noch nicht einmal einen
ausgebildeten Psychologen, um zu erkennen, dass wenn die Person, mit der du
geschlafen hast, sich vorstellen muss, jemand anderer zu sein, um die ganze
Sache hinter sich zu bringen, die Chancen auf weiteren Verkehr ziemlich gering
sind.
Ja, das macht mich traurig. Ja,
das macht mich bitter. Ja, ich habe bei mehr als einer Gelegenheit während des
letzten Wochenendes in Erwägung gezogen, mir mit dem Skalpell die Kehle
durchzuschneiden. Aber das Verlangen, die verzweifelte Sehnsucht nach ihr ist
nicht mehr so schlimm wie vorher. Es ist weniger das wütende Verlangen nach
einem Menschen, der für immer außerhalb der eigenen Reichweite liegt, sondern mehr
eine Nostalgie, die Trauer um eine verlorene Liebe.
Und ich weiß eines; egal, was
man über unsere gemeinsame Nacht sagen mag; die Person, die sie jetzt ist, ist
immer noch eine Person, die mich liebt. Das ist geblieben, auch wenn es etwas
mutiert ist.
"Reagenzglas für deine
Gedanken?"
Ich höre auf, ausdruckslos auf
meine Finger zu starren, sehe nach oben und sehe Roseanne, mit einer
Plastikschüssel voller schmutziger Laborgegenstände in der Hand, neben mir
stehen.
Bevor mir eine passende
geistreiche Antwort einfällt, hat Scully ihren großen Auftritt. Sie sieht nur
ein wenig besser aus, als ich mich fühle. Aber nicht so schlecht, wie das
letzte mal, als ich sie gesehen habe.
Unabsichtlich stiehlt sich mein
Blick sofort nach unten zu ihrem Finger, bevor sie überhaupt ihren Mund
aufgemacht hat. Sie trägt ihn wieder. Das überrascht mich nicht.
Als sie zu sprechen beginnt, ist
sie ganz geschäftlich. Es geht alles um Tests und Blut und ihre gute alte
Wissenschaft. Und das ist gut. Ich denke nicht, dass ich irgendetwas anderes
von ihr im Moment ertragen könnte. Ganz besonders nicht vor einem anderen
Menschen.
Aber ich werde dazu in der Lage
sein, irgendwann. Irgendwann in nächster Zukunft werde ich wieder in der Lage
sein, ihr Freund zu sein. Ich weiß dass, denn als sie neben mir steht und mir
in die Augen sieht und lächelt, spüre ich nicht die typische verschmähter
Liebhaber Reaktion. Ich möchte ihr nicht die Augen aus den Höhlen kratzen und
ihr Herz herausreißen und darauf herumtrampeln. Ich möchte nur, dass wir mit
den Tests beginnen, so dass wir sicher wissen, dass es ihr besser geht. Und das
tun wir.
Und drei Stunden später weiß ich
zwei Dinge. Erstens, und am wichtigsten, es geht ihr besser. Es gibt keine
Spuren von Krebszellen mehr in ihrem Blut. Und zweitens, ich weiß, dass Scully
und ich immer noch ziemlich gut und mit minimalem Unbehagen zusammenarbeiten
können. Tatsache ist, ich fühle mich in gewisser Weise jetzt wohler in ihrer
Nähe als vorher.
Vielleicht wird es in Ordnung
kommen mit uns. Vielleicht werde ich nicht ohne sie sterben. Vielleicht.
XXXXXXXXXXXXXXXXXX
Ich erinnere mich an eine Zeit,
gar nicht so lange her, obwohl es mir wie ein ganzes Leben vorkommt, als ich zu
ihr zurückkam und stolz war. Ich ging durch genau diese Tür, verwundet und
blutend aber lächelnd und stolzierte in das Labor hinein. Und ich zeigte ihr,
was ich getan, was ich erreicht hatte. Dann bin ich zusammengebrochen.
Sie hat sich damals um mich
gekümmert, meinen beschädigten Körper gepflegt. Was wird sie jetzt tun, wenn es
meine Seele ist, die verstümmelt ist?
Ich habe nichts, was ich ihr
diesmal zeigen könnte. Keine Siegestrophäe, keine prächtigen Verwundungen, die
es mit viel 'oohs' und 'aahs'
zu bestaunen gäbe, nichts als die Geschichte einer vernichtenden Niederlage.
Und meine Reue. Meine tiefe Angst, dass die Art, wie ich gegangen bin, für
immer bestimmen wird, wie sie mich ansieht, was sie fühlt.
Es ist jetzt dunkel draußen,
aber es ist nicht so spät, dass sie schlafen würde. Zum Glück konnte ich mich
unter dem Deckmantel der Nacht hierher schleichen, ohne gesehen zu werden. Es sind nicht genug von uns zurückgekommen, um eine
Willkommensfeier zu rechtfertigen. Ich denke noch nicht mal, dass irgendjemand
die bedauernswert leeren Lastwagen bemerkt hat, die auf den Parkplatz gefahren
sind. Trotzdem ist es nur eine Frage der Zeit, bevor die paar Männer, die
zurückgekommen sind, anfangen werden zu reden. Ich muss mit ihr reden, bevor es
jemand anderes tut. Nicht dass ich ihr Lügen darüber erzählen werde, was
geschehen ist. Ich will ihr alles erzählen, wenn sie mich lässt. Aber sie muss
es von mir hören.
Als ich sie finde, ist sie nicht
allein. Roseanne sitzt an einem Schreibtisch, schreibt irgendetwas und Mulder
... Mulder ist da, steht neben ihr, spricht mit ihr. Auf einmal erinnere ich
mich wieder daran, warum ich sie rausgeworfen habe und all das, was ich
befürchtet habe, trifft mich in den Magen wie ein Ziegelstein. Ich hatte recht.
Sie schläft mit ihm. Sie tut es.
Aber dann sieht sie auf und
sieht mich dort in der Tür stehen und unsere Augen treffen sich und nein ...
nein sie tut es nicht. Nein.
Ich nehme am Rande wahr, wie
Roseanne auf mich zu geht, mich an der Schulter berührt und mich fragt, ob
alles "in Ordnung" ist. Ich kann ihr aber nicht antworten. Ich kann
sie kaum sehen. Alles, was ich sehen kann ist Dana, ihr Körper erstarrt wie bei
einer Marionette ohne Fäden, aber ihre Blicke gleiten über mich. Erzählen mir
Dinge.
Und dann geht Roseanne, der
Gummi ihrer Schuhe quietscht auf dem gefliesten Boden, aber Mulder bleibt. Er
sieht zwischen uns hin und her, nervös und fragend, bewacht sie, wie es ihr
verdammter Hund tut.
"Es ist in Ordnung,
Mulder" flüstert sie, während sich ihre Lippen kaum bewegen. Er kräuselt
seine Lippen und sieht mich finster an, aber er beginnt zu laufen. Als er an
mir vorbeiläuft, murmelt er irgendetwas spöttisches in
seinen Bart, aber ich höre es nicht wirklich.
Endlich schließt sich die Tür
hinter mir und wir sind allein.
Der Umstand, der mich nach Hause
gebracht hat, kommt mir wieder zu Bewusstsein und ich werde durch den Raum zu
ihr gezogen.
Als ich nur ein paar Zentimeter
von ihr entfernt bin, fragt sie auch, "Bist du in Ordnung?"
Ich fange an zu nicken, ja. Ja,
ich bin in Ordnung. Aber das bin ich nicht wirklich. Nicht im geringsten. Und sofort schüttle ich verneinend meinen Kopf
und bevor ich über meine Handlungen überhaupt überdenken kann, bin ich vor ihr
auf den Knien und umklammere ihre Beine wie ein verlorenes Kind, dass endlich seine Mutter im Supermarkt wiedergefunden hat.
Sie bewegt sich immer noch
nicht. Sie fühlt sich steif und kalt an. Widerstrebend und ängstlich.
"Dana...oh Gott, Dana. Es
tut mir so Leid. So, so Leid. Oh, Gott."
Meine Stimme klingt rau und
gebrochen, selbst in meinen eigenen Ohren. Ich klinge erbärmlich. Ich bin
erbärmlich. Und sie erbarmt sich meiner.
Nach einem kurzen Zögern fühle
ich ihre Hände in meinen Haaren, langsam streichelnd und ich glaube nicht, dass
ich jemals etwas so tröstendes in meinem Leben erfahren habe.
"Es tut mir Leid, es tut
mir Leid ... so Leid," wiederhole ich endlos. Es
gibt so viel mehr, was ich sagen will, aber dies sind die einzigen Worte, die
ich anscheinend im Moment herausbringen kann.
Sie kniet sich vor mir hin und
streichelt meine Wangen mit ihren Fingern.
"Es ist gut. Alex, es ist
gut."
"Nein, nein das ist es
nicht. Es ist nicht gut. Ich war dumm. Dumm und im Unrecht und ich vertraue
dir, Dana. Das tue ich. Ich hatte einfach so viel Angst, ich war so... ich
dachte du würdest mich verlassen und ich hatte Angst und so habe ich
einfach...ich dachte...Gott, es tut mir so Leid..."
"Alex, schh,
es ist gut."
Sie drückt eine
Kuss auf meine Wange und das sollte ausreichend, um den Strom von
unverständlichem Nonsense zu stillen, der aus meinem
Mund kommt. Aber das tut es nicht. Da ist einfach zu viel, was ich loswerden
muss.
"Nein, nein, Dana. Ich
hätte sterben können. Ich bin fast gestorben und alles, woran ich denken konnte
war, dass wenn ich gestorben wäre, dies die letzten Dinge gewesen wären, die
ich zu dir gesagt hätte und sie waren so falsch und so dumm und ich konnte das
einfach nicht ertragen und wenn...ich möchte nicht, dass du unglücklich bist,
aber wenn du unglücklich bist, weißt du, dann kann ich mich ändern. Das kann
ich. Ich kann mich ändern, wenn dich das glücklich machen würde."
"Nein, nein, Alex. Oh Gott.
Ändere dich nicht. Bitte. Nicht."
Sie nimmt mein Gesicht in ihre
Hände und kommt mit ihrem Mund meinem gefährlich nahe.
"Nicht."
"Ich habe es wirklich ganz
schlimm versaut, Baby," flüstere ich gegen ihre
Lippen.
"Es ist gut. Es ist
gut."
Sie küsst mich. Oder ich küsse
sie. Irgendwie küssen wir uns. Und zittern, oh Gott, sie zittert genauso wie
ich.
Das gibt es so viel, so viel
mehr, das ich ihr erzählen muss. Aber noch mehr als das brauche ich sie
einfach. Ich muss sie spüren, will mich in ihr so tief vergraben, dass ich
niemals wieder den Weg nach draußen finde.
Ich küsse sie mit diesem
Verlangen und ich denke, dass sie das auch empfindet. Sie stöhnt und gräbt ihre
Nägel in meine Kopfhaut und wir beiden atmen viel zu schnell. Zu, zu schnell.
"Alex...Alex," seufzt sie und beginnt dann, mit einem Laut an den
Knöpfen meines Hemdes zu ziehen, der mich an ein sterbendes Tier denken lässt.
So etwas wie ein Schluchzen oder ein Schmerzensschrei oder ein...Gott, spielt
das überhaupt eine Rolle? Sie ist verrückt nach mir. Sie will mich immer noch.
Ich ziehe ihren Körper näher an
mich heran und setze eine Spur an ihrem Hals hinunter mit meiner Zunge in
Flammen. Sie zappelt und keucht in meiner Umarmung, so empfänglich für die
kleinste Berührung, dass es einen um den Verstand bringt. Sie will mich nicht
einfach. Sie will mich mehr als je zuvor.
"Ich habe dich vermisst, Djewotschka. So sehr."
"Mmoh
Gott. Ich auch. Ich auch."
Sie fährt mit ihren Händen über
meine Brust, gierig greifend und kratzend und nach unten zu meinem Hintern,
meinen Schenkeln.
Mein Kopf fällt in die Beuge
ihres Halses und einen Moment lang halte ich keuchend still, sonne mich in der
Empfindung davon, dass sie mich überall berührt.
Aber bald ruft die Verführung
ihrer Haut wieder nach mir und ich ziehe an ihrem Shirt, ziehe es aus ihrer
Jeans und greife darunter. Ihr Bauch ist heiß und zittert. Gott sei dank trägt
sie keinen BH. Ihre Brustwarzen sind herrlich hart und als ich mit dem Daumen
über eine davon streiche, schreit sie fast.
Ich küsse sie wieder, wenn man
das überhaupt einen Kuss nennen kann. Es ist mehr das wahnsinnige Knirschen von
Zähnen, Zungen und Lippen. Meine Hand zittert so sehr, dass es mich wundert,
als ich es schaffe, den Reißverschluss ihrer Hose aufzubekommen. Sie mag heute
Abend keinen BH tragen, aber sie hat einen Slip an und der ist im Moment nichts
weiter als ein Hindernis.
Ich kann ihn ihr nicht schnell genug
ausziehen, so dass es meinen Bedürfnissen gerecht werden würde, also schiebe
ich nur meine Finger hinein. Sie ist schon feucht. So sehr feucht. Ich lasse
zwei Finger in sie hineingleiten und streichle ihre Klitoris mit meinem Daumen.
"Oh mein Gott," stöhnt sie und wiegt sich mit fest geschlossenen
Augen gegen mich. Ich spüre ihre Hand an meiner Hüfte, die ungeduldig mit
meiner Jeans kämpft. Ich würde ihr ja helfen, aber meine Hand ist anderweitig
beschäftigt. Allerdings schafft sie es sehr bald, ihren Weg hinein zu finden.
Sehr bald ist mein Schwanz in ihren hungrigen kleine
Händen und sie greift und zerrt ungeschickt an mir. Ich habe Angst, dass sie
mir weh tun könnte.
"Dana, Dana, ich wi...wi..."
"Gott, nimm mich einfach.
Nimm mich, Alex."
Es wird mir plötzlich bewusst,
dass wir tatsächlich auf dem Boden des Labors knien, unter dem harten Licht der
Leuchtstofflampen, hinter einer Tür, die geschlossen, aber nicht verschlossen
ist. Ich nehme an, dass es zu spät ist, sich jetzt darüber Gedanken zu machen.
Ich nehme meine Hand zwischen
ihren Beinen weg und ziehe ihr Hosen und ihren Slip nach unten zu ihren Knien.
Wir stehen hier einem vertrauten Problem gegenüber. Diese verdammten Stiefel.
Ah, was soll's. Sie weiß jetzt, dass ich es besser kann als so. Ich muss sie
diesmal nicht mit meiner Leistungsfähigkeit beeindrucken. Ich will einfach in
ihr sein. Jetzt.
Sie dreht sich um und beugt sich
nach vorn, bietet mir die einfachste Möglichkeit des Eindringens an diesem
Punkt an und ich nehme das Angebot an.
Oh. Oh, Gott. Ja.
Das ist es. Dort gehöre ich hin.
Das bin ich. Wie habe ich nur jemals etwas anderes in Betracht ziehen können?
"Alexxx," keucht sie, drückt sich gegen mich und dann noch
einmal. "Alex Alex Alex," fast, als würde sie jemand anderen erwarten und ist
freudig überrascht zu entdecken, dass ich es tatsächlich bin.
Ich mache mir erst gar nicht die
Mühe zu versuchen, es langsam angehen zu lassen. Zärtlichkeit kann später
kommen. Genau in diesem Moment ist alles was ich tun kann immer und immer
wieder in sie hineinzustoßen, zwischen ihren Beinen herumzutasten und zu
hoffen, dass es sich für sie wenigstens halb so gut anfühlt, wie für mich.
Nichts. Nichts könnte jemals so gut sein.
Schneller, als ich es erwartet
hätte, fühle ich, wie sie sich um mich verengt. Ihre Atmung geht in kurzen,
ultraschnellen Atemstößen und sie greift nach meiner Hand und presst sie fester
gegen ihre Klitoris.
"Alex, Alex,
ich...oh..."
Ein weiterer, besonders tiefer,
fester Stoß und sie schreit wortlos, ihre Kontraktionen ziehen sich noch tiefer
in sie hinein.
Dann zieht sie meine Hand weg,
überstimuliert, aber sie drückt sich immer noch gegen mich. So nah, so gut. Sie
ist so gut.
Ich greife nach oben, nach etwas
anderem zum Anfassen. Nach ihren Haaren. Ihre Haare.
Ihre Haare sind weg. Oh mein
Gott. Ihre Haare.
"Wu...wo...Ha...Haare?"
krächze ich, verwirrt und erschrocken.
"Is
weg. Tut mir Leid."
Ich verstehe das immer noch
nicht, aber das reicht nicht aus, um die Brandungswelle meines Orgasmus
aufzuhalten. Ich komme in ihr mit einem langen, tiefen Stöhnen der
Erleichterung und Ekstase und so vieler anderer Dinge, die ich niemals in Worte
fassen könnte.
Ich lege mich über sie, habe das
Bedürfnis zusammenzubrechen mich um sie zu schlingen und ein Jahrhundert lang
zu schlafen. Aber wir sind immer noch auf dem blöden Boden und jetzt, wo meine
sexuelle Energie verbraucht ist, fangen meine Knie an zu schmerzen.
Dana kichert.
Ich berühre mit meiner Nase die
Hinterseite ihres Halses, vermisse immer noch ihre Haare, aber ich liebe es,
wie ihre Haut nach dem Sex riecht.
"Lass uns nach Hause gehen,
Baby."
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Ende Kapitel 17
XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX
Kapitel 18
Zu Hause. Ja, das ist mein
Zuhause. Es ist eigenartig, es so vorzufinden, wie ich es verlassen habe. So,
wie er es verlassen hat. Der Geist der letzten Nacht, die wir gemeinsam hier
verbracht haben, liegt immer noch über allem.
Wir werden etwas dagegen tun
müssen.
Wir gehen zusammen ins
Schlafzimmer, ziehen uns wortlos aus und ich erinnere mich an die erste Nacht,
in der wir dieses Bett geteilt haben. Diese Nacht war ein Anfang und ich denke,
dass das diese hier auch ist. Die Ähnlichkeit ist tatsächlich ziemlich
bemerkenswert.
Ich winde mich als erste aus
meinen Sachen heraus und krieche unter die Decken, um ihn zu beobachte,
genauso, wie ich es damals in jener Nacht getan habe. Aber damals musste ich so
tun, als würde ich nicht hinsehen. Ich wollte nicht, dass er sich unwohl fühlt.
Heute schaue ich ihn offen an und er schaut zu mir.
Er steht nackt vor mir und
diesmal muss ich ihm nicht sagen, dass er seine Prothese abnehmen soll. Er
seufzt erleichtert, als er die Riemen komplett gelöst hat und ich bemerke, dass
er sie wahrscheinlich die ganze Zeit getragen hat. Die Haut darunter sieht rot
und entzündet aus.
"Komm her,"
sage ich zu ihm und er klettert zu mir aufs Bett. Wir kuscheln uns aneinander
und tiefer in die Decken hinein. Einige Minuten lange halten wir uns einfach
fest, genießen das kleine Sanktuarium, das wir zusammen gefunden haben,
strahlen, weil wir es geschafft haben, den Weg zurück zu finden.
Aber es gibt immer noch Dinge,
die wir ausdiskutieren müssen, bevor wir dem Rest der Welt wieder gegenüber
treten können, bevor wir unseren Kokon verlassen können. Es gibt Dinge, die ich
ihm sagen muss und ich spüre, dass es sehr viel gibt, was er mir sagen will.
"Alex, was...was ist
passiert?"
Er seufzt schwer und ich fühle,
wie seine Hand meine Schulter fester umfasst.
"Ich habe es versaut. Ich
habe es wirklich ganz furchtbar versaut."
"Du hast nicht gefunden,
wonach du gesucht hast?"
"Es ist schlimmer als das,
Dana. Wir haben eine Menge Leute verloren. Eine Menge. Und die Rebellen...ich
habe keine Ahnung, was passieren wird, Dana. Ich denke, ich habe uns einen ganz
neuen Schwung Feinde verschafft. Und wir haben nichts erreicht. Absolut
nichts."
Ich bin nicht überrascht genug,
um darauf eine Reaktion parat zu haben. Ich habe erwartet, dass es so ausgehen
würde. Ich hätte ihm das sagen können. Ich hätte ihn aufhalten können. Aber das
habe ich nicht. Weil ich ihm nicht alles sagen konnte.
"Was ist mit deinem Freund,
diesem Briten und seiner Gruppe? Hat er euch nicht geholfen?"
"Er hat es versucht. Es war
trotzdem ein ziemlich aussichtsloser Kampf."
"Denkst du, dass sie uns
jetzt helfen können? Mit Vorräten und so ..."
"Ich weiß es nicht. Ich
habe mit einigen seiner Männer Pläne gemacht. Er wird in ein paar Wochen zu
einem Treffen zwischen unseren Gruppen herkommen. Vielleicht können wir
irgendwas ausarbeiten."
Er scheint von dieser Aussicht
nicht sonderlich ermutigt zu werden. Ich habe das Gefühlt, dass die anderer Gruppe in der gleichen Verfassung ist wie wir.
"Alex, es tut mir Leid. Ich
hätte dir sagen sollen...na ja, ich hatte das Gefühl, dass das passieren würde."
"Ich hätte nicht auf dich
gehört."
Da mag er Recht haben. Trotzdem
hätte ich ihm sagen sollen, wie ich darüber dachte. Wenn die Dinge anders
gewesen wären, wenn ich ihm davon erzählt hätte, dass ich...
"Alex, da gibt es etwas,
das ich dir erzählen muss."
"Was ist es? Du schneidest
nicht noch mehr von deinen Haaren ab, oder?"
Er fährt mit seinen Fingern
durch das, was von meinen Haaren übrig ist und küsst mich auf die Stirn.
"Nein, nein es ist... Alex,
ich war, ich war krank. Vorher. Ich bin es nicht mehr. Aber ich war es."
"Krank? Wie krank?"
Mein Gott, ich habe immer noch
Angst. Ich weiß nicht, ob ich alles, was ich sagen will sagen kann, ohne
zusammenzubrechen und zu heulen.
Ich greife auf den Boden neben
dem Bett, wo meine abgelegte Hose auf einem Haufen liegt und fange an, die
Taschen zu durchwühlen. Mit übelkeitserregenden
Schmetterlingen in meinem Bauch gebe ich ihm den zusammengeknüllten Zettel. Ich
hatte vorgehabt, diesen Brief wegzuwerfen, seit ich ihn geschrieben habe, aber
ich konnte es aus irgendeinem Grund nicht übers Herz bringen. Jetzt weiß ich
warum. Es ist so viel einfacher, ihm den Brief zu geben, als zu versuchen, ihm
das zu erklären.
Er setzt sich auf und beginnt zu
lesen, seine Augenbrauen ziehen sich immer weiter zusammen, je weiter er liest.
Bald ist sein Gesicht zum tiefsten Stirnrunzeln verzogen, dass
ich bei ihm seit ziemlich langer Zeit gesehen habe. Mein Herz macht eine kleinen Überschlag in meiner Brust und mein Magen dreht
sich immer noch um.
Ein Ausdruck von blankem Horror
steht auf seinem Gesicht und ich bin mir sicher, dass er die Worte erreicht
hat, "Ich sterbe, Alex."
Als er fertig ist, fällt der
Brief aus seiner Hand und flattert auf seinen nackten Oberkörper. Er sieht mich
lange nicht an. Als er es tut, sind seine Augen geweitet und feucht.
Aus seiner Kehle kommt ein
abgewürgter, quietschender Laut und er schüttelt seinen Kopf und sieht wieder
weg. Er nimmt den Brief, dreht sich herum, so dass seine Beine aus dem Bett
hängen und sein Rücken mir zugewandt ist.
"Wie lange?"
"Wie...lange?"
"Wie lange hast du gewusst,
dass du Krebs hattest, Dana?"
Seine Stimme ist so kalt. So
ähnlichem dem Klang, den sie in dieser letzten Nacht hatte. Er verschließt sich
wieder, erzwingt einen Abstand zwischen uns.
"Ein paar, ungefähr zwei Monate."
"Zwei Mon..."
"Ich...ich habe es
niemandem gesagt, Alex," biete ich ihm schwach
an. Als wenn das mein Schweigen entschuldigen würde. Ich will nur nicht, dass
er denkt, dass das etwas mit Vertrauen zu tun hatte. Dass etwas an ihm gewesen
wäre, weswegen ich das nicht mit ihm teilen konnte.
Aber natürlich ist das nächste
was er fragt, "Warum? Warum konntest du dich mir damit nicht
anvertrauen?"
"Es hatte nichts mit
Vertrauen zu tun, Alex. Es hatte etwas mit mir zu tun und mit meinen Ängsten
und mit dem Wissen, was es dir antun würde, wenn du es wüsstest. Und was das
mir antun würde. Und du warst so weit weg von mir, Alex...."
"Ich war weit weg, weil ich
wusste, dass du etwas vor mir verheimlichst."
Huhn. Ei. Wer weiß, wie es
angefangen hat. Ich hätte es besser wissen sollen, als unsere Probleme als
Ausrede zu nehmen.
"Es wäre nur ..."
Seine Stimme bricht ein wenig und er unterbricht, um sich zu räuspern. Ich kann
praktisch spüren, wie das Leid, der Schmerz in Wellen von ihm ausgehen.
"Es hätte uns einfach eine Menge geholfen, wenn ich gewusst hätte, was mit
dir los ist."
"Ich weiß. Ich weiß das. Es
tut mir Leid, Alex. Ich weiß nicht, was ich sagen soll."
Sein Rücken ist so angespannt.
Hart. Ich möchte ihn berühren, aber ich weiß nicht, ob er das noch möchte.
"Also dieses
Heilmittel..."
"Es hat funktioniert. Ich
habe es an mir selbst ausprobiert. Und es hat funktioniert. Er ist weg, Alex.
Ich bin nicht me..."
"Du hast es an dir *selbst*
ausprobiert?"
Dabei dreht er endlich seinen
Kopf, so dass er mich ansehen kann. Er sieht unbestreitbar erschüttert aus.
"Es...es hat funktioniert,
Alex."
"Das freut mich. Aber weißt
du was? Es hätte nicht funktionieren können. Nur die verdammte Injektion hätte
dich schon umbringen können, das wusstest du! Ich kann nicht ..."
Er dreht sich wieder weg und
lehnt seinen Ellbogen auf sein Knie, legt seinen Kopf auf seine Hand. Ich sehe,
wie er mit seinen Fingern ungefähr fünf oder sechs Mal hintereinander durch
seine Haare fährt.
"Ich kann nicht fassen,
dass du mir das nicht erzählt hast," sagt er und
dann steht er auf und geht aus dem Zimmer.
Ich liege im Bett und höre zu,
wie er durch das Wohnzimmer läuft, den Kühlschrank öffnet und wieder schließt,
etwas Wasser im Bad laufen lässt und sich, so wie es scheint, schließlich auf
die Couch setzt.
Ich möchte mehr als alles andere
auf der Welt da hinausgehen, aber ich weiß, dass er eine Weile von mir weg sein
muss, um zu verarbeiten, was ich ihm erzählt habe und zu entscheiden, ob er mir
jemals wieder ins Gesicht sehen kann mit dem Wissen darüber, wie ich ihn
angelogen habe.
Die Knoten in meinem Magen
vervielfachen sich exponentiell und meine Kehle und mein Mund fühlen sich so
trocken an, wie die Wüste. Ich denke nicht, dass ich jemals in meinem Leben so
angespannt war.
Ich denke nicht, dass ich damit
umgehen könnte, ihn noch einmal zu verlieren.
Ich frage mich, ob er überhaupt
weiß, was es mir antut, daran überhaupt zu denken. Ich frage mich, ob er weiß,
was ich durchgemacht habe, seit er mich verlassen hat.
Plötzlich wechselt meine
Stimmung von Besorgnis zu Zorn. Er hat mich verlassen. Mich einfach verlassen,
ohne mir die Möglichkeit zu geben zu erklären, und ja, es tut ihm Leid und ja,
ich verstehe warum. Aber ich denke wirklich nicht, dass er weiß, wie ich mich
dadurch gefühlt habe.
Aber wie kann ich ihm davon
erzählen, ohne das, was mit Mulder geschehen ist zur Sprache zu bringen? Wie
kann ich es ihm erzählen, wenn er draußen im Wohnzimmer sitzt wie ein Feigling?
Mich wieder ausschließt.
Ich schaffe es lange genug, mich
davon abzuhalten hinauszustürmen und eine Konfrontation herauszufordern. Nach
ungefähr fünfzehn Minuten kommt er ins Bett zurück.
Er klettert neben mir unter die
Decke, aber er berührt mich nicht.
"Ich kann es nicht fassen,
dass du das allein durchmachen musstest,"
flüstert er und starrt an die Decke. Er klingt so verloren und besorgt, dass
mein Ärger sich schnell zu verflüchtigen beginnt.
"Ich wollte stark sein. Für
dich, für mich selbst...Ich nehme an, ich habe am Ende alles nur noch schlimmer
gemacht."
"Nein, das warst nicht nur
du. Ich war nicht wirklich für dich da, so dass du es mir hättest erzählen
können. Ich war weit weg. Du hast Recht."
"Ich nehme an, wir haben
beide jede Menge Fehler gemacht."
"Denkst du, dass wir
zurückbekommen können, was wir hatten?"
"Nein, Alex. Ich denke,
dass....was ich hoffe ist, dass wir sogar noch etwas
viel besseres haben können."
"Wo fangen wir an?"
"Ich denke, dass wir schon
angefangen haben, Alex. Ich, ich muss nur wissen, dass du wirklich hier bist.
Dass du mir wirklich vertraust und dass du nicht wieder... dass ..."
"Es tut mir Leid."
"Ich weiß, dass es dir Leid
tut, Alex, aber es erschreckt mich, wie schnell du mir die kalte Schulter
zudrehen kannst. Ich weiß, das ist nur ein Abwehrmechanismus, aber ich
möchte...ich möchte nicht, dass du dich mir gegenüber verteidigen musst.
Er dreht sich leicht zur Seite
und sieht mir in die Augen. Ich nehme an, dass ich weine, weil ich spüre, wie
seine Finger über meine Wangen streichen und die Tränen wegwischen.
"Es war mir nicht bewusst.
Ich wusste nicht, dass es dir so sehr weh tun würde. Ich vertraue dir, Dana.
Und ich möchte nicht das Gefühl haben, dass ich mich vor dir beschützen muss.
Aber ich muss auch wissen, dass du mir erzählst, was mit dir los ist. Ich muss
solche Sachen wissen wie...na ja, wie wenn du an Krebs stirbst, zum
Beispiel."
Ich nehme an, dass es ein
Zeichen von Fortschritt ist, dass wir beide darüber leise lachen. Trotzdem habe
ich ziemliche Gewissensbisse. Völlige Offenheit
scheint sein Wunsch für unsere Beziehung zu sein. Ich nehme an, dass es schon
immer das war, was er wollte. Das ist es, was ich auch will, aber da gibt es
noch eine Sache, bei der ich mich nicht durchringen kann, sie ihm zu erzählen.
Nicht aus Angst davor, ihn zu verlieren oder irgendeiner Angst, aber aus dem
Bedürfnis heraus, ihn zu beschützen.
Ihm zu erzählen, was zwischen
mir und Mulder passiert ist, würde keinen anderen Zweck haben, als mein eigenes
schlechtes Gewissen zu erleichtern. Es würde ihm so sehr weh tun, so tief
schmerzen und es gibt keine Notwendigkeit dafür, dass er es wissen muss. Es
gibt keinen Grund dafür, das was passiert ist auf unsere Beziehung Auswirkungen
haben zu lassen. Das hat es nicht und das wird es nicht. Ich werde das nicht
zulassen. Er wird niemals erfahren, wie ich es geschafft habe, diese Tür in
meinem Leben zu schließen.
Er schlingt seinen Arm um meine
Schultern und zieht mich in eine Umarmung.
"Ich bin einfach froh, dass
es dir gut geht," flüstert er und küsst meinen
Kopf. "Es geht dir gut? Ehrlich?"
"Ja, es geht in die
Richtung."
"Du wirst es mir sagen,
wenn es nicht so ist?"
"Ja. Ich verspreche es. Es
tut mir Leid, Alex. So Leid."
"Mir auch. Alles..."
"Das muss es nicht.
Bitte."
Ich fange an mir zu wünschen, er
würde endlich aufhören, sich zu entschuldigen. Ich verstehe, dass es ihm Leid
tut. Er versteht, dass es mir Leid tut. Wir sind zwei bedauernde Individuen.
Das sollte das Ende der Unterhaltung sein.
Aber wieder schafft er es, meine
Gedanken zu lesen und ein Thema hervorzuholen, über das zu reden ich mich immer
noch fürchte.
"Also...in diesem Brief
hast du, äh, du hast etwas gesagt über äh...über nicht wirklich...äh," er hebt das Blatt wieder von dort auf, wo er es auf
den Nachttisch gelegt hatte und fängt an, laut vorzulesen.
"Ich dachte, wir würden uns
streiten, nachdem du mich gefunden hast, als ich mit Mulder tanzte. Ich habe
erwartet, dass du verletzt und wütend sein würdest und ich war darauf
vorbereitet, damit umzugehen, zu versuchen, deine Ängste bezüglich dieser
Situation zu beschwichtigen. Ich habe mich fast auf die Möglichkeit gefreut, es
auszudiskutieren. Vielleicht wäre ich mir meiner Gefühle dir gegenüber klarer
geworden, wenn ich gezwungen gewesen wäre, sie dir zu erklären."
Ich nicke nur und weiß sehr gut,
worauf er damit hinauswill und fürchte das Minenfeld,
durch das wir gehen werden.
"Also, hast du...hast du
dazu irgendwas zu sagen?" fragt er und legt den Brief wieder zurück auf
den Nachttisch. "Willst du es ausdiskutieren, Dana?"
"Ich...habe nicht...ich
war...ich denke, ich denke, dass ich mir über meine Gefühle jetzt sehr viel
mehr im Klaren bin, als ich es war, als ich den Brief geschrieben habe."
"Und die sind?"
"Die sind dass...dass ich
mit dir zusammensein will. Dass ich nur glücklich und
wirklich ich selbst bin, wenn ich mit dir zusammen bin. Du lässt mich .... alles fühlen. Durch dich fühle ich mich lebendig,
Alex. Ich wäre nirgendwo auf der Welt lieber als hier, bei dir. Nichts könnte
das jemals ändern."
Er seufzt schwer, was entweder
ein Zeichen für Erleichterung oder Gereiztheit ist. Bin ich dem Thema in seinen
Augen jetzt ausgewichen?
Nein, es ist Erleichterung. Er
drückt mich fest an sich und sagt, "Das ist alles, was ich wissen
muss."
Ja, ja das ist es.
Wir halten uns gegenseitig lange
Zeit und irgendwann scheint er eingeschlafen zu sein. Gott weiß, dass er eine
gute Nacht voll Schlaf gebrauchen kann. Gerade als ich das Gefühl habe, ich
könnte selbst eindösen, beginnt er wieder zu sprechen.
"Ich muss dir etwas
erzählen, Dana. Etwas...ziemlich schlimmes."
Aus irgendeinem Grund ist das
erste, was mir in den Kopf schießt, dass er mit Marita geschlafen hat. Der
Drang mich zu übergeben, sofort gefolgt von den Drang, jemanden umzubringen,
den dieser Gedanke erzeugt, reicht aus, um mich davon zu überzeugen, dass ich
die richtige Entscheidung getroffen habe, ihm nichts von Mulder zu erzählen.
"Ich habe etwas...schlimmes getan. Einfach, schlimm."
Bitte, lieber Gott, wenn sich
herausstellt, dass dies hier ist was es ist, dann lass mich nicht zu einer
heuchlerischen, psychotischen Schlampe werden. Bitte?
"Möchtest du mir davon
erzählen?"
Ich fahre mit meiner Hand über
sein Gesicht gerade als er herausplatzt, "Ich habe sie umgebracht."
Sollte ich darüber besorgt sein,
dass ich erleichtert bin? Wahrscheinlich. Aber ich bin es. Es spielt noch nicht
mal eine Rolle, von wem er spricht.
"Wen umgebracht?"
"Marita."
Oh ja, sehr erleichtert,
tatsächlich. Verdreht. Aber ich habe plötzlich wieder in einer neuen Hinsicht
Angst. Was könnte ihn dazu getrieben haben?
"Warum, Alex? Was hat sie
getan?"
"Sie ...sie muss für jemand
anderen gearbeitet haben. Ich weiß noch nicht einmal für wen. Vielleicht nur
für sich selbst. Vielleicht für den rauchenden Bastard, ich weiß es nicht. Aber
ich hatte es. Wir hatten es und warf es auf den Boden, warf es einfach weg. Sie
wollte es noch nicht einmal. Gott, ich weiß nicht, was zur Hölle sie
wollte."
"Hatte was? Die
Waffe?"
"Ja. Die Waffe. Das
einzige, weswegen sich diese ganze Sache gelohnt haben könnte."
Ich wusste, dass so etwas
passieren würde, wenn er ihr wieder vertrauen würde. Ich wusste es in meinem
tiefsten Inneren. Und wieder habe ich es ihm nicht gesagt. Ich habe es nicht
klar gemacht. Ich habe ihn nicht aufgehalten. Nicht, dass ich das gekonnt
hätte, aber ‚Das habe ich dir gesagt' ist hier noch nicht mal eine Option. Ich
habe es nicht. Und es wird mir endlich klar, was für ein schrecklicher Fehler
das war. Es wird mir endlich klar, dass die Dinge, die zwischen uns passieren,
Auswirkungen haben, die weit darüber hinausreichen, in wessen Bett ich schlafe
und ob meine Haare kurz sind oder nicht.
Und ich bin so froh, dass wir
diese kleine Chance haben, das alles zu besprechen, bevor wir rausgehen und all
den anderen gegenübertreten müssen. Bevor hier wirklich alles dem Bach
runtergeht. Wir müssen zusammen sein. Wirklich, wirklich zusammen, wenn wir das
durchstehen wollen.
"Ich musste sie aber nicht
töten, Dana. Es war keine Notwehr. Es war einfach...einfach Mord."
"Aber Alex, wenn sie das
getan hat, hätte sie vielleicht noch mehr getan..."
"Nicht. Versuche es nicht
zu rechtfertigen. Ich habe über nichts dergleichen nachgedacht, als ich es
getan habe. Ich habe überhaupt nicht gedacht. Ich wollte einfach, dass sie
stirbt."
"Alex..."
"Erkennst du das, Dana?
Erkennst du, was für ein Mensch ich bin? Wie ich im Inneren bin? Wozu ich
werde, wenn ich nicht bei dir bin..."
Sein Atem stockt in seiner Brust
und ich streiche mit meiner Hand über ihn, versuche, ihn zu beruhigen.
"Nein, Alex, das ist
nicht...nicht, wer du bist. Du hast dich selbst deswegen schon schlecht
gefühlt, richtig? Sonst hättest du es mir gar nicht erst erzählt."
"Ich habe mich schlecht
gefühlt, weil ich wusste, dass ich dich enttäuschen würde. Weil ich wusste,
dass ich mich in jemanden zurückverwandelt hatte, den du hassen würdest."
"Aber das ist es, was ich
versuche zu sagen, Alex. Du hast dich nicht zurückverwandelt. Vielleicht hast
du es versucht. Vielleicht wolltest du in die Vergangenheit zurückkehren, zu
dem Menschen, der du früher mal warst. Weil du Angst hattest, vor dem Menschen,
der du geworden bist, vor den Gefühlen, die du hattest und wie sehr sie dir
wehgetan haben. Du hast versucht zu werden, was du früher warst. Aber es hat
nicht funktioniert, richtig? Weil du das nicht mehr bist. Egal was du getan
hast, die Tatsache, dass es dir Leid tut, dass du die Frage überhaupt in
Erwägung ziehst, ob es das richtige war, was du getan hast, zeigt, wie sehr du
dich geändert hast."
Er starrt mich einfach eine
Minute lang an, wobei er sich wahrscheinlich fragt, woher dieser Ausbruch von
Einsicht plötzlich kommt. Aber seine Augen sagen mir, dass ich Recht habe. Wir
haben etwas sehr ähnliches durchgemacht, wir beide.
"Aber...ich habe es getan.
Macht dir das nicht Angst? Fragst du dich da nicht..."
"Schh.
Ich liebe dich, Alex. I liebe dich. Alex...I liebe dich."
Er sieht so schockiert aus, so
erschrocken und verwirrt, dass ich weinen könnte. Hat er das nicht gewusst?
Nein, wie hätte er das? Mein Gott, könnte ich noch dämlicher sein?
Dann lächelt er. Seine Augen
werden feucht und er sieht so unglaublich glücklich aus, dass ich mich in den
Hintern treten könnte, dafür, dass ich es nicht schon eher gesagt habe. Dass
ich es nicht gesagt habe, als ich es das erste Mal fühlte, vor all den Jahren.
"Ich liebe dich," sage ich ihm wieder und dann noch mal. Ich werde es
die ganze Nacht lang sagen, wenn es all die Gelegenheiten wieder gut macht, an
dem ich es hätte sagen sollen und das nicht getan habe.
"Ich wusste...ich wusste,
dass sie dich entführen würden," krächzt er mit
tränenerstickter Stimme und es wird mir bewusst, dass dies das erste Mal ist,
dass ich ihn weinen sehe. Wirklich, richtig weinen. Und es wird mir auch
bewusst, dass was auch immer er mir jetzt sagt keine Rolle spielt. Ich habe
keine Angst mehr davor, es zu hören.
"Ich habe ihnen geholfen.
Ich habe dafür gesorgt, dass Mulder dich nicht rechtzeitig erreicht. Der Chip,
Emily, der Krebs ... all das. Ich hätte all das verhindern können."
Natürlich überbewertet er seine
Rolle im gesamten System. Ich habe keinen Zweifel daran, dass all diese Dinge
passiert wären, ob er überhaupt geboren gewesen wäre oder nicht. Aber er fühlt
sich natürlich verantwortlich. Mitschuldig. Und das war er. Ich küsse ihn auf
die Wange, die tränennass ist.
"Ich liebe dich, Alex."
"Und deine Schwester. Ich
war auch dort. Ich hätte das aufhalten können. Und es hättest du sein sollen.
Ich hätte ihm helfen sollen, dich zu töten. Und das hätten wir getan. Wenn du
diejenige gewesen wärst, die durch diese Tür gekommen wäre, hätte er dich
erschossen und ich hätte ihn das tun lassen."
Mein Gott, ich hatte so lange
Angst, das zu hören. Nicht, weil ich nicht glauben könnte, dass es wahr ist,
sondern weil ich tief in meinem Herzen gewusst habe, dass es wahr ist und ich
Angst hatte, dass ich ihm nicht vergeben könnte, wenn er mir das erzählt. Dass
ich ihn nicht so lieben könnte, wie ich es tue.
Was ich bis zu diesem Moment
unfähig war zu bemerken, ist, dass ich ihm das schon vor langer, langer Zeit
vergeben habe. Ich denke ich habe ihm das an dem Tag vergeben, als er die
Klinge aus meiner Hand zog und mich davon abhielt, mir meinen eigenen Pulsadern
aufzuschneiden.
Ich muss keine Angst mehr davor
haben, wer er ist oder wer er war. Ich liebe ihn ohne Wenn und Aber und
wahrscheinlich das erste Mal in meinem Leben lasse ich dieses Gefühl auch zu.
Ich öffne mich selbst der Freiheit der bedingungslosen Liebe.
"Ich liebe dich," murmle ich in seine Brust.
"Ich habe Mulders Vater
umgebracht. Ich habe... ich habe so viele Menschen umgebracht."
"Ich weiß. Ich liebe dich.
Liebe dich."
Ich küsse ihn diesmal auf die
Lippen. Sein Mund ist weich und nachgiebig. Sein Körper zittert. Tränen fließen
aus seinen Augen über seine Nase und in unsere Münder.
"Es tut mir so Leid, Dana.
Es ..."
"Ich weiß. Ich weiß. Ich
vergebe dir, Alex. Ich liebe dich."
"Ich weiß, dass du denkst
ich bin mutig und stark, aber das bin ich nicht. Ich war es nicht. Ich hatte
Angst. Ich habe immer Angst..."
"Das ist mir egal. Ich habe
auch Angst. Und du bist jetzt in meinen Augen stark, Alex. Stärker, als ich
dich je gesehen habe."
"Da gibt es noch andere
Sachen..."
"Willst du es mir
erzählen?"
"Ich möchte dir alles erzählen,
aber..."
"Nichts könnte mich davon
abbringen, dich zu lieben, Alex. Nichts."
Und das ist wahr. Ich habe
fürchte mich vor nichts von dem, was er mir erzählen könnte. Ich weiß, dass er
diese Dinge schon seit einer ganzen Zeit erzählen wollte. Also lasse ich ihn,
obwohl es für mich jetzt keinen Unterschied mehr macht. Ich kuschle mich auf
ihn und höre der Litanei von Missetaten zu, endlos und betäubend und irgendwann
schlafe ich in seinen Armen ein, der Klang seiner Stimme wiegt mich in eine
friedliche Traumwelt.
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Ich habe mich heute morgen wieder übergeben.
Das macht dann drei Mal in der
letzten Woche. Ich erinnere mich daran, dass ich mich während der ersten
Behandlung gegen den Krebs, vor drei Wochen, schlecht gefühlt habe. Eine
Nebenwirkung der Behandlung, die nach ein paar Tagen verschwunden war. Als diese neue Anfall anfing, dachte ich erst, dass es die
gleiche Nebenwirkung sei. Ich war nervös wegen all der Injektionen, die wir in
letzter Zeit im Labor ausgeteilt haben. Würde es jedem so schlecht gehen wie
mir?
Allerdings glaube ich nicht,
dass ich mir darüber Sorgen machen muss, soweit es das betrifft.
Nachdem diese ‚Nebenwirkungen'
wieder aufgetreten sind, habe ich eine Reihe von Untersuchungen an mir
durchgeführt. An meinem Blut, meiner DNA, an allem. Dabei habe ich etwas sehr
merkwürdiges festgestellt. Es scheint so, als hätte das Serum einige
unerwartete Ereignisse in meinem Körper ausgelöst. Am wichtigsten und am
unerklärlichsten, scheint es die Regeneration einiger meiner Eizellen bewirkt
zu haben. Es hat mich wieder fruchtbar gemacht.
Diese Neuigkeiten werde ich der
Gruppe mitteilen. Es liegt sicher Hoffnung darin. Wir haben nicht sehr viele
Kinder hier. Diejenigen, die bei uns sind, waren, mit ein oder zwei Ausnahmen,
schon vor der Invasion am Leben. Keine der früheren Sklavinnen oder Klone war
bis jetzt in der Lage, schwanger zu werden. Wir sind eine sterbende
Gesellschaft. Genauso, wie sie es gewollt haben.
Aber jetzt, wenn diese
Behandlung auf die anderen so wirkt, wie auf mich, könnten wir ein Heilmittel
sowohl gegen die Unfruchtbarkeit als auch gegen den Krebs haben. Wir könnten
neue Hoffnung für die Menschheit haben.
Unglücklicherweise hat das, was
für den Rest der Gruppe gut ist, das Potential, mich auf einem sehr
persönlichen Niveau zu vernichten. Deswegen habe ich das Thema vielleicht
vermieden, habe mich geweigert, die Möglichkeit anzuerkennen, selbst in meinem
eigenen Kopf. Aber Tatsache ist, ich habe jede andere Möglichkeit
ausgeschlossen. Es gibt noch einen Test den ich machen muss.
Wir haben heute Nachmittag ein
Gruppenmeeting. Alex ist seit fast zwei Wochen zurück und die Kunde von dem,
was passiert ist, ist zu jedem durchgedrungen.
Die Leute sind nicht glücklich
über ihn. Die Leute sind nicht glücklich. Ich kann die Unzufriedenheit jedes
Mal spüren, wenn ich mich an einem öffentlichen Ort aufhalte. Ich höre, wie sie
in der Cafeteria reden. Ich sehe sie die Stirn runzeln, wenn wir vorbeigehen.
Es wird Zeit, sich damit auseinander zusetzen.
Es wird Zeit, sich mit einer
Menge Dinge auseinander zusetzen.
Wir waren glücklich, Alex und
ich. Wir haben in unserer kleinen Blase gelebt und gewartet, bis sie platzt. In
dem Wissen, dass sie es früher oder später tun würde.
Ich dachte, dass wir, wenn wir
diesen Punkt erreichen, wenn es Zeit ist, die Truppe wieder neu aufzustellen
und unsere taumelnde Gemeinschaft wieder auf Kurs zu bringen, zusammen wären.
Und das sind wir. Bis jetzt.
Wir werden für dieses Meeting zusammensein, weil ich ihm nichts davon erzählen werde, bis
es vorbei ist. Bis wir uns den Wölfen zum Fraß vorgeworfen haben.
Ich werde es ihm aber trotzdem
erzählen müssen. Wenn sich herausstellt, dass dieser Test positiv ist, wovon
ich mittlerweile fast überzeugt bin, werde ich ihm früher oder später erzählen
müssen, dass ich schwanger bin. Ich werde ihm erzählen müssen, dass es sehr gut
möglich ist, dass er nicht der Vater ist.
Und ich weiß nicht, was wir dann
deswegen tun werden. Ich habe keine Ahnung.
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Ende Kapitel 18
Ende Zweiter Band
Autorenbemerkung: Wow. Ihr habt
es geschafft. Gratulation und danke für das lesen dieses ganzen verdammten
Dings. Es wird einen Dritten Band geben, aber ich bin mir nicht sicher, wann
das erste Kapitel fertig sein wird. Hoffentlich in ein paar Wochen.
Speziellen riesengroßen Dank an
mein tapferes und herzliches Team von Betalesern. Laura, Cynthia, Alanna und Spicedrum haben alle
mehr zu dieser Story beigetragen, als ich sagen könnte. Ihr
Unterstützung war eine endlose Quelle der Inspiration für mich. Ich möchte auch
jedem auf RATales dafür
danken, dass ich das an ihnen austesten konnte, bevor ich es öffentlich
gepostet habe.
Bemerkung des Übersetzers:
Natürlich hat Rachel schon
weitergeschrieben (bis jetzt bis Kapitel 9) und ich werde diese Kapitel asap übersetzen, wenn ihr mir sagt, ob es euch
interessiert, wie es weitergeht.
Und natürlich habe ich auch
Danke zu sagen, nämlich an meine unermüdliche Betaleserin ClaudiaQueequeg.
Was wäre ich ohne dich!